Differenzierbare Mannigfaltigkeiten

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Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Hartmut Weiß
6. Februar 2016
Inhaltsverzeichnis
1 Grundbegriffe
1.1 Untermannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Mengentheoretische Topologie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
2.1 Abstrakte Mannigfaltigkeiten . . .
2.2 Differenzierbare Abbildungen . . .
2.3 Der Tangentialraum . . . . . . . .
2.4 Derivationen . . . . . . . . . . . .
2.5 Das Tangentialbündel . . . . . . .
2.6 Vektorfelder und Flüsse . . . . . .
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2
2
4
6
6
9
10
13
16
20
3 Differentialformen
28
3.1 Multilineare Algebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
3.2 Die äußere Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
4 Integration und der Satz von Stokes
4.1 Teilung der Eins . . . . . . . . . . .
4.2 Orientierungen . . . . . . . . . . . .
4.3 Integration auf Mannigfaltigkeiten .
4.4 Mannigfaltigkeiten mit Rand . . . .
4.5 Der Satz von Stokes . . . . . . . . .
4.6 Anwendungen . . . . . . . . . . . . .
5 De
5.1
5.2
5.3
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48
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52
Rham-Kohomologie
55
Kokettenkomplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Homotopieinvarianz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
Die Mayer-Vietoris Sequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
6 Riemannsche Mannigfaltigkeiten
66
6.1 Riemannsche Metriken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
6.2 Hodge-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
1
Kapitel 1
Grundbegriffe
1.1
Untermannigfaltigkeiten
Definition 1.1. Eine Teilmenge M ⊂ Rn heißt d-dimensionale Untermannigfaltigkeit von Rn (der Klasse C k für k ∈ N ∪ {∞}), falls für jeden Punkt
p ∈ M eine Umgebung U ⊂ Rn von p und ein Diffeomorphismus φ : U → V
(der Klasse C k ) auf eine offene Teilmenge V ⊂ Rn = Rd × Rn−d existieren
mit φ(M ∩ U ) = Rd × {0} ∩ V . Eine Abbildung φ : U → V wie oben heißt
Untermannigfaltigkeitskarte um p.
Beispiele.
1. Jeder d-dimensionale Untervektorraum V ⊂ Rn ist eine ddimensionale Untermannigfaltigkeit von Rn .
2. Für U ⊂ Rd offen und f : U → Rn−d differenzierbar ist
graph f = {(x, f (x)) : x ∈ U } ⊂ Rd × Rn−d = Rn
eine d-dimensionale Untermannigfaltigkeit.
Definition 1.2. Sei M eine d-dimensionale Untermannigfaltigkeit von Rn .
Dann heißt
Tp M = {γ 0 (0) : γ : (−ε, ε) → M differenzierbar mit γ(0) = p} ⊂ Rn
der Tangentialraum von M in p.
Obige Definition ist geometrisch naheliegend, offenbart aber nicht die lineare
Struktur des Tangentialraums. Dies wird durch folgendes Lemma erledigt:
Lemma 1.1. Ist φ : U → V eine Untermannigfaltigkeitskarte von M um p,
dann gilt
Tp M = (Dφ(p))−1 (Rd × {0}).
Insbesondere ist Tp M ein d-dimensionaler Untervektorraum von Rn .
2
d
γ(t) für eine diffeBeweis. Ist v ∈ Tp M , so gilt definitionsgemäß v = dt
t=0
renzierbare Kurve γ : (−ε, ε) → M
mit
γ(0)
=
p.
Für
eine
Untermannigfal
d
d
tigkeitskarte φ um p gilt dann dt t=0 (φ ◦ γ)(t) ∈ R × {0}. Andererseits gilt
d
−1
d
dt t=0 (φ ◦ γ)(t) = (Dφ(p))v, also v ∈ (Dφ(p)) (R × {0}).
d
Umgekehrt verläuft für w ∈ R × {0} und t ∈ (−ε, ε) die Kurve γ(t) =
φ−1
γ(0) = p. Somit liefert der Geschwindigkeitsvektor
(φ(p) + tw) in M mit
d
−1 w einen Tangentialvektor in T M .
γ(t)
=
(Dφ(p))
p
dt t=0
Definition 1.3. Sei U ⊂ Rn offen und f : U → Rm differenzierbar. Dann
heißt y ∈ Rm ein regulärer Wert von F , falls Df (x) surjektiv ist für alle
x ∈ f −1 ({y}).
Bemerkung. Insbesondere ist also ein Wert, der nicht im Bild von f liegt,
automatisch regulär. Ist y regulär und f −1 ({y}) 6= ∅, dann gilt m ≤ n.
Der folgende Satz gibt uns eine bequeme Möglichkeit an die Hand, Untermannigfaltigkeiten zu definieren:
Satz 1.2 (Satz vom regulären Wert). Ist U ⊂ Rn offen und f : U → Rn−d
differenzierbar (der Klasse C k ) und y ∈ Rn−d ein regulärer Wert von f ,
dann ist M := f −1 (y) eine d-dimensionale Untermannigfaltigkeit von Rn
(der Klasse C k ). Weiterhin gilt Tp M = ker Df (p) für p ∈ M .
Beweis. Sei p ∈ M , p = (p1 , . . . , pn ). Nach Voraussetzung ist die lineare
Abbildung Df (p) : Rn → Rn−d surjektiv. Ohne Einschränkung der Allgemeinheit sind die letzen n − d Spalten von Df (p), d.h. die Vektoren
n ∂f
o
∂f
(p), . . . ,
(p) ,
∂xd+1
∂xn
linear unabhängig (sonst vertausche die Koordinaten). Der Satz über implizite Funktionen besagt nun, dass M lokal um p als Graph dargestellt
werden kann, d.h. es es existieren offene Umgebungen V von (p1 , . . . , pd )
in Rd und W von (pd+1 , . . . , pn ) in Rn−d und eine differenzierbare Funktion h : V → W ⊂ Rn−d so dass M ∩ V × W = graph h. Damit ist M als
d-dimensionale Untermannigfaltigkeit von Rn nachgewiesen.
Sei v ∈Tp M . Für eine differenzierbare Kurve γ : (−ε, ε) → M mit γ(0) = p
d
und dt
γ(t) = v gilt (f ◦ γ)(t) = y für alle t ∈ (−ε, ε), also insbesondere
t=0
d
(Df (p))v = dt
(f ◦ γ)(t) = 0. Folglich gilt Tp M ⊂ ker Df (p). Da beide
t=0
Vektorräume d-dimensional sind, folgt die Gleichheit.
Beispiel. Die Einheitssphäre
S n−1 := {x ∈ Rn : kxk = 1}
ist eine (n − 1)-dimensionale Untermannigfaltigkeit von Rn mit Tangentialraum Tp S n−1 = {x ∈ Rn : hx, pi = 0} für p ∈ S n−1 .
3
1.2
Mengentheoretische Topologie
Definition 1.4. Sei X eine Menge. Ein System von Teilmengen O ⊂ P(X)
heißt Topologie auf X, falls gelten:
S
1. Ui ∈ O, i ∈ I beliebige Indexmenge =⇒ i∈I Ui ∈ O.
2. U, V ∈ O =⇒ U ∩ V ∈ O.
3. X, ∅ ∈ O.
Das Paar (X, O) heißt topologischer Raum, Mengen in X heißen offen. Eine
Menge A ⊂ X heißt abgeschlossen, falls ihr Komplement offen ist.
Beispiel. Ist (X, d) ein metrischer Raum, so wird durch
U ∈ O :⇐⇒ ∀x ∈ U ∃ ε > 0 : Bε (x) ⊂ U
eine Topologie auf X definiert.
Definition 1.5. Seien (X, OX ) und (Y, OY ) topologische Räume. Eine Abbildung f : X → Y heißt stetig, falls gilt:
U ∈ OY =⇒ f −1 (U ) ∈ OX
(„Urbilder offener Mengen sind offen.“)
Eine stetige Abbildung f : X → Y heißt ein Homöomorphismus, wenn sie
bijektiv und f −1 ebenfalls stetig ist. X und Y heißen homöomorph, wenn ein
Homöomorphismus zwischen ihnen existiert.
Definition 1.6. Sei X ein topologischer Raum. Eine Teilmenge U heißt
Umgebung von x ∈ X, falls eine offene Teilmenge V existiert mit x ∈ V ⊂ U .
Mit Hilfe des Umgebungsbegriffs kann folgende Trennungseigenschaft formuliert werden:
Definition 1.7. Ein topologischer Raum X heißt ein Hausdorff-Raum, falls
für jedes Punktepaar x 6= y ∈ X Umgebungen U ⊂ X von x und V ⊂ X
von y existieren mit U ∩ V = ∅.
Definition 1.8. Ein topologischer Raum (X, O) heißt kompakt, falls gilt:
[
X=
Ui , Ui ∈ O =⇒ ∃ i1 , . . . , ik : X = Ui1 ∪ . . . ∪ Uik
i∈I
(„Jede offene Überdeckung enthält eine endliche Teilüberdeckung.“)
4
Definition 1.9. Ein topologischer Raum (X, O) heißt zusammenhängend,
falls gilt: Läßt X sich schreiben als X = U ∪ V für U, V ∈ O mit U ∩ V = ∅,
dann gilt bereits U = ∅ oder V = ∅. Er heißt wegzusammenhängend, falls für
je zwei Punkte x, y ∈ X eine stetige Abbildung γ : [0, 1] → X (ein „Pfad“)
existiert mit γ(0) = x und γ(1) = y.
Bemerkung. Ein wegzusammenhängender Raum ist stets zusammenhängend.
Das Umgekehrte ist nicht der Fall.
Definition 1.10. Sei O eine Topologie auf X. Ein System von Teilmengen
B ⊂ O heißt Basis von O, falls sich jede Menge in O als Vereinigung von
Mengen aus B darstellen läßt.
Definition 1.11. Ein topologischer Raum erfüllt das zweite Abzählbarkeitsaxiom, falls seine Topologie eine abzählbare Basis besitzt.
Bemerkung. Rn erfüllt das zweite Abzählbarkeitsaxiom.
Teilmengen topologischer Räume werden selbst wieder zu topologischen Räumen vermöge folgender Definition:
Definition 1.12. Sei (X, OX ) ein topologischer Raum und A ⊂ X eine
Teilmenge. Die durch
U ∈ OA :⇐⇒ ∃ Ũ ∈ OX : U = Ũ ∩ A
definierte Topologie auf A heißt Relativtopologie.
Weitere wichtige Konstruktionen, die neue topologische Räume aus alten
hervorbringen, sind Quotienten und Produkte.
Definition 1.13. Sei (X, O) ein topologischer Raum und ∼ eine Äquivalenzrelation auf X. Es bezeichne X/ ∼ den mengentheoretischen Quotienten
und π : X → X/ ∼ die kanonische Projektion. Die durch
U ∈ OX/∼ :⇐⇒ π −1 (U ) ∈ OX
definierte Topologie auf X/ ∼ heißt Quotiententopologie.
Definition 1.14. Seien (X, OX ) und (Y, OY ) topologische Räume. Die Topologie auf X × Y , die das Mengensystem
{U × V : U ∈ OX , Y ∈ OY }
als Basis hat, heißt Produkttopologie.
Bemerkung. Ein System von Teilmengen B ⊂ P(X) ist Basis einer eindeutig
bestimmten Topologie O auf X, falls X sich als Vereinigung von Mengen aus
B darstellen läßt und gilt:
U, V ⊂ B =⇒ U ∩ V ∈ B.
Dann ist O gegeben durch O = {∪i∈I Ui : Ui ∈ B}.
5
Kapitel 2
Differenzierbare
Mannigfaltigkeiten
2.1
Abstrakte Mannigfaltigkeiten
Definition 2.1. Ein topologischer Raum X heißt lokal Euklidisch (der Dimension n ∈ N ∪ {0}), falls für jeden Punkt x ∈ X eine offene Umgebung
U ⊂ X von x und ein Homöomorphismus ϕ : U → V auf eine offene Teilmenge V ⊂ Rn existieren. Eine solche Abbildung ϕ : U → V heißt Karte um
x.
Definition 2.2. Ein lokal Euklidischer Hausdorff-Raum (der Dimension n)
heißt topologische Mannigfaltigkeit (der Dimension n), falls er das zweite
Abzählbarkeitsaxiom erfüllt.
Bemerkung.
1. Der Rn mit verdoppeltem Ursprung ist lokal Euklidisch,
aber kein Hausdorff-Raum.
2. Besitzt ein lokal Euklidischer Raum eine Überdeckung durch abzählbar
viele Kartenumgebungen U , so erfüllt er auch das zweite Abzählbarkeitsaxiom.
Sind ϕ1 : U1 → V1 und ϕ2 : U2 → V2 Karten der topologischen Mannigfaltigkeit M , so heißen
ϕ2 ◦ ϕ−1
1 : ϕ1 (U1 ∩ U2 ) → ϕ2 (U1 ∩ U2 )
und
ϕ1 ◦ ϕ−1
2 : ϕ2 (U1 ∩ U2 ) → ϕ1 (U1 ∩ U2 )
die Kartenwechsel zwischen ϕ1 und ϕ2 . Definitionsgemäß sind die Kartenwechsel Homöomorphismen zwischen den offenen Teilmengen ϕ1 (U1 ∩ U2 ) ⊂
Rn und ϕ2 (U1 ∩ U2 ) ⊂ Rn .
6
Definition 2.3. Die Karten ϕ1 und ϕ2 heißen verträglich (der Klasse C k für
k ∈ N ∪ {∞}), falls die Kartenwechsel ϕ2 ◦ ϕ−1
1 : ϕ1 (U1 ∩ U2 ) → ϕ2 (U1 ∩ U2 )
−1
und ϕ1 ◦ ϕ2 : ϕ2 (U1 ∩ U2 ) → ϕ1 (U1 ∩ U2 ) differenzierbar (der Klasse C k )
sind.
Bemerkung. Sind ϕ1 und ϕ2 verträglich, dann sind die Kartenwechsel also
Diffeomorphismen zwischen den offenen Teilmengen ϕ1 (U1 ∩ U2 ) ⊂ Rn und
ϕ2 (U1 ∩ U2 ) ⊂ Rn .
Definition 2.4. Sei M eine topologische Mannigfaltigkeit. Eine Menge A
von Karten von M heißt differenzierbarer Atlas auf M (der Klasse C k ), falls
gelten:
1. Jeder Punkt p ∈ M liegt im Definitionsbereich einer Karte ϕ ∈ A.
2. Je zwei Karten ϕ1 , ϕ2 ∈ A sind verträglich (der Klasse C k ).
Definition 2.5. Zwei differenzierbare Atlanten A1 und A2 auf M heißen
äquivalent, falls A1 ∪ A2 wieder ein differenzierbarer Atlas auf M ist.
Dies definiert eine Äquivalenzrelation auf der Menge der differenzierbaren
Atlanten auf M . Jede Äquivalenzklasse enthält einen eindeutigen maximalen
Atlas, nämlich den, der durch Hinzunahme aller mit einem beliebigen Atlas
aus der Äquivalenklasse verträglichen Karten entsteht. (Dieser Atlas kann
offenbar nicht durch Hinzunahme weiterer Karten vergrößert werden, ist also
maximal bezüglich Inklusion.)
Definition 2.6. Eine differenzierbare Struktur (der Klasse C k ) auf der topologischen Mannigfaltigkeit M ist eine Äquivalenzklasse von differenzierbaren
Atlanten (der Klasse C k ).
Die Menge der differenzierbaren Strukturen steht also in Bijektion zu der
Menge der maximalen Atlanten und jeder differenzierbare Atlas definiert
eindeutig eine differenzierbare Struktur.
Definition 2.7. Eine differenzierbare Mannigfaltigkeit (der Klasse C k ) ist eine topologische Mannigfaltigkeit zusammen mit einer differenzierbaren Struktur (der Klasse C k ) .
Konvention. Im folgenden bedeute „differenzierbar“ stets „differenzierbar von
der Klasse C k “ für ein k ∈ N ∪ {∞}, das sich aus dem Kontext ergibt. In der
Regel wird dies k = ∞ sein.
Beispiele.
1. Jede offene Teilmenge U ⊂ Rn ist eine n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit. Allgemeiner ist jede offene Teilmenge
U ⊂ M einer n-dimensionalen differenzierbaren Mannigfaltigkeit M
wieder eine n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit.
7
2. Jede d-dimensionale Untermannigfaltigkeit M ⊂ Rn ist eine d-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit. Ist φ : U → V eine Untermannigfaltigkeitskarte um p ∈ M , so ist
ϕ := φ|M ∩U : M ∩ U → Rd × {0} ∩ V
eine Karte um p.
3. Wir betrachten folgende Äquivalenzrelation auf Rn+1 \ {0}:
v ∼ w :⇐⇒ ∃ λ ∈ R \ {0} : v = λw
Die Äquivalenzklassen sind gerade die ihres Ursprungs beraubten eindimensionalen Untervektorräume L ⊂ Rn+1 . Der Quotientenraum RPn
ist ein kompakter Hausdorff-Raum und heißt reell projektiver Raum.
Ist π : Rn+1 \ {0} → RPn die kanonische Projektion, so schreibt man
π(x) = [x0 : . . . : xn ], x = (x0 , . . . , xn ) (“’homogene Koordinaten“).
Betrachte die offenen Mengen
Ui := {[x0 : . . . : xn ] ∈ RPn : xi 6= 0}
und die Karten
ϕi : Ui → Rn ,
[x0 : . . . : xn ] 7→
x0
xi−1 xi+1
xn
,...,
,
,...,
xi
xi
xi
xi
.
Dies liefert einen differenzierbaren Atlas für RPn .
4. Sind M und N differenzierbare Mannigfaltigkeiten der Dimension n,
bzw. m, so ist das kartesische Produkt M × N (versehen mit der Produkttopologie) wieder eine differenzierbare Mannigfalitigkeiten der Dimension n + m. Sind ϕ : U → ϕ(U ) ⊂ Rn und ψ : V → ψ(V ) ⊂ Rm
Karten, so ist
ϕ × ψ : U × V −→ ϕ(U ) × ϕ(V ) ⊂ Rn+m
eine Karte für M × N . Das kartesische Produkt T n := S 1 × . . . × S 1
(n Faktoren) heißt n-dimensionaler Torus.
Definition 2.8. Sei M eine differenzierbare Manigfaltigkeit. Eine Teilmenge
N ⊂ M heißt d-dimensionale Untermannigfaltigkeit von M , falls für jeden
Punkt p ∈ M eine Karte φ : U → V ⊂ Rn um p aus dem maximalen Atlas
der differenzierbaren Struktur von M existiert mit φ(N ∩ U ) = Rd × {0} ∩ V .
Eine solche Karte heißt dann Untermannigfaltigkeitskarte von N um p.
Bemerkung. Wie für Untermannigfaltigkeiten von Rn liefern die Einschränkungen ϕ := φ|N ∩U : N ∩ U → Rd × {0} ∩ V einen differenzierbaren Atlas
auf N , d.h. N wird selbst zu einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit.
8
2.2
Differenzierbare Abbildungen
Definition 2.9. Sei M eine differenzierbare Mannigfaltigkeit. Eine Funktion f : M → Rk heißt differenzierbar in p ∈ M , falls f ◦ ϕ−1 : V → Rk
differenzierbar in ϕ(p) ist für eine (und dann jede!) Karte ϕ : U → V ⊂ Rn
um p aus dem maximalen Atlas der differenzierbaren Struktur. Es heißt f
differenzierbar, wenn f differenzierbar in allen Punkten p ∈ M ist.
Um Differenzierbarkeit von Abbildungen zwischen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten zu definieren, ist es sinnvoll, zunächst die Stetigkeit zu verlangen:
Definition 2.10. Seien M und N differenzierbare Mannigfaltigkeiten. Eine
stetige Abbildung F : M → N heißt differenzierbar in p ∈ M , falls für ein
(und dann jedes!) Paar von Karten ϕ : U → ϕ(U ) ⊂ Rn von M um p und
ψ : V → ϕ(V ) ⊂ Rm von N um F (p) mit F (U ) ⊂ V die zusammengesetzte
Abbildung ψ ◦ F ◦ ϕ−1 : ϕ(U ) → ψ(V ) differenzierbar in ϕ(p) ist. Es heißt
F differenzierbar, wenn F differenzierbar in allen Punkten p ∈ M ist.
Lemma 2.1. Seien M, N und P differenzierbare Mannigfaltigkeiten. Sind
die Abbildung F : M → N differenzierbar in p ∈ M und G : N → P
differenzierbar in F (p) ∈ N , dann ist die Komposition G ◦ F differenzierbar
in p ∈ M .
Beweis. Folgt direkt aus den Definitionen.
Definition 2.11. Eine differenzierbare Abbildung F : M → N heißt ein
Diffeomorphismus, wenn sie bijektiv ist und F −1 ebenfalls differenzierbar
ist. M und N heißen diffeomorph, falls ein Diffeomorphismus zwischen ihnen
existiert.
Bemerkung. Sind M und N diffeomorph, so haben M und N die gleiche
Dimension.
Definition 2.12. Eine differenzierbare Mannigfaltigkeit G zusammen mit
eine Gruppenstruktur auf G mit der Eigenschaft, dass die Abbildungen
· : G × G → G,
(g, h) 7→ g · h
und
( )−1 : G → G,
g 7→ g −1
differenzierbar sind, heißt Lie-Gruppe.
Beispiel. Da die Matrizenmultiplikation und die Inversenbildung differenzierbar sind (Cramersche Regel), sind die Matrizengruppen GL(n, R) und O(n)
Lie-Gruppen.
9
Definition 2.13. Sei G eine Lie-Gruppe und g ∈ G. Dann heißen die differenzierbaren Abbildungen
Lg : G → G, h 7→ g · h
und
Rg : G → G, h 7→ h · g
Links- bzw. Rechtstranslation mit g ∈ G.
Bemerkung. Die Links- und die Rechtstranslation mit g ∈ G sind Diffeomor−1
phismen mit L−1
g = Lg −1 , bzw. Rg = Rg −1 .
2.3
Der Tangentialraum
Sei M eine differenzierbare Mannigfaltigkeit und p ∈ M . Wir betrachten
differenzierbare Kurven γ : (−ε, ε) → M mit γ(0) = p. Zwei solche Kurven
γ1 : (−ε1 , ε1 ) → M und γ2 : (−ε2 , ε2 ) → M heißen äquivalent, falls für eine
(und dann jede!) Karte ϕ um p gilt
d
d
dt t=0 (ϕ ◦ γ1 )(t) = dt t=0 (ϕ ◦ γ2 )(t).
Wir bezeichnen mit [γ] die Äquivalenzklasse von γ.
Definition 2.14. Der Raum der Äquivalenzklassen
Tp M := {[γ] : γ : (−ε, ε) → M differenzierbar, γ(0) = p}
heißt Tangentialraum von M in p.
Lemma 2.2. Ist ϕ eine Karte um p, dann ist die Abbildung
d
Θϕ : Tp M → Rn , [γ] 7→ dt
(ϕ ◦ γ)(t)
t=0
wohldefiniert und bijektiv. Ist ψ eine weitere Karte um p, so ist Θϕ ◦ Θ−1
ψ
ein Vektorraumisomorphismus.
Beweis. Die Wohldefiniertheit und Injektivität von Θϕ folgt direkt aus den
Definitionen. Ist w ∈ Rn gegeben,
so setzen wir γ(t) := ϕ−1 (ϕ(p) + tw), t ∈
d
(−ε, ε). Dann gilt offenbar dt t=0 (ϕ ◦ γ)(t) = w. Dies zeigt die Surjektivität
von Θϕ .
Die Abbildung Θϕ ◦ Θ−1
ψ ist gerade gegeben durch das Differential
D(ϕ ◦ ψ −1 )(ψ(p)) : Rn → Rn
des Kartenwechsels ϕ ◦ ψ −1 in ψ(p). Dies zeigt die letzte Behauptung.
10
Korollar 2.3. Es existiert eine eindeutige Vektorraumstruktur auf Tp M , so
dass Θϕ : Tp M → Rn ein Vektorraumisomorphismus ist für jede Karte ϕ um
p.
Bemerkung.
1. Für eine offene Teilmenge U ⊂ Rn und p ∈ U erhalten wir
eine kanonische Identifikation Tp U = Rn , indem wir die Karte ϕ = idU
verwenden.
2. Ist M ⊂ Rn eine d-dimensionale Untermannigfaltigkeit und p ∈ M , so
wird durch [γ] 7→ γ 0 (0) der (abstrakte) Tangentialraum mit dem vorher
definierten (Untermannigfaltigkeits-)Tangentialraum identifiziert.
3. Ist {e1 , . . . , en } die Standardbasis von Rn und ϕ eine Karte um p, so
ist mit
−1
∂
∂xi (p) := Θϕ (ei )
also eine Basis {∂/∂x1 (p), . . . , ∂/∂xn (p)} von Tp M gegeben, die sogenannte Koordinatenbasis bezüglich ϕ.
Definition 2.15. Seien M und N differenzierbare Mannigfaltigkeiten und
F : M → N differenzierbar in p ∈ M , dann heißt die Abbildung
DF (p) : Tp M → TF (p) N,
[γ] 7→ [F ◦ γ]
das Differential von F in p.
Lemma 2.4. Das Differential DF (p) : Tp M → TF (p) N ist wohldefiniert und
linear.
Beweis. Für Karten ϕ : U → ϕ(U ) um p und ψ : V → ϕ(V ) um F (p) mit
F (U ) ⊂ V gilt
d
Θψ ([F ◦ γ]) = dt
(ψ ◦ F ◦ γ)(t)
t=0
d
= D(ψ ◦ F ◦ ϕ−1 )(ϕ(p)) dt
(ϕ ◦ γ)(t) = Θϕ ([γ])
t=0
d.h. die Äquivalenzklasse von F ◦ γ in F (p) hängt nur von der Äquivalenzklasse von γ in p ab. Das Differential ist dann gegeben durch
−1
DF (p) = Θ−1
ψ ◦ D(ψ ◦ F ◦ ϕ )(ϕ(p)) ◦ Θϕ ,
wobei Θϕ : Tp M → Rn und Θψ : TF (p) N → Rm aus Lemma 2.2 sind. Damit
ist es als linear nachgewiesen.
Bemerkung.
1. Für f : M → Rk differenzierbar und p ∈ M ist also
Df (p) = (df1 (p), . . . , dfk (p)) ∈ Hom(Tp M, Rk ) = Tp∗ M × . . . × Tp∗ M
für dfi (p) ∈ Tp∗ M . Es heißt Tp∗ M der Kotangentialraum von M in p.
Insbesondere gilt für k = 1: Df (p) = df (p) ∈ Tp∗ M .
11
2. A posteriori ist die Bijektion Θϕ aus Lemma 2.2 nichts anderes als
das Differential Dϕ(p) = (dx1 (p), . . . , dxn (p)) : Tp M → Rn der Karte
ϕ in p, wenn ϕ = (x1 , . . . , xn ). Ist v ∈ Tp M , so läßt sich v in die
Koordinatenbasis {∂/∂x1 (p), . . . , ∂/∂xn (p)} entwickeln als
v=
n
X
∂
vi ∂x
(p).
i
i=1
Die Differentiale dxi (p) ∈ Tp∗ M erfüllen die Relation
dxi (p)
∂
∂xj (p)
= δij
d.h. {dx1 (p), . . . , dxn (p)} ist die zur Koordinatenbasis von Tp M duale
Basis von Tp∗ M . Für die Koeffizienten von v erhält man vi = (dxi (p))v,
d.h. (v1 , . . . , vn ) = (Dϕ(p))v = Θϕ (v) ∈ Rn .
Ist ϕ̃ = (x̃1 , . . . , x̃n ) eine weitere Karte um p, so ergibt sich aus dem
kommutativen Diagramm (vergl. Beweis von Lemma 2.2)
Tp M
Θϕ̃
Θϕ
Rn
|
D(ϕ̃◦ϕ−1 )(ϕ(p))
"
/ Rn
das Transformationsverhalten
 
 
v1
ṽ1
 .. 
 .. 
−1
 .  = D(ϕ̃ ◦ ϕ )(ϕ(p))  .  ,
ṽn
vn
d.h.
ṽi =
(2.1)
n
X
∂ x̃i
(ϕ(p))vj
∂xj
j=1
für i = 1, . . . , n, wobei (∂ x̃i /∂xj (ϕ(p)))ij ∈ Rn×n die Jacobi-Matrix
des Kartenwechsels ϕ̃ ◦ ϕ in ϕ(p) ist. Um zu bestimmen, wie die Koordinatenbasen auseinander hervorgehen, schreiben wir
−1
−1
−1
∂
∂ x̃i (p) = Θϕ̃ (ei ) = Θϕ D(ϕ ◦ ϕ̃ )(ϕ̃(p))ei ,
so dass sich mit
D(ϕ ◦ ϕ̃−1 )(ϕ̃(p))ei =
n
X
∂xj
j=1
12
∂ x̃i
(ϕ̃(p))ej
das Transformationsverhalten
(2.2)
∂
∂ x̃i (p)
=
n
X
∂xj
j=1
∂ x̃i
(ϕ̃(p)) ∂x∂ j (p)
ergibt.
Satz 2.5 (Kettenregel). Seien M, N und P differenzierbare Mannigfaltigkeiten. Ist die Abbildung F : M → N differenzierbar in p ∈ M und die
Abbildung G : N → P differenzierbar in F (p) ∈ N , dann gilt
D(G ◦ F )(p) = DG(F (p)) ◦ DF (p) : Tp M → TG(F (p)) P.
Beweis. Definitionsgemäß gilt
D(G ◦ F )(p) [γ] = [G ◦ F ◦ γ] = DG(F (p))[F ◦ γ]
= DG(F (p)) DF (p)[γ] ,
was die Behauptung zeigt.
Bemerkung.
1. Ist F : M → N ein Diffeomorphismus, so folgt mit Hilfe
der Kettenregel, dass das Differential DF (p) : Tp M → TF (p) N invertierbar ist für alle p ∈ M .
2. Für eine differenzierbare Kurve γ : I → M nennen wir
γ 0 (t) := (Dγ)(t)e1 ∈ Tγ(t) M
den Geschwindigkeitsvektor von γ zur Zeit t ∈ I. Insbesondere gilt mit
dieser Definition [γ] = γ 0 (0) ∈ Tp M für γ : (−ε, ε) → M mit γ(0) = p,
denn für eine Karte ϕ um p berechnet man
d
Dϕ(p) [γ] = dt
(ϕ ◦ γ)(t) = D(ϕ ◦ γ)(0) e1 = Dϕ(p) γ 0 (0)
t=0
mit Hilfe der Kettenregel.
2.4
Derivationen
Wir können einem Tangentialvektor v ∈ Tp M und einer differenzierbaren
Funktion f : M → R die Richtungsableitung von f in Richtung v zuordnen.
Genauer setzen wir
d
∂v f := dt
(f ◦ γ)(t) ∈ R
t=0
falls v durch die Kurve γ : (−ε, ε) → M mit γ(0) = p repräsentiert wird.
Dies ist wohldefiniert, da nach Definition des Differentials gilt ∂v f = df (p)v.
Ziel dieses Abschnitts ist zu zeigen, dass wir keine Information verlieren,
wenn wir von v ∈ Tp M zum Operator ∂v übergehen.
13
Sei jetzt M eine glatte Mannigfaltigkeit, d.h. eine differenzierbare Mannigfaltigkeit der Klasse C ∞ . Es bezeichne C ∞ (M ) den Vektorraum der glatten
Funktionen auf M . Der Operator ∂v : C ∞ (M ) → R hat folgende Eigenschaften:
1. R-linear: ∂v (λf + µg) = λ∂v f + µ∂v g für f, g ∈ C ∞ (M ), λ, µ ∈ R.
2. derivativ: ∂v (f g) = ∂v f · g(p) + f (p) · ∂v g für f, g ∈ C ∞ (M ).
3. lokal: f |U = 0 für eine Umgebung U von p =⇒ ∂v f = 0.
Wir betrachten lokal um p definierte glatte Funktionen, d.h. f : U → R
glatt für eine Umgebung U von p. Zwei solche Funktionen f1 : U1 → R und
f2 : U2 → R heißen äquivalent, falls eine Umgebung V ⊂ U1 ∩ U2 von p
existiert mit f1 |V = f2 |V .
Definition 2.16. Eine Äquivalenzklasse [f ] heißt Keim von f in p. Die RAlgebra der Keime glatter Funktionen in p werde mit Cp∞ (M ) bezeichnet.
Bemerkung. Die Existenz von Buckelfunktionen zeigt, dass jeder Keim in p
durch eine global definierte glatte Funktion f : M → R repräsentiert werden
kann.
Definition 2.17. Eine R-lineare Abbildung δ : Cp∞ (M ) → R heißt Derivation in p falls gilt
δ([f ] · [g]) = δ[f ] · g(p) + f (p) · δ[g]
für alle [f ], [g] ∈ Cp∞ (M ). Wir bezeichnen den R-Vektorraum der Derivationen in p ∈ M mit Der(Cp∞ (M )).
Bemerkung. Insbesondere liefert v ∈ Tp M ein Element ∂v ∈ Der(Cp∞ (M )).
Aus diesem Grund heißt Der(Cp∞ (M )) auch algebraischer Tangentialraum,
im Gegensatz zum geometrischen Tangentialraum Tp M . Wir schreiben im
folgenden auch δf := δ[f ] für eine lokal um p definierte glatte Funktion f .
Satz 2.6. Die Abbildung
∂ : Tp M → Der(Cp∞ (M )),
v 7→ ∂v
ist ein Vektorraumisomorphismus.
Beweis. Die Linearität folgt aus
∂λv+µw f = df (p)(λv + µw) = λdf (p)v + µdf (p)w = (λ∂v + µ∂w )f
für v, w ∈ Tp M , λ, µ ∈ R und f eine lokal um p definierte glatte Funktion.
14
Ist ϕ = (x1 , . . . , xn ) : U → V ⊂ Rn eine Karte um p, betrachte die Koor∂
dinatenbasis vi = ∂x
(p) von Tp M . Wir behaupten, dass die Bilder ∂vi eine
i
Basis des Vektorraums Der(Cp∞ (M )) bilden.
P
linear unabhängig: Sei ni=1 λi ∂vi = 0 für λi ∈ R. Dies bedeutet
n
X
λi df (p)vi =
i=1
n
X
λi ∂vi f = 0
i=1
für jede lokal um p definierte glatte Funktion f . Betrachte nun für j ∈
{1, . . . , n} fest die Funktion f = xj : U → R. Dann gilt dxj (p)vi = δij und
es folgt λj = 0.
erzeugend: Sei δ ∈ Der(Cp∞ (M )) beliebig. Wir behaupten, dass δ sich schreiben läßt als
n
X
δ=
δ(xi )∂vi .
i=1
Zunächst bemerken wir, dass δ wegen δ(λ) = δ(λ · 1) = λ · δ(1) und δ(1) =
δ(1 · 1) = δ(1) · 1 + 1 · δ(1) = 2δ(1) auf Keimen konstanter Funktionen
verschwindet. Sei nun f eine lokal um p definierte glatte Funktion. Mit Hilfe
des nachfolgenden Lemmas schreiben wir
f = f (p) +
n
X
(xi − xi (p))fi
i=1
für glatte Funktionen fi : U → R. (Nach eventueller Verkleinerung von U
dürfen wir V als konvex in Rn und f als definiert auf U annehmen.) Also
gilt
δf = δ(f (p)) +
n
X
(δ(xi − xi (p))fi (p) + 0 · δ(fi )) =
i=1
n
X
δ(xi )fi (p).
i=1
Auf dieselbe Weise berechnen
wir ∂vi f = fi (p), so dass wir insgesamt wie
P
gewünscht erhalten δf = ni=1 δ(xi )∂vi f .
Lemma 2.7. Sei V eine konvexe Umgebung von 0 ∈ Rn und g : V → Rn
eine glatte Funktion. Dann existieren glatte Funktionen gi : V → R so dass
g(x) = g(0) +
n
X
xi gi (x)
i=1
für alle x ∈ V . Insbesondere gilt ∂g/∂xi (0) = gi (0) für i = 1, . . . , n.
Beweis. Es gilt
Z
1
g(x) − g(0) =
0
für x ∈ V . Setze gi (x) :=
d
g(tx1 , . . . , txn ) dt =
dt
R1
Z 1 X
n
∂g
0 ∂xi (tx1 , . . . , txn ) dt.
15
0
i=1
∂g
xi ∂x
(tx)
dt
i
Bemerkung. Wir können also in der Tat den Tangentialvektor v ∈ Tp M mit
der Derivation ∂v identifizieren. Ab jetzt werden wird dies notationell nicht
mehr unterscheiden, d.h. wir schreiben v(f ) = ∂v f für v ∈ Tp M .
Eine differenzierbare Abbildung F : M → N induziert eine lineare Abbildung
F∗ : Der(Cp∞ (M )) → Der(CF∞(p) (N )),
(F∗ δ)([f ]) = δ([f ◦ F ]).
Diese Definition ist mit der vorherigen Definition des Differentials kompatibel
in dem Sinne, dass das Diagramm
DF (p)
Tp M
∼
=
Der(Cp∞ (M ))
F∗
/ TF (p) N
∼
=
/ Der(C ∞ (N ))
F (p)
kommutativ ist. Wir werden im folgenden DF (p) und F∗ synonym benutzen.
Ist ϕ eine Karte um p, betrachte die Koordinatenbasis
∂
∂x1 (p)
= (Dϕ(p))−1 (e1 ), . . . , ∂x∂n = (Dϕ(p))−1 (en )
von Tp M . Die Bezeichnungsweise wird klarer, wenn wir die zugehörigen Derivationen betrachten:
−1
∂
∂
(ϕ(p))
∂xi (p) f = ∂xi f ◦ ϕ
für eine lokal um p definierte glatte Funktion f .
2.5
Das Tangentialbündel
Definition 2.18. Sei M eine glatte Mannigfaltigkeit. Die disjunkte Vereinigung der Tangentialräume
G
T M :=
Tp M
p∈M
zusammen mit der Projektion
π : T M → M,
v 7→ π(v) = p falls v ∈ Tp M
heißt das Tangentialbündel von M .
Ziel ist es, eine Struktur auf T M als glatte Mannigfaltigkeit zu erkären, so
dass π : T M → M differenzierbar wird. Wir bemerken zunächst folgendes:
Ist ϕ : U → ϕ(U ) ⊂ Rn eine Karte von M , so ist
Dϕ : π −1 (U ) → ϕ(U ) × Rn ,
16
v 7→ (ϕ(π(v)), Dϕ(π(v))v)
bijektiv. Ist ψ : V → ψ(V ) eine weitere Karte, dann ist
Dψ ◦ (Dϕ)−1 : ϕ(U ∩ V ) × Rn −→ ψ(U ∩ V ) × Rn
(x, v) 7−→ (ψ ◦ ϕ−1 (x), D(ψ ◦ ϕ−1 )(x)v)
ein Diffeomorphismus, insbesondere also ein Homöomorphismus, zwischen
offenen Teilmengen von R2n . Die Abbildungen Dϕ sind also Kandidaten für
Karten einer differenzierbaren Struktur auf T M . Weiterhin ist
ϕ ◦ π ◦ (Dϕ)−1 = πϕ(U ) : ϕ(U ) × Rn → ϕ(U )
differenzierbar, wobei πϕ(U ) : ϕ(U ) × Rn → ϕ(U ) die Projektion auf die erste
Komponente bezeichne.
Lemma 2.8. Sei X eine Menge und (Ui )i∈I eine Überdeckung von X zusammen mit Bijektionen ϕi : Ui → Vi auf Teilmengen Vi ⊂ Rn mit der
Eigenschaft, dass die Mengen ϕj (Uj ∩ Ui ) offen in Rn und die Abbildungen
ϕi ◦ ϕ−1
: ϕj (Ui ∩ Uj ) → ϕi (Ui ∩ Uj ) stetig sind für alle i, j ∈ I. Dann
j
existiert eine eindeutige Topologie auf X, so dass die Mengen Ui offen und
die Bijektionen ϕi zu Homöomorphismen werden für alle i ∈ I.
Beweis. Ist O eine Topologie auf X mit den gewünschten Eigenschaften, so
gilt offenbar
(2.3)
U ∈ O ⇐⇒ ϕi (Ui ∩ U ) offen in Rn für alle i ∈ I.
Dies zeigt die Eindeutigkeit. Man überprüft nun leicht, dass durch (2.3)
tatsächlich eine Topologie O auf X definiert wird. Es bleibt zu zeigen, dass
O die gewünschten Eigenschaften hat. Die Mengen Ui sind offen bezüglich
O, denn nach Voraussetzung ist ϕj (Uj ∩ Ui ) offen in Rn für alle j ∈ I. Die
Abbildungen ϕi sind stetig, denn für V ⊂ Vi offen ist ϕj (Uj ∩ ϕ−1
i (V )) =
−1
n
ϕj ◦ ϕi (ϕi (Ui ∩ Uj ) ∩ V ) offen in R für alle j ∈ I. Schließlich sind die
Umkehrabbildungen ϕ−1
i stetig, denn für U ⊂ Ui offen ist ϕi (U ) = ϕi (Ui ∩U )
n
offen in R nach Definition von O. Dies zeigt die Existenz.
Bemerkung. Ist die Indexmenge I abzählbar, so erfüllt die in Lemma 2.8
definierte Topologie das zweite Abzählbarkeitsaxiom.
Da M das zweite Abzählbarkeitsaxion erfüllt, besitzt M einen abzählbaren
Atlas. Somit wird mit Hilfe von Lemma 2.8 (angewendet auf X = T M )
eine Topologie auf T M erklärt, die das zweite Abzählbarkeitsaxiom erfüllt.
Mit dieser Topologie ist T M ein Hausdorff-Raum, denn für v 6= w ∈ T M
betrachte man zwei Fälle:
1. π(v) 6= π(w) : Dann existieren auf Grund der Hausdorff-Eigenschaft
von M Karten ϕ : U → ϕ(U ) und ψ : V → ψ(V ) mit U ∩ V = ∅. Dann
trennen die offenen Mengen π −1 (U ) und π −1 (V ) die Punkte v und w.
17
2. π(v) = π(w) =: p : Dann sind für eine Karte ϕ : U → ϕ(U ) um p die
Vektoren Dϕ(p)v und Dϕ(p)v verschieden, werden also durch Bälle
Bε (v) und Bε (w) in Rn getrennt. Dann trennen die offenen Mengen
(Dϕ)−1 (ϕ(U ) × Bε (v)) und (Dϕ)−1 (ϕ(U ) × Bε (w)) die Punkte v und
w in T M .
Insgesamt haben wir bewiesen:
Satz 2.9. Sei M eine glatte Mannigfaltigkeit der Dimension n. Dann ist das
Tangentialbündel T M eine glatte Mannigfaltigkeit der Dimension 2n und die
Projektion π : T M → M ist eine glatte Abbildung.
Bemerkung. Ist M eine differenzierbare Mannigfaltigkeit der Klasse C k , dann
ist T M eine differenzierbare Mannigfaltigkeit der Klasse C k−1 .
Weiterhin gilt: Für eine Karte ϕ : U → ϕ(U ) ⊂ Rn von M erhalten wir eine
sogenannte lokale Trivialisierung φ von T M durch
φ : π −1 (U ) → U × Rn ,
v 7→ (π(v), Dϕ(π(v))v).
Die Abbildung φ : π −1 (U ) → U × Rn hat die folgenden Eigenschaften:
1. Das Diagramm
π −1 (U )
π
/ U × Rn
U
ist kommutativ, d.h.
φ ist fasertreu.
φ
πU
U
φ(π −1 ({x}))
⊂ {x}×Rk für alle x ∈ U . Man sagt,
2. Die Abbildung φx := φ|π−1 ({x}) : π −1 ({x}) → {x} × Rk ist ein Vektorraumisomorphismus. Man sagt, φ ist faserweise ein Vektorraumisomorphismus.
Allgemeiner definiert man:
Definition 2.19. Eine differenzierbare Mannigfaltigkeit E zusammen mit
einer differenzierbaren Abbildung π : E → M heißt Vektorbündel über M
vom Rang k, falls π −1 ({p}) für jeden Punkt p ∈ M mit der Struktur eines
k-dimensionalen Vektorraums versehen ist und um jeden Punkt p ∈ M eine
lokale Trivialisierung existiert, d.h. eine offene Umgebung U von p zusammen
mit einer differenzierbaren Abbildung φ : π −1 (U ) → U × Rk , die fasertreu
und faserweise ein Vektorraumisomorphismus ist.
Bemerkung. Das Tangentialbündel π : T M → M einer glatten Mannigfaltigkeit M ist also ein Vektorbündel vom Rang n = dim M . Eine glatte
Abbildung F : M → N induziert eine glatte Abbildung
DF : T M → T N,
18
v 7→ DF (π(v))v
mit der das Diagramm
TM
DF
/ TN
π
M
F
π
/N
kommutativ wird. Es ist DF faserweise linear.
Definition 2.20. Eine differenzierbare Abbildung s : M → E heißt differenzierbarer Schnitt von E, falls gilt π ◦ s = idM , d.h. s(p) ∈ Ep = π −1 ({p}) für
alle p ∈ M . Den Vektorraum der differenzierbaren Schnitte von E bezeichnen
wir mit Γ(E).
Definition 2.21. Ein Vektorbündel π : E → M heißt trivial, falls es eine
(globale) Trivialisierung φ : E → M × Rk besitzt.
Beispiele.
1. Das Tangentialbündel T S 1 ist trivial.
2. Allgemeiner: Das Tangentialbündel T G einer Lie-Gruppe G ist trivial.
3. Das Möbiusband
M = [0, 1] × R/ ∼ ,
(0, t) ∼ (1, −t)
ist ein nichttriviales Geradenbündel über S 1 . (Ein Vektorbündel vom
Rang 1 heißt Geradenbündel.)
Ist π : E → M ein Vektorbündel über M vom Rang k und (Ui )i ∈ I eine
offene Überdeckung mit lokalen Trivialisierungen φi : π −1 (Ui ) → Ui × Rk , so
k
k
sind die Trivialisierungswechsel φj ◦ φ−1
i : Ui ∩ Uj × R → Ui ∩ Uj × R von
der Form
φj ◦ φ−1
i (x, v) = (x, φij (x)v)
für φij : Ui ∩ Uj → GL(k, R) differenzierbar. Die φij erfüllen die folgende
Kozykelbedingung
(2.4)
φii = id
φjl ◦ φij = φil
auf Ui ∩ Uj
auf Ui ∩ Uj ∩ Ul
für alle i, j, l ∈ I. Sind umgekehrt φij : Ui ∩ Uj → GL(k, R) differenzierbar
gegeben für alle i, j ∈ I, die die Kozykelbedingung (2.4) erfüllen, so ist durch
G
E=
Ui × Rk / ∼ ,
i∈I
wobei (x, v) ∼ (y, w) für (x, v) ∈ Ui × Rk und (y, w) ∈ Uj × Rk genau dann,
wenn x = y und v = φij (x)w, und
π : E → M,
[(x, v)] 7→ x
19
ein Vektorbündel über M vom Rang k gegeben. Lokale Trivialisierungen
φi : π −1 (Ui ) → Ui × Rk erhält man durch Umkehrung der Abbildungen
Ui × Rk → π −1 (Ui ),
(x, v) 7→ [(x, v)].
Die Konstruktion von E verläuft völlig analog zur Konstruktion von T M :
Wegen der Abzählbarkeit der Topologie auf M kann die Indexmenge I als
abzählbar angenommen werden kann. Dann liefert Lemma 2.8 eine Topologie
auf E, die Hausdorffsch ist und das zweite Abzählbarkeitsaxiom erfüllt. Außerdem sind ohne Einschränkung der Allgemeinheit die Ui Definitionsgebiete
von Karten ϕi : Ui → ϕi (Ui ) ⊂ Rn von M . Dann sind
(ϕi × id) ◦ φi : π −1 (Ui ) → ϕi (Ui ) × Rk
Karten einer differenzierbaren Struktur auf E.
Beispiele.
1. Sind ϕi : Ui → ϕi (Ui ) ⊂ Rn Karten von M , so ist
φij : Ui ∩ Uj → GL(n, R),
x 7→ D(ϕj ◦ ϕ−1
i )(ϕi (x))
ein Kozyklus für T M .
2. Ist φE
ij ein Kozyklus für E, dann ist
∗
∗
φE
ij (x) = (φji (x))
ein Kozyklus für ein Vektorbündel E ∗ , für dessen Fasern gerade gilt
Ep∗ = (Ep )∗ . Insbesondere ist
∗
φij (x) = D(ϕi ◦ ϕ−1
j )(ϕi (x)
ein Kozyklus für das Kotangentialbündel T ∗M .
F
3. Sind φE
ij und φij Kozyklen für Vektorbündel E bzw. F , dann ist
F
φE⊕F
(x) = φE
ij (x) ⊕ φij
ij
ein Kozyklus für ein Vektorbündel E ⊕ F , für dessen Fasern gerade gilt
(E ⊕ F )p = Ep ⊕ Fp .
2.6
Vektorfelder und Flüsse
Definition 2.22. Sei M eine glatte Mannigfaltigkeit. Ein differenzierbarer
Schnitt des Tangentialbündels X ∈ Γ(T M ) heißt differenzierbares Vektorfeld
auf M .
20
Bemerkung. Sei X ein differenzierbares Vektorfeld auf M . Wir betrachten
die Karte ϕ : U → ϕ(U ) ⊂ Rn von M und Dϕ : π −1 (U ) → ϕ(U ) × Rn die
zugehörige Karte von T M . Dann ist also
(Dϕ)−1 ◦ X ◦ ϕ : ϕ(U ) → ϕ(U ) × Rn ,
x 7→ (x, (ξ1 (x), . . . , ξn (x))
differenzierbar. Insbesondere sind die Koeffizientenfunktionen
ξi : ϕ(U ) → R,
i = 1, . . . , n
differenzierbar und das Vektorfeld besitzt die lokale Darstellung
X(p) =
n
X
∂
(p),
Xi (p) ∂x
i
p∈U
i=1
für differenzierbare Koeffizientenfunktionen Xi := ξi ◦ ϕ : U → R. Ist nun
ϕ̃ : U → ϕ̃(U ) eine weitere Karte mit gleichem Definitionsgebiet U , so gilt
X(p) =
n
X
X̃i (p) ∂∂x̃i (p),
p∈U
i=1
für differenzierbare Koeffizientenfunktionen X̃i : U → R, die sich gemäß
(2.5)
n
X
∂ x̃i
X̃i (p) =
(ϕ(p))Xj (p)
∂xj
j=1
aus den Xi ergeben, vergl. die Transformationsregel (2.1).
Lemma 2.10. Eine Abbildung X : M → T M mit X(p) ∈ Tp M für alle
p ∈ M ist genau dann ein differenzierbares Vektorfeld auf M , wenn für jede
Karte ϕ : U → ϕ(U ) die Koeffizientenfunktionen Xi : U → R differenzierbar
sind. Sind ϕ : U → ϕ(U ) und ϕ̃ : U → ϕ̃(U ) Karten mit gemeinsamen
Definitionsgebiet U , so sind die Xi genau dann differenzierbar, wenn die X̃i
differenzierbar sind.
Beweis. Dies folgt im wesentlichen aus obiger Diskussion. Man beachte, dass
nach Definiton der Topologie auf T M die Differenzierbarkeit der Koeffizientenfunktionen Xi die Stetigkeit von X auf U impliziert.
∂
∂
Bemerkung. Insbesondere sind die Koordinatenvektorfelder ∂x
: p 7→ ∂x
(p)
i
i
differenzierbare Vektorfelder auf U (mit der induzierten Struktur als glatte
Mannigfaltigkeit).
Wir können ein Vektorfeld X ∈ Γ(T M ) mit einer Funktion f ∈ C ∞ (M )
multiplizieren, indem wir setzen
(f X)(p) := f (p)X(p)
21
für p ∈ M . Dies definiert eine R-bilineare Abbildung
C ∞ (M ) × Γ(T M ) → Γ(T M )
und es gilt die Rechenregel
f (gX) = g(f X) = (gf )X
(2.6)
für f, g ∈ C ∞ (M ) und X ∈ Γ(T M ). Umgekehrt operieren die Vektorfelder
X ∈ Γ(T M ) auf Funktionen f ∈ C ∞ (M ) durch die Vorschrift
X(f )(p) := X(p)f = df (p)(X(p))
für p ∈ M . Dies definiert eine R-bilineare Abbildung
Γ(T M ) × C ∞ (M ) → C ∞ (M )
und es gilt die Produktregel
X(f g) = X(f )g + f X(g)
(2.7)
für X ∈ Γ(T M ) und f, g ∈ C ∞ (M ).
Bemerkung. Für X ∈ Γ(T M ) ist
X : C ∞ (M ) → C ∞ (M ),
f 7→ X(f )
ein lokaler Operator, d.h. es gilt (X(f ))(p) = (X(g))(p) falls f und g auf
einer Umgebung von p übereinstimmen.
Schließlich setzen wir
[X, Y ](f ) := X(Y (f )) − Y (X(f )) ∈ C ∞ (M ).
Dies definiert eine R-trilineare Abbildung
Γ(T M ) × Γ(T M ) × C ∞ (M ) → C ∞ (M )
und es gelten die Rechenregeln
(2.8)
[f X, gY ](h) = f X(g)Y (h) − gY (f )X(h) + f g[X, Y ](h)
(2.9)
[X, Y ](f g) = g[X, Y ](f ) + f [X, Y ](g)
für X, Y ∈ Γ(T M ) und f, g, h ∈ C ∞ (M ).
Satz 2.11. Seien X, Y ∈ Γ(T M ) glatte Vektorfelder. Dann existiert genau
ein glattes Vektorfeld Z ∈ Γ(T M ) mit [X, Y ](f ) = Z(f ) für alle f ∈ C ∞ (M ).
22
Beweis. Falls ein Vektorfeld Z ∈ Γ(T M ) mit dieser Eigenschaft existiert, gilt
notwendigerweise (Z(p))(f ) = ([X, Y ](f ))(p). Dies zeigt die Eindeutigkeit.
Für die Existenz zeigen wir zunächst, dass für p ∈ M durch
δf := [X, Y ](f ) (p)
eine Derivation δ ∈ Der(Cp∞ (M )) definiert wird. Dies folgt aus
δ(f g) = [X, Y ](f g) (p) = [X, Y ](f )g + f [X, Y ](g) (p)
= δ(f )g(p) + f (p)δ(g)
für alle lokal um p definierten glatten Funktionen f und g. Die Lokalität folgt
aus der Lokalität von X und Y . Dann berechnen wir in lokalen Koordinaten
mit
X
X
∂
∂
X=
Xi ∂x
und
Y
=
Yi ∂x
i
i
i
i
dass
[X, Y ]f =
X
∂
∂
∂
∂
∂
∂
(Y
)
−
Y
(X
)
+
X
Y
[
,
]
Xi ∂x
j ∂xj
j ∂xj
i ∂xi
i j ∂xi ∂xj f
i
i,j
=
X
∂
f,
Xj ∂x∂ j (Yi ) − Yj ∂x∂ j (Xi ) ∂x
i
i,j
wobei wir den Satz von Schwarz [∂/∂xi , ∂/∂xj ]f = 0 benutzt haben. Das
zeigt die Glattheit von Z.
Definition 2.23. Wir setzen [X, Y ] := Z für das Vektorfeld Z aus obigem
Satz. Das Vektorfeld [X, Y ] heißt die Lie-Klammer oder der Kommutator
von X und Y .
Bemerkung.
1. Im Beweis von Satz 2.11 haben wir gesehen: Es gilt
∂
[ ∂x
, ∂ ] = 0,
i ∂xj
i, j = 1, . . . , n
für die Koordinatenvektorfelder einer Karte ϕ = (x1 , . . . , xn ).
2. Sind X, Y von der Klasse C k+1 , so ist [X, Y ] von der Klasse C k .
Satz 2.12 (Eigenschaften der Lie-Klammer). Die Abbildung
[· , ·] : Γ(T M ) × Γ(T M ) → Γ(T M )
hat die folgenden Eigenschaften:
1. R-bilinear
2. schiefsymmetrisch: [X, Y ] = −[Y, X] für alle X, Y ∈ Γ(T M ).
23
3. Jacobi-Identität: Es gilt
[X, [Y, Z]] + [Y, [Z, X]] + [Z, [X, Y ]] = 0
für alle X, Y, Z ∈ Γ(T M ).
Beweis. Der Beweis erfolgt durch Nachrechnen.
Die Lie-Klammer macht Γ(T M ) also zu einer (unendlich-dimensionalen) LieAlgebra im Sinne folgender Definition:
Definition 2.24. Ein R-Vektorraum V zusammen mit einer R-bilinearen
Abbildung [· , ·] : V × V → V , die schiefsymmetrisch ist und die JacobiIdentität erfüllt, heißt Lie-Algebra.
Bemerkung.
1. Ist F : M → N eine differenzierbare Abbildung, dann
heißen die Vektorfelder X ∈ Γ(T M ) und Y ∈ Γ(T N ) F -verwandt,
falls gilt (DF (p))X(p) = Y (p) für alle p ∈ M . Sind X, Y ∈ Γ(T M )
F -verwandt mit X̃, Ỹ ∈ Γ(T N ), dann sind [X, Y ] und [X̃, Ỹ ] ebenfalls
F -verwandt. Übung!
2. Sei G eine Lie-Gruppe. Ein Vektorfeld X ∈ Γ(T G) heißt linksinvariant, falls gilt DLg (X(h)) = X(gh) für alle g, h ∈ G (d.h. X ist mit
sich selbst Lg -verwandt für alle g ∈ G). Obige Bemerkung zeigt: Der
Kommutator zweier linksinvarianter Vektorfelder ist wieder linksinvariant. Der R-Vektorraum der linksinvarianten Vektorfelder ist mit der
Lie-Klammer also ebenfalls eine Lie-Algebra und wird mit g bezeichnet.
Die Abbildung g → Te G, X 7→ X(e) ist ein Vektorraumisomorphismus,
insbesondere ist g endlich-dimensional.
Definition 2.25. Sei X ein Vektorfeld auf M . Eine differenzierbare Kurve
γ : I → M heißt Integralkurve von X, falls gilt
γ 0 (t) = X(γ(t))
für alle t ∈ I.
Ist ϕ = (x1 , . . . , xn ) : U → ϕ(U ) eine Karte mit γ(I) ⊂ U , so gilt
X
X
∂
∂
dxi (γ(t))γ 0 (t) ∂x
γ 0 (t) =
(γ(t))
=
γi0 (t) ∂x
(γ(t))
i
i
i
i
mit γi (t) := (xi ◦ γ)(t) und
X(γ(t)) =
X
∂
Xi (γ(t)) ∂x
(γ(t)),
i
i
24
d.h. die Gleichung γ 0 (t) = X(γ(t)) übersetzt sich in das System gewöhnlicher
Differentialgleichungen
 0  

γ1 (t)
X1 (γ(t))
 ..  

..
(2.10)
 . =
 , t ∈ I.
.
0
γn (t)
Xn (γ(t))
Lemma 2.13. Sei X ein differenzierbares Vektorfeld auf M . Für jeden
Punkt p ∈ M existiert ε > 0 und eine Integralkurve γ : (−ε, ε) → M von
X mit γ(0) = p. Die Integralkurve durch p ist in folgendem Sinne lokal eindeutig: Sind γi : (−εi , εi ) → M zwei Integralkurven mit γi (0) = p, so gilt
γ1 |(−ε,ε) = γ2 |(−ε,ε) für ε = min{ε1 , ε2 }.
Beweis. Die Kurzzeitexistenz von γ folgt daraus, dass das System (2.10) für
den (jeden!) Anfangswert (γ1 (0), . . . , γn (0)) = (x1 (p), . . . , xn (p)) eine eindeutige Kurzzeitlösung (γ1 , . . . , γn ) : (−ε, ε) → ϕ(U ) ⊂ Rn besitzt. Zur
Eindeutigkeit betrachten wir die Teilmenge
I = {t ∈ (−ε, ε) : γ1 (t) = γ2 (t)}
von (−ε, ε). Es gilt offenbar 0 ∈ I und I ⊂ (−ε, ε) ist abgeschlossen. Wegen
Eindeutigkeit der Kurzzeitlösung ist I offen. Also gilt I = (−ε, ε).
Bemerkung. Ist X von der Klasse C k , so ist jede Integralkurve γ von der
Klasse C k+1 .
Definition 2.26. Sei X ein Vektorfeld auf M . Eine differenzierbare Abbildung
Φ : U × (−ε, ε) → M, (p, t) 7→ Φ(p, t) =: Φt (p)
für ε > 0 und U ⊂ M offen heißt lokaler Fluss von X, falls gilt
Φ0 (p) = p und
d
dt Φt (p)
= X(Φt (p))
für alle p ∈ U , t ∈ (−ε, ε).
Satz 2.14. Sei X ein differenzierbares Vektorfeld auf M . Dann existiert für
jeden Punkt p ∈ M ein lokaler Fluss Φ : U × (−ε, ε) → M mit p ∈ U .
Beweis. Dies folgt aus der differenzierbaren Abhängigkeit der Lösung des
Systems (2.10) vom Anfangswert (γ1 (0), . . . , γn (0)).
Bemerkung. Der lokale Fluss ist lokal eindeutig. Ist X von der Klasse C k , so
ist jeder lokale Fluss Φ von der Klasse C k .
Definition 2.27. Das Vektorfeld X ∈ Γ(T M ) heißt vollständig, falls es einen
(globalen) Fluss Φ : M × R → M besitzt.
25
Bemerkung.
1. Der Fluss eines vollständigen Vektorfeldes ist eindeutig.
Es gilt die Flussgleichung
Φt ◦ Φs = Φt+s
für alle s, t ∈ R. Insbesondere sind alle Φt Diffeomorphismen mit Φ−1
t =
Φ−t .
2. Das Vektorfeld X(t) = (1 + t2 )∂/∂t auf R ist nicht vollständig. (Es gilt
tan0 (t) = 1 + tan2 (t).)
3. Ein linksinvariantes Vektorfeld auf einer Lie-Gruppe G ist vollständig.
Wir definieren die Exponentialabbildung exp : g → G durch exp(X) =
Φ1 (e), wobei Φ der Fluss von X sei. Der Fluss von X ist dann gegeben
durch Φt (g) = g exp(tX).
Satz 2.15. Ist X ein differenzierbares Vektorfeld auf der kompakten Mannigfaltigkeit M , dann ist X vollständig.
Beweis. Jeder Punkt besitzt eine Umgebung Up , auf der der lokale Fluss auf
dem Intervall (−εp , εp ) existiert. Da M kompakt ist, existiert eine endliche
Teilüberdeckung Up1 , . . . , Upk . Setze ε := min{εp1 , . . . , εpk }, dann existiert
der Fluss zunächst auf M × (−ε, ε), und schließlich auf M × R.
Definition 2.28. Seien X und Y differenzierbare Vektorfelder auf M und
Φ : U × (−ε, ε) → M der lokale Fluss von X um p ∈ M . Die Lie-Ableitung
von Y nach X in p ist definiert als
−1
d
(LX Y )(p) := dt
(DΦt )(p) (Y (Φt (p)).
t=0
Bemerkung. Ist X ein differenzierbares Vektorfeld auf M und f : M → R
differenzierbar, so setzen wir
d
(LX f )(p) := dt
f (Φt (p))
t=0
für p ∈ M . Offenbar gilt dann LX f = X(f ).
Satz 2.16. Seien X und Y glatte Vektorfelder auf M . Dann gilt
LX Y = [X, Y ].
Beweis. Sei Φt der lokale Fluss von X und Ψt der lokale Fluss von Y .
Definitionsgemäß gilt
(LX Y )(p) f =
=
=
d
dt t=0
d
dt t=0
∂2H
∂t∂u
−1
(DΦt )(p) (Y (Φt (p))f
Y (Φt (p)) (f ◦ Φ−t )
(0, 0)
26
für die Hilfsfunktion
H(t, u) = f (Φ−t ◦ Ψu ◦ Φt (p)),
denn es gilt gerade
∂H
(t, 0) = Y (Φt (p)) (f ◦ Φ−t ).
∂u
Andererseits gilt
∂2H
∂2H
(0, 0) =
(0, 0)
∂t∂u
∂u∂t ∂ = ∂
∂ f
◦
Φ
◦
Ψ
(p)
+
f
◦
Ψ
◦
Φ
(p)
−t
u
u
t
∂u u=0 ∂t t=0
∂t t=0
∂ ∂ X(f
)(Ψ
(p))
+
X(p)(f
◦
Ψ
)
= − ∂u
u
u
∂u u=0
u=0
∂ = X(p)(Y (f )) − ∂u u=0 X(f )(Ψu (p))
= X(p)(Y (f )) − Y (p)(X(f )) = [X, Y ](p) (f ),
was zu zeigen war.
Bemerkung. Für die Lie-Gruppe GL(n, R) ist die Exponentialabbildung durch
das Matrixexponential gegeben, d.h. es gilt exp(A) = eA für A ∈ gl(n, R).
Insbesondere ist der Fluss des linksinvarianten Vektorfelds X(g) = gA durch
Φt (g) = getA gegeben. Somit erhalten wir für den Kommutator
d
[X, Y ](e) = LX Y (e) = dt
etA Y (e)e−tA = AB − BA
t=0
für A = X(e) und B = Y (e).
27
Kapitel 3
Differentialformen
3.1
Multilineare Algebra
Sei V ein R-Vektorraum. Für k ∈ N bezeichne V k das k-fache kartesische
Produkt V × . . . × V (k-Faktoren).
Definition 3.1. Eine Abbildung µ : V k → R heißt multilinear, falls µ linear
in jedem Argument ist, d.h.
v 7→ µ(v1 , . . . , vi−1 , v, vi+1 , . . . , vk )
linear ist für jedes i ∈ {1, . . . , k} und v1 , . . . , vi−1 , vi+1 , . . . , vk ∈ V fest.
Der R-Vektorraum der multilinearen Abbildungen µ : V k → R werde mit
Multk (V ) bezeichnet, ein Element µ ∈ Multk (V ) auch Multilinearform. Wir
setzen Mult0 (V ) = R.
Bemerkung. Für eine lineare Abbildung f : V → W und µ ∈ Multk (W ) ist
durch
(f ∗ µ)(v1 , . . . , vk ) = µ(f (v1 ), . . . , f (vk ))
eine Multilinearform f ∗ µ ∈ Multk (V ) definiert, der sogenannte Rückzug von
µ unter f . Die Abbildung
f ∗ : Multk (W ) → Multk (V ),
µ 7→ f ∗ µ
ist linear. (Für k = 1 ist f ∗ : W ∗ → V ∗ die duale Abbildung.)
Definition 3.2. Eine Multilinearform µ : V k → R heißt alternierend, falls
gilt
µ(vσ(1) , . . . , vσ(k) ) = sgn σ · µ(v1 , . . . , vk )
für alle Permutationen σ ∈ Sk und v1 , . . . , vk ∈ V . Der R-Vektorraum der
alternierenden Multilinearformen µ : V k → R werde mit Altk (V ) bezeichnet,
ein Element µ ∈ Altk (V ) auch k-Form. Wir setzen Alt0 (V ) = R.
28
Bemerkung. Sei f : V → W linear. Für µ ∈ Altk (W ) ist der Rückzug f ∗ µ
wieder alternierend, wir erhalten also eine lineare Abbildung
f ∗ : Altk (W ) → Altk (V ),
µ 7→ f ∗ µ
durch Einschränkung von f ∗ auf Altk (W ).
Definition 3.3. Für µ ∈ Multk (V ) ist die Alternierung von µ definiert durch
Alt(µ)(v1 , . . . , vk ) =
1 X
sgn σ · µ(vσ(1) , . . . , vσ(k) )
k!
σ∈Sk
Lemma 3.1. Es gilt
1. Alt(µ) ∈ Altk (V ).
2. Alt ◦ Alt = Alt, d.h. Alt : Multk (V ) → Altk (V ) ist eine Projektion.
Beweis. 1. Für τ ∈ Sk gilt
1 X
sgn σ · µ(vσ(τ (1)) , . . . , vσ(τ (k)) )
k!
σ∈Sk
1 X
= sgn τ ·
sgn σ ◦ τ · µ(vσ◦τ (1) , . . . , vσ◦τ (k) )
k!
Alt(µ)(vτ (1) , . . . , vτ (k) ) =
σ∈Sk
= sgn τ · Alt(µ)(v1 , . . . , vk ),
wobei wir benutzt haben, dass sgn : Sk → {±1} ein Homomorphismus ist.
2.Ist µ ∈ Altk (V ) ⊂ Multk (V ), dann gilt
1 X
sgn σ · µ(vσ(1) , . . . , vσ(k) )
k!
σ∈Sk
1 X
=
µ(v1 , . . . , vk ) = µ(v1 , . . . , vk ),
k!
Alt(µ)(v1 , . . . , vk ) =
σ∈Sk
denn |Sk | = k!. Zusammen mit 1. folgt die Behauptung.
Bemerkung. Eine Multilinearform k ∈ Multk (V ) heißt symmetrisch, falls gilt
µ(vσ(1) , . . . , vσ(k) ) = µ(v1 , . . . , vk )
für alle Permutationen σ ∈ Sk und v1 , . . . , vk ∈ V . Es bezeichne Symk (V )
den Vektorraum der symmetrischen Multilinearformen. Die Symmetrisierung
1 X
µ(vσ(1) , . . . , vσ(k) )
Sym(µ)(v1 , . . . , vk ) =
k!
σ∈Sk
liefert eine Projektion Sym : Multk (V ) → Symk (V ). Symmetrische Multilinearformen werden zunächst nur eine untergeordnete Rolle spielen.
29
Satz 3.2. Für µ ∈ Multk (V ) sind äquivalent:
1. µ ist alternierend.
2. µ(vτ (1) , . . . , vτ (k) ) = −µ(v1 , . . . , vk ) für jede Transposition τ ∈ Sk .
3. µ(v1 , . . . , vk ) = 0, falls i 6= j existieren mit vi = vj .
4. µ(v1 , . . . , vk ) = 0, falls {v1 , . . . , vk } linear abhängig sind.
Beweis. 1. ⇒ 2. Trivial.
2. ⇒ 1. Die symmetrische Gruppe Sk ist durch Transpositionen erzeugt und
sgn : Sk → {±1} ist ein Homomorphismus.
2. ⇒ 3. Existieren Indizes i 6= j mit vi = vj so folgt mit 2. µ(v1 , . . . , vk ) =
−µ(v1 , . . . , vk ), also µ(v1 , . . . , vk ) = 0 (da 2 6= 0 ∈ R).
3. ⇒ 2. Es vertausche τ die Indizes i 6= j. Mit 3. gilt
0 =µ(v1 , . . . , vi + vj , . . . , vi + vj , . . . , vk )
=µ(v1 , . . . , vi , . . . , vi , . . . , vk ) + µ(v1 , . . . , vi , . . . , vj , . . . , vk )
+ µ(v1 , . . . , vj , . . . , vi , . . . , vk ) + µ(v1 , . . . , vj , . . . , vj , . . . , vk )
=µ(v1 , . . . , vi , . . . , vj , . . . , vk ) + µ(v1 , . . . , vj , . . . , vi , . . . , vk ),
was die Behauptung liefert.
3. ⇒ 4. Sind {v1 , . . . , vk } linear abhängig, so existiert i mit vi =
für λj ∈ R. Dann gilt aber
X
µ(v1 , . . . , vk ) =
λj µ(v1 , . . . , vj , . . . , vj , . . . , vk ) = 0.
P
j6=i λj vj
j6=i
wegen 3.
4. ⇒ 3. Trivial.
Definition 3.4. Für µ ∈ Altk (V ) und ν ∈ Altl (V ) ist das Dachprodukt
µ ∧ ν ∈ Altk+l (V ) definiert durch
µ ∧ ν(v1 , . . . , vk+l ) =
1 X
k!l!
sgn σ · µ(vσ(1) , . . . , vσ(k) ) · ν(vσ(k+1) , . . . , vσ(k+l) )
σ∈Sk+l
für alle v1 , . . . , vk+l ∈ V .
30
Bemerkung.
1. Wenn für µ ∈ Multk (V ) und ν ∈ Multl (V ) das Tensorprodukt µ ⊗ ν ∈ Multk+l (V ) definiert ist durch
µ ⊗ ν(v1 , . . . , vk+l ) = µ(v1 , . . . , vk ) · ν(vk+1 , . . . , vk+l ),
dann gilt
µ∧ν =
(k + l)!
Alt(µ ⊗ ν)
k!l!
für µ ∈ Altk (V ) und ν ∈ Altl (V ).
2. Da µ und ν bereits alternierend sind, sind zwei Summanden in der Definition des Dachprodukts schon dann gleich, wenn die entsprechenden
Permutationen σ, τ ∈ Sk+l die gleiche Zerlegung
{1, . . . , k + l} = {σ(1), . . . , σ(k)} ∪ {σ(k + 1), . . . , σ(k + l)}
= {τ (1), . . . , τ (k)} ∪ {τ (k + 1), . . . , τ (k + l)}
in eine k- und eine l-elementige Teilmenge induzieren, d.h. wenn σ und
τ die gleiche Linksnebenklasse bzgl. Sk × Sl ⊂ Sk+l definieren. Hierbei
bezeichne Sk × Sl diejenige Untergruppe von Sk+l , die die Standardzerlegung {1, . . . , k + l} = {1, . . . , k} ∪ {k + 1, . . . , k + l} invariant lasse.
Jede Nebenklasse hat k!l! Elemente und es gilt daher
µ ∧ ν(v1 , . . . , vk+l ) =
X
sgn σ · µ(vσ(1) , . . . , vσ(k) ) · ν(vσ(k+1) , . . . , vσ(k+l) ).
[σ]∈Sk+l /Sk ×Sl
Die Eigenschaften des Dachprodukts werden in folgendem Satz zusammengefasst:
Satz 3.3. Das Dachprodukt
∧ : Altk (V ) × Altl (V ) → Altk+l (V )
ist
1. bilinear,
2. assoziativ, d.h. für λ ∈ Alti (V ), µ ∈ Altk (V ) und ν ∈ Altl (V ) gilt
λ ∧ (µ ∧ ν) = (λ ∧ µ) ∧ ν,
3. graduiert-kommutativ, d.h. für µ ∈ Altk (V ) und ν ∈ Altl (V ) gilt
µ ∧ ν = (−1)kl ν ∧ µ,
31
4. natürlich, d.h. für eine lineare Abbildung f : V → W und µ ∈ Altk (W )
sowie ν ∈ Altl (W ) gilt f ∗ (µ ∧ ν) = f ∗ µ ∧ f ∗ ν.
Bemerkung. Wenn wir also die Definition des Dachprodukts ergänzen durch
k
1 · µ = µ · 1 = µ für 1 ∈ Alt0 (V ) = R, dann wird Alt• (V ) = ⊕∞
k=0 Alt (V )
zu einer graduiert-kommutativen assoziativen R-Algebra mit Eins.
Beweis. 1. ist klar. 2. ergibt sich aus
λ ∧ (µ ∧ ν) (v1 , . . . , vi+k+l )
n λ(v
o
X
σ(1) , . . . , vσ(i+1) ) · µ(vσ(i+1) ), . . . , vσ(i+k) )
sgn σ ·
=
·ν(vσ(i+k+1) , . . . , vσ(i+k+l) )
[σ]∈Si+k+l /Si ×Sk ×Sl
=(λ ∧ µ) ∧ ν (v1 , . . . , vi+k+l ),
wobei Si × Sk × Sl ⊂ Si+k+l die Untergruppe sei, die die Zerlegung
{1, . . . , i + k + l} = {1, . . . , i} ∪ {i + 1, . . . , i + k} ∪ {i + k + 1, . . . , i + k + l}
invariant lasse.
3. folgt aus
µ ∧ ν(v1 , . . . , vk+l )
X
=
sgn σ · µ(vσ(1) , . . . , vσ(k) ) · ν(vσ(k+1) , . . . , vσ(k+l) )
[σ]∈Sk+l /Sk ×Sl
=(−1)kl
X
sgn σ · ν(vσ(1) , . . . , vσ(l) ) · µ(vσ(l+1) , . . . , vσ(l+k) )
[σ]∈Sk+l /Sl ×Sk
=(−1)kl ν ∧ µ(v1 , . . . , vk+l ).
und 4. folgt direkt aus den Definitionen.
Korollar 3.4. Für λ1 , . . . , λk ∈ V ∗ und v1 , . . . , vk ∈ V gilt
λ1 ∧ . . . ∧ λk (v1 , . . . , vk ) = det(λi (vj ))ij ,
insbesondere also λ1 ∧ . . . ∧ λk 6= 0 ⇔ {λ1 , . . . , λk } linear unabhängig.
Beweis. Mit der Assoziativität des Dachprodukts folgt
λ1 ∧ . . . ∧ λk (v1 , . . . , vk ) = λ1 (v1 ) · λ2 ∧ . . . ∧ λk (v̂1 , v2 , . . . , vk )
− λ1 (v2 ) · λ2 ∧ . . . ∧ λk (v1 , v̂2 , . . . , vk )
+ ...
+ (−1)k−1 λ1 (vk ) · λ2 ∧ . . . ∧ λk (v1 , . . . , vk−1 , v̂k ),
wobei das Hütchen die Auslassung der entsprechenden Variablen markiert.
Induktion zeigt, dass dies gerade die Entwicklung von det(λi (vj ))ij nach der
ersten Zeile ist.
32
Ist V endlich-dimensional und {e1 , . . . , en } eine Basis von V , so heißen die
reellen Zahlen
µi1 ...ik = µ(ei1 , . . . , eik )
für 1 ≤ i1 < . . . < ik ≤ n die Koeffizienten von µ bezüglich dieser Basis.
Satz 3.5. Ist dim V = n und {e1 , . . . , en } eine Basis von V sowie {e∗1 , . . . , e∗n }
die dazu duale Basis von V ∗ , dann ist
{e∗i1 ∧ . . . ∧ e∗ik : 1 ≤ i1 < . . . < ik ≤ n}
eine Basis von Altk (V ), d.h. µ ∈ Altk (V ) besitzt eine eindeutige Darstellung
X
µi1 ...ik e∗i1 ∧ . . . ∧ e∗ik .
µ=
1≤i1 <...<ik ≤n
Die µi1 ...ik sind gerade die Koeffizienten von µ bezüglich obiger Basis.
Beweis. Zum Nachweis der Existenz der behaupteten Darstellung setzen wir
Basisvektoren ein. Für 1 ≤ j1 < . . . < jk ≤ n gilt per definitionem
µ(ej1 , . . . , ejk ) = µj1 ...jk ,
andererseits gilt
X
µi1 ...ik e∗i1 ∧ . . . ∧ e∗ik (ej1 , . . . , ejk ) = µj1 ...jk ,
1≤i1 <...<ik ≤n
denn e∗i1 ∧ . . . ∧ e∗ik (ej1 , . . . , ejk ) = δi1 j1 · . . . · δik jk . Der Nachweis der linearen
Unabhängigkeit der e∗i1 ∧ . . . ∧ e∗ik verläuft genauso: Ist
X
λi1 ...ik e∗i1 ∧ . . . ∧ e∗ik = 0,
1≤i1 <...<ik ≤n
so folgt durch Anwenden auf (ej1 , . . . , ejk ) dass λj1 ...jk = 0.
Korollar 3.6. Ist dim V = n, so gilt dim Altk (V ) = nk für 1 ≤ k ≤ n und
Altk (V ) = 0 für k > n.
Korollar 3.7. Ist dim V = n und f : V → V ein Endomorphismus, so gilt
f ∗ = · det f : Altn (V ) → Altn (V ).
Beweis. Sei {e1 , . . . , en } eine Basis von V sowie {e∗1 , . . . , e∗n } die dazu duale
Basis von V ∗ . Wir berechnen
f ∗ (e∗1 ∧ . . . ∧ e∗n ) (e1 , . . . , en ) = e∗1 ∧ . . . ∧ e∗n (f e1 , . . . , f en )
= det(e∗i (f ej ))ij = det f.
Da Altn (V ) eindimensional ist, folgt die Behauptung.
33
3.2
Die äußere Ableitung
Sei M eine glatte Mannigfaltigkeit. Wie für das Tangentialbündel betrachten
wir
G
Altk (T M ) :=
Altk (Tp M )
p∈M
zusammen mit der Projektion
π : Altk (T M ) → M,
Sind ϕi : Ui → ϕi (Ui ) ⊂
µ 7→ π(µ) = p falls µ ∈ Alt(Tp M ).
Rn
Karten von M , so ist
∗
φij (x) = D(ϕi ◦ ϕ−1
: Altk (Rn ) → Altk (Rn )
j )(ϕi (x)
ein Kozyklus für Altk (T M ), mithin ist π : Altk (T M ) → M ein Vektorbündel
über M .
Definition 3.5. Das Vektorbündel π : Altk (T M ) → M heißt das k-Formenbündel von M . Ein glatter Schnitt η von Altk (T M ) heißt Differentialform
vom Grad k oder auch einfach k-Form auf M . Der Raum der glatten Schnitte
von Altk (T M ) werde mit Ωk (M ) bezeichnet.
Ferner setzen wir Alt0 (M ) = M × R und entsprechend Ω0 (M ) = C ∞ (M ).
Das Vektorbündel
∞
M
Alt• (T M ) =
Altk (T M )
k=0
heißt das Formenbündel von M und Elemente in
∞
M
Ω• (M ) =
Ωk (M )
k=0
heißen schlicht Differentialformen auf M .
Ist ϕ : U → ϕ(U ) ⊂ Rn eine Karte, so betrachte für η ∈ Ωk (M ) die Koeffizientenfunktionen
ηi1 ...ik := η(∂/∂xi1 , . . . , ∂/∂xik ) : U → R
für 1 ≤ i1 < . . . < ik ≤ n. Dann gilt also
X
ηi1 ...ik dxi1 ∧ . . . ∧ dxik .
η|U =
1≤i1 <...<ik ≤n
Rn
Ist ϕ̃ : U → ϕ̃(U ) ⊂
eine weitere Karte mit gleichem Definitionsgebiet,
so transformieren sich die Koeffizientenfunktionen gemäß
η̃i1 ...ik = η(∂/∂ x̃i1 , . . . , ∂/∂ x̃ik )
X
∂xjk
∂xj1
◦ ϕ̃ · . . . ·
◦ ϕ̃ · η(∂/∂xj1 , . . . , ∂/∂xjk )
=
∂ x̃i1
∂ x̃ik
1≤j1 ,...,jk ≤n
X
=
det ∂xjl /∂ x̃im lm ◦ ϕ̃ · ηj1 ...jk ,
1≤j1 <...<jk ≤n
34
da ∂/∂ x̃i =
∂xj
j=1 ∂ x̃i ∂/∂xj ,
Pn
vergl. (2.2).
Für k = 1 und k = n ergibt sich ein übersichtlicheres Verhalten:
P
P
∂x
1. k = 1: η|U = ni=1 ηi dxi und η̃i = nj=1 ∂ x̃ji ◦ ϕ̃ · ηj
2. k = n: η|U = η1...n dx1 ∧ . . . ∧ dxn und η̃1...n = det(∂xj /∂ x̃i )ji ◦ ϕ̃ · η1...n
Wie für Vektorfelder folgt aus dem obigen Transformationsverhalten:
Lemma 3.8. Eine Abbildung η : M → Alt(T M ) mit η(p) ∈ Alt(Tp M )
für alle p ∈ M ist genau dann eine k-Form auf M , wenn für jede Karte
ϕ : U → ϕ(U ) die Koeffizientenfunktionen ηi1 ...ik : U → R glatt sind.
Definition 3.6. Seien M und N glatte Mannigfaltigkeiten und F : M → N
eine glatte Abbildung. Für η ∈ Ωk (N ) ist der Rückzug F ∗ η ∈ Ωk (M ) definiert
durch
(F ∗ η)(p) := (DF (p))∗ η(F (p))
für p ∈ M , d.h. es gilt
(F ∗ η)(p)(v1 , . . . , vk ) = η(F (p))(DF (p)v1 , . . . , DF (p)vk )
für v1 , . . . , vk ∈ Tp M .
Bemerkung.
1. Für f ∈ C ∞ (N ) setzen wir F ∗ f = f ◦ F ∈ C ∞ (M ).
2. Ist ψ = (y1 , . . . , ym ) : V → ψ(V ) eine Karte von N um F (p) und
ϕ = (x1 , . . . , xn ) : U → ϕ(U ) eine Karte von M um p mit F (U ) ⊂ V ,
dann folgt die Glattheit der Koeffizientenfunktionen von F ∗ η aus der
Glattheit der Koeffizientenfunktionen von η, da
F ∗ η(∂/∂xi1 , . . . , ∂/∂xik ) = (η ◦ F )(DF (∂/∂xi1 ), . . . , DF (∂/∂xik ))
und DF (∂/∂xi ) =
Pm
j=1
∂yj ◦F ◦ϕ−1
∂xi
◦ ϕ ∂/∂yj .
Definition 3.7. Für η ∈ Ωk (M ) und ξ ∈ Ωl (M ) ist das Dachprodukt η ∧ ξ ∈
Ωk+l (M ) definiert durch
(η ∧ ξ)(p) := η(p) ∧ ξ(p)
für p ∈ M .
Bemerkung.
1. Für f ∈ C ∞ (M ) und η ∈ Ωk (M ) ist f ∧ η = η ∧ f = f η.
2. Die Glattheit der Koeffizientenfunktionen von η ∧ ξ bzgl. einer Karte
folgt direkt aus der Glattheit der Koeffizientenfunktionen von η und ξ.
Das Dachprodukt von Differentialformen erbt die Eigenschaften des Dachprodukts alternierender Multilinearformen aus Satz 3.3:
35
Satz 3.9. Das Dachprodukt
∧ : Ωk (M ) × Ωl (M ) → Ωk+l (M )
ist
1. R-bilinear und es gilt (f η) ∧ ξ = η ∧ (f ξ) = f η ∧ ξ für η ∈ Ωk (M ),
ξ ∈ Ωl (M ) und f ∈ C ∞ (M ),
2. assoziativ,
3. graduiert-kommutativ,
4. natürlich, d.h. für F : M → N glatt und η ∈ Ωk (N ) sowie ξ ∈ Ωl (N )
gilt F ∗ (η ∧ ξ) = F ∗ η ∧ F ∗ ξ ∈ Ωk+l (M ).
Das Differential
d : C ∞ (M ) → Ω1 (M ),
f 7→ df
ist eine R-lineare Abbildung, die die Produktregel
d(f g) = (df )g + f (dg)
erfüllt, denn
d(f g)(X) = X(f g) = X(f )g = f X(g) = df (X)g + f dg(X)
für alle X ∈ Γ(T M ), vergl. (2.7). Bezüglich einer Karte ϕ : U → ϕ(U ) gilt
n
X
∂(f ◦ ϕ−1 )
df |U =
◦ ϕ dxi ,
∂xi
i=1
denn df (∂/∂xi ) = ∂/∂xi (f ).
Satz 3.10. Es gibt genau eine Folge R-linearer Abbildungen
dk : Ωk (M ) → Ωk+1 (M )
mit den folgenden Eigenschaften:
1. d0 stimmt mit dem Differential d : C ∞ (M ) → Ω1 (M ) überein.
2. Es gilt die Komplexeigenschaft dk+1 ◦ dk = 0 für alle k ≥ 0.
3. Es gilt die Produktregel dk+l (η ∧ ξ) = dk η ∧ ξ + (−1)k η ∧ dl ξ für alle
η ∈ Ωk (M ) und ξ ∈ Ωl (M ).
Definition 3.8. Man nennt dk η ∈ Ωk+1 (M ) die Cartan-Ableitung oder das
äußere Differential der Differentialform η ∈ Ωk (M ). Es heißt (Ω• (M ), d) mit
d=
∞
M
dk : Ω• (M ) → Ω•+1 (M )
k=0
der de Rham-Komplex von M .
36
Wegen d ◦ d = 0 gilt im d ⊂ ker d. Elemente in ker d heißen geschlossen,
Elemente in im d exakt.
Definition 3.9. Der Quotientenvektorraum
k
HdR
(M ) :=
ker dk : Ωk (M ) → Ωk+1 (M )
im dk−1 : Ωk−1 (M ) → Ωk (M )
heißt k-te de Rham-Kohomologiegruppe von M .
Beweis. Wir argumentieren zunächst lokal. Ist U ⊂ M ein Kartengebiet,
d.h. Definitionsgebiet einer Karte ϕ : U → ϕ(U ) und η ∈ Ωk (U ), so gilt
X
ηi1 ...ik dxi1 ∧ . . . ∧ dxik
η=
1≤i1 <...<ik ≤n
für Koeffizientenfunktionen ηi1 ...ik : U → R. Die geforderten Eigenschaften
von d liefern nun, dass notwendigerweise
X
(3.1)
dU η =
dηi1 ...ik ∧ dxi1 ∧ . . . ∧ dxik .
1≤i1 <...<ik ≤n
Dies liefert bereits die Eindeutigkeit von dkU : Ωk (U ) → Ωk+1 (U ). Umgekehrt benutzen wir (3.1) nun zur Definition der Cartan-Ableitung über U .
Wir rechnen die definierenden Eigenschaften nach: Die R-Linearität und die
Differentialbedingung sind klar. O.B.d.A. sei nun
η = f dxi1 ∧ . . . ∧ dxik
und ξ = g dxj1 ∧ . . . ∧ dxjl ,
dann gilt
dU (η ∧ ξ) = d(f g)dxi1 ∧ . . . ∧ dxik ∧ dxj1 ∧ . . . ∧ dxjl
= (df )g + f (dg) ∧ dxi1 ∧ . . . ∧ dxik ∧ dxj1 ∧ . . . ∧ dxjl
= dU η ∧ ξ + (−1)k η ∧ dU ξ,
da die Einsform dg an dxi1 ∧ . . . ∧ dxik vorbeigetauscht wurde. Dies etabliert
die Produktregel. Für den Nachweis der Komplexeigenschaft reicht es nun
dank der Produktregel aus, den Fall k = 0 zu betrachten: Hier ergibt sich
aus
n
n
X
X
∂ 2 (f ◦ ϕ−1 )
∂(f ◦ ϕ−1 )
◦ ϕ dxj =
◦ ϕ dxi ∧ dxj
dU (df ) = dU
∂xj
∂xi ∂xj
i,j=1
j=1
und dem Satz von Schwarz, dass dU (df ) = 0. Dies schließt den Existenzbeweis von dU für Kartengebiete U ⊂ M ab.
37
Für den allgemeinen Fall stellen wir zunächst fest, dass die Produktregel
zusammen mit der R-Linearität die Lokalität von d erzwingt, d.h. für η, η̃ ∈
Ωk (M ), U ⊂ M offen und p ∈ U gilt
η|U = η̃|U ⇒ dη(p) = dη̃(p).
Ist nämlich ϕ ∈ C ∞ (M ) eine Buckelfunktion mit ϕ|U 0 = 1 und ϕ|M \U 00 = 0
für offene Mengen p ∈ U 0 ⊂ U 00 ⊂ U und ξ = η − η̃, so gilt
dη(p) − dη̃(p) = dξ(p) = d(χξ)(p) = dχ(p) ∧ ξ(p) + χ(p)dξ(p) = 0
für χ = 1 − ϕ, da dχ(p) = χ(p) = 0.
Es ist also naheliegend zu definieren
(dM η)(p) := (dU η|U )(p)
für p ∈ M , falls U ein Kartengebiet ist, das p enthält. Die Eigenschaften
1.-3. für dU implizieren nun diese Eigenschaften für dM , mithin die Existenz
von dM .
Es bleibt die Eindeutigkeit von dM zu zeigen. Setze dazu mit Hilfe der
Buckelfunktion die Komponentenfunktion der Karte xi sowie die Koeffizientenfunktionen ηi1 ...ik , jeweils eingeschränkt auf U 0 , zu glatten Funktionen
fi bzw. η̃i1 ...ik auf M fort und setze
X
η̃ =
η̃i1 ...ik dfi1 ∧ . . . ∧ fik .
1≤i1 <...<ik ≤n
Dann gilt η|U 0 = η̃|U 0 und 1.-3. implizieren
X
dη̃ =
dη̃i1 ...ik ∧ dfi1 ∧ . . . ∧ fik .
1≤i1 <...<ik ≤n
Die Lokalität liefert nun, dass dη(p) = dη̃(p) und somit allein durch die
geforderten Eigenschaften festgelegt ist.
Lemma 3.11. Die Cartan-Ableitung ist natürlich, d.h. für F : M → N glatt
und η ∈ Ωk (N ) gilt d(F ∗ η) = F ∗ dη ∈ Ωk+1 (M ).
Beweis. Wir beweisen dies zunächst für k = 0: Für f ∈ C ∞ (N ) ist definitionsgemäß F ∗ f = f ◦ F und daher liefert die Kettenregel
d(F ∗ f )(p) = d(f ◦ F )(p) = df (F (p))DF (p) = (F ∗ df )(p)
für p ∈ M die behauptete Aussage.
38
Den allgemeinen Fall beweisen wir lokal: Ist ψ = (y1 , . . . , ym ) : V → ψ(V )
eine Karte von N um F (p) und ϕ = (x1 , . . . , xn ) : U → ϕ(U ) eine Karte von
M um p mit F (U ) ⊂ V , dann gilt
X
η|V =
ηi1 ...ik dyi1 ∧ . . . ∧ dyik .
1≤i1 <...<ik ≤m
Die Verträglichkeit des Rückzugs mit dem Dachprodukt zusammen mit dem
Fall k = 0 liefert
X
ηi1 ...ik ◦ F d(yi1 ◦ F ) ∧ . . . ∧ d(yik ◦ F )
F ∗ η|V =
1≤i1 <...<ik ≤m
und somit
X
d(F ∗ η|V ) =
d(ηi1 ...ik ◦ F ) ∧ d(yi1 ◦ F ) ∧ . . . ∧ d(yik ◦ F ).
1≤i1 <...<ik ≤m
Andererseits gilt
X
dη|V =
dηi1 ...ik ∧ dyi1 ∧ . . . ∧ dyik
1≤i1 <...<ik ≤m
und wir erhalten genau wie oben
X
F ∗ (dη|V ) =
d(ηi1 ...ik ◦ F ) ∧ d(yi1 ◦ F ) ∧ . . . ∧ d(yik ◦ F ).
1≤i1 <...<ik ≤m
Zusammen erhalten wir d(F ∗ η|V ) = F ∗ (dη|V ), was zu zeigen war.
Eine Differentialform η ∈ Ωk (M ) induziert eine R-multilineare Abbildung
Γ(T M ) × . . . × Γ(T M ) → C ∞ (M ), (X1 , . . . , Xk ) 7→ η(X1 , . . . , Xk ),
die alternierend ist in dem Sinne, dass
(3.2)
η(Xσ(1) , . . . , Xσ(k) ) = sgn σ · η(X1 , . . . , Xk )
für alle σ ∈ Sk . Weiterhin gilt die Rechenregel
(3.3)
η(X1 , . . . , f Xi , . . . Xk ) = f η(X1 , . . . , Xi , . . . , Xk )
für alle i ∈ {1, . . . , k} und f ∈ C ∞ (M ), d.h. η ist linear über C ∞ (M ) in
jedem Argument.
Lemma 3.12. Sei η ∈ Ωk (M ). Dann gilt
X
dη(X0 , . . . , Xk ) =
(−1)i Xi η(X0 , . . . , X̂i , . . . , Xk )
0≤i≤k
+
X
(−1)i+j η([Xi , Xj ], X0 , . . . , X̂i , . . . , X̂j , . . . , Xk ).
0≤i<j≤k
für alle X0 , . . . , Xk ∈ Γ(T M ).
39
Beweis. Wir bezeichnen die rechte Seite mit ξ = ξ(X0 , . . . , Xk ). Dann ist
ξ offenbar R-multilinear und man überzeugt sich leicht davon, dass ξ auch
alternierend ist. Weiterhin gilt für i ∈ {0, . . . , k} und f ∈ C ∞ (M )
ξ(X0 , . . . , f Xi , . . . , Xk )
X
=f ξ(X0 , . . . , Xk ) +
(−1)j Xj (f )ξ(X0 , . . . , X̂j , . . . , Xk )
j6=i
+
X
−
X
(−1)i+j Xj (f )ξ(Xi , X0 , . . . , , X̂j , . . . , X̂i , . . . , Xk )
j<i
(−1)i+j Xj (f )ξ(Xj , X0 , . . . , , X̂i , . . . , X̂j , . . . , Xk )
j>i
=f ξ(X0 , . . . , Xk ),
d.h. ξ ist linear über C ∞ (M ) in jedem Argument.
Wir rechnen die behauptete Eigenschaft mit Hilfe einer Karte ϕ : U → ϕ(U )
um p ∈ M nach. Wegen der Multilinearität beider Seiten über C ∞ (M ) und
des Alternierens genügt es, Vektorfelder Xl = ∂/∂xjl für j0 < . . . < jk
einzusetzen. Weiterhin können wir annehmen, dass η|U = f dxi1 ∧ . . . ∧ dxik
für i1 < . . . < ik . Dann gilt
dη(∂/∂xj0 , . . . , ∂/∂xjk )
=df ∧ dxi1 ∧ . . . ∧ dxik (∂/∂xj0 , . . . , ∂/∂xjk )
n
X
=
∂/∂xi (f ) dxi ∧ dxi1 ∧ . . . ∧ dxik (∂/∂xj0 , . . . , ∂/∂xjk )
i=1
(
0
:
=
l
(−1) ∂/∂xjl (f ) :
{i1 , . . . , ik } 6⊂ {j0 , . . . , jk }
{j0 , . . . , jk } = {jl } ∪ {i1 , . . . , ik }
und andererseits, da die Koordinatenvektorfelder kommutieren,
ξ(∂/∂xj0 , . . . , ∂/∂xjk )
X
\j , . . . , ∂/∂xj ).
=
(−1)l ∂/∂xjl (f ) dxi1 ∧ . . . ∧ dxik (∂/∂xj0 , . . . , ∂/∂x
0
l
0≤l≤k
Der Vergleich beider Ergebnisse liefert die Behauptung.
Beispiel. Sei U ⊂ R3 offen. Dann geht der de Rham-Komplex
d
d
d
0 → C ∞ (U ) −→ Ω1 (U ) −→ Ω2 (U ) −→ Ω3 (U ) → 0
vermöge der Identifikationen
X1 dx1 + X2 dx2 + X3 dx3 7→ X = (X1 , X2 , X3 ),
X1 dx2 ∧ dx3 + X2 dx3 ∧ dx1 + X3 dx1 ∧ dx2 7→ X = (X1 , X2 , X3 ),
f dx1 ∧ dx2 ∧ dx3 7→ f
40
in den Komplex
grad
rot
div
0 → C ∞ (U ) −−−→ C ∞ (U, R3 ) −−→ C ∞ (U, R3 ) −−→ C ∞ (U ) → 0
über, wobei
∂f ∂f ∂f
,
,
,
∂x1 ∂x2 ∂x3
∂X3 ∂X2 ∂X1 ∂X3 ∂X2 ∂X1
rot X =
−
,
−
,
−
,
∂x2
∂x3 ∂x3
∂x1 ∂x1
∂x2
∂X1 ∂X2 ∂X3
div X =
+
+
.
∂x1
∂x2
∂x3
grad f =
Insbesondere folgen die Identitäten div ◦ rot = 0 und rot ◦ grad = 0 aus der
Komplexeigenschaft.
41
Kapitel 4
Integration und der Satz von
Stokes
4.1
Teilung der Eins
Definition 4.1. Sei M eine glatte Mannigfaltigkeit. Eine Teilung der Eins
ist eine Familie glatter Funktionen (τj )j∈J auf M mit den Eigenschaften
1. 0 ≤ τj ≤ 1 für alle j ∈ J.
2. Die Familie (supp τj )j∈J ist lokal endlich in dem Sinne, dass jeder
Punkt p ∈ M eine Umgebung besitzt, die nur endlich viele der Träger
supp τj schneidet.
P
3.
j∈J τj = 1.
Die Teilung der Eins heißt einer offenen Überdeckung (Ui )i∈I untergeordnet,
falls für jeden Index j ∈ J ein Index i = i(j) ∈ I existiert mit supp τj ⊂ Ui .
Satz 4.1. Zu jeder offenen Überdeckung (Ui )i∈I der glatten Mannigfaltigkeit M existiert eine untergeordnete Teilung der Eins (τj )j∈J mit kompakten
Trägern supp τj und abzählbarer Indexmenge J.
Wir zeigen zunächst:
Lemma 4.2. Jede glatte Mannigfaltigkeit M besitzt eine kompakte Ausschöpfung, d.h. eine Folge offener, relativ-kompakter Teilmengen (Ωn )n∈N
mit den Eigenschaften
1. Ωn ⊂ Ωn+1 für alle n ∈ N.
S
2. ∞
n=1 Ωn = M .
Erinnerung. Eine Teilmenge A eines topologischen Raums X heißt relativkompakt, falls der Abschluss Ā ⊂ X kompakt ist.
42
Beweis von Lemma 4.2. Sei (Bi )i∈N eine abzählbare Basis bestehend aus
relativ-kompakten Teilmengen Bi . (Da jeder Punkt p ∈ M eine relativkompakte Umgebung besitzt, bilden die relativ-kompakten Mengen einer
abzählbaren Basis selbst wieder eine abzählbare Basis.)
Wir konstruieren die Ausschöpfung induktiv wie folgt:
• Setze Ω1 := B1 .
• Sei Ωn bereits konstruiert. Bestimme in+1 ∈ N s.d. Ωn ⊂
Sin+1
setze Ωn+1 := i=1
Bi .
Sin+1
i=1
Bi und
Die Mengen Ωn leisten das Gewünschte.
Beweis von Satz 4.1. Für jeden Punkt p ∈ Ωn \ Ωn−1 wähle eine offene Umgebung Vp ⊂ Ωn+1 \ Ωn−2 und eine Buckelfunktion λp mit supp λp ⊂ Vp und
λp (p) > 0. Wegen Kompaktheit gibt es endlich viele Punkte pn1 , . . . , pnjn so
dass die Mengen {λpnj > 0} das Ringgebiet Ωn \ Ωn−1 überdecken.
Induktiv erhalten wir eine Folge von Punkten pj ∈ M mit den Eigenschaften
1. ({λpj > 0})j∈N ist eine offene Überdeckung von M .
2. (Vpj )j∈N ist lokal endlich.
P
Betrachte nun die glatte Funktion λ := ∞
j=1 λpj . Man bemerke, dass diese
Summe lokal endlich und positiv ist. Dann bilden die glatten Funktionen
τj := λpj /λ eine Teilung der Eins mit den behaupteten Zusatzeigenschaften.
Um schließlich die Teilung der Eins einer gegebenen offenen Überdeckung
(Ui )i∈I unterzuordnen, wähle die Mengen Vp jeweils so, dass sie in einer
Menge Ui(p) enthalten sind.
4.2
Orientierungen
Definition 4.2. Sei V ein R-Vektorraum, 1 ≤ dim V < ∞. Zwei Basen
{e1 , . . . , en } und {f1 , . . . , fn } heißen gleichorientiert, falls für den Automorphismus f : V → V definiert durch
f (ei ) = fi ,
i = 1, . . . , n
gilt: det f > 0. Dies definiert eine Äquivalenzrelation auf der Menge der
Basen von V und eine Auswahl einer Äquivalenzklasse heißt Orientierung
auf V . Der Vektorraum V zusammen mit einer Orientierung heißt orientiert,
Basen in der ausgewählten Äquivalenzklasse heißen positiv orientiert, die in
der anderen Äquivalenzklasse entsprechend negativ orientiert.
43
Konvention. Für dim V = 0 sei eine Orientierung auf V einfach die Auswahl
eines Vorzeichens ±.
Lemma 4.3. Ist 0 6= ω ∈ Altn (V ), so wird durch
{e1 , . . . , en } positiv orientiert :⇔ ω(e1 , . . . , en ) > 0
eine Orientierung auf V definiert.
Beweis. Sind {e1 , . . . , en } und {f1 , . . . , fn } Basen und gilt f (ei ) = fi , so ist
ω(f1 , . . . , fn ) = ω(f (e1 ), . . . , f (en )) = det f · ω(e1 , . . . , en )
vermöge Korollar 3.7.
Umgekehrt existiert für jede Basis {e1 , . . . , en } eine Element ω ∈ Altn (V )
mit ω(e1 , . . . , en ) > 0, nämlich ω = e∗1 ∧ . . . ∧ e∗n . Jede Orientierung auf V
wird also durch ein Element 0 6= ω ∈ Altn (V ) induziert, wobei ω und ω̃
genau dann die gleiche Orientierung induzieren, wenn ω̃ = λω für λ > 0.
Beispiel. Betrachte jetzt V = Rn . Die Äquivalenzklasse der Standardbasis
{e1 , . . . , en } heißt Standardorientierung auf Rn . Diese wird induziert durch
e∗1 ∧ . . . ∧ e∗n ∈ Altn (Rn ).
Definition 4.3. Seien V, W n-dimensionale, orientierte R-Vektorräume. Ein
Isomorphismus f : V → W heißt orientierungserhaltend, falls er positiv
orientierte Basen von V auf positiv orientierte Basen von W abbildet.
Wir wollen das Konzept von Orientierung nun globalisieren:
Definition 4.4. Eine Orientierung der glatten Mannigfaltigkeit M ist eine simultane Orientierung aller Tangentialräume Tp M , p ∈ M , die in dem
folgenden Sinne lokal verträglich ist: Für alle p ∈ M existiere eine Karte
ϕ = (x1 , . . . , xn ) : U → ϕ(U ) ⊂ Rn , so dass die Koordinatenbasis
{∂/∂x1 (q), . . . , ∂/∂xn (q)}
positiv orientiert ist für alle q ∈ U . Eine solche Karte heiße dann orientierungserhaltend. Es heißt M orientierbar, falls eine Orientierung existiert,
orientiert, wenn eine Orientierung ausgewählt ist.
Bemerkung.
1. Ist M orientierbar und zusammenhängend, so existieren
genau zwei Orientierungen auf M .
2. Eine Mannigfaltigkeit M heißt parallelisierbar, falls ihr Tangentialbündel T M trivial ist. Eine parallelisierbare Mannigfaltigkeit ist orientierbar. Insbesondere ist jede Lie-Gruppe orientierbar.
3. Das Möbiusband ist nicht orientierbar.
44
Definition 4.5. Seien M, N n-dimensionale, orientierte glatte Mannigfaltigkeiten. Ein Diffeomorphismus F : M → N heißt orientierungserhaltend,
falls das Differential DF (p) : Tp M → TF (p) N orientierungserhaltend ist für
alle p ∈ M .
Lemma 4.4. Eine n-dimensionale glatte Mannigfaltigkeit M ist genau dann
orientierbar, wenn eine Differentialform ω ∈ Ωn (M ) ohne Nullstellen existiert.
Beweis. Eine Differentialform ω ∈ Ωn (M ) ohne Nullstellen induziert offenbar eine Orientierung auf jedem Tangentialraum Tp M . Diese Orientierungen
sind aus Stetigkeitsgründen lokal veträglich im Sinne von Definition 4.4.
Ist umgekehrt M orientiert und (ϕi : Ui → ϕi (Ui ))i∈I ein Atlas aus orientierungserhaltenden Karten, so betrachte eine untergeordnete Teilung der
Eins (τj )j∈J , d.h. es gilt supp τj ⊂ Ui(j) für alle j ∈ J. Wir schreiben
ϕi = (xi1 , . . . , xin ). Dann ist
X
i(j)
ω=
τj dx1 ∧ . . . ∧ dxi(j)
n
j∈J
eine Differentialform vom Grad n ohne Nullstellen. Ist nämlich {e1 , . . . , en }
i
i
eine positiv orientierte Basis
P von Tp M , so gilt dx1 ∧ . . . ∧ dxn (e1 , . . . , en ) > 0
für alle i mit p ∈ Ui . Da j∈J τj (p) = 1, gilt auch ω(p)(e1 , . . . , en ) > 0.
Definition 4.6. Sei M eine n-dimensionale glatte Mannnigfaltigkeit. Eine
Differentialform ω ∈ Ωn (M ) ohne Nullstellen heißt Volumenform auf M .
4.3
Integration auf Mannigfaltigkeiten
Ab hier sei M eine n-dimensionale, orientierte glatte Mannigfaltigkeit. Es
bezeichne
Ωncp (M ) := {ω ∈ Ωn (M ) : supp ω kompakt}
den R-Vektorraum der Differentialformen vom Grad n mit kompaktem Träger. Unser Ziel ist es, ein Integral
Z
Z
n
: Ωcp (M ) −→ R, ω 7−→
ω
M
M
mit den üblichen Eigenschaften zu definieren.
Betrachte zunächst ω ∈ Ωncp (M ) mit Träger in einem Kartengebiet, d.h.
supp ω ⊂ U für eine Karte ϕ : U → ϕ(U ) ⊂ Rn . Dann gilt
ω|U = ω1...n dx1 ∧ . . . ∧ dxn
45
∞ (U ) und wir setzen
für ω1...n ∈ Ccp
Z
Z
ω :=
ω1...n ◦ ϕ−1 dλn ,
ϕ(U )
M
wobei λn das n-dimensionale Lebesgue-Maß bezeichne. Dass diese Definition
sinnvoll ist, zeigt das folgende
Lemma 4.5. Sind ϕ : U → ϕ(U ), ϕ̃ : U → ϕ̃(U ) orientierungserhaltende
Karten mit dem gleichen Definitionsgebiet, dann gilt
Z
Z
−1
n
ω̃1...n ◦ ϕ̃ dλ =
ω1...n ◦ ϕ−1 dλn .
ϕ̃(U )
ϕ(U )
Beweis. Wir haben bereits gesehen, dass ω̃1...n = det(∂xj /∂ x̃i )ji ◦ ϕ̃ · ω1...n .
Außerdem gilt, da ϕ und ϕ̃ orientierungserhaltend sind, dass
det D(ϕ ◦ ϕ̃−1 ) = det(∂xj /∂ x̃i )ji > 0.
Daher liefert die Transformationsformel
Z
ω̃1...n ◦ ϕ̃−1 dλn
ϕ̃(U )
Z
=
det D(ϕ ◦ ϕ̃−1 ) · (ω1...n ◦ ϕ−1 ) ◦ (ϕ ◦ ϕ̃−1 ) dλn
ϕ̃(U )
Z
=
| det D(ϕ ◦ ϕ̃−1 )| · (ω1...n ◦ ϕ−1 ) ◦ (ϕ ◦ ϕ̃−1 ) dλn
ϕ̃(U )
Z
=
ω1...n ◦ ϕ−1 dλn ,
ϕ(U )
was zu zeigen war.
Sei jetzt ω ∈ Ωncp (M ) beliebig. Wähle eine Überdeckung (Ui )i∈I von M durch
Kartengebiete orientierungserhaltender Karten und eine dieser Überdeckung
untergeordnete Teilung der Eins (τj )j∈J . Dann gilt supp τj ω ∈ Ui(j) für alle
j ∈ J und wir setzen
Z
XZ
(4.1)
ω :=
τj ω.
M
j∈J
M
Diese Summe ist endlich, da wegen der lokalen Endlichkeit der Überdeckung
(supp τj )j∈J nur endlich viele supp τj das Kompaktum supp ω schneiden.
Ist nun (Vα )α∈A eine weitere Überdeckung von M durch Kartengebiete orientierungserhaltender Karten und (σβ )β∈B eine untergeordnete Teilung der
46
P
Eins, dann gilt supp τj σβ ω ∈ Ui(j) ∩ Vα(β) und σβ ω = j∈J τj σβ ω. Somit
erhalten wir
XZ
X Z
XZ
τj ω.
τj σβ ω = . . . =
σβ ω =
M
β∈B
j∈J,β∈B
M
j∈J
M
R
Wir haben
dass das Integral M ω in (4.1) wohldefiniert ist. Das
R also gezeigt,
Integral M : Ωncp (M ) → R erbt die üblichen Eigenschaften des LebesgueIntegrals
R
1. M ist linear
R
2. M ist monoton, d.h. ist ω ∈ Ωn (M ) eine mit der Orientierung von
∞ (M ) mit f ≥ 0, dann gilt
und f ∈ Ccp
RM verträgliche Volumenform
R
M f ω ≥ 0 (mit M f ω = 0 ⇔ f = 0).
Satz 4.6 (Transformationsformel). Sind M, N orientierte n-dimensionale
glatte Mannigfaltigkeiten und ist F : M → N ein orientierungserhaltender
Diffeomorphismus, so gilt für ω ∈ Ωncp (N )
Z
Z
∗
F ω=
ω.
M
N
Beweis. Ohne Einschränkung der Allgemeinheit gilt supp ω ⊂ V für eine
orientierungserhaltende Karte ψ = (x1 , . . . , xn ) : V → ψ(V ) ⊂ Rn von N .
Dann ist ϕ = ψ ◦ F : U → ψ(V ) eine orientierungserhaltende Karte von M
für U = F −1 (V ). Schreibe ϕ = (x̃1 , . . . , x̃n ). Dann gilt
ω|V = ω1...n dx1 ∧ . . . ∧ dxn
und
F ∗ ω|U = ω1...n ◦ F · d(x1 ◦ F ) ∧ . . . ∧ d(xn ◦ F )
= ω1...n ◦ F · dx̃1 ∧ . . . ∧ dx̃n .
Es folgt
Z
Z
∗
F ω=
M
ω1...n ◦ F ◦ ϕ
−1
n
Z
ω1...n ◦ ψ
dλ =
ψ(V )
ψ(V )
−1
n
Z
dλ =
ω,
N
was zu zeigen war.
Ist
RBemerkung.
R F : M → N orientierungsumkehrend, so gilt entsprechend
∗ω = −
F
M
N ω.
47
4.4
Mannigfaltigkeiten mit Rand
Mannifaltigkeiten sind lokal modelliert auf Rn , Mannigfaltigkeiten mit Rand
werden wir lokal modellieren auf dem Halbraum
Hn := {x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Rn : x1 ≤ 0}.
Weiterhin sei
∂Hn := {x ∈ Rn : x1 = 0}
der Rand und
H̊n := {x ∈ Rn : x1 < 0}
das Innere des Halbraums.
Definition 4.7. Sei U ⊂ Hn offen (bezüglich der Relativtopologie). Eine
Abbildung f : U → Rm heißt differenzierbar in p ∈ U , falls eine Umgebung
Ũ von p in Rn existiert und eine differenzierbare Abildung f˜ : Ũ → Rm mit
f˜|U ∩Ũ = f |U ∩Ũ .
Bemerkung. Die Fortsetzung f˜ ist nicht eindeutig, jedoch ist das Differential
Df (p) := Df˜(p) : Rn → Rm unabhängig von der Fortsetzung.
Definition 4.8. Seien U, V ⊂ Hn offen (bezüglich der Relativtopologie).
Eine differenzierbare Abbildung F : U → V heißt Diffeomorphismus, falls
sie bijektiv und ihre Umkehrabbildung ebenfalls differenzierbar ist.
Lemma 4.7. Sind U, V ⊂ Hn offen (bezüglich der Relativtopologie) und
ist F : U → V ein Diffeomorphismus, so gilt F (U ∩ ∂Hn ) = V ∩ ∂Hn .
Insbesondere ist
F |U ∩∂Hn : U ∩ ∂Hn → V ∩ ∂Hn
ein Diffeomorphismus zwischen offenen Teilmengen von ∂Hn = {0} × Rn−1 .
Beweis. Wir zeigen die Inklusion F (U ∩ H̊n ) ⊂ V ∩ H̊n , woraus die Behauptung durch Betrachtung der Umkehrfunktion folgt. Sei x ∈ U ∩ H̊n . Der
lokale Umkehrsatz liefert die Existenz von ε > 0, so dass Bε (x) ⊂ U ∩ H̊n
und F |Bε (x) umkehrbar ist. Insbesondere ist F (Bε (x)) ⊂ V eine in Rn offene
Umgebung von F (x). Also gilt F (p) ∈ V ∩ H̊n .
Definition 4.9. Sei X ein topologischer Raum. Eine Hn -wertige Karte ist
ein Homöomorphismus ϕ : U → ϕ(U ) zwischen offenen Teilmengen U ⊂ X
und ϕ(U ) ⊂ Hn (letztere bezüglich der Relativtopologie). Zwei Hn -wertige
Karten ϕ1 : U1 → ϕ1 (U1 ) ⊂ Hn und ϕ2 : U2 → ϕ2 (U2 ) ⊂ Hn heißen
verträglich, wenn die Kartenwechsel ϕ2 ◦ ϕ−1
1 : ϕ1 (U1 ∩ U2 ) → ϕ2 (U1 ∩ U2 )
und ϕ1 ◦ ϕ−1
:
ϕ
(U
∩
U
)
→
ϕ
(U
∩
U
)
differenzierbar
sind im Sinne von
2
1
2
1
1
2
2
Definition 4.7.
48
Die Begriffe differenzierbarer Atlas und differenzierbare Struktur ergeben sich
nun analog zum Fall ohne Rand.
Definition 4.10. Eine differenzierbare Mannigfaltigkeit mit Rand ist ein
Hausdorff-Raum M , der das zweite Abzählbarkeitsaxiom erfüllt, zusammen
mit einer differenzierbaren Struktur aus Hn -wertigen Karten auf M . Der
Rand von M ist die Menge aller Punkte p ∈ M , für die für eine (und dann
jede) Karte ϕ : U → ϕ(U ) ⊂ Hn um p gilt ϕ(p) ∈ ϕ(U ) ∩ ∂Hn , und wird mit
∂M bezeichnet. Weiterhin sei M̊ = M \ ∂M das Innere von M .
Bemerkung.
1. Ist M eine n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit mit Rand, so ist ∂M eine n−1-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit. Ist nämlich ϕ : U → ϕ(U ) ⊂ Hn eine Karte von M , so ist
wegen Lemma 4.7 die Einschränkung ϕ|U ∩∂M : U ∩ ∂M → ϕ(U ) ∩ ∂Hn
eine Karte von ∂M . Das Innere M̊ ist eine n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit.
2. Eine differenzierbare Mannigfaltigkeit ist eine differenzierbare Mannigfaltigkeit M mit Rand und ∂M = ∅ (⇔ M = M̊ ).
Beispiele.
1. I = [a, b] ist eine Mannigfaltigkeit mit Rand ∂I = {a, b}.
[a, b) ist ebenfalls eine Mannigfaltigkeit mit Rand, aber ∂[a, b) = {a}.
2. Der abgeschlossene Einheitsball Dn = {x ∈ Rn : kxk ≤ 1} ist eine
Mannigfaltigkeit mit Rand ∂Dn = S n−1 . Ist B n = {x ∈ Rn : kxk < 1}
der offene Einheitsball, so ist M = B n ∩ Hn eine Mannigfaltigkeit mit
Rand ∂M = ∂Hn ∩ B n ∼
= B n−1 .
Bemerkung. Ist eine Teilmenge M ⊂ Rn eine Mannigfaltigkeit mit Rand, so
ist ∂M im Allgemeinen also vom topologischen Rand verschieden.
Definition 4.11. Seien M, N differenzierbare Mannigfaltigkeiten mit Rand.
Eine stetige Abbildung F : M → N heißt differenzierbar, falls F bezüglich
Hn -wertiger Karten differenzierbar ist.
Beispiel. Ist M eine Mannigfaltigkeit mit Rand ∂M , so ist die Inklusion
ι : ∂M → M differenzierbar.
Sei M eine Mannigfaltigkeit mit Rand und p ∈ ∂M . Wir wollen den Tangentialraum Tp M definieren wie im Fall ohne Rand. Betrachte dazu differenzierbare Kurven γ + : (−ε, 0] → M und γ − : [0, ε) → M mit γ ± (0) = p. Dabei
seien (−ε, 0] und [0, ε) aufgefaßt als Mannigfaltigkeit mit Rand. Der Raum
der Äquivalenzklassen solcher Kurven ist der Tangentialraum Tp M , wobei
jeweils Tp± M der Raum der Äquivalenzklassen von Kurven γ ± sei. Dann gilt
kanonisch
Tp ∂M = Tp+ M ∩ Tp− M
und wir nennen einen Vektor v ∈ T p M \ Tp ∂M nach außen weisend, falls
v ∈ Tp+ M , bzw. nach innen weisend, falls v ∈ Tp− M . Das Differential einer
49
differenzierbaren Abbildung zwischen Mannigfaltigkeiten mit Rand ist nun
auch in Randpunkten definiert.
Wie im Falle einer Mannigfaltigkeit ohne Rand können wir von Orientierung
und orientierungserhaltenden Karten sprechen. Ist M orientiert, so ist ∂M
orientierbar und wir treffen folgende Orientierungskonvention:
Konvention. Eine Basis {v2 , . . . , vn } von Tp ∂M sei positiv orientiert, genau
dann, wenn für jeden nach außen weisenden Vektor v ∈ Tp M \ Tp ∂M die
Basis {v, v2 , . . . , vn } positiv orientiert ist.
Schließlich können wir Differentialformen Ω• (M ) auf M definieren, so dass,
falls M orientiert und n-dimensional ist, ein Integral
Z
: Ωncp (M ) → R
M
definiert ist. Hierzu benutzen wir eine Teilung der Eins wie im Fall ohne
Rand.
4.5
Der Satz von Stokes
Sei nun M eine orientierte, n-dimensionale glatte Mannigfaltigkeit mit Rand
∂M (wobei ∂M = ∅ ausdrücklich erlaubt sei). Der Rand (falls nicht leer)
trage die induzierte Orientierung. Betrachte die Inklusion ι : ∂M → M .
∗
n−1
n
Für η ∈ Ωn−1
cp (M ) ist ι η ∈ Ωcp (∂M ) und dη ∈ Ωcp (M ). Somit sind die
Integrale
Z
Z
Z
dη
ι∗ η
η :=
und
M
∂M
∂M
definiert.
Theorem 4.8 (Satz von Stokes). Sei M eine orientierte n-dimensionale
n−1 (M )
Mannigfaltigkeit mit Rand ∂M . Dann gilt für η ∈ Ωcp
Z
Z
dη =
η.
M
∂M
Beweis. Wir gehen in 2 Schritten vor:
1. η habe Träger in einem Kartengebiet:
Sei also ϕ = (x1 , . . . , xn ) : U → ϕ(U ) ⊂ Hn eine orientierungserhaltende
Karte mit supp η ⊂ U . Dann gilt
η=
n
X
ci ∧ . . . ∧ dxn =
fi dx1 ∧ . . . ∧ dx
i=1
n
X
i=1
50
ηi
ci ∧ . . . ∧ dxn und fi ∈ C ∞ (U ). Wir berechnen
für ηi := fi dx1 ∧ . . . ∧ dx
cp
dηi = (−1)i−1
∂(fi ◦ ϕ−1 )
◦ ϕ dx1 ∧ . . . ∧ dxn
∂xi
und es folgt für i = 1 mit Fubini
Z
Z
∂(f1 ◦ ϕ−1 )
dη1 =
dx1 . . . dxn
∂x1
M
Hn
Z 0
Z
∂(f1 ◦ ϕ−1 )
=
(x1 , . . . , xn )dx1 dx1 . . . dxn
∂x1
n−1
−∞
Z
ZR
−1
η1 ,
(f1 ◦ ϕ )(0, x2 , . . . , xn ) dx2 . . . dxn =
=
∂Hn
∂M
denn mit dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung gilt
Z 0
∂(f1 ◦ ϕ−1 )
(x1 , . . . , xn ) dx1 = (f1 ◦ ϕ−1 )(0, x2 , . . . , xn )
∂x1
−∞
wegen des kompakten Trägers von f1 . Für i > 1 erhalten wir mit Fubini
Z
Z
∂(fi ◦ ϕ−1 )
i−1
dηi = (−1)
dx1 . . . dxn
∂xi
M
Hn
Z 0 Z ∞
Z ∞
∂(fi ◦ ϕ−1 )
i−1
dxi dx1 . . . dxn
...
= (−1)
∂xi
−∞
−∞
−∞
=0
Z
=
ηi ,
∂M
denn mit dem Hauptsatz gilt
Z ∞
∂(fi ◦ ϕ−1 )
(x1 , . . . , xn ) dxi = 0
∂xi
−∞
wegen des kompakten Trägers von fi , und andererseits ηi |∂M = ι∗ ηi = 0, da
dx1 (∂/∂xi ) = 0 für i > 1.
2. η allgemein:
Betrachte eine offene Überdeckung (Ui )i∈I durch Kartengebiete orientierungserhaltender
P Karten und eine untergeordnete
P Teilung der Eins (τj )j∈J .
Dann gilt η = j∈J τj η und damit also dη = j∈J d(τj η). Diese Summen
sind endlich wegen des kompakten Trägers von η. Für j ∈ J hat τj η Träger
in einem Kartengebiet Ui(j) . Daher liefert der erste Fall
Z
Z
d(τj η) =
τj η
M
∂M
51
für alle j ∈ J. Schließlich folgt mit der Linearität des Integrals
Z
Z
XZ
XZ
η,
τj η =
d(τj η) =
dη =
M
j∈J
M
j∈J
∂M
∂M
mithin also die Aussage des Satzes von Stokes.
Beispiel. Ist I = [a, b] mit der Standardorientierung versehen, so sei {b}
positiv und {a} negativ orientiert. Für f ∈ Ω0 (I) = C ∞ (I) besagt der Satz
von Stokes
Z
Z
Z
b
f 0 (t) dt =
a
f = f (b) − f (a),
df =
I
∂I
geht also in den Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung über.
4.6
Anwendungen
Wir diskutieren nun einige Anwendungen des Satzes von Stokes.
Der Brouwersche Fixpunktsatz
Lemma 4.9. Sei M kompakt. Dann lässt sich M nicht auf ∂M retrahieren,
d.h. es gibt keine glatte Abbildung r : M → ∂M mit r|∂M = id∂M .
Beweis.
Sei η ∈ Ωn−1 (∂M ) eine Volumenform, d.h. es gilt insbesondere
R
∂M η > 0. Angenommen, es gibt eine Retraktion r : M → ∂M . Wir reformulieren r|∂M = id∂M ⇔ r ◦ ι = id∂M für die Inklusion ι : ∂M → M .
Dann gilt η = (r ◦ ι)∗ η = ι∗ r∗ η und d(r∗ η) = r∗ dη = 0 und mit dem Satz
von Stokes
Z
Z
Z
0<
η=
r∗ η =
d(r∗ η) = 0.
∂M
∂M
M
Widerspruch!
Bemerkung. Ohne die Kompaktheitsannahme ist die Aussage i.allg. falsch:
Ist M eine Mannigfaltigkeit ohne Rand, dann läßt sich die Mannigfaltigkeit
mit Rand M × [0, 1) auf ∂(M × [0, 1)) = M × {0} retrahieren.
Theorem 4.10 (Brouwerscher Fixpunktsatz). Sei F : Dn → Dn eine glatte
Abbildung. Dann hat F einen Fixpunkt, d.h. es gibt x ∈ Dn mit F (x) = x.
Beweis. Angenommen, F besitzt keinen Fixpunkt, d.h. es gilt F (x) 6= x für
alle x ∈ Dn . Dann läßt sich wie folgt eine Retraktion r : Dn → ∂Dn = S n−1
konstruieren: Betrachte den Halbstrahl
γx : [0, ∞) → Rn ,
t 7→ F (x) + t(x − F (x)).
Dann existiert für alle x ∈ Dn eine eindeutige Zahl tx > 0 mit γx (tx ) ∈ S n−1 .
Setze nun r(x) = γx (tx ). Definitionsgemäß gilt r(x) = x für x ∈ S n−1 und
man überprüft leicht die Glattheit von r. Wir erhalten einen Widerspruch
zu Lemma 4.9.
52
Bemerkung. Es gibt sogar keine stetige Retraktion r : Dn → S n−1 . Dies
beweist man z.B. mit Hilfe singulärer Homologietheorie in der algebraischen
Topologie oder mit einem Approximationsargument. Insbesondere hat sogar
jede stetige Abbildung F : Dn → Dn einen Fixpunkt.
Klassische Integralsätze
Definition 4.12. Eine Teilmenge M ⊂ Rn heißt d-dimensionale Untermannigfaltigkeit mit Rand , falls für jeden Punkt p ∈ M eine Umgebung U ⊂ Rn
von p und eine Diffeomorphismus φ : U → V auf eine offene Teilmenge
V ⊂ Rn = Rd × Rn−d existieren mit φ(M ∩ U ) = Hd × {0} ∩ V .
Sei U ⊂ R3 offen. Setze dV = dx1 ∧ dx2 ∧ dx3 . Für
η = X1 dx2 ∧ dx3 + X2 dx3 ∧ dx1 + X3 dx1 ∧ dx2 ∈ Ω2 (U )
gilt
dη = div X · dV ∈ Ω3 (U ),
wobei X = (X1 , X2 , X3 ) : U → R3 .
Ist nun M ⊂ R3 eine 3-dimensionale Untermannigfaltigkeit mit Rand (orientiert durch dV ), so ist ∂M eine orientierbare 2-dimensionale Untermannigfaltigkeit. Es bezeichne ν : ∂M → R3 das nach außen weisende Einheitsnormalenfeld, d.h. hν(x), vi und kν(x)k = 1 für alle x ∈ ∂M und alle v ∈ Tx ∂M .
Dann gilt
η|∂M = hX, νi dA
für dA = dV (ν, ·, ·)|∂M ∈ Ω2 (∂M ). Der Satz von Stokes liefert nun:
Theorem 4.11 (Integralsatz von Gauß). Sei U ⊂ R3 offen und X : U → R3
ein glattes Vektorfeld. Sei ferner M ⊂ U eine kompakte, 3-dimensionale
Untermannigfaltigkeit mit Rand. Dann gilt
Z
Z
div X · dV =
hX, νi dA.
M
∂M
Für
ξ = X1 dx1 + X2 dx2 + X3 dx3 ∈ Ω1 (U )
gilt
dξ = (rot X)1 dx2 ∧ dx3 + (rot X)2 dx3 ∧ dx1 + (rot X)3 dx1 ∧ dx2
= dV (rot X, ·, ·),
wobei X = (X1 , X2 , X3 ) : U → R3 .
53
Ist S ⊂ R3 eine orientierte, 2-dimensionale Untermannigfaltigkeit mit Rand,
so wird durch die Forderung
{ν(x), v2 , v3 } positiv orientierte Basis von R3
⇐⇒{v2 , v3 } positiv orientierte Basis von Tx S
ein Einheitsnormalenfeld ν : S → R3 ausgezeichnet. Es sei dA = dV (ν, ·, ·)|S ,
dann gilt dV (rot X, ·, ·)|S = hrot X, νi dA. Weiterhin sei T : ∂S → R3 das
positiv orientierte Einheitstangentialfeld an ∂S und dL = hT, ·i ∈ Ω1 (∂S),
so dass gilt ξ|∂S = ξ(T ) dL = hX, T i dL. Der Satz von Stokes liefert:
Theorem 4.12 (Integralsatz von Stokes). Sei U ⊂ R3 offen, X : U → R3
ein glattes Vektorfeld und S ⊂ U eine kompakte, orientierte, 2-dimensionale
Untermannigfaltigkeit mit Rand. Dann gilt
Z
Z
hrot X, νi dA =
hX, T i dL.
S
∂S
Bemerkung. Den 1-dimensionalen Fall kann man wie folgt formulieren: Ist
U ⊂ R3 offen, f : U → R eine glatte Funktion und γ : I = [a, b] → U 3 eine
glatte Kurve, so dass C = γ(I) eine 1-dimensionale Untermannigfaltigkeit
mit Rand ist, dann gilt
Z
Z
hgrad f, T i dL =
C
b
hgrad f (γ(t)), γ 0 (t)i dt = f (γ(b)) − f (γ(a)),
a
wie sofort aus dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung folgt.
54
Kapitel 5
De Rham-Kohomologie
5.1
Kokettenkomplexe
Definition 5.1. Eine Folge reeller Vektorräume (V k )k∈Z zusammen mit
linearen Abbildungen dk : V k → V k+1 heißt Kokettenkomplex, falls gilt
dk+1 ◦ dk = 0 für alle k ∈ Z.
Wir setzen
V• =
M
Vk
sowie d =
k∈Z
M
dk : V • → V •+1
k∈Z
und bezeichnen den Kokettenkomplex auch kurz mit (V • , d) oder V • . Die V k
heißen dann die Kokettengruppen von V • und die dk die Korandoperatoren.
Elemente in
Z k (V • ) = ker(dk : V k → V k+1 )
heißen Kozykel vom Grad k, Elemente in
B k (V • ) = im(dk−1 : V k−1 → V k )
Koränder vom Grad k und die Quotienten H k (V • ) = Z k (V • )/B k (V • ) die
Kohomologiegruppen von V • .
Beispiel. Der de Rham-Komplex
d0
d1
dn−1
0 → Ω0 (M ) −→ Ω1 (M ) −→ . . . −−−→ Ωn (M ) → 0
ist ein Kokettenkomplex, dessen Kokettengruppen verschwinden für k < 0
und k > n. Die Kohomologiegruppen dieses Kokettenkomplexes sind die
bereits eingeführten de Rham-Kohomologiegruppen von M .
55
Definition 5.2. Seien V • und W • Kokettenkomplexe. Eine Folge linearer
Abbildungen f k : V k → W k heißt Kokettenabbildung, falls das Diagramm
Vk
dk
/ V k+1
fk
Wk
dk
f k+1
/ W k+1
kommutativ ist für alle k ∈ Z. Wir bezeichnen eine Kokettenabbildung auch
kurz mit f : V • → W • .
Bemerkung. Man überzeugt sich leicht davon, dass die Komposition von
Kokettenabbildungen wieder eine Kokettenabbildung ist. Weiterhin ist die
Identität eine Kokettenabbildung.
Lemma 5.1. Seien V • und W • Kokettenkomplexe. Eine Kokettenabbildung
f : V • → W • induziert lineare Abbildungen
f∗ : H k (V • ) → H k (W • )
für alle k ∈ Z. Ist U • ein weiterer Kokettenkomplex und g : W • → U • eine
Kokettenabbildung, so gilt
(g ◦ f )∗ = g∗ ◦ f∗ : H k (V • ) → H k (U • )
für alle k ∈ Z. Weiterhin gilt id∗ = id.
Beweis. Wir setzen f∗ ([c]) = [f (c)] ∈ H k (W • ) für eine Kohomologieklasse [c] ∈ H k (V • ) repräsentiert durch den Kozykel c ∈ Z k (V • ). Dann gilt
d(f (c)) = f (d(c)) = 0, es ist also f (c) ein Kozykel und repräsentiert tatsächlich eine Kohomologieklasse. Ist c+db für b ∈ V k−1 ein anderer Repräsentant
der Kohomologieklasse [c], so gilt f (c+db) = f (c)+f (d(b)) = f (c)+d(f (b)),
es gilt also [f (c + db)] = [f (c)] ∈ H k (W • ). Dies zeigt die Wohldefiniertheit
von f∗ . Die Eigenschaft (g ◦ f )∗ = g∗ ◦ f∗ folgt nun automatisch.
Beispiel. Eine glatte Abbildung F : M → N induziert vermöge des Rückzugs
von Differentialformen eine Kokettenabbildung F ∗ : Ω• (N ) → Ω• (M ) und
somit lineare Abbildungen
k
k
F ∗ : HdR
(N ) → HdR
(M )
für alle k ∈ Z. Ist G : N → P eine weitere glatte Abbildung, so gilt
k
k
(G ◦ F )∗ = F ∗ ◦ G∗ : HdR
(P ) → HdR
(M )
für alle k ∈ Z. Ist insbesondere F : M → N ein Diffeomorphismus, so sind
die Abbildungen
k
k
F ∗ : HdR
(N ) → HdR
(M )
Isomorphismen für alle k ∈ Z.
56
5.2
Homotopieinvarianz
Das Ziel dieses Abschnitts ist zu zeigen, dass homotope Abbildungen dieselbe
Abbildung in der Kohomologie induzieren, d.h. sind F, G : M → N homotop,
dann gilt
k
k
F ∗ = G∗ : HdR
(N ) → HdR
(M )
für alle k ∈ Z.
Definition 5.3. Zwei glatte Abbildungen F, G : M → N heißen homotop,
falls eine glatte Abbildung H : M × [0, 1] → N existiert mit H( · , 0) = F
und H( · , 1) = G. Die Abbildung H heißt dann eine Homotopie zwischen F
und G.
Wir benötigen einige Vorbereitungen:
Sei X ein Vektorfeld auf M und Φt der (lokale) Fluss von X.
Definition 5.4. Für η ∈ Ωk (M ) und X ∈ Γ(T M ) heißt
d
LX η := dt
Φ∗ η
t=0 t
die Lie-Ableitung von η nach X.
Lemma 5.2. Sei X ∈ Γ(T M ) ein Vektorfeld. Dann gilt
1. LX dη = dLX η
2. LX (η ∧ ξ) = LX η ∧ ξ + η ∧ LX ξ
für η ∈ Ωk (M ) und ξ ∈ Ωl (M ).
Beweis. Wegen der Natürlichkeit von d und ∧ gilt
∗
∗
d
d
LX dη = dt
Φ
dη
=
t
dt t=0 dΦt η = dLX η
t=0
und
LX (η ∧ ξ) =
∗
d
dt t=0 Φt (η
∧ ξ) =
∗
d
dt t=0 Φt η
∧ Φ∗t ξ = LX η ∧ ξ + η ∧ LX ξ
wie behauptet.
Wir definieren für X ∈ Γ(T M ) eine C ∞ (M )-lineare Abbildung
ιX : Ωk (M ) → Ωk−1 (M )
durch
(ιX η)(p)(v2 , . . . , vk ) := η(p)(X(p), v2 , . . . , vk )
für p ∈ M und v2 , . . . , vk ∈ Tp M .
57
Lemma 5.3. Sei X ∈ Γ(T M ) ein Vektorfeld. Dann gilt
ιX (η ∧ ξ) = (ιX η) ∧ ξ + (−1)k η ∧ (ιX ξ)
für η ∈ Ωk (M ) und ξ ∈ Ωl (M ).
Beweis. Sind ηi ∈ Ω1 (M ) für i = 1, . . . , r, so gilt für λi := ηi (p) ∈ Tp∗ M und
vi ∈ Tp M
(λ1 ∧ . . . ∧ λr )(v1 , . . . , vr ) = det λi (vj ) ij
=
r
X
(−1)i−1 λi (v1 )λ1 ∧ . . . ∧ λbi ∧ . . . ∧ λr (v2 , . . . , vk )
i=1
wobei wir die Determinante nach der ersten Spalte entwickelt haben. Es folgt
ιX (η1 ∧ . . . ∧ ηr ) =
r
X
(−1)i−1 η1 ∧ . . . ∧ ιX ηi ∧ . . . ∧ ηr
i=1
und für η = η1 ∧ . . . ∧ ηk sowie ξ = ηk+1 ∧ . . . ∧ ηk+l
ιX (η ∧ ξ) = (ιX ξ) ∧ η + (−1)k η ∧ (ιX ξ).
Der allgemeine Fall folgt daraus durch Entwicklung von ξ und η in eine lokale
Koordinatenbasis.
Satz 5.4 (Cartan-Formel). Es gilt
LX η = (d ◦ ιX + ιX ◦ d)η
für η ∈ Ωk (M ) und X ∈ Γ(T M ).
Beweis. Es gilt mit Lemma 5.2
LX f = df (X) = ιX (df ) = (d ◦ ιX + ιX ◦ d)f
und
LX df = dLX f = d(ιX (df )) = (d ◦ ιX + ιX ◦ d)df
für f ∈ Ω0 (M ) = C ∞ (M ). Der allgemeine Fall läßt sich darauf zurückführen:
Ist bezüglich einer lokalen Karte
η = f dx1 ∧ . . . ∧ dxk ,
so gilt einerseits mit Lemma 5.2
LX η = ιX df dx1 ∧ . . . ∧ dxk +
k
X
f dx1 ∧ . . . ∧ dιX dxi ∧ . . . ∧ dxk .
i=1
58
Andererseits berechnen wir mit Lemma 5.3
ιX dη =ιX df dx1 ∧ . . . ∧ dxk
+
k
X
ci ∧ . . . ∧ dxk
(−1)i ιX dxi df ∧ dx1 ∧ . . . ∧ dx
i=1
sowie
ιX η =
k
X
ci ∧ . . . ∧ dxk
(−1)i−1 ιX dxi f dx1 ∧ . . . ∧ dx
i=1
und damit
dιX η =
k
X
ci ∧ . . . ∧ dxk
(−1)i−1 ιX dxi df ∧ dx1 ∧ . . . ∧ dx
i=1
ci ∧ . . . ∧ dxk .
+ f dιX dxi dx1 ∧ . . . ∧ dx
Es folgt LX η = dιX η + ιX dη wie behauptet.
Korollar 5.5. Sei X ein vollständiges Vektorfeld auf M und Φt der Fluss
von X. Dann existieren R-lineare Abbildungen hk : Ωk (M ) → Ωk−1 (M ), so
dass gilt
Φ∗1 η − η = dh(η) + h(dη)
für alle η ∈ Ω• (M ).
Beweis. Setze ht (η) := ιX (Φ∗t η). Dann gilt
d ∗
Φ η = LX Φ∗t η = dιX Φ∗t η + ιX dΦ∗t η = dht (η) + ht (dη).
dt t
R1
Setze nun h(η) := 0 ht (η) dt. Dann gilt
Φ∗1 η
Z
−η =
1
dht (η) + ht (dη) dt = dh(η) + h(dη)
0
wie behauptet.
Die Kokettenabbildung Φ∗1 : Ω• (M ) → Ω• (M ) ist also kokettenhomotop zur
Identität in folgendem Sinne:
Definition 5.5. Zwei Kokettenabbildungen f, g : V • → W • heißen kokettenhomotop, falls lineare Abbildungen hk : V k → W k−1 existieren, so dass
gilt
g − f = d ◦ h + h ◦ d : V k → Wk
für alle k ∈ Z. Die Abbildung h : V • → W •−1 heißt dann Kokettenhomotopie
zwischen f und g.
59
Lemma 5.6. Sind f, g : V • → W • kokettenhomotop, so gilt
f∗ = g∗ : H k (V • ) → H k (W • )
für alle k ∈ Z.
Beweis. Sei [c] ∈ H k (V • ) repräsentiert durch den Kozykel c ∈ Z k (V • ). Dann
gilt
g∗ ([c]) − f∗ ([c]) = [g(c) − f (c)] ∈ H k (W • ).
Für eine Kokettenhomotopie h : V • → W •−1 erhalten wir aber
g(c) − f (c) = d(h(c)) + h(d(c)) = d(h(c)),
so dass gilt [g(c) − f (c)] = 0, d.h. g∗ ([c]) = f∗ ([c]).
Satz 5.7. Sind F, G : M → N homotop, dann sind die induzierten Kokettenabbildungen F ∗ , G∗ : Ω• (N ) → Ω• (M ) kokettenhomotop.
Beweis. Betrachte den Zylinder W = M × R. Dann ist X = ∂/∂t ein vollständiges Vektorfeld auf W mit Fluss Φt (p, s) = (p, t + s). Sei ι0 (p) = (p, 0)
und ι1 (p) = (p, 1) für alle p ∈ M . Es gilt ι1 = Φ1 ◦ ι0 . Ist H : M × [0, 1] → N
eine Homotopie zwischen F und G, dann gilt H ◦ ι0 = F und H ◦ ι1 = G.
Es folgt
G∗ η − F ∗ η = ι∗1 H ∗ η − ι∗0 H ∗ η = ι∗0 (Φ∗1 H ∗ η − H ∗ η)
= ι∗0 (dh(H ∗ η) + hd(H ∗ η)) = dh̃(η) + h̃(dη)
für η ∈ Ω• (M ), wenn wir setzen h̃ = ι∗0 ◦ h ◦ H ∗ . Dies ist die gewünschte
Kokettenhomotopie.
Korollar 5.8. Sind F, G : M → N homotop, dann gilt
k
k
F ∗ = G∗ : HdR
(N ) → HdR
(M )
für alle k ∈ Z.
Definition 5.6. Eine glatte Abbildung F : M → N heißt Homotopieäquivalenz, falls eine glatte Abbildung G : N → M existiert, so dass G◦F homotop
zu idM und F ◦ G homotop zu idN ist. Es heißen M und N homotopieäquivalent, falls eine Homotopieäquivalenz F : M → N existiert.
Bemerkung. Ist F : M → N eine Homotopieäquivalenz, so sind die induzierten Abbildungen
k
k
F ∗ : HdR
(N ) → HdR
(M )
Isomorphismen für alle k ∈ Z. Homotopieäquivalente Mannigfaltigkeiten haben also isomorphe de Rham-Kohomologiegruppen in jedem Grad.
60
1. Die Inklusion S n ,→ Rn+1 \ {0} ist eine Homotopieäquiva-
Beispiele.
lenz.
2. Ist U ⊂ Rn sternförmig bzgl. p ∈ U , so ist die Inklusion {p} ,→ U
eine Homotopieäquivalenz. (Eine Mannigfaltigkeit, die homotopieäquivalent zu einem Punkt ist, heißt zusammenziehbar.)
Korollar 5.9 (Poincaré-Lemma). Ist U ⊂ Rn sternförmig bzgl. p ∈ U , dann
0 (U ) = R und H k (U ) = 0 für k > 0.
gilt HdR
dR
Bemerkung. Das Poincaré-Lemma besagt, dass jede geschlossene Differentialform η ∈ Ωk (U ) auf einer sternförmigen Menge U ⊂ Rn für k > 0 eine
Stammform besitzt. Eine explizite Formel für diese Stammform erhält man
wie folgt: Ist U sternförmig bzgl. p ∈ U , so betrachte die Homotopie
H : U × [0, 1] → U,
(x, t) 7→ p + t(x − p)
zwischen der konstanten Abbildung und der Identität auf U . Dann ist eine
Stammform ξ ∈ Ωk−1 (U ) gegeben durch
Z 1
ξ(x) =
ι∂/∂t (H ◦ Φτ )∗ (η)(x, 0) dτ,
0
wobei Φτ (x, t) = (x, t + τ ) der Fluss von ∂/∂t auf U × R ist. Ist
X
η=
ηi1 ...ik dxi1 ∧ . . . ∧ dxik ,
i1 <...<ik
so erhält man
ξ(x) =
X
k
X
j−1
(−1)
Z
(xij − pij )
1
τ k−1 ηi1 ...ik (p + τ (x − p)) dτ
0
i1 <...<ik j=1
d
dxi1 ∧ . . . ∧ dx
ij ∧ . . . ∧ dxik
als Stammform.
Als Anwendung der Homotopieinvarianz der de Rham Kohomologie wollen
wir den Igel-Satz beweisen. Wir bemerken zunächst: Ist M eine geschlossene
(d.h. kompakt, ohne Rand) orientierte n-dimensionale Mannigfaltigkeit, so
ist nach dem Satz von Stokes
Z
Z
n
: HdR
(M ) → R, [ω] 7→
ω
M
M
eine wohldefinierte lineare Abbildung. Sind F, G : M → M homotop, so gilt
also insbesondere
Z
Z
F ∗ω =
G∗ ω
M
für alle ω ∈
M
Ωn (M ).
61
Theorem 5.10 (Igel-Satz). Jedes Vektorfeld auf einer gerade-dimensionalen
Sphäre besitzt eine Nullstelle.
Beweis. Sei X ∈ Γ(T S n ) ein Vektorfeld ohne Nullstellen. Wir fassen X auf
als glatte Abbildung X : S n → Rn+1 \ {0} mit hX(p), pi = 0 für alle p ∈ S n .
Die Abbildung
H : S n × [0, 1] → S n ,
(p, t) 7→ cos(πt)p + sin(πt)
X(p)
kX(p)k
liefert nun eine Homotopie zwischen der Identität auf S n und der Antipodenabbildung τ : S n → S n , p 7→ −p. Insbesondere gilt nach der Vorbemerkung
Z
Z
∗
ω>0
τ ω=
Sn
Sn
n
Ω (S n ).
für eine Volumenform ω ∈
Andererseits ist jedoch für n gerade die
Antipodenabbildung orientierungsumkehrend (ist {e1 , . . . , en } eine positiv
orientiert Basis von Tp S n , so ist {Dτ (p)e1 , . . . , Dτ (p)en } = {−e1 , . . . , −en }
eine negativ orientierte Basis von Tτ (p) S n , da außerdem ν(τ (p)) = −ν(p) für
die äußere Normale ν(p) = p). Also gilt mit der Transformationsformel (d.h.
Satz 4.6 und der anschließenden Bemerkung)
Z
Z
∗
τ ω=−
ω < 0.
Sn
Sn
Widerspruch!
Bemerkung. Auf jeder ungerade-dimensionalen Sphäre existiert ein Vektorfeld ohne Nullstellen. Übung!
5.3
Die Mayer-Vietoris Sequenz
Sei M = U ∪ V für offene Teilmengen U, V ⊂ M . Wir wollen untersuchen,
wie sich die de Rham-Kohomologie von M aus der de Rham-Kohomologie
von U und V berechnet.
Dazu betrachten wir die Inklusionen
iU : U ,→ M,
iV : V ,→ M
sowie
jU : U ∩ V ,→ U,
jV : U ∩ V ,→ V
und die Abbildungen
i : Ωk (M ) → Ωk (U ) ⊕ Ωk (V ),
ω 7→ (i∗U ω, i∗V ω)
sowie
j : Ωk (U ) ⊕ Ωk (V ) → Ωk (U ∩ V ),
62
(η, ξ) 7→ jU∗ η − jV∗ ξ.
Lemma 5.11. Für alle k ∈ Z ist
j
i
0 → Ωk (M ) →
− Ωk (U ) ⊕ Ωk (V ) →
− Ωk (U ∩ V ) → 0
eine kurze exakte Sequenz von Vektorräumen, d.h. i ist injektiv, ker k = im i
und j ist surjektiv.
Beweis. Klar ist die Injektivität von i und dass gilt j ◦ i = 0. Ist umgekehrt
j(η, ξ) = 0, so ist durch
(
η(p) : p ∈ U
ω(p) :=
ξ(p) : p ∈ V
eine Differentialform ω ∈ Ωk (M ) definiert mit i(ω) = (η, ξ). Für die Surjektivität von j betrachte eine Partition der Eins {τU , τV }, die der Überdeckung
{U, V } untergeordnet ist. Für ζ ∈ Ωk (U ∩ V ) setze η := τV ζ und ξ := −τU ζ.
Dann gilt j(η, ξ) = ζ.
Definition 5.7. Sind f : V • → W • und g : W • → U • Kokettenabbildungen,
dann heißt die Sequenz
f
g
0→V• −
→ W• →
− U• → 0
eine kurze exakte Sequenz von Kokettenkomplexen, falls für alle k ∈ Z
fk
gk
0 → V k −→ W k −→ U k → 0
eine kurze exakte Sequenz von Vektorräumen ist.
Durch d(η, ξ) := (dη, dξ) wird ein Korandoperator auf Ω• (U )⊕Ω• (V ) erklärt,
so dass
(5.1)
j
i
0 → Ω• (M ) →
− Ω• (U ) ⊕ Ω• (V ) →
− Ω• (U ∩ V ) → 0
eine kurze exakte Sequenz von Kokettenkomplexen wird.
Satz 5.12. Eine kurze exakte Sequenz von Kokettenkomplexen
f
g
0→V• −
→ W• →
− U• → 0
induziert eine lange exakte Kohomologiesequenz
f∗
g∗
δ
. . . → H k (V • ) −→ H k (W • ) −→ H k (U • ) →
− H k+1 (V • ) → . . .
für verbindende Homomorphismen δ k : H k (U • ) → H k+1 (V • ).
63
Beweis. Wir definieren zunächst den verbindenden Homomorphismus. Betrachte dazu das folgende kommutative Diagramm mit exakten Zeilen:
0
0
/ V k−1
d
d
d
/Vk
0
/ V k+1
0
/V
k+2
f
/ W k−1
f
d
d
d
g
/ U k−1
/ Wk
f
/ W k+1
f
/
W k+2
d
g
/0
/0
/ Uk
d
g
/ U k+1
g
/
/0
d
/0
U k+2
Sei nun [c] ∈ H k (U • ) für c ∈ U k mit dc = 0. Wegen Surjektivität von
g existiert b ∈ W k mit g(b) = c. Da g(db) = dg(b) = dc = 0, existiert
a ∈ V k+1 mit f (a) = db. Es gilt f (da) = df (a) = d(db) = 0 und somit, da f
injektiv ist, da = 0. Wir setzen also δ([c]) := [a] ∈ H k+1 (V • ).
Es ist zu zeigen, dass δ([c]) unabhängig von den getroffenen Wahlen ist.
Ändern wir die Wahl von b in b0 , so gilt wegen Exaktheit b0 = f α für α ∈ V k ,
d.h. a geht über in a0 = a + dα. Ändern wir c in c0 = c + dγ, so existiert
β ∈ W k−1 mit g(β) = γ, d.h. für b0 = b + dβ gilt g(b0 ) = c0 . Dann verfahren
wir wie oben.
Schließlich ist die Exaktheit der langen Sequenz nachzuweisen. Man überzeugt sich relativ leicht davon, dass die Komposition zweier aufeinanderfolgender Abbildungen jeweils 0 ergibt. Dass ein Element im Kern einer Abbildung immer im Bild der vorhergehenden Abbildung liegt, beweist man mit
einer Diagrammjagd. Halali!
Definition 5.8. Die lange exakte Kohomologiesequenz
j∗
i
δ
∗
k+1
k
k
k
k
(U ∩ V ) →
− HdR
(M ) → . . .
(V ) −→ HdR
. . . → HdR
(M ) −
→
HdR
(U ) ⊕ HdR
assoziiert mit der kurzen exakten Sequenz von Kokettenkomplexen (5.1)
heißt Mayer-Vietoris-Sequenz.
k (U ∩ V ), so ist δ[ζ] ∈ H k+1 (M ) repräsentiert
Bemerkung. Ist [ζ] ∈ HdR
dR
durch eine Differentialform ω ∈ Ωk+1 (M ), für die gilt ω|U = dτV ∧ ζ und
ω|V = −dτU ∧ζ, wobei wie im Beweis von Lemma 5.11 {τU , τV } eine Partition
der Eins ist.
Als Anwendung der Mayer-Vietoris-Sequenz berechnen wir die de RhamKohomologie der Sphären:
Lemma 5.13. Für n ≥ 1 gilt:
k
HdR
(S n )
(
R
=
0
64
: k = 0, n
: k=
6 0, n
Beweis. Wir überdecken
V := S n \ {N }, wobei N
der Südpol der n-Sphäre
phismen U ∼
= Rn und V
Abbildung
S n durch die offenen Mengen U := S n \ {S} und
= (0, . . . , 0, 1) der Nordpol und S = (0, . . . , 0, −1)
sei. Stereographische Projektion liefert Diffeomor∼
= Rn , ferner gilt U ∩ V = S n \ {N, S} und die
S n−1 × (− π2 , π2 ) → S n \ {N, S},
(x, θ) 7→ (cos(θ)x, sin(θ))
liefert einen Diffeomorphismsus U ∩ V ∼
= S n−1 × (− π2 , π2 ). Die Projektion
π π
n−1
n−1
S
× (− 2 , 2 ) → S
ist eine Homotopieäquivalenz. Wir erhalten also
k
k
k
HdR
(U ) = HdR
(V ) = HdR
(Rn ),
k
k
HdR
(U ∩ V ) = HdR
(S n−1 ),
wobei wegen der Zusammenziehbarkeit von Rn gilt:
(
R : k=0
k
(Rn ) =
HdR
0 : k>0
Die Mayer-Vietoris-Sequenz liefert Isomorphismen
∼
=
k+1
k
→ HdR
(S n )
(S n−1 ) −
δ : HdR
für k > 0 und eine exakte Sequenz
1
0
0
0
0
(S n ) → 0.
(S n−1 ) → HdR
(Rn ) → HdR
(Rn ) ⊕ HdR
(S n ) → HdR
0 → HdR
0 (S n−1 ) = 0 für n > 1 und H 0 (S 0 ) =
Aus der letzteren Sequenz folgt, da HdR
dR
1 (S n ) = 0 für n > 1 und H 1 (S 1 ) = R. Mit dem Fall n = 1
R ⊕ R, dass HdR
dR
als Induktionsanfang folgt nun die allgemeine Aussage per Induktion.
65
Kapitel 6
Riemannsche
Mannigfaltigkeiten
6.1
Riemannsche Metriken
Sei M eine glatte Mannigfaltigkeit. Wie für das Formenbündel betrachten
wir das Vektorbündel
G
Sym2 (T M ) :=
Sym2 (Tp M )
p∈M
mit der Projektion π : Sym2 (T M ) → M , wobei π(h) = p für h ∈ Sym2 (Tp M ).
Definition 6.1. Eine Schnitt g ∈ Γ(Sym2 (T M )) heißt Riemannsche Metrik
auf M , falls g(p) : Tp M ×Tp M → R positiv definit, d.h. ein Skalarprodukt auf
Tp M ist für alle p ∈ M . Das Paar (M, g) heißt Riemannsche Mannigfaltigkeit.
Bemerkung. Ist ϕ : U → ϕ(U ) ⊂ Rn eine Karte, so sind also die Koeffizientenfunktionen
gij := g(∂/∂xi , ∂/∂xj ) : U → R
glatte Funktionen und für p ∈ U ist die Matrix (gij (p))ij symmetrisch und
positiv definit.
Die Wahl einer Riemannschen Metrik ermöglicht es, Geometrie auf M zu
betreiben. Beispielsweise ist die Länge einer C 1 -Kurve γ : [a, b] → M definiert
als
Z
b
L(γ) :=
kγ 0 (t)kg dt,
a
p
wobei kvkg := g(p)(v, v) für v ∈ Tp M die assoziierte Euklidische Norm ist.
Eine orientierte Riemannsche Mannigfaltigkeit besitzt eine ausgezeichnete
Volumenform, die wie folgt konstruiert wird.
66
Lemma 6.1. Sei (V, h· , ·i) ein orientierter Euklidischer Vektorraum der Dimension n < ∞. Dann existiert eine eindeutige Form ω ∈ Altn (V ) mit der
Eigenschaft dass ω(e1 , . . . en ) = 1 für eine (und dann jede) positiv orientierte
Orthonormalbasis {e1 , . . . , en } von V .
Beweis. Ist {e1 , . . . , en } eine positiv orientierte Orthonormalbasis von V , so
setze ω := e∗1 ∧. . .∧e∗n für die duale Basis {e∗1 , . . . , e∗n } von V ∗ . Ist {f1 , . . . , fn }
eine weitere solche Basis und gilt f (ei ) = fi , so ist
ω(f1 , . . . , fn ) = ω(f (e1 ), . . . , f (en )) = det f · ω(e1 , . . . , en )
vermöge Korollar 3.7. Da f orientierungserhaltend und orthogonal ist, gilt
det f = 1, also ω(f1 , . . . , fn ) = 1.
Bemerkung. Ist {f1 , . . . , fn } eine beliebige positiv orientierte Basis von V
(nicht notwendigerweise orthonormal), dann gilt
q
ω(f1 , . . . , fn ) = det(hfi , fj i),
denn (det f )2 = det(f t f ) = det(hei , f t f ej i) = det(hfi , fj i). Dabei bezeichne
f t die zu f bezüglich h· , ·i adjungierte Abbildung.
Definition 6.2. Für (M, g) eine orientierte Riemannsche Manigfaltigkeit
heißt die durch Lemma 6.1 eindeutig bestimmte Volumenform dvolg ∈ Ωn (M )
die Riemannsche Volumenform. Ist M kompakt, so heißt
Z
g
Vol (M ) :=
dvolg
M
das Riemannsche Volumen von M .
Bemerkung. Ist ϕ : U → ϕ(U ) ⊂ Rn eine orientierungserhaltende Karte, so
gilt
q
g
dvol |U = det(gij ) dx1 ∧ . . . ∧ dxn ,
die Volumenform ist also tatsåchlich eine glatte Form auf M .
Definition 6.3. Für X ∈ Γ(T M ) heißt die durch LX dvolg = divg (X) dvolg
eindeutig bestimmte Funktion divg (X) die Divergenz von X.
Bemerkung. Die Cartan-Formel (Satz 5.4) impliziert divg (X) = d(ιX dvolg ).
Ist (M, g) eine (orientierte) Riemannsche Mannigfaltigkeit mit Rand, so wird
∂M selbst wieder zu einer (orientierten) Riemannschen Mannigfaltigkeit: Die
erste Fundamentalform h = g|Tp ∂M ×Tp ∂M ist eine Riemannsche Metrik auf
∂M . Wenn ν die äußere Einheitsnormale an ∂M ist, dann ist die zugehörige
Volumenform gegeben durch dvolh = ιν dvolg |∂M . Ist nämlich {e2 , . . . , en }
eine positiv orientierte ONB von Tp ∂M , so ist {ν(p), e2 , . . . , en } eine positiv
orientierte ONB von Tp M , so dass ιν dvolg (e2 , . . . , en ) = 1.
67
Satz 6.2 (Divergenzsatz). Ist (M, g) eine kompakte, orientierte Riemannsche Mannigfaltigkeit mit Rand, so gilt
Z
Z
g
g
div (X) dvol =
g(X, ν) dvolh ,
M
∂M
wobei ν die äußere Einheitsnormale und h die erste Fundamentalform auf
∂M ist.
Beweis. Es gilt mit obiger Bemerkung und dem Satz von Stokes
Z
Z
Z
g
g
g
ιX dvolg
d(ιX dvol ) =
div (X) dvol =
∂M
M
M
und weiterhin ιX dvolg |∂M = g(X, ν)ιν dvolg |∂M = g(X, ν) dvolh .
Definition 6.4. Für f ∈ C ∞ (M ) heißt das durch g(gradg f, X) = df (X)
für alle X ∈ Γ(T M ) eindeutig bestimmte Vektorfeld gradg f der Gradient
von f . Ferner setze ∆g f = − divg gradg f für f ∈ C ∞ (M ). Der Operator
∆g : C ∞ (M ) → C ∞ (M ) heißt Laplace-Beltrami-Operator.
Bemerkung. Eine Riemannsche Metrik g auf M induziert die sogenannten
musikalischen Isomorphismen [ : T M → T ∗ M und ] : T M ∗ → T M . Es gilt
also gradg f = df ] .
Korollar 6.3 (Greensche Formeln). Sei (M, g) eine kompakte, orientierte
Riemannsche Mannigfaltigkeit mit Rand. Dann gilt für u, v ∈ C ∞ (M )
Z
Z
Z
g
g
g
g
g
u · ∆ v dvol =
g(grad u, grad v) dvol −
u · ∂ν (v) dvolh
M
und
M
Z
u · ∆g v dvolg =
M
∂M
Z
∆g u · v dvolg −
M
Z
∂ν (u · v) dvolh .
∂M
Beweis. Mit Hilfe der Cartan-Formel berechnen wir für f ∈ C ∞ (M ) und
X ∈ Γ(T M )
divg (f X) dvolg = d(ιf X dvolg ) = df ∧ ιX dvolg +f d(ιX dvolg )
= X(f ) dvolg +f divg (X) dvolg ,
wobei wir benutzen, dass mit Lemma 5.3 gilt
0 = ιX (df ∧ dvolg ) = df (X) dvolg −df ∧ ιX dvolg .
Es folgt die Rechenregel
divg (f X) = f divg (X) + X(f )
für f ∈ C ∞ (M ) und X ∈ Γ(T M ). Angewendet auf f = u und X =
gradg v erhalten wir u · ∆g v = g(gradg u, gradg v) − divg (u gradg v). Mit
g(ν, gradg v) = ∂ν (v) folgt die erste Formel aus dem Divergenzsatz. Die zweite Formel folgt durch zweimalige Anwendung aus der ersten.
68
Eine Funktion u ∈ C ∞ (M ) mit ∆g u = 0 heißt harmonisch. Ist u harmonisch
(mit u|∂M = 0 falls ∂M 6= ∅), so folgt aus der ersten Greenschen Formel
Z
Z
g
g
k grad uk2g dvolg .
u · ∆ u dvol =
0=
M
M
Dies impliziert gradg u = 0, d.h. dass u konstant ist, falls M zusammenhängend ist. Im Falle ∂M 6= ∅ folgt dann aus der Randbedingung, dass u = 0.
Definieren wir das L2 -Skalarprodukt
Z
u · v dvolg ,
hu, viL2 =
M
für u, v ∈ C ∞ (M ), dann besagt die zweite Greensche Formel, dass der Operator ∆g symmetrisch ist auf D = {u ∈ C ∞ (M ) : u|∂M = 0}, bzw. D = C ∞ (M ),
falls ∂M = ∅, d.h. hu, ∆g viL2 = hu, ∆g viL2 für u, v ∈ D. Die erste Greensche
Formel wiederum liefert die Nichtnegativität von ∆g auf diesem Definitionsbereich in dem Sinne, dass hu, ∆g uiL2 ≥ 0 für alle u ∈ D.
6.2
Hodge-Theorie
Wir wollen nun auch die Bündel Altk (T M ) mit Metriken ausstatten.
Definition 6.5. Sei π : E → M ein Vektorbündel über M . Ein Schnitt
h ∈ Γ(Sym2 (E)) heißt Bündelmetrik auf E, falls h(p) : Ep × Ep → R positiv
definit, d.h. ein Skalarprodukt auf Ep ist für alle p ∈ M .
Zunächst zur linearen Algebra:
Lemma 6.4. Sei V ein endlich-dimensionaler R-Vektorraum. Dann ist die
kanonische Abbildung
(Altk (V ))∗ → Altk (V ∗ ), ϕ 7→ (λ1 , . . . , λk ) 7→ ϕ(λ1 ∧ . . . ∧ λk )
ein Isomorphismus.
Beweis. Gilt ϕ(λ1 ∧ . . . ∧ λk ) = 0 für alle λ1 , . . . , λk ∈ V ∗ , so ist bereits
ϕ = 0, da die Monome λ1 ∧ . . . ∧ λk den Vektorraum Altk (V ) erzeugen. Also
ist die angegebene Abbildung injektiv und wegen Dimensionsgleichheit von
(Altk (V ))∗ und Altk (V ∗ ) sogar ein Isomorphismus.
Sei (V, h· , ·i) nun ein endlich-dimensionaler Euklidischer Vektorraum. Das
Skalarprodukt induziert zueinander inverse Isomorphismen
]
:V∗ →V
und
[
: V → V ∗.
Ist {e1 , . . . , en } eine ONB von V und {e∗1 , . . . e∗n } die duale Basis von V ∗ , so
gilt ei = (e∗i )] und e∗i = e[i für i = 1, . . . , n.
69
Definition 6.6. Die Bilinearform h· , ·i : Altk (V )×Altk (V ) → R sei definiert
durch
hλ, µi := (( · ] )∗ λ)µ
für λ, µ ∈ Altk (V ), wobei wir ( · ] )∗ λ ∈ Altk (V ∗ ) vermöge Lemma 6.4 mit
einem Element in (Altk (V ))∗ identifizieren.
Lemma 6.5. Die oben definierte Bilinearform h· , ·i : Altk (V )×Altk (V ) → R
ist ein Skalarprodukt auf Altk (V ).
Beweis. Ist {e1 , . . . , en } eine ONB von V , so gilt für i1 < . . . < ik und
j1 < . . . < jk definitionsgemäß
he∗i1 ∧ . . . ∧ e∗ik , e∗j1 ∧ . . . ∧ e∗jk i =ei1 ∧ . . . ∧ eik (e∗j1 , . . . , e∗jk )
=δi1 j1 · . . . · δik jk .
Also erhalten wir für
X
λ=
λi1 ...ik e∗i1 ∧ . . . ∧ e∗ik
X
und µ =
i1 <...<ik
µi1 ...ik e∗i1 ∧ . . . ∧ e∗ik
i1 <...<ik
P
die Formel hλ, µi = i1 <...<ik λi1 ...ik µi1 ...ik . Hieraus folgt offensichtlich die
Symmetrie und die positive Definitheit von h· , ·i.
Bemerkung. Der obige Beweis zeigt insbesondere: Ist {e1 , . . . , en } eine ONB
von V , dann ist {e∗i1 ∧ . . . ∧ e∗ik : i1 < . . . < ik } eine ONB von Altk (V ).
Definition 6.7. Die zur Riemannschen Metrik g zugehörige Bündelmetrik
auf Altk (T M ) werde ebenfalls mit g bezeichnet.
Ist nun (V, h· , ·i) ein orientierter Euklidischer Vektorraum mit Volumenform
ω ∈ Altn (V ), so ist durch λ ∧ µ = b(λ, µ)ω eine bilineare Paarung
b : Altk (V ) × Altn−k (V ) → R
definiert.
Lemma 6.6. Die Paarung b : Altk (V )×Altn−k (V ) → R ist nicht-ausgeartet
und identifiziert also Altn−k (V ) mit (Altk (V ))∗ .
Beweis. Sei {e1 , . . . , en } eine ONB von V . Gilt b(λ, µ) = 0 für alle λ ∈
Altk (V ), so gilt insbesondere
e∗i1 ∧ . . . e∗ik ∧ µ = 0
für alle i1 < . . . < ik . Schreiben wir
X
µ=
µj1 ...jn−k e∗j1 ∧ . . . ∧ e∗jn−k ,
j1 <...<jn−k
so bedeutet obige Gleichung, dass µj1 ...jn−k = 0, falls
{i1 , . . . ik } ∪ {j1 , . . . , jn−k } = {1, . . . , n}.
Insgesamt folgt µ = 0.
70
Definition 6.8. Sei (V, h· , ·i) ein orientierter Euklidischer Vektorraum mit
Volumenform ω ∈ Altn (V ), dann heißt die vermöge Lemma 6.6 durch
λ ∧ ∗µ = hλ, µiω ∈ Altn (V )
für alle λ, µ ∈ Altk (V ) eindeutig definierte lineare Abbildung
∗ : Altk (V ) → Altn−k (V )
der Sternoperator.
Bemerkung. Ist {e1 , . . . , en } eine ONB von V , dann ist
∗e∗i1 ∧ . . . ∧ e∗ik = ±e∗j1 ∧ . . . ∧ e∗jn−k ,
falls {i1 , . . . ik } ∪ {j1 , . . . , jn−k } = {1, . . . , n}. Das Vorzeichen ist das Vorzeichen der Permutation, die die Folge der Indizes i1 , . . . , ik , j1 , . . . , jn−k in die
Standardreihenfolge 1, . . . , n bringt.
Lemma 6.7. Es gelten die folgenden Rechenregeln:
1. ∗2 λ = (−1)k(n−k) λ für alle λ ∈ Altk (V ).
2. h∗λ, ∗µi = hλ, µi für alle λ, µ ∈ Altk (V ), d.h. ∗ : Altk (V ) → Altn−k (V )
ist eine Isometrie.
Beweis. Zur Übung!
Definition 6.9. Sei M orientiert. Die zur Riemannschen Metrik g zugehörige Bündelabbildung ∗g ∈ Hom(Altk (T M ), Altn−k (T M )) heiße ebenfalls der
Sternoperator.
Definition 6.10. Die Koableitung δ g : Ωk (M ) → Ωk−1 (M ) sei definiert
durch
δ g η = (−1)n(k+1)+1 ∗g d ∗g η
für η ∈ Ωk (M ).
Sei im Folgenden (M, g) eine kompakte, orientierte Riemannsche Mannigfaltigkeit ohne Rand. Wir definieren das L2 -Skalarprodukt für Differentialformen analog zum Funktionenfall durch
Z
Z
hη, ξiL2 :=
g(η, ξ) dvolg =
η ∧ ∗ξ
M
M
für η, ξ ∈ Ωk (M ). Dann gilt:
Lemma 6.8. Die Operatoren d und δ g sind formal adjungiert zueinander,
d.h. es gilt
hdξ, ηiL2 = hξ, δ g ηiL2
für alle ξ ∈ Ωk−1 (M ) und η ∈ Ωk (M ).
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Beweis. Es gilt
Z
ξ∧∗∗d∗η
ξ ∧ ∗δ g η = (−1)n(k+1)+1
M
M
Z
Z
k
ξ∧d∗η =
dξ ∧ ∗η = hdξ, ηiL2 .
= (−1)
hξ, δ g ηiL2 =
Z
M
M
Dabei haben wir d(ξ ∧ ∗η) = dξ ∧ ∗η + (−1)k−1 ξ ∧ d ∗ η und den Satz von
Stokes benutzt.
Definition 6.11. Der Operator
∆g = d ◦ δ g + δ g ◦ d : Ωk (M ) → Ωk (M )
heißt der Hodge-Laplace-Operator und wir bezeichnen mit
Hk = ker(∆g : Ωk (M ) → Ωk (M ))
den Raum der harmonischen Formen.
Bemerkung. Es gilt η ∈ Hk ⇔ dη = δ g η = 0, denn
Z
Z
Z
g
g
2
g
g(∆ η, η) dvol =
kdηkg dvol +
M
M
kδ g ηk2g dvolg
M
vermöge Lemma 6.8.
Theorem 6.9 (Hodge-Zerlegung). Es existieren L2 -orthogonale Zerlegungen
Ωk (M ) = Hk ⊕ d(Ωk−1 (M )) ⊕ δ g (Ωk+1 (M ))
und Hk ist endlich-dimensional für alle k ∈ Z.
Beweis. Wäre Ωk (M ) endlich-dimensional, würde man unter Benutzung von
(ker dk )⊥ = im δ k+1 und (im dk−1 )⊥ = ker δ k schließen können
Ωk (M ) = ker dk ⊕ (ker dk )⊥ = ker dk ⊕ im δ k+1
= (im dk−1 )⊥ ∩ ker dk ⊕ im dk−1 ⊕ im δ k+1
= ker δ k ∩ ker dk ⊕ im dk−1 ⊕ im δ k+1 ,
was mit Hilfe der Beziehung Hk = ker δ k ∩ ker dk die behauptete Zerlegung
ist. Mit Hilfe der Theorie der elliptischen Differentialoperatoren läßt sich ein
Argument dieser Art tatsächlich durchführen (wir verweisen auf die einschlägige Literatur an dieser Stelle). Insbesondere folgt die Endlichdimensionalität
von Hk aus dieser Theorie.
Korollar 6.10. Die Abbildungen
k
Hk → HdR
(M ),
η 7→ [η]
sind Isomorphismus für alle k ∈ Z, d.h. jede Kohomologieklasse besitzt einen
eindeutigen harmonischen Repräsentanten.
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k (M ) ∼ H n−k (M ).
Satz 6.11 (Poincaré-Dualität). Es gilt HdR
= dR
Beweis. Man rechnet leicht nach, dass ∆g und ∗g kommutieren, d.h. ∗g
schränkt sich zu einem Isomorphismus ∗g : Hk → Hn−k ein.
R
n (M ) → R ein
Korollar 6.12. Ist M zusammenhängend, so ist M : HdR
Isomorphismus.
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