Medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten bei Substanzinduzierten Störungen Psychopharmaka Neuropharmaka • „Richtig angewandt ist das Medikament in der • Psychiatrie ein Instrument der Befreiung“ • - Franco Basaglia • italienischer Reformpsychiater in den 1970-ger Jahren Psychopharmaka-Neuropharmaka... ...sind Substanzen, die Einfluss nehmen auf: • Gefühle • Denken • Wollen • Verhalten Psychopharmaka-Neuropharmaka • Der Mensch als komplexes offenes System... steht in seinem Denken–Fühlen-Wollen-Verhalten in Interaktion mit Innen-und Außenwelt In dieses System greifen an spezifischer Stelle Psychopharmaka ein. Wirkort? Das menschliche Gehirn Synapsen biochemische Informationsübertragungsstellen Bekannte „psychotrope“ Substanzen: Alkohol Cannabis Cocain Opiate LSD Meskalin Ecsatcy Engelstrompete, Fliegenpilz, Tollkirsche... Psychotrope/ neurotrope Substanzen zur Behandlung Psychischer Störungen: Interaktion von Medikamenten • Durch Interaktion von Medikamenten: • Gefahr durch Aufsummierung und Überlagerung von Nebenwirkungen. • Bei Medikation immer die möglichen Interaktionen bei Einnahme von mehr als einem Medikament berücksichtigen (hierher gehört auch der Konsum von Alkohol, Nikotin und Drogen) • Interaktionen können nicht immer sicher vorausgesagt werden. • ...Voraussetzung einer jeden Therapie: die DIAGNOSE • (hierzu gehören auch die Begriffe „Verdachtsdiagnose“ oder „Arbeitsdiagnose“) • Vor einer eventuellen medikamentösen Behandlung klären: 1. Sind körperliche Erkrankungen als Ursache der Symptome ausgeschlossen? 2. Sind äußere Einwirkungen erkennbar, welche die Symptome verursachen? Können diese beseitigt werden? Medikamentöse Behandlung Cannabis korrelierter psychischer Störungen. • Es gibt kein Medikament gegen die Cannabisabhängigkeit ! • Medikamentös behandelt werden Cannabisassoziierte Symptome oder Syndrome (Angst, Depression, Psychotische Phänomene) Cannabis und Angst • Bei schweren akuten Angstanfällen können einmalig Benzodiazepine zum Einsatz kommen (z.B. Lorazepam). • Ziel ist eine schnelle Entängstigung zur Vermeidung einer Eskalation der Angst (Angstspirale). • Keine Behandlung über einen längeren Zeitraum, da Gefahr der Entstehung einer Benzodiazepinabhängigkeit besteht. Cannabis und Angst Bei anhaltender Angstsymptomatik kann ein Behandlungsversuch mit Antidepressiva aus der Gruppe der SSRI (z.B. Citalopram, Seroxat, Fluctin, Sertralin) gemacht werden. Medikamente bei Cannabis und Psychose 1. Intoxikationspsychose: - kann unter hochdosiertem Cannabiskonsum eintreten. - mit dem Abklingen des Rausches klingt auch die psychotische Symptomatik (Halluzinationen, Ängste, Derealisationsphänomene...) ab. - Die akute Psychose ist somit auch ohne den Einsatz von Medikamenten selbstlimitierend. Medikamente bei Cannabis und Psychose • Intoxikationspsychose Bei starker Angstsymptomatik und Erregung kann zur Entlastung ein Benzodiazepin (z.B. Lorazepam) eingesetzt werden. Der Einsatz von Neuroleptika (Antipsychotika wie Quetiapin, Olanzapin, Risperidon...) sind bei Intoxikationspsychosen ohne Wirkung. Medikamente bei Cannabis und Psychose Bei anhaltender psychotischer Symptomatik Versuch mit „atypischen“ Neuroleptika (Olanzapin, Quetiapin, Risperidon, Amisulprid). Es ist häufig erst im Verlauf einer psychotischen Symptomatik bei gesicherter Drogenabstinenz möglich, eine länger anhaltende „drogeninduzierte Psychose“ von einer Schizophrenie zu unterscheiden. Medikamente bei Cannabis und Psychose • Wenn eine psychotische Symptomatik trotz Abstinenz über 6 Monate anhält, spricht dies eher gegen eine ursächliche Bedeutung des Cannabiskonsums. • Bei einem drogeninduzierten Psychotischen Syndrom ist die Wirkung von Neuroleptika eher wenig erfolgreich. • Der Fokus der Behandlung liegt dann eher auf der Abstinenz und anderen Therapieverfahren (Psychotherapie, Psychoedukation...) Medikamente bei Cannabis und Psychose • Die Andauer der Symptomatik über 6 Monate bei gesicherter Abstinenz erhöht die Wahrscheinlichkeit der Diagnose einer Schizophrenie. Neuroleptika sind dann die Medikamente der ersten Wahl Cannabis und Komorbidität Grundsätzlich gilt, dass die eine Substanzabhängikkeit begleitende komorbide Störung auch medikamentös störungsspezifisch behandelt wird. • ( Depression mit Antidepressiva, Psychose mit • Neuroleptika, Angststörung mit Anxiolytika und/ oder • Antidepressiva-SSRI) Wirkungen und Nebenwirkungen von Psychopharmaka. Tranquilizer (spez. Benzodiazepine: Diazepam, Lorazepam, Oxazepam, Flunitrazepam...) --- angstlösend, --- dämpfend (sedierend), --- Reizabschirmung Dämpfung von vegetativen und hormonellen Antworten auf emotionale Reize. --- muskelentspannend, --- antikonvulsiv gegen cerebrale Krampfanfälle --- Verstärkung von im Gehirn (zentral) wirkenden Pharmaka. Wirkungen und Nebenwirkungen von Psychopharmaka. Tranquilizer (spez. Benzodiazepine): - Benommenheit, - Gleichgewichtsstörungen, - Gedächtnisstörungen bis hin zur Amnesie (v.a.wenn schnell wirksam), - Sehstörungen, - Verwaschene Sprache, - Entwicklung einer Sucht (Abhängigkeit), - Atemdepression (Vorsicht: Interaktion mit anderen psychotropen - Substanzen), - Paradoxe Reaktionen mit Erregung, Angst, Parnoia. Wirkungen und Nebenwirkungen von Psychopharmaka. • Neuroleptika: (Risperidon, Olazapin, Quetiapin, Haloperidol) --- antipsychotisch, --- psychovegetativ entkoppelnd (distanzierend) --- psychomotorisch dämpfend, --- entängstigend, --- schlafanstossend, --- teilweise stimmungsaufhellend. Wirkungen und Nebenwirkungen von Psychopharmaka. „Typische“ Neuroleptika (Haloperidol, Flupentixol, Fluphenazin, Levomepromazin, Promethazin, Melperon, Pipamperon...) NW typisch für „typische“ Neuroleptika: - EPMS (Blick-Schlund-Zungenkrämpfe, Muskelsteifigkeit, Zittern) - Akathisie (ausgesprochen unangenehme Bewegungsunruhe) - Müdigkeit (bei den sog. niederpotenten NL) - Spätdyskinesie: (unwillkürliche Muskeleigenbewegungen, z.B. Schmatzen, Grimmassieren, Zuckungen um den Mund-meistens nach Langzeiteinnahme)) Wirkungen und Nebenwirkungen von Psychopharmaka. „Atypische“ Neuroleptika (Risperidon, Clozapin, Olanzapin, Quetiapin, Amisulprid) Clozapin: Erhöhte Gefahr der Blutbildungsstörung, daher regelmäßige Blutbildkontrollen. Olanzapin: Gefahr der Blutzuckererhöhung, Fettstoffwechselstörung, oft massive Gewichtszunahme. Amisulprid: Störung der Hormonproduktion (Prolactin) und anschließendem Milchfluss, sexuelle Funktionsstörungen. Quetiapin: Leberfunktionsstörungen, Schläfrigkeit, Benommenheit, Kopfschmerzen. Einsatz von Psychopharmaka ist symptom-oder störungsbezogen. • Beispiel Antidepressiva (AD) • AD werden hauptsächlich bei Depressionen eingesetzt aber auch bei: • Zwangsstörungen; Angststörungen (anxiolytisch) • Chronischen Schmerzen (Schmerzmittel + AD) • Essstörungen, Schlafstörungen (hypnotisch) • PMS, PTBS Wirkungen und Nebenwirkungen von Psychopharmaka. Antidepressiva: (Doxepin, Anafranil, Amitriptylin, Citalopram, Sertralin...) --- stimmungsaufhellend, --- psychomotorisch enthemmend, aktivierend, antriebssteigernd, --- psychomotorisch dämpfend (sedierend) --- schlafanstossend (hypnotisch), --- entängstigend (anxyiolytisch Wirkungen und Nebenwirkungen von Psychopharmaka. Tricyklische AD (Amitriptylin, Doxepin, Trimipramin...) Häufig: Mundtrockenheit, verschwommenes Sehen, Verstopfung, Blutdrucksenkung, Schwindel, Schwitzen, Gewichtszunahme, innere Unruhe, Müdigkeit, sexuelle Funktionsstörungen, Harnverhalt. Risiken: Herzrhythmusstörungen, Krampfanfälle, Darmverschlusss, Störungen der Blutbildung, Leberfunktionsstörungen, Psychotische Symptome, Verwirtheitszustände bei älteren Menschen, Reduktion der Immunabwehr. Wirkungen und Nebenwirkungen von Psychopharmaka. SSRI-Antidepresiva und andere: (Fluoxetin, Paroxetin, Citalopram, Sertralin...) Häufig: Übelkeit, sexuelle Funktionsstörungen, verminderter Appetit, Schlafstörungen, Schwindel, Gewichtszunahme, Zittern, Verstopfung, Durchfall, Schwitzen. Risiken: Blutbildungsstörungen, Leberfunktionsstörungen, Verwirrtheit, akutes Glaukom, Halluzinationen, Serotoninsyndrom (Verwirrtheit, Unruhe, Hyperreflexie, Schüttelfrost, Muskelzuckungen, Schüttelfrost, Temperaturanstieg, Pulsbeschleunigung). • Medikamente zur Behandlung psychischer Störungen/ Krankheiten kommen zum Einsatz.... • ....wenn andere Behandlungsmethoden keinen Erfolg versprechen oder nicht durchgeführt werden können. • ....wenn durch Symptome ( z. B. Halluzinationen, Wahnideen) der Betroffene zur Behebung des Leidens nicht mehr selbstbestimmt handeln kann. • eher an Medikamente denken... • .... bei schwerem Krankheitsbild, • .... bei hohem Anteil an biologischen Faktoren. 3. Werden die Symptome durch unangepasstes Verhalten in einer Lebenslage verursacht? Kann das Verhalten geändert werden? 4. Sind die Symptome so ausgeprägt, dass mögliche unerwünschte Arzneiwirkungen (UAW) in Kauf genommen werden können? 5.Liegen Krankheiten vor, die den Einsatz von Psychopharmaka ausschließen? 6. Werden Medikamente eingenommen, die selbst als UAW psychische Symptome auslösen können (z.B. Parkinsonmittel, ß-Blocker, Antibiotika)? 7. Was soll mit einem Medikament erreicht werden? 8. Wer erkennt woran das erwünschte Ergebnis der Behandlung? Wann sind Veränderungen zu erwarten und wer kann sie beurteilen? • Beim Einsatz von Medikamenten: Sind Allergien bekannt? Trinken Sie Alkohol oder nehmen Sie Drogen? Fahren Sie Auto? Nehmen Sie andere Medikamente ein? (Wechselwirkungen!) Liegt eine Schwangerschaft vor? • Dosierung: Berücksichtigung der individuellen Empfindlichkeit So wenig wie möglich, so viel wie nötig. • Dauer der Behandlung: Leitlinien psychiatrischer Gesellschaften: • Bei Psychosen: • 1Jahr nach der ersten psychotischen Episode. • 5 Jahre nach der zweiten Episode • Auf Dauer nach der dritten Episode • • Dauer der Behandlung: • Leitlinien psychiatrischer Gesellschaften: • Bei Depressionen: • Mehrere Monate (ca. 6M) nach Abklingen der Symptome. • Aber: • Depressionen sind in Ausprägung, Ursachen und Kontexten so variabel, dass immer eine individuelle Entscheidung erforderlich ist. In welchem Wirkungszusammenhang stehen psychologische, biologische, soziale und ökonomische Faktoren? SSRI bei Kindern und Jugendlichen • 2004 hat die amerikanische Zulassungsbehörde FDA angeordnet, das auf den SSRI-Packungen Warnhinweise (black box) zum Einsatz bei Kindern und Jugendlichen erscheinen. Grund: SSRI können Selbsttötungstendenzen bei Kindern und Jugendlichen verstärken. Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass SSRI Ängstlichkeit und Aggressivität (einschl. Selbstverletzung) erhöhen können. SSRI-Kinder und Jugendliche • SSRI/SNRI sind nicht europaweit zugelassen für die Behandlung von depressiven • • • • • Störungen und Angststörungen bei Kindern oder Jugendlichen. Im Allgemeinen sollten diese Substanzen in dieser Altersgruppe nicht angewendet werden, da klinische Studien ein erhöhtes Risiko suizidalen Verhaltens (wie z. B. Selbstmordversuche und Suizidgedanken) gezeigt haben sollen Sollte es aufgrund klinischer Gegebenheiten notwendig sein, Kinder und Jugendliche mit diesen Störungen medikamentös zu behandeln, so sollte der Patient bezüglich des Auftretens suizidalen Verhaltens sowie selbstschädigender oder feindseliger Verhaltensweisen streng überwacht werden. Dies ist sei besonders zu Beginn der Behandlung sehr wichtig. Fluoxetin zeigte in der Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen nach bisherigen Ergebnissen kein erhöhtes Risiko für Suizidgedanken, Suizidversuche, selbstschädigender Verhaltensweise oder Feindseligkeit. Wenn ein SSRI in dieser Altersgruppe indiziert ist, empfiehlt sich nach einer Stellungnahme des britischen Gesundheitsministeriums daher die Gabe von Fluoxetin. Paroxetin ist als Antidepressivum bei unter 18-Jährigen jetzt kontraindiziert[13] Sertralin hat in Deutschland die Zulassung zur Behandlung einer Zwangsstörung auch bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 bis 17 Jahren. (Quelle: Rote Liste 2010.) Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Wirken Antidepressiva? • Unter den Psychopharmaka sind AD die Medikamente, deren Wirksamkeit bis heute umstritten ist. Die Datenlage ist weiterhin unbefriedigend. • Es gibt Hinweise für einen Nutzen bei sehr schweren Depressionen. • Wichtig ist die Psychotherapeutische (Begleit-) Behandlung. Abbau und Interaktion von Medikamenten • Das Problem mit den Enzymvarianten: • „Poor metabolizer“... (es fehlt das Enzym P450-2D6) ...bauen viele Psychopharmaka nur schwer ab. Schnell hohe Konzentration im Blut. • „Ultrarapid metabolizer“...(starke Ausprägung des • Enzyms P450-2D6) ...bauen viele Psychopharmaka sehr schnell ab. Erreichen häufig kaum wirksame Blutspiegel. Abbau und Interaktion von Medikamenten • Körpereigene Enzyme: • Cytochrome-P450 und seine Isoenzyme (Varianten) ! individuelle Ausstattung des Menschen mit Enzymen ! Einfluss von Medikamenten: 1. 2. Enzyminduktion: durch Verstärken der Enzymwirkung wird Abbau der Med. beschleunigt, hierdurch Wirkungsverlust. Enzyminhibition: durch Abschwächen der Enzymwirkung wird Abbau verlangsamt, hierdurch Wirkungsverstärkung. Sucht und Abhängigkeit • Machen Psychopharmaka süchtig? • Nur Benzodiazepine (Gruppe der Tranquilizer) können süchtig machen mit allen Formen des Entzuges beim Absetzen. • Antidepressiva, Neuroleptika und Stimmungsstabilisierer haben kein Suchtpotential Absetzphänomene • Kein Suchtpotential bei Antidepressiva, Neuroleptika und Stimmungsstabilisiern. aber... ....nach Absetzen können unangenehme Absetzerscheinungen auftreten: Zittern, Schwitzen, Unruhe, auf der Stelle treten. ....vor allem bei zu schnellem Absetzen. Nach Wiederaufnahme der Medikation verschwinden die Absetzerscheinungen. Setting, Milieu, Umgang Das Therapeutische Milieu ist... ...ein Setting, in dem eine bewusste Strukturierung der Umwelt vorgenommen wird. ...um zu stabilisieren, Entwicklung und Veränderung zu fördern Setting, Milieu, Umgang • Therapeutisches Milieu... • ...bedeutet die Einbeziehung der • psychischen Problematik (einschl.Behandlung), der Ressourcen und Einschränkungen, • der Beziehungsdynamik, u.a.m. in die Wahrnehmung der Betreuer/ Behandler • ...bedeutet nicht: Therapeutisierung des Alltags (Vermeidung einer Identitätsbildung über die Krankheit) Setting, Milieu, Umgang Ein Therapeutisches Milieu bietet: • • Entlastungsraum • • Schutzraum • • Kontaktfeld • • Tagesstruktur • • Motivationshilfe u. Modell-Lernen • • Selbsthilfeförderung • • Anforderungsumfeld / Erprobungsfeld • • Beobachtungsraum Setting, Milieu, Umgang • Grundsätzlich: • Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung tut alles das gut, was den meisten Menschen gut tut: Annahme und emotionale Sicherheit Setting, Milieu, Umgang • Veränderungsmotivation und positive Kommunikation gedeihen am besten in einem positiv affektivem Milieu •