Diagnostik einer endokrinen Hypertonie

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Aktuelle Diagnostik und Therapie | Review article
537
Diagnostik einer endokrinen Hypertonie:
Wann screenen, und mit welchem Test?
Autoren
E. Fischer 1 F. Beuschlein 1 M. Reincke 1
Institut
1 Medizinische Klinik Ludwig-Maximilians-Universität München, München
Einleitung
5
Tab. 1 Klinisches Bild beim primären Hyperaldosteronismus.
Die arterielle Hypertonie ist eine der häufigsten
chronischen Erkrankungen und ein wesentlicher Risikofaktor für die kardiovaskuläre Morbidität und
Mortalität in der Bevölkerung [9]. In den meisten
Fällen wird keine identifizierbare Ursache für den
Bluthochdruck gefunden: Man spricht dann vom
primären oder essentiellen Hypertonus. Sekundäre,
d.h. durch eine spezifische Erkrankung erklärbare
Hypertonien, betreffen vor allem die renale Hypertonie (renoparenachymatöse und renovaskuläre Erkrankungen) und die endokrinen Hypertonieformen. Letztere werden typischerweise spät diagnostiziert. Da die Identifizierung und spezifische Therapie einer endokrinen Hypertonie zu einer
Normalisierung des Blutdrucks führen kann, nimmt
ihre gezielte Diagnostik eine große Bedeutung ein
[15]. Die wichtigsten Ursachen sind hierbei adrenale
Erkrankungen wie der primäre Hyperaldosteronismus, der Hyperkortisolismus und das Phäochromozytom [2]. Zudem kommt ein Hypertonus als Begleitsymptom bei Patienten mit Schilddrüsenfunktionsstörungen, seltener beim primären Hyperparathyreoidismus sowie bei der Akromegalie vor. Bevor
jedoch eine breitgefächerte Ursachenabklärung bei
Hypertonikern durchgeführt wird, ist es erforderlich, Patienten mit einer hohen Vortest-Wahrscheinlichkeit für eine endokrine Hypertonie auszuwählen
und diese einer gezielten biochemischen Diagnostik
zu unterziehen. Grundsätzlich ist hierbei zu beachten, dass die biochemische Diagnostik immer vor
der Bildgebung zu erfolgen hat. Im Folgenden wird
eine Übersicht über die Symptom- und Befund-bezogene differentialdiagnostische Abklärung der endokrinen adrenalen Hypertonie gegeben.
Primärer Hyperaldosteronismus
5
Der primäre Hyperaldosteronismus (PA) wird
durch eine vermehrte Aldosteronproduktion definiert, welche unabhängig vom Renin-Aldosteron■
Symptom/Befund
Häufigkeit (%)
Therapieresistente schwere Hypertonie mit
> 90%
3 Kopfschmerzen
50%
3 Wasserretention
5%
Unspezifische hypokaliämische Begleiterscheinungen*
75%
3 Muskelschwäche
55%
3 Polyurie
40%
3 Polydipsie
30%
3 Parästhesien
25%
3 Tetanie
20%
Endokrinologie,
Hypertensiologie
Schlüsselwörter
Hypertonie
q
Keywords
hypertension
q
3 Müdigkeit
Pathologische Glukosetoleranz
45%
*nur beim voll ausgeprägten Krankheitsbild
Angiotensin-System (RAAS) ist. Während bisher
vermutet wurde, dass nur bei weniger als 1% der
Hypertoniker ein PA als Ursache der Hypertonie
vorliegt, geht man heute davon aus, dass die Erkrankung eine der häufigsten sekundären Hypertonieursachen darstellt, v.a. aufgrund der breiten
Anwendung des Aldosteron-Renin-Quotienten als
Screening-Parameter [3, 14]. Die Angaben über die
Prävalenz des PA hängen von der untersuchten Population ab und reichen von 4–12% in Hypertonieambulanzen bis zu 32% bei therapieresistenten Hypertonikern [11, 16]. Populations-basierte Untersuchungen liegen bisher erst in Abstraktform vor und
sprechen für eine deutlich niedrigere Prävalenz bei
nicht-ausgewählten Hypertonikern [7]. Die Hauptursachen des PA sind in der Hälfte der Fälle ein Aldosteron-produzierendes Adenom der Nebenniere (APA), in der anderen Hälfte die idiopathische
bilaterale Nebennierenhyperplasie (IBH). Selten
werden familiäre Formen gefunden (Familiärer
Hyperaldosteronismus Typ I und II). In allen Fällen
kommt es durch eine Aldosteron-bedingte Natrium- und Flüssigkeitsretention sowie über direkte
Effekte auf das Gefäßsystem zu einer Hypertonie
und je nach Ausprägung des Krankheitsbildes zu
einer Hypokaliämie und einer metabolischen Alka-
eingereicht 17.11.2010
akzeptiert 17.2.2011
Bibliografie
DOI 10.1055/s-0031-1274538
Dtsch Med Wochenschr 2011;
136: 537–540 · © Georg
Thieme Verlag KG Stuttgart ·
New York · ISSN 0012-0472
Korrespondenz
Prof. Dr. Martin Reincke
Medizinische Klinik – Innenstadt
Klinikum der Universität München
Ziemssenstr. 1
80336 München
Tel. 089/5160-2100
Fax 089/5160-4428
eMail martin.reincke@
med.uni-muenchen.de
Korrekturexemplar: Veröffentlichung (auch online), Vervielfältigung oder Weitergabe nicht erlaubt! ■
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Diagnosis of endocrinological hypertension:
when to screen, and by which method?
Aktuelle Diagnostik und Therapie | Review article
Biochemisches Screening
Aldosteron-Renin-Quotient, ggf.
Wiederholung nach Umstellung
der Medikation
Diagnosebestätigung
NaClBelastungstest/FludrokortisonSuppressionstest/Captopriltest
Subtypdifferenzierung
CT/MRT
Nebennierenvenenkatheter
Aldosteron-produzierendes
Adenom
Bilaterale Hyperplasie
Abb. 1 Diagnostik bei Verdacht auf einen primären Hyperaldosteronismus.
lose. Die typischen Symptome sind in Tab. 1 aufgeführt, wobei die
Hypertonie meist das einzige klinische Symptom ist. Nur etwa 30–
70% der Patienten weisen eine Hypokaliämie auf.
Laut den aktuellen Leitlinien sollten Patienten mit
3 einer spontanen Hypokaliämie,
3 einer therapieresistenten Hypertonie
( 3 Medikamente inklusive eines Diuretikums und
RR > 140/90 mm Hg),
3 einer (mittel)schweren Hypertonie
(> 160/100 mm Hg),
3 einem adrenalen Inzidentalom,
3 einer Hypertonie und einem zerebrovaskulären Ereignis im jungen Alter (< 30 Jahre) und
3 einer positiven Familienanamnese
für einen PA gescreent werden [6]. Dabei hat sich in den letzten
Jahren der Aldosteron-Renin-Quotient (ARQ) als „Gold-StandardScreening-Test“ etabliert (q Abb. 1) [7]. Dieser Quotient deckt am
besten eine autonome Aldosteronproduktion bei supprimiertem
Renin auf. Der Referenzwert des ARQs ist v.a. abhängig vom verwendeten Hormonassay, so dass die Referenzwerte um den Faktor
2 variieren können und deshalb Assay-spezifisch anzugeben sind.
Bei der Reninbestimmung kommt neben der Messung der Reninaktivität zunehmend die Reninkonzentration zum Einsatz. Beide
Parameter haben unterschiedliche Normbereiche und Einheiten,
was bei der Interpretation zu berücksichtigen ist. Die Durchführung und Interpretation des ARQ ist deshalb nur unter genauer
Kenntnis der eingesetzten Assays und ihrer Normwerte möglich
(in der Literatur angegebene Spannweite 7,2–100 ng/dl/ng/ml  h
[16, 20]). Der ARQ wird durch exogene Faktoren, wie z.B. antihypertensiver Medikation und Hypokaliämie, beeinflusst. Aus diesem Grund besteht der allgemeine Konsens, die antihypertensive
Medikation, soweit klinisch vertretbar, abzusetzen oder auf solche
Substanzen umzustellen, welche das RAAS nur minimal beeinflussen (Kalziumantagonisten vom Verapamil-Typ und 1-Blocker) [6].
Wenn ein pathologischer ARQ bestimmt wurde, erfolgt die Diagnosesicherung durch einen Bestätigungstest, um die fehlende Supprimierbarkeit von Aldosteron zu demonstrieren. Hierbei hat sich
der intravenöse Volumenbelastungstest mit 2 Litern 0,9%-iger
Kochsalzlösung durchgesetzt: Er ist ambulant durchführbar und
breit verfügbar. Der Fludrokortison-Suppressions-Test besitzt zwar
eine weit höhere Spezifität und Sensitivität, hat aber Nachteile wegen der Notwendigkeit einer stationären Durchführung und einer
damit verbundenen höheren Zeit- und Kostenintensität. Dabei
werden dem Patienten 4 Tage lang alle 6 Stunden 0,1 mg Fludrokortison verabreicht und am 5. Tag das Aldosteron gemessen.
Schließlich sollen hier noch als weitere Tests der Captopril-Test sowie die orale Kochsalzbelastung erwähnt werden, die jedoch wesentlich seltener eingesetzt werden. Im 24-Stunden-Sammelurin
können die Aldosteronmetabolite Tetrahydroaldosteron und Aldosteron-18-Glukuronid gemessen werden; diese Bestimmungen
werden jedoch nur begrenzt angeboten [3].
Wenn ein PA als Hypertonie-Ursache diagnostiziert wurde, hängt
die weitere Therapieentscheidung vom Subtyp des PA ab. Zur Subtypdifferenzierung wird empfohlen, neben einer DünnschichtComputertomographie (CT) oder einer Magnetresonanztomographie (MRT) eine seitengetrennte Nebennierenvenenkatheterisierung durchzuführen, um die Aldosteron-Quelle sicher zu identifizieren. Während ein einseitiges Adenom minimal-invasiv operiert
wird, besteht bei der bilateralen Erkrankung die Möglichkeit einer
lebenslangen Therapie mit einem Mineralokortikoid-Antagonisten
(MRA) [19]. Da die antiandrogenen Langzeitnebenwirkungen (Gynäkomastie, Impotenz, Zyklusstörungen) dosisabhängig sind und
die Therapie mit dem nichtselektiven MRA Spironolacton oftmals
limitieren, ist der spezifische MRA Eplerenon eine Alternative in
der Langzeittherapie [8]. Eplerenon ist für die Therapie des PA in
Deutschland jedoch nicht zugelassen.
Phäochromozytom/Paragangliom
5
Phäochromozytome sind seltene, meist benigne katechololaminproduzierende Tumoren des Nebennierenmarks oder der Paraganglien und liegen bei etwa 0,2–0,4% aller Hypertoniker vor [13, 18].
Die Katecholamine stimulieren vaskuläre und kardiale -adrenerge Rezeptoren sowie das RAAS. Das klassische klinische Erscheinungsbild wird durch die Katecholaminwirkung geprägt, jedoch ist
häufig eine Fülle an Symptomen vorhanden (Tab. 2) [1]. Dabei leiden die oft jungen Patienten in etwa der Hälfte der Fälle an einer
intermittierenden, krisenhaften Hypertonie, in den restlichen Fällen handelt es sich um eine Dauerhypertonie. Kommen noch Kopfschmerzen, Schwitzen und Palpitationen hinzu, kann mit einer Sicherheit von rund 90% bereits anhand der Klinik die Diagnose eines Phäochromozytoms gestellt werden. Jedoch treten die Symptome, bedingt durch die intermittierende Katecholamin-Freisetzung,
häufig nur episodisch auf, so dass die Diagnose oft erschwert wird.
Unbehandelt drohen Krisen mit Herzinsuffizienz, Lungenödem,
Herzrhythmusstörungen und Hirnblutung.
Wenn bei einem Patienten der Verdacht auf ein Phäochromozytom besteht, sollte als Screening-Test die Bestimmung der Katecholamine oder deren Abbauprodukten erfolgen. Die Bestimmung der freien Katecholamine und fraktionierten Metanephrine im 24h-Sammelurin wird dabei am häufigsten angewandt
(q Abb. 2). Da jedoch zwischen den Blutdruckkrisen die Katecholaminausschüttung normal sein kann, sollte dieser Test bei
negativem Ausfall und hochgradigem klinischem Verdacht wiederholt werden. Bei den meisten symptomatischen Patienten
sind jedoch auch im symptomfreien Intervall die Katecholamine
erhöht. Die Bestimmung der freien Metanephrine im Plasma hat
die höchste Sensitivität (97–99%) und Spezifität (82%), ist jedoch noch immer nur begrenzt verfügbar [15]. Die Blutabnah-
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Aktuelle Diagnostik und Therapie | Review article
Klinisches Bild beim Phäochromozytom.
Symptom/Befund
Häufigkeit (%)
Schwere Hypertonie, davon
90–100%
3 Dauerhypertonie
50–60%
3 intermittierend
40–50%
Kopfschmerzen
60–90%
Schwitzen
55–75%
Palpitationen
50–70%
Fieber
60–70%
Tremor
40–50%
Nervosität, Angstzustände
35–40%
Gewichtsverlust
30–60%
Blässe
30–60%
Thoraxschmerz
20–50%
Übelkeit, Erbrechen
20–45%
Schwäche
15–40%
Tab. 3
Biochemisches Screening
Metanephrine im Plasma
Katecholamine im Sammelurin
Diagnosebestätigung
Testwiederholung, insbesondere bei
grenzwertigen Befunden u./o. hoher
klinischer Wahrscheinlichkeit
Abb. 2 Diagnostik
bei Verdacht auf ein
Phäochromozytom/
Paragangliom.
MIBG = Metajodbenzylguanidin
Lokalisationsdiagnostik
CT/MRT Abdomen
MIBG-Szintigraphie/DOPA-PET
Genetik bei entsprechendem Verdacht
rative endoskopische Entfernung des Tumors gilt nach ausreichend dosierter präoperativer -Blockade als Therapie der
Wahl. Bei inoperablen Tumoren kommt eine medikamentöse
Therapie mit einem -Rezeptoren-Blocker in Frage.
Klinisches Bild beim Hyperkortisolismus.
Symptom/Befund
Häufigkeit (%)
Hypertonus
75–85%
Hyperkortisolismus/Cushing-Syndrom
5
me sollte nüchtern und nach 15-minütigem Liegen erfolgen. Der
früher bei grenzwertigen Befunden eingesetzte ClonidinHemmtest kommt kaum mehr zum Einsatz.
Der Hyperkortisolismus stellt eine seltene Ursache einer Hypertonie
dar (ca. 0,2% aller Hypertoniker). Chronisch erhöhte Glukokortikoidspiegel führen über ihre Wirkung auf Mineralo- als auch Glukokortikoidrezeptoren zu einer Erhöhung des Blutdrucks. Man unterscheidet ein ACTH-abhängiges (Morbus Cushing, ektopes CushingSyndrom) (ca. 70%) von einem ACTH-unabhängigen (adrenalen)
Cushing-Syndrom) (ca. 30%). Die Diagnose ist im Gegensatz zu den
vorherigen Krankheitsbildern häufig eine Blickdiagnose. Hohen
diskriminatorischen Wert hat die sorgfältige Inspektion der Haut.
Die durch den endogenen Hyperkortisolismus hervorgerufenen
Stoffwechselveränderungen führen zum klassischen „cushingoiden“ Habitus (Tab. 3, q Abb. 3) [12]. Ein Hypertonus findet sich
bei rund 80% aller Patienten [4]. Zu beachten ist allerdings, dass die
Symptome zyklisch auftreten und sehr variabel ausgeprägt sein
können. Erst die Kombination verschiedener Veränderungen ergibt
eine hohe Prätest-Wahrscheinlichkeit und macht ein weiteres
Screening sinnvoll.
Als bildgebende Verfahren werden CT oder MRT der Nebennieren eingesetzt. Ergänzend kommen v.a. bei kleinen extraadrenalen Tumoren eine 123Jod-MIBG-Szintigraphie sowie eine 18FDopa-Positronenemissionsszintigraphie (PET) in Frage. Da 5–
26% der Tumoren familiär auftreten, spielt die genetische Diagnostik bei Patienten unter 50 Jahren eine wichtige Rolle. Die ku-
Besteht nach sorgfältiger klinischer Untersuchung der Verdacht
auf ein Cushing-Syndrom, sollte als erstes der Hyperkortisolismus biochemisch gesichert werden (q Abb. 4). Hierfür stehen
drei nahezu gleichwertige Verfahren zur Verfügung: die Bestimmung des Kortisoltagesprofils im Speichel, des freien Kortisols im
24h-Sammelurin sowie der niedrig dosierte Dexamethason-
Fettverteilungsstörung
3 Vollmondgesicht
80–90%
3 Büffelnacken
50–55%
3 Stammfettsucht
80–100%
Eiweißkatabolismus mit
3 Muskelatrophie
45–65%
3 atrophe Haut mit Striae rubrae distensae
50–70%
Bei Frauen Virilismus, Hirsutismus, Oligomenorrhö, Amenorrhö
55–80%
Bei Männern Impotenz
55–80%
Osteoporose mit Wirbelkörperfrakturen
30–45%
Hypokaliämie
20–30%
Akne
20–25%
Abb. 3
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Typischer cushingoider Habitus.
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Tab. 2
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Biochemisches Screening
Speichelkortisol-Tagesprofil
Freies Kortisol im Sammelurin
Niedrigdosierter Dexa-Hemmtest
Diagnosebestätigung
ggf. Testwiederholung;
gesichertes Cushing-Syndrom bei
mind. 2 pathologischen Tests
Subtypdifferenzierung
Basales Plasma-ACTH
> oder < 15 pg/ml
ACTH-abhängiges
Cushing-Syndrom
Abb. 4
ACTH-unabhängiges
(adrenales)
Cushing-Syndrom
Diagnostik bei Verdacht auf einen Hyperkortisolismus.
Hemmtest (1 mg) [5]. Da die Tests zwar eine hohe Sensitivität
von > 98%, aber eine begrenzte Spezifität von unter 80% haben
und verschiedene Medikamente die Ergebnisse verfälschen können, muss die Diagnose durch mindestens zwei pathologische
Testergebnisse bestätigt werden [17]. Ein Cushing-Syndrom ist
nahezu ausgeschlossen, wenn zwei Tests normal ausfallen.
Bei bestätigtem Hyperkortisolismus sind differentialdiagnostische
Tests wichtig, um zwischen einem ACTH-abhängigen und einem
adrenalen Cushing-Syndrom unterscheiden zu können. Dafür sollte als erster Schritt der basale ACTH-Spiegel bestimmt werden. Bei
Plasma-ACTH < 15 pg/ml liegt definitionsgemäß ein adrenales
Cushing-Syndrom vor, die weitere Differentialdiagnose wird dann
mittels Schnittbildgebung anhand der Nebennieren-Morphologie
durchgeführt. Liegt das Plasma-ACTH bei > 15 pg/ml, handelt es
sich um ein ACTH-abhängiges Cushing-Syndrom. Hier erfolgt zunächst weitere biochemische Diagnostik mit Cortiocotropin-Releasing-Hormon-Stimulationstest (CRH-Test) und hoch dosiertem Dexamethason-Hemmtest (8 mg) zur Differenzierung zwischen eutop-hypophysärem und ektop-paraneoplastischem Cushing-Syndrom. Ergänzt wird die Diagnostik mittels Sinus-Petrosus-Katheter
in spezialisierten endokrinologischen Zentren, MRT der Hypothalamus-Hypophysen-Region, CT-Thorax oder -Abdomen oder szintigraphischen Methoden zur Tumorlokalisation.
Therapeutisch steht die operative Entfernung der Kortisol-Quelle im
Vordergrund, sei es eine transnasale, transsphenoidale Adenektomie beim Morbus Cushing, eine Entfernung des ektop produzierenden Tumors beim ektopen Cushing-Syndrom oder eine laparoskopische Resektion des Nebennierentumors beim adrenalen CushingSyndrom. In Einzelfällen kann eine bilaterale Adrenalektomie nötig
sein. Bei Inoperabilität kommen Medikamente zum Einsatz, welche
die Kortisolsynthese inhibieren, wie Mitotane und Ketokonazol.
Fazit
5
Sekundäre Hypertonien sind am häufigsten durch Nebennierenerkrankungen bedingt. Da durch eine spezifische Therapie in vielen
Fällen eine Heilung des Hypertonus erzielt werden kann, ist das
rechtzeitige Erkennen der Ursachen essenziell. Die Interpretation
der Hormonwerte und somit die Diagnostik der Erkrankungen
wird jedoch durch eine oftmals unspezifische Klinik erschwert. In
vielen Fällen ist der Hypertonus das einzige Symptom, mit dem der
Patient sich in der Sprechstunde vorstellt. Durch ein stufenweises
Vorgehen mit Screening-Test des basalen Hormonstatus im Serum
oder Urin lassen sich betroffene Patienten jedoch identifizieren.
Mit Bestätigungstests und differenzialdiagnostischen Untersuchungen in spezialisierten endokrinologischen Einrichtungen lässt
sich die Diagnose sichern. Die biochemische Analytik muss der
bildgebenden Diagnostik immer vorausgehen.
Konsequenz für Klinik und Praxis
3Endokrine Hypertonien werden am häufigsten durch adrenale Erkrankungen verursacht (primärer Hyperaldosteronismus, Hyperkortisolismus und Phäochromozytom).
3Sie werden in der Praxis häufig spät erkannt.
3Screening-Tests sind bei Patienten mit einer hohen VortestWahrscheinlichkeit sinnvoll.
3Das stufenweises Vorgehen zur Sicherung der Endokrinopathie
sollte durch eine biochemische Analytik mit anschließender
Bildgebung erfolgen.
Autorenerklärung: Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Diese Arbeit wurde durch die Else Kröner-Fresenius-Stiftung gefördert.
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