Nichtinfektiöse Komplikationen der HIV Infektion • Christoph Plöger • Mannheimer Onkologie Praxis • [email protected] Todesursache in einer Kohorte von 23442 Patienten mit HIV Infektion 50,0% 37,0% Todesfälle [%] 40,0% 30,0% 30,0% 20,0% 14,0% 10,0% 11,0% 8,0% od eT er An d Le be re rk es ra ur nk un g sa ch en en AI DS 0,0% Weber et al. Liver-related deaths in persons infected with HIV: the D:A:D study. Arch Intern Med 2006;166:1632-41. Gründe für die Zunahme Nichtinfektiöser Komplikationen bei HIV Infektion • HIV Patienten werden immer älter • Ungesunde Lebensweise ist häufiger als bei der Normalbevölkerung • Mögliche Toxizitäten der lebenslang einzunehmenden ART HIV als eigenständiger Risikofaktor nichtinfektiöser Komplikationen? • Erhöhte Entzündungsparameter und chronische Immunaktivierung auch bei suffizient behandelten HIV Patienten • Höherer Anteil immunologisch vorgealterter Zellen, trotz jahrelanger kompletter Immunsuppression Screening nicht infektiöser Begleiterkrankungen Empfehlung der EACS (European AIDS Clinical Society) HIV und Hypertonie • Seit ART steigende Inzidenz kardiovaskulärer Erkrankungen (Höheres Alter ?, Med.-NW.?) • Häufigkeiten bei ca. 10-30% (Lazar et al. 2008) • Risikofaktoren: Menschen afrikanischer Herkunft; erhöhter BMI; höheres Alter • Mehrere antihypertensive Medikamente interagieren mit ART (Spiegelerhöhung von Kalziumantagonisten und Beta-Blockern unter PI`s ) • HIV positive Patienten weisen häufiger als HIV negative zusätzliche kardiovaskuläre Risikofaktoren auf (z.B. Hyperlipidämie; Nikotin) • Regelmäßiges Screening erforderlich HIV und KHK HIV und KHK HIV und KHK • Der Framingham Score unterschätzt möglicherweise das Risiko bei HIV positiven Patienten; PROCAM- Score nicht evaluiert. • Die klassischen Risikofaktoren stehen zwar im Vordergrund • aber: • HIV und ART sind jedoch eigenständige Risikofaktoren • Eine spezielle Risikogleichung für HIV Pat. ist in der Entwicklung HIV und Osteoporose Diagnose der Osteoporose Messung der Knochenmineraldichte durch Dual Energy X-ray Absorptiometry (DXA) (Kosten: 35 Euro für Selbstzahler) • Osteoporose: T-Wert >-2,5 • T-Wert; Standardabweichung von der Referenzpopulation (junge, prämenopausale Frauen) Risikofaktoren für Osteoporose Alter Weibliches Geschlecht Späte Menarche, frühe Menopause Vorherige Fraktur Glukokortikoide Familiengeschichte Niedriger BMI Raucher Rheumatoide Arthritis Alkoholmissbrauch Immobilität HIV Infektion? Medikamentöse Therapie Lebensalter in Jahren Frau Mann T-Wert • • • • • • <60 60-70 70-75 75-80 80-85 >85 -4 -4 -3,5 -3 -2,5 -2 <50 50-60 60-65 65-70 70-75 >75 Aktuelle Leitlinien der DVO (Dachverband Osteologie) HIV und Osteoporose • • • • • • • Wenige teilweise widersprüchliche Daten aus klinischen Studien Erhöhter genereller Knochenumsatz bei HIV, sowie hohe Rate an Vitamin-D-Defizienz. Renale Dysfunktion ? Prävalenz der Osteopenie mit 60-70% doppelt so hoch wie bei nicht HIV Infizierten, höhere Rate an osteoporotischen Frakturen Osteoporosehäufigkeit liegt bei 15% RF: niedriges Gewicht ( BMI< 19kg/m²), hohe Viruslast, Dauer der HIV Therapie, Dauer einer NRTI Therapie, Nikotin, Alkohol, kaukasische Ethnität, Frauen, Steroidtherapie Spezifische Assoziationen zu Medikamenten möglich, Einfluss schwierig zu analysieren FRAX Score zur Ermittlung des untersten Knochendichtebereichs (BMD), der die höchste Frakturgefährdung zeigt, ist für HIV Patienten nicht evaluiert und kann Risiko unterschätzen (www.shev.ac.uk/FRAX) Vitamin D Spiegel in HIV Kohorten Verringerte Vitamin D Spiegel in mehreren aktuellen Untersuchungen in hohem Prozentsatz bei HIV Patienten, z.B. englische Studie: – 84% weniger als 32 ug/ml – 56% weniger als 20 ug/dl – 33% weniger als 15 ug/dl Dunkelhäutige Menschen hatten niedrigere Werte als hellhäutige, im Winter lagen die Spiegel niedriger als im Sommer. Wurde bei den Pat. eine ART begonnen, stieg der Wert leicht an, außer bei Therapie mit Efavirenz, hier fiel er um 5µg/dl ab. EACS Empfehlung European AIDS Clinical Society • Klassische Risikofaktoren bedenken • Zweijährige Bewertung des Osteoporoserisikos durch FRAX bei allen HIV Patienten >40J. • Oder DXA bei -postmenopausalen Frauen -Männern >50J -Hypogonatismus -Cortisontherapie -low impact Frakturen -hohes Fallrisiko Offene Fragen • Wirklich alle Patienten screenen oder nur Risikopatienten? • Wie hoch ist der eigenständige Beitrag der HIV Infektion am Osteoporose Risiko, wie hoch der Beitrag bestimmter antiretroviraler Medikamente? • Welche klinische Signifikanz hat ein erniedrigter Vitamin D Spiegel? • Ab welchem Spiegel sollte Vitamin D routinemäßig ergänzend verabreicht werden und falls ja, in welcher Dosis? • Welche Behandlung sollten Patienten mit einer hohen Frakturwahrscheinlichkeit erhalten? • Wann sollten Patienten an einen Spezialisten überwiesen werden? HIV assoziierte neurokognitive Störungen (HAND) • Die HIV assoziierte Demenz (HAD) bei ca. 10-15% und entsprechend häufiger bei unbehandelten Patienten oder in späten Stadien. • Milde neurokognitive Störung (MND) bei 30-60% aller HIV-Infizierter • Asymptomatische neurokognitive Störung (ANI) • Seit der HAART Ära hat die Häufigkeit der HIV Demenz drastisch abgenommen, dafür aber die der HIV assoziierten neurokognitiven Störungen zugenommen • Auch leichte neurokognitve Störungen können die Compliance beeinträchtigen und stellen einen Risikofaktor für Therapieversagen dar. Pathomechanismus der HIV Neuroinvasion Über infizierte CD4Zellen oder Monozyten Befall der Mikroglia und Astrozyten (Reservoirbildung) KLINIK • • • • • Verminderung alltäglicher Leistungen Störung des Kurzzeitgedächtnisses Reduzierte Konzentrationsfähigkeit Motorische Beinschwäche Verhaltensauffälligkeiten (z.B. Persönlichkeitsveränderungen, Apathie, sozialer Rückzug, fehlende Adhärenz) Diagnose und Management • Jeder HIV-Patient, der über Gedächtnisstörungen klagt, sollte untersucht werden • neurologische/neuropsychologische Untersuchung, MRT-Kopf; Lumbalpunktion • Screening auf unkontrollierte HIV-Infektion (HIV-RNA im Blut; CD4-Zellen < 200/µl) • Screening auf bestehende Depression • Internationale HIV-Demenzskala Was tun, wenn neurokognitive Störungen vorliegen? Wenn Patient noch keine ART hat: Beginn einer ART erwägen mit mindestens zwei Substanzen, die eine gute Liquorgängigkeit aufweisen. Ggf. Resistenztestung (Plasma und Liquor) Wenn Patient bereits eine ART hat: Wechsel der antiretroviralen Substanzen zu Substanzen mit besserer Liquorgängigkeit überlegen, evtl. vorher HIV RNA im Liquor und Resistenztest Risikofaktoren • Unkontrollierte HIV-Infektion /AIDS • Niedriger CD-4 Nadir • Hepatitis C-Koinfektion • Drogenkonsum (Amphetamine/Kokain) • Inkomplette VL-Suppression im Liquor, trotz negativer VL im Blut Offene Fragen • Beeinflusst die Liqorgängigkeit der antiretroviralen Substanzen das Ausmaß der neurokognitiven Störung? • Was tun wir bei neurokognitiven Störungen, trotz nicht nachweisbarer VL im Liquor ? Vorsorge und Umgang mit nicht infektiösen Komplikationen Alles geregelt? Empfehlungen der EACS sind ein Anfang und ein Versuch sich dem Thema zu stellen. Leitlinien der jeweiligen Fachgesellschaften sind mit einzubeziehen, müssen aber an die spezielle Situation der HIV-Patienten angepasst werden. In den meisten Bereichen mehr Fragen als Antworten Die Kooperation mit den Hausärzten wird noch wichtiger als bisher Interdisziplinäre Kooperation mit Fachärzten nötig HIV Therapie ist mehr als Viruslast und Helferzellen