1 Marfan-Syndrom (MFS) (MIM ID 154700) Allgemeines Das Marfan-Syndrom ist eine autosomal dominant vererbte Erkrankung, die mit einer Häufigkeit von 1.5.000-1:10.000 vorkommt. Kennzeichnend für die Erkrankung ist ein generalisierter, fehlerhafter Aufbau des Bindegewebes der in der Folge zu einem mehr oder weniger ausgeprägtem Stabilitätsverlustes des Gewebes führt. Da das Bindegewebe am Aufbau fast aller Strukturen des Körpers beteiligt ist, kommt es beim MarfanSyndrom zu einem breiten Spektrum klinischer Manifestationen in verschiedenen Organsystemen. Am häufigsten betroffen sind jedoch Skelett-, Kardiovaskuläressystem, Augen, Lunge, Haut und Muskulatur, wobei die Kombination und Ausprägung der einzelnen Symptome individuell sehr unterschiedlich sein können. Krankheitsbild/Indikation Die Diagnose des Marfan-Syndroms wird nach internationaler Übereinkunft nur dann gestellt, wenn eine bestimmte Kombination von klinischen Symptomen vorliegt. In der 1996 zusammengestellten und 2010 überarbeiteten, sogenannten Ghenter Nosologie, ist diese Kombination festgelegt. Die einzelnen Symptome sind in Haupt- (Aortenbeteiligung/Linsenluxation) und Nebenkriterien unterteilt. Beim Marfan-Syndrom können folgende Symtome der verschiedenen Organsysteme auftreten: - Skelett-System: Übermäßiges Längenwachstum, Spinnenfingrigkeit (Arachnodaktylie), verlängerte Extremitäten(Dolichostenomelie), Trichter- bzw. Kielbrust, Skoliose - Kardiovaskuläres-System: Aortendilatation, Aortendissektion, Mitralklappen-, oder Pulmonalklappen-Prolaps, Erweiterung der proximalen Pulmonalaterie Veränderung des Kardiovaskulärensystems sind die Hauptursache für Morbidität und Mortalität - Augen: Kurzsichtigkeit (Myopie), Linsenluxation, erhöhtes Risiko für Netzhautablösung, Glaukom und Linsentrübung (Katarakt) Genetik Ursächlich für das Marfan-Syndrom sind Mutationen im FBN1-Gen (MIM ID134797, Chromosom 15). Dieses Gen kodiert für das Protein Fibrillin1, ein Hauptbestandteil der Mikrofibrillen der extrazellulären Bindegewebsmatrix. Bisher sind mehr als 1.400 verschiedene Mutationen im FBN1-Gen beschrieben worden, die sich über das gesamte Gen verteilen und unterschiedliche Domänen des Gens betreffen. Diese Mutationen können zum einen das klassische Marfan-Syndrom auslösen, aber auch ursächlich für andere Syndrome (Ectopia lentis Syndrom, Mitralklappenprolaps-Syndrom, etc.) sein, bei denen nur einzelne der für das Marfan-Syndrom typischen Symptome vorliegen. Bei Patienten mit klassischem Marfan-Syndrom, die nach den Ghenter Kriterien diagnostiziert wurden, ist es in ca. 93% der Fälle möglich die zugrunde liegende Mutation im FBN1-Gen zu detektieren. Bei Patienten, die lediglich eine Teilsymptomatik des Marfan-Syndroms und zusätzlich weitere Symptome aufweisen, ist differentialdiagnostisch an das Marfan-ähnliche Syndrom oder das MFS2 zu denken. Hier können Mutationen in den Genen TGFBR1 und TGFBR2 vorliegen. In seltenen Fällen können Mutationen in diesen Genen ebenfalls ein klassisches MFS auslösen. Diagnostik Analyse des FBN1-Gens mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und Sequenzierung. Anschließend Analyse hinsichtlich großer Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA. Untersuchungsmaterial 2 ml EDTA-Blut Dauer der Untersuchung 4-6 Wochen 2013 INSTITUT FÜR MEDIZINISCHE GENETIK UND MOLEKULARE MEDIZIN – MOLEKULARGENETISCHE DIAGNOSTIK DRES. A. & H. JUNG – PAUL-SCHALLÜCK-STR. 8 – D-50939 KÖLN 2 Sonstiges Dem beim Marfan-Syndrom vorliegenden, stark erhöhten Risiko eines akuten Aortensyndroms lässt sich mithilfe regelmäßiger Kontrollen des Kardiovaskulärensystems, sowie ggf. mit der Gabe von Medikamenten oder einer vorbeugenden Operation entgegenwirken. Literatur Texte in Anlehnung an: M. Arslan-Kirchner, Y. von Kodolitsch, J. Schmidtke, Genetische Diagnostik beim Marfan-Syndrom und verwandten Erkrankungen, Deutsches Ärzteblatt, Jg.105 (27), 2008 http://www.ncbi.nlm.nih.gov/sites/GeneTests/review?db=GeneTests GeneTests™ http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK1116 GeneReviews™ http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed PubMed http://www.ncbi.nlm.nih.gov/omim Online Mendelian Inheritance in Man® (OMIM®) http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/index.php?lng=EN orphan.net (The portal for rare diseases and orphan drugs) 2013 INSTITUT FÜR MEDIZINISCHE GENETIK UND MOLEKULARE MEDIZIN – MOLEKULARGENETISCHE DIAGNOSTIK DRES. A. & H. JUNG – PAUL-SCHALLÜCK-STR. 8 – D-50939 KÖLN