Fachwissenschaftliche Grundlagen Vorlesung im Wintersemester 2011/2012, Universität Landau Roland Gunesch 8. Vorlesung Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 1 / 25 Themen heute Wiederholung: Indexschreibweise, insbesondere für Summen Beweisverfahren der vollständigen Induktion Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 2 / 25 Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 3 / 25 Wiederholung: Indexschreibweise (Summe) Für n , m ∈N ≥n mit m ist m ∑ i xi := x + x n n +1 + · · · + xm−1 + xm , =n wobei auf der rechten Seite m − n + 1 Summanden stehen. Hier ist i der Summationsindex. Die Summe n ∑ i xi =1 enthält also n Summanden. Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 4 / 25 Wiederholung: Summe mit Indizes aufspalten Summen dürfen wir aufspalten (und zusammenfügen): Wenn n ≤k ≤m ist, dann gilt m ∑ i Roland Gunesch (Mathematik) =n k xi = ∑ i =n m xi + ∑ i xi . =k +1 Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 5 / 25 Wiederholung: Indexverschiebung Der Index darf wie folgt verschoben werden: m ∑ i und allgemeiner für jedes k m xi +1 = =n ∑ i xi =n+1 ∈ Z: m ∑ i Roland Gunesch (Mathematik) +1 =n m xi +k = +k ∑ i xi . =n+k Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 6 / 25 Wiederholung: Indexschreibweise (Produkt, Vereinigung, Durchschnitt) Produkt m ∏ i xi := x · x n n +1 · · · · · xm−1 · xm =n Vereinigung m [ i Durchschnitt m \ i Mi := M ∪ M n +1 ∪ · · · ∪ Mm−1 ∪ Mm Mi := M ∩ M n +1 ∩ · · · ∩ Mm−1 ∩ Mm n =n n =n Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 7 / 25 Formeln mit n Wiederholung: 1 + 2 + · · · + 99 + 100 = 50 · 101. Diese Formel gibt es auch in der Version, wo wir nicht bei 100, sondern bei n aufhören zu zählen. Sie lautet dann: n Für alle n ∈N gilt ∑ i i = =1 1 2 ( + 1). n n Wie können wir so etwas beweisen? Für solche Formeln, die von n ∈N abhängen, gibt es eine spezielle Beweismethode: vollständige Induktion . Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 8 / 25 Beweismethode: vollständige Induktion Die Methode geht so: Wir versuchen nicht gleich, die Aussage für alle n zu beweisen. (Wäre wahr, aber es ist vielleicht zu schwierig, dies direkt zu beweisen). Zuerst zeigen wir: Die Aussage stimmt für n = 1. Das ist leicht. Dieser Schritt heiÿt Induktionsanfang. Die Aussage für n zeigen wir momentan nicht, wir setzen sie temporär voraus und nennen sie Induktionsannahme. Dann zeigen wir: Wenn die Aussage für n stimmt, dann auch für n + 1. Wobei n jetzt beliebig ist. Das ist schwerer als der Induktionsanfang, aber dennnoch leichter, als die Aussage für n + 1 zu zeigen, ohne die Aussage für n zu benutzen. Dieser Schritt heiÿt Induktionsschritt. Wir schreiben zuerst die Induktionsannahme hin, dann den Induktionsschritt. Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 9 / 25 ... ist wie eine Leiter Das Verfahren ist wie eine Leiter hochklettern: erst auf die unterste Stufe anfangen (n = 1), dann immer wieder eine Stufe hinauf (von n nach n + 1). Auf diese Weise erreichen wir jede Stufe. Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 10 / 25 Zwei Formeln Beispiele: Wir beweisen zuerst die Formel n ∑1= i n . =1 Die Formel ist sehr einfach, gerade richtig für einen ersten Beweis. Danach beweisen wir die schwierigere Aussage von vorhin: n ∑ i Roland Gunesch (Mathematik) =1 i = 1 2 ( + 1). n n Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 11 / 25 Ein erster Induktionsbeweis Wir zeigen: Satz Für alle n ∈N gilt n ∑1= i n . =1 Beweis mittels Induktion: Induktionsanfang: Die Behauptung gilt für n = 1. Zu zeigen ist: 1 ∑ 1 = 1. i Das ist äquivalent zu 1 = 1, =1 was eine wahre Aussage ist. Damit ist der Induktionsanfang bewiesen. Induktionsannahme: Für ein n ∈N sei die Behauptung n ∑ =1 1 = n i schon gezeigt. Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 12 / 25 Ein erster Induktionsbeweis (Fortsetzung) Induktionsschritt: Zu zeigen ist, dass aus der Induktionsannahme folgt, dass die Behauptung für n + 1 gilt, d.h. dass n +1 ∑ 1= i n + 1. =1 Beweis des Induktionsschritts: n +1 ∑ i n 1 = =1 n ∑ i 1+ =1 +1 ∑ i 1 (Aufspalten der Summe) =n+1 n = ∑ 1 +1 i (rechte Summe vereinfacht sich zu 1) =1 |{z} = n +1 (linke Summe bekannt wegen Induktionsannahme). Damit ist der Induktionsbeweis abgeschlossen. Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 13 / 25 Ein zweiter Induktionsbeweis Wir zeigen jetzt die folgende sehr interessante Aussage. Satz Für alle n ∈N gilt n ∑ i i = =1 1 2 n · (n + 1). Induktionsbeweis: Induktionsanfang: Die Behauptung gilt für 1 ∑ i Das ist äquivalent zu 1 Roland Gunesch (Mathematik) = 1, =1 i = 1 2 n = 1. Zu zeigen ist: · 1 · 2. was eine wahre Aussage ist. Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 14 / 25 Ein zweiter Induktionsbeweis (Fortsetzung) Induktionsannahme: Für ein n ∈N n ∑ i i = =1 1 2 sei die Behauptung n · (n + 1) schon gezeigt. Induktionsschritt: Zu zeigen ist, dass aus der Induktionsannahme folgt, dass die Behauptung für n + 1 gilt, d.h. dass n +1 i ∑ i 1 = (n + 1) · ((n + 1) + 1). 2 =1 Das ist dieselbe Formel, wobei jedes n durch n + 1 ersetzt worden ist. Umformuliert: n +1 ∑ i Roland Gunesch (Mathematik) =1 i 1 = (n + 1) · (n + 2). 2 Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 15 / 25 Ein zweiter Induktionsbeweis (Fortsetzung) Beweis des Induktionsschritts: n +1 ∑ i n i = =1 ∑ i =1 n i + +1 ∑ i i (Aufspalten der Summe) =n+1 n = ∑ i i + (n + 1) (rechte Summe vereinfacht sich zu n + 1) =1 |{z} = 1 ( + 1) + (n + 1) (linke Summe bekannt 1 = n+1 (n + 1) (Ausklammern von n + 1) 2 n n aus Induktionsannahme) 2 1 = (n + 2)(n + 1) 2 1 = (n + 1)(n + 2) 2 (Ausklammern von 1 2 ) (Terme umstellen). Damit ist der Induktionsbeweis abgeschlossen. Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 16 / 25 Beweis einer Ungleichung Typische Situation: Geld auf der Bank (Guthaben oder Schulden) wird verzinst. (1 + a)-mal soviel davon (1 + a) -mal soviel da. Jedes Jahr später ist Nach n Jahren ist da. n Beispiel: Ein Kredit von 1000 Euro wird mit 7% Zinsen (a = 0, 07) pro Jahr verzinst, 20 Jahre lang. Dann zurückgezahlt. Sind mehr als 2000 Euro fällig? Ja, denn schon ohne Zinseszins wären es 7% · 20 = 0, 07 · 20 = 1, 40 an Zinsen. Zurückzuzahlen ist also mehr als das 2, 4-fache. Dies in Formeln ausgedrückt ist die Bernoulli-Ungleichung: ∀n ∈ N ∀a ≥ 0 Roland Gunesch (Mathematik) gilt n (1 + a) ≥ 1 + n · a. Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 17 / 25 Die Bernoulli'sche Ungleichung Satz Bernoulli-Ungleichung: ∀n ∈ N ∀a ∈ [0, ∞[ gilt n (1 + a ) ≥ 1 + n · a . Hierbei bezeichnet [0, ∞[ := {x ∈ R | die Menge der Zahlen ≥0 in R. (Vorsicht: x ∞ ≥ 0} ist kein Element von R, aber als Bezeichnung für kein rechter Rand taugt es.) Wir beweisen Bernoullis Ungleichung per Induktion. Induktionsbeweis: Induktionsanfang: Zu zeigen ist (1 + a)1 ≥ 1 + 1 · a. Wahr. Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 18 / 25 Beweis der Bernoulli-Ungleichung (Fortsetzung) Induktionsannahme: Die Aussage (1 + a)n ≥ 1 + na sei schon gezeigt. Induktionsschritt: Wir wollen jetzt aus der Induktionsannahme folgern, dass gilt: (1 + a ) n +1 ≥ 1 + (n + 1)a. Wir rechnen: (1 + a) n +1 n = (1 + a) · (1 + a) ≥(1 + na) · (1 + a) nach Induktionsvoraussetzung =1 + na + a + na2 =1 + (n + 1)a + na (Ausmultiplizieren) 2 ≥1 + (n + 1)a. Übrigens hätten wir bei jeder Zeile ≥ schreiben können (statt =). Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 19 / 25 Fakultät Die Fakultät von n ∈N ist deniert als n n ! := ∏ i i . =1 Äquivalent: ( n ! := =1 n ∈ N \ {1} 1 für n (n − 1)! · n für (eine sogenannte rekursive Denition). Aufgabe: Wieso sind diese Denitionen äquivalent? Beweisen Sie dies per Induktion. Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 20 / 25 Fakultät und eine Ungleichung = 1 sein. n ≥ 4. Z.B. Der Induktionsanfang muss nicht bei n Vielleicht gilt eine Formel ja erst für diese: Satz Es gilt für alle n ∈N mit n ≥ 4, dass n Falsch für n = 1, n =2 und n n !>2 . = 3. Induktionsbeweis: Induktionsanfang: Wir fangen hier mit 4! > 24 ⇐= 24 n =4 an (nicht mit n = 1). > 16. Damit ist der Induktionsanfang gezeigt. Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 21 / 25 Beweis Fortsetzung Induktionsvoraussetzung: Wir nehmen an, die Behauptung n ! >2 n ist gezeigt. Induktionsschritt: Wir wollen aus der Induktionsvoraussetzung folgern, dass (n + 1)! > 2 n +1 gilt. Wir rechnen: (n + 1)! = n! · (n + 1) n >2 · (n + 1) n >2 · 2 =2 Roland Gunesch (Mathematik) n +1 nach Induktionsvoraussetzung denn n + 1 >2 (sogar n + 1 ≥ 5) . Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 22 / 25 Fibonacci-Zahlen Die Zahlen von Leonardo da Pisa (Fibonacci): Die Zahl Fn ist für n ∈N deniert durch Fn := 1 1 Fn−1 =1 n = 2 n ∈ N \ {1, 2} für n für +F n −2 für (wieder eine rekursive Denition). Dies ist die Folge 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, . . . Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 23 / 25 Wachstum der Fibonacci-Zahlen Bei der Induktionsannahme können wir annehmen, dass die Behauptung für n und für alle natürlichen Zahlen kleiner n schon gezeigt ist. Satz Für alle n ∈N gilt Fn n ≤2 . Induktionsbeweis: Induktionsanfang: = 1 : Die Behauptung 1 ≤ 21 ist wahr. 2 n = 2: Die Behauptung 1 ≤ 2 ist auch wahr. n (Sie sehen gleich, wieso wir zwei Fälle brauchen.) Roland Gunesch (Mathematik) Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 24 / 25 Wachstum der Fibonacci-Zahlen Induktionsannahme: Wir nehmen als schon bewiesen an: Fn ≤2 n und Fn−1 ≤2 n −1 . Induktionsschritt: Fn+1 = F +F n n n n ≤2 + 2 <2 + 2 =2 Roland Gunesch (Mathematik) n n n +1 −1 −1 . Fachwissenschaftliche Grundlagen 8. Vorlesung 25 / 25