1 Frauenheilkunde, Geburtshilfe

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1 Frauenheilkunde, Geburtshilfe
M. Oechsle, M. Schlipf
1.1
Anatomie –3
1.1.1
1.1.2
1.1.3
1.1.4
Knöchernes Becken (Pelvis) und Beckenboden
Äußeres Genitale (Vulva) –3
Inneres Genitale –3
Mamma (Brustdrüse) –5
–3
1.2
Fehlbildungen –5
1.2.1
Fehlbildungen des Genitales
1.3
Gynäkologische Untersuchung –7
1.4
Sexuelle Differenzierung und Störungen –8
1.4.1
1.4.2
1.4.3
1.4.4
Geschlechtsentwicklung –8
Störungen der sexuellen Entwicklung
Physiologische Pubertät –9
Störungen der Pubertät –10
1.5
Endokrinologie –11
1.5.1
1.5.2
1.5.3
1.5.4
Weibliches Hormonsystem –11
Ovulatorischer Zyklus –11
Störungen des Zyklus –14
Klimakterium –17
–5
–8
1.6
Familienplanung –18
1.6.1
1.6.2
Kontrazeption (Empfängnisverhütung, Antikonzeption)
Infertilität und Sterilität –21
1.7
Schwangerschaft –22
1.7.1
1.7.2
1.7.3
Regelrechte Schwangerschaft –22
Schwangerschaftsstörungen –26
Untersuchungen in der Schwangerschaft
1.8
Regelrechte Geburt –41
1.8.1
1.8.2
1.8.3
1.8.4
1.8.5
1.8.6
Einteilung des Geburtskanals –41
Kindliche Werte –41
Wehen –42
Geburtsmechanismus –42
Die Perioden einer normalen Geburt
Risikogeburt –46
1.9
Wochenbett –53
1.9.1
1.9.2
1.9.3
Physiologisches Wochenbett –53
Pathologien im Wochenbett –54
Laktation –55
–42
–36
–18
1.10 Infektionen/Entzündungen –56
1.10.1
1.10.2
1.10.3
1.10.4
1.10.5
1.10.6
1.10.7
Entzündungen der Vulva (Vulvitis) –56
Entzündungen der Vagina (Kolpitis) –57
Entzündungen der Zervix (Zervizitis) –59
Infektionen/Entzündungen der Gebärmutter (Endometritis, Myometritis)
Infektionen/Entzündungen der Adnexe (Adnexitis) –60
Entzündungen der Brust –61
Sexuell übertragbare Erkrankungen –61
1.11 Benigne Veränderungen –63
1.11.1
1.11.2
1.11.3
1.11.4
1.11.5
1.11.6
1.11.7
Veränderungen von Vulva und Vagina –63
Veränderungen der Cervix uteri –64
Veränderungen des Corpus uteri –64
Veränderungen der Tuben –66
Veränderungen der Ovarien –66
Endometriose –68
Veränderungen der Mamma –68
1.12 Maligne Veränderungen –70
1.12.1
1.12.2
1.12.3
1.12.4
1.12.5
Veränderungen von Vulva und Vagina –70
Veränderungen der Cervix uteri –73
Veränderungen des Corpus uteri –75
Veränderungen der Tuben und Ovarien –77
Bösartige Veränderungen der Mamma –79
1.13 Urogynäkologie –82
1.13.1
1.13.2
1.13.3
1.13.4
1.13.5
Anatomie –82
Diagnostik –83
Blasenfunktionsstörungen –83
Descensus genitalis und Prolaps –85
Harnwegsinfekt –85
1.14 Notfälle –86
1.14.1 Notfälle in der Gynäkologie –86
1.14.2 Notfälle in der Schwangerschaft und unter der Geburt
1.14.3 Notfallversorgung des Neugeborenen –87
–87
–59
3
1.1 · Anatomie
1.1
Anatomie
1.1.1 Knöchernes Becken (Pelvis)
und Beckenboden
Das knöcherne Becken besteht aus dem Os sacrum und
den beiden Ossa coxae, welche sich wiederum aus dem
Darmbein ( Os ilium), dem S itzbein ( Os ischii) und
dem Schambein (Os pubis) zusammensetzen. Ventral
verbinden sic h die O ssa co xae d urch die Symphyse
knorpelig. D as knö cherne B ecken ist in sic h un beweglich und wird kaudalwärts durch den muskulösen
Beckenboden a bgeschlossen. S o en tsteht die F orm
eines Trichters, der die B eckenorgane b einhaltet. Im
Vergleich zum mä nnlichen B ecken ist das w eibliche
Becken deutlich geräumiger, da es b reiter und f lacher
ausfällt.
Als Linea terminalis wird die Linie vom Promontorium über die L inea arcuata (Os ilium) entlang der
Oberkante des Os pubis zum Oberrand der Symphyse
bezeichnet. Sie trennt das große und das kleine Becken.
Das gr oße B ecken b eherbergt einen T eil der B auchorgane; das k leine Becken, auch als G eburtskanal bezeichnet, beeinflusst mit seiner Anatomie den Verlauf
der Geburt.
Der B eckenboden s etzt sic h zus ammen a us
(. Abb. 1.1):
4 Dia phragma pelvis
4 Dia phragma urogenitale
4 S chließmuskulatur
Das Diaphragma pelvis besteht aus dem M. levator ani
und dem M. coccygeus und trägt trichterförmig die Beckenorgane. Die Levatorschenkel (Mm. pubococcygei)
umfassen das Rek tum und b ilden den L evatorspalt
(Levatortor, H iatus ur ogenitalis), einen S palt f ür die
1
Harn- und Geschlechtswege. Dieser ist jedoch auch ein
Schwachpunkt des Beckenbodens.
Das Diaphragma urogenitale spa nnt sic h zwischen Os pubis und Tuber ischiadicum aus und verstärkt
muskulös-bindegewebig von kaudal den Levatorspalt.
Die ä ußere B eckenbodenmuskulatur b esteht a us
dem M. sphincter ani externus, dem M. bulbospongiosus und dem M. transversus perinei superficialis. Die
beiden erstgenannten umgeben wie eine »8« das Rektum und den Introitus vaginae.
1.1.2 Äußeres Genitale (Vulva)
Die Grenze zwischen äußerem und inner em Genitale
bildet der H ymen (»Jungfernhäutchen«). D as äußere
Genitale b esteht aus dem S chamhügel (Mons pubis),
einem Fettpolster vor der S ymphyse und den g roßen
Schamlippen (Labia majora pudendi), Hautwülste mit
Talg-, Schweiß- und Duf tdrüsen. Zwischen ihnen liegen die kleinen Schamlippen (Labia minora pudendi),
ausgestattet mi t T algdrüsen. Die K litoris ( Klitoris
erectilis) en tspricht en twicklungsgeschichtlich der
Glans p enis und ist ein S exualorgan mi t v enösen
Schwellkörpern. Die Bartholin-Drüsen (Gla ndulae
vestibulares majores) sind paarig angelegt und münden
an der medialen Basis der kleinen Schamlippen in den
Scheidenvorhof.
> Beim Nachlassen der hormonellen Stimulation im
Klimakterium kommt es zur einer Vulvaatrophie.
1.1.3 Inneres Genitale
Beim w eiblichen Em bryo en twickeln sic h a us den
Müller-Gängen der Uterus, die Tuben und die kranialen zw ei Dr ittel der V agina. D as ka udale Dr ittel der
Vagina entsteht aus dem Sinus urogenitalis.
1.1.3.1 Vagina
Die Vagina ist ein 8–10 cm langer Muskelschlauch und
ist ausgekleidet von mehrschichtigem unverhornten
Plattenepithel. Dies es unterliegt, g esteuert durch die
weiblichen Hormone, zyklischen Veränderungen. Das
unverhornte Plattenepithel besteht aus 4 Schichten:
4 B asalschicht
4 P arabasalschicht
4 I ntermediärschicht
4 S uperfizialschicht
. Abb. 1.1. Anatomische Strukturen des Beckenbodens.
(Aus Schneider et al. 2006)
Alle 4 Schichten reifen unter Östrogeneinfluss, Progesteron beeinflusst nur die ersten 3 Schichten. Die Super-
4
Kapitel 1 · Frauenheilkunde, Geburtshilfe
1
b
a
d
c
. Abb. 1.2a,b. Übliche Lage des Uterus. a Anteversio und b Anteflexio. (Aus Diedrich et al. 2007)
fizialschicht ist stark glykogenhaltig, das die DöderleinBakterien zu M ilchsäure met abolisieren. H ierdurch
entsteht das saure Milieu der Vagina mit einem pH von
3,5–5,5; es dient dem mikrobiologischen Schutz.
> In der Regel besteht eine Anteflexio (Winkel zwischen
Achse der Zervix und des Uterus) und eine Anteversio
(Winkel zwischen Zervix- und Scheidenachse) des
Uterus (. Abb. 1.2).
> Die Vagina enthält keine Drüsen. Das Scheidensekret
entsteht allein durch Transsudation durch das Scheidenepithel und Sekretion der Bartholin-Drüsen.
Den Halteapparat des U terus fasst . Tab. 1.1 zus ammen.
Am ä ußeren M uttermund t reffen das Z ylinderepithel der Z ervix und das Pla ttenepithel der Vagina
aufeinander. Dies e G renze ( Transformationszone)
steht unter hormonellem Einfluss und verschiebt sich
im g eschlechtsreifen Al ter a uf die P ortio (E ktopie/
Ektropium).
1.1.3.2 Uterus
Der Uterus ist ein muskelstarkes 6–8 cm langes Hohlorgan, das in 3 Abschnitte unterteilt wird:
4 Corpus uteri zwischen Zervix und Fundus uteri
4 Isthmus uteri: Übergang von Zervix zum Corpus
4 Cervix uteri, die mit der Portio vaginalis cervicis in
die Vagina mündet
Ventral des U terus b ildet sic h zwis chen B lase und
Uterus die Ex cavatio vesicouterina, dorsal des U terus
die Ex cavatio r ectouterina, der D ouglas-Raum. Die
Corpuswand besteht aus den 3 Schichten:
4 Perimetrium (Peritonealüberzug des Uterus)
4 M yometrium (glatte Muskulatur)
4 Endometrium (unterteilt in die Lamina basalis und
die Lamina functionalis)
> Die Transformationszone kann Ausgangspunkt
für benigne oder maligne Veränderungen sein und
ist daher bei der Krebsvorsorge besonders von Bedeutung (»Abstrich«).
! Cave
Vor jeder Ausschabung der Gebärmutter (Kürettage) ist eine gynäkologische Untersuchung obligat, um eine Perforation der Uteruswand zu vermeiden.
. Tab. 1.1. Halteapparat des Uterus
Ligamentum latum uteri
Peritonealduplikatur zwischen Uterus und seitlicher Beckenwand; der basale
Abschnitt wird als Ligamentum cardinale bezeichnet und besteht aus kräftigem
Bindegewebe
Ligamentum teres uteri
Auch Ligamentum rotundum genannt, zieht vom Tubenwinkel durch den
Leistenkanal in die großen Schamlippen
Ligamentum vesicouterinum
Vorderes Parametrium zum Blasenpfeiler
Ligamentum sacrouterinum
Hinteres Parametrium zur präsakralen Faszie
5
1.2 · Fehlbildungen
1
1.1.3.3 Tuba uterina (Salpinx, Eileiter)
Die Tubae uterinae gehen im Tubenwinkel vom Uterus
ab und v erlaufen im kra nialen Teil des L igamentum
latum zu den O varien. S ie w erden in f olgende A bschnitte unterteilt:
4 Pars uterina: in der Uteruswand gelegener Tubenanteil
4 Isthmus tubae: mediales, enges 1∕3 der Tube
4 Ampulla tubae: laterale 2∕3 der Tube
4 Infundibulum: wie ein Trichter geformtes Ende der
Tube, mit Fimbrien besetzt
gen, der sic h wiederum zu 12–15 H auptausführungsgängen (Ductus lactiferus) vereinigt und auf der Brustwarze mündet.
> Bei der Ovulation (Eisprung) wird das Ei im Infundibulum aufgefangen und in die Ampulla tubae transportiert, wo in der Regel die Befruchtung stattfindet.
1.2.1 Fehlbildungen des Genitales
1.1.3.4 Ovarien (Oophoron)
Die Ovarien sind intraperitoneale weibliche Keimdrüsen, die paarig angelegt sind. Sie werden unterteilt in:
4 Cortex ovarii, die Organrinde mit Follikeln unterschiedlicher Reife
4 Medulla ovarii, der gefäßreiche Organkern
Umgeben sind sie v on der Tunica albuginea, einer
Schicht aus mehreren Lagen Bindegewebe. Sie besitzen
einen eigenen Halteapparat, aufgebaut durch das Mesovarium, das Ligamentum suspensorium ovarii und das
Ligamentum ovarii proprium.
> Die Ovarien stellen den Reifungsort der Eizellen dar
und haben eine endokrinologische Funktion: Produktion u. a. von Östrogenen, Progesteron, Androgenen
und Inhibin. Hier besteht ein fein abgestimmter
hormoneller Regelkreis zwischen Ovarien, Hypothalamus/Hypophyse und Corpus luteum (. Abb. 1.5,
. Tab. 1.5).
1.1.4 Mamma (Brustdrüse)
Das B rustdrüsenwachstum (Thela rche) zeigt sic h
durchschnittlich ab dem 10.–11. L ebensjahr und en twickelt sic h d urch den Einf luss v on Ö strogen und
Progesteron. Dies g eschieht meis t 1–2 Jahre v or dem
Einsetzen der ersten Regelblutung.
Die w eibliche B rustdrüse liegt a uf der F aszie des
M. pectoralis major und ist gegen sie verschieblich. Unterteilt wird sie in den Drüsen- und den Fettkörper
sowie in das Milchgangsystem. Der Drüsenkörper besteht a us 12–20 Drüsenlappen ( Lobi), die wieder um
durch lockeres Bindegewebe weiter in Drüsenläppchen
(Lobuli) unterteilt w erden. Jeder Dr üsenlappen wird
von einem Milchgang (Ductulus lactiferus) durchzo-
> Der Lymphabfluss der Brustdrüse erfolgt hauptsächlich in die Axilla, jedoch auch infraklavikulär und
retrosternal (wichtig für die Therapie des Mammakarzinoms).
1.2
Fehlbildungen
> Die meisten Uterus- und Vaginalfehlbildungen entstehen durch eine gestörte Vereinigung der MüllerGänge und/oder durch das Ausbleiben der Lumenbildung.
1.2.1.1 Hymenalatresie
Ätiopathogenese. Der Durchbruch am Müller-Hügel
ist ausgeblieben (Hemmungsmissbildung).
Symptomatik. B ei Ein setzen der er sten Reg elblutung
kann das Blut nicht abfließen und sammelt sich zuerst
in der V agina ( Hämatokolpos), da nn im U terus
(Hämatometra) und b ei F ortbestehen k ommt es zu
Auftreibungen einer o der b eider T uben ( Hämatosalpinx). Typisch sind zy klische kra mpfartige Unterbauchschmerzen bei primärer Amenorrhö, die immer
stärker werden (Molimina menstrualia sine menstruatione).
Diagnostik. Bei der Untersuchung ist der Hymen verschlossen und p rall nac h außen g ewölbt. Durch den
Blutstau in der Vagina bildet sich ein praller »Tumor«,
der gut von rektal getastet werden kann. B estätigung
des Verdachts sonographisch.
Therapie. Inzision des verschlossenen Hymens.
> Das gestaute Blut in den Tuben kann zu Schleimhautveränderungen und Verklebungen führen, was sich
auf die Fertilität auswirken kann.
1.2.1.2 Vaginalaplasie
Ätiopathogenese. Die Vagina wird nicht ausgebildet.
Dieses grundsätzlich seltene Krankheitsbild tritt oft aber
mit gleichzeitiger Aplasie des U terus auf (Mayer-vonRokitansky-Küster-Hauser-Syndrom, 7 Kap. 1.5.3.3).
Bei der partiellen Vaginalaplasie sind nur die kranialen
2∕3 Drittel der Vagina angelegt, Uterus und Adnexe sind
meist normal entwickelt.
6
Kapitel 1 · Frauenheilkunde, Geburtshilfe
1
. Abb. 1.3. Uterus duplex (7 Farbtafelteil)
Symptomatik. P rimäre Ameno rrhö, vaginaler G e-
schlechtsverkehr ist unmöglich.
Diagnostik. Gynäkologische Untersuchung mit Sono-
graphie.
1.2.1.4 Uterusfehlbildungen
Die v erschiedenen F ormen der U terusfehlbildungen
fasst . Tab. 1.2 zusammen, . Abb. 1.3 zeigt einen U terus duplex.
Symptomatik. M enstruationsstörungen, ge störter
einer künstlichen Vagina.
Schwangerschaftsverlauf mi t hö herem Risik o f ür
Aborte und in seltenen Fällen primäre Sterilität.
> Das Mayer-von-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom
tritt oft in Verbindung mit Fehlbildungen der Nieren
auf; daher ist immer auch urologische Diagnostik
notwendig.
Diagnostik. Gynäkologische Untersuchung mit Sonographie, Röntgenkontrastdarstellung des C avum uteri
und der Tuben (Hysterosalpingographie), Hysteroskopie, Laparoskopie.
1.2.1.3 Vaginalatresie
Diese Fehlbildung ist meist d urch Infektionen er worben. Die V agina ist nic ht k omplett d urchgängig, ein
Introitus vaginae ka nn a usgebildet s ein (K linik und
Therapie siehe Vaginalaplasie).
Therapie. Hysteroskopische Resektion von Septen, bei
Therapie. Verschiedene operative Verfahren zur Anlage
Doppelanlage ist eine p lastische Op eration mög lich
(Metroplastik nach Strassmann).
. Tab. 1.2. Uterusfehlbildungen
Uterus arcuatus
Fundusbereich wölbt sich in die Gebärmutterhöhle, Uterus wirkt herzförmig
Uterus septus/subseptus
Ausbildung eines partiellen oder kompletten Septums. Ist das Septum nur in der
Zervix ausgebildet, nennt man es Uterus biforis. Die äußere Form des Uterus kann
bei diesen Fehlbildungen völlig unauffällig sein!
Uterus bicornis unicollis/
bicollis
Zwei Uteruskörper mit einer Zervix oder zwei Zervizes
Uterus didelphys
(Uterus duplex)
Zwei getrennte Uterusanlagen; doppelte Vagina möglich
Uterus unicornis
Bei unterschiedlicher Entwicklung der Müller-Gänge möglich. Rudimentäre Hörner
können Endometrium ausbilden, was Hämatometra zur Folge haben kann
7
1.3 · Gynäkologische Untersuchung
! Cave
Bei bestehenden Uterusfehlbildungen ist die Schwangerschaft genau zu beobachten, da die Gefahr der
Uterusruptur besteht.
1.2.1.5 Fehlbildungen der Mamma
Von der Achselhöhle bis zur Innenseite des Oberschenkels erstreckt sich die embryonale Milchleiste. Entlang
dieser L eiste k önnen sic h zus ätzliches B rustdrüsengewebe ( Polymastie) o der zus ätzliche B rustwarzen
(Polythelie) en twickeln. N eben b esonders k leinen
Brüsten ( Mikromastie) gib t es a uch ein- o der b eidseitige Übergrößen (Mammaasymmetrie/Makromastie). Formabweichungen der B rustwarze sind Flach-,
Hohl- oder Spaltwarzen.
! Cave
In der Schwangerschaft oder Laktationsperiode
kann zusätzliches Brustdrüsengewebe hypertrophieren und über einen Milchstau zur Mastitis
führen.
In Kürze
Fehlbildungen der weiblichen Geschlechtsorgane
4 Uterusfehlildungen: Uterus arcuatus, Uterus
septus, Uterus bicornis/unicollis/bicollis,
Uterus duplex, Uterus unicornis
4 Vaginalaplasie
4 Vaginalatresie
4 Hymenalatresie
4 Fehlbildungen/Abweichungen der Mamma:
Polymastie, Polythelie, Mikromastie, Mammaasymmetrie, Makromastie
4 Abweichungen der Mamille: Flach-, Hohl-,
Spaltwarzen
1.3
Gynäkologische Untersuchung
Standarduntersuchungen:
4 Anamnese: Zyklus, Beschwerden, Pruritus, Fluor
4 Äußere Inspektion: Ob erfläche, P igmentierung,
Lokalisation, V ulnerabilität und B eschaffenheit
einer Läsion
4 Palpation: Resist enzen, I nfiltrationen, L ymphknoten
4 Spekulumuntersuchung: I nspektion v on Vagina
und Portio
4 Rektale Untersuchung
1
Weiterführende Diagnostik:
4 Kolposkopie: Op tische 10- b is 40-fac he Vergrößerung der Vulva, Vagina und Portio
4 Infektionsdiagnostik: N ativpräparat, k ultureller
Nachweis, S erologie, P olymerasekettenreaktion
(»polymerase chain reaction«, PCR)
4 Essigsäuretest: 3- bis 5%-ige Essigsäure 30 s einwirken lassen; Dysplasien färben sich weißlich
4 Toluidinblautest (Collins-Probe): Toluidinlösung
auftragen und mi t 3%-iger Essigsäure abwaschen:
Anfärbung von schweren Gewebeveränderungen
4 Jodtest: Gewebeveränderungen nehmen die Schiller-Jodlösung schlechter auf
4 Vaginal-/Zervixzytologie: B eurteilung der im
Abstrich gewonnenen Epithelien (Diagnostik eines
Karzinoms bzw. seiner Vorstufen, . Tab. 1.32)
4 Strichkürettage: Entnahme eines Endo metriumstreifens zur Diagnostik (Zyklusdiagnostik)
4 Vollkürettage: Abtragen der Funktionalis zur Diagnostik (Blutungsdiagnostik)
4 Fraktionierte Kürettage: G etrennte En tnahme
von Gewebe der Zervix und des Corpus zur Diagnostik und g gf. Feststellung der L okalisation v on
Veränderungen
4 Konisation: Herausschneiden eines kegelförmigen
Portiostücks zur histologischen Untersuchung
4 Pertubation: B eurteilung der T uben a uf Dur chgängigkeit (Gasinsufflation)
4 Chromopertubation: B eurteilung der T ubendurchgängigkeit mittels einer farbigen Lösung
4 Hysterosalpingographie: Röntgenkontrastdarstellung des Zervikalkanals, Cavum uteri und der Tuben
4 Sonographie: U ltraschalluntersuchung v on a bdominal, vaginal o der rektal zur D arstellung der
weiblichen Organe
4 Laparoskopie (Bauchspiegelung): Di agnostische
Inspektion der B auchhöhle und der w eiblichen
Organe
4 Zystoskopie: B etrachtung der B laseninnenwand
und Veränderungen in der Blase
4 CT, MRT
> Zwei Typen des humanen Papillomavirus (HPV 16
und HPV 18) sind für ca. 70% der Zervixkarzinome
ursächlich. Inzwischen stehen sowohl diagnostische
Tests zur Verfügung, um zu überprüfen, ob diese
Viren vorhanden sind, als auch entsprechende Impfstoffe u. a. gegen diese beiden aus den zahlreichen
HPV-Typen. Die Impfung sollte allerdings vor dem
ersten Geschlechtsverkehr erfolgen, da HPV sexuell
übertragen werden (7 Kap. 1.8.1.2).
1
8
Kapitel 1 · Frauenheilkunde, Geburtshilfe
1.4
Sexuelle Differenzierung
und Störungen
1.4.2 Störungen der sexuellen
Entwicklung
1.4.1 Geschlechtsentwicklung
Das Spermatozoon entscheidet mit seinem enthaltenen
Geschlechtschromosom üb er das zuk ünftige G eschlecht des un geborenen K indes. Die G eschlechtschromosomen bestehen beim Mann aus einem X-und
einem Y-Chromosom, bei der F rau aus 2 X-Chromosomen. Die w eiblichen Geschlechtsorgane entwickeln
sich ab der vierten Woche des Embryos. Hierbei spielen
v. a. die M üller-Gänge eine wic htige Ro lle. Aus dem
oberen An teil der M üller-Gänge en twickeln sic h die
Tuben, aus den mittleren und unteren Abschnitten bildet sich der Genitalstrang, aus dem sich später Corpus,
Zervix und die ob eren 2∕3 der Vagina dif ferenzieren.
Das untere 1∕3 der Vagina bildet sic h aus dem S inus
urogenitalis, aus dem sich auch die Harnblase und die
Harnröhre bilden.
1.4.2.1 Gonadendysgenesie
Definition. An geborenes F ehlen v on f unktionstüchtigen Keimzellen. Zu den hä ufigsten Formen gehören
(. Tab. 1.3):
4 U llrich-Turner-Syndrom (45X0)
4 S wyer-Syndrom (46XY)
4 X X-Gonadendysgenesie (46XX)
Diese K rankheitsbilder ha ben g emeinsam, dass die
Entwicklung der Gonaden gestört ist. Daraus resultiert
ein Östrogenmangel und es zeigt sic h ein hypergonadotroper Hypogonadismus (LH und FS H erhöht,
Östrogene erniedrigt).
Symptomatik. Die K linik zeigt eine mangelhafte
Sexualentwicklung, primäre Amenorrhö und Sterilität.
Therapie. Die einzig e Therapiemöglichkeit ist Ö stro-
gen- o der Ö strogen-Gestagen-Substitution b ereits a b
der Pubertät.
. Tab. 1.3. Gonadendysgenesien
Geno-/Phänotyp
Symptomatik
Diagnostik
Therapie
Ullrich-TurnerSyndrom
45 X0
Gonosomale Monosomie mit Verlust eines
X oder Y Chromosoms,
weiblicher Phänotyp
Kleinwuchs, Pterygium
colli, Herzfehler, Handund Fußrückenödeme,
Intelligenz kann normal
sein, oft jedoch verminderte Intelligenz
Fehlen der Pubertätsentwicklung,
Labor, Karyogramm, Gonadenbiopsie
Östrogensubstitution
zu Pubertätbeginn,
später ÖstrogenGestagengabe,
Steigerung der Endgröße mit Wachstumshormonen
Reine
Gonadendysgenesie
46 XX, weiblicher
Karyotyp
Keine Ausbildung sekundärer Geschlechtsmerkmale, rudimentäre Keimleisten
Fehlen der Pubertätsentwicklung,
Labor, Karyogramm, Gonadenbiopsie
Östrogensubstitution
zu Pubertätsbeginn,
später ÖstrogenGestagen-Gabe
SwyerSyndrom
46 XY
Männlicher Karyotyp,
weiblicher Phänotyp,
Uterus, Tuben und
Vagina sind angelegt
Keine Ausbildung
sekundärer Geschlechtsmerkmale, spärliche
Schambehaarung,
evtl. durch Androgene
maskuline Skelettentwicklung und tiefe
Stimme
Fehlen der Pubertätsentwicklung,
Labor, Karyogramm, Gonadenbiopsie
Östrogensubstitution
zu Pubertätsbeginn,
später ÖstrogenGestagen-Gabe,
wegen der Gefahr der
malignen Enartung
sollte Gonadengewebe ggf. vorsorglich
operativ entfernt
werden
9
1.4 · Sexuelle Differenzierung und Störungen
1.4.2.2 Intersexualität
Definition. Störung der sexuellen Entwicklung mit gemeinsamem Vorliegen von weiblichen und männlichen
Merkmalen, die sic h en tgegen dem c hromosomalen
Geschlecht entwickeln.
Hermaphroditismus verus
Definition. Gleichzeitiges Vorkommen von Ovar- und
Hodengewebe bei normal weiblichen oder männlichen
Karyotyp. Geschlechtszuordnung nach überwiegendem
Phänotypus und soziokultureller Zuordnung durch die
Eltern. Extrem selten!
Ätiopathogenese. Als Ursache wird ein X-Y-Genaus-
tausch vermutet.
Symptomatik. Anlage von Hoden und O var oder gemeinsame Anlage von Ovotestis. Meistens überwiegen
jedoch die weiblichen Geschlechtsanlagen. Alle Patienten sind steril.
Diagnostik. H CG (h umanes Cho riongonadotropin)und HMG (humanes Menopausengonadotropin)- Test
geben Auskunft über die Güte testikulären bzw. ovariel-
1
len Gewebes. MRT, Genitoskopie, Genitographie, ggf.
Laparoskopie, ggf. mit Gonaden-PE klären den Status
des inneren Genitales, Karyogramm.
Therapie. Op erative K orrektur der Anlag en, da G e-
fahr der malignen En tartung, Entfernung v on Testis/
Ovotestis. Hormonelle Substitution der vorherrschenden G eschlechtsform. Psychologische B etreuung. Im
optimalen Fall ist eine a nschließende Fertilität möglich.
Pseudohermaphroditismus
Definition. Gleichzeitiges Vorhandensein von Gonaden
des einen G eschlechts und G enitalien und s ekundären Geschlechtsmerkmalen des a nderen G eschlechts
(. Tab. 1.4).
1.4.3 Physiologische Pubertät
Definition. Z eitraum v on der er sten Ausbildung der
sekundären G eschlechtsmerkmale bis zum Er reichen
der vollen Geschlechtsreife.
. Tab. 1.4. Pseudohermaphroditismus
Pseudohermaphroditismus femininus
Pseudohermaphroditismus masculinus
Häufigstes
Vorkommen
Adrenogenitales Syndrom
Testikuläre Feminisierung
Genotyp
Weiblich
Männlich
Phänotyp
Virilisiert weiblich bis männlich
Weiblich
Ätiopathogenese
Genetisch bedingter Enzymdefekt, meist Mangel
an 21-Hydroxylase-Mangel (90%). Biosynthese
von Kortisol erniedrigt, daher Anstieg von ACTH
und Hyperplasie der NNR. Daraus resultiert der
Anstieg der Androgene
Androgenrezeptordefekt mit partieller oder
totaler Androgenresistenz. Hoden produzieren
Testosteron, das durch Rezeptordefekt das
Zielorgan nicht erreicht
Symptomatik
Virilisierung des äußeren Genitales, Klitorishypertrophie, Amenorrhö, schnelles Wachstum mit
schnellem Schluss der Epiphysenfugen, Salzverlustsyndrom möglich durch zusätzliche Störung
der Mineralkortikoidsynthese (Erbrechen, Exsikkose, Schock)
»Hairless women« durch fehlende Sekundärbehaarung, Hoden im Leistenkanal oder in
Labien angelegt, primäre Amenorrhö und
Sterilität. Uterus, Tuben und Ovarien sind nicht
angelegt
Diagnostik
Klinik, Labor, Karyogramm (46XX)
Klinik, Labor, Karyogramm (46XY)
Therapie
Hormonsubstitution, bei Androgen produzierenden Tumoren sofortige Tumorexstirpation
Die Hodenentfernung wird wegen der Möglichkeit der malignen Entartung empfohlen.
Hormonsubstitution mit Östrogen-GestagenKombinationen
10
1
Kapitel 1 · Frauenheilkunde, Geburtshilfe
Präpubertät (ca. 8. bis 12. Lebensjahr)
4 Beginn des Wachstumsschubes
4 Mons pubis verdickt sich
4 Wachstum der Vagina, später auch Uteruswachstum
4 Thelarche, Pubarche
Pubertät (ca. 12. bis 15. Lebensjahr)
4 Entwicklung des Brustdrüsenkörpers
4 Höhepunkt des Wachstumsschubes (ab Menarche ist noch mit Wachstum von 8–10 cm zu
rechnen)
4 Zunahme von Axillarbehaarung und Schambehaarung (. Abb. 1.4)
4 Menarche mit Übergang zu regelmäßigen
Zyklen
> Die Menarche bezeichnet den Zeitpunkt der ersten,
meist anovulatorischen, Regelblutung. Diese setzt
meist zwischen dem 9. und 16. Lebensjahr ein.
! Cave
In der Pubertät können psychische und physiologische Entwicklung voneinander abweichen, wodurch es zu einer geringen Frustrationstoleranz,
Aggressionstendenzen und erhöhter Neigung zu
Suizidalität kommen kann.
1.4.4 Störungen der Pubertät
1.4.4.1 Pubertas praecox
Definition. Entwicklung sekundärer Geschlechtsmerkmale vor dem 8. Lebensjahr (Thelarche, Pubarche, Gonadarche).
. Abb. 1.4. Entwicklung der Brust- und Genitalbehaarung bis zur Geschlechtsreife (nach Tanner). (Aus Diedrich et al. 2007)
11
1.5 · Endokrinologie
Ätiopathogenese. H ypothalamische S törung der
Hormonausschüttung (idio pathisch), organische Störungen d urch H irntumoren, Enzep halitis, S chädelHirn-Trauma.
Symptomatik. Gonadotropinsekretion (Definitions-
gemäß findet man einen pubertären Anstieg des LH im
LHRH-Test mi t einem stim ulierten LH/FS H-Quotienten >1,0) erhöht mi t v orzeitiger G eschlechtsentwicklung und v erminderter Endgr öße d urch v orzeitigen Epiphysenschluss PPV.
Diagnostik. Labor (Gonadotropine erhöht), radiologische Untersuchungen des ZNS.
Therapie. B ehandlung der zugr unde lieg enden Ursache, G nRH-Analoga (G onadotropin-Releasing-Hormon), Antiandrogene.
> Bei der Pubertas praecox kommt es nicht zur
Menarche.
1.4.4.2 Pseudopubertas praecox
Wie Pubertas praecox, nur ist eine pathologische periphere Hormonbildung die Ursache. Die Gonadotropinsekretion ist vermindert.
1.4.4.3 Pubertas tarda
Definition. Verspätete Pubertät mit primärer Amenorrhö und En twicklungsverzögerung der s ekundären
Geschlechtsmerkmale.
Ätiopathogenese. M an un terscheidet den primären
Hypogonadismus (z. B. Anlagestörung der Gonaden),
sekundären Hypogonadismus (Störung im Hypophysenbereich) und tertiären Hypogonadismus (Störung
im Hypothalamus). Aber auch s chwere Allg emeinerkrankungen, starkes Untergewicht und Hochleistungssport können eine Pubertas tarda verursachen.
Symptomatik. Fehlende Brustentwicklung mit spärlicher Sekundärbehaarung, primäre Amenorrhö, hypoplastisches inneres Genitale.
Diagnostik. L abor, C hromosomenanalyse, di agnosti-
sche Laparoskopie, Gonadenbiopsie.
Therapie. Behandlung je nach Ursache, bei Gonaden-
störung mi t H ormondefizit er folgt eine a ngepasste
zyklische Hormonsubstitution.
1.5
1
Endokrinologie
1.5.1 Weibliches Hormonsystem
Einen Üb erblick üb er die w eiblichen H ormone und
deren Wirkungen geben . Tab. 1.5 und . Abb. 1.5.
1.5.2 Ovulatorischer Zyklus
Definition. Zeitspanne des 1. Tages der Menstruationsblutung bis zum Tag vor Einsetzen der nächsten Menstruationsblutung. Dauer: 28±3 Tage.
4 Menstruation
5 Dur ch Progesteronentzug kommt es zum Abbluten der Z ona f unctionalis des Endo metriums
5 Blutverlust ca. 50–100 ml
4 Proliferationsphase (Follikelphase)
5 Der im O var r eifende F ollikel b ildet P rogesteron – zu s einer eigenen Reifung – und v . a.
Östradiol, das den Aufbau der Endometriumschleimhaut fördert.
5 Durch das Östrogen wird zunächst die Hormonausschüttung der H ypophyse gehemmt (negativer Feedback-Mechanismus) und eine gleichmäßige Östrogenkonzentration stellt sich ein.
5 Zervixsekret wir d f lüssig und zunehmend
spinnbar.
4 Ovulation
5 Nach 10–11 Tagen beginnt das Ö stradiol eine
Umwandlung von Androgenen zu Östrogenen
zu stimulieren und es k ommt a m ca. 12. Tag
zu einem starken Anstieg des Östradiols (E2Peak).
5 Dieser Anstieg löst in der Hypophyse eine pulsatile Ausschüttung von LH aus, dem ca. 36 h
später die Ovulation folgt.
5 Follikelsprung (sprungreifer Follikel = GraafFollikel) er folgt d urchschnittlich a m 14. Tag
des Zyklus.
5 Dabei r upturiert die F ollikelwand, die da rin
enthaltene Eizelle wir d aus dem O var herausgespült und im Normalfall vom Fimbrientrichter aufgenommen.
4 Sekretionsphase (Gelbkörperphase, Lutealphase)
5 Der im Ovar verbliebene Follikel wandelt sich
um zum G elbkörper ( Corpus luteum), w elcher große Mengen Östrogen und Progesteron
produziert.
5 Umbau des Endo metriums mi t vermehrter
Drüsenbildung und Schlängelung der Spiralarterien.
12
1
Kapitel 1 · Frauenheilkunde, Geburtshilfe
. Tab. 1.5. Weibliche Hormone
Produktionsort
Hormon
Funktion
Sekretionsmodus
Hinweis
Hypothalamus
GonadotropinReleasing-Hormon
(GnRH, FSH-/
LH-ReleasingHormon)
Synthese und Ausschüttung von FSH und LH
im HVL (Hypophysenvorderlappen)
Pulsatile Sekretion
GnRH-Test zur Unterscheidung primärer,
sekundärer und
tertiärer Ovarialinsuffizienzen
Oxytozin
Kontraktile Wirkung am
Uterus, Milchsekretion
durch Saugreiz an der
Mamille
Speicherung und
Sekretion im HHL
(Hypophysenhinterlappen)
Bildung im Hypothalamus, axonaler
Transport in den
HHL
Follikel-stimulierendes Hormon
(FSH)
Entwicklung der Sekundär- und Tertiärfollikel
im Ovar, Östrogensynthese
Pulsatile Sekretion
Konzentrationsmaximum in Zyklusmitte, Hemmung
durch Inhibin
Luteinisierendes
Hormon (LH)
Follikelreifung, Östrogen- und Gestagensynthese, Ovulationsauslösung
Pulsatile Sekretion
Präovulatorischer
LH-Peak mit Konzentrationsanstieg auf
das 10-fache des
Ausgangswerts
Prolaktin, laktotropes Hormon
Stimulation des Brustdrüsengewebes und
der Laktogenese
Pulsatile Sekretion,
nachts auf das 3-fache
erhöht
Hemmung durch
»prolactin inhibiting factor« (PIF)
Östrogene
(Östradiol, Östriol,
Östron)
Entwicklung weiblicher
Geschlechtsorgane,
Reifung sekundärer
Geschlechtsmerkmale,
Aufbau des Endometriums
Bildung in Granulosaund Theca-internaZellen der Follikel, NNR
(Nebennierenrinde)
und Plazenta
Konstanter
Östradiolanstieg
bei intakter Frühschwangerschaft,
Abbau in Leber,
Ausscheidung über
Niere
Gestagene
(Progesteron),
Gelbkörperhormon
Sekretorische Umwandlung des Endometriums,
Abnahme des Zervixschleims, Anstieg der
Körpertemperatur,
Abnahme Spinnbarkeit
des Zervixschleims
Bildung im Corpus
luteum, NNR und in
der Plazenta
Senkung des Tonus
der glatten Muskulatur, Abbau in Leber,
Ausscheidung über
Niere
Androgene
Entwicklung männlicher
Geschlechtsmerkmale,
bei der Frau sind Androgene eine Vorstufe für
die Östrogensynthese
Bildung in Thekazellen
des Ovars und NNR
Dexamethason-Test
zur Differenzierung
erhöhter Androgenspiegel
Inhibin
(Follikulostatin)
Selektive Hemmung der
FSH-Sekretion
Bildung in Granulosazellen (Ovar) und
Sertoli-Zellen (Hoden)
Keine Wirkung auf
LH-Sekretion
Hypophyse
Ovar
13
1.5 · Endokrinologie
. Abb. 1.5. Mindmap Weiblicher Zyklus ohne Konzeption
1
14
1
Kapitel 1 · Frauenheilkunde, Geburtshilfe
5 Abnahme des Zervixsekrets, Zunahme der Viskosität.
5 Wird die Eizelle auf ihrem Weg durch die Tube
nicht befruchtet, bildet sich das Corpus luteum
zurück und es en tsteht das b indegewebige
Corpus albicans.
5 Durch diese Rückbildung mit folgendem Progesteronabfall wird die näc hste Menstruation
ausgelöst (Progesteronentzugsblutung).
Verschiebung der Menstruation durch hormonelle
Kontrazeptiva
Durch Einnahme hormoneller Kontrazeptiva lässt sich die
Menstruation verschieben: Vorverlegung durch Absetzen
3 Tage vor gewünschtem Blutungsbeginn, Hinausschieben
der Blutung durch Verlängerung der Einnahme. Bei Frauen,
die keine Ovulationshemmer einnehmen, wird die Blutung
vorverlegt durch kurzfristige Einnahme hormoneller Kontrazeptiva, dann vorzeitiges Absetzen; hinausschieben lässt
sie sich durch verlängerte Einnahme.
1.5.3 Störungen des Zyklus
1.5.3.1 Blutungsstörungen
Die Definitionen der Blutungsstörungen fasst . Tab. 1.6
zusammen.
Anovulatorische Blutung. Dies ist eine dysfunktionelle
Blutung bei ausbleibender Ovulation ohne Gelbkörperbildung. B ei der B asaltemperaturmessung er gibt sic h
ein monophasischer Verlauf. Zytologie und Labor zeigen das Ausbleiben der Ovulation.
Therapie. H ormonsubstitution mi t Ö strogen-Gesta-
gen-Kombinationspräparaten oder bei Kinderwunsch
Clomifen.
1.5.3.2 Dysmenorrhö
Definition. In Zusammenhang mit Menstruation auftretende st arke, kra mpfartige Unterbauchschmerzen,
evtl. in K ombination mi t Üb elkeit, Erb rechen und
Kopfschmerzen nennt man Dysmenorrhö:
4 Primäre Dysmenorrhö: B eginn mi t o der k urz
nach der Menarche
4 Sekundäre Dysmenorrhö: »er worbene« D ysmenorrhö
. Tab. 1.6. Definitionen der Blutungsstörungen
Störung
Dauer
Stärke
Häufigkeit
Klinik
Definition
Erläuterungen
Menorrhagie
Verlängerte Blutung
>6 Tage
Brachymenorrhö
Verkürzte Blutung
<3 Tage
Hypermenorrhö
Verstärkte Blutung
>5 Vorlagen/Tag
Oft organische Veränderungen
als Ursache
Hypomenorrhö
Verminderte Blutung
<2 Vorlagen/Tag
Unter Antikonzeption ist die
Blutung meistens abgeschwächt
Spotting
Schmierblutungen
Metrorrhagie
Zusatzblutung, außerhalb der Periode
Polymenorrhö
Verkürzter Zyklus
<25 Tage
Meist durch verkürzte Follikelphase oder Corpus-luteumPhase
Oligomenorrhö
Verlängerter Zyklus
>35 Tage
Ursache meist verzögerte
Follikelreifung
Sekundäre
Amenorrhö
Keine Periodenblutung
>3 Monate
Eine leichte Blutung kurz vor
dem Eisprung wird Mittelblutung genannt
15
1.5 · Endokrinologie
1
. Abb. 1.6. Übersicht über mögliche Ursachen der Dysmenorrhö
und deren Wechselwirkung. (Aus
Beck et al. 2002)
Ätiopathogenese. B ei primärer Dysmenorrhö sind
anatomische Anlagestörungen des G enitales möglich,
wie Hypoplasien, Anlag eanomalien o der Uterusfehlbildungen ( . Abb. 1.6). W ahrscheinlicher ist jedo ch
eine v ermehrte B ildung v on P rostaglandinen, die zu
einer gesteigerten Uteruskontraktilität und Störung der
Durchblutung führen können. Bei dersekundären Dysmenorrhö st ellt die hä ufigste U rsache die Endo metriose dar, jedoch auch Uterusfehlbildungen, Myome,
ein IUP (I ntrauterinpessar), A bflussbehinderungen
und eine Retroflexio uteri müssen ausgeschlossen werden. Neben organischen können auch psychologische
Ursachen von Bedeutung sein.
Organische Ursachen
Ätiopathogenese. Ursachen für die primäre Form sind
Anlagestörungen des G enitaltrakts, wie Z ervix- o der
Vaginalatresie, Hymenalatresie oder Uterus- bzw. Vaginalaplasie ( Mayer-von-Rokitansky-Küster-HauserSyndrom). S ekundäre F ormen sind F olge v on Er krankungen des U terus o der forcierter Kürettage mit
Destruktion der B asalis des Endo metriums ( Asherman-Fritsch-Syndrom).
Symptomatik. K eine vaginale B lutung tr otz in takter
Ovarien mit normaler Hormonausschüttung.
Diagnostik. Gynäkologische Untersuchung, S onogra-
phie, diagnostische Hysteroskopie/Laparoskopie.
phie, diagnostische Hysteroskopie und/oder Laparoskopie.
Therapie. Je nach Grunderkrankung werden eingesetzt:
Therapie. Operative Korrektur, ggf. Kombinationsthe-
Diagnostik. Gynäkologische Untersuchung, S onogra-
Analgetika, Spasmolytika, Einnahme von Ovulationshemmern, Wärmebehandlung.
1.5.3.3 Amenorrhö
Definition. K eine P eriodenblutung üb er einen Z eitraum von mehr als 3 Monaten.
4 Physiologische Amenorrhö: V or der Pub ertät,
Schwangerschaft, L aktationsperiode, p ostmenopausal
4 Primäre Amenorrhö: k eine sp ontane Menstruation bis zum 15. Lebensjahr
4 Sekundäre Amenorrhö: A usbleiben der zu vor
vorhandenen Menstruation
rapie mit Östrogen und Gestagen zur Unterstützung.
Mayer-von-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom
Anomalie des weiblichen Genitales durch eine Hemmungsfehlbildung der Müller-Gänge mit Vaginalaplasie
oder -atresie und rudimentärem Uterus. Daraus ergeben
sich primäre Amenorrhö und primäre Sterilität.
Ovarielle Störungen
Ätiopathogenese. Eine pa rtielle oder komplette O varialinsuffizienz kann eine primäre oder sekundäre Amenorrhö bedingen. Ursachen sind strukturelle oder funktionelle Störungen wie G onadendysgenesie, Syndrom
der polyzystischen Ovarien, adrenogenitales Syndrom,
vorzeitige Ovarerschöpfung oder Tumoren des Ovars.
16
1
Kapitel 1 · Frauenheilkunde, Geburtshilfe
Symptomatik.
4 Gonadendysgenesie (G onaden o hne Keimzellen)
mit Sterilität und primärer Amenorrhö
4 Syndrom der polyzystischen Ovarien (Stein-Leventhal-Syndrom) mit Oligomenorrhö bis Amenorrhö
4 Adrenogenitales Syndrom (v erschiedene Enzymstörungen der NNR) mi t M askulinisierung der
äußeren Geschlechtsorgane (. Tab. 1.4)
Therapie. Je nac h B eschwerdebild der P atientin wir d
mittels einer Kombinationstherapie aus Östrogenen und
Gestagenen behandelt. B ei der G onadendysgenesie ist
keine kausale Therapie möglich. Bei Enzymdefekten der
NNR individuelle erfolgt eine Substitutionstherapie mit
Kortisol und evtl. ergänzend mit Mineralkortikoiden.
Syndrom der polyzystischen Ovarien (PCO-Syndrom;
. Abb. 1.7)
Symptome sind Amenorrhö/Oligomenorrhö, Adipositas
und Hirsutismus. Der Pathomechanismus ist noch nicht
ganz geklärt, jedoch spielt die Entgleisung der Steroidsynthese mit Überproduktion von Androgenen eine Rolle.
Sonographisch sind vergrößerte Ovarien mit zystischen
Strukturen sichtbar, die ovarielle Kapsel ist fibrös verdickt.
Therapiemöglichkeiten sind antiandrogen wirksame Ovulationshemmer, bei Kinderwunsch Gabe von Clomifen,
GnRH und Gonadotropinen.
Hypophysäre Störungen
Ätiopathogenese. HVL -Insuffizienz (Hypopituitarismus), Sheehan-Syndrom (ischämische Nekrose der Hypophyse durch übermäßige Blutung unter der Geburt),
Tumoren im Bereich der Sella turcica oder Traumen.
Symptomatik. B ei einer HVL -Insuffizienz, wie a uch
beim Sheehan-Syndrom, kommt es zum Abfall der im
HVL p roduzierten H ormone und zu den j eweiligen
. Abb. 1.7. Syndrom der polyzystischen Ovarien im Ultraschall
Symptomen, wie H ypothyreose (T SH-Abfall), Hypokortisolismus (ACTH-Abfall), Hypogonadismus (Abfall von LH und FSH), postpartale Agalaktie (Prolaktinmangel beim Sheehan-Syndrom).
Diagnostik. Klinik, Labor, radiologische Untersuchun-
gen wie CT/MRT.
Therapie. Die Thera pie richtet sich nach der U rsache
der Erkrankung; Substitution der fehlenden Hormone,
wie Östrogen-Gestagen-Therapie.
Hypothalamische Störungen
Ätiopathogenese. Traumen, Tumoren (Kraniopharyngeom), Entzündungen, K allmann-Syndrom (p rimäre
Amenorrhö, h ypogonadotroper H ypogonadismus,
in K ombination mi t einem f ehlenden G eruchssinn),
funktionelle S törungen (Essst örungen, wie B ulimie/
Anorexie, Leistungssport).
Symptomatik. Amenorrhö, Gonadotropine erniedrigt.
Diagnostik. K linik, L abor, radio logische U ntersu-
chungen wie CT/MRT.
Therapie. Kausal nach Grunderkrankung.
Amenorrhö-Galaktorrhö-Syndrom
Pathologisch erhöhtes Prolaktin hemmt im FeedbackMechanismus die Freisetzung von GnRH, was wiederum
zu einer Ovarialinsuffizienz führen kann, mit Amenorrhö,
Galaktorrhö und Fertilitätsstörungen. Mögliche Ursachen
6
In Kürze
4 Blutungsstörungen . Tab. 1.6
4 Dysmenorrhö (Schmerzen während der Blutung): primäre und sekundäre Dysmenorrhö.
Ursachen sind:
– Anatomische Fehlbildungen
– Vermehrte Prostaglandinbildung
– Endometriose, Uterusfehlbildungen, IUP,
Myome
– Psychologische Ursachen
4 Amenorrhö (Ausbleiben der Blutung): physiologische, primäre und sekundäre Amenorrhö.
Ursachen sind:
– Organische Ursachen
– Ovarielle Störungen
– Hypothalamische Störungen
– Hypophysäre Störungen
17
1.5 · Endokrinologie
sind: Prolaktinom, Mangel des Prolaktin-inhibierenden
Faktors (PIF), Medikamente. Therapie: Dopaminagonisten,
operative Therapie.
1
therapie im Klimakterium gelten nun Empfehlungen
einer nur kurzfristigen, symptomorientierten Substitution. Große Studien haben ergeben, dass die
Hormonersatztherapie u. a. das Mammakarzinomrisiko erhöht.
1.5.4 Klimakterium
Definition. M ehrjährige Phas e des Üb ergangs der
vollen Geschlechtsreife bis zum Erlöschen der ovariellen F unktion (ca. 45. b is 55. L ebensjahr). Unter der
Menopause versteht man die letzte spontane Blutung.
Ätiopathogenese. U rsache sind r egressive Verände-
rungen der O varien mi t C orpus-luteum-Insuffizienz
bei no ch a usreichenden Ö strogenkonzentrationen
(Neigung zu Endometriumhyperplasien), im weiteren
Verlauf Ö strogenmangel mi t st arkem An stieg der
Gonadotropinausschüttung.
Symptomatik. D ysfunktionelle B lutungsstörungen,
vegetative S ymptome (H itzewallungen, S chweißausbrüche), Vulvaatrophie (. Tab. 1.7), Reizbarkeit, Osteoporose (Frakturrisiko erhöht).
Diagnostik. Typische Symptomatik, Vaginalzytologie,
Postmenopausale glandulär-zystische
Hyperplasie
Ätiopathogenese. U rsache ist eine C orpus-luteumInsuffizienz mi t r elativem Ö strogenübergewicht und
ausbleibendem Effekt der Transformation von Progesteron.
Symptomatik. K linisch imponieren oft D auerblutungen und andere Blutungsstörungen.
Therapie. Fraktionierte Abrasio zum Ausschluss eines
Endometriumkarzinoms, Ö strogen-Gestagen-Kombinationstherapie.
! Cave
Bei einer Dauerblutung ist besonders bei älteren
Patientinnen stets ein Myom, Polyp oder ein Korpuskarzinom als mögliche Blutungsquelle auszuschließen.
ggf. Hormonuntersuchungen.
Therapie. Eine Ö strogen-Gestagen-Substitution b ei
vorzeitigem Klimakterium, Genitalatrophien und O steoporose indiziert; kalziumreiche Ernährung. Kontraindikationen zur H ormontherapie: L ebererkrankungen, erhöhte Thromboseneigung, Mamma-/Endometriumkarzinom in der Anamnese.
> Im Gegensatz zu derr bis vor wenigen Jahren gängigen weitgefassten Indikation für eine Hormonersatz6
In Kürze
Beschwerden im Klimakterium
4 Dysfunktionelle Blutungsstörungen
4 Vegetative Symptome (Hitzewallungen,
Schweißausbrüche)
4 Vulvaatrophie
4 Reizbarkeit
4 Osteoporose (Frakturrisiko erhöht)
. Tab. 1.7. Veränderungen im Klimakterium
Lichen sclerosus
Colpitis senilis (7 Kap. 1.10.2.4)
Definition
Atrophische Dystrophie des Genitales
Entzündung der Vagina
Klinik
Atrophische, fast sklerotische Haut, mit Schmerzen,
Pruritus und Dyspareunie
Atrophie und Alkalisierung der Scheide
durch niedrige Östrogenkonzentrationen,
mit Infekten als Folge (Schmerz, Pruritus,
Fluor)
Diagnostik
Klinik, Zytologie, Histologie
Klinik, Zytologie
Therapie
Intermittierende Östrogengabe, lokale Testosteron-/
Kortisongaben senken Juckreiz
Östrogensubstitution
1.11 · Benigne Veränderungen
. Abb. 1.17. Uterus myomatosus
Mindmaps von A. Dospil, 86929 Greifenberg
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1
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