Islam Versuch einer Bestimmung Von Wilhelm Sabri Hoffmann - Rheine – 2004 Quelle: http://www.wshoffmann.de/artikel/islam.html Das Wort Islam stammt aus dem Arabischen und ist mit dem Wort selam (Frieden hebräisch "schalom") stammverwandt. Es bedeutet "Befriedung" oder "Unterwerfung". Wer den Islam angenommen hat, hat also seinen Frieden mit Gott gemacht. Muslim Ein Anhänger des Islam bezeichnet sich selbst als Muslim oder als Muslima (weibliche Form). Die Bezeichnung Mohammedaner wird abgelehnt, da Muhammed (sas: Salawat arabische Bezeichnung für einen Segensgruss oder eine Preisung, insbesondere des Propheten Muhammad.) zwar als Überbringer einer Botschaft aber nicht als "Stifter" einer Religion angesehen wird. Als Muslim gilt jeder Mann und jede Frau, die im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte und ohne äußeren Zwang folgendes Glaubensbekenntnis aufsagen kann: "Eschhedu en lâ ilâhe illallâh ve eschhedu enne Muhammeden abduhû ve rasûluh". (Ich bezeuge, dass es keine Gottheit außer Gott gibt. Und ich bezeuge weiterhin, dass Muhammad sein Diener und Gesandter ist.) Allah Die arabische Bezeichnung für Gott ist Allah; dieses Wort wird auch von den arabischsprachigen Christen verwandt und ist mit dem hebräischen "El" stammverwandt. Muslime betonen, dass Juden, Christen und Muslime zu demselben Gott beten. Er ist sowohl barmherzig, als auch gerecht. Ihm allein gebührt Verehrung. Die 1. Sure, Al-Fatiha (die Eröffnende), die Bestandteil jedes Pflichtgebetes ist, ist das Grundgebet des Islams. Sie bringt das Verhältnis von Gott und Mensch auf den Punkt. Bismillâhir-rahmânir-rahîm Elhamdu lillâhi rabbil 'âlemîn. Errahmânir-rahîm. Mâliki yevmid-din. Îyâke na'budu ve îyâke neste'în. Ihdinas-sirâtal-musteqîm. Sirâtallezîne en'amte 'aleyhim ghayril-magdûbi aleyhim ve led-dââllîn. Im Namen Gottes des Barmherzigen, des Erbarmers Lob sei Gott, dem Herrn der Weltenbewohner. Dem Barmherzigen, dem Erbarmer. Dem Herrn des Gerichtstages. Du bist es, den wir anbeten, und dich bitten wir um Hilfe. Führe uns auf den rechten Weg Den Weg derer, denen du gnädig bist, nicht derer, die deinen Zorn erregt haben und derer, die irregehen. 2 Muhammad Als Propheten und Muslime gelten unter anderem Adem (Adam), Nuh (Noah), Ibrahim (Abraham), Musa (Mose) und Isa (Jesus). Muhammad (sas) gilt als "Siegel der Propheten", als derjenige, dem die letzte Offenbarung zuteil wurde, die alle vorhergehenden bestätigte und deren Auslegungen durch Juden und Christen korrigiert. Muhammad (sas) lebte von 570 n. Chr. - 632 n. Chr. auf der arabischen Halbinsel. Seine Heimatstadt Mekka beherbergte die Kaaba, ein Heiligtum, in dem alle Araber der Halbinsel ihre Götterbilder aufstellten. Im Alter von vierzig Jahren, nach lange quälendem Suchen und Gebet, das ohne Antwort und Erlösung blieb, erlangte er eine erste Offenbarung: "Lies im Namen deines Herrn, der erschaffen hat, den Menschen erschaffen hat aus einem Embryo. Lies. Dein Herr ist der Langmütigste, der durch das Schreibrohr gelehrt hat, den Menschen gelehrt hat, was er nicht wusste." (Sure 96 Al-'Alaq, 1-4) Im Mittelpunkt der sich nun bald fortsetzenden Offenbarungen stand die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes, die vom Menschen eine Antwort in Gehorsam und Dankbarkeit erheischt: "Dein Herr hat dir nicht den Abschied gegeben und hasst dich nicht. Wahrlich, das Jenseits ist besser für dich als das Diesseits. Und wahrlich, dein Herr wird dir geben, und du wirst zufrieden sein. Hat er dich nicht als Waise gefunden und dir Unterkunft besorgt, und dich abgeirrt gefunden und rechtgeleitet, und bedürftig gefunden und reich gemacht? So unterdrücke die Waise nicht und fahre den Bettler nicht an, und erzähle von der Gnade deines Herrn." (Sure 93 Al-Duha, 3-11) Die Predigt des 40jährigen Kaufmanns, der seine Landsleute vor dem Jüngsten Gericht warnte, stieß in der reichen Handelsstadt Mekka auf taube Ohren, da er mit scharfen Worten die soziale Verantwortung der Menschen forderte und die Vielgötterei verurteilte. Er war gezwungen, mit einigen Anhängern im Jahre 622 nach der Oasenstadt Medina zu emigrieren, wo er ein Gemeinwesen nach Maßgabe des Korans zu schaffen begann. Mit diesem Jahr der Hidschra beginnt die islamische Zeitrechnung. Nach erbitterten kriegerischen Auseinandersetzungen ergab sich im Jahre 630 Mekka kampflos. Die Kaaba wurde von den Götzenbildern gereinigt und beim Tode des Propheten war die ganze Halbinsel unter der Oberhoheit der Muslime geeint. Koran Der Koran (das Vorgetragene) gilt als Wort Gottes, das Muhammad (sas) offenbart wurde und von ihm vorgetragen, memoriert und zur Aufzeichnung diktiert wurde. Es ist in Hocharabisch und in Reimprosa abgefasst und gilt nur dann als gültig für Gebet und Rezitation, wenn es in seiner Originalsprache vorgetragen wird. Der Koran ist in einzelne Suren (Kapitel) unterschiedlicher Länge unterteilt. Einzelne kürzere Suren können von nahezu jedem Gläubigen memoriert und während des Gebetes rezitiert werden. Christen sollten bei dem Versuch, Evangelium und Koran, Christus und Muhammad (sas) vergleichen zu wollen, vorsichtig sein. Allein schon die Wertigkeiten sind vertauscht: Während im Christentum Christus als das "fleischgewordene" Wort Gottes im Mittelpunkt des Heilsgeschehens steht, steht im Mittelpunkt des islamischen Offenbarungsgeschehens nicht Muhammad sondern der Koran, das "buchgewordene" Wort Gottes. Muhammad gilt nur als Überbringer und maßgeblicher Interpret des Koran sowie als Vorbild für die Glaubenspraxis. Ihn dann aber gar als "Autor" des Korans, des Wortes Gottes, zu bezeichnen, gilt als Sakrileg. 3 Sunna und Scharia Die Glaubenspraxis des Islam orientiert sich an den Weisungen des Korans und an der vorbildlichen Praxis des Propheten, der Sunna (Tradition, Brauch), wie sie als Hadith (Ausspruch), als gesammelte Berichte der Zeitgenossen über die Äußerungen und das Verhalten des Propheten und seiner Gefährten vorliegen. Dieser Textkorpus ist die Grundlage für die Scharia (Straße, Weg zur Wasserstelle), der umfassenden und detaillierten Beschreibung eines jeweils gebotenen, geforderten, empfohlenen, gefährlichen oder verbotenen Verhaltens in Glaubensleben, Familienleben, Alltag und Geschäftsleben, sowie der politischen und rechtlichen Sphäre. Die Ausarbeitung der Scharia geschah in den ersten drei Jahrhunderten der islamischen Geschichte und führte zur Differenzierung von mehreren Rechtsschulen (Hanefiten, Hanbaliten, Malikiten und Schafiten), die diesen "Weg des Heils" für die Rechts- und Glaubenspraxis darstellten. Neben der breiten Straße der Scharia gibt es noch die Tarika (Weg, Pfad) der Gottsucher. Inspiriert von Gottesliebe und Gottesfurcht und oft in Konfrontation mit muslimischen Autoritäten ist der Weg der Sufi (die mit dem Wollgewand Bekleideten), der islamischen Mystiker, die sich in verschiedenen Gemeinschaften organisierten und gemeinsam Zikhr (Gottgedenken - zuweilen mit Meditation, Musik, Tanz und Trance) hielten, eine ständige Quelle der Inspiration für Literatur und Poesie, aber auch für die Glaubenspraxis der einfachen Muslime gewesen. Weite Teile Afrikas und Indiens wurden erst durch das Wirken eines wandernden Sufis - eines Derwischs - dem Islam geöffnet. 5 Grundpflichten Die gesamte Praxis des Islams beruht auf "Fünf Pfeilern" oder Pflichten, die von jedem Muslim verlangt werden, so er dazu in der Lage ist: Quelle: http://www.isoplan.de/aid/2001-4/islam.htm 4 1. Schahada 2. Salat 3. Saum 4. Zakat 5. Hadsch Das Zeugnis des Glaubens Die Voraussetzung der Glaubenspraxis: Als Muslim gilt man in dem Moment, in dem man die Einheit Gottes und die Botschaft des Propheten Muhammad (sas) bezeugt. - Auch wenn man den anderen Pflichten noch nicht nachkommt. Das fünfmalige tägliche Pflichtgebet Alle Muslime, die geistig dazu in der Lage sind, sind verpflichtet, an fünf festgelegten Tageszeiten ein Gebet zu verrichten. Die Form des Gebetes ist durch die Sunna festgelegt. Das Fasten im Monat Ramadan Alle Muslime, die körperlich dazu in der Lage sind, sind verpflichtet, im Monat Ramadan, in dem die Offenbarung des Koran begann, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang zu fasten. Die Pflichtabgabe eines Teils des Einkommens an Bedürftige Alle Muslime, die wirtschaftlich dazu in der Lage sind, sind verpflichtet, einen Teil ihres Einkommens der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Die Pilgerreise zur Kaaba nach Mekka Alle Muslime, deren wirtschaftliche und familiäre Situation es zuläßt, sind verpflichtet, einmal im ihrem Leben zu einer bestimmten Zeit die Pilgerfahrt nach Mekka mit einem vorgeschriebenen Ablauf zu vollziehen. Religion der "Mitte" "Der Islam sieht sich selbst - nach Judentum und Christentum - als die dritte Manifestation der abrahamitischen Tradition. Wie gerade die Christen so gut wissen, spiegelt die Dreiheit die Einheit, und so ist diese dritte Manifestation der abrahamitischen Tradition in gewissem Sinn eine Rückkehr zur ursprünglichen Einheit, zu der »Religion Abrahams«. So wie das Judentum das Gesetz oder den exoterischen Aspekt dieser Tradition repräsentiert und das Christentum den Pfad oder den esoterischen Aspekt, so integriert der Islam die Tradition in ihrer ursprünglichen Einheit, indem er sowohl ein Gesetz als auch einen Pfad, sowohl eine Scharia, als auch eine Tarika umfasst. Man kann darüber hinaus sagen, dass in gewissem Sinn das Judentum auf der Gottesfurcht, das Christentum auf der Gottesliebe und der Islam auf der Gotteserkenntnis basiert - allerdings ist dies nur eine Frage der Betonung, denn jede integrale Religion muss notwendigerweise jeden dieser drei fundamentalen Aspekte der Beziehung zwischen Mensch und Gott erhalten." (Seyyed Hossein Nasr S. 40f ) Verbreitung Unter den ersten vier "rechtgeleiteten" Kalifen (Stellvertreter) des Propheten begann das Gemeinwesen über die Grenzen Arabiens hinauszugreifen. Innerhalb von zwei Jahrhunderten war die Hälfte des Mittelmeerraumes und der gesamte alte Orient erobert. Zentralasien, das nördliche Afrika, der indische Subkontinent, ja selbst Europa mit Spanien und dem Balkan geriet unter die Kontrolle islamischer Staatswesen. Innerhalb seiner Grenzen duldete der Islam in beispielhafter Toleranz christliche und jüdische Minderheiten und stellte sie unter staatlichen Schutz. Er arrangierte sich pragmatisch mit Buddhisten, Hindus und Animisten und inspirierte Wissenschaft und Künste. Weltweit darf man wohl von rund einer Milliarde Muslime ausgehen. Damit bekennen sich rund 1/5 der Weltbevölkerung zum Islam und er ist nach dem Christentum die zweitgrößte Religionsgemeinschaft der Erde. Die größten Muslim-Populationen findet man jedoch nicht 5 im arabischen Sprachraum, sondern in Indien und Indonesien. In diesem Jahrhundert hat er sich auch außerhalb seiner seit Jahrhunderten bevölkerten Gebiete ausgebreitet. Durch Konversion und Einwanderung ist er z. B. in den USA die am schnellsten wachsende Religionsgemeinschaft. In Deutschland hat der Islam wohl rund 2,7 Mio. Anhänger. Unterteilungen Über die fünf Grundpflichten sind sich alle Anhänger des Islams einig, egal ob sie als Sunniten dem Vorbild der ersten vier rechtgeleiteten Kalifen des Propheten folgen, oder als Schiiten sich an die Nachkommen Alis, des vierten Kalifen und Schwiegersohns Muhammads (sas), halten. Der Islam kennt, abgesehen von der Abspaltung von Sondergemeinschaften wie Drusen oder Alawiten keine konfessionellen Differenzierungen. Auch die Trennung in Schiiten und Sunniten oder die Aufteilung in die vier Rechtsschulen begründen keine grundlegenden unterschiedlichen Glaubensaussagen oder eine andere "Liturgie" des Gottesdienstes, wie dies z. B. im Christentum der Fall ist. Umma Mit dem arabischen Wort "Umma" wird die Gemeinschaft der Gläubigen bezeichnet. Sie beruht auf den Prinzipien Solidarität, Gerechtigkeit und Egalität. Ausgleich zwischen reich und arm und die Vermeidung hierarchischer Strukturen wird angestrebt. Sie ist eine Laiengemeinde ohne ordinierten Klerus, ohne Mitgliederstatistik und Uniformität - aber mit einer starken Betonung der Einheit der Glaubenspraxis in der Vielfalt der Völker, Sprachen und individuellen Überzeugungen. Hierarchie "Es gibt keine Hierarchie im Islam (...), keine oberste Lehr-Autorität, außer dem Buch selbst, dem Koran. Woran ich glaube oder woran mein Nächster glaubt, ist - vorausgesetzt, wir bleiben im Rahmen des religiösen Gesetzes - weitgehend eine Frage persönlicher Einsicht, solange wir uns nicht allzuweit vom Konsensus der Gemeinschaft entfernen. ... Ein Muslim kann einen oder mehrere der Pfeiler (mit Ausnahme des ersten) vernachlässigen und dennoch zu den Gläubigen gezählt werden - wenn er jedoch ihre Notwendigkeit leugnet, hat er sich außerhalb der Gemeinschaft gestellt." (Charles Le Gai Eaton S. 17f) Der Islam in seinem besten Sinne verbindet so Gleichförmigkeit und Einheit in den Grundsätzen mit Flexibilität und Vielfalt in der täglichen Anwendung. Feindbilder Die Auseinandersetzung mit dem christlichen Abendland in Kreuzzügen, Türkenkriegen und dem Kolonialismus des 19. und 20. Jahrhunderts wirkt aber in gegenseitigen Feindbildern bis heute nach: Was dem Muslim Dschihad (Anstrengung, "Bemühung auf dem Weg des Glaubens") ist, erscheint dem Europäer oft als fanatischer "heiliger Krieg" gegen die alleinseligmachende Zivilisation des Abendlandes. Was dem Europäer Kampf um Aufklärung und Menschenrechte ist, erscheint dem Muslim oft als neuer Kreuzzug gegen seine Zivilisation und seine Traditionen und Überzeugungen. Unter allen Religionen und Kulturen ist der Islam diejenige, die im Abendland am wenigsten verstanden und am meisten gefürchtet wird. Das zeigen auch die Diskussionen um die "fundamentalistische Bedrohung" und den "Kampf der Kulturen" "Ve Allahu a'lam" - Und das Wissen ist bei Gott. ... mit diesen Worten schlossen viele muslimische Autoren der Vergangenheit ihre Ausführungen, im Bewußtsein ihrer eigenen Beschränkung und Subjektivität.