M E D I Z I N AKTUELL Serie: Diabetische Neuropathie Gerhard Reichel1 Bernhard Neundörfer2 Pathogenese und Therapie der peripheren diabetischen Polyneuropathien Chronische distale sensomotorisch-vegetative Polyneuropathien treten sowohl beim Diabetes mellitus Typ I als auch beim Typ II mit einer Häufigkeit von 20 bis 50 Prozent auf. Die gemeinsame pathogenetische Schiene dieser Polyneuropathien ist ohne Zweifel die Hyperglykämie. Sie wird als Ursache einer Aktivierung des Polyolstoffwechsels mit nachfolgender energetischer Erschöpfung der Nervenzelle, der vermehrten Proteinglykosylierung mit resultierender endoneuraler Hypoxie sowie des gesteigerten oxidativen Stresses angesehen. Aus den Kenntnissen über die Pathogenese dieser Polyneuropathien werden therapeutische Konsequenzen abgeleitet, die bislang unterschiedliche klinische Relevanz erlangten. ür die verschiedenen Formen xische Medikamente (Nitrofurantoin, (6). Grundsätzlich besteht eine positider diabetischen Nervenkrank- Barbiturate, Zytostatika) Ursachen ve Korrelation der Polyneuropaheiten sind in unterschiedli- einer chronischen distalen Neuropa- thiehäufigkeit mit der Diabetesdauer chem Maße metabolische, vas- thie. Alle anderen Ursachen machen (Grafik 1). Allerdings sind bei über 20 kuläre und mechanische Faktoren be- jeweils weniger als ein Prozent aus Prozent der über 50jährigen Diabetideutsam. Insbesondere die ker schon bei oder kurz Grafik 1 Mononeuro- und Radikulopanach Entdeckung des Diathien haben bei Diabetikern betes klinisch manifeRelative PNP-Häufigkeit ihr eigenes Gepräge. Ihre Paste Polyneuropathien fest(%) 60 thogenese kann mechanische zustellen, ein Umstand, Faktoren (zum Beispiel Karder die Schwierigkeipaltunnel-Syndrom), aber auch ten bei der Festlegung 40 vaskuläre Störungen des Hirndes Manifestationszeitstammes wie Okulomotoripunktes eines Typ-II-Diausparese einschließen. Auch betes und/oder andere im 20 die proximale diabetische höheren Alter zunehmenAmyotrophie wird überwiede neuropathische Ein0 gend als Folge lokaler Durchflüsse widerspiegelt. Moblutungsstörungen am Plexus dulierende Faktoren wie lumbalis interpretiert. Malabsorption und Ma≥ 50 Weit über 90 Prozent der kroangiopathie geben der diabetischen Neuropathien Polyneuropathie beim Typ40 - 49 sind aber den chronischen diII-Diabetes ein besondestalen symmetrischen sensores Gepräge, worauf wei30 - 39 motorisch-vegetativen diabetiter unten noch eingegan≥ 15 schen Neuropathien (cdNP) gen wird. Lebensalter ≤ 29 5 - 14 in Jahren zuzuordnen. Im vorliegenden ≤4 Beitrag soll deshalb nur auf Diabetesdauer in Jahren diese Form der diabetischen Hyperglykämie Neuropathien eingegangen als Hauptfaktor werden. Eine Neuropathie bei Die Häufigkeit klinisch manifester cdPNP bei 789 Diabetikern, bezogen auf Die Bedeutung der Diabetes muß nicht eine dia- Lebensalter und Diabetesdauer (aus Reichel G: Diabetes und Nerv, Jena 1989) Hyperglykämie als Hauptbetische Neuropathie (im Sinfaktor für die Auslösung peripherer ne einer diabetesspezifischen Patho- 1 Neurologische Abteilung (Chefarzt: Prof. genese) sein. Neben dem Diabetes Dr. Gerhard Reichel) der Paracelsus Klinik und viszeraler Nervenschäden wird heute nicht mehr bezweifelt. Das hasind in Europa Alkoholabusus, Mal- Zwickau absorption, Neoplasmen, Periarteri- 2 Neurologische Klinik und Poliklinik (Direk- ben auch die jüngst veröffentlichten itis nodosa, hereditäre motorisch-sen- tor: Prof. Dr. med. Bernhard Neundörfer) der Ergebnisse der DCCT-Studie (Diabetes Control and Complications Trial) sible Polyneuropathien und neuroto- Universität Erlangen-Nürnberg F Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 15, 12. April 1996 (41) A-963 M E D I Z I N AKTUELL (2) bewiesen. In der Studie wurde der Einfluß der intensivierten InsulinTherapie (ICT) in der Primär- und Sekundärprävention untersucht. Gegenüber der konventionell behandelten Gruppe wurden durch ICT das Auftreten einer Neuropathie nach fünf Jahren um 69 Prozent, das Fortschreiten um 57 Prozent vermindert. Manche Fragen der Pathogenese der cdNP sind aber noch offen, wohl auch deshalb, weil nach wie vor keines der verfügbaren Tiermodelle voll die beim Diabetiker auftretenden Nervenveränderungen reproduziert. Dies trifft insbesondere für die Neuropathie bei Typ-II-Diabetes zu. matischer Proteinglykosylierung, endoneuraler Hypoxie, freien Radikalen und Axontransportstörungen vermutet. Darüber hinaus werden immunologische Störungen für das Entstehen der cdNP verantwortlich gemacht. Antikörper gegen GlutamatDecarboxlase und gegen sympatische Ganglien wurden nachgewiesen. Sorbitol-MyoinositolNa1/K1-ATPase-Hypothese Die Hyperglykämie führt zur Aktivierung des Polyolstoffwechsels als alternativem Weg der Glukosever- ATPase zieht eine zunehmende energetische Erschöpfung der Nervenzellen nach sich. Erstes Zeichen dafür ist die Störung der elektrischen Erregungsleitung, die sich klinisch in der Amplituden-/Flächenreduktion der Nervenund Muskelsummenpotentiale nach elektrischer Stimulation und in der Minderung der Nervenleitgeschwindigkeiten zeigt. Einen gleichsinnigen negativen Effekt auf die ATPase-Aktivität haben die beim Diabetes vermehrt vorliegenden Ketonkörper, die Schlüsselenzyme (Pyruvat- und Ketoglutarat-Dehydrogenase) der aeroben Glykolyse in den Mitochondrien Grafik 2 Insulinmangel Insulinresistenz Stoffwechselführung Myoinositol Hyperglykämie Aminoguanidin Thioctsäure Abnahme des Myoinositolgehaltes Proteinglykierung Gamma-Linolensäure Erhöhte Aktivität des Polyol Pathway Aldose-ReduktaseHemmer Endoneurale Hypoxie Geminderter Abtransport Kapillarpathologie Makroangiopathie Freie O2-Radikale Geminderte Na/K-ATPase Thioctsäure Störung der Erregungsleitung Axonale Strukturveränderungen Die Pathogenese der cdPNP und die therapeutischen Einflußmöglichkeiten (verändert nach Low PA et al.: Nerve microenvironment in diabetic neuropathy 1987) Die im folgenden beschriebenen pathogenetischen Hypothesen sind als Einzelschritte in der Herausbildung der cdNP in der Diskussion. Zum einen sind es biochemische Befunde, die eine Sorbitol-MyoinositolNa1/K1-ATPase-Hypothese begründet haben. Zum anderen werden axonale Strukturveränderungen als Folge komplexer Prozesse mit nichtenzyA-964 stoffwechselung. Die Aktivität der Aldosereduktase ist erhöht. Es resultiert eine intraneurale Sorbitolakkumulation. Die erhöhte Sorbitolkonzentration im Nerv führt sekundär zur Myoinositoldepletion. Myoinositol ist Bestandteil der für die Nervenfunktion entscheidenden membranständigen Na1/K1-ATPase. Die resultierende Funktionsstörung der Na1/K1- (42) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 15, 12. April 1996 hemmen. Die energetische Erschöpfung verstärkt sich schließlich im Sinne eines Circulus vitiosus selbst. Die Myoinositoldepletion mindert die Na1/K1-ATPase-Aktivität, wodurch wiederum eine weitere Abnahme der nervalen Myoinositolaufnahme induziert wird. Nach wie vor ist es schwierig, die beschriebenen Störungen mit den M E D I Z I N AKTUELL strukturellen Veränderungen bei der rungen auch schon bei oder kurz nach Neuropathie in Zusammenhang zu Manifestation des Diabetes auftrebringen. Im Tierexperiment ist eine ten, und zwar nicht nur als Korrelation pathologischer elektro- elektroneurophysiologische Abweineurographischer Befunde mit einer chungen, sondern als klinisch manifeAblösung der terminalen Myelin- ste, vorwiegend somatische Neuropaschleifen vom Axon am Ranvier- thie. Elektroneurographisch zeigen schen Schnürring nachgewiesen wor- sich dabei eine Betonung der Nervenden. Diese Entkopplung hat eine Re- leitgeschwindigkeitsminderung an duktion der nodalen Natriumper- den motorischen Fasern sowie Vermeabilität zur Folge, wodurch die Er- änderungen der Form und Amplituregungsleitungsstörungen erklärt sind. Möglicherweise stellt Therapieschema diese Entkopplung eine Vorstufe zur paranodalen und schließ1. Optimierung der Stoffwechselführung lich segmentalen Entmarkung – kontinuierliche subkutane dar. Insulininfusion? Nichtenzymatische Proteinglykosylierung – intensivierte konventionelle Insulintherapie? – Insulin bei bisher mit Antidiabetika geführten Diabetikern? Prozent der Diabetiker ohne Makroangiopathie (7). Es ist daher denkbar, daß ein Teil der Neuropathien bei Typ-II-Diabetes pathogenetisch auch mit der Makroangiopathie verknüpft ist. Im Zusammenhang mit Veränderungen der endoneuralen Kapillaren werden auch Störungen des Metabolismus essentieller Fettsäuren diskutiert. Eine Förderung der Thrombozytenaggregation und der Vasokonstriktion soll die Folge sein. Neurotrophie-Defizit und axonaler Transport Die axonalen Strukturveränderungen, die sich tierexperimentell und in Suralisbioptaten bei cdNP zeigen, werden als Folge einer Axontransportstörung und eines Defizits an neurotrophen Faktoren angesehen. Insbesondere soll der Nervenwachstumsfaktor (NGF) bei diabetischen Tieren verringert sein und somit das Regenerationspotential eines geschädigten Neurons negativ beeinflussen. Der axonale Transport, der sowohl anterograde als auch retrograde Komponenten einschließt, hält die Funktion und Struktur der Nervenzelle und ihrer Fasern aufrecht. Tierexperimentell wurden verschiedene Störungen des axonalen Transports beim Diabetes nachgewiesen, die wesentlich zur axonalen Degeneration beitragen sollen. Bei hohen Glukosekonzentrationen entstehen durch nicht– Antidiabetika bei bisher diätetisch enzymatische Glykosylierung an geführten Diabetikern? den Aminogruppen körpereige2. Beseitigung von neurotoxischen ner Proteine reversible VerbinEinflüssen und von Begleiterkrankungen dungen, aus denen durch oxida– Alkohol? tive Prozesse irreversible „ad– neurotoxische Medikamente? vanced glycosylated endprod(Nitrofurane, Zytostatika, Chloroquin, ucts“ (AGE) entstehen. Die Gold, INH, ...) physikalischen und chemischen – Lösungsmittel, Schwermetalle, Eigenschaften der Proteine verAcrylamid, Insektizide, Fungizide? ändern sich entscheidend, wo– Störungen der Schilddrüse, Niere, durch sowohl Enzyme als auch intestinalen Resorption? Strukturproteine in ihren Funk– kardiale Insuffizienz? tionen gestört werden. Die Proteinglykosylierung 3. Thioctsäure 600 mg i.v. mindestens soll ein wichtiger Schritt bei der 14 Tage lang, danach oral Herausbildung der Mikroangio4. B-Vitamine (möglichst nur parenteral) pathie und über diesen Weg sobei nachgewiesenem Mangel wie auch unabhängig davon, zum Beispiel über eine Phagozytose 5. Symptomatische Behandlung sensibler von AGE der Myelinproteine, Reizerscheinungen und vegetativer zur segmentalen Entmarkung Oxidations- und Störungen führen. Eine endoneurale HypoRadikalstreß 6. Psycho- und physiotherapeutische xie kann offensichtlich über den Betreuung Bei der Umwandlung von Weg der Mikroangiopathie, aber Monosacchariden zu Endiolauch durch funktionelle StörunAnionen werden unter Einwirgen entstehen. Tierexperimentell kann eine Abnahme der endoneu- de der evozierten Muskelsummen- kung von Metallionen H2O2 und OH+ ralen Sauerstoffspannung durch er- potentiale. Häufig sind pathologi- freigesetzt. Peroxide und freie Radiniedrigte Perfusion bei erhöhtem Ge- sche Befunde nur an den Beinnerven kale sind chemisch hochaktiv und reafäßwiderstand nachgewiesen werden. anzutreffen. Im höheren Alter be- gieren bevorzugt mit ungesättigten Morphologische Untersuchun- steht auch eine statistische Bezie- Verbindungen, wie sie in Proteinen gen am N. suralis ergaben bei Diabe- hung zwischen Polyneuropathie und und Phospholipiden vorkommen. Diese Reaktionen führen zu tikern eine erhöhte Zahl von Kapil- Makroangiopathie. 78,7 Prozent der larverschlüssen. Diabetiker mit Makroangiopathie Funktionseinbußen an EnzymproteiIm höheren Lebensalter können haben erniedrigte Nervenleitge- nen, Membranlipiden und an der die peripheren neurogenen Verände- schwindigkeiten, dagegen nur 38,8 DNA. Normalerweise entgiftet der Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 15, 12. April 1996 (45) A-965 M E D I Z I N AKTUELL Organismus die Peroxide und Radikale enzymatisch (Katalase, Peroxidase und Superoxid-Dismutase) oder durch Radikalfänger. Substanzen wie Vitamin E, Glutathion und a-Liponsäure werden beim Reagieren mit freien Radikalen selbst oxidiert und können anschließend wieder in ihre reduzierte Form zurückgeführt werden. Es ist tierexperimentell nachgewiesen, daß die antioxidativen Schutzsysteme beim Diabetes in ihrer Aktivität reduziert sind. Der daraus resultierende vermehrte oxidative Streß wird als eine Ursache der axonalen Degeneration angesehen. Kausale Therapie der cdPN Aus den beschriebenen pathogenetischen Konzepten lassen sich verschiedene Therapieansätze ableiten (Grafik 2). Als Basis einer Kausaltherapie gilt die Minimierung des ätiologischen Hauptfaktors Hyperglykämie. Obwohl die Wirkung einer optimalen Stoffwechselführung bei fortgeschrittener cdNP im Einzelfall nicht immer überzeugend ist, hat die Mehrzahl der zu diesem Thema durchgeführten Untersuchungen bestätigt, daß dadurch funktionelle Störungen und Reizerscheinungen relativ rasch gebessert werden können. Es kommt auch zu einer langsamen Besserung von Parametern, die wahrscheinlich strukturellen Veränderungen anzulasten sind, und im Gegensatz zu Kontrollgruppen tritt keine weitere Verschlechterung ein (5). Ausgehend von der Hypothese der erhöhten Aktivität des PolyolStoffwechsels wurde die Anwendung von Aldose-Reduktase-Inhibitoren vorgeschlagen. Entsprechende Präparate sind in einigen Ländern zugelassen. In den vorliegenden Doppelblindstudien wurden aber nur minimale Effekte nachgewiesen, so daß eine breite Anwendung der Aldose-Reduktase-Hemmer derzeit nicht gerechtfertigt ist. Myoinositol-Mangel ist bei experimentellen diabetischen Nervenstörungen nachgewiesen. Der Nutzen einer Substitution wurde aber noch nicht erwiesen. Gamma-Linolensäure kompensiert den Delta-6-Desaturasemangel A-966 im Nerven und kann dadurch den ge- ker auftreten kann, ist bei einem solstörten Metabolismus der essentiellen chen Nachweis die Vitamingabe indiFettsäuren korregieren. Sie ist Vor- ziert. Vitamine müssen dann mögläufer des Prostazyklins und führt auf lichst parenteral appliziert werden. diesem Wege zur Erweiterung der terGangliosid-Gemische aus Rinminalen Strombahn, Verbesserung derhirn verbessern im Tierexperider nutritiven Mikrozirkulation und ment bei parenteraler Gabe die RegeVermeidung der neuronalen Hypo- neration geschädigter Nervenfasern. xie. Die bislang vorliegenden klini- Ein entsprechendes Präparat wurde schen Studien lassen vielversprechen- in Deutschland 1989 nach dem Aufde therapeutische Effekte erkennen. treten von sechs Guillain-BarréAminoguanidin inhibiert die Bil- Strohl-Syndromen während der Bedung von AGE. Unter Aminogua- handlung vom Markt genommen. Alnidin normalisiert sich bei diabeti- le Untersuchungen zur kausalen meschen Ratten die Nervenleitgeschwin- dikamentösen Behandlung der cdNP digkeit, und paranodale Demyelini- sind wegen des chronischen, nicht sierung und axonale Atrophie treten vorhersagbaren Verlaufs der Erkrangeringer auf. Klinische Erfahrungen kung erschwert. Nebenerkrankunliegen mit diesem Präparat noch nicht gen, neurotoxische Einflüsse und sevor. Letzteres gilt auch für Uridin und kundäre Nervenschäden (zum BeiAcetyl-L-Carnitin. spiel urämische Neuropathie bei diaa-Liponsäure wurde bereits vor betischer Nephropathie, Malassimila35 Jahren in die Therapie der cdNP tion bei diabetischer Enteropathie) eingeführt. Tierexperimentell wurde variieren das klinische Bild und lasdie Wirkung der Thioctsäure als Ra- sen im Einzelfall das Bedingungsdikalfänger bei gefüge für Entsteder Verhinderung hen, Fortschreider AGE-Bildung In der Serie ten oder Unterund – als Koen- „Diabetische Neuropathien“ halten einer Neuzym des Pyruvat- sind bisher erschienen: ropathie undurchund Ketoglutarat- (1) Editorial „Diabetische Neuropaschaubar werden. DehydrogenaseDarüber hinaus thie – Einführung in die Thematik Komplexes – bei ist nach wie vor der Serie“, Gries F A: Dt. Ärztebl der Verminderung nicht entschie1996; 93: A-678 [Heft 11] der Ketonkörperden, welche Zielbildung nachge- (2) Ziegler D, Gries F A: “Klassifikati- symptome für die on, Epidemiologie, Prognose wiesen. ThioctBewertung eiund sozialmedizinische Bedeusäure verbessert nes Therapietung“. Dt. Ärztebl 1996; 93: Adie Glukoseutieffektes heranzu680–684 [Heft 11] lisation und minziehen sind. Sensidert dadurch ble Reizerscheidie Hyperglyknungen können ämie. Eine klinische, doppelblind sich zum Beispiel „bessern“, wenn die durchgeführte Studie mit a-Li- Nervenfaser ihre Erregungsleitung ponsäure hat die Verbesserung neuro- vollständig einstellt. Das Taubheitspathischer Beschwerden belegt (9). In gefühl wird vom Patienten eher toleeiner weiteren, placebokontrollierten riert als die Parästhesien. Das oft geStudie wurde gezeigt, daß sich durch nutzte elektroneurographische Kritemehrmonatige orale a-Liponsäu- rium „Nervenleitgeschwindigkeit“ teretherapie auch eine positive Wir- stet nur die Geschwindigkeit der Erkung auf gestörte vegetative Funktio- regungsleitung der schnellsten, dicknen erzielen läßt. Weitere Untersu- bemarkten Fasern. Es ist wegen mögchungen sind notwendig licher aktueller Stoffwechseleinflüsse Vitamine der B-Gruppe wurden störanfällig und versagt bei Läsionen nur in wenigen Studien – und dann dünner Fasern und bei axonalen Nermit unterschiedlichem Erfolg – auf ih- venschäden (3). In letzteren Fällen re Wirkung bei der cdNP geprüft. Da sind eher Fläche und Amplitude der als Begleit- oder Folgeerscheinung Muskel- oder Nervensummenpotenein Vitaminmangel bei bestimmten tiale nach elektrischer Reizung zur Konstellationen auch beim Diabeti- Bewertung der Erregungsfunktion (46) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 15, 12. April 1996 M E D I Z I N AKTUELL/FÜR SIE REFERIERT der Nervenfasern geeignet. Die „Peripheral Nerve Society“ empfiehlt, zur Beurteilung einer therapeutischen Wirkung in kontrollierten Studien drei Merkmale heranzuziehen: Die Abnahme von Symptomen (zum Beispiel verminderte Sensibilität, Schmerz, orthostatische Hypotonie, erektile Impotenz), die Besserung neurologischer Defizite (zum Beispiel quantitative sensorische Tests, autonome Funktionstests, Nervenleitungsgeschwindigkeit) und die Abnahme von Komplikationen (wie eingeschränkte Lebenserwartung, diabetisches Fußulkus, kardiale Komplikationen), wobei einschränkend das letztgenannte Kriterium große Versuchsgruppen und lange Studiendauer erfordert. Die kausale Therapie der cdNP hat zum Ziel, mögliche Schädigungsfaktoren zu eliminieren; dazu gehört nicht nur die Behandlung der Grundkrankheit, sondern auch die Beseitigung zusätzlicher neurotoxischer Faktoren. So wird man dem Patienten dringend Alkoholabstinenz nahelegen. Potentiell neurotoxische Medi- kamente dürfen nicht verordnet werden (zum Beispiel Nitrofurantoin bei Niereninsuffizienz). Gelegentlich bringt auch die Behandlung einer Begleiterkrankung, die keinen unmittelbaren Zusammenhang mit der PNP zu haben scheint, eine Besserung des Beschwerdebildes (zum Beispiel Behebung einer kardialen Insuffizienz) (siehe Textkasten Therapieschema). Da bislang noch kein überzeugend und rasch wirksames Therapieprinzip für die cdNP etabliert wurde, verwenden wir das in der Tabelle dargestellte Schema. Wir sind uns bewußt, daß es in manchem Punkt einen Kompromiß darstellt zwischen bewiesener Wirkung und Empirie. Zitierweise dieses Beitrags: Dt Ärztebl 1996; 93: A-963–968 [Heft 15] Literatur 1. Baumgarten HG und Blottner D: Diabetische Polyneuropathie – Pathobiochemie und Pathophysiologie. In: Althoff Ulrich (Hrsg.): Der diabetische Problempatient unter besonderer Berücksichtigung der diabetischen Polyneuropathie. Frankfurt am Main 1990, pmi, 14–27 „Mikropille“ und das Risiko für Herzinfarkt und venöse Thromboembolien Benutzerinnen von Kontrazeptiva der dritten Generation haben ein geringeres Herzinfarktrisiko, verglichen mit Frauen, die orale Kontrazeptiva der zweiten Generation einnehmen. Ihr Risiko, ein venöses thromboembolisches Ereignis zu erleben, ist jedoch erhöht. Dies sind die Ergebnisse von zwei internationalen Fall-KontrollStudien, die aus fünf europäischen Ländern zusammengetragen wurden. Das um das 1,5fache erhöhte Risiko für venöse Thromboembolien bei Frauen, deren Kontrazeptiva die künstlichen Progesteronabkömmlinge Gestoden und Desogestrel enthalten, verglichen mit dem der Benutzerinnen von Mikropillen der zweiten Generation, führte vor kurzer Zeit zu einer heftigen Diskussion in der Fach- und Laienpresse über die Verabreichung der entsprechenden Verhütungsmittel. Aufgrund A-968 dieser Ergebnisse wurde in Deutschland die Verschreibung eingeschränkt: Frauen unter 30 Jahren, die sich zum ersten Mal die „Pille“ rezeptieren lassen, sollen nun keine Präparate der dritten Generation mehr erhalten. Frauen, die gar keine hormonellen Verhütungsmittel einnehmen, haben ein vierfach geringeres Thromboembolierisiko im generellen Vergleich zu Benutzerinnen von hormonellen Kontrazeptiva. Beim Herzinfarkt schneiden die „Pillen“ der dritten Generation jedoch besser ab: Das Risiko ihrer Benutzerinnen ist etwa identisch mit dem von Frauen, die nicht hormonell verhüten. Mit der Einnahme von Kontrazeptiva der zweiten Generation erhöht sich das Herzinfarktrisiko jedoch um das Zwei- bis Dreifache. Diese Ergebnisse zeigen, daß Risiken und (48) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 15, 12. April 1996 2. DCCT Research Group: The effect of intensive treatment of Diabetes on the development and progression of long-term complications in Insulin-dependent Diabetes mellitus. 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Nervenheilkunde 1993; 12: 405–10 Anschrift für die Verfasser: Prof. Dr. med. Gerhard Reichel Paracelsus Klinik Werdauer Straße 68 08008 Zwickau Nutzen verschiedener Typen von oralen Kontrazeptiva nach Meinung der Autoren gründlich abgewogen werden müssen, damit Frauen sich entsprechend informiert für eine bestimmte Verhütungsmethode entscheiden können. Die Autoren geben jedoch auch zu bedenken, daß Teile der Ergebnisse aus Zwischenanalysen gewonnen wurden und daher mit Vorsicht interpretiert werden sollten. silk Spitzer WO, Lewis MA et al (on behalf of the Transnational Research Group on Oral Contraceptives and the Health of Young Women): Third generation oral contraceptives and risk of venous thromboembolic disorders: an international case-control study. BMJ 1996, 312: 83–88. Lewis MA, Spitzer WO et al (on behalf of the Transnational Research Group on Oral Contraceptives and the Health of Young Women): Third generation oral Contraceptives and risk of myocardial infarction: an international case-controlstudy. BMJ 1996, 312: 88–91. Prof W O Spitzer, Potsdam Institute of Pharmacoepidemiology and Technology Assessment (PIPTA), Otto-ErichStraße 7, 14482 Potsdam