Teil 1 Morbus Parkinson – Erkennen und richtig behandeln Krankheitsbild und therapeutische Möglichkeiten Teil 2 Optimieren Sie die Lebensqualität von Parkinsonpatienten Aktivierende Verfahren in der Reha © Alexander Raths/Fotolia Zertifizierte Fortbildung in Zusammenarbeit mit 2013; 65 (10) G ILDU Teil 3 Parkinson: Stürze vermeiden Gleichgewichtstraining und Sturzprophylaxe Heilberufe / Das Pflegemagazin N TB E 3 RT ZE IFIZIE Punkte R Morbus Parkinson FO PflegeKolleg RT 31 PflegeKolleg Morbus Parkinson Krankheitsbild und therapeutische Möglichkeiten Morbus Parkinson – Erkennen und richtig behandeln Schätzungen zufolge leben in Deutschland circa 300.000 Parkinson-Patienten. Hinzu kommen rund 100.000 Menschen, bei denen die Krankheit nicht erkannt ist – eine hohe Dunkelziffer für eine noch nicht heilbare Krankheit. Doch je früher die Diagnose gestellt wird, umso eher kann eine adäquate Behandlung eingeleitet werden, die die Lebensqualität der Betroffenen deutlich erhöht. M Diagnose Die Diagnose Morbus Parkinson wird meist mittels neurologischer Untersuchungen nach Auftreten mo­ torischer Symptome und deren Verbesserung nach Gabe von Dopamin ersetzenden Medikamenten ge­ stellt. Die motorischen Eigenschaften der Erkrankung sind ▶ Akinese (Verlangsamung der Bewegungsabläufe) ▶ Rigor (zunehmende Muskelsteifigkeit) ▶ Tremor (Zittern) Sie manifestieren sich allein oder in Kombination, einseitig oder beidseitig. Gelegentlich treten diese zu Beginn sogar schon in Begleitung mit einer Beein­ trächtigung des Gleichgewichts auf. Dies wird auch als Störung der posturalen Reflexe umschrieben. Überwiegend beobachtet man dies aber erst im wei­ teren Verlauf, oft einhergehend mit Stürzen. Dopamin ersetzende Medikamente haben hier nur eine sehr begrenzte Wirkung. Die nicht motorischen Eigenschaften sind die Folge einer Verminderung Heilberufe / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10) © BVMed-Bilderpoolt DOI: 10.1007/s00058-013-1080-6 orbus Parkinson ist eine neuropsychiatri­ sche, neurodegenerative Erkrankung mit einer Vielfalt von individuell unterschied­ lich ausgeprägten Eigenschaften. Die idiopathische Form des Parkinson Syndroms ist durch ein lang­ sames, gelegentlich auch als schubartig erlebtes Fortschreiten von überwiegend motorischen, aber auch vegetativen, psychopathologischen Symptomen sowie Empfindungsstörungen gekennzeichnet. Der allmähliche Verlust von Dopamin herstellenden Nervenzellen in den Basalganglien führt bei einer verringerten Dopaminkonzentration von ungefähr 70­80% in den für die Steuerung von Bewegungs­ abläufen verantwortlichen Kerngebieten oft erst zur klinischen Diagnose. Diese kann dann mittels bildgebend funktioneller Verfahren, wie dem DATscan®­SPECT oder dem Fluorodopa­PET, dar­ gestellt und erhärtet werden. anderer Botenstoffe, wie Serotonin oder Noradrena­ lin. Therapeutische Ansätze zur Besserung der nicht motorischen Defizite werden immer wichtiger, da diese vor allem die Lebensqualität der Patienten und ihrer Angehörigen erheblich verbessern können [1]. Der Verlauf der Erkrankung, Auftreten und Ausprä­ gung von motorischen und nicht motorischen Symp­ tomen, die Verträglichkeit und Wirkung der einge­ setzten Therapien ist bei jedem Parkinson­Patienten unterschiedlich. Daher ist eine wiederholte Kontrol­ le und Anpassung der Medikation durch den behan­ delnden Arzt in enger Zusammenarbeit mit dem Patienten selbst und seinem betreuenden Umfeld notwendig. Medikamentöse Behandlung der Motorik Levodopa ist der natürliche Vorläufer des Neuro­ transmitters Dopamin. Nur Levodopa, aber nicht Dopamin, kann die Blut­Hirn­Schranke überwinden. Levodopa ist das verträglichste und wirksamste Me­ dikament zur Behandlung von motorischen Symp­ tomen bei Parkinson­Patienten. Sein Nachteil liegt in einer kurzen Halbwertszeit im Blut. Durch Kom­ bination mit einem Dopadecarboxylasehemmer, Benserazid oder Carbidopa, wird diese verlängert. So wird der Abbau von Levodopa in der Körperperiphe­ rie vermindert, mehr Levodopa erreicht das Gehirn. Durch Hemmer des Enzyms Catechol­O­me­ thyltransferase (COMT) kann die Wirkung von Le­ vodopa weiter verstärkt werden. Dadurch wird eine stabilere Konzentrationen von Levodopa im Blut erreicht sowie eine kontinuierlichere Bereitstellung von Levodopa im Gehirn, wo Levodopa in Dopamin umgewandelt wird. Dopamin sollte den Rezeptoren in den Kerngebie­ ten (Basalganglien), die für die Steuerung von Bewe­ gungsabläufen verantwortlich sind, möglichst gleich­ mäßig zur Verfügung gestellt werden. Je gleichmä­ ßiger dies erfolgt, desto länger und besser lässt sich das Auftreten von „motorischen Komplikationen“ hinauszögern. Diese Schwankungen der Beweglich­ keit sind durch so genannte „Off “­Phasen mit schlechter Motorik und damit einhergehend be­ stimmten nicht motorischen Symptomen (z.B. Reiz­ barkeit, Apathie) gekennzeichnet. Aber auch Zeiten mit überschießenden, unwillkürlichen Bewegungen (Dyskinesien) treten dann oft auf. Während Dyski­ nesien meist von Angehörigen des Patienten als stö­ rend empfunden werden, erleben die Patienten selbst die Off­Zeiten als sehr belastend. Meist sind sie zunächst vorhersehbar. Im Verlauf werden sie unvorhersehbarer und stehen nicht mehr im zeitlichen Zusammenhang mit einer vorigen Ein­ nahme eines Dopamin ersetzenden Medikamentes. Dopaminagonisten stimulieren direkt die Bindungs­ stellen für Dopamin. Sie werden mit Ausnahme von Heilberufe / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10) Apomorphin langsamer als Levodopa im Körper abgebaut und wirken daher gleichmäßiger und auch länger. Oft werden sie zu Beginn der medikamentösen Therapie eingesetzt, weil dadurch das Auftreten mo­ torischer Komplikationen hinaus gezögert wird. Ein Dopaminagonist kann auch als Pflaster über die Haut gegeben werden. Da lokale, allergische Haut­ reaktionen sofort oder mit mehrmonatiger Latenz auftreten können, ist es sehr wichtig, diese Pflaster möglichst nur alle 14 Tage auf die gleiche Hautstelle zu kleben. Alle Dopaminagonisten zeigen nur eine begrenzte Verträglichkeit. Schwindel, Übelkeit und andere durch Dopamin ausgelöste Nebenwirkungen treten im Vergleich zu Levodopa deutlich vermehrt auf – insbesondere zu Beginn der Therapie. Daher wird die Einstellung auf einen Dopaminagonisten langsam und vorsichtig durchgeführt. Zusätzliche, oft nur vorüber gehende Einnahme von Domperidon (Motilium®) hilft gegen die Übelkeit. Midodrin (Gu­ tron®) hilft gegen niedrigen Blutdruck. Appetitverlust, Müdigkeit, Ödeme sind ebenfalls häufig. All diese Nebenwirkungen beeinträchtigen die Verlässlichkeit der Einnahme. Man kann zwischen den einzelnen Dopaminagonisten wechseln, diese auch kombinie­ ren. Letzteres ist aber umstritten. Wichtig ist, die individuell optimale Verträglichkeit und Effizienz im Krankheitsverlauf immer wieder auszutesten. KEYWORDS Morbus Parkinson Dopamin Tiefe Hirnstimulation On- und Off-Phasen Während Angehörige meist Dyskinesien als störend empfinden, erleben die Patienten selbst die Off-Zeiten als sehr belastend. Infusionstechniken Die optimierte Umsetzung des Prinzips der „kontinuierlichen dopaminergen Stimu­ lation“ ist die Infusion von Levodopa in den Zwölf­ fingerdarm. Diese Methode ist effizient, aber teuer und nur bedingt technisch ausgereift und somit an­ fällig und kompliziert. Doch die sehr fein und genau zu regulierende Gabe von Levodopa kann die moto­ rischen Komplikationen bei Parkinson­Patienten deutlich verbessern. Auch die anderen verfügbaren Infusionsysteme für den Dopaminagonisten Apo­ morphin verbessern motorische Komplikationen – dann meist in Kombination mit Levodopa. Bei der subkutanen Apomorphingabe können lokale Entzün­ dungen an der Einstichstelle auftreten. Beide Pum­ D E FI N ITI O N Benannt nach dem englischen Arzt Dr. James Parkinson ist die Parkinson Erkrankung eine langsam fortschreitende neurologische Erkrankung. Sie betrifft bestimmte Gebiete des Gehirns (die Basalganglien), die an der Kontrolle der willkürlichen und unwillkürlichen Bewegung beteiligt sind. Die langsame Degeneration von Zellen der Substantia nigra verursacht einen Mangel des Botenstoffes Dopamin im Gehirn. Dieser Mangel führt zu den klassischen Symptomen der Krankheit. Als typische Symptome kennzeichnen Bewegungsarmut (Akinese), Zittern in Ruhe (Tremor), Muskelsteifheit (Rigor), Gang- oder Gleichgewichtsstörungen den Morbus Parkinson. 33 Morbus Parkinson pensysteme verlangen zudem eine engmaschige Be­ treuung und Mitarbeit auch durch pflegende Ange­ hörige. Monoaminooxidase-B Hemmer bewirken stabilere Dopaminspiegel in den Basalganglien. Das wird durch eine Hemmung des Dopaminabbaus über die Mono­ aminooxidase B erreicht. Man nimmt an, dass sie zusätzlich zu ihrer symptomatischen Wirkung auf die Motorik auch die Progression der Erkrankung ver­ langsamen. NMDA-Antagonisten, wie Amantadin oder auch das zusätzlich auch anticholinerg und noradrenerg wirk­ same Budipin, verbessern die motorischen Symptome durch einen vermutlich indirekten Dopamin substi­ tuierenden Effekt. Die postulierte Wirkung auf die Häufigkeit und die Verringerung der Intensität mo­ torischer Komplikationen wird kontrovers diskutiert und zeigt sich in der täglichen klinischen Praxis nur bedingt. Anticholinergika werden heutzutage nur noch selten eingesetzt. Sie haben oft erhebliche Nebenwirkungen, wie Mundtrockenheit, Verstopfung, Miktionsstö­ rungen, Herzrhythmusstörungen, Delir – insbeson­ dere nach schnellem Absetzen – sowie Demenz. Die Verlangsamung des Krankheitsprozesses ist eines der wesentlichen Ziele in der Parkinsontherapie. Neurochirurgische Therapie der tiefen Hirnstimulation Bei der tiefen Hirnstimulation werden über kleine Eröffnungen des Schädels dünne Stimulationselek­ troden in die Zielgebiete des Gehirns, meist in die Basalganglienkerne Nucleus subthalamicus oder Glo­ bus pallidus, gesetzt. Nach Anschluss an einen „Hirn­ schrittmacher“ wird die krankhafte Aktivität der Nervenzellen normalisiert, wobei der genaue Wirk­ mechanismus bis heute nicht vollständig geklärt ist. Durch die tiefe Hirnstimulation kann es zu einer deutlichen Linderung der wesentlichen, motorischen Symptome kommen. Auch motorische Komplikati­ onen verbessern sich, gleichzeitig kann die Dosis von Parkinson Medikamenten verringert werden. Die Indikation zur tiefen Hirnstimulation besteht, wenn es trotz Optimierung der medikamentösen Therapie zu ausgeprägten Schwankungen der Beweg­ lichkeit oder schwerem Tremor kommt. Sprache, Gangprobleme wie das Freezing Phänomen oder Störungen des Gleichgewichts verbessern sich, wenn überhaupt, nur geringfügig. Durch den oft erheb­ lichen, positiven Effekt auf die Motorik kann es nach der Operation auch zu sozialen Problemen aufgrund einer unrealistischen Fehleinschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit oder Akzeptanz der Verbesserung durch die nahe Umgebung kommen. Langfristig häu­ fen sich Beobachtungen, die Depressionen, Angstat­ tacken und kognitive Störungen beschreiben. Dies wird aber kontrovers diskutiert. Eine sorgfältige Aus­ wahl von Parkinson Patienten möglichst ohne psy­ chiatrische und kognitive Auffälligkeiten ist daher notwendig. Verlangsamung des Krankheitsprozesses oder Heilung? Die Verlangsamung des Krankheitsprozesses ist ne­ ben der Heilung eines der wesentlichen Ziele in der Parkinsontherapie. Doch Transplantation, die Gabe oder Stimulation von Wachstumsfaktoren waren in Studien nicht überzeugend erfolgreich. Der Einsatz von Stammzellen wird immer diskutiert, wurde al­ lerdings noch nie adäquat klinisch geprüft. Das ent­ scheidende Problem all dieser Heilungsansätze ist deren Fokussierung auf das Dopamin. Nicht berück­ sichtigt wird, dass außer Dopamin auch andere Bo­ tenstoffsysteme betroffen sind und dass die normale oder physiologische Regulierung der Dopaminfrei­ setzung im nigrostriatalen System bisher nicht imi­ tiert werden kann. Therapie jenseits der Motorik Nicht motorische Symptome können die Lebensqua­ lität vor allem in fortgeschrittenen Stadien der Er­ krankung erheblich vermindern. Symptomatische Therapieansätze existieren für autonome Störungen, wie Seborrhoe, Schwitzen, Orthostase, vermehrtes Speichelaufkommen, Blasenstörungen, gastrointesti­ nale Störungen. Dumpfe, ziehende Schmerzen treten oft auf, wenn die Motorik schlecht eingestellt ist. Dann wird auch über Muskelkrämpfe, Steifheit, Ge­ lenkschmerzen oder Bandscheibenbeschwerden ge­ klagt. Empfindungsstörungen können als Taubheit, Bren­ nen oder Kribbeln in jedem Stadium der Erkrankung auftreten. Auch Deformitäten der Füße und Hände bei Parkinsonpatienten sind häufig. Mit dem Rigor 34 Heilberufe / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10) © Ralf Dolberg PflegeKolleg FA Z IT FÜ R D I E PFLEG E ▶▶Die Therapie des Morbus Parkinson ist komplex und muss individuell auf den Patienten und seine ihn betreuenden Angehörigen ausgerichtet sein. ▶▶Im Vordergrund steht die Behandlung von moto- rischen Symptomen und nicht motorischen spezifischen Veränderungen (z.B. Verlangsamung des Denkens, Demenz, Depression, Apathie, autonome Störungen). ▶▶Die Gabe von Levodopa und Dopaminagonisten verbessert die motorischen Symptome, kann aber therapeutisch nur zum Teil die nicht motorischen Eigenschaften der Erkrankung beeinflussen. Auch Dopamin ersetzende Medikamente selbst können zum Auftreten nicht motorischer Symptome beitragen und sie auch verstärken. ▶▶Aktivierende Therapien, wie Logopädie, Physiotherapie oder Ergotherapie, haben neben passiven erholenden Ansätzen (z.B. Fangopackungen, Entspannungstechniken) einen großen Stellenwert. einhergehend treten Krümmungen an der Wirbel­ säule auf, wodurch der Gleichgewichtssinn weiter beeinträchtigt wird. Dies kann zu vermehrten Stürzen führen. Bis zu 75% der Parkinsonpatienten beklagen Schlaf­ losigkeit. Die verminderte Beweglichkeit führt zu einem verminderten nächtlichen Drehverhalten im Bett. Auch das Auftreten von Krämpfen und meist dumpfen, ziehenden Schmerzen als Folge der ver­ mehrten Steifigkeit stören den Nachtschlaf. Weil Schlafstörungen oft auch Folge einer Depression sind, helfen hier Antidepressiva. Psychoseneigung und Psychosen bessern sich durch Gabe von atypischen Neuroleptika. Plötzliche, so genannte „Schlafattacken“ und Tageschläfrigkeit können eine Folge aller direkten und indirekt Dopamin substituierenden Medika­ mente sein. Modafinil oder auch Amantadin mit seiner Vigilanz hebenden Wirkung können hier eine Erleichterung bewirken. Anfangssymptome: Depression und Angst Apathie oder Depression sind häufige Anfangsymp­ tome, bevor motorische Symptome auftreten. Im Verlauf der Erkrankung sind sie immer wieder zu beobachten, wobei eine schlechte Einstellung der Motorik auch als Reaktion darauf mit verursachend sein kann. So können motorische Komplikationen auch Angst beziehungsweise Panikattacken und an­ dere psychopathologische Phänomene auslösen. Des­ halb sind begleitende, stützende, erklärende und psychotherapeutische Gespräche neben einer adä­ quaten Psychopharmakotherapie oft hilfreich. Heilberufe / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10) Psychosen Lebhafte Träume, Furcht, Angst, überwiegend op­ tische Verkennungen und Halluzinationen einherge­ hend mit Schlafstörungen sind oft beginnende Zei­ chen einer Psychose. Jedes Parkinsonmedikament kann eine Psychose vor allem in Kombination mit einer zu geringen Flüssigkeitsaufnahme auslösen. Die Verringerung der Dopamin ersetzenden Medika­ mente mit vermehrter Flüssigkeitszufuhr kann daher das Auftreten einer Psychose verhindern. Das aty­ pische Neuroleptikum Clozapin besitzt neben der zusätzlichen sedierenden, beruhigenden Wirkungs­ komponente auch eine Tremor verbessernde Wir­ kung. Eine Alternative stellt Quetiapine dar, das aber nicht den Tremor verbessert. Andere Atypika (z.B. Risperidon, Olanzapin) sowie typische Neuroleptika sollten nur in Notfällen eingesetzt werden, da sie die Motorik erheblich verschlechtern können. Klinische Zeichen von Störungen des Denkens sind Verlangsamung, exekutive Dysfunktion oder der Verlust der Impulskontrolle. Wortfindungsstörungen, Halluzinationen und Verwirrtheitszustände können auch erste Anzeichen einer Demenz sein. Kognitive Störungen können aber auch aus einer Langzeitthe­ rapie mit Anticholinergika herrühren, die aber meh­ rere Monate nach Absetzen reversibel sein können. Ausblick Lange Zeit lag das Interesse in der Therapie des Mor­ bus Parkinson überwiegend bei der Besserung mo­ torischer Symptome. Die Bedeutung einer möglichst frühen Diagnose und dann sofortige Einleitung einer den Krankheitsverlauf gutartig modifizierenden The­ rapie nimmt aber zu. Psychopathologische Auffällig­ keiten verlangen oft nach dem zusätzlichen Einsatz von Psychopharmaka. Eine ergänzende Therapie muss sorgfältig überlegt werden und individuell ab­ gestimmt sein. Der Beginn sollte langsam einschlei­ chend und vorsichtig erfolgen, denn auch Parkinson­ medikamente können zum Auftreten von nicht mo­ torischen Symptomen beitragen. Dies erschwert die Differenzierung vom Krankheitsprozess und kann die therapeutischen Möglichkeiten beeinflussen. Manchmal ist eine Verringerung von Dosis und Me­ dikamentenvielfalt, einher gehend mit suffizienter Flüssigkeitszufuhr, besser als die zusätzliche Gabe weiterer Substanzen. Jedes Parkinsonmedikament kann eine Psychose vor allem in Kombination mit einer zu geringen Flüssigkeitsaufnahme auslösen. Infos im Netz: www.kompetenznetzparkinson.de www.parkinsonvereinigung.de Prof. Dr. med. Thomas Müller St. Joseph Krankenhaus Berlin-Weißensee Klinik für Neurologie Gartenstr. 1, 13088 Berlin [email protected] 35 PflegeKolleg Morbus Parkinson Aktivierende Verfahren in der Reha Optimieren Sie die Lebensqualität von Parkinsonpatienten Die Behandlung von Patienten mit Parkinsonsyndromen stellt Ärzte, Pflegekräfte und Therapeuten in der Rehabilitationsklinik vor völlig andere Probleme als etwa die Rehabilitation von Schlaganfall- oder Traumapatienten. Eine wesentliche Rolle spielt die zur Verfügung stehende Zeit bei Patienten, deren Hauptsymptom die Verlangsamung ist. Morbus Parkinson Rehabilitation Physio-, Logound Ergotherapie Patienteneduaktion Kommunikationsschwierigkeiten, die aus den kognitiven Störungen der Parkinsonpatienten resultieren, verlangen speziell ausgebildete Pflegefachkräfte 36 N litation bietet deshalb gegenüber akutstationärer Behandlung unter den heutigen DRG-Bedingungen möglicherweise noch die besseren Rahmenbedingungen. Ambulant oder stationär? Ob ein ambulantes oder stationäres Therapiesetting für die Parkinsonrehabilitation gewählt wird, hängt auch häufig vom Umfeld der Rehabilitationseinrichtung (Ballungsgebiet, ländliches Umfeld) und von Vertragsmodalitäten mit Krankenkassen ab. Aus medizinischer Sicht muss allerdings eine stationäre Behandlung erfolgen, wenn eine engmaschige Überwachung notwendig ist, weil zum Beispiel ausgeprägte Typische Ziele der Parkinsonrehabilitation ▶▶Besserung einer Gangstörung (Geschwindigkeit, Sicherheit) ▶▶Glättung von motorischen und nicht-motorischen Fluktuationen ▶▶Reduktion des Sturz- und damit Verletzungsrisikos ▶▶Reduktion von Sprech- und Schluckstörungen ▶▶Besserung der Feinmotorik und damit assoziierter Aktivitäten des täglichen Lebens ▶▶Besserung depressiver Störungen und Schlafstörungen ▶▶Schmerzreduktion ▶▶Verbesserung autonomer Störungen (z.B. Blasenfunktion, orthostatische Hypotonie) ▶▶Reduktion von Medikamentennebenwirkungen (z.B. Halluzinose) ▶▶Optimierung der häuslichen Situation und Management bei kognitiven Störungen Heilberufe / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10) © Matthias Oechsner, Zihlschlacht DOI: 10.1007/s00058-013-1081-5 KEYWORDS icht nur der Begriff „Rehabilitation“ ist im Zusammenhang mit einer progredienten neurodegenerativen Erkrankung wie Morbus Parkinson natürlich anders zu definieren als bei Erkrankungen, deren Spontanverlauf manchmal bereits ohne spezielle therapeutische Maßnahmen günstig ist. Der Neurologe sieht sich darüber hinaus bei der Parkinsonrehabilitation mit einer Vielzahl motorischer und nicht-motorischer Symptome konfrontiert und muss sich fundiert mit einer im Regelfall komplexen medikamentösen Kombinationstherapie beschäftigen, deren Einsatz durch oft geringe therapeutische Breite und ein hohes Nebenwirkungsrisiko limitiert ist. Weiter muss er die Charakteristika invasiver Therapieverfahren wie Medikamentenpumpen und die Einstellung von Neurostimulatoren zur tiefen Hirnstimulation kennen. Spezielle Behandlungsformen wie das Lee Silverman Voice Treatment (LSVT®) oder in der Physiotherapie das LSVT-BIG® setzen speziell ausgebildete Therapeuten zwingend voraus und sind mit einem hohen Personalaufwand verbunden. Pflegerische Probleme und Kommunikationsschwierigkeiten, die oft aus den häufigen kognitiven Störungen der Parkinsonpatienten resultieren, verlangen speziell mit der Erkrankung vertraute und im besten Fall speziell ausgebildete Pflegefachkräfte (Parkinson Nurse). Ein funktionierendes Team im Parkinsonzentrum wird sich deshalb normalerweise aus Mitarbeitern mit mehrjähriger Erfahrung in der Behandlung von Parkinsonsyndromen zusammensetzen. Eine wesentliche Rolle spielt der Faktor der zur Verfügung stehenden Zeit, nicht nur da Patienten behandelt werden, deren Hauptsymptom die Verlangsamung ist. Umstellungen der Medikation können häufig schon alleine aus pharmakologischen Gründen nicht innerhalb weniger Tage durchgeführt werden. Nicht-medikamentöse, übende Therapieverfahren werden nicht bereits nach wenigen Anwendungen zu positiven Ergebnissen führen. Die stationäre Rehabi- Blutdruckschwankungen und Nebenwirkungen wie Halluzinationen aufgetreten sind oder eine ausgeprägte Sturzgefahr besteht. Bei Patienten mit kognitiven Störungen oder multimorbiden, älteren Patienten ist ein hohes Risiko von Halluzinosen unter Parkinsonmedikamenten oder Delirien zu berücksichtigen, so dass hier ebenfalls eine ambulante Umstellung der Medikation riskant ist. Was ist das Rehabilitationsziel und wie wird es definiert? Als allgemeines Rehabilitationsziel kann gelten, die Lebensqualität des Patienten und seiner betreuenden Angehörigen zu verbessern. Seltener stehen bei jüngeren, noch berufstätigen Patienten Ziele beruflicher Reintegration im Vordergrund. Zur Definition eines realistischen speziellen Rehabilitationsziels wie etwa Reduktion des Sturz- oder Aspirationsrisikos muss zunächst häufig eine Überprüfung der Diagnose stattfinden, da etwa atypische Parkinsonsyndrome (z.B. Multisystematrophie, progressive supranukleäre Blicklähmung) einer anderen medikamentösen Behandlung bedürfen. Auch setzen die Aufklärung über den zu erwartenden, leider meist ungünstigeren Krankheitsverlauf und notwendige Vorsichtsmaßnahmen eine möglichst exakte Diagnose voraus, die allerdings trotz Verbesserung klinischer Kriterien und Entwicklung neuer Zusatzdiagnostik immer noch mit einer relevanten Unsicherheit behaftet ist [1]. Assessments und notwendige Diagnostik Für pharmakologische Studien etablierte Skalen wie die „Unified Parkinson’s Disease Rating Scale“ (UPDRS) eignen sich nur bedingt für den Einsatz in der Rehabilitation, da sie einerseits sehr aufwändig in der Durchführung sind und nur unzureichend Veränderungen nichtmotorischer Symptome widerspiegeln, die aber in der Rehabilitation häufig im Vordergrund stehen. Bereits vor Beginn der Rehabilitation kann ein Fragebogen die Hauptsymptomatik beim Patienten oder bei Angehörigen erheben und validierte Lebensqualitätsskalen wie der PDQ-39 durchgeführt werden, so dass Therapien und pflegerische Maßnahmen bereits im Vorfeld geplant werden können. Bei fluktuierenden Patienten ist ein motorisches Monitoring mit Beweglichkeitsprofilen (Beweglichkeit, Tremor, Dyskinesien) im Zeitverlauf unter Anpassung der Medikation unbedingt erforderlich. Dieses wird sinnvollerweise vom Pflegeteam nach entsprechendem Training durchgeführt, da hier der engste Kontakt zum Patienten besteht. An weiteren diagnostischen Maßnahmen sollten übliche Blut- und Urinuntersuchungen, EKG, sonografische Restharnkontrollen und Schellong-Test täglich verfügbar sein. Schluckstörungen sollten sowohl klinisch logopädisch als auch videoendoskopisch untersuchbar sein. Heilberufe / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10) Amplituden-orientiertes Training großräumiger Bewegungen. Nicht-motorische Störungen Neuro-psychiatrische Symptome ▶▶Schlafstörungen ▶▶Kognitive Störungen und Demenz ▶▶Depression ▶▶Angst ▶▶Halluzinose und Delir Als allgemeines Rehabilitationsziel kann gelten, die Lebensqualität des Patienten und seiner betreuenden Angehörigen zu verbessern. ▶▶Impulskontrollstörungen Autonome Symptome ▶▶Blasenfunktionsstörung ▶▶Sexuelle Funktionsstörungen ▶▶Gastrointestinale Motilitätsstörung ▶▶Sialorrhö ▶▶Schweißsekretionsstörung ▶▶Blutdruckregulationsstörung Inhalte und Maßnahmen der Rehabilitation Optimierte medikamentöse Therapie und tiefe Hirnstimulation Die Optimierung der medikamentösen Therapie ist integraler Bestandteil der Rehabilitation beim Parkinsonsyndrom, wird jedoch leider häufig vernachlässigt. Der adäquate Einsatz sich stetig erweiternder medikamentöser Möglichkeiten setzt eine spezielle Erfahrung mit der Definition sinnvoller Zielsymptome für bestimmte Substanzen und das Wissen um adäquate Dosierungen sowie die Nebenwirkungen der verwendeten Medikamente voraus. Ein häufiger Zuweisungsgrund sind motorische Fluktuationen und Dyskinesien beim L-Dopa-Langzeitsyndrom. Zu den konservativen Behandlungs- 37 PflegeKolleg Komplikationen wie sturzbedingte Verletzungen und Aspiration gehören zu den häufigsten Todesursachen bei der Parkinsonerkrankung. Morbus Parkinson möglichkeiten zählen zunächst die stärkere Fraktionierung von L-Dopa über den Tagesverlauf, der Einsatz von COMT- und MAO-B-Hemmern sowie länger wirksamen Dopaminagonisten und Amantadin. Besonders ist an dieser Stelle die Berücksichtigung von Medikamenteninteraktionen und die internistische sowie psychiatrische Komorbidität der meist älteren Patienten hervorzuheben, die oft stark limitierend wirkt. Zur Parkinsonrehabilitation gehört heute auch der Einsatz von Medikamentenpumpen (Apomorphin subkutan oder Levodopa/Carbidopa-Gel intrajejunal über PEJ) zur Behandlung von ansonsten therapieresistenten Fluktuationen und Dyskinesien sowie die Programmierung von Neurostimulatoren zur tiefen Hirnstimulation (THS). Während der Rehabilitation kann die Indikation für eine der invasiven Therapien gestellt werden, wenn Fluktuationen und Dyskinesien oder stark ausgeprägter Tremor nicht ausreichend mit oral oder transdermal bioverfügbaren Substanzen behandelbar sind. Prinzipiell ist die THS eher für jüngere, kognitiv nicht beeinträchtigte Patienten oder Patienten mit ausgeprägtem Tremor geeignet, die Pumpentherapien für Patienten mit therapieresistenten motorischen und nicht-motorischen Fluktuationen, für die keine Indikation für eine THS gestellt werden kann oder die diese ablehnen [3, 4]. Eine kontinuierliche Pumpentherapie kann während der Rehabilitation begonnen werden, im Falle einer geplanten THS-Operation werden Patienten jedoch zunächst an ein spezialisiertes Zentrum zur Implantation weiter verwiesen. Die postoperative oft sehr komplexe Anpassung von Neurostimulation und Medikation ist heute ebenfalls Bestandteil der spezialisierten Parkinsonrehabilitation. Eine umfangreiche FA Z IT FÜ R D I E PFLEG E ▶▶Zur Rehabilitation von Patienten mit Parkinsonsyndromen gehört neben speziellen übenden Therapien die Optimierung der häufig komplexen medikamentösen Kombinationstherapie. Hierzu ist eine fundierte Kenntnis der Zielsymptome, pharmakologischen Zusammenhänge, Interaktionen und Nebenwirkungen erforderlich. ▶▶Invasive Therapien wie die Einstellung von Neurostimulatoren zur THS sind heute ebenso Inhalt der Parkinsonrehabilitation wie die Behandlung mit Medikamentenpumpen (Apomorphin, Levodopa/Carbidopa-Gel). ▶▶Nicht-motorische, besonders neuropsychiatrische und autonome Sym- ptome und deren Fluktuationen bestimmen oft die Lebensqualität des Patienten stärker als die motorische Symptomatik und sind zwingend in die Rehabilitation einzubeziehen. ▶▶Die Beratung der Angehörigen hat einen hohen Stellenwert, besonders bei Patienten in fortgeschrittenen Erkrankungsstadien. ▶▶Physiotherapie, Logopädie und Ergotherapie haben in den letzten Jahren durch die Entwicklung parkinsonspezifischer und evidenzbasierter Therapietechniken einen neuen Stellenwert bekommen. 38 Erfahrung mit Wirkungen und unerwünschten Effekten der THS und enge Zusammenarbeit mit den implantierenden Zentren ist hier zwingend erforderlich. Nicht-motorische Symptome In seiner Originalpublikation [5] beschreibt James Parkinson 1817 neben typischen motorischen Zeichen zwar bereits autonome Störungen („... mysterious sympathetic influence.“). Neuropsychiatrische Symptome jedoch wurden von ihm noch nicht beob­ achtet („... the senses and intellect being uninjured.“). Heute wissen wir, dass nicht-motorische Störungen wie vegetative und psychiatrische Symptome, aber auch chronische Schmerzen zum Parkinsonsyndrom gehören wie Bradykinese, Rigor und Tremor und dass sie die Lebensqualität des Patienten oft sogar stärker als die motorischen Symptome beeinträchtigen [6]. Auch werden sie sehr viel seltener vom Patienten spontan beklagt [7], so muss aktiv danach gefragt werden. Hierfür wurden in den vergangenen Jahren Skalen und Fragebögen entwickelt, die inzwischen auch als deutschsprachige Versionen zur Verfügung stehen [8] und sich sehr gut zur Definition von Rehabilitationszielen in diesem Bereich eignen. Ähnlich wie die motorische Symptomatik zeitlichen Schwankungen unterliegt, treten bei Patienten in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung nichtmotorische Fluktuationen auf. Häufig berichten die Patienten zunächst, entsprechend der nachlassenden Levodopa-Wirkung, in der zweiten Nachthälfte über diffuse Unruhezustände mit Schlafstörungen, Schmerzen und Muskelkrämpfen. Später treten vielleicht Angst- und oft typische Panikattacken oder autonome Störungen wie Schweißausbrüche oder Blutdruckspitzen in den Off-Phasen auf. Der wesentliche Schritt zur adäquaten Behandlung dieser nichtmotorischen Fluktuationen liegt häufig in der Erkenntnis, dass es sich hier nicht um Symptome einer begleitenden Depression oder unabhängigen Störung des vegetativen Nervensystems handelt, sondern dass die Symptomatik zeitlich an die fluktuierende LDopawirkung gekoppelt ist und sich entsprechend bessert, wenn etablierte Behandlungsschritte zur Glättung von Fluktuationen eingesetzt werden. Nichtmotorische Störungen bieten ein weites Betätigungsfeld in der Parkinsonrehabilitation für alle beteiligten Berufsgruppen. Qualitätsverbessernde Maßnahmen in diesem Bereich führen oft direkt zu merkbaren Verbesserungen von Lebensqualität und Patientenzufriedenheit. Nicht-medikamentöse übende und aktivierende Therapien Leider treten mit fortschreitender Erkrankung zunehmend Symptome auf, die sich nicht durch eine Dosiserhöhung der Medikation bessern. Zu den Heilberufe / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10) nichtdoparesponsiven Symptomen zählen posturale Instabilität, Haltungsstörungen, Dysarthrie und Dysphagie. Die resultierenden Komplikationen wie sturzbedingte Verletzungen und Aspiration gehören zu den häufigsten Todesursachen bei der Parkinsonerkrankung. Während zur Testung der Gang- und Standsicherheit die klinische Untersuchung ausreichend ist, sollte für eine suffiziente Abklärung von Dysphagien bei Parkinsonpatienten neben der genauen Untersuchung durch die Logopädie eine videoendoskopische Untersuchung auch in der Rehabilitationsklinik zur Verfügung stehen. Dies ist wichtig, da Aspirationen häufig zunächst asymptomatisch verlaufen und bei vielen Patienten eine Änderung der Kostform oder sogar eine PEG-Ernährung erforderlich werden. In der Logopädie und der Physiotherapie sind im letzten Jahrzehnt nicht zuletzt durch die Entwicklung von LSVT® und LSVT-BIG® (gezieltes Üben großräumiger Bewegungen) bedeutende Fortschritte zumindest im Hinblick auf die Evidenzbasis und Nachhaltigkeit der verwendeten Therapieverfahren erzielt worden [9–14]. Diese Verfahren setzen eine spezifische Ausbildung des Therapeuten und eine hohe Therapiefrequenz voraus. Schulung von Patienten und Angehörigen Gut informierte Patienten berichten ebenso wie ihre Angehörigen über eine bessere Lebensqualität [16]. Regelmäßige Schulungen für Patienten und Angehörige zur Information über die Krankheitssymptome, medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapien, pflegerische Maßnahmen, Hilfsmittel und sozialmedizinische Maßnahmen sind deshalb wesentlicher Bestandteil der Rehabilitation. Entgegen früherer Auffassung stellt die Medikamenten-Compliance, insbesondere die zeitgenaue Einnahme der Medikation bei Parkinsonpatienten, eins der häufigeren Therapieprobleme dar, das auch zur Entstehung von Wirkfluktuationen beiträgt [17]. Beginnende kognitive Störungen sind häufig eine Ursache. Inhalt der Patienten- und Angehörigenschulung ist deshalb auch die allgemeinverständliche Darlegung basaler pharmakologischer Zusammenhänge, wie zum Beispiel der fluktuierenden Wirkung von LDopa und Motivation der Angehörigen zu mehr Unterstützung bereits im früheren Krankheitsverlauf. Inhalte aktivierender Therapien in der Parkinsonrehabilitation Physiotherapie und physikalische Therapie ▶▶Gangtraining/Gehtraining mit Einsatz von Cueing-Techniken („anti-freezing-Training“) ▶▶Sturzanalyse und Sturzprophylaxe, Balancetraining, Üben von Ausfallschritten ▶▶LSVT-BIG® (großräumige Bewegungen, Ziel: Reduktion der Bradykinese) ▶▶Apparative Therapie (Ergometrie/Laufband/robotassistierte Therapie) ▶▶Kraft- und Ausdauertraining (MTT, Nordic Walking, Ergometrie) ▶▶Stretching/Weichteilmobilisation/manuelle Therapie ▶▶Transfertraining ▶▶Wassertherapie ▶▶Analgesie: Massage, Wärmebehandlung, Akupunktur Logopädie ▶▶Am besten belegt: LSVT® (Lee Silverman Voice Treatment) ▶▶Analyse von Schluckstörungen (auch videoendoskopische Untersuchung) ▶▶Kau-/Schlucktraining ▶▶Reduktion des Aspirationsrisikos durch Anpassung der Kostform Ergotherapie ▶▶Feinmotoriktraining, Schreibtherapie ▶▶Training von Alltagsaktivitäten wie Körperlagewechsel, Kochen, Einkaufen, Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln, Waschen, Anziehen ▶▶ Hilfsmittelberatung und -versorgung ▶▶Haus-/ Wohnungsabklärung ▶▶Kreativtherapie Neuropsychologie ▶▶Diagnostik bei kognitiven Störungen, Depression, Angst ▶▶Kognitives Training entsprechend dem spezifischen neuropsychologischen Profil ▶▶Gesprächstherapie zur Krankheitsverarbeitung ▶▶Angehörigenberatung Komplementäre Therapien ▶▶Entspannungstechniken ▶▶Akupunktur ▶▶Qigong und andere Dr. med. Matthias Oechsner Facharzt für Neurologie, Leiter Parkinsonzentrum Rehaklinik Zihlschlacht AG Hauptstrasse 4, CH-8588 Zihlschlacht [email protected] Literatur beim Autor Heilberufe / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10) 39 PflegeKolleg Morbus Parkinson Café hilft bei Parkinson Professionelle Patientenberatung kombiniert mit einem gemütlichen Beisammensein – das bietet das Parkinson Café in Hannover. Die Initiatoren verstehen sich als Teil des Netzwerkes, das rund um den Menschen mit Parkinson agiert und in enger Zusammenarbeit mit den Neurologen steht und nicht als Selbsthilfegruppe. Mit Silke Feldmann sprachen wir über das Café und die Aufgaben einer Parkinson Nurse. HEILBERUFE: Frau Feldmann, wie kam es, dass Sie sich entschlossen haben, Parkinson Nurse zu werden? Feldmann: 1999 habe ich die Stationsleitung einer neurologischen Station in einer Universitätsklinik übernommen und festgestellt, dass die pflegerischen Versorgung von Parkinson-Patienten auf Grund fehlenden Wissens um die Erkrankung sehr schwierig war. Die Betroffenen hatten darum mit jeder Menge Vorurteilen zu kämpfen. Engagierte Ärzte aus der Parkinsonambulanz halfen mir, diese Defizite abzubauen. Ich wurde von ihnen gefordert aber auch gefördert, denn ohne ihre Fürsprache wäre der Wunsch nach meiner Weiterbildung zur Parkinson Nurse von der Pflegedienstleitung abgelehnt worden. So konnte ich 2008 am zweiten Kurs der vom Kompetenznetz Parkinson organisierten Ausbildung teilnehmen. Wie arbeiten Sie heute? Feldmann: Ich bin selbstständig als Parkinson Nurse mit zwei Firmen in der Schweiz und in Deutschland aktiv. In der Schweiz betreue ich als externe Dienstleisterin eines Pharmaunternehmens Patienten mit M. Parkinson, die eine Medikamentenpumpe über ein Sondensystem tragen. Hinzu kommt die Unterstützung bei der Neueinstellung im Spital, ein umfassendes Nachsorgeprogramm und eine 24h-Hotline für die Patienten. In Deutschland Parkinson Café „mobil“ Aufgrund der guten Erfahrungen wird das Parkinson Café auch „mobil“ angeboten, bundesweit gemeinsam mit Kliniken und Selbsthilfegruppen. Die Beratung ist neutral und unabhängig von kommerziellen Anbietern. Der Besuch ist kostenlos und wird über Spenden finanziert. Nächste Termine: 17.10. Vincentius Krankenhaus, Landau; 30.10. Soldatenheim, Koblenz-Horchheim. www.parkinsoncafe.de 40 gebe ich Parkisnon-Fortbildungen für Pflegepersonal aus ambulanten Einrichtungen und ich bin in beiden Ländern aktiv in die Weiterbildung der zukünftigen Parkinson Nurses eingebunden. Worin sehen Sie die pflegerischen Herausforderungen bei Parkinson? Feldmann: Von Parkinson sind alle Aktivitäten des täglichen Lebens beeinträchtigt. Angefangen bei der Kognition über psychische Auffälligkeiten als Medikamentennebenwirkung, Schlafstörungen, Harninkontinenz, Ernährungsprobleme wie Mangelernährung, Eiweißkonkurrenz aus der Nahrung zu L-Dopa, Schluckstörungen, Haltungsinstabilitäten, ein erhöhtes Sturzrisiko bis hin zu den mannigfaltigen Bewegungsstörungen. Und für die Beurteilung der Bewegung steht als einziges Instrument die Wahrnehmung zur Verfügung, die im ON/OFF-Protokoll dokumentiert wird. Für diese Patientengruppe ist allein schon durch diese Vielfalt an Einschränkungen ein hohes Maß an Beratungsund Sozialkompetenz – die Kernkompetenzen der Pflege – gefordert. Zudem übernimmt die Parkinson Disease Nurse (PDNS) in vielen Kliniken auch ärztliche Tätigkeiten wie das Ermitteln der UPDRS (Unified Parkinson‘s Disease Rating Scale), den L-Dopa- oder Apomorphin-Test, die Schulungen auf Pens und Medikamentenpumpen sowie die Unterstützung bei der medikamentösen Einstellung. Mit dem demographischen Wandel steigt die Zahl betroffener Patienten. Brauchen wir mehr spezialisiertes Pflegepersonal, mehr Parkinson Nurses? Feldmann: Der Bedarf an speziellem Pflegepersonal ist jetzt schon sehr groß. Für neurologische Arztpraxen gibt es gesondert weitergebildete Parkinsonassistenten. Doch der große Bereich der ambulanten Pflegedienste und Altenpflegeeinrichtungen hat bislang keine Möglichkeit, eine spezialisierte Silke Feldmann Parkinson Nurse und 1. Vorsitzende des Vereins der Parkinson Nurses und -Assistenten, Hannover Weiterbildung zur Versorgung von Parkinson-Patienten zu absolvieren. Zusammen mit engagierten Berufskollegen haben wir im Sommer den Verein der Parkinson Nurses und -Assistenten gegründet. Unser Ziel ist es, nach dem Vorbild von Großbritannien, Schweden und den Niederlanden Fortbildungen, die auf das jeweilige Einsatzgebiet zugeschnitten sind, zu organisieren. 2011 wurde in Hannover das Parkinson Café gegründet – wie kam es dazu und was bieten Sie den Patienten an? Feldmann: Durch die Beratungstätigkeit an einer Hotline für Parkinsonerkrankte stellten wir fest, dass es immer noch große Informationsdefizite gibt. Seit gut zwei Jahren steht nun das Parkinson Café jeden zweiten Mittwoch im Monat von 14–18 Uhr allen Betroffenen, Angehörigen und Interessierten offen. Es wird mit einem Vortrag eröffnet und geht dann in eine offene Gesprächsrunde mit Kaffee und Keksen über. Präsentiert und moderiert wird der Nachmittag von einer ausgebildeten Parkinson Nurse, die fachliche Informationen gibt. Nicht selten ergibt sich daraus ein separater Beratungstermin mit einzelnen Gästen, weil die Probleme zu komplex oder zu intim sind, um in der Gruppe besprochen zu werden. Wir haben viele Stammgäste, doch jedes Mal kommen auch neue hinzu. Da sich keiner bei uns an- oder abmelden muss, fällt es vielen Betroffenen leichter, durch dieses Brückenangebot aus seiner sozialen Isolation heraus zu kommen und vielleicht auf diese Weise den Weg in eine Selbsthilfegruppe zu finden. Das Interview führte Katja Kupfer-Geißler Heilberufe / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10) PflegeKolleg Morbus Parkinson Gleichgewichtstraining und Sturzprophylaxe Parkinson: Stürze vermeiden Gang- und Gleichgewichtsstörungen gehören zu den wichtigsten Behinderungen durch die ParkinsonErkrankung. Während sich das Gangbild zu Beginn der Erkrankung meist unter Antiparkinson-Medikamenten bessert, kommt es mit zunehmender Krankheitsdauer häufig zu unzureichend medikamentös beherrschbaren Gangblockaden (Startverzögerung, Freezing) und Gleichgewichtstörungen. Wegen des unzureichenden Ansprechens auf Medikamente oder auf die Tiefe Hirnstimulation haben aktivierende Therapien dann eine besonders große Bedeutung. Pflegekräfte können die Sicherheit und Mobilität der Betroffenen durch Sturzprävention und eine Verhaltensschulung maßgeblich unterstützen. S törungen des Gleichgewichts äußern sich beim Morbus Parkinson vor allem in einer verminderten Amplitude und verlängerten Latenz des protektiven Ausfallschritts bei Verlagerung des Körperschwerpunkts. Klinisch kann man diese Störung beim so genannten Zug-Test objektivieren. Dabei wird der Patient durch den Untersucher an den Schultern nach hinten gezogen. Bei gestörten Stellreflexen benötigt der Patient mehrere Ausfallschritte oder muss durch den Untersucher aufgefangen werden. Diese Störung der posturalen Reflexe markiert den Übergang vom Krankheitsstadium 2 (nach Hoehn und Yahr) zum Stadium 3. Vom Betroffenen selbst wird sie allerdings häufig nicht bemerkt, da protektive Ausfallschritte nicht zur all- Buchtipp Alesch, F., Kaiser, I. Tiefe Hirnstimulation: Ein Ratgeber für Betroffene bei Morbus Parkinson DOI: 10.1007/s00058-013-1082-4 Springer Verlag Wien 2010 ISBN 978-3-7091-0254-1 14,99 € Das Buch befasst sich mit sämtlichen Aspekten der tiefen Hirnstimulation. Medizinisches, psychologisches und technisches Hintergrundwissen wird verständlich vermittelt. Es geht aber auch auf alltägliche Probleme und so genannte Banalitäten ein, weil gerade diese oft zu kurz kommen und auf den ersten Blick zu simpel erscheinen um hinterfragt zu werden. Das Buch richtet sich in erster Linie an Patienten und deren Angehörige, aber auch Neurologen, Psychiater, Psychologen und Vertreter anderer Gesundheitsberufe sind eingeladen, sich über die vielen Aspekte und Anwendungsgebiete der tiefen Hirnstimulation in einfacher und kompakter Weise zu informieren. Heilberufe / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10) täglichen Bewegungsroutine gehören, sondern erst in Ausnahmesituationen wie Ausrutschen, Rempeln etc. benötigt werden. Treten Stürze und schwere Gleichgewichtsstörungen bereits in den ersten Jahren der Erkrankung auf, dann sollte dies den Verdacht auf eine atypische Parkinson-Erkrankung, vor allem auf eine Progressive Supranukleare Blickparese (PSP) oder eine Multisystematrophie [1], lenken. Unbestimmter Schwindel, breitbasiges Gehen und vermehrtes spontanes Schwanken im ruhigen Stand können in frühen und mittleren Krankheitsstadien auf eine Begleitpathologie (z.B. zerebrale Mikroangiopathie oder Polyneuropathie) hinweisen [2]. Die meisten Stürze bei Parkinson werden durch die zugrunde liegende Gleichgewichtsstörung und nicht durch äußere Umstände verursacht [3]. Das destabilisierende Moment ergibt sich meist aus krankheitsassoziierten Phänomenen wie Hyperkinesen (Unruhebewegungen), Festination (Trippelgang), Rumpffehlhaltungen oder motorischen Blockaden mit Freezing, Wendehemmung oder Startverzögerung [4, 5]. Patienten mit Morbus Parkinson stürzen meist nach vorne oder vorne-seitlich. Vorwiegend nach hinten gerichtete Stürze sind dagegen typisch für die PSP [1, 6]. Die meisten Sturze ereignen sich in häuslicher Umgebung, insbesondere im Schlafzimmer [7]. Stürze in der Vorgeschichte sind der wichtigste Risikofaktor für künftige Stürze [8]. Dagegen sind klinische Scores weniger zuverlässig mit dem Sturzrisiko assoziiert. Grundsätzlich nimmt die Sturzgefahr mit der Schwere der Krankheit zu, wobei es aufgrund der Immobilität in den fortgeschrittenen Stadien eher wieder zu einer Abnahme der Sturzhäufigkeit kommt [7, 8]. Parkinsonpatienten, die stürzen, haben ein 2,2-fach erhöhtes Risiko, Knochenbrüche zu erleiden. Dabei treten besonders häufig proximale Femurfrakturen auf [9]. Verglichen mit der Normalbevölkerung KEYWORDS Sturzprophylaxe Gang- und Gleichgewichtsstörungen Schubs-Training Aktivierende Therapie Stürze in der Vorgeschichte sind der wichtigste Risikofaktor für künftige Stürze. 41 Morbus Parkinson ist das Risiko, innerhalb eines sechsmonatigen Zeitraums einen Sturz zu erleiden, für Parkinsonpatienten um das Neunfache erhöht [7]. In einer kürzlich publizierten Langzeitstudie litten 87 % der Parkinsonpatienten nach 20-jähriger Krankheitsdauer unter Stürzen, 35 % hatten sich Frakturen zugezogen [10]. Sind Stürze unvermeidbar oder das Sturzrisiko sehr hoch, sollte ein gezieltes Sturztraining durchgeführt werden. Behandlung: Medikamente und Tiefe Hirnstimulation Gelegentlich lassen sich Gleichgewichtsstörungen durch eine Dopaminersatz-Medikation lindern. Dies gilt besonders für unbehandelte oder unterdosierte Patienten sowie in Fällen, in denen die Gleichgewichtsstörung vorwiegend im Zustand fehlender Medikamentenwirkung (Off-Phasen) auftritt. Gleichgewichtsstörungen, die unter optimaler Einstellung der Medikation oder der Tiefen Hirnstimulation auftreten, sind eine Domäne der aktivierenden Therapie. Aktivierende Therapie Diese Therapieverfahren basieren auf folgenden Maßnahmen: ▶▶Training des Gehens und Gleichgewichts ▶▶Schulung risikogerechten Verhaltens ▶▶Vorbeugung gegen Stürze und Verletzungen Training des Gleichgewichts: Das Symptom Haltungsinstabilität kann durch Gleichgewichtstraining mit verschiedenen Übungsansätzen behandelt werden. Besonders einfach und wirkungsvoll ist das „SchubsTraining“, das auch in der häuslichen Umgebung durchgeführt werden kann: In einer hierzu von Joeb­ ges et al. vorgestellten Studie [11] wurde die Ausfüh- Schubs-Training: Grundstellung 42 Retropulsion rung von Ausfallschritten bei Patienten, die an Parkinson erkrankt waren, gezielt geübt. Dabei wurden die Probanden vom Therapeuten repetitiv mit plötzlichem, nach hinten gerichtetem, manuellem Zug an der Schulter ausgelenkt. Es konnte gezeigt werden, dass sich nach einem 14-tägigen Therapiezyklus mit täglich zwei 20-minütigen Trainingseinheiten sowohl die Latenz als auch die Länge der Ausfallschritte verbessert hatten. Außerdem trat eine Zunahme der Gehgeschwindigkeit auf. Ohne weiteres Training blieben diese Therapieeffekte über zwei Monate weitgehend erhalten (Abb. Schubs-Training). Eine weitere Trainingsmöglichkeit zur Verbesserung des Gleichgewichts bieten Plattformen mit walzenförmiger oder runder Auflage. Die Anforderungen an die Balance kann man durch den Einsatz weicher Bodenauflagen oder durch Rumpfverlagerungen, Einbeinstand oder Tandemstellung der Füße erhöhen. Simultanes Durchführen mentaler oder anderer Aufgaben während der Gleichgewichtsübungen ist ein geeigneter Ansatz, um geteilte Aufmerksamkeit und „Dual-tasking“ zu trainieren. In einer vergleichenden Untersuchung konnte gezeigt werden, dass die durch konventionelles Gleichgewichtstraining erzielten Verbesserungen der Balance ausgeprägter waren, wenn diese Übungen durch isometrisches Training der Beinmuskulatur ergänzt wurden [12]. Zusätzlich zur Verbesserung der Balance führt ein Aufbau von Muskelmasse durch Kraft­ übungen auch zu einem geringeren Frakturrisiko bei Stürzen. Ergänzend zur professionellen Physiotherapie kann der Muskelaufbau der Beinmuskeln durch einfache Hausübungen (z.B. repetitives Aufstehen aus dem Sitzen, Treppensteigen) unterstützt werden. Ausfallschritt Heilberufe / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10) © Georg Ebersbach, Beelitz PflegeKolleg Sind Stürze unvermeidbar oder ist das Sturzrisiko sehr hoch, sollte ein gezieltes Sturztraining durch geschulte Physiotherapeuten durchgeführt werden. Dabei werden Abroll- und Schutztechniken eingeübt. In einer kürzlich publizierten Studie wurde die Reduktion von Stürzen durch ein häusliches Übungsprogramm mithilfe eines randomisierten kontrollierten Designs untersucht. Eingeschlossen waren 142 Patienten mit IPS und positiver Sturzanamnese [13]. Nach sechs Wochen führte eine Kombination von wöchentlich einem Hausbesuch durch einen Physio­ therapeuten und täglichem Eigenübungsprogramm im Vergleich zur unbehandelten Kontrollgruppe zu einer alltagsrelevanten Besserung des Gleichgewichts. Vorwiegend über eine Verbesserung der Körperwahrnehmung wirkt das aus Fernost stammende Tai Chi, dessen Wirksamkeit auf die Sturzneigung bei Parkinson in einer Studie eindrucksvoll belegt werden konnte [14]. Schulung risikogerechten Verhaltens: Am Anfang dieser Maßnahmen steht die Frage nach den individuellen Gleichgewichtsproblemen. Bei Stürzen sollte man deren Umstände genau analysieren, um auslösende Faktoren vermeiden zu können. Mit Sturzgefahr typischerweise assoziiert sind folgende Situationen: Ausrutschen auf glatten Bodenflächen oder aufgrund falschen Schuhwerks, Gleichgewichtsverlust beim Anziehen (Schuhe binden, Hose anziehen), Rückwarts gehen (z.B. beim Türöffnen oder Hinsetzen), Arbeiten über Kopf, Treppen hinuntergehen. Da bei Parkinson vermehrte Aufmerksamkeit benötigt wird, um das Gleichgewicht zu kontrollieren, sollten Ablenkungen, z.B. durch intensive Gespräche beim Gehen vermieden werden. Patienten mit „Freezing“ sollten zur Vermeidung von Stürzen instruiert werden, die Gangblockaden nicht durch forcierte Vorverlagerung des Körperschwerpunktes zu durchbrechen. Stattdessen sollte in der Therapie geübt werden, erst nach einer kurzen Entspannungspause eine bewusste Schrittinitiierung einzuleiten. Nach Möglichkeit sollte jedem Sturz eine Evaluation der Sturzumstände folgen. Besonders relevant sind dabei die Fragen, ob der jeweilige Sturz hätte vermieden werden können und welche Konsequenzen sich aus dieser Erfahrung für ein adäquates Verhalten in der Zukunft ableiten lassen. Eine Sondersituation besteht bei vielen Patienten mit Progressiver Supranuklearer Parese und bei einigen Patienten mit Parkinson-Demenz. Bei ihnen kann es zu einer Störung des Risikoverhaltens kommen, deren Folge zahlreiche, oft schwere Stürze sind. Trotz ständig wiederholter Instruktionen und häufiger Verletzungen bringen sich diese Patienten immer wieder in sturzträchtige Situationen. Für Partner und Pflegepersonal ist die Belastung bei diesen so genannten „Reckless falls“ extrem hoch. Oft können die Heilberufe / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10) FA Z IT FÜ R D I E PFLEG E ▶▶Patienten mit Morbus Parkinson haben verkürzte und verzögerte Schutzschritte und sind bei plötzlicher Verlagerung des Körperschwerpunkts sturzgefährdet. ▶▶Gleichgewichtstraining kann die Gangsicherheit verbessern und das Sturzrisiko senken. Besonders wirkungsvoll ist das „Schubs-Training“. Es kann auch in der häuslichen Umgebung durchgeführt werden. ▶▶Aufbau von Muskelmasse durch Kraftübungen verbessert nicht nur die Balance. Es verringert auch das Frakturrisiko bei Stürzen. ▶▶Da die Gleichgewichtskontrolle von Patienten mit Parkinson vermehrte Aufmerksamkeit erfordert, sollten Ablenkungen wie beispielsweise intensive Gespräche beim Gehen vermieden werden. ▶▶Sturzprävention durch Aufklärung und Verhaltensschulung ist eine wichtige pflegerische Aufgabe. Klare Absprachen zur Mobilität (Gehen auch ohne Begleitung oder nur mit Hilfsmitteln) mit sturzgefährdeten Patienten sind wichtig und sollten auch schriftlich dokumentiert werden. ▶▶Nach Stürzen sollte ein sorgfältiges pflegerisches Assessment (Sturzprotokoll) erfolgen. Aus jedem Sturz sollten Lehren gezogen werden, wie künftigen Stürzen vorgebeugt werden kann. Sturzfrequenz und mögliche Verletzungen nur durch engmaschige Beobachtung und das Tragen von Protektoren begrenzt werden. Vorbeugung gegen Stürze und Verletzungen: Bei sturzgefährdeten Patienten sollte man darauf achten, die Verletzungsmöglichkeiten in der häuslichen Umgebung so gering wie möglich zu halten (Kanten polstern, Engpässe vermeiden, Türschwellen beseitigen, Haltegriffe anbringen). Ausreichende Beleuchtung (auch Nachts) und offene Türen können das Sturzrisiko senken. Gemeinsam mit einem Physiotherapeuten sollte bei starker Sturzgefahr eine Hilfsmittelversorgung, zum Beispiel mit einem Rollator, erwogen werden. Sind Stürze trotzdem nicht zu vermeiden, ist meist ein Verletzungsschutz an besonders gefährdeten Körperstellen (zum Beispiel Hüft- oder Knieprotektoren) erforderlich. PD Dr. med. Georg Ebersbach Neurologisches Fachkrankenhaus für Bewegungsstörungen/Parkinson Paracelsusring 6a 14547 Beelitz-Heilstätten Literatur unter: www.heilberufe.de 43 TB Fernfortbildung zum Mitmachen Mit dem HEILBERUFE PflegeKolleg können sich alle Pflegekräfte unkompliziert fortbilden. Wenn Sie 9 der 10 Fragen richtig beantworten, erhalten Sie ein anerkanntes Zertifikat, das Ihnen 3 Punkte im Rahmen der Registrierung beruflich Pflegender (RbP – www.regbp.de) beim Deutschen Pflegerat (DPR) sichert. So nehmen Sie teil Am einfachsten füllen Sie den Fragebogen unter www.heilberufe.de online aus. Unmittelbar nach der Teilnahme erfahren Sie, ob Sie bestanden haben und können sich Ihr Zertifikat gleich ausdrucken. Per Post senden Sie den Fragebogen an: Springer Medizin Redaktion HEILBERUFE Heidelberger Platz 3 14197 Berlin (Fax: 030 82787 5505) Die Online-Teilnahme ist für Abonnenten der Zeitschrift HEILBERUFE kostenlos; von NichtAbonnenten sowie bei postalischer Einsendung wird eine Bearbeitungsgebühr erhoben. Teilnahmeschluss ist der 31.01.2014 Sind die Eigenschaften des Morbus Parkinson nur motorisch, nur nicht motorisch oder individuell unterschiedlich ausgeprägt? 2. Welche typischen Symptome kennzeichnen den Morbus Parkinson? A Akinese, Tremor, Rigor, Gang- oder Gleichgewichtsstörungen. B Ein stark veränderter Schlaf-Wach-Rhythmus. C Eine ausgeprägte Vergesslichkeit. 3. Nicht motorische Symptome bei ParkinsonPatienten sind A selten. B durch Levodopa gut zu behandeln. C auch eine Folge der nicht dopaminergen Neurodegeneration. 4. Levodopa, der natürliche Vorläufer des Neurotransmitters Dopamin, ist A das best verträglichste und wirksamste Medikament zur Behandlung von motorischen Symptomen bei Parkinson-Patienten. B Fibrose auslösend. C nicht Blut-Hirn-Schranken gängig. 5. Worauf sollen Pflegekräfte bei der Gabe von Parkinsonmedikamenten besonders achten? A Auf eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme. B Die Einnahme sollte nur abends erfolgen. C Parkinsonmedikamente werden immer nur vor dem Aufstehen genommen, daher sollten sie griffbereit neben dem Bett liegen. 6. Was ist kein typisches Ziel im Rahmen einer Parkinson-Rehabilitation? A Die Besserung einer Gangstörung (Geschwindigkeit, Sicherheit). B Die Schmerzsituation zu verschlechtern. C Die Besserung depressiver Störungen und Schlafstörungen. Name, Vorname Straße G Punkte ZE R 1. A B C 3 E FO (Es ist jeweils nur eine Antwort richtig.) IFIZIE RT Morbus Parkinson RT N PflegeKolleg Fragebogen ILDU 7. Wann muss aus medizinischer Sicht eine stationäre Behandlung des Parkinsonkranken zur engmaschigen Überwachung erfolgen? A Wenn ausgeprägte Blutdruckschwankungen oder Halluzinationen unter Parkinsonmedikamenten auftreten. B Nie, denn die Parkinsonmedikamente sind nebenwirkungsfrei. C Sobald kein pflegender Angehöriger zur Verfügung steht, der die Tabletteneinnahme überwachen kann. 8. Für welche Parkinson-Patienten ist die Tiefe Hirnstimulation (THS) als Therapie eher nicht geeignet? A Für jüngere, kognitiv nicht beeinträchtigte Patienten. B Für Patienten mit ausgeprägtem Tremor. C Für ältere kognitiv beeinträchtigte Patienten. 9. Worum handelt es sich bei LSVT-BIG® in der Parkinson-Therapie? A Es handelt sich um ein spezielles Trainingsprogramm für übergewichtige Parkinson-Patienten. B Um eine Studie, mit der nicht erkannte ParkinsonPatienten in der breiten Bevölkerung identifiziert werden sollen. C Es ist ein gezieltes Üben großräumiger Bewegungen, um ungenutzte Möglichkeiten des Patienten zu aktivieren. 10. Welche Aussage trifft auf das Sturzrisiko zu? A Klinische Scores sind zuverlässig mit dem Sturzrisiko assoziiert. B Stürze in der Vorgeschichte sind der wichtigste Risikofaktor für künftige Stürze. C Gerade bei Parkinson werden die meisten Stürze durch äußere Umstände verursacht. � Ich bin Abonnent/in von HEILBERUFE und möchte gegen Gebühr (5 €/pro Zertifikat) postalisch teilnehmen. � Ich habe kein HEILBERUFE Abo und möchte gegen Gebühr (7,50 €/ pro Zertifikat) postalisch teilnehmen. PLZ/Ort E-Mail 44 Datum/Unterschrift Heilberufe / Das Pflegemagazin 2013; 65 (10)