© by SPV Nottwil Schweizer Paraplegiker-Zentrum Postfach 6207 Nottwil Telefon 041 939 54 54 Telefax 041 939 54 40 [email protected] www.paranet.ch Aus Medizin und Wissenschaft Die Intensivpflegestation: Wichtiger Baustein eines Akutspitals Die Intensivpflegestation Paracontact Ausgabe 2/2005 Medizin und Wissenschaft 6.05 Die Intensivpflegestation: Wichtiger Baustein eines Akutspitals Die erfolgreiche Rehabilitation in einem spezialisierten Zentrum basiert auf einer Vielzahl einzelner Bausteine. In der Akutphase einer Verletzung oder Erkrankung basiert die Therapie auf einer fachkundigen, jederzeit verfügbaren und sehr intensiven Betreuung. Modernste technische Geräte beeindrucken den Besucher, im Mittelpunkt stehen jedoch auch heute menschliche Zuwendung, Pflege und Schmerzlinderung. Eine der grundsätzlichen Forderungen der Schweizer Paraplegiker-Stiftung besteht darin, Querschnittgelähmte bereits direkt ab dem Unfallort oder in einer frühen postoperativen Phase einer ganzheitlichen Rehabilitation in einem Paraplegiker-Zentrum zuzuführen. Neben der Möglichkeit zur akuten chirurgischen und medizinischen Versorgung muss in einem solchen spezialisierten Zentrum für die schwer verletzten Patienten rund um die Uhr die Möglichkeit einer intensivmedizinischen und intensivpflegerischen Betreuung bestehen. Doch nicht nur für akut verunfallte Patienten ist eine Intensivstation eine lebensrettende oder lebenserhaltende Notwendigkeit, hier werden auch Patienten nach grossen Operationen, insbesondere aber schwer erkrankte Para- und Tetraplegiker aufgenommen und medizinisch versorgt. Viele Patienten auf einer modernen Intensivstation sind wach und kommunikationsfähig Die Schweiz ist flächendeckend mit Intensivstationen zur Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Lungenentzündung versorgt. Weshalb werden schwer erkrankte Querschnittgelähmte nach einer Akutbehandlung vor Ort dann häufig auf die Intensivstation des Schweizer Paraplegiker-Zentrums verlegt? Einerseits bestehen über die adäquate Pflege des Querschnittgelähmten in vielen Akutspitälern Unsicherheiten, andererseits kann der immense Pflegeaufwand nur mit einem erhöhten Personalschlüssel geleistet werden. Aus diesem Grund hat es sich das Schweizer Paraplegiker-Zentrum Nottwil zur selbst auferlegten Pflicht gemacht, querschnittgelähmte Patienten in Notfallsituationen zu jeder Zeit aufzunehmen. Hierfür steht eine räumlich grosszügig und mit modernster Technik ausgestattete Intensivpflegestation zur Verfügung. Fachlich hoch qualifiziertes Personal, dessen Kompetenz durch kontinuierliche Schulung und Weiterbildung gestärkt wird, sorgt in der Pflege und der medizinischen Versorgung dafür, dass schwer verletzten oder erkrankten Patienten auf hohem Niveau geholfen werden kann. Aufgrund der überprüften und nachgewiesenen Qualität ist die Intensivstation von der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI) und der FMH anerkannt. Moderne Beatmungshelme sehen futuristisch aus, sie ermöglichen die Beatmung mit einer Maschine ohne direkte Verbindung zu Mund oder Nase Moderne Intensivmedizin ist eine enorm erfolgreiche Methode, um Schwerstkranken das Überleben zu ermöglichen, sie ist aber auch eine der teuersten Behandlungsformen. Der Aufwand ist erheblich und betrifft die apparative Ausstattung, das Bereithalten einer Vielzahl von Medikamenten und die ständige personelle Besetzung. Die Grundausstattung einer Intensivstation wird erweitert durch Röntgen- und Ultraschallgeräte, welche weitergehende Untersuchungen ohne Transporte des Patienten ermöglichen. Nur für einen Teil der Patienten bedeutet der Aufenthalt auf der Intensivstation eine Zeit des Dämmerschlafs, viele nehmen ihre Umwelt wahr und können mit ihren Angehörigen, Pflegern und Ärzten kommunizieren. Deshalb werden bereits früh Schwerpunkte in den Bereichen Kommunikation und Umweltkontrolle gebildet. Massnahmen zum Aufbau einer verbalen oder nonverbalen Kommunikation können u. a. durch die versierte Anpassung von Sprechkanülen frühzeitig begonnen werden. Die Einrichtung aufwendiger Systeme zur Umweltkontrolle («James»: Schwesternruf, Licht, Radio, Fernsehen, Computer) bedeutet für die Patienten einen sofortigen Gewinn an Selbstbestimmung und -bewusstsein. Hierbei sind die vielfältigen Schnittstellen zu den anderen Bausteinen einer modernen Akutklinik sehr wichtig und hilfreich. Ergotherapie, Physiotherapie, Logopädie und Beratungsdienste, feste Bestandteile in der modernen Rehabilitation, werden entsprechend den Fortschritten des Intensivpatienten frühzeitig und angepasst eingesetzt. So werden fliessende Übergange für den weiteren Rehabilitationsverlauf geschaffen, welche auf einem gewachsenen Vertrauen mit den Therapeuten basieren. Die Verlegung auf eine der Bettenstationen bedeutet damit nicht einen kompletten Wechsel der Bezugspersonen in der Klinik, da ein Teil des betreuenden und vertrauten Teams den Patienten auch weiterhin begleitet. Dieses Vertrauensverhältnis muss nicht nur mit den Patienten aufgebaut werden, mindestens genauso wichtig ist eine vertrauensvolle Kommunikation mit den Angehörigen. Oft ist es nicht einfach, in einer Zeit voller Ängste, Sorgen und Stress den persönlichen Zugang zu den nächsten Angehörigen eines Schwerkranken zu finden. Eine behutsame Aufklärung über die Erkrankung und den Stand der Behandlung, die Chancen und Risiken der einzelnen Therapieschritte ist das Ziel, gleichzeitig allgemein verständlich, ehrlich und menschlich. Dies wird mit geplanten Informationen und kurzen Vorträgen, hauptsächlich aber durch eine Vielzahl von Gesprächen zwischen Patienten und Angehörigen, Pflege und Ärzten angestrebt. Die ganzheitliche Erfassung des Menschen darf sich nicht auf Krankheit und Behinderung beschränken. Viel mehr steht das Prinzip der ganzheitlichen Rehabilitation für einen Prozess, der eine zügige Reintegration der Patienten in Familie, Freundeskreis, Beruf und Gesellschaft anstrebt. Dieser Prozess führt fliessend von der Unfallversorgung über die Akutmedizin bis hin zum Austritt in einen neu gestalteten Alltag. Ein Baustein zur Erreichung dieser Ziele ist die frühzeitige Verlegung in ein Rehabilitationszentrum mit der Möglichkeit zur intensivmedizinischen Behandlung. Dr. Peter Felleiter, Tom Hansen, Intensivmedizin, SPZ Nottwil