MEDIZIN ÜBERSICHTSARBEIT Genetische Diagnostik beim Marfan-Syndrom und verwandten Erkrankungen Bedeutung des klinischen Managements Mine Arslan-Kirchner, Yskert von Kodolitsch, Jörg Schmidtke ZUSAMMENFASSUNG Einleitung: Das Marfan-Syndrom und die Marfan-ähnlichen Syndrome sind Teil eines breiten Spektrums miteinander verwandter Erkrankungen, die ursprünglich rein klinisch definiert waren. Allen gemeinsam ist das stark erhöhte Risiko für das lebensbedrohliche dissezierende Aneurysma der Aorta, dem durch einen elektiven Ersatz der geschädigten Aorta zuvorzukommen ist. Methode: Selektive Literaturrecherche unter Hinzuziehung eigener klinischer Erfahrungen. Ergebnisse: Das Marfan-Syndrom und die Marfan-ähnlichen Syndrome zeigen ein sehr variables Symptommuster. Es liegt nicht immer das Vollbild der Störung vor, sondern einzelne Symptome können fehlen. Dies kann die Diagnose eines bestimmten Syndroms erschweren. In vielen Fällen kann allein eine Kombination aus molekulargenetischen und klinischen Untersuchungen eine differenzialdiagnostische Klärung herbeiführen und eine verbesserte prognostische Einschätzung mit entsprechender Ausrichtung prophylaktischer Maßnahmen erfolgen. Diskussion: Die individuelle Diagnose und Behandlung von Marfan-Patienten oder Patienten mit Marfan-ähnlichen Syndromen erfordert ein interdisziplinäres Vorgehen. Dies ist nur durch eine koordinierte Betreuung und zentrale Erfassung aller Befunde gewährleistet. Dtsch Arztebl 2008; 105(27): 483–91 DOI: 10.3238/arztebl.2008.0483 Schlüsselwörter: Marfan-Syndrom, molekulare Medizin, Gentest, Aneurysma, Aortensyndrom, Mitralklappenprolaps Institut für Humangenetik, Medizinische Hochschule Hannover: Prof. Dr. med. Schmidke, PD Dr. med. Arslan-Kirchner Klinik und Poliklinik für Kardiologie/Angiologie, Universitätsklinikum HamburgEppendorf: PD Dr. med. von Kodolitsch Jg. 105 Heft 27 4. Juli 2008 Deutsches Ärzteblatt D as menschliche Genom ist im Rahmen des Humangenomprojekts weitgehend entschlüsselt worden. Hiervon profitiert nicht nur die humangenetische Familienberatung und die genetische Diagnostik im Zusammenhang mit reproduktiven Entscheidungen. Die sogenannte genetische Medizin kann nun das erworbene genetische Wissen auch im klinischen Alltag nutzen (1). Das klinische Management zahlreicher Erkrankungen konnte durch die gezielte Einbeziehung genetischer Untersuchungsverfahren verbessert werden. Die Ermittlung spezifischer genetischer Risiken präzisiert die Prognose des Einzelfalls, erlaubt individuell angepasste präventive Maßnahmen und beeinflusst das therapeutische Vorgehen. Umgekehrt kann der gezielte Ausschluss einer Krankheit oder Krankheitsdisposition dem Patienten (differenzial-)diagnostische Untersuchungen oder Vorsorgemaßnahmen ersparen, einschließlich damit verbundener Belastungen. Mit dem Marfan-Syndrom und verwandten Erkrankungen wird hier beispielhaft der klinische Nutzen der Genetik dargestellt. Die Marfan-ähnlichen Syndrome sind Teil eines breiten Spektrums miteinander verwandter Erkrankungen, die man zunächst ausschließlich klinisch definierte. Allen gemeinsam ist das stark erhöhte Risiko für das lebensbedrohliche akute Aortensyndrom (2): das dissezierende Aneurysma der thorakalen Aorta, dem durch einen elektiven Ersatz der geschädigten Aorta zuvorzukommen ist. Da nicht immer das Vollbild der Störung besteht, sondern einzelne Symptome fehlen können, ist das Symptommuster von Fall zu Fall sehr variabel. Die Zuordnung eines Patienten zu einem bestimmten Syndrom ist oft schwierig. Selbst innerhalb einer Familie kann das Bild extrem unterschiedlich sein. Wenn die Kriterien zur Stellung einer klinischen Diagnose sehr streng definiert werden, können viele Patienten nicht richtig diagnostiziert werden. Wenn diagnostische Kriterien zu weit gefasst werden, sind sie oft falsch positiv. Beide Fehler können schwerwiegende Folgen haben, wenn die Behandlung oder sekundäre präventive Maßnahmen von der richtigen Diagnose abhängig sind. Ein genetischer 483 MEDIZIN KASTEN 1 Fallvignette Gert L. (31 J.) und seine Schwägerin Renate stellten sich zur humangenetischen Beratung vor. Bei Gert hat im Alter von 23 Jahren ein Kardiologe die klinische Verdachtsdiagnose Marfan-Syndrom gestellt und dies dem Hausarzt der Familie – aber nicht Gert selbst – mitgeteilt. Im Alter von 27 Jahren war die Aortendilatation bei Gert so weit fortgeschritten, dass die Indikation für eine prophylaktische Operation gestellt wurde. Die Operation verlief erfolgreich. Auch jetzt wurde Gert nicht über die klinische Verdachtsdiagnose MarfanSyndrom informiert, alle Informationen, die er erhielt, waren auf die Erkrankung der Aorta fokussiert. Gerts Bruder Kai war groß und schlank, hatte aber keine subjektiven Krankheitssymptome. Er betrieb Leistungssport (Basketball). Die Mutter Barbara war im Alter von 36 Jahren plötzlich verstorben. Den Kindern war nur bekannt, dass sie einen Herzfehler gehabt haben soll. Anlass für die jetzige humangenetische Beratung war, dass Kai vor wenigen Wochen im Alter von 29 Jahren plötzlich verstarb. Er war während eines Basketballspiels zusammengebrochen. Eine Obduktion hatte ein dissezierendes Aortenaneurysma ergeben. Nun war allen, der Familie L. und dem Hausarzt, die Bedeutung der vor Jahren gestellten Verdachtsdiagnose Marfan-Syndrom bewusst geworden. Damals hatte sich der Hausarzt nicht klar gemacht, dass die unstrittig optimale Versorgung von Gert für die ganze Familie nicht ausreichend war. Nachdem die Verdachtsdiagnose Marfan-Syndrom im Raum stand, hätte die Erblichkeit und Vererbbarkeit der Erkrankung allen Mitgliedern der Familie L. erläutert werden müssen, und Kai hätte vorsorglich klinisch und gegebenenfalls auch genetisch untersucht werden müssen. Bei seiner klinisch noch weitgehend unauffälligen, aber großgewachsenen Tochter Melanie (4 J.) konnte man durch eine genetische Untersuchung die Anlageträgerschaft für ein Marfan-Syndrom sichern. Sie steht jetzt unter regelmäßiger klinischer Kontrolle. Nachweis kann in solchen Fällen Klarheit schaffen. Er kann gestellt werden, noch bevor die Symptome (vollständig) entwickelt sind, und die Art der genetischen Veränderung ist oft ein prognostischer Faktor an sich. Die Marfan-ähnlichen Syndrome sind ein Beispiel für allelische und Locus-Heterogenität: Mutationen in einem Gen können zu verschiedenen Krankheitsbildern führen, und gleichartige Krankheitsbilder können durch Mutationen in verschiedenen Genen verursacht sein. Die durchschnittliche Lebenserwartung von Patienten mit Marfan-Syndrom liegt ohne Therapie bei 32 Jahren und kann unter optimaler Therapie auf über 60 Jahre gesteigert werden (3). Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Es gibt weder ethnische noch geografische Prädilektionen. In älteren Lehrbüchern wird die Häufigkeit (Bevölkerungsprävalenz) des Marfan-Syndroms meistens mit 1 : 10 000 angegeben. Inzwischen geht man davon aus, dass dies eine Fehleinschätzung ist, weil das Marfan-Syndrom zu den besonders häufig unterdiagnostizierten Erkrankungen zählte und wohl immer noch zählt. Aktuelle Schätzungen gehen von einer Prävalenz von bis zu 1 : 3 000 für das Marfan-Syndrom Typ 1 aus (2). Die Häufigkeit der übrigen Formen der Marfan-ähnli- 484 chen Erkrankungen ist unklar, dürfte aber etwa um eine Größenordnung geringer als die des MarfanSyndroms sein. Dennoch zählt das Marfan-Syndrom definitionsgemäß zu den seltenen Erkrankungen (< 1 : 2 000). Einer Schätzung der WHO zufolge leiden etwa 6 bis 8 % der Menschen in Europa an einer so genannten seltenen Krankheit (4, 5). Diese Patienten werden im ärztlichen Alltag oft nicht richtig behandelt (Kasten 1 und 2). Das Intervall zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und der korrekten Diagnose ist meistens viel zu lang. Es verstreicht viel kostbare Zeit, die für prophylaktische Maßnahmen sinnvoll genutzt werden könnte, und flankierende sozialmedizinische Angebote sind unzureichend. Gerade das Marfan-Syndrom und verwandte Erkrankungen unterstreichen nachdrücklich den Wert genetischer Untersuchungen für das klinische Management, wie im Folgenden dargestellt wird. Klinik und Genetik Marfan-ähnlicher Syndrome Alle im Folgenden besprochenen klinischen Entitäten sind autosomal-dominant erblich. Marfan-Syndrom Typ 1 Das klassische Marfan-Syndrom (MFS1, OMIM 154700) (OMIM ,“Online Mendelian Inheritance in Man”; www.ncbi.nlm.nih-gov/omim) ist eine Systemerkrankung des Bindegewebes. MFS1 ist bedingt durch Mutationen im Fibrillin1-Gen (FBN1) auf Chromosom 15q21.1. Alle Organsysteme können betroffen sein, insbesondere aber das Skelett, das Auge und das kardiovaskuläre System (Tabelle 1). Abgesehen von den seltenen Fällen bereits schwerst betroffener Neugeborener bilden sich die Symptome zumeist erst allmählich in den ersten beiden Lebensjahrzehnten heraus. Ob ein Kind oder ein Jugendlicher aus einer betroffenen Familie die Störung geerbt hat, lässt sich klinisch allein oft nicht entscheiden, und eine genetische Diagnostik kann indiziert sein. Aufgrund sehr variabler phänotypischer Ausprägung ist das klassische Marfan-Syndrom auch beim Erwachsenen häufig nicht eindeutig zu diagnostizieren. Oft manifestiert sich lebenslang nur ein Teil der Symptome. Ein akutes Aortensyndrom ereignet sich im Mittel im Alter von 32 Jahren (6–8). Eine Hilfe zur klinischen Diagnose ist die Genter Nosologie (9) (Tabelle 2). Danach werden die klinischen Erscheinungsformen unterschiedlich gewichtet und auf dieser Basis eine diagnostische Entscheidung getroffen. Es herrscht internationaler Konsens (10, 11), dass eine genetische Untersuchung (Mutationssuche) gerade dann indiziert sein kann, wenn die klinische Diagnostik unklar bleibt. Eine klinische Unterscheidung zwischen MFS1 und MFS2 ist nicht möglich, deshalb ist eine genetische Untersuchung zur Klärung dieser Frage indiziert. Das Fibrillin1-Protein besteht aus 2 871 Aminosäuren und zeigt eine repetitive Struktur aus funktionellen Motiven. Krankheitsbedingende Mutationen – es sind Jg. 105 Heft 27 4. Juli 2008 Deutsches Ärzteblatt MEDIZIN KASTEN 2 TABELLE 1 Klinische Kernaussagen Klinische Merkmale verschiedener Syndrome > Das Marfan-Syndrom und die Marfan-ähnlichen Syndrome sind durch das stark erhöhte Risiko für das lebensbedrohliche dissezierende Aortenaneurysma und in der Regel durch Beteiligung anderer Organsysteme gekennzeichnet. Marfan-Syndrom Typ I Typ II Loeys-DietzSyndrom Typ I Typ II SGS Kraniosynostose (+) + Hydrozephalus (+) (+) > Das klinische Bild dieser Erkrankungen ist extrem variabel, und die genetischen Ursachen sind sehr heterogen. Chiari-Typ-I-Malformation (+) (+) (+) + > Eine frühzeitige korrekte Diagnose ist für ein optimales Fallmanagement essenziell, gegebenenfalls unter Einschluss eines elektiven Aortenersatzes. Hypertelorismus + + Blaue Skleren (+) > Die Diagnosefindung umfasst klinische und bildgebende Verfahren, die sorgfältige Erhebung der Familienanamnese und genetische Untersuchungen. > Das Marfan-Syndrom und die Marfan-ähnlichen Syndrome als Erkrankungen mit Beteiligung mehrerer Organsysteme verlangen eine koordinierte Betreuung durch verschiedene Fachdisziplinen. bis Ende 2007 über 600 verschiedene Mutationen identifiziert worden (12) – sind über das ganze FBN1Gen verteilt. Es gibt sowohl Mutationen, die zu einem qualitativ veränderten Fibrillin1-Protein führen, als auch Mutationen, die die verfügbare Menge des Proteins verändern. Die Art und die Lokalisation der Mutation sind prognoserelevant. In circa 25 % aller gesicherten Fälle von MFS1 ist die Familienvorgeschichte unauffällig: Hier handelt sich um Neumutationen. MASS-Syndrom Die Bezeichnung MASS-Syndrom (OMIM 60438) ist ein Akronym für Mitralklappenprolaps, Aortendilatation, Skelett- und Haut-(„skin“)Beteiligung. Die Patienten erfüllen nicht die klinischen Kriterien des Marfan-Syndroms aber weisen zumindest einen Mitralklappenprolaps auf. Eine der Ursachen dieses Syndroms sind offenbar, wie beim Marfan-Syndrom, Mutationen im FBN1-Gen. Für die meisten dieser Patienten ist die Krankheitsursache noch nicht bekannt. Ein Mitralklappenprolaps kann Bestandteil des familiären Mitralklappenprolapssyndroms (OMIM 157700) sein oder auch beim Ehlers-Danlos-Syndrom und der Osteogenesis imperfecta auftreten. Marfan-Syndrom Typ 2 Das Marfan-Syndrom Typ 2 (MFS2, OMIM 154705) ähnelt sehr dem klassischen Marfan-Syndrom (MFS1) (Abbildung 1). Bei keinem Patienten mit MFS2 wurde bis heute eine Linsenektopie festgestellt. Da dieses Symptom auch beim MFS1 fehlen kann, eignet es sich nicht zur Differenzialdiagnose. MFS2 wurde auf dem Chromosomenabschnitt 3p22 kartiert. Das Syndrom Jg. 105 Heft 27 4. Juli 2008 Deutsches Ärzteblatt Entwicklungsverzögerung Linsenektopie + Gaumenspalte/Uvula bifida Aortenaneurysma + + + + Aneurysmen anderer Arterien + + Arterienschlängelung + + Persistierender Ductus arteriosus (+) Vorhofseptumdefekt (+) Dolichostenomelie* 1 + + + (+) (+) + Arachnodaktylie + + + + Kamptodaktylie*2 (+) (+) (+) (+) Brustkorbverformung + + + + Skoliose + (+) + (+) Gelenküberbeweglichkeit + + Klumpfüße Striae + + (+) (+) + (+) samtartige, brüchige Haut (+) + atrophische Narben + überelastische Haut (+) Uterusruptur (+) Darm-, Milzruptur (+) lumbosakrale Duraektasie + + ? ? ? ? +, bei 50 % der Patienten; (+), bei < 50 % der Patienten; ?, Häufigkeit unbekannt; *1 lange Extremitäten im Vergleich zum Rumpf; *2 Beugekontraktur des Fingers; SGS, Shprintzen-Goldberg-Syndrom entsteht durch Mutationen im Gen vom „transforming growth factor beta receptor 2“ (TGFBR2) oder seltener durch Mutation des TGFBR1-Gens (13–15). Man hat Patienten in Frankreich, Japan, Deutschland und Italien identifiziert (15). MFS2 lässt sich von MFS1 nicht durch eine klinisch-genetische Untersuchung sondern nur durch eine molekulargenetische Analyse unterscheiden. Dieser Differenzierung kommt aber große Bedeutung zu: nach gegenwärtigem Kenntnisstand können TGFBR-Mutationen mit einem aggressiveren Krankheitsverlauf hinsichtlich vaskulärer Komplikationen assoziiert sein. Dies geht mit einer frühzeitigeren Aortendissektion einher. 485 MEDIZIN TABELLE 2 Checkliste für die klinische Diagnose des Marfan-Syndroms nach der Genter Nosologie (nach [10]) Manifestationen im Hauptkriterium Manifestationen im Nebenkriterium Diagnose (Definition) Kielbrust Trichterbrust, milde ausgeprägt Hauptkriterium erfüllt ( 4 Manifestationen im Hauptkriterium) Trichterbrust, operationsbedürftig Gelenke mit Überbeweglichkeit Skelettbeteiligung: (2 Manifestationen im Hauptkriterium oder 1 Manifestation im Hauptkriterium und 2 im Nebenkriterium) Armspanne zu Körperlänge > 1,05 oder/und Oberlänge zu Unterlänge < 0,85 Hoher (gotischer) Gaumen mit Fehlstellung der Zähne aufgrund beengter Raumverhältnisse Positives Handgelenk- und Daumenzeichen*1 Physiognomie ( 2): – Dolichozephalie (Langschädel) – Malarhypoplasie – Enophthalmus – Retrognathie – Lidachse nach lateral abfallend Skelett Plattfuß durch mediale Verschiebung des Innenknöchels Skoliose > 20° oder Wirbelgleiten Streckfähigkeit des Ellenbogengelenks < 170° Protrusio acetabuli (radiologisch) Auge Linsenluxation oder -subluxation Kornea abnorm flach Hauptkriterium erfüllt Augapfel mit axialer Länge > 23,5 mm Augenbeteiligung ( 2 Manifestationen im Nebenkriterium) Iris/Ziliarmuskel hypoplastisch mit eingeschränkter Miosis Kardiovaskuläres System Aneurysma der Aorta ascendens, mindestens den Mitralklappenprolaps, unabhängig von MitralSinus betreffend klappeninsuffizienz Hauptkriterium erfüllt Dissektion der Aorta ascendes Kardiovaskuläre Beteiligung ( 1 Manifestation im Nebenkriterium) Pulmonalarteriendilatation < 40. Lebensjahr (bei Ausschluss einer Pulmonalklappenstenose) Mitralklappenringverkalkung < 40. Lebensjahr Dilatation oder Dissektion der Aorta descendens oder abdominalis < 50. Lebensjahr Lunge Spontanpneumothorax Lungenbeteiligung ( 1 Manifestation im Nebenkriterium) Emphysemblasen apikal (Röntgen) Haut Striae distensae Hautbeteiligung ( 1 Manifestation im Nebenkriterium Rezidivierende Hernien oder Narbenhernien Dura Lumbosakrale Duraektasie Hauptkriterium erfüllt Familienanamnese/Genetik Verwandter 1. Grades mit MFS Hauptkriterium erfüllt ( 1) FBN1-Mutation mit Krankheitswert Gekoppelter Haplotyp nachgewiesen Diagnose Marfan-Syndrom (MFS) wird gestellt, wenn erfüllt sind: 1 Hauptkriterium in 2 Organsystemen und ein 3. System beteiligt; oder Mutation mit Krankheitswert und 1 Hauptkriterium und 1 Organbeteiligung; oder 1 Verwandter mit Marfan-Syndrom und 1 Hauptkriterium und 1 Organbeteiligung *1 Positives Handgelenkzeichen: Das eine Handgelenk kann mit Daumen und kleinem Finger der anderen Hand so umfasst werden, dass das Daumenglied den Fingernagel des kleinen Fingers überlappt; positives Daumenzeichen: Das Daumenendglied ragt an der lateralen Handkante heraus, wenn der Daumen in die Handfläche gelegt und dann die Faust geschlossen wird (Abbildung 1). 486 Jg. 105 Heft 27 4. Juli 2008 Deutsches Ärzteblatt MEDIZIN Abbildung 1: Patient mit MarfanSyndrom Typ 2: Arachnodaktylie, positives Daumenund Handgelenkszeichen, keine Uvula bifida, wie sie beim LDS1 vorkommt. Weil-Marchesani-Syndrom Das Weil-Marchesani-Syndrom (WMS, OMIM 608328) ist in seiner phänotypischen Ausprägung in mancher Hinsicht als das Gegenteil von MFS1 und MFS2 anzusehen: Die Patienten sind eher kleinwüchsig, haben kurze Finger und leiden unter Gelenksteifigkeit. Gemeinsam mit dem MFS1 ist jedoch die Linsenektopie. Das WMS wird wie das MFS1 durch Mutationen im FBN1-Gen verursacht. Neben der autosomal-dominanten Form existiert auch eine autosomal-rezessive Form des WMS (OMIM 277600), bedingt durch Mutationen im ADAMTS10-Gen. Kongenitale kontrakturale Arachnodaktylie Die kongenitale kontrakturale Arachnodaktylie (CCA, OMIM 121050) ähnelt klinisch dem MFS, jedoch treten charakteristische Gelenkkontrakturen und häufig eine Deformität der Ohrmuscheln („crumpled ears“) auf. CCA wird durch Mutation im Fibrillin2Gen (FBN2) verursacht. Loeys-Dietz-Syndrom Typ1 Das 2005 (16) erstmals beschriebene Loeys-DietzSyndrom Typ 1 (LDS1, OMIM 609192) ist wahrscheinlich identisch mit dem bereits seit 1987 bekannten Furlong-Syndrom (OMIM 610168). Wie aus der Tabelle 1 hervorgeht, können nahezu alle Symptome des klassischen Marfan-Syndroms auch beim LDS1 gefunden werden. Darüber hinaus leiden die Patienten an kraniofazialen Fehlbildungen (Gaumenspalte oder Jg. 105 Heft 27 4. Juli 2008 Deutsches Ärzteblatt a b Abbildung 2: Vergleich der Aortenpathologie bei klassischem Marfan-Syndrom (MFS1 mit Aortenveränderungen bei LoeysDietz-Syndrom Typ 2 (LDS2). a) Zwiebelförmiges Aneurysma des Aortensinus mit Übergreifen auf die Aorta ascendens als typische Aortenveränderung bei MFS1. b) Beispiel einer mehrere Etagen betreffenden Aortenerkrankung bei LDS2 mit Ektasie der Aortenwurzel, Dilatation der Aorta descendens distal eines noch partiell offenen Ductus arteriosus und Rohrprothese nach Implantation eines infrarenalen Bauchaortenaneurysmas bei deutlichem Aortenkinking. 487 MEDIZIN GRAFIK Algorithmus zur klinisch-molekularen Differenzialdiagnose angeborener Aortenerkrankungen. OMIM: „online mendelian inheritance in man“; PDA, persistierender Ductus arteriosus; TAAD, thorakales Aortenaneurysma mit Dissektion gespaltenes Zäpfchen, Hypertelorismus) und insbesondere an Gefäßveränderungen bis hin zu Dilatation, Aneurysmenbildung und Dissektion im gesamten arteriellen Verzweigungsbaum. Wie MFS2 wird LDS1 durch Mutationen in den Genen TGFBR1 (auf Chromosom 9q33-q34) und TGFBR2 (auf Chromosom 3p22) verursacht. Die Genprodukte spielen eine wichtige Rolle in der intrazellulären TGF-beta-Signaltransduktion, deren Bedeutung für die Entwicklung des Gefäßsystems und des Gesichtsschädels aus Tiermodellen zum Mitralklappenprolaps und zu pulmonalen Manifestationen (17, 18) bekannt ist. Die Entwicklungsstörungen in den Gefäßwänden sind schon bei sehr jungen Patienten erkennbar. Hieraus erklären sich vielleicht die oft schon sehr frühzeitig einsetzenden Komplikationen: Das mittlere Alter zum Zeitpunkt des operativen Gefäßersatzes liegt bei 16,9 Jahren (19). Loeys-Dietz-Syndrom Typ 2 Die Symptome des Loeys-Dietz-Syndroms Typ 1 (LDS1) überlappen mit dem vaskulären Typ des Ehlers-Danlos-Syndroms (EDS Typ 4, EDS4, OMIM 488 130050). EDS4 wird oft durch Mutationen im Kollagen-Typ-3-Gen hervorgerufen. Loeys und Mitarbeiter (19) untersuchten 40 Patienten mit dem klinischen Bild eines EDS4 aber ohne Kollagen-Typ-3-Störungen und kraniofaziale Fehlbildungen. Bei 12 Probanden identifizierten sie Mutationen in einem der TGFBR-Gene. Diese Patienten werden jetzt dem LoeysDietz-Syndrom Typ 2 zugerechnet (LDS2, OMIMNummer noch nicht zugeteilt). Ähnlich wie beim LDS1 bestehen auch beim LDS2 besonders aggressive arterielle Aneurysmen. Das mittlere Alter bei Gefäßersatz beträgt 26,9 Jahre. Die Abbildung 2 zeigt die unterschiedliche Aortenpathologie bei MFS1 und LDS2. Shprintzen-Goldberg-Syndrom Das Shprintzen-Goldberg-Syndrom (SGS, OMIM 182212) weist sowohl mit MFS1 und MFS2 als auch mit LDS1 (beziehungsweise dem Furlong-Syndrom) und LDS2 Übereinstimmungen auf (Tabelle 1). Das hervorstechende Merkmal von SGS ist die Kraniosynostose, die bei MFS1 und MFS2 nicht vorkommt, wohl aber bei LDS1. Beim SGS wurden keine Muta Jg. 105 Heft 27 4. Juli 2008 Deutsches Ärzteblatt MEDIZIN KASTEN 3 Prinzipien des medizinischen Managements beim Marfan-Syndrom (23) Allgemeine Maßnahmen bei Erwachsenen mit Marfan-Syndrom > Moderate Einschränkungen der physischen Aktivität > Jährliche Echokardiografie und MR-Angiografie der Aorta > Betablocker zur Aortenprotektion – Hochgradige Mitralklappeninsuffizienz – Planung eines großen, nicht kardiovaskulären Eingriffs – Frauen vor geplanter Schwangerschaft Maßnahmen bei Kinderwunsch und Schwangerschaft > Aufklärung über 50-prozentiges Risiko der Vererbung des MarfanSyndroms an die Kinder > Hochrisikoschwangerschaft bei Aortenwurzeldiameter > 40 mm oder bei Status nach kardiochirurgischem Eingriff oder bei schwergradiger Herzerkrankung > bei geplanter Schwangerschaft bei Frauen mit Aortenwurzeldurchmesser von mindestens 40 mm prophylaktischer rekonstruktiver Ersatz der Aortenwurzel > Serielle (z. B. dreimonatliche) echokardiografische Verlaufskontrollen bis 3 Monate nach Entbindung Indikation zum prophylaktischen Ersatz der Aortenwurzel bei Erwachsenen (mindestens ein Kriterium) > Aortenwurzeldurchmesser > 43 mm (40 mm nach Meinung anderer Autoren) oder ein Aortenquotient > 1,3 > Aortenwurzeldurchmesser > 40 mm bei Vorliegen mindestens eines weiteren Risikofaktors: – Familienanamnese mit Aortendissektion oder Aortenruptur – Aortenwurzeldurchmesser mit Zunahme > 10 mm pro Jahr – Dilatation der Sinus mit Übergreifen auf die Aorta ascendens – Aortenklappeninsuffizienz von mindestens moderater Ausprägung tionen in einem der TGFBR-Gene gefunden, wohl aber in FBN1. An diesem klinischen Beispiel wird ein Zusammenhang von Fibrillin-Defizienz und Störungen in der TGFB-Signalkaskade erkennbar, der vielleicht auch spezifische therapeutische Optionen eröffnet (20). Familiäres thorakales Aortenaneurysma Ähnlich wie der Mitralklappenprolaps ist auch das Aortenaneurysma Syndrombestandteil oder isoliert vererbbar (OMIM 607086). Histologisch unterliegt sowohl den syndromalen als auch den familiären isolierten Formen eine zystische Medianekrose ErdheimGsell mit einem Verlust elastischer Fasern, mukopolysaccharid-ähnlichen Ablagerungen und zystischen Veränderungen der medialen Aortenwand. Bislang wurden fünf verantwortliche Chromosomenregionen identifiziert (AAT1 bis AAT5). AAT3 kann durch Mutationen des TGFBR2-Gens, AAT4 durch Mutationen im Gen für „myosin heavy chain 11“ (MYH11) und AAT5 durch Mutationen des TGFBR1-Gens hervorgerufen werden. Für AAT1 und AAT2 sind die zugrunde liegenden Gene noch unbekannt. Ein familiäres thora Jg. 105 Heft 27 4. Juli 2008 Deutsches Ärzteblatt Indikation zum prophylaktischen Ersatz der Aortenwurzel bei Kindern > Operation sollte möglichst erst nach Abschluss des Wachstums stattfinden > Beurteilung des Aortenwurzeldurchmessers orientiert sich an den Kriterien für Erwachsene > Aortenwurzeldurchmesser, die sich über Jahre oberhalb und parallel des oberen Konfidenzintervalls befanden, weichen im Verlauf der echokardiografischen Kontrollen plötzlich weiter nach oben ab Indikation für Mitralklappenoperation > Die Indikation wird entsprechend den allgemeinen Empfehlungen der American Heart Association gestellt Endokarditisprophylaxe > Als Mindeststandard gelten die aktuellen Empfehlungen der American Heart Association. Die American Heart Association empfiehlt eine Endokarditisprophylaxe nur noch bei Patienten mit prothetischem Klappenersatz, nach abgelaufener Endokarditis oder bei Valvulopathie nach Herztransplantation. Da das Risiko einer Endokarditis bei Marfan-Patienten jedoch als sehr hoch eingeschätzt wird, empfiehlt das Professional Advisory Board der US-amerikanischen National Marfan Foundation eine Endokarditisprophylaxe auch bei Dysfunktion der nativen Herzklappen. kales Aortenaneurysma mit Dissektion (TAAD) kann auch durch Mutationen im ACTA2-Gen bedingt sein (21). Seit langem ist bekannt, dass eine bikuspide Aortenklappe (BAV) häufig mit einer zystischen Medianekrose und dem Risiko für ein akutes Aortensyndrom assoziiert sind. Familiäre Formen der BAV können durch Mutationen im NOTCH1-Gen (OMIM 190198) bedingt sein. Die Unterscheidung dieser Syndrome nach genetischen Ursachen der Aneurysmenbildung erlangt zunehmend auch prognostische und therapeutische Bedeutung, wie an Beispielen im Folgenden gezeigt wird. Klinisches Management Die Fortschritte in der Erkenntnis neuer Syndrome, neuer molekularer Ursachen und verbesserter syndromaler Zuordnung führen, im Sinne der genannten Beispiele, zu einer grundsätzlichen Neukonzeption des klinischen Managements. Die Kernfrage lautet: Wie kann die syndromale Zuordnung einer Aortenerkrankung für eine präzisierte Risikoeinschätzung und damit für eine individuelle medizinische Betreuung genutzt werden? 489 MEDIZIN Ein Beispiel: Die Mutationsdiagnostik kann durch Nachweis einer FBN1-Mutation ein Loeys-DietzSyndrom Typ 1 und Typ 2 ausschließen. Zur Diagnose eines Marfan-Syndroms Typ 1 müssen jedoch weiterhin die klinischen Kriterien der Genter Nosologie erfüllt sein. Sind diese Kriterien nicht erfüllt, kommt immer noch ein MASS-Phänotyp, ein ShprintzenGoldberg-Syndrom, ein Weill-Marchesani-Syndrom, ein familiäres thorakales Aortenaneurysma oder eine familiäre thorakale Aortendissektion in Betracht. Hier muss die weitere Differenzialdiagnostik dann aufgrund klinischer Kriterien erfolgen. Zeigt die Mutationsdiagnostik jedoch, dass keine Mutation des FBN1Gens besteht, sondern stattdessen eine Mutation im TGFBR1-Gen, so könnte es sich sowohl um ein Marfan-Syndrom Typ 2 als auch um ein Loeys-DietzSyndrom Typ 1 oder Typ 2 handeln. Die Entscheidung, ob es sich um ein Marfan-Syndrom Typ 2 oder eines der Loeys-Dietz-Syndrome handelt, ist wieder nur klinisch möglich. Die therapeutischen Konsequenzen sind je nach Diagnose unterschiedlich (9). Die Grafik illustriert den auf kombinierter molekularer und klinischer Information beruhenden Algorithmus zur Differenzialdiagnose angeborener Aortenerkrankungen. Nur eine kombinierte klinische und molekulare Analyse ermöglicht die korrekte Diagnose und eine verbesserte prognostische Einschätzung mit entsprechender Ausrichtung prophylaktischer Maßnahmen. Aktuelle Daten weisen darauf hin, dass auch die Lokalisation und Art einer Mutation im FBN1-Gen mit bestimmten prognostischen Merkmalen assoziiert sein kann (22). Je nach Risiko für die Entwicklung eines akuten Aortensyndroms werden individuelle Beschränkungen der Sport- und Alltagsaktivitäten, Intervalle für bildgebende Verlaufskontrollen, die Einnahme aortenprotektiver Medikamente und die Indikation zum prophylaktischen Aortenersatz angepasst. Aufgrund der Seltenheit der verschiedenen Syndrome liegen noch keine umfangreichen kontrollierten Studien über das jeweilige medizinische Management vor. Eine Übersicht über die Prinzipien der Behandlung bei Marfan-Syndrom bietet der Kasten 3. Interdisziplinäre Versorgung Erkrankungen mit Beteiligung mehrerer Organsysteme verlangen eine koordinierte Betreuung durch verschiedene Fachdisziplinen. Optimal ist eine interdisziplinäre Versorgung der Patienten, wobei sämtliche Befunde und Berichte über Behandlungsstrategien an einer zentralen Stelle erfasst werden. Bisherige Erfahrungen von Betroffenen zeigen, dass dies nur selten in Deutschland der Fall ist (www.marfanhilfe.de). Unkenntnis des Marfan-Syndroms bis zum eingeschränkten, ausschließlichen Blick auf das eigene Fachgebiet des Spezialisten wird beklagt (Kasten 1 und 2). Die Patienten sollten immer einen Notfallausweis mit sich führen. Bei einer Notfallaufnahme nach einer akuten Aortendissektion wird der starke, plötzliche Schmerz im Brustbereich nicht als Herzinfarkt 490 verkannt, wenn ein Marfan-Notfallausweis vorliegt. Bei zahnärztlichen Eingriffen wird die antibiotische Endokarditisprophylaxe nicht vergessen und bei einer Schwangeren mit Marfan-Syndrom kann der Geburtshelfer den geeigneten Entbindungsmodus rechtzeitig planen. Das Ziel sollte die frühzeitige Diagnose sein, um präventive Maßnahmen und regelmäßige Kontrolluntersuchungen zeitgerecht einleiten zu können. Die medizinische Behandlung kann durch Vermeidung von Komplikationen und Notfalloperationen optimiert werden, und somit kann eine Verbesserung des Krankheitsverlaufs und der Lebenserwartung erreicht werden. Herrn Professor Hans Georg Borst zum 80. Geburtstag gewidmet. Interessenkonflikt Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht. Manuskriptdaten eingereicht: 5. 10. 2007, revidierte Fassung angenommen: 21. 2. 2008 LITERATUR 1. Management of genetic syndromes, 2nd edition. Cassidy SB, Allanson JE (Hrsg.) Hoboken: Wiley-Liss 2005. 2. von Kodolitsch Y, Baumgart D, Eggebrecht H et al.: Das akute Aortensyndrom. Dtsch Arztebl 2003; 100(6): A 326–33. 3. Silvermann DI, Burton KJ, Gray J et al: Life expectancy in the Marfan syndrome. 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They have in common a dramatically increased risk of life-threatening dissecting aortic aneurysms, which must be prevented by elective aortic replacement. Methods: Selective review of the literature supplemented by own clinical experience. Results: Marfan syndrome and Marfan-related syndromes are phenotypically highly variable. The full-blown clinical picture is not always present, and particular symptoms can be missing altogether. Accordingly, it is often very difficult to diagnose a specific syndrome in the individual patient. In many cases, only a combination of genetic tests and clinical assessment can settle the differential diagnosis, thus enabling better prognostication and better planning of preventive measures. Discussion: The diagnosis and treatment of individual patients with Marfan syndrome and Marfan-related syndromes requires an interdisciplinary approach. This can only be achieved through a coordination of medical care with centralized recordkeeping of all diagnostic findings. Dtsch Arztebl 2008; 105(27): 483–91 DOI: 10.3238/arztebl.2008.0483 Key words: Marfan syndrome, molecular medicine, genetic testing, aneurysm, aortic syndrome, mitral valve prolaps @ The English version of this article is available online: www.aerzteblatt-international.de REFERIERT Calcium und Vitamin D zur Osteoporoseprophylaxe Die Primärprävention osteoporotischer Frakturen gewinnt angesichts der weiter alternden Bevölkerung zunehmend an Bedeutung. Ziel der vorliegenden Metaanalyse war eine Auswertung aller verfügbaren Studien zum Einsatz von Calcium und Vitamin D zur Beeinflussung der Knochendichte und zur Frakturreduktion bei über 50-Jährigen. Die Daten wurden aus Medline Embase, Current Content, CINAHL, der Database of Abstracts of Reviews of Effects( DARE) und dem Cochrane Central Register of Controlled Trials ( CENTRAL ) gewonnen. In allen Studien war eine Supplementierung mit Calcium oder Calcium und Vitamin D gegen Placebo getestet worden. In die Metaanalyse eingeschlossen wurden 29 Studien, 17 davon berichteten über Frakturraten, 24 über die Knochendichte. Erfasst wurden die Daten von 63 897 Patienten, zu 92 % Frauen mit einem Durchschnittsalter von 67,8 Jahren. In 13 Studien kam eine Calcium/Vitamin- D- Kombination zum Einsatz, in den restlichen Studien wurde nur Calcium gegeben. Durch die Supplementierung konnte das relative Frakturrisiko signifikant um 12 % gesenkt werden ( RR 0,88; 95-%-KI: 0,83–0,95; p = 0,0004). Auch der Knochenmassenverlust konnte durch die Substitutionstherapie signifikant reduziert werden. So betrug die prozentuale Differenz des Knochenmassenverlusts im Hüftbereich 46 % (RR 0,54; 95-%-KI: 0,33–0,37; p = 0,0001 ), im Bereich der Wirbelsäule 19 % (RR 1.19; 95-%-KI: 0,76–1,01; p = 0,0001). Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Gabe von Calcium beziehungsweise einer Kombination von Calcium und Vitamin D bei Menschen jenseits des 50. Lebensjahres das Frakturrisiko senken kann. Empfehlenswert sind dabei Tagesdosen von 1 200 mg Calcium und 800 IU Vitamin D. 221 Menschen müssen ein Jahr lang behandelt werden, um eine Fraktur zu verhindern (NNT 221). Besonders empfehlenswert scheint eine Supplementierung alter Heimbewohner mit eingeschränkter körperlicher Aktivität und niedrigem Nahrungscalcium. w Tang BM et al.: Use of calcium or calcium in combination with vitamin D supplementation to prevent fractures and bone loss in people aged 50 years and older: a meta-analysis. Lancet 2007; 370: 657–66. E-Mail: [email protected] Jg. 105 Heft 27 4. Juli 2008 Deutsches Ärzteblatt 491