ZU DIESEM HEFT Sucht ist ... ... männlich, hätte man noch vor zehn Jahren gesagt. Aber die Frauen haben aufgeholt. Dass die Emanzipation auch ihre negativen Seiten hat, haben (männliche) Kommentatoren bereits vor einigen Jahren mit einem politisch nicht korrekten Unterton festgestellt. Damals überschritt in den USA die Zahl neu aufgetretener Lungenkarzinome erstmals diejenige neuer Brustkrebs-Erkrankungen. Nicht nur beim Nikotinkonsum haben die Frauen zumindest gleichgezogen. Auch bei der anderen großen Volksdroge Alkohol sind die Zeiten männlicher Dominanz vorbei. Das macht sich in der Statistik noch nicht richtig bemerkbar. Alkohol ist wie Nikotin ein Gift, das langsam wirkt. Derzeit werden bei Männern noch rund 5,2 % aller Tumore auf chronischen Alkoholkonsum zurückgeführt, bei Frauen nur 1,7 %. Anders als bei Nikotin, wo es offenbar eine Schwellendosis gibt, gibt es für Alkohol kein Limit nach unten. Bei jedem 25. Brustkrebs ist Alkohol im Spiel Beim Brustkrebs ist dies mittlerweile eindeutig nachgewiesen. Bereits ab einer täglichen Menge von etwa 18 Gramm Alkohol – etwas mehr als ein Achtel Liter Wein – steigt das Risiko für ein Mammakarzinom signifikant an. Ein, zwei oder drei Drinks pro Tag lassen die Wahrscheinlichkeit um 10, 20 und 40 % ansteigen. Derzeit werden rund 4 % aller neu diagnostizierten Mammakarzinome in den USA auf Alkohol zurückgeführt. Zu den Mechanismen gibt es mehrere Hypothesen. Beim Brustkrebs lässt Alkohol auch die Östradiolspiegel ansteigen. Zu hohes Östradiol gilt als karzinogener Risikofaktor. In der Leber wirkt Alkohol bei gleichzeitig vorliegender Hepatitis C proinflammatorisch und steigert die Fibrogenese. Bei der HBV verkürzen bereits 40 Gramm Alkohol pro Tag das Auftreten eines hepatozellulären Karzinoms um rund zehn Jahre. Dr. Alexander Kretzschmar, München Angst ist in Alkohol löslich Die kausale Beteiligung von chronischem Alkoholkonsum ist inzwischen für fast alle Tumore nachgewiesen worden. Geschlechterunterschiede sind dagegen weniger gut dokumentiert. Daten aus einer Heidelberger Studie weisen auf eine erhöhte Suszeptibilität von Kopf-Hals-Tumoren bei Frauen hin, die regelmäßig Alkohol konsumieren. Alle diese Zahlen und Fakten beziehen sich auf einen regelmäßigen Alkoholkonsum, der auch unter dem Aspekt von Suchtverhalten beurteilt werden muss. Wer Sorgen hat, hat auch Likör – Wilhelm Busch hat ungewollt die wichtigste Ursache von Alkoholabusus aufgedeckt. Brustkrebs entsteht eben auch im Kopf. Dr. Alexander Kretzschmar Int Welt Onkologie 3/2008 Downloaded from www.die-internistische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 49 INHALT INHALT Die Internistische Welt Onkologie 3/2008 Schriftleitung und wissenschaftlicher Beirat in Kooperation mit der Monatsschrift „Die Medizinische Welt“. Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, sind vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift (auch Abbildungen) darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsanlagen, verwendete Sprache übertragen werden. Auch die Rechte der Wiedergabe durch Vortrag, Funk und Fernsehsendung, im Magnettonverfahren oder auf ähnlichem Wege bleiben vorbehalten. Von einzelnen Beiträgen oder Teilen von ihnen dürfen nur einzelne Exemplare für den persönlichen und sonstigen eigenen Gebrauch hergestellt werden. Die Vervielfältigungen sind mit dem Vermerk über die Quelle und den Vervielfältiger zu versehen. – Die Aufnahme der Zeitschrift in Lesezirkel ist nicht gestattet. – Die Nennung von Markenbezeichnungen in dieser Zeitschrift lässt keinerlei Rückschlüsse zu, ob es sich um geschützte oder nichtgeschützte Zeichen handelt. Die Beiträge spiegeln die Meinung der Autoren wider, nicht die der Herausgeber oder desVerlages. FürAngaben über Applikationsformen und Dosierungsanweisungen kann der Verlag keine Gewähr übernehmen. For users in the USA Authorization to photocopy items for internal or personal use, or the internal or personal use of specific clients, is granted by Schattauer GmbH Stuttgart – New York for libraries and other users registered with the Copyright Clearance Center (CCC). © Schattauer GmbH, Verlag für Medizin und Naturwissenschaften Stuttgart – New York, 2008, Printed in Germany Verlag Schattauer GmbH, Verlag für Medizin und Naturwissenschaften Postfach 10 45 43, 70040 Stuttgart Tel. 07 11/2 29 87-0, Fax 07 11/2 29 87-50 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.schattauer.de Senior-Herausgeber Prof. Dr. Dr. h.c. mult. H. G. Lasch, Gießen Herausgeber Dipl.-Psych. Dr. med. W. Bertram, Stuttgart (für den Verlag) Prof. Dr. med. G. Oehler, Mölln Zuschriften für die Schriftleitung an Schattauer GmbH, Verlag für Medizin und Naturwissenschaften Postfach 10 45 43, 70040 Stuttgart Verlagsleitung Zeitschriften (v. i. S. d. P.) Dr. rer. nat. Andrea Schürg Redaktion Dr. Alexander Kretzschmar Tel. 089/82 98 95-22, Fax -23, E-Mail: [email protected] Thuisbrunner Str. 14, 81243 München Leitung Anzeigenabteilung Maria Wagner, Tel. 07 11/2 29 87-67 Anzeigen Anzeigenleitung und verantwortlich für den Anzeigenteil: Christoph Brocker Tel. 07 11/2 29 87-16, E-Mail: [email protected] Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 49 vom 1. Oktober 2007 Druck Mayr Miesbach GmbH, Druck · Medien · Verlag Am Windfeld 15, 83714 Miesbach Tel. 0 80 25/2 94-0, Internet: http://www.mayrmiesbach.de Erscheinungsweise Die „Internistische Welt Onkologie“ erscheint 4x jährlich in der Schattauer GmbH, Verlag für Medizin und Naturwissenschaften, Stuttgart – New York Bezugspreise Inland und Europa: Institute 1 48,–* Studenten 1 20,–* Privat 1 36,–* Einzelheft 1 14,–** inkl. Versandkosten, für Europa zzgl. 7% Mwst. Außereuropa: zzgl. Versandkosten *1 10,–, **1 3,– Das Abonnement verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn keine schriftliche Kündigung bis 1. November erfolgt. Abonnenten der Fachzeitschrift „Die Medizinische Welt“ erhalten die „Internistische Welt Onkologie“ im Rahmen ihres Abonnements. Zu diesem Heft Sucht ist ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 6. European Breast Cancer Conference Welche Anthrazyclin-basierten Regime kommen infrage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 44. ASCO-Jahrestagung Die onkologische Welt trifft sich auf dem ASCO 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Brachytherapie so wirksam wie externe Bestrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Antiangiogenese mit allen Taxanen wirksam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .56 KRAS als Prädiktor für Cetuximab-Benefit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Was wirkt gegen Fatigue? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Radio- und Chemotherapie als gleichwertige Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .59 13. EHA-Jahrestagung Neues aus der CML-Pipeline . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Neue Option in der Primärtherapie des multiplen Myeloms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Verbessertes Monitoring erleichtert frühe Rezidivtherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .61 Interferon hat bei der CML noch nicht ausgedient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Herpes-simplex-Gen schaltet Lymphozyten bei Bedarf ab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Kongress International Lapatinib verlängert Zeit bis zur Progression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Neue Therapiekonzepte bei multiplem Myelom und MDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Studien belegen Effektivität und Sicherheit der mTOR-Inhibition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Das klinische Management von Lebertumoren als interdisziplinäre Aufgabe . . . . . . . . . . . . 66 Eisenchelat-Therapie sichert Überlebensvorteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Antikörpertherapie ermöglicht Überleben und Heilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Titelfoto: Ferdinand Hodler – Vallentine Gode Darel with disolved hair; Visipix.com 50 Int Welt Onkologie 3/2008 Downloaded from www.die-internistische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 6. EUROPEAN BREAST CANCER CONFERENCE Re-Challenge mit PLD möglich Metastasiertes Mammakarzinom Welche Anthrazyclin-basierten Regime kommen infrage? Zu den „Hot Topics“ auf der 6. European Breast Cancer Conference (EBCC-6) in Berlin gehörte die Diskussion, welches Zytostatikum als Kombinationspartner mit einer zielgerichteten Therapie am besten geeignet ist. Kongresspräsident Prof. Michael Untch, Berlin, warnte, dass die kumulative kardiotoxische Gesamtdosis einiger konventioneller Anthrazykline schnell erreicht ist. Eine wichtige Alternative sind moderne Wirkstoffe wie das pegylierte liposomale Doxorubicin (PLD). Dies gilt für die Erstlinien-Chemotherapie des metastasierten Mammakarzinoms bei HER2- und Hormonrezeptor-negativen Patientinnen, aber auch bei HER2-Überexpression in Kombination mit Trastuzumab, so Prof. Nadia Harbeck, München. D ie Anfang 2008 aktualisierten Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) der Deutschen Krebsgesellschaft Chemotherapie des metastasierten Mammakarzinoms empfehlen Taxane und Anthrazykline als die wirksamsten Chemotherapeutika mit dem höchsten Empfehlungsgrad, berichtete Harbeck (1). Auch ein internationaler Expertenkonsensus fordert zur Therapie des metastasierten Mammakarzinoms, dassAnthrazyklin-naive Patienten in der Erstlinientherapie ein Anthrazyklin-basiertes Regime erhalten sollen: Epirubicin 100 mg/m2 q3w, Doxorubicin 60 mg/m2 q3w oder PLD (Caelyx) (2). Bei der Auswahl der Chemotherapeutika muss man oft einen Kompromiss eingehen zwischen den Wünschen der Patientin und den Einschränkungen durch die Vorbehandlung. Harbeck erwartet hier von der PELICAN-Studie (PEgLIposomales Doxorubicin vs. CApecitabiN) weitere Fingerzeige für die Erstlinientherapie des metastasierten Mammakarzinoms. 344 Patientinnen erhalten in dieser randomisierten offenen Multicenterstudie entweder PLD (50 mg/m2 q28d) oder Capecitabine (1 250 mg/m2 bid d1–14 q21d). Der primäre Studienendpunkt ist das progressionsfreie Überleben. Tab. 1 Kumulative Grenzdosis für eine Anthrazyklin-induzierte Herzinsuffizienz; n. a. = nicht angegeben, *Epirubicin + Paclitaxel (n = 76), Gemcitabin, Epirubicin, Paclitaxel (n = 29); **alle Patientinnen erhielten vorher eine Radiotherapie Laut Prof. Alessandra Gennari, Genua, ist auch wegen der geringen Kardiotoxizität mit PLD ein erfolgreiches Re-Challenge möglich. Unabhängig von der Vorbehandlung sollten hormonrefraktäre Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom in der Erstlinienbehandlung ein Anthrazyklin erhalten, falls das rezidivfreie Intervall mehr als ein Jahr beträgt. Auch beim HER2-positiven Mammakarzinom sind Anthrazykline ein effektiver Kombinationspartner mit Trastuzumab. Hier wird das progressionsfreie Überleben wie auch das Gesamtüberleben signifikant verbessert. Limitierend bei der Kombination von Trastuzumab mit konventionellem Doxorubicin ist aber die teilweise hohe kardiale Toxizität. Harbeck sieht hier im PLD eine effektive und kardial verträglichere Option: „Wenn Sie Trastuzumab mit einem Anthrazyklin kombinieren wollen, dann ist es PLD.“ Chia et al. erzielten mit PLD (50 mg/m2 q4w über sechs Zyklen) plus Trastuzumab (initial 4 mg/kg x 1, danach 2 mg/kg q1w) nach einem medianen Follow-up von 13,9 Monaten eine Gesamtresponse von 52 % (3). Anthrazyklin-vorbehandelte Patientinnen schnitten hier mit 50 % ebenso gut ab wie Patientinnen ohne Anthrazyklin-Vortherapie (53 %). Das mediane progressionsfreie Überleben betrug zwölf Monate. Die Veränderung der linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF) war klinisch nicht relevant, Fälle einer manifesten Herzinsuffizienz wurden nicht beobachtet. kumulative Grenzdosis von konventionellem Doxorubicin Autor 400 mg/m2 550 mg/m2 700 mg/m2 Von Hoff (1997) 3% 07 % 18 % Swain (2003) 5% 26 % 48 % kumulative Grenzdosis von Epirubicin Autor ≤ 850 mg/m2 900–950 mg/m2 1000 mg/m2 Praga (1991) 1% n. a. 05 % Ryberg (1998) 4% 04–6 % 15 % Gennari (1999)* < 720 mg/m2: 7 % – 991–1080 mg/m2: 44 %** Kardiotoxisches Dosislimit konventioneller Anthrzykline Untch wies darauf hin, dass sich die Anthrazyklin-induzierte linksventrikuläre Dysfunktion oft schleichend entwickelt. Im Gegensatz zu Trastuzumab sind diese Veränderungen nicht reversibel. Er schätzt, dass bis 50 % der mit konventionellen Anthrazyklinen behandelten Patientinnen nach einigen Jahren Zeichen einer linksventrikulären Dekompensation aufweisen. Auch wird immer Int Welt Onkologie 3/2008 Downloaded from www.die-internistische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 51 6. EUROPEAN BREAST CANCER CONFERENCE wieder unterschätzt, wie niedrig die kumulative Gesamtdosis als Marker für die Kardiotoxizität konventioneller Anthrazykline ist (Tab. 1). Größere Vorsicht verlangte Untch auch beim Epirubicin. Auf dem ASCO 2007 wurde gezeigt, dass das sichere Dosisfenster vergleichsweise klein ist und sich mit stei- 52 gendemAlter der Patientin weiter verringert (4). Bei einer 40-jährigen Patientin tritt Kardiotoxizität in 5 % der Fälle ab einer kumulativen Dosis von 806 mg/m2 auf. Mit 70 Jahren sind es bereits 609 mg/m2. Diese Grenzdosis hat man bereits mit 6 FEC-Zyklen erreicht, so Untch. Dr. Alexander Kretzschmar, München Literatur 1. www.ago-online.org 2. Beslija et al. Ann Oncol 2007; 18: 215–225. 3. Chia et al. J Clin Oncol 2006; 24: 2773–2778. 4. Ryberg et al. J Clin Oncol 2007; 25: 39s, Abstract 1029. Quelle: Satellitensymposium „Novel approaches to anthracycline-based chemotherapy for the treatment of metastatic breast cancer“ anlässlich der 6. European Breast Cancer Conference (EBCC-6) am 18. April 2008, Berlin; Veranstalter: Schering-Plough Pharma International Int Welt Onkologie 3/2008 Downloaded from www.die-internistische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. KONGRESS INTERNATIONAL Neue Therapieoption beim ErbB2-positiven Mammakarzinom Lapatinib verlängert Zeit bis zur Progression Der duale Tyrosinkinase-Inhibitor Lapatinib (Tyverb®) ist in Kombination mit Capecitabin angezeigt zur Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs, deren Tumore ErbB2 überexprimieren. Die Patienten sollen eine progrediente Erkrankung nach vorangegangener Therapie, die Anthrazykline und Taxane sowie in der metastasierten Situation Trastuzumab einschloss, aufweisen. Die Behandlung verlängerte die Zeit bis zu einer erneuten Progression signifikant, berichtete Prof. Nadia Harbeck, München, auf dem Deutschen Krebskongress 2008. L apatinib ist ein dualer TyrosinkinaseInhibitor, der intrazellulär gezielt den ErbB2(HER2)-Rezeptor sowie den ErbB1 (EGF)-Rezeptor hemmt. Damit wird die Dimerisierung der Rezeptoren und dadurch die Signalweiterleitung blockiert. Anders als der monoklonale Antikörper Trastuzumab bindet Lapatinib auch an Rezeptoren, die ihre extrazelluläre Domäne verloren haben. Diesen abgeschnittenen Rezeptorformen wird eine größere Kinaseaktivität zugeschrieben als dem ErbB2-Wildtyp (4). Grundlage für die europaweite Zulassung von Lapatinib war die Phase-IIIStudie EGF100151 (1, 2). In dieser Studie wurden 399 Patientinnen mit einem ErbB2-überexprimierenden, lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Brustkrebs, deren Erkrankung nach einer vorangegangenen Behandlung mit Anthrazyklinen, Taxanen und Trastuzumab progredient war, eingeschlossen. Die Patientinnen erhielten Lapatinib (1 250 mg/d) plus Capecitabin (2 000 mg/m2 KOF an d 1–14 dreiwöchentlich) (n = 198) oder Capecitabin allein (2 500 mg/m2 KOF an d 1–14 dreiwöchentlich) (n = 201). Die Beurteilung durch ein unabhängiges Reviewkomitee ergab für die Kombination Lapatinib/Capecitabin eine signifikant längere Zeit bis zur Krankheitsprogression: 27,1 Wochen (6,2 Monate) vs. Capecitabin allein 18,6 Wochen (4,3 Monate; HR: 0,57, p < 0,001) (Abb. 1) (1). Auch die Auswertung durch die Prüfärzte bestätigte eine signifikant längere media- ne Zeit bis zur Progression (Lapatinib/Capecitabin: 23,9 Wochen; Capecitabin allein: 18,3 Wochen; HR: 0,72, p = 0,008) (3). Eine spätere Analyse zeigte einen Trend in Richtung einer verlängerten Gesamtüberlebenszeit: Median 74,0 Wochen vs. 65,9 Wochen (p = 0,3). Die häufigsten Nebenwirkungen unter Lapatinib plus Capecitabin waren leicht bis mäßig ausgeprägt (3). Sie betrafen vor allem den Magen-Darm-Trakt (Durchfälle, Übelkeit und Erbrechen) und die Haut (Ausschläge). Laut Prof. Mario Campone, Nantes, ist die Toxizität von Lapatinib gut beherrschbar. Wichtig ist eine gute Aufklärung vor Therapiebeginn. Kommt es zum Auftreten von Diarrhöen, sollte auf laktosehaltige Produkte verzichtet werden, die Mahlzeiten sollten auf mehrere kleine Portionen verteilt und öfter kleinere Flüssigkeitsmengen getrunken werden. Ab Grad 1-Diarrhöen wird die Gabe von Loperamid in der Standarddosis empfohlen. Bei Auftreten akneähnlicher oder entzündlicher Hautveränderungen kann beispielsweise mit topischen Präparaten oder einer niedrig dosierten Antibiotikagabe behandelt werden. In den meisten Fällen waren die Hautausschläge geringgradig und führten nicht zur Unterbrechung der Behandlung (3). Dr. Alexander Kretzschmar, München Literatur 1. Cameron D et al. Breast Cancer Res Treat 2008 Jan 11. Epub ahead of print. 2. Geyer CE et al. N Engl J Med 2006; 355: 26. 3. Fachinformation Tyverb 4. Segatto O et al. Mol Cell Biol 1988; 8: 5570–5574. Quelle: Pressekonferenz „Kleines Molekül – große Chancen; Lapatinib zur zielgerichteten Therapie bei Brustkrebs“ anlässlich des 28. Deutschen Krebskongresses am 22. Februar 2008, Berlin; Veranstalter: GlaxoSmithKline Deutschland, München, und Satellitensymposium „Lapatinib in ErbB2(HER2)-positive breast cancer: from bench to clinic“ anlässlich der 6. European Breast Cancer Conference (EBCC-6) am 17. April 2008, Berlin; Veranstalter: GlaxoSmithKline International Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung von GlaxoSmithKline Deutschland, München. Abb. 1 Zeit bis zur Progression unter Lapatinib/Capecitabin versus Capecitabin allein (1) Int Welt Onkologie 3/2008 Downloaded from www.die-internistische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 53 44. ASCO-JAHRESTAGUNG Neues und Unerwartetes zur Tumor-Diagnostik und Therapie Die onkologische Welt trifft sich auf dem ASCO 2008 Der ASCO-Kongress ist der wichtigste onkologische Termin weltweit. Über 30 000 Teilnehmer hörten 2008 die neuesten Resultate zur Diagnostik und Therapie von Tumorerkrankungen, darunter neue, Aufsehen erregende Ergebnisse zum Einsatz von Bisphosphonaten beim Mammakarzinom. Muss der Therapiestandard in der Adjuvanz bei prämenopausalen Frauen mit hormonsensiblem Brustkrebs neu definiert werden? Die österreichische Studie ABCSG 12 lässt dies vermuten. A Ereignisse (Anzahl Patienten) romatasehemmer sind als neuer Standard in der adjuvanten Therapie postmenopausaler Patientinnen mit hormonsensiblem Brustkrebs etabliert. Die Rationale, diese Wirkgruppe auch bei jungen Frauen zu erproben, basiert auf Daten beim fortgeschrittenen Brustkrebs. DurchAnastrozol zusätzlich zur ovariellen Suppression mit Goserelin wird der Östradiolspiegel stärker supprimiert als mit Tamoxifen plus Goserelin, erläuterte Prof. Michael Gnant, Wien. Die Studie 12 der Austrian Breast & Colorectal Study Group (ABCSG) schloss 1 803 prämenopausale Frauen ein, die randomisiert über drei Jahre eine endokrine Therapie mit dem Standard Tamoxifen/Goserelin oder mit Anastrozol/Goserelin er- 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Tod ohne vorheriges Rezidiv sekundäres Malignom kontralaterales Mammakarzinom Fernmetastasen lokalregionales Rezidiv 2 10 10 0 9 6 41 29 20 kein Zolendronat (n = 904) 10 Zolendronat (n = 899) Abb. 1 Die ABCSG 12-Studie zeigt eine signifikante Verhinderung aller Ereignisse durch Gabe von Zoledronsäure zusätzlich zur endokrinen Therapie 54 hielten (1). In einem faktoriellen 2 x 2-Design erhielt eine Hälfte der Patientinnen nach randomisierter Zuordnung außerdem Zoledronsäure. Das Bisphosphonat wurde einmal zwecks Prävention einer Therapieassoziierten Osteoporose verabreicht. Auch gibt es präklinische Hinweise, dass Bisphosphonate Wachstum, Adhäsion und Angiogenese hemmen, das Immunsystem stimulieren und eine Apoptose induzieren. Die Teilnehmerinnen in ABCSG 12 waren als prognostisch günstig einzuschätzen. Drei Viertel besaßen kleine Tumoren (< 2cm), etwa zwei Drittel waren nodalnegativ. Entsprechend lebten nach einem medianen Follow-up von 60 Monaten noch 98,2% der Patientinnen; die 5-Jahres-Rate für das krankheitsfreie Überleben beträgt 94%. Beim krankheitsfreien Überleben als primärem Endpunkt gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen dem Anastrozol- (72 Ereignisse) und dem Tamoxifen-Arm (65 Ereignisse; HR: 1,096; p=0,59). Gnant: „Auch bei den sekundären Endpunkten rezidivfreies und Gesamtüberleben zeigte sich kein Unterschied zwischen den Therapien“. Ereignisrate um ein Drittel gesenkt Anders sah es beim Vergleich von Zoledronsäure versus Kontrolle aus. Das Bisphosphonat reduzierte das Ereignisrisiko signifikant um 36 % (HR: 0,643; p = 0,011). „Die adjuvante Gabe von Zoledronsäure verhindert alle Ereignisse: Lokalrezidive, Fernmetastasen inklusive Kno- chenmetastasen und sogar kontralaterale Tumoren“, betonte Gnant (Abb. 1). Auch das rezidivfreie Überleben wurde signifikant um 35 % verbessert, das Mortalitätsrisiko sank um rund 40 %. „Dank der sehr geringen Zahl an Todesfällen ist der Unterschied beim Gesamtüberleben jedoch noch nicht signifikant“, erklärte Gnant. Alle Therapien wurden gut vertragen. Erwartungsgemäß wurden Muskel- und Gelenkbeschwerden unter Aromatasehemmung etwas häufiger gesehen. Doch waren potenziell lebensbedrohliche Nebenwirkungen – tiefe Venenthrombosen und Endometriumhyperplasien – bei den mit Anastrozol behandelten Frauen seltener als mit Tamoxifen. Knochenschmerzen und vorübergehendes Fieber waren insbesondere bei der ersten Applikation von Zoledronsäure möglich. Kiefernekrosen und eine renale Toxizität als schwere Nebenwirkungen des Bisphosphonats wurden nicht dokumentiert. Fazit – Zoledronsäure in Standardtherapie integrieren Der tatsächliche Stellenwert der Aromatasehemmung in der Prämenopause kann derzeit noch nicht eindeutig definiert werden, betonte Gnant. Hier müssten die Ergebnisse der noch laufenden Studien SOFT und TEXT abgewartet werden. Grundsätzlich habe die ABCSG 12 mit ihren günstigen Daten zu Gesamt- und krankheitsfreiem Überleben unterstrichen, dass prämenopausale Brustkrebspatientinnen mit niedrigem und intermediärem Risiko effektiv endokrin zu behandeln seien und man ihnen eine Chemotherapie ersparen könne. Da Zoledronsäure alle Arten von Tumorereignissen verhinderte, sollte man den direkten antitumoralen Effekt des Bisphosphonats ebenso wie seine immunstimulierenden Effekte zukünftig in der Adjuvanz ausnutzen, so Gnant, um den Therapiestandard weiter zu verbessern. Dr. Katharina Arnheim, Berlin Literatur 1. Gnant M et al. J Clin Oncol 2008; 26(Suppl): Abstract LBA4. Quelle: ASCO Annual Meeting 2008, vom 30. Mai bis 3. Juni 2008, Chicago Int Welt Onkologie 3/2008 Downloaded from www.die-internistische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. ASCO, MAI/JUNI 2008 Endometriumkarzinom Brachytherapie so wirksam wie externe Bestrahlung Beim Endometriumkarzinom mit intermediärem bis hohem Risiko wird bisher nach der Operation das Becken bestrahlt. Eine niederländische Studie zeigt, dass vaginale Brachytherapie genauso wirksam in der Verhinderung von Fernmetastasen, beim Überleben und beim rezidivfreien Überleben ist wie die konventionelle Bestrahlung, aber mit einer besseren Lebensqualität einhergeht. Sie sollte deshalb künftig Therapie der Wahl sein. D ie Beckenbestrahlung, bisher extern, ist die adjuvante Standardbehandlung beim Endometriumkarzinom des Stadiums I. Sie hat zwar in der PORTEC-1-Studie nicht das Überleben verlängert, aber das 5-Jahres-Risiko für Rezidive in Vagina und Becken im Vergleich zur bloßen Beobachtung von 19 auf 5 % reduziert. Weil die meisten Rezidive in der oberen Vagina auftraten, wurde in Phase-II-Studien die vaginale Brachytherapie als Alternative zur externen Bestrahlung getestet. 50 Abb. 1 Lebensqualität: Ausmaß der Diarrhö (links) und der Beeinträchtigung des täglichen Lebens durch Darmprobleme (rechts) nach externer Radiotherapie und Brachytherapie. 40 Wegen der vielversprechenden Ergebnisse startete die niederländische PORTECStudiengruppe deshalb die multizentrische Phase-III-Studie PORTEC-2 (1) mit 427 Patientinnen, die nach der Operation eines Endometriumkarzinoms ein mittelhohes Rezidivrisiko hatten: Bei den über 60-jährigen Patientinnen, so Dr. Remi Nout, Leiden/ Niederlande, war das ein Stadium 1C, Grad 1–2 oder Stadium 1B, Grad 3. Unabhängig vom Alter wurden auch Patientinnen eingeschlossen, wenn ihr Tumor Stadium 2A, externe Bestrahlung Brachytherapie 50 40 30 30 20 20 10 10 0 Base- nach 6 12 line RT Diarrhö 18 24 0 externe Bestrahlung Brachytherapie Base- nach 6 12 18 24 line RT Beeinträchtigungen des täglichen Lebens durch Darmprobleme Grad 1–2 oder Grad 3 mit weniger als 50 %iger Invasion aufgewiesen hatte. Je die Hälfte der Patientinnen wurde randomisiert mit 46 Gy einer externen Radiotherapie (in 23 Fraktionen) oder mit einer vaginalen Brachytherapie (21 oder 30 Gy) behandelt. Die Ergebnisse mit externer Radiotherapie sind vergleichbar denen in anderen Studien einschließlich PORTEC-1, die Brachytherapie hingegen war sehr wirksam in der Verhinderung vor allem von vaginalen Rezidiven (0,9 % nach drei Jahren). Zwar gab es nach Brachytherapie mehr Rezidive im Becken, aber in der Regel in Kombination mit Fernmetastasen, die sich durch eine externe Bestrahlung auch nicht hätten verhindern lassen. Beim krankheitsfreien und beim Gesamtüberleben (89 bzw. 90 % nach drei Jahren) unterschieden sich beide Methoden in keiner Weise, so Nout. Die vaginale Brachytherapie ist damit ein wirksames und sicheres Verfahren für Patientinnen mit einem Endometriumkarzinom mit mäßigem bis hohem Risiko; insbesondere ist die therapiebedingte Toxizität, vor allem eine Diarrhö, weniger ausgeprägt (Abb. 1) und die Lebensqualität besser als mit EBRT, sodass diese Therapie bei diesen Patientinnen die adjuvante Behandlung der Wahl sein sollte. Josef Gulden, Grafrath Literatur 1. Nout RA et al. J Clin Oncol 2008; 26(Suppl): Abstract LBA5503. Quelle: ASCO Annual Meeting 2008 vom 30. Mai bis 3. Juni 2008, Chicago Int Welt Onkologie 3/2008 Downloaded from www.die-internistische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 55 44. ASCO-JAHRESTAGUNG deutet sich ein Vorteil zugunsten der Antikörpergabe an, ist aber aufgrund der kurzen Nachbeobachtungszeit nicht signifikant, so Miles. Bevacizumab war nur mit einer geringen Erhöhung der Toxizität gegenüber der alleinigen Taxan-Therapie assoziiert; vor allem traten keine neuen, bislang nicht bekannten Toxizitäten auf. Insgesamt bestätigen diese Ergebnisse, so Miles, dass es sinnvoll ist, beim HER2-negativen fortgeschrittenen Mammakarzinom ein Taxan mit dem Anti-VEGFAntikörper zu kombinieren, weil dadurch das progressionsfreie Überleben und die Ansprechrate gegenüber der Placebogabe signifikant erhöht werden. Josef Gulden, Grafrath Mammakarzinom Antiangiogenese mit allen Taxanen wirksam Der monoklonale Antikörper Bevacizumab blockiert den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF) und hemmt dadurch erfolgreich die Angiogenese bei einer Reihe von Tumorentitäten. Beim fortgeschrittenen Mammakarzinom hat Bevacizumab in der First-line-Therapie in der metastasierten Situation in Kombination mit Paclitaxel die progressionsfreie Überlebenszeit signifikant verlängert. Die Frage, ob das auch für das zweite beim Mammakarzinom häufig eingesetzte Taxan Docetaxel gilt, wollte die AVADO-Studie klären, deren Ergebnisse Prof. David Miles, Middlesex/Großbritannien, vorstellte. D azu wurden in 24 Ländern insgesamt 736 Patientinnen mit lokal rezidiviertem oder metastasiertem und HER2-negativem Mammakarzinom in eine von drei Gruppen randomisiert. Sie erhielten in allen Fällen Docetaxel (100 mg/m2 alle drei Wochen) für maximal neun Zyklen und dazu entweder Placebo oder Bevacizumab (entweder 7,5 oder 15 mg/kg ebenfalls alle drei Wochen). Beim Ansprechen waren beide Bevacizumab-Arme überlegen: Während unter Placebo nur 44,4 % Remissionen beobachtet wurden, waren es unter der niedrigen Dosis des Antikörpers 55,2 % (p = 0,0295), unter der hohen Dosis 63,1 % (p < 0,0001, Tab. 1). Nach einem medianen Follow-up von 10,2 Monaten, so Miles, lagen die progressionsfreien Überlebenszeiten in den drei Gruppen bei 8,0, 8,7 und 8,8 Monaten. ObwohldieseUnterschiedenichtnachviel aussehen, ergibt sich im Log-rank-Test eine Hazard Ratio (HR) für progressionsfreies Überleben gegenüber der Placebogruppe von 0,79 (p=0,0318) für die 7,5 mg/kg- und von 0,72 (p=0,0099) für die 15 mg/kg-Dosis Bevacizumab, d.h. das Risiko progredient zu sein oder zu versterben war um 21 bzw. 28% reduziert. Wurden zusätzlich gegebene Therapien vor Einsetzen der Progression berücksichtigt, fielen die Risikoreduktionen mit 31 bzw. 39% noch höher aus. Auch beim Gesamtüberleben Literatur 1. Miles D et al. J Clin Oncol 2008; 26(Suppl): Abstract LBA 1011. Quelle: ASCO Annual Meeting 2008, vom 30. Mai bis 3. Juni 2008, Chicago Tab. 1 Ansprechraten in der AVADO-Studie Docetaxel + Placebo Gesamtansprechrate (p-Wert vs. Placebo) (%) bestes Ansprechen (%) komplette Remission ● partielle Remission ● Krankheitsstabilisierung ● Krankheitsprogression ● (n = 207) Docetaxel + Bevacizumab 7,5 mg/kg (n = 201) Docetaxel + Bevacizumab 15 mg/kg (n = 206) 44,4 55,2 (0,0295) 63,1 (0,0001) 1 44 39 12 03 52 35 05 01 62 25 04 Radiologische Diagnostik und Interventionen bei Lebertumoren Zur Behandlung maligner Lebertumoren wurde in den letzten Jahren eine Reihe von neuen chirurgischen und interventionellen Techniken entwickelt, die nun bei vielen Patienten erfolgreich eingesetzt werden können. Ermöglicht werden diese Erfolge auch durch eine verbesserte radiologische Bildgebung der Leber, insbesondere in der Magnetresonanztomografie. Neben technischen Verbesserungen sind hier die le- 56 berspezifischen Kontrastmittel zu nennen, mit denen nicht nur immer kleinere Läsionen detektiert und sicher charakterisiert werden können, sondern auch andere wichtige Informationen für die Therapieplanung gewonnen werden. Anlässlich eines Satelliten-Symposiums der Bayer Vital GmbH wurde beim Deutschen Krebskongress 2008 über den aktuellen Stand der Leberbildgebung und minimalinvasive radiologische Interventionen für Patienten mit primären Lebertumoren und Metastasen informiert. Die beiden Vorträge von Prof.ThomasVogl, Frankfurt/ Main, und Prof. Norbert Hosten, Greifswald, wurden aufgezeichnet und können über das Service-Center Diagnostic Imaging der Bayer Vital GmbH kostenlos bestellt werden (Tel. 030/367–5812–0). red. Int Welt Onkologie 3/2008 Downloaded from www.die-internistische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. ASCO, MAI/JUNI 2008 KRAS als Prädiktor für Cetuximab-Benefit Der gegen den EGFR (epidermal growth factor receptor) gerichtete monoklonale Antikörper Cetuximab wird bereits seit einigen Jahren erfolgreich beim metastasierten kolorektalen Karzinom eingesetzt. Jetzt gibt es endlich einen prädiktiven Marker für den Erfolg der EGFR-Antikörpertherapie. Neue Analysen zeigen, dass nur Patienten mit Wildtyp-KRAS im Tumorgewebe von Cetuximab profitieren. D ie auf der letztjährigen ASCO-Tagung vorgestellte CRYSTAL-(Cetuximab combined with iRinotecan in the first-line therapY for metaSTatic colorectaL cancer-)Studie hatte gezeigt, dass Cetuximab nicht nur bei vorbehandelten Patienten mit metastasiertem Kolorektalkarzinom, sondern auch in der Erstlinientherapie erfolgreich eingesetzt werden kann: Durch die zusätzliche Gabe des EGFR-Blockers zum Irinotecan-Regime FOLFIRI wurde ein verbessertes Ansprechen und eine Reduktion des Progressionsrisikos um 15 % im Vergleich zu FOLFIRI allein erreicht. Retrospektiven Daten zufolge scheint der KRAS-Status des Tumors für die Effektivität einer EGFR-blockierenden Therapie ausschlaggebend zu sein. Deshalb wurde von 540 der rund 1 200 CRYSTAL-Studienteilnehmer nachträglich archiviertes Tumorgewebe mittels PCR auf KRAS-Mutationen untersucht. „Die 540 Patienten waren in demografischer Hinsicht repräsentativ für das gesamte Studienkollektiv“, unterstrich Studienleiter Prof. Eric van Cutsem, Löwen/ Belgien (2). Bei gut einem Drittel der Patienten war ein mutiertes KRAS nachweisbar, bei knapp zwei Dritteln lag der unmutierte KRAS-Wildtyp vor. Nur KRAS-Wildtyp profitiert Die Korrelation der KRAS- mit den Effektivitätsdaten bestätigt frühere Analysen. Nur Patienten mit Wildtyp-KRAS profitierten von Cetuximab zusätzlich zur Chemotherapie. Sprachen im FOLFIRI-Arm lediglich 43 % der Patienten an, so stieg die Responserate bei Addition von Cetuximab signifikant auf 59 % (p = 0,0025). „Das Risiko für einen Progress wurde in dieser Gruppe mit 32 % doppelt so stark gesenkt wie im Gesamtkollektiv“, berichtete van Cutsem (HR 0,68; p = 0,017). Die 1-Jahres-Rate für das progressionsfreie Überleben stieg von 25 % bei den nur mit FOLFIRI behandelten Patienten auf 43 % bei zusätzlicher Antikörper-Gabe. Patienten mit KRAS-Mutationen im Tumor profitierten dagegen nicht von der EGFR-Blockade: Bei progressionsfreiem Überleben (7,6 vs. 8,1 Monate) und Responserate (40 vs. 36 %) gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen Cetuximab-haltiger Therapie und alleiniger Chemotherapie. Konsistente Ergebnisse aus zwei Studien Dass der KRAS-Status nicht nur bei Zugabe zu einer Irinotecan-haltigen Therapie, sondern auch bei Oxaliplatin-Kombinationen als prädiktiver Faktor genutzt werden kann, belegt eine neue Analyse der Phase-II-Studie OPUS (1). Die randomisierte Studie verglich bei 337 nicht vorbehandelten Patienten das FOLFOX4-Regime mit und ohne Cetuximab. Im Gesamtkollektiv steigerte der Antikörper die Effektivität der Chemotherapie kaum. DieAnsprechrate lag nur um 10 % höher als mit FOLFOX4 allein, das progressionsfreie Überleben war mit 7,2 Monaten in beiden Armen identisch, berichtete Prof. Carsten Bokemeyer, Hamburg. Auch in der OPUS-Studie wurde im Nachhinein Tumormaterial von 237 für das Gesamtkollektiv repräsentativen Patienten auf den KRAS-Status hin analysiert. Muta- tionen wurden in 42 % der Fälle nachgewiesen, ein unmutiertes KRAS besaßen 58 % der Patienten. In dieser Auswertung korrelierte der KRAS-Status ebenfalls mit der Effektivität des Antikörpers. Die Responserate bei Patienten mit KRAS-Wildtyp verbesserte sich signifikant von nur 37 % im FOLFOX4-Arm auf 61 % bei zusätzlicher Antikörpergabe (p = 0,011; Abb. 1). Hier gab es auch einen deutlichen Unterschied im progressionsfreien Überleben. Das Risiko für einen Progress wurde durch Cetuximab um 43 % im Vergleich zum Kontrollarm gesenkt. Dagegen schnitten Patienten mit KRAS-Mutationen bei alleiniger Chemotherapie besser ab. Im FOLFOX4-Arm sprach die Hälfte der Patienten an, bei Addition von Cetuximab dagegen nur ein Drittel. Das progressionsfreie Überleben war im Kontrollarm sogar signifikant besser als im Cetuximab-Arm (7,7 vs. 7,2 Monate; p = 0,016). Bedeutung für den klinischen Alltag „Mit dem KRAS-Status haben wir erstmals beim Kolorektalkarzinom einen prädiktiven Biomarker für die Selektion einer zielgerichteten Therapie in Kombination mit Standard-Chemotherapien“, so van Cutsems Fazit. Die Analyse auf KRAS-Mutationen wird daher im klinischen Alltag zunehmend 70 60 Responserate (%) Individualisierung der Therapie beim Kolorektalkarzinom p = 0,011 OR = 2,544 61 50 40 37 30 20 10 0 FOLFOX Cetuximab + FOLFOX Abb. 1 OPUS-Studie: signifikante Steigerung der Ansprechrate durch Cetuximab bei Patienten mit KRAS-Wildtyp Int Welt Onkologie 3/2008 Downloaded from www.die-internistische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 57 44. ASCO-JAHRESTAGUNG an Bedeutung gewinnen und sollte laut Bokemeyer Bestandteil der Routinediagnostik vor Beginn einer EGFR-blockierenden Therapie werden. Nur Patienten, bei denen Wildtyp-KRAS im Tumor nachgewiesen wird, sind Kandidaten für die Therapie mit einem anti-EGFR-Antikörper. Bei den übrigen Patienten reicht die zytostatische Therapie. Bereits jetzt haben die Ergebnisse Auswirkungen auf laufende Studien. So soll das Protokoll von C80405, in der die Therapie mit FOLFOX oder FOLFIRI plus Cetuximab, Bevacizumab oder beiden Antikörpern verglichen wird, modifiziert werden und zukünftig eine KRAS-Testung vor- sehen. Patienten mit nachgewiesenen KRAS-Mutationen werden nicht mehr für die Studie rekrutiert. Derzeit geprüft wird das Protokoll der adjuvanten Studie NO147, in der die Effektivität des FOLFOX-Regimes mit bzw. ohne Cetuximab evaluiert wird, informierte Prof. Gail Eckhardt, Denver/USA. Dr. Katharina Arnheim, Berlin Quelle: ASCO Annual Meeting 2008 vom 30. Mai bis 3. Juni 2008, Chicago Was wirkt gegen Fatigue? Die meisten Tumorpatienten leiden unter einer behandlungsassoziierten Fatigue. Der selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Paroxetin reduzierte zwar signifikant depressive Symptome, beeinflusste aber weder Insomnien noch die Fatigue. Im Gegensatz dazu reduziert das Stimulans Modafinil neben der Schläfrigkeit aller Schwerestadien signifikant auch die Fatigue, insbesondere in schweren Fällen. ei einer Befragung von fast tausend Patienten, die sich einer Chemotherapie unterziehen sollten, stand unter den von den Patienten erwarteten Nebenwirkungen eine Fatigue mit 95% an der Spitze der Häufigkeit – noch vor Übelkeit (82%), Schlafstörungen (79%), Haarausfall und Gewichtsverlust (je 74%) und Depression (72%). Tatsächlich trat eine Fatigue in einer großen Untersuchung bei 80% von 760 Patienten unter Chemo- und bei 89% von 1129 Patienten unter Radiotherapie auf – mit einem Schweregrad von 4,7 bzw. 6,4 auf einer zehnstufigen Skala. Eine Studie mit dem selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Paroxetin führte zwar zu einer signifikanten Verbesse- 58 Das KRAS-Protein ist ein wichtiges Steuermolekül in der Zelle, das externe, über Rezeptoren angelieferte Signale an weiter „downstream“ gelegene Effektorproteine weiterleitet. Dieser Prozess ist an der Steuerung von Differenzierung, Überleben und Zellproliferation beteiligt. Mutationen im KRAS-Gen sind relativ häufig und treten früh in der Adenom-Karzinom-Sequenz auf. Bei diesen genetischen Veränderungen handelt es sich um aktivierende Mutationen, sodass das KRAS-Protein konstitutiv „angeschaltet“ ist – auch bei ausbleibender Ligandenbildung an den EGFR und vermutlich auch bei einer EGFR-Blockade durch monoklonale Antikörper. Literatur 1. Bokemeyer C et al. J Clin Oncol 2008; 26(Suppl): Abstract 4000. 2. Van Cutsem E et al. J Clin Oncol 2008; 26(Suppl): Abstract 2. Lebensqualität B KRAS – ein wichtiges Steuermolekül rung depressiver Symptome. Insomnien und Fatigue wurden jedoch nicht beeinflusst (2). Für Modafinal konnte dagegen in mehreren kleineren offenen Phase-II-Studien eine Wirksamkeit gegenüber einer Fatigue gezeigt werden. Dr. Gary Morrow, Rochester/USA, und Mitarbeiter führten jetzt mit 642 Tumorpatienten, die sich einer Chemotherapie unterzogen, eine randomisierte, placebokontrollierte Studie mit dem Stimulans Modafinil durch, ein Medikament, das stimulierend wirkt, aber keine peripheren Wirkungen und vor allem kein Potenzial für Abhängigkeit und Missbrauch zeigt (1). Die Patienten erhielten ab Tag 5 des zweiten Zyklus täglich 200 mg Modafinil (n = 322) oder Placebo (n = 320), wenn sie auf einer zehnstufigen Fatigue-Skala einen Wert von > 1 aufwiesen. Die Einnahme wurde nach Tag 7 des vierten Zyklus beendet. Fatigue, Schläfrigkeit und Depression wurden mithilfe von validierten psychometrischen Messinstrumenten evaluiert. Während die Depression sind nicht veränderte, nahm die Schläfrigkeit in allen Gruppen erwartungsgemäß signifikant ab (p = 0,002). Bei Fatigue war der Effekt abhängig vom Ausmaß der Störung während des zweiten Chemotherapie-Zyklus. Bei leichter (0–4 Punkte auf der Fatigue-Skala) bis mäßiggradiger Fatigue (5–6 Punkte) verschlechterte sich diese sowohl unter Modafinil als auch unter Placebo. In Fällen einer schweren Fatigue hingegen (7–10 Punkte) schnitt die Modafinil-Gruppe signifikant besser ab (p = 0,017). Josef Gulden, Grafrath Literatur 1. Morrow G et al. J Clin Oncol 2008; 26(Suppl): Abstract 9512. 2. Palesh O et al. J Clin Oncol 2008; 26(Suppl): Abstract 9501. Quelle: ASCO Annual Meeting 2008 vom 30. Mai bis 3. Juni 2008, Chicago Int Welt Onkologie 3/2008 Downloaded from www.die-internistische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. ASCO, MAI/JUNI 2008 EinwichtigesErgebnisistauchdieErkenntnis, dass der MGMT-Status für die Bestrahlung ebenso wichtig ist wie für die Chemotherapie. Das bedeutet, dass nicht nur die Chemotherapie, sondern auch die Radiotherapie bei methylierten(MGMT-inaktiven)Tumorenwirksamerist. Die Verträglichkeit wurde als sehr gut beurteilt. Hämatologische Toxizität trat unter Temozolomid mit 4% seltener auf als unter PCV (17,5%). Unter der Strahlentherapie traten in 12% der Fälle Grad 3/4-Ereignisse auf. HäufigstenichthämatologischeNebenwirkungbeiPCV warenProcarbazin-assoziierteAllergien(17%). Dr. Alexander Kretzschmar, München Individuelle Behandlung anaplastischer Gliome erleichtert Radio- und Chemotherapie als gleichwertige Alternativen Bei anaplastischen Gliomen des WHO-Grades III ist eine initiale Chemotherapie – PCV-Regime oder Temozolomid (Temodal®) im Hinblick auf die Zeit bis zur Progression und dem progressionsfreien Überleben ebenso effektiv wie eine Radiotherapie. Die Ergebnisse der auf dem ASCO 2008 vorgestellten NOA04-Studie erlauben es, die Therapie nach den individuellen Patientenwünschen zu gestalten, so Prof. Michael Weller, Zürich, auf einer Pressekonferenz. D ie Therapie von Patienten mit Gliomen des WHO-Grades III und IV sorgte auch auf dem ASCO 2008 für Diskussionsstoff. Richtungweisend könnte hier die Studie der deutschen Neuro-Onkologischen Arbeitsgemeinschaft (NOA) unter der Leitung von Prof.WolfgangWick, Heidelberg, sein (1). In der NOA-04-Studie ging es um die Primärtherapie von anaplastischen Gliomen – Gliomen des WHO-Grades III. Die Frage war, ob eine Monotherapie mit Temozolomid oder ein PCV-Regime (Procarbazin/CCNU/Vincristin) die gleichen Langzeitergebnisse erzielt wie der jetzige Therapiestandard – die postoperative Radiotherapie. Von den 319 Patienten (median 45 Jahre) mitWHO-GradIIIoligoastrozytärenTumoren– 52,6% anaplastische Astrozytome, 33,2% anaplastische Oligoastrozytome, 14,2% anaplastische Oligodendrogliome – wurden zunächst 161 Patienten bestrahlt. Im anderen Therapiearm erhielten die Patienten Temozolomid (n=80) oder PCV (n=78) (Abb. 1). Patienten mit einer Progression erhielten dieTherapie der jeweils anderen Gruppe. Eine der Stärken der Studie ist die zentrale Referenzpathologie vor Studieneinschluss. Wick: „Wir haben wirklich anaplastische Gliome behandelt und nicht wie andere Studien Glioblastome.“ Das ermöglicht eine genauere Aussage zur Prognose je nach Tumorhistologie und molekularen Markern. Die Ergebnisse zeigen, dass eine initiale Chemotherapie mit PCV oder Temozolomid genauso effektiv ist wie eine initiale Radiotherapie (Tab. 1). Wie bei der Zeit bis zum Therapieversagen (ZTV) bestand auch beim progressionsfreienÜberlebenkeinUnterschiedzwischen beiden Therapiearmen. Auch innerhalb des Therapiearmes mit initialer Chemotherapie scheint es keinen Unterschied beim progressionsfreien Überleben zwischen PCV – 31,8 Monate (19,6–52,1) und Temozolomid – 31,2 Monate (19,0–37,3) zu geben. Wick plädierte für eine konservative Interpretation der Studiendaten. Für ihn ist es vor allem wichtig, dass er seinen Patienten Radio- und Chemotherapie als gleichwertige Alternativen anbieten kann. Wick: „Ich finde es positiv, dass wir jetzt Fragen der individuellen Lebensgestaltung in den Vordergrund stellen können.“ Literatur 1. Wick W et al. ASCO 2008, Abstract LBA2007. Quelle: Post ASCO Presseworkshop „ASCO Highlights 2008 – neue Erkenntnisse zur Behandlung von primären Hirntumoren und Hirnmetastasen” am 23. Juli 2008, München; Veranstalter: Essex Pharma, München Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung von Essex Pharma, München. Arm A Radiotherapie A1 Abb. 1 NOA-04-Studiendesign PD Arm B1/2 primäre Chemotherapie B1 B2 PCV Temozolomid PD PD Radiotherapie Radiotherapie A2 PCV Temozolomid PD PD PD PD PCV Temozolomid PCV Temozolomid primärer Endpunkt: Zeit bis zum Therapieversagen (ZTV) Tab. 1 Progressionsfreies und Gesamtüberleben (PFÜ=progressionsfreies Überleben, GÜ 48=Anteil überlebender Patienten bei 48 Monaten, CI=Konfidenzintervall) RT PCV/TMZ 30,6 (16,3–42,8) 31,9 (21,1–37,3) Astrozytome 10,8 (8,9–28,3) 18,2 (12,1–24,2) Oligodendrogliome 52,1 (36,5–NR) 52,7 (33,9–NR) Oligoastrozytome 52,1 (36,4–NR) 52,7 (33,9–NR) medianes GÜ, Monate 60+ 60+ GÜ 48 (95 % CI), % 72,6 (63,8–81,4) 64,6 (54,6–74,7) medianes PFÜ (95 % CI), Monate Int Welt Onkologie 3/2008 Downloaded from www.die-internistische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 59 13. EHA-JAHRESTAGUNG 13. Jahrestagung der European Hematology Association (EHA) Neues aus der CML-Pipeline Kurz nach dem ASCO-Kongress ist in Europa jedes Jahr die Hämatologie dran: Die Jahrestagung der European Hematology Association (EHA), dieses Mal in Kopenhagen, wartet mit zahlreichen hochrangigen Forschungsergebnissen auf, die häufig noch nie zuvor gezeigt wurden. Auf den folgenden Seiten stellen wir eine kleine Auswahl davon vor. F ür die chronische myeloische (CML) sowie die akute lymphatische Leukämie (ALL) mit Philadelphia-Chromosom (Ph+) ist der Bcr/Abl-Tyrosinkinaseinhibitor Imatinib die Therapie der ersten Wahl. Spricht die Krankheit darauf nicht mehr an oder verträgt der Patient Imatinib nicht, so gibt es mittlerweile als Alternative zwei Tyrosinkinaseinhibitoren der zweiten Generation, Dasatinib und Nilotinib, die bei vielen Patienten wieder ein hämatologisches und häufig sogar ein zytogenetisches Ansprechen bewirken. Als dritte Substanz dieser zweiten Generation befindet sich zurzeit Bosutinib, ein Abl/Src-Kinaseinhibitor, in der klinischen Erprobung. In einer internationalen Phase-I/II-Studie, deren Ergebnisse Prof. Carlo Gamba- corti-Passerini, Monza/Italien, vorstellte, wurden insgesamt 355 Patienten mit 400–600 mg/d Bosutinib behandelt. Die meisten von ihnen befanden sich in der chronischen Phase einer CML. 27 % der Patienten hatten Imatinib nicht vertragen, 58 % waren resistent dagegen geworden, etwa jeder Dritte hatte auch schon Dasatinib und/oder Nilotinib eingenommen. Alternative gegen Imatinib-Resistenzen 80% der gegen Imatinib resistenten Patienten in der chronischen Phase der CML gingen unter Bosutinib mindestens in eine komplette hämatologische Remission, im Allgemeinen innerhalb der ersten drei Monate derTherapie, so Für Patienten, die keine Hochdosistherapie erhalten können Neue Option in der Primärtherapie des multiplen Myeloms Für Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom, für die aus Altersoder sonstigen Gründen eine Hochdosistherapie mit Stammzelltransplantation nicht infrage kommt, galten Melphalan plus Prednison (MP) als Behandlungsstandard. Aufgrund positiver Phase-II-Daten wurde in der weltweiten VISTA-Studie (Velcade as Initial Standard Therapy in multiple myeloma: Assessment with melphalan and prednison) die Zugabe des Proteasominhibitors Bortezomib zu MP getestet. A lles in allem 682 Patienten, so Prof. Jesus San Miguel, Salamanca/Spanien, erhielten neun sechswöchige Zyklen mit Melphalan (9 mg/m2) und Prednison (60 mg/m2) jeweils an denTagen 1–4 und die Hälfte von ihnen ran- 60 domisiert zusätzlich Bortezomib. Der Proteasom-Inhibitor wurde mit der Standarddosis 1,3 mg/m2 während der ersten vier Zyklen an den Tagen 1, 4, 8, 11, 22, 25, 29 und 32, während der restlichen Zyklen an den Tagen 1, 8, Gambacort-Passerini. Die Hälfte davon hatte eine gute, ungefähr einViertel sogar eine komplette zytogenetische Remission, d.h. es war bei letzteren keine Zelle mit PhiladelphiaChromosom mehr nachzuweisen. Bei immerhin 18% der Patienten war Bcr/Abl nicht einmal mehr mit der Polymerase-Kettenreaktion nachweisbar, sie waren in eine komplette molekulare Remission gegangen. Von den 19 Bcr/Abl-Mutationen, die bei 37 Patienten in der chronischen und den 13, die bei jenen in fortgeschrittenen Phasen gefunden wurden, sprachen alle bis auf die für ihre Multiresistenz bekannte Mutation T315I auf Bosutinib an. Angesichts der guten Wirksamkeit und Verträglichkeit – Nebenwirkungen waren vor allem im Gastrointestinaltrakt und auf der Haut zu sehen – hat Bosutinib derzeit gute Aussichten, in absehbarer Zukunft das Arsenal an Medikamenten gegen CML und Ph+ ALL zu bereichern. Josef Gulden, Grafrath Quelle: Gambacorti-Passerini C et al. Vortrag „Bosutinib (SKI-606) shows high tolerability and clinical activity in patients with Philadelphia chromosome positive leukemias“ Abstract 403 im Rahmen des 13th Congress of the European Hematology Association, 12.–15. Juni 2008, Kopenhagen 22und29gegeben.PrimärerEndpunktwardie Zeit bis zur Progression, und hier war die Dreierkombination schon bei einer vorab geplanten Interimsanalyse so überlegen, dass das unabhängige Kontrollkommittee die Beendigung der Studie empfahl: In derVMP-Gruppe dauerte es median 24 Monate bis zu einer Progression der Erkrankung, in der MP-Gruppe nur 16,6 Monate (HR: 0,483). Das Progressionsrisiko war also um mehr als die Hälfte reduziert (p<0,001). Diese Überlegenheit zog sich durch alle Subgruppen, wie sie durch Alter, Geschlecht, Ethnizität, Region, β2-Mikroglobulin-Titer, Nierenfunktion oder ISS-Stadium definiert werden können. BeimGesamtüberlebenwarnochinkeiner Gruppe der Medianwert erreicht, im Logrank-Test ergab sich jedoch auch hier eine Risikoreduktion um etwa 36% (HR: 0,644, Int Welt Onkologie 3/2008 Downloaded from www.die-internistische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Abb.1 Gesamtüberleben unter Bortezomib/ Melphalan/Prednison (VMP) versus Melphalan/Prednison (MP) in der VISTA-Studie (nach San Miguel et al. EHA 2008) Anteil überlebender Patienten (%) EHA, JUNI 2008 100 80 60 40 20 0 VMP MP 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 Monate p=0,0032). Nach drei Jahren lebten in der VMP-Gruppe noch 72%, in der Kontrollgruppe nur noch 59% (Abb. 1). Dabei ist zu berücksichtigen, dass 45% der Patienten der Kontrollgruppe Bortezomib erhielten, sobald eine Progression eintrat. Die Effektivität einer Myelom-Therapie lässt sich auch anhand der Qualität desAnspre- chens beurteilen, weil ein gutes Ansprechen mit einem verlängerten Überleben korreliert. Ein objektives Ansprechen, also eine mindestens 50%ige Reduktion des M-Proteins, wurdebei82%derPatienteninderVMP-,abernur bei 50% derer in der Kontrollgruppe beobachtet. 35 bzw. 5% dieser Remissionen waren komplett mit negativer Immunfixation unab- Akute Promyelozyten-Leukämie Verbessertes Monitoring erleichtert frühe Rezidivtherapie Die akute Promyelozyten-Leukämie ist ein Sonderfall der akuten myeloischen Leukämie: Sie ist in über 80 % der Fälle heilbar, seit sich in der Primärtherapie All-trans-Retinsäure (ATRA) in Kombination mit einer Anthrazyklin-basierten Chemotherapie etabliert hat. Rezidive sind auch ebenfalls gut behandelbar. Hier ist Arsentrioxid außerordentlich wirksam, das bei 80 % der Patienten mit hämatologischem Rezidiv eine erneute Remission induzieren kann. Eine Frage ist derzeit, wann man die Rezidivbehandlung beginnen sollte. Entscheidend könnte die möglichst frühe Diagnose einer minimalen Resterkrankung mit hochempfindlichen molekulargenetischen Methoden sein. E ine minimale Resterkrankung (MRD) ebenso wie die Wirksamkeit der Therapie der APL wird heute durch den Nachweis des pathogenen PML/RARα-Fusionsgens mittels reverser Transkriptase-PolymeraseKettenreaktion (RT-PCR) beurteilt: Das Verschwinden des Fusionsgens, d. h. das Erreichen einer kompletten molekularen Remission, korreliert mit einem verbesserten Überleben. Dagegen entwickeln PCR-negative Patienten mit erneut positivem Nachweis fast immer ein klinisches Rezidiv. Von besonderer Bedeutung ist daher die Frage nach dem optimalen Zeitpunkt für die Einleitung einer Salvage-Therapie. In einer retrospektiven Analyse zweier spanischer Studien, so Prof. David Grimwade, London, waren nach fünf Jahren noch 64% der Patienten am Leben, die im molekularen Rezidiv erneut behandelt worden waren, aber nur noch 24% derer, bei denen man mit der SalvageTherapie erst im hämatologischen Rezidiv begonnen hatte. Britische und italienische Daten weisen in eine ähnliche Richtung. Ne- hängig von Alter, Zytogenetik oder Nierenfunktion. DieVerträglichkeitderDreierkombination wurde als insgesamt gut eingestuft. Schwere Nebenwirkungen traten unter der Dreifachkombination mit 46% etwas häufiger auf als unter dem MP-Regime (36%). Therapie-assoziierte Grad-4-Nebenwirkungen (VMP: 28%; MP: 27%) und Todesfälle (VMP: 1%; MP: 2 %) traten in beiden Gruppen gleich häufig auf. Josef Gulden, Grafrath Quelle: San Miguel J et al. Vortrag „Superior efficacy with bortezomib plus melphalanprednisone (VMP) versus melphalan-prednisone (MP) alone in previously untreated multiple myeloma (MM): Results of the phase III MMY-3002 VISTA study“ Abstract Nr. 473 im Rahmen des 13th Congress of the European Hematology Association, 12.–15. Juni 2008, Kopenhagen ben einem Überlebensvorteil – offenbar vor allem durchVerhinderung von schweren Blutungen und der damit assoziierten Mortalität – sind weitereVorteile der frühenTherapie eine bessere Verträglichkeit der Behandlung, weil die Patienten noch in besserem Allgemeinzustand sind und der Wegfall einer stationären Aufnahme. Die Methode der Wahl bei der Bestimmung der MRD sollte heute aber die quantitative Real-time-PCR (RQ-PCR) sein: Sie ist sensitiver als die RT-PCR und kann bei regelmäßiger Untersuchung ein molekulares Rezidiv zu einem noch früheren Zeitpunkt erkennen. Die Untersuchung von Knochenmark bei solchen seriellen Testungen durch die von peripherem Blut zu ersetzen empfiehlt Grimwade jedoch nicht: Beide Methoden sind zwar gleich empfindlich, aber aus dem Knochenmark lässt sich ein molekulares Rezidiv im Mittel etwa einen Monat früher diagnostizieren. Josef Gulden, Grafrath Quelle: Grimwade D. Vortrag „Molecular monitoring of acute promyelocytic leukemia“ Abstract Nr. 944 im Rahmen des 13th Congress of the European Hematology Association, 12.–15. Juni 2008, Kopenhagen Int Welt Onkologie 3/2008 Downloaded from www.die-internistische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 61 13. EHA-JAHRESTAGUNG Angriff auf die leukämische Stammzelle Interferon hat bei der CML noch nicht ausgedient Die Hypothese der Krebsstammzellen besagt, dass es bei den meisten Tumoren einen Pool von Zellen gibt, die sich wie multipotente Stammzellen verhalten: Sie weisen zwar das maligne Potenzial auf, verweilen normalerweise aber in einem Ruhezustand, in dem sie unempfindlich gegen Medikamente und meist auch gegen Bestrahlung sind. Solange eine Therapie Tumorstammzellen nicht erfasst, können diese immer wieder neue Krebszellen produzieren, die mit jedem solchen Zyklus unempfindlicher gegen alle Arten von Therapien werden. Z ur Frage, wie man an dieTumorstammzellen herankommt, gab es in Kopenhagen im Kontext der chronischen myeloischen Leukämie (CML) interessante Daten: Mit dem Standard Imatinib lässt sich die überwiegende Mehrzahl der Patienten in eine dauerhafte – nicht selten sogar molekulare – Remission bringen. Setzt man Imatinib ab, so kommt es aber regelmäßig zu einem Rezidiv, so Prof. Andreas Hochhaus, Heidelberg, weil gegen Imatinib resistente, Bcr/Abl-positive Vorläuferzellen das Knochenmark wieder mit Blasten auffüllen. Deshalb wird derzeit empfohlen, auch bei Patienten in kompletter molekularer Remission die Therapie mit Imatinib auf unbegrenzte Zeit fortzuführen, obwohl die langfristige Verträglichkeit der Tyrosinkinasehemmung nicht bekannt ist. Alternative Strategien, so Hochhaus, mit denen man diese Dauerbehandlung umgehen könnte, wären von großem klinischem Nutzen. Als Beispiel dafür stellte er eine kleine Untersuchung mit 20 Patienten vor (Abstract 0927), die im Median für etwa zweieinhalb Jahre Imatinib in Kombination mit niedrig dosiertem Interferon-α erhalten hatten. Imatinib war dann aus verschiedenen Gründen abgesetzt, die Interferon-Behandlung hingegen fortgeführt worden. Zum Zeitpunkt des Absetzens des Tyrosinkinaseinhibitors befanden sich 19 der Patienten in kompletter zytogenetischer Remission, einer hatte zytogenetisch überhaupt nicht angesprochen, bei drei von 16 untersuchten Patienten konnte Bcr/Abl mittels PCR gar nicht mehr nachgewiesen werden. 62 Nach median 22 Monaten Beobachtungszeit waren 15 der 20 Patienten in guter molekularer Remission, das Verhältnis von Bcr/Abl zu normalem Abl im peripheren Blut lag unter 0,1 %. Bei drei Patienten war das Fusionsgen gar nicht mehr nachweisbar, hingegen war bei fünf ein molekulares Rezidiv, d. h. ein Anstieg des Verhältnisses von Bcr/Abl zu Abl auf über 0,1 % festzustellen. Insgesamt fand sich also bei drei Vierteln der 20 Patienten eine prolongierte oder sogar verbesserte molekulare Remission, wenn nach einer Induktion mit Imatinib plus Interferon eine Erhaltungstherapie mit dem Zytokin angeschlossen wurde. Begleitende Laboruntersuchungen deuten darauf hin, dass T-Lymphozyten, die spezifisch für Myeloblastin (Proteinase 3) sind, unter dem Einfluss von Interferon eine antileukämische Autoimmunreaktion vermitteln. Es gibt Hinweise aus anderen Studien, dass gleichzeitig gegebenes Imatinib die durch das Interferon hervorgerufene antileukämische Immunreaktion bremst. Dass die zeitliche Abfolge der Gabe beider Medikamente eine wichtige Rolle spielen könnte, legen präklinische Befunde der Arbeitsgruppe von Prof. Andreas Trumpp aus Lausanne/Schweiz nahe, die Dr. Marieke Essers beim Presidential Symposium in Kopenhagen präsentierte (Abstract 0475): Die meisten onkologischen Patienten, die langfristig hochdosiertes Interferon-α erhalten, werden resistent dagegen, aber einzelne scheinen eine Heilung zu erreichen. Die Mechanismen dafür sind unklar. In ih- rem Mäusemodell fand Essers, dass normale hämatopoetische Stammzellen durch eine Interferon-Behandlung aus der G0-Phase austreten: Nach 16 Stunden fand sich nur noch etwa ein Viertel der ursprünglichen Zellzahl in diesem Ruhezustand, die übrigen hatten zu proliferieren begonnen. Dieser Effekt wird teils durch den Rezeptor für Interferon-α auf den Stammzellen selbst, teils durch andere Effekte vermittelt. Die mögliche Nutzanwendung dieses Zusammenhangs zeigte ein weiteres Experiment: Gesunde Mäuse überleben die einmal wöchentliche Behandlung mit 5-FU, weil zwar die ausdifferenzierten Blutzellen abgetötet, aber aus dem Stammzell-Pool immer wieder ersetzt werden. Ein „Priming“ mit Interferon-α vor der 5-FU-Behandlung jedoch führt zur vollständigen Eliminierung der hämatopoetischen Stammzellen und letztlich zum Exitus. Tiere, bei denen der Interferon-Rezeptor gentechnisch ausgeschaltet worden war, überleben die Behandlung hingegen allesamt. Spannend wäre es nun, so Essers, wenn Interferon auch ruhende leukämische Stammzellen von CML-Patienten aktivieren und sie so gegenüber der Imatinib-Behandlung sensibilisieren könnten. Dass dem so sein könnte, lässt eine französische Studie vermuten, in der bei zwölf Patienten, die unter Imatinib mindestens zwei Jahre lang in kompletter molekularer Remission waren, das Medikament abgesetzt worden war. Während die Hälfte von ihnen nach maximal fünf Monaten ein Rezidiv entwickelte, sind bei den übrigen sechs zwischen neun und 24 Monate nach Ende derTherapie immer noch keine leukämischen Zellen nachweisbar. Alle sechs hatten vor der Imatinib-Therapie Interferon-α erhalten. Josef Gulden, Grafrath Quelle: Hochhaus A et al. Vortrag „Imatinib discontinuation after imatinib/interferon alpha combination therapy is associated with continuous responses in the majority of patients“ Abstract 927 und Essers MAG et al. Vortrag „IFN-a promotes proliferation of dormant HSCs in vivo, making them susceptible to elimination by chemotherapy“ Abstract 475 im Rahmen des 13th Congress of the European Hematology Association, 12.–15. Juni 2008, Kopenhagen Int Welt Onkologie 3/2008 Downloaded from www.die-internistische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. EHA, JUNI 2008 Haploidentische Stammzelltransplantationen Herpes-simplex-Gen schaltet Lymphozyten bei Bedarf ab Die allogene Stammzelltransplantation ist aus der Hämatologie nicht mehr wegzudenken, aber für den Empfänger bedeutet sie nach wie vor ein großes Risiko – sofern sich überhaupt ein passender Spender findet. Nach Zahlen der European Group for Bone and Marrow Transplantation (EBMT) ist dies pro Jahr in Europa bei mehr als 10 000 Patienten nicht der Fall. Deshalb versucht eine italienische Arbeitsgruppe, die Verträglichkeit von Stammzelltransplantationen haploidentischer Spender zu verbessern. Dies hätte den Vorteil, dass praktisch jeder Familienangehörige als Spender infrage kommt. N ur in 50 % stimmen im Regelfall die Gewebsantigene mit dem Empfänger überein, was bislang in ein Dilemma führte: Um das Risiko für Graft-versus-Host-Reaktionen (GvHD) zu minimieren, müssen die T-Lymphozyten aus der Spende entfernt werden. Sie sind andererseits für den Graftversus-Leukämie-Effekt sowie für die rasche Rekonstitution der Immunabwehr beim Empfänger notwendig; die Bekämpfung der Leukämie ist also suboptimal und da die Immunrekonstitution sich stark verzögert, treten sehr häufig infektiöse Komplikationen mit hoher Mortalität auf. Versucht man dem gegenzusteuern, indem man die Lymphozyten des Donors mit Verzögerung infundiert (DLI: Donor-LymphozytenInfusion), erhöht man wiederum das Risiko für eine GvHD. Dem versuchten nun Dr. Maria Teresa Lupo Stanghellini, Mailand/Italien, und Kollegen in verschiedenen italienischen Zentren dadurch vorzubeugen, dass sie diese Donor-Lymphozyten mit dem Gen für die Thymidinkinase des Herpes-simplex-Virus (HSV-TK) transfizierten (Abb. 1). Dieses Suizid-Gen kann bei Bedarf, d. h. wenn sich eine GvHD andeutet, mithilfe des Virustatikums Ganciclovir an- und die Lymphozyten damit ausgeschaltet werden. Transplantationsbedingte Mortalität gesenkt Von 51 Patienten mit hämatologischen Hochrisiko-Erkrankungen, die im Rahmen einer Phase-I/II-Studie behandelt wurden, waren 29 in kompletter Remission. Haploidentische Stammzellen wurden 48 von ihnen infundiert und innerhalb von median zwei Wochen zeigten sie ein Engraftment, aber keine Immunrekonstitution. Diese stellte sich erst median 23 Tage nach zusätzlicher Infusion von Donor-Lymphozy- ten mit Thymidinkinase bei 22 von 27 Patienten ein. Bei elf von ihnen entwickelte sich zwar eine GvHD unterschiedlichen Schweregrads, die aber durch Ganciclovir in jedem Fall vollständig kontrolliert werden konnte. Die transplantationsbedingte Mortalität nach einem Jahr ließ sich so auf 26 % begrenzen, während sie in nicht mit den präparierten Lymphozyten behandelten Kontrollpatienten bei 69 % lag, so Lupo Stanghellini. Das leukämiefreie Überleben nach drei Jahren hing von der Behandlung mit den veränderten Lymphozyten ab (45 vs. 9 %), aber auch vom Remissionsstatus bei Transplantation: 43 % der Patienten, die in kompletter Remission gewesen waren, waren nach drei Jahren noch leukämiefrei, hingegen nur 5 % derer, die im Rezidiv behandelt worden waren. Die Immunrekonstitution korrelierte mit der raschen Entwicklung eines umfangreichen T-Zell-Repertoires, einer hohen Häufigkeit von T-Zellen gegen opportunistische Pathogene und einem starken Rückgang infektiöser Komplikationen und schwerer Nebenwirkungen. Diese Methode gestattet ein leukämiefreies Überleben, das vergleichbar ist mit dem nach Transplantation von HLA-identischen nicht verwandten Spendern oder von Nabelschnurblut. Sie könnte der haploidentischen Transplantation eine sehr viel weitere Verbreitung und vielen Patienten damit erstmals eine Chance auf Heilung verschaffen. Zunächst muss diese Strategie aber multizentrisch und randomisiert in einer kontrollierten Phase-III-Studie gegen herkömmliche Verfahren getestet werden. Eine solche Studie beginnt derzeit auf europäischer Ebene. Josef Gulden, Grafrath T-Zell-Isolierung Donor Abb. 1 Klinische Anwendung der Transfektion von SpenderLymphozyten mit HSV-TK Patient Infusion HSV-TK Selektion Transfektion GMP Lab Quelle: Lupo Stanghellini MT et al. Vortrag „Haplo-SCT with TK+ lymphocytes produce leukemia free survival comparable to unrelated bone marrow and cord blood transplantation in high risk acure leukemia: ´TK007´ phase II study final analysis“ Abstract 885 im Rahmen des 13th Congress of the European Hematology Association, 12.–15. Juni 2008, Kopenhagen Int Welt Onkologie 3/2008 Downloaded from www.die-internistische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 63 KONGRESS INTERNATIONAL Thalidomid und Azacitidin Neue Therapiekonzepte bei multiplem Myelom und MDS Drei Studien haben unabhängig voneinander den Nutzen von Thalidomid zusätzlich zur Therapie mit Melphalan/Prednison (MP) beim multiplen Myelom (MM) nachgewiesen. Mit der Zulassung der Substanz steht damit eine neue Referenztherapie für ältere Patienten sowie bei Kontraindikationen für eine Hochdosis-Chemotherapie zur Verfügung. Bei myelodysplastischen Syndromen (MDS) führt Azacitidin zu einer Verdopplung der Überlebensrate. B ei älteren MM-Patienten, bei Komorbidtät oder schlechtem Allgemeinzustand ist eine intensivierte Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation kontraindiziert. Der alte Standard in der Erstlinienentherapie – MPRegime oder Bendamustin/Prednison – ist jetzt laut Prof.Wolfgang Knauf, Frankfurt, überholt. Drei Studien zeigen eine deutliche Prognoseverbesserung durch die Hinzunahme von Thalidomid zum MP-Regime. In der GIMEMAStudie erhielten 255 MM-Patienten (Ø 72 Jahre) sechs Zyklen MP oder MP plus Thalidomid-Erhaltungstherapie (MP-T) (4). Das ereignisfreie Überleben wurde im MP-T-Arm vs. MP um 49% verbessert, das Mortalitätsrisiko nach über neunmonatigem Follow-up um 69% gesenkt. BestätigtwerdendieDatendurchdieStudie IFM 99–06 (1). Beim primären Endpunkt „Ge- Therapie O/N* MP MP-T Mel 100 128/196 62/125 78/126 samtüberleben“ war dieTherapie mit zwölf ZyklenMP-Tnachmedian32Monatensignifikant besser als zwölf Zyklen MP oder eine dosisintensivierteTherapiemitdemMel100-Schema (MP-T: 53,6 Monate; MP: 32,2 Monate; Mel100: 38,6 Monate). Dies galt auch bei einer Nachbeobachtung über 54 Monate (Abb. 1). Das progressionsfreie Überleben war unter MP-T mit 27,5 Monaten signifikant länger als im MP-Arm (17,8 Monate) und bei intensiviert behandelten Patienten (19,4 Monate) (MP-T vs. MP: p=0,0006; MP-T vs. Mel100: p=0,02). Dokumentiert wird der Nutzen derThalidomid-basierten Erstlinientherapie bei älteren Patienten auch in der Studie IFM 01–01 (3). 200 Patienten > 75 Jahre erhielten MP (zwölf Zyklen) sowie randomisiert Placebo oder Thalidomid. Thalidomid verlängerte im Vergleich zum Kontrollarm das Gesamtüberleben signifikant medianes Gesamtüberleben (Monate) 33,2 51,6 38,3 O/N*: Anzahl der Progressionen oder Todesfälle/Patientenzahl bei Randomisierung Anteil überlebender Patienten (%) 100 80 60 40 0 64 MP-T vs. MP, p = 0,0006 MP-T vs. Mel 100, p = 0,02 20 0 12 24 36 48 60 Zeit nach Randomisierung (Monate) 72 84 Abb. 1 Signifikante Verlängerung von Gesamtüberleben mit dem Thalidomid-haltigen MP-T-Regime im Vergleich zu MP und einer Hochdosistherapie (Studie IFM 99–06; 1) um17Monate(28vs.45Monate).FürKnaufist daher das MP-T-Regime die neue Referenz für betagte und/oder komorbide Patienten, mit Kontraindikation für eine Hochdosistherapie mit Stammzelltransplantation. Die EMEA hat Thalidomid (Thalidomide PharmionTM)imApril2008inKombinationmit dem MP-Regime beim MM zugelassen. Bestandteil der Zulassung ist ein Sicherheitsprogramm,dasinKürzedurcheinvereinfachtesRisiko-Minimierungsprogramm – ähnlich wie bei Lenalidomid – ersetzt wird. Für MDS-Patienten mit ungünstigem Risikoprofil ist Azacitidin (Vidaza®) eine neue lebensverlängernde Therapieoption. Azacitidin inhibiert DNA-Methyltransferasen und verhindert damit beispielsweise ein nicht erwünschtes Abschalten von Tumorsuppressor-Genen, so Prof. Norbert Gattermann, Düsseldorf. In der doppelblinden Phase-III-Studie AZA-001 erhielten 358 MDS-Hochrisikopatienten eine konventionelleTherapie („best supportive care“), niedrig dosiertes Cytarabin, eine Chemotherapie – oder Azaciditin (75 mg/m²/d über sieben Tage alle vier Wochen). Azacitidin senkte das Mortalitätsrisiko signifikant um 42%. Die mediane Überlebenszeit betrug 24,4 vs. 15 Monate im Kontrollarm. Das 2-JahresÜberleben war mit 51% fast doppelt so hoch wie im Kontrollarm (26%). Auch wurde die Progression zu einer AML oder zum Tod signifikant stärker verhindert. Azacitidin wurde gut vertragen, obwohl die Patienten bereits median 69Jahren alt waren. Daher sieht Gattermann die Substanz bei MDS-Patienten mit ungünstigem Risiko als künftigen neuen Therapiestandard. Dr. Katharina Arnheim, Berlin Literatur 1. Facon et al. Lancet 2007; 370: 1209–1218. 2. Fenaux et al. ASH Annual Meeting 2007; Abstr 817. 3. Hulin et al. ASH Annual Meeting 2007: Abstr 75 4. Palumbo et al. Lancet 2006; 367: 825–831. Quelle: Symposium „Innovative Behandlungsansätze bei multiplem Myelom (MM) und myelodysplastischen Syndromen (MDS)“ anlässlich des 28. Deutschen Krebskongresses am 23. Februar 2008, Berlin; Veranstalter: Pharmion Germany GmbH, Hamburg Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Pharmion Germany GmbH, Hamburg. Int Welt Onkologie 3/2008 Downloaded from www.die-internistische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. KONGRESS INTERNATIONAL Temsirolimus bei Nierenzellkarzinom und Mantelzell-Lymphom Studien belegen Effektivität und Sicherheit der mTOR-Inhibition Der mTOR-Inhibitor Temsirolimus (Torisel®) verlängert das progressionsfreie Überleben von Patienten mit therapierefraktärem Mantelzell-Lymphom, wie eine kürzlich auf der ASCO-Jahrestagung 2008 vorgestellte Studie nachweist. Außerdem wurden neue Ergebnisse zu Temsirolimus bei metastasiertem Nierenzellkarzinom vorgelegt, wonach Patienten unabhängig von ihrem Nephrektomiestatus von dieser Behandlung profitieren. P riv.-Doz. Dr. Georg Heß, Mainz, stellte eine Phase-III-Studie vor, in die 162 Patienten mit rezidiviertem oder therapierefraktärem Mantelzell-Lymphom eingeschlossen wurden (1). Die auf drei Therapiearme randomisierten Patienten erhielten Temsirolimus in zwei Dosierungen (initial 175 mg/1 x wöchentlich für drei Wochen, gefolgt von 75 mg bzw. 25 mg/1 x wöchentlich) oder ein Monotherapeutikum nach Wahl des Arztes. Die Patienten hatten bis zu sieben Vortherapien erhalten und waren zu 32 % stammzelltransplantiert. Das progressionsfreie Überleben (primärer Endpunkt) betrug bei den mitTemsirolimus 175/75mg behandelten Patienten median 4,8 Monate und war signifikant (p=0,0009) länger als in der Gruppe mit frei gewählter Therapie („investigators choice“) (Abb. 1). Mit einer Ansprechrate von 22% war Temsirolimus 175/75 beiden Vergleichstherapien deutlich überlegen und führte außerdem zu einem tendenziell längeren Gesamtüberleben. Innerhalb der Temsirolimus-Gruppen gab es einen deutlichen Vorteil zugunsten der höher dosierten Dauertherapie. Zu den häufigsten Nebenwirkungen der Grade 3/4 von Temsirolimus im Vergleich zum Kontrollarm gehörten Thrombozytopenien (63 vs. 40%), Asthenien (13 vs. 8%) sowie Infektionen (9 vs. 4%); diese waren aber gut beherrschbar. Die Zulassungserweiterung zur Therapie von Patienten mit rezidiviertem, refraktärem Mantelzell-Lymphom wurde bei der EMEA beantragt. Derzeit besitzt der Wirkstoff in dieser Indikation den Status eines „Orphan Drug“ . First-line-Therapie bei metastasiertem NZK Temsirolimus ist seit einem Jahr zur First-lineTherapie von Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom (NZK) zugelassen, die nach den modifizierten Motzer-Kriterien ein Abb. 1 Progressionsfreies Überleben von Patienten (n = 162) mit rezidiviertem oder therapierefraktärem Mantelzell-Lymphom unter Temsirolimus oder einer frei gewählten Therapie hohes Risiko aufweisen. Grundlage für die entsprechende ASCO-Empfehlung sind die Ergebnisse der kontrollierten ARCC-Studie, wonach diese Patienten mitTemsirolimus eine signifikante Lebenszeitverlängerung erzielten im Vergleich zu Patienten mit Interferon-Therapie (10,9 vs. 7,3 Monate) (2). Laut Priv.-Doz. Dr.Thomas Steiner, Jena, profitieren nach einer jetzt vorgestellten Subgruppenanalyse auch Patienten ohne Nephrektomie (3) und unterschieden sich weder im progressionsfreien Überleben noch im Gesamtüberleben von den nephrektomierten Patienten. Dies belegt die Effektivität der Substanz auch im Rahmen einer primär systemischenTherapie. Zudem schnitt inAnalysen zur Lebensqualität (TWiST und Q-TWiST) die BehandlungmitTemsirolimusbesserabalsdie Interferon-Therapie (Abb. 2) (4). Eine weitere beim ASCO-Kongress vorgestellteAnalyse vonARCC-Studienergebnissen befasste sich mit der Verträglichkeit von Temsirolimus (5). Demnach begünstigte eine solche Therapie zwar das Auftreten von Hyperglykämien, Hypercholesterinämien und Hyperlipidämien, dies hatte aber keinen Einfluss auf das progressionsfreie Überleben oder die verbleibende Lebenszeit. Eine Hyperglykämie ab Grad 2 wird nach Angaben von Prof. Lothar Bergmann, Frankfurt, bei Bedarf mit Insulin behandelt. Eine Hyperlipidämie sei nur selten therapiebedürftig. Dr. Beate Grübler, Hannover Literatur 1. Hess G et al. J Clin Oncol 2008; 26(Supp l): Abstr 8513. 2. Hudes G et al. NEJM 2007; 356: 2271–2281. 3. Logan T et al. J Clin Oncol 2008; 26(Supp l): Abstr 5050. 4. Parasuraman S et al. J Clin Oncol 2007; 25(Suppl 18S): Abstr 5049. 5. De Souza PL et al. J Clin Oncol 2008; 26(Supp l): Abstr 5116. Abb. 2 Lebensqualität von Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom unter Temsirolimus und Interferon Quelle: Pressegespräch „ASCO Update 2008“ am 10. Juni 2008, Frankfurt; Veranstalter: Wyeth Pharma GmbH, Münster Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Wyeth Pharma GmbH, Münster. Int Welt Onkologie 3/2008 Downloaded from www.die-internistische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 65 KONGRESS INTERNATIONAL Kontrastmittelgestütztes MRT – eine Methode mit Perspektiven Das klinische Management von Lebertumoren als interdisziplinäre Aufgabe Das klinische Management fokaler Leberläsionen erfordert für Prof. Peter Malfertheiner, Magdeburg, eine enge Zusammenarbeit von Klinikern und Radiologen. Von den heute verfügbaren bildgebenden Methoden ermöglicht dabei eine MRT-Untersuchung mit dem leberspezifischen gadoliniumhaltigen Kontrastmittel Gd-EOB-DTPA (Primovist) die genaueste Detektion und Lokalisation fokaler Leberläsionen sowie eine exakte Charakterisierung und effektive Therapieplanung, unterstrich der Gastroenterologe auf der 43. Jahresversammlung der European Association for the Study of the Liver (EASL). V iele fokale Leberläsionen bleiben zeitlebens des Patienten unentdeckt. Läsionen sind ein Begleitbefund in über der Hälfte der Autopsien. Meist sind es Hämangiome (20 %), gefolgt von fokalen nodulären Hyperplasien (3 %), berichtete Prof. Claudio DeAngelis, Turin. Für die genaue Lokalisation und Charakterisierung fokaler Leberläsionen ist angesichts der Vielfalt benigner, maligner und infektiöser Veränderungen viel diagnostisches Fingerspitzengefühl notwendig, betonte De Angelis. Bildgebende Verfahren sind hier ein wichtiges Instrument, um einen klinischen Verdacht zu objektivieren. Die meisten Läsionen sind ein Zufallsbefund, vor allem im Rahmen von Ultraschall-Untersuchungen beim Followup von Tumorpatienten oder Screening-Programmen für Leberzirrhosen. Nach seinen Erfahrungen sind kleine Läsionen < 15 mm bei asymptomatischen Patienten auch mit positiver Tumor-Anamnese im Regelfall gutartig. Bei Patienten mit einer fortgeschrittenen Zirrhose ist jedoch Misstrauen gerechtfertigt. Eine aktuelle Studie einer italienischen Arbeitsgruppe zeigt, dass sich rund 50 % der initial als Hämangiome angesprochenen Läsionen als hepatozelluläre Karzinome herausstellten. Andere Primärtumore sind eher selten. Dagegen ist die Leber ein bevorzugter Zielort von Metastasen anderer Tumore, vor allem aus dem Gastrointestinalraum. 66 Was kommt nach dem Ultraschall? Die Qualität der Ultraschallbefunde variiert je nach Erfahrung des Untersuchers oder Qualität der Geräte. Kontrastverstärkter Ultraschall (Contrast-Enhanced Ultrasound, CEUS) bleibt meist spezialisierten Zentren vorbehalten. In dieser Situation sollte auch nach den EASL-Barcelona-Guidelines ein CT oder kontrastmittelgestütztes MRT durchgeführt werden, bevor man über eine Leberbiopsie nachdenkt. De Angelis: „Eine Biopsie ist das diagnostische Mittel der letzten Wahl!“ Die Computertomografie bietet insbesondere mit der Multidetektor-CT eine deutlich verbesserte abdominelle Diagnostik. Neben der Strahlenbelastung werden jedoch die hohe Rate falsch-positiver Ergebnisse sowie die vergleichsweise ungenaue Darstellung kleiner Läsionen (< 1 cm) als gewichtiger Nachteil empfunden. Die sensitivsten und spezifischsten Informationen liefert heute jedoch das MRT. Zusammen mit gewebespezifischen Kontrastmitteln ist eine Weichteildiagnostik nicht nur hämodynamisch in den verschiedenen Phasen der Gewebedurchblutung – arteriell, portal-venös sowie im Equlibrium – möglich. Bei dem hepatozytenspezifischen Kontrastmittel Gd-EOB-DTPA ist Gadolinium an ein Chelat mit hydrophilen und lipophilen Eigenschaften gebunden. Es wird in der Leber zu 50 % aktiv von den Hepatozyten aufgenommen und später jeweils zur Hälfte mit der Gallenflüssigkeit und über die Niere ausgeschieden. Die vor der intravenösen Bolusgabe von Gd-EOB-DTPA aufgenommenen nativen T1- und T2-gewichteten MR geben zunächst wichtige Informationen über die Organstrukturen der Leber, beispielsweise die Anteile von Fett und Wasser (Abb. 1). Während der vaskulären Phase lassen sich gesundes Lebergewebe, das zu etwa 75 % portal-venös versorgt wird, und die zu 80–95 % arteriell versorgten Tumore abgrenzen. Hepatozelluläre Karzinome sind beispielsweise hypervaskularisiert und zeigen in der arteriellen Phase eine hohe Signalanhebung. Hämangiome und fokale noduläre Läsionen besitzen ebenfalls ein typisches Anreicherungsmuster in den verschiedenen Phasen. In der hepatozytären Phase stellt sich das Leberparenchym nach der Kontrastmittelaufnahme durch den Signalanstieg hell dar, während Läsionen ohne funktionsfähige Hepatozyten dunkel bleiben, erklärte Prof. Lennart Blomqvist, Stockholm. Überlegenes Leistungsprofil Mit Gd-EOB-DTPA ist anhand der phasenspezifischen Signalverteilung eine Differenzierung benigner Läsionen wie fokaler nodulärer Hyperplasien sowie von Malignomen wie heptozelluläre oder Cholangiokarzinome sowie Metastasen anderer Primärtumore möglich, ohne dass eine Leberbiopsie notwendig ist. Darüber hinaus erhält man damit wichtige Informationen über funktionelle Parameter wieAusmaß und Dynamik der Leberdurchblutung, beispielsweise die Transferrate zwischen den verschiedenen Kompartimenten (Blut, Hepatozyten, Gallenflüssigkeit) sowie den Funktionsstatus der Hepatozyten. In einem klinischen Setting dauern Aufnahmen mit kontrastmittelgestütztem MRT etwa 30 Minuten. Mit seinem überlegenen Leistungsprofil löst das kontrastmittelgestützte MRT das CT bevorzugt als bildgebende Methode zur Differenzialdiagnostik lokaler hepatischer Läsionen ab, so Blomqvists Fazit. Dieses Ideal wird in der Routineversorgung nicht immer erreichbar sein, gab er zu. Angesichts der Int Welt Onkologie 3/2008 Downloaded from www.die-internistische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. KONGRESS INTERNATIONAL immer engeren Verzahnung der Arbeit von Onkologen, Hepatologen und (interventionellen) Radiologen sollte man aber einer Methode den Vorzug geben, die auch für weiter gehende therapeutische Konsequenzen die besten Möglichkeiten eröffnet. „Diagnostik und Therapie rücken näher zusammen“ a) Die Zukunft hochsensibler und spezifischer bildgebender Verfahren liegt auch nach Ansicht von Prof. Jens Ricke, Magdeburg, in der Begleitung minimalinvasiver Interventionen bei der Therapie von Lebertumoren. Prof. Ricke: „Die Diagnostik und Therapie rücken immer näher zusammen. Die Zukunft für die Therapie sehe ich in einer Kombination minimalinvasiver und systemischer Tumortherapien.“ Das Potenzial dieser Methoden ist nach einhelliger Expertenmeinung noch längst nicht ausgeschöpft. Neben den thermoablativen Verfahren wie der Radiofrequenzablation (RFA) und der Laserablation (LITT) hat seine Arbeitsgruppe auch gute Erfahrungen mit stereotaktischen Bestrahlungen, der Brachytherapie und der Y90 Radioembolisierung (SIRT) gemacht. Allein von 2001–2004 hat sich Zahl derartiger Interventionen in Magdeburg auf über 350 mehr als verdreifacht. Unterstützt wird diese Entwicklung durch die neue Generation von MRTGeräten, die neben kurzen Untersuchungszeiten durch ihre offene Bauweise auch einen guten Zugang zum Patienten für lokale minimalinvasive Interventionen bietet. Eine Zwischenauswertung einer derzeit laufenden prospektiven Studie bei 17 von geplanten 31 Patienten mit einer Brachytherapie fokaler Lebertumore zeigt nicht nur eine gute Abgrenzung der bestrahlten Areale mit Gd-EOB-DTPA sechs Wochen nach der Intervention. Mit dem hepatozytenspezifischen Kontrastmittel ließ sich auch im weiteren Therapieverlauf die Regeneration und Revaskularisation des Leberparenchyms verfolgen. Dies ist für Prof. Ricke eine wichtige Zusatzinformation bei der Frage, ob man auch sehr kleine Metastasenherde eradiziert hat oder wie gut die gewählte Strahlendosis toleriert wurde. b) c) d) Abb. 1 Signalmuster hepatozellulärer Tumore nach Gabe des gadoliniumhaltigen Kontrastmittels Gd-EOB-DTPA in den verschiedenen hämodynamischen Phasen und in der hepatozytenspezifischen Spätphase; a) T1-gewichtetes MRT, b) T1 arterielle Phase, c) T1 portalvenöse Phase, d) T1 Hepatozytenspezifische Phase (nach 20 min) (Foto: Dr. Huppertz, Imaging Science Institut Charité Siemens) Neue Perspektiven Die guten Erfahrungen mit der kontrastmittelgestützten MRT – genaue Platzierung der Strahlen- bzw. Wärmequelle und schnelle Erfolgskontrolle – hat bei Ricke die Hoffnung geweckt, ob sich damit auch ein drohendes Leberversagen wegen einer strahlungsinduzierten Hepatitis, beispielsweise nach der lokalen Therapie multipler oder großer Tumore sowie nach mehreren Therapiezyklen, vorhersagen lässt. Ein diagnostisches Problem bleiben die Pseudotumore. Sie sind derzeit mit keinem der klinisch verfügbaren bildgebenden Verfahren ausreichend beurteilbar. Prof. Malfertheiner sieht hier zunächst einmal die Notwendigkeit, harte Daten für evidenzbasierte Empfehlungen zu generieren. Dies gilt insbesondere auch für die Effektivität und Verträglichkeit der verschiedenen lokalen chirurgischen und minimalinvasiven Therapieverfahren – allein und in Kombination mit einer systemischen Che- motherapie, beispielsweise mit Sorafenib (Nexavar). Derzeit wäre bei einem multifokalen hepatozellulären Karzinom mit Lungenmetastasierung (Child-Pugh B) eine systemische palliative Chemotherapie mit Sorafenib das Mittel der ersten Wahl, möglicherweise kombiniert mit lokalen Tumortherapien, so das Expertenvotum. Dr. Alexander Kretzschmar, München Quelle: Satellitensymposium „Our innovative, comprehensive and targeted approach to focal liver lesions“ anlässlich der 43. Jahresversammlung der European Association for the Study of the Liver (EASL) am 24. April 2008, Mailand; Veranstalter: Bayer Schering Pharma, Berlin. Mit freundlicher Unterstützung der Bayer Schering Pharma, Berlin. Int Welt Onkologie 3/2008 Downloaded from www.die-internistische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 67 KONGRESS INTERNATIONAL Transfusionsbedingte Eisenüberladung Eisenchelat-Therapie sichert Überlebensvorteil Drei von vier Patienten mit Myelodysplastischem Syndrom (MDS) brauchen im Verlauf der Erkrankung Erythrozytenkonzentrat(EK)-Transfusionen. Eine dadurch induzierte Eisenüberladung des Körpers kann durch Chelatbildner verhindert werden. In einer Studie führte die Eisenchelat-Therapie zu einem Überlebensvorteil von 64 Monaten gegenüber unbehandelten Patienten. A uf EK-Transfusionen angewiesene MDSPatienten erhalten jährlich bis zu 52 Blutkonserven. Damit wird auch Eisen in einer Gesamtmenge von bis zu 13 Gramm aufgenommen, was den natürlichen Eisenverlust von etwa 0,5g/Jahr deutlich übersteigt. Es besteht somit das Risiko einer Eisenintoxikation mit den bekannten Risiken für multiple Organschäden, so Prof. Wolf-Karsten Hofmann, Berlin. Der Nutzen eines Gesamtüberlebens einer begleitenden Eisenchelat-Therapie ist nun erstmals in einer prospektiven Studie belegt. 170 chronisch transfundierte MDS-Patienten erhielten zur Hälfte mindestens sechs Monate (median 35 Monate) eine Eisenchelat-Therapie mit Deferoxamin, Deferiprone oder Deferasirox, die anderen Placebo. Nach einem Follow-up von zwei Jahren hatten die mit Eisenchelatoren behandelten Patienten einen signifikanten Überlebensvorteil von 115 Monaten im Vergleich zu 51 Monaten ohne Chelat-Therapie (p<0,0001). Dieses Ergeb- 10 Jahre Anti-CD20-Antikörper-Therapie maligner Lymphome Antikörpertherapie ermöglicht Überleben und Heilung Vor der Anti-CD20-Antikörpertherapie gab es laut Prof. Michael Herold, Erfurt, für Patienten mit einem aggressiven und follikulären Lymphom keine Therapie, die zu einer Überlebensverlängerung führte. Heute ist mit Rituximab (MabThera®) ein längeres Überleben nach der Erstbehandlung und bei der Erhaltungstherapie des Rezidivs möglich. D as Gesamtüberleben wurde in einer aktuellen Studie durch Rituximab plus Chemotherapie signifikant verlängert Die Patienten lebten nach einer First-line-Kombinationstherapie mit Rituximab median 27 Monate länger als nur mit Chemotherapie. Dies bestätigt den in früheren Phase-III-Studien gefundenen signifikanten Überlebensvorteil der Kombination Chemotherapie-Rituximab. Auch bei der Therapie aggressiver NHL hat der Anti-CD20-Antikörper die Heilungschancen deutlich verbessert, so Prof. Norbert 68 Schmitz, Hamburg. Pfreundschuh et al. konnten bei älteren Patienten durch die Kombination der Chemotherapie CHOP-14 mit Rituximab ein 3-Jahres-Gesamtüberleben von 78% erzielen (1). Schmitz hält das für das beste Ergebnis, das je in der Therapie des aggressiven Non-Hodgkin-Lymphoms erreicht wurde. Die gleiche Arbeitsgruppe konnte auch zeigen, dass bei jungen Patienten mit niedrigem RisikoinfastallenFälleneineHeilungmöglichist. Prof. Michael Hallek, Köln, berichtete über die Perspektiven der Anti-CD20-Thera- nis war unabhängig von Alter, Geschlecht, Krankheitsrisiko nach IPSS-Score und Transfusionsbedarf gegenüber den nicht behandelten Patienten. Hofmanns Fazit: „Besonders jüngere Patienten mit geringem Krankheitsrisiko profitieren eindeutig von einer solchen Behandlung und gewinnen damit Lebenszeit“. Diese Patienten bräuchten daher „ohne Wenn und Aber“ eine konsequente Eisenchelation. Seit August 2006 steht mit Deferasirox (Exjade) erstmals ein oraler Eisenchelator zur Verfügung, der nur einmal täglich eingenommen werden muss und dieTherapie der Eisenüberladung gegenüber den zeitaufwendigen Infusionen deutlich vereinfacht hat. Dr. Beate Grübler, Hannover Quelle: Symposium „Aktuelle Hämatologie“ im Rahmen des 28. Deutschen Krebskongresses am 22. Februar 2008, Berlin; Veranstalter: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg pie bei chronischer lymphatischer Leukämie (CLL). In der CLL-8 Studie der deutschen CLL-Studiengruppe wurde Rituximab in Kombination mit Fludarabin und Cyclophosphamid (FCR) gegen FC allein getestet. Die Studie hat den primären Endpunkt „Verbesserung des progressionsfreien Überlebens um mehr als 35%“ erreicht und FCR als überlegenes Schema bestätigt. Nach Ansicht von Hallek wird sich dieses Schema zum Standard bei jüngeren Patienten entwickeln. Dr. Volker Kriegeskorte, Martinsried Literatur 1. Pfreundschuh M et al. Six versus eight cycles of bi-weekly CHOP-14 with or without rituximab for elderly patients with diffuse large B-cell lymphoma. Results of the completed RICOVER-60 trial of the German High Grade NHL Study Group. Blood 2006; 107: 205. Quelle: Symposium „2008: Die ersten zehn Jahre Anti-CD20-Antikörper-Therapie in der Hämatologie“ im Rahmen des 28. Deutschen Krebskongresses, 22. Februar 2008, Berlin. Veranstalter: F. Hofmann-La Roche AG, Basel Int Welt Onkologie 3/2008 Downloaded from www.die-internistische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved.