patienten-info Fibromyalgie-Syndrom - Kraichgau

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Fibromyalgie-Syndrom
Kraichgau-Klinik - Chefarzt Dr. med. Peter Trunzer - Facharzt für Innere Medizin
Spezielle Schmerztherapie, Chirotherapie, Homöopathie, Rehabilitationswesen
Fritz-Hagner-Promenade 15 • 74906 Bad Rappenau Telefon (07264) 802-122 • Telefax (07264) 802-114 • www.Kraichgau-Klinik.de
„Mir tut mein ganzer Körper weh...“
Wer hat nicht schon einmal erlebt, bei einer Grippe, nach körperlicher Überanstrengung oder einfach durch eine
ungeschickte Dauerhaltung, z.B. beim Fernsehen, morgens mit Steifigkeit am ganzen Körper aufzuwachen, sich
kraftlos zu fühlen und Gliederschmerzen zu haben? Bei jedem Menschen treten ähnliche Beschwerden irgendwann
einmal auf und verschwinden auch wieder.
Bei Ihnen bestehen Steifigkeit, Kraftlosigkeit und Gliederschmerzen dagegen andauernd über Wochen, Monate
oder vielleicht sogar seit Jahren. Wir Ärzte deuten Ihre Beschwerden als Zeichen einer Fibromyalgie (fibro = Faser,
my = Muskel, algie = Schmerz). Obwohl das Syndrom weit verbreitet ist, hören Sie vielleicht jetzt zum ersten Mal
durch Ihren Arzt davon. Mit diesem Faltblatt möchten wir Sie kurz aber verständlich über den heutigen Wissensstand
hierüber informieren.
Habe ich „Rheuma“?
Der Volksmund spricht gerne bei jeglichen länger andauernden Schmerzzuständen des Bewegungsapparates
von „Rheuma“. Dies ist aber lediglich ein Sammelbegriff für eine Vielzahl entzündlicher und nichtentzündlicher
Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates.
Die Fibromyalgie ist ein Schmerzsyndrom, keine Krankheit im eigentlichen Sinne. Sie wird zum Weichteilrheumatismus gezählt. Im Gegensatz zum Gelenkrheumatismus entspringen hierbei die Schmerzen an Strukturen außerhalb
der Gelenke wie Bänder, Sehnen und Muskeln. Obwohl es um die Gelenke herum schmerzt und sie sich geschwollen
anfühlen können, sind sie nicht direkt betroffen oder gefährdet.
Die Fibromyalgie führt weder zu Verkrüppelung oder Invalidität noch zum Verlust der Erwerbsfähigkeit. Sie ist nicht
vererbbar. In den meisten Fällen ist das Syndrom selbstlimitierend, d.h. über kurz oder lang verschwinden die
Beschwerden von selbst. Verlauf sowie Vielfalt und Stärke der Symptome sind bei jedem Menschen unterschiedlich.
Eines ist jedoch bei fast allen gemeinsam: durch die zum Teil als „unerträglich" empfundenen Schmerzen fühlen sich
die Betroffenen in ihrem Beruf und im Privatleben erheblich behindert. Berufliche und familiäre Konsequenzen können
die Folge sein.
Wer erkrankt an einer Fibromyalgie?
Im Prinzip kann jeder an einer Fibromyalgie erkranken. Aber in 90 % der Fälle sind aus bisher unbekannten Gründen
nur Frauen betroffen und zwar in der Altersgruppe zwischen 35 und 60 Jahren. Unter der Bevölkerung sollen 5% und
mehr an dem Syndrom leiden. In den USA ist die Fibromyalgie in vielen Arztpraxen das häufigste rheumatische
Beschwerdebild überhaupt. Auch in Deutschland wird die Diagnose mit zunehmendem Bekanntheitsgrad immer
häufiger gestellt.
Wie entsteht eine Fibromyalgie?
Obwohl Wissenschaftler weltweit nach den Ursachen der Fibromyalgie forschen, ist unser Wissen über das Syndrom
noch lückenhaft. Es gibt wenige handfeste Befunde und viele Hypothesen. Neben Veranlagung, psychosozialen und
stressbedingten Einflüssen werden neurophysiologische und biochemische Störungen vermutet. So haben
Wissenschaftler durch Messung der Hirnstromkurven während des Schlafes eine gestörte Tiefschlafphase
(Schlafphase IV) feststellen können. Da in dieser Phase vermutlich wichtige Regenerationsprozesse im Gehirn
ablaufen, könnte diese Störung von ursächlicher Bedeutung sein. Besonders interessant ist der Befund, dass
fibromyalgische Beschwerden bei gesunden Testpersonen provoziert werden konnten, wenn diese wiederholt über
einen längeren Zeitraum durch akustische Signale am Erreichen der Tiefschlafphase gehindert wurden. Das
funktionierte jedoch nicht, wenn die Testpersonen körperlich sehr gut trainiert waren.
Weiterhin wurde durch mehrere Untersuchungen belegt, dass sich die Patienten in einem Zustand verminderter
körperlicher Fitness („underfitness") befinden. Wird die Fitness durch Ausdauersport (z.B. „Aerobic") verbessert, so
kommt es zu einer deutlichen Abnahme der Schmerzen und zur Linderung der übrigen Beschwerden. Andere
Untersucher fanden Veränderungen im Stoffwechsel der Überträgerstoffe Serotonin und Tryptophan im Gehirn, die
u.a. die Schmerzwahrnehmung beeinflussen. Die Muskulatur selbst oder das Bindegewebe zeigen keinen
krankhaften Befund.
Es besteht Uneinigkeit unter den Wissenschaftlern, inwieweit die beschriebenen Störungen eine Fibromyalgie
auslösen oder als Folge des Syndroms zu sehen sind.
Neuere Forschungsergebnisse über die Formbarkeit des Nervensystems (Neuroplastizität) belegen, dass die
Wahrnehmung von Schmerzen gewissermaßen gelernt werden kann. So scheint bei der Fibromyalgie u.a. die
Schmerzschwelle verschoben zu sein, wodurch schon bei schwachen Reizen starke Schmerzen gemeldet
(Schmerzwahrnehmungsstörung) werden.
Die Symptome
Zu den Hauptsymptomen (Krankheitszeichen) der Fibromyalgie gehören Schmerzen „überall", an den Muskeln, in
Gelenknähe und an der Wirbelsäule. Die Schmerzen verstärken sich oft im Laufe des Tages. Aus Angst davor werden
körperliche Aktivitäten auf ein Minimum reduziert, ein „Teufelskreis" beginnt. Daneben leiden fast alle Betroffenen
besonders morgens unter einer Steifigkeit des ganzen Körpers, die sich erst im Laufe des Tages bessert. Alle diese
Beschwerden können durch Kälte, Lärm und Stress verstärkt werden. Wärme und Entspannung führen dagegen
meist zu einer Linderung.
Viele Patienten fühlen sich müde und sind leicht erschöpfbar. Auch der Nachtschlaf bringt nicht die gewünschte
Erholung; im Gegenteil, morgens beim Erwachen fühlen sie sich wie „erschlagen". Es fehlt an geistiger und
körperlicher Kraft. Gegenstände fallen aus den Händen und die Bewältigung der täglichen Aufgaben wird nicht selten
zur Qual. Abhängig vom Verlauf können auch chronische Kopfschmerzen, Taubheitsgefühle,
Kribbelmissempfindungen und Stuhlunregelmäßigkeiten bestehen.
Wie wird die Diagnose gesichert?
Die Diagnose Fibromyalgie ist mangels spezifischer Laborbefunde und wegen der vieldeutigen Symptome schwierig.
Ihr Arzt benötigt eine genaue Schilderung Ihrer Beschwerden. Es müssen die Diagnosekriterien des „American
College of Rheumatology" von 1990 erfüllt sein, sonst wird die Diagnose ggf. zu Unrecht gestellt.
Typisch sind generalisierte Schmerzen von mehreren Monaten Dauer und der Nachweis von „Punkten" erhöhter
Schmerzempfindlichkeit an definierten Stellen des Körpers („tender points"), die der Arzt zielsicher findet, wenn er mit
dem Krankheitsbild vertraut ist. Meistens fallen alle anderen Untersuchungen einschließlich der Röntgen- und
Laboruntersuchungen negativ aus. Der Weg bis zur Diagnose gleicht nicht selten einer „Irrfahrt" von einem
Spezialisten zum anderen. So mancher Patient besitzt im Laufe der Zeit eine „stolze Sammlung" von Normalbefunden
- auch das ist krankheitstypisch.
Oft heißt es: „Ich kann nichts finden, Sie sind gesund...". Dann fühlen sich die Betroffenen missverstanden, nicht ernst
genommen oder womöglich als Simulanten verkannt. Aus Mangel an objektivierbaren Befunden werden die
Beschwerden oft als Depression, klimakterisches Syndrom, Wirbelsäulensyndrom, psychosomatische Störungen u.a.
fehlgedeutet. Der Mangel an objektivierbaren Befunden und die Symptomvielfalt machen die Diagnose zu einer
Herausforderung für jeden Arzt. Andererseits spaltet die Diagnose aber auch die Fachleute in zwei Lager.
Wie wird die Fibromyalgie behandelt?
Eine ursächliche Behandlung der Fibromyalgie oder gar Medikamente dagegen gibt es nicht. Trotzdem besteht Grund
zum Optimismus, denn es gibt Behandlungskonzepte zur Linderung und zur Beseitigung der Beschwerden. An deren
erfolgreicher Umsetzung haben Sie als Patient maßgeblichen Anteil.
Unser Therapieprogramm fußt auf den bisherigen Forschungsergebnissen und auf der Tatsache, dass eine
Schmerzbeeinflussung erlernt werden kann. Es umfasst Aufklärung in Wort und Schrift, sporttherapeutische
Maßnahmen, Training in Entspannung und Schmerzbewältigung, ein „Genusstraining" in Form künstlerischer
Tätigkeiten sowie die Gabe einer geringen Dosis Amitriptylin zur Beeinflussung des Serotoninspiegels. Falls Sie
Reaktionen auf das Medikament verspüren sollten, so wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt und setzen es nicht einfach
ab.
Wärmeanwendungen wie heiße Bäder, Moorpackungen usw. wirken über Entspannung der Muskulatur kurzfristig
schmerzlindernd. Sie sollten diese positive Wärmewirkung nutzen, wann immer Sie Zeit dazu haben (z.B. warmes
Tauchbecken in unserem Schwimmbad). Langfristig helfen jedoch nur aktive körperliche Übungen und eine
Verbesserung der allgemeinen Fitness, besonders durch Ausdauertraining. Dies entspricht sowohl unserer Erfahrung
als auch den Forschungsergebnissen.
Was bedeutet FMS-Programm?
Alle Patienten mit Fibromyalgie nehmen bei uns am „FMS-Programm" teil (Fibromyalgie-Syndrom). Behutsames
körperliches Training ist ein wesentlicher Bestandteil hiervon. Sie werden möglicherweise am Anfang Ihre Schmerzen
vermehrt spüren oder „Muskelkater" bekommen, was normal ist und sich legt. Sind Sie verängstigt, so sprechen Sie
bitte unsere Therapeuten darauf an.
In der FMS-Gruppe haben Sie auch die Möglichkeit, über Ihre Beschwerden zu reflektieren, Erfahrungen mit
Patienten auszutauschen und Strategien zu entwickeln, wie Sie im Privat- und Berufsleben damit fertig werden. Das
Erarbeiten von Krankheitsbewältigungsstrategien (Krankheitsmanagement) hat bei der Fibromyalgie eine überaus
große Bedeutung. Dazu gehört auch das Erlernen psychologischer Schmerzbewältigungsmethoden, die sich bei
anderen rheumatischen Erkrankungen längst bewährt haben.
Was bringt die Zukunft?
Eine Behandlung von drei oder vier Wochen Dauer reicht bei weitem nicht aus, um beschwerdefrei zu werden. Sie
müssen deshalb Geduld aufbringen und die Zeit bei uns auch unter dem Aspekt der „Schulung zum Fachmann in
eigener Sache" verstehen. Für einen dauerhaften Erfolg ist es unerlässlich, das Trainingsprogramm zu Hause
fortzusetzen! Die meisten Patienten können trotzdem ihre alltägliche Routine beibehalten. Manchmal sind jedoch
Veränderungen der Lebensgewohnheiten notwendig. Inwieweit das in Ihrem privaten oder beruflichen Bereich
angezeigt und durchführbar ist, können Sie sich am besten selbst beantworten.
Mit festem Willen und Ausdauer werden Sie Ihre Beschwerden in den Griff bekommen und dadurch sowohl
Leistungsfähigkeit als auch Lebensqualität steigern. Ihr Hausarzt wird Sie gerne dabei unterstützen, reden Sie mit
ihm. Auch bei erfolgreicher Behandlung kann es von Zeit zu Zeit zum „Aufflackern" von fibromyalgischen
Beschwerden kommen. Lassen Sie sich hiervon nicht entmutigen! Möglicherweise haben Sie Ihr Trainingsprogramm
vernachlässigt.
Bei offenen Fragen wenden Sie sich bitte an uns. © Kraichgau-Klinik Bad Rappenau • HjG 06/96 - 03/03
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