Genetische Einblicke in die Funktion des Zebrafisch

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Genetische Einblicke in die Funktion
des Zebrafisch-Sehsystems
Stephan Neuhauss
Zoologisches Institut, Universität Zürich
Der Zebrafisch ist mittlerweile ein fest
etablierter Modellorganismus in der
Entwicklungsbiologie geworden. Im zunehmenden Maße wird er auch zur Erforschung von funktionellen Aspekten des
Nervensystems herangezogen. Dieser
Ansatz ist besonders geeignet für die Erforschung des Sehsystems. Das visuelle
System entwickelt sich außergewöhnlich
rasch und ist in der Larve komplett von
farbsensitiven Photorezeptoren, den
Zapfen, dominiert. Schon im jungen
Larvenstadium zeigen Zebrafische ausgeprägte sehvermittelte Verhaltensweisen.
Bereits Larven reagieren auf Bewegungsreize mit stereotypen Augenbewegungen.
Diese können herangezogen werden, um
Verhaltensmutanten mit visuellen Defekten
zu identifizieren. Solche sehgestörte
Mutanten sind oftmals geeignete Modelle
für menschliche Netzhauterkrankungen
und zeigen häufig ebenso wie der Mensch
syndromische Störungen. Zudem kann man
durch Gegenstrang-Technologien (Morpholino anti-sense Injektionen) die Translation
spezifischer Proteine im Embryo verhindern und damit unter anderem zapfenspezifische Aspekte der Sehreizverarbeitung
untersuchen.
Abb. 1: Adulte Zebrafische im Aquarium mit drei Entwicklungsstadien. Das jeweilige Alter der Embryonen wird als Zeit nach der Befruchtung angegeben.
Modellorganismus Zebrafisch
왘 Tiermodelle spielen seit jeher eine große
Rolle in der biologischen Forschung. Im
Zeitalter der Genomik gewinnen Organismen, die sich genetisch manipulieren lassen,
zunehmend an Bedeutung. Einer der
Neuankömmlinge im Club der bevorzugten
Modellorganismen ist der Zebrafisch (lat.
Danio rerio; im deutschen auch Zebrabärbling genannt).
Die Heimat des Zebrafisches sind Süßgewässer des indischen Subkontinents und
angrenzender Gebiete. Der Zebrafisch, der
Aquaristen längst wohlbekannt als pflegeleichte und lebendige Bereicherung des
Heimaquariums war, wurde in den frühen
70er Jahren auch in Forschungslaboratorien
heimisch. Dabei sprachen neben bescheidenen Pflegebedürfnissen die bemerkenswerte Fruchtbarkeit für den etwa 6 cm großen Fisch (Abb. 1). Ein Pärchen vermag jeBIOspektrum · 1/06 · 12. Jahrgang
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de Woche durchschnittlich 100 Nachkommen zu zeugen, die ins umgebende Wasser
abgegeben werden. Die zahlreichen Embryonen sind dem Experimentator also jederzeit bequem zugänglich und detaillierte
Beobachtungen werden durch seine Transparenz erleichtert. Zudem entwickeln sich
die Embryonen außergewöhnlich rasch, sodass bereits 24 Stunden nach der Befruchtung der Wirbeltierbauplan angelegt ist und
die Organogenese etwa einen weiteren Tag
später beginnt (Abb. 1).
Diese Eigenschaften empfahlen den Zebrafisch vor allem für Entwicklungsbiologen,
und auch heute noch wird der Zebrafisch
überwiegend in der Erforschung der zellulären und genetischen Grundlagen der Embryogenese eingesetzt.
Abb. 2: Histologischer Schnitt durch das visuelle
System einer 5 Tage alten Zebrafischlarve. Die
wirbeltiertypische Schichtung der Augen sowie
der Sehnerv sind deutlich sichtbar. PhR, Photorezeptorzellen, OC, optisches Chiasma (Sehbahnkreuzung).
Zebrafische in der Sehforschung
In zunehmendem Maße etabliert sich der
Zebrafisch aber auch als Versuchsobjekt zur
Erforschung der Funktion des Sehsystems.
Die Zebrafischlarve ernährt sich die ersten
fünf Tage der Entwicklung von ihrem Dottervorrat. Ist dieser aufgebraucht, muss sich
die Larve auf die Suche nach Futter machen.
Dabei ist für den Sehforscher von Vorteil,
dass sich die kleinen Larven auf ihren
Sehsinn verlassen, um ihre Nahrung (vorwiegend Insektenlarven und Einzeller) aufzuspüren. Dieser ökologische Druck macht
die rasche Reifung des Sehsystems verständlich. Bereits fünf Tage nach der Befruchtung lässt sich im histologischen Schnitt
das gesamte Sehsystem darstellen (Abb. 2).
Die wirbeltiertypische Schichtung des Auges mit allen Zelltypen ist ebenso sichtbar,
wie die gekreuzte Sehbahn, die zu höheren
Verarbeitungszentren des Gehirns führt. In
niederen Wirbeltieren mit randständigen
Augen kreuzt die Sehbahn komplett und
projiziert primär zum optischen Tektum,
welches homolog zum humanen Colliculus
superior ist und zumindest für einen Teil der
visuellen Verarbeitung verantwortlich zeichnet.
(schwarz-weiß) bleibt. Zweitens, die Zapfen,
die an höhere Lichtintensität angepasst sind
und Farbinformation vermitteln können.
Zusätzlich zu den drei beim Menschen gefundenen Zapfentypen, die jeweils maximal
auf blaues, grünes und rotes Licht ansprechen, kommt beim Zebrafisch noch ein vierter Typus vor, der maximal auf ultraviolettes
Licht reagiert. Von großer Bedeutung ist,
dass Zebrafischlarven praktisch nur mit den
Zapfen sehen.
Dies ist von größtem Interesse, da das
menschliche Sehsystem ebenfalls funktionell zapfendominiert ist. Die meisten genetischen Untersuchungen des Sehsystems
werden an genetisch veränderten Mausstämmen vorgenommen. Mäuse besitzen jedoch als nachtaktive Tiere eine stäbchendominierte Retina und eignen sich daher nur
bedingt für Untersuchungen des Zapfensehens. Der Zebrafisch eröffnet uns nun die
Möglichkeit, auch das Zapfensehen genetisch zu untersuchen. Erste Untersuchungen
haben zu der Erkenntnis geführt, dass sich
biochemische Mechanismen des Zapfensehens unerwartet stark vom Stäbchensehen
unterscheiden.
gungen aus. Dabei folgen die Augen dem
Bewegungsreiz, bevor sie ruckartig zurückgestellt werden und eine neue Folgebewegung beginnt. Die Bewegungen der kleinen
Augen (0,3 mm im Durchmesser (!)) lassen
sich im Binokular beobachten und digital
aufzeichnen.
Wir haben Methoden entwickelt, die sich
dazu eignen, die Augenbewegungen automatisch und exakt zu messen und mit dem
Reizmuster in Verbindung zu bringen. Hierzu betrachtet die Larve wie im Kino eine
Leinwand, auf die wir computererzeugte
Muster projizieren. Die resultierenden Augenbewegungen werden in Echtzeit digital
aufgenommen und ausgewertet. Wir konnten zeigen, dass die Effizienz der Augenbewegungen direkt von räumlicher Frequenz
(ein Maß für Streifenbreite und Geschwindigkeit) und Kontrast abhängt[2]. Dies ermöglicht es, die Sehleistung mit psychophysischen Methoden exakt zu messen.
Mit der Elektroretinographie (ERG) kann
die Funktion der Retina auch direkt elektrophysiologisch gemessen werden. Dabei wird
mit einer auf dem Auge aufliegenden
Elektrode die Veränderung des summierten
Feldpotenzials der Retina nach Lichtstimulation gemessen. Die Ableitungen sind denen anderer Wirbeltiere einschließlich dem
Menschen sehr ähnlich und lassen einen direkten Vergleich von Knock-out Mäusen
oder Patienten mit dem Zebrafisch zu[3].
Zebrafischgenetik
Neben den beschriebenen Vorzügen des Zebrafisches waren es jedoch vor allem die ge-
Sehvermitteltes Verhalten
Die Zebrafischretina
Die außergewöhnlich rasche Entwicklung
des Sehsystems als ökologische Anpassung
ist am eindrücklichsten an der Retina (Netzhaut) sichtbar. Die ersten Photorezeptorzellen, mit denen der Lichtreiz in ein chemisches Signal umgewandelt wird, werden bereits am zweiten Tag nach der Befruchtung
geboren. Fünf Tage nach der Befruchtung
kann man ähnlich wie beim Menschen zwei
Gruppen von Photorezeptoren erkennen:
Erstens, die sehr lichtempfindlichen Stäbchen, die bei Dämmerung den Seheindruck
vermitteln, der allerdings monochromatisch
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Die Morphologie legt nahe, dass das Sehsystem funktionsfähig ist, was sich in Verhaltensversuchen bestätigen lässt.
Es ist einfach, visuell vermittelte Verhaltensantworten auszulösen, die als simple
Sehtests dienen können[1]. Besonders reproduzierbar lässt sich der optokinetische
Nystagmus auslösen. Zu diesem Zweck wird
die Larve in eine kleine Drehtrommel gelegt, die mit einem schwarz-weißen Streifenmuster ausgekleidet ist (Abb. 3). Die Bewegung des Streifenmusters löst zuverlässig
die für den optokinetischen Nystagmus charakteristischen stereotypen Augenbewe-
Abb. 3: Gerät zur Auslösung des optokinetischen
Nystagmus. Larven werden in der Mitte einer
drehenden Streifentrommel platziert. Der Bewegungsreiz löst eine stereotype Augenbewegung
aus, die aus Nachfolgebewegung und ruckartiger
Rückstellbewegung besteht.
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netischen Möglichkeiten, die dazu beigetragen haben, ihn als Modellsystem zu etablieren. Zur Anwendung kommen zwei fundamental verschiedene genetische Ansätze, die auch als „Vorwärtsgenetik“ (engl. forward genetics; vom Phänotyp zum Gen) und
„Rückwärtsgenetik“ (engl. reverse genetics;
vom Gen zum Phänotyp) bezeichnet werden.
Im ersten Fall wird zuerst ein Phänotyp,
etwa eine Sehstörung, gesucht, die dann im
Weiteren mit einer Mutation in einem spezifischen Gen in Verbindung gebracht wird.
Im Falle des Zebrafisches werden Mutationen meist chemisch durch DNA verändernde Chemikalien (Ethylnitrosoharnstoff;
ENU) ausgelöst. Dieser Ansatz ist mit größtem Erfolg in Wirbellosen (D. melanogaster
und C. elegans) angewandt worden. Mit dem
Zebrafisch ist es erstmals möglich, einen vergleichbaren Ansatz mit vertretbarem Aufwand auch in einem Wirbeltier anzuwenden.
Vergleichbare genetische Ansätze werden
auch in der Maus durchgeführt, sind dort
allerdings mit sehr großem logistischen und
finanziellen Aufwand verbunden.
Der komplementäre Ansatz der „Rückwärtsgenetik“ beginnt mit der Inaktivierung
eines interessanten Gens, an das sich dann
die Untersuchung der Konsequenzen auf
den Organismus anschließt. Am erfolgreichsten ist diese Technologie in der Maus etabliert, in der man spezifische Mutationen
durch homologe Rekombination erzeugen
kann. Diese Methode ist im Zebrafisch noch
nicht etabliert, allerdings kann man die Proteinexpression sehr effizient durch Injektion
von Gegenstrang-Nukleotiden (Morpholinos) vorübergehend unterdrücken[4]. Dabei
werden chemisch modifizierte Oligonukleotide in die befruchtete Eizelle injiziert. Die
Oligonukleotide sind so gewählt, dass sie mit
einem Segment der mRNA einen Doppelstrang bilden können und damit die Translation, bzw. den Splicemechanismus stören.
Das genetische Repertoire wird durch die
Möglichkeit ergänzt, transgene Tiere zu erzeugen. Dies bewerkstelligt man entweder
durch Injektion von DNA in die befruchtete Eizelle oder durch Infektion von pseudotypisierten Viren.
dem optokinetischen Nystagmus Test oder
dem optomotorischen Assay auf ihre Sehfähigkeit hin überprüft. Fische, deren Nachkommen sehgestörte Larven in mendelschem Verhältnis haben, sind Träger von
erblichen Sehstörungen. Diese können dann
im Folgenden histologisch und elektrophysiologisch untersucht werden. In solch
einem Screen wurde eine Reihe von sehgestörten Mutanten gefunden, von denen
bei der Mehrzahl eine Degeneration der
Photorezeptoren nachgewiesen werden
konnte[5]. Photorezeptoren sind offensichtlich Zellen, die besonders leicht durch genetische Defekte in ihrer Struktur und
Funktion beeinträchtigt werden können,
denn auch im Menschen ist dies die häufigste Ursache für erbliche Blindheit[6]. Darüber hinaus lassen sich Gemeinsamkeiten
auch im Krankheitsverlauf finden. Ebenso
wie bei den Humanerkrankungen ist die
Degeneration fortschreitend und verbunden mit einer progressiven Verkürzung
der Photorezeptor-Außensegmente, die
schließlich im geordneten (apoptotischen)
Zelltod endet (Abb. 4). Ebenfalls findet man
meist assoziierte Veränderungen des retinalen Pigmentepithels. Der zugrunde liegende molekulare Defekt dieser Mutanten ist
in den meisten Fällen noch unbekannt. In
einem viralen Insertionsscreen wurden ähnliche Mutanten gefunden und molekular
charakterisiert[7]. Interessanterweise wurden
in diesem Screen die meisten Pigmentepithelmutanten durch Insertion in Genen ausgelöst, die für Untereinheiten des vesikulären ATPase-Komplexes kodieren. Mutationen die zu Photorezeptordegenerationen
führen, sind weitaus diverser und schließen
Zapfenvermitteltes Sehen
Screens in Zebrafisch
Mit den beschriebenen Technologien lassen
sich einerseits genetische Manipulationen
vornehmen und andererseits deren Auswirkungen auf das Sehsystem präzise untersuchen. Dies ermöglicht es speziell nach Stämmen zu suchen, die Gendefekte tragen, die
zu einer Beeinträchtigung der Sehfunktion
führen.
Die Vorgehensweise ist konzeptionell einfach: Mutagenisierte Stämme werden mit
Gene ein, die für Transkriptionsfaktoren,
Enzyme und Transportproteine kodieren[7].
Von besonderem medizinischen Interesse sind syndromische Mutanten, die trotz eines einzelnen Gendefekts neben Sehstörungen noch andere Manifestationen der
Krankheit aufweisen. Einige dieser Störungen sind unmittelbar einsichtig. So überrascht es nicht, wenn Störungen im retinalen Pigmentepithel zu Defekten in Photorezeptoren führen, da es bekannt ist, dass ein
intaktes Pigmentepithel für das Überleben
der Photorezeptoren unerlässlich ist.
Andere Syndrome sind weniger offensichtlich, liefern aber erste Hinweise auf den
zugrunde liegenden Defekt. Einige der sehgestörten Mutanten sind hypopigmentiert
und haben Gerinnungsstörungen, was auf einen Defekt in einer speziellen Subpopulation an Lysosomen-verwandten Organellen
hindeutet. Interessanterweise treten erbliche Sehstörungen des Menschen ebenfalls
oft als Syndrome auf, etwa im Usher-Syndrom, welches Seh- mit Hörstörungen kombiniert, oder im Senior-Loken- und BardetBiedl-Syndrom, welche durch Photorezeptordegeneration und Nierenzystenbildung
charakterisiert sind. Die Zebrafischmutanten elipsa, oval und fleer zeigen ebenso Photorezeptordegeneration und Nierenzysten[5, 8].
In oval konnte der Defekt auf Mutationen
im ift88 Gen zurückgeführt werden[9]. Dieses Gen kodiert für das intraflagelläre Transportprotein 88. In zwei Insertionsmutanten
mit ähnlichem Phänotyp wurden Insertionen in ift172 und ift57 gefunden[7, 10]. Intraflagelläre Transportproteine werden in Zilien für den anterograden Transport benötigt
und deuten auf die Bedeutung dieser Transportvorgänge für die Erhaltung von zilientragenden Photorezeptoren hin.
Abb. 4: Histologischer Schnitt durch das Auge
einer gesunden Larve (linke Spalte) und einer
Mutante mit äußerer Retinadegeneration (rechte
Spalte). Deutlich sichtbar sind Lücken in der
Photorezeptorschicht (Pfeil). Im Vergleich zu
normalen Photorezeptoren sind die Außensegmente (Pfeilspitze) stark verkürzt oder fehlen
gänzlich.
Im Zebrafisch ist es noch nicht wie in der
Maus möglich, gezielte Gendefekte durch
homologe Rekombination in das Keimgut
einzufügen. Eine Alternative stellt die Injektion von Morpholino Gegenstrang-Nukleotiden dar. Hierfür wird zunächst das zu
untersuchende Gen kloniert und die Sequenz bestimmt. Gegen bestimmte Abschnitte des Gens werden dann spezielle
Oligonukleotide (Morpholino) synthetisiert,
die durch Doppelstrangbildung das Übersetzen der mRNA in Protein verhindern. Dadurch können sehr effizient Larven erzeugt
werden, denen eine gewünschte Proteinfunktion fehlt[4].
Mit dieser Technik können im Zebrafisch
zapfenspezifische Mechanismen des Sehens
untersucht werden. Ein Beispiel hierfür ist
unser Befund, dass es unterschiedliche Mechanismen der Zapfen- und StäbchenadapBIOspektrum · 1/06 · 12. Jahrgang
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Abb. 5: Zapfenspezifische Expression von Grk7.
Zapfenphotorezeptoren sind mit einem zebrafischspezifischen Antikörper grün gefärbt. Stäbchen sind rot gefärbt (anti Rhodopsin Antikörper). Da Grk7 exklusiv in Zapfen exprimiert
ist, überlappen die beiden Färbungen nicht.
(Abbildung freundlicherweise von Dr. Oliver
Biehlmaier zur Verfügung gestellt).
tation gibt. Nachdem Licht das Sehpigment
aktiviert hat, muss es wieder inaktiviert werden, um weitere Aktivierungen zu ermöglichen. In den Stäbchen wird dieser Vorgang
durch die Aktivität der Rhodopsinkinase eingeleitet. Dieses Enzym gehört zur Familie
der G-Protein abhängigen Rezeptorkinasen
und wird daher auch Grk1 (G Protein-dependent receptor kinase 1) genannt. Dieses
Enzym phosphoryliert das aktivierte Rhodopsin und ermöglicht damit weitere inaktivierende Schritte, bei denen unter anderem Arrestin beteiligt ist. In vielen zapfendominierten Tieren kommt dieses Enzym
nur in Stäbchen, nicht jedoch in Zapfen vor.
Wir haben ein zweites Mitglied dieser Proteinfamilie, Grk7, kloniert, von dem bekannt
war, dass das Proteinprodukt in Zapfenaußensegmenten vorkommt. Wir stellten die
Hypothese auf, dass Grk7 eine der Rhodopsinkinase äquivalente Funktion in Zapfen
spielt. Zunächst generierten wir einen spezifischen Antikörper und konnten zeigen,
dass das Protein exklusiv in Zapfen vorkommt und in Stäbchen fehlt (Abb. 5). Die
Funktion dieses Proteins untersuchten wir
durch Injektion von genspezifischen Morpholinos, die die Translation des Proteins
weitgehend verhindern. Die injizierten Larven zeigen sowohl in unserer Verhaltensanalyse, als auch in elektrophysiologischen
Ableitungen die postulierte verzögerte Inaktivierung des visuellen Zapfenpigments.
So blendeten wir etwa die Larven mit einem
hellen Lichtblitz und bestimmten das ZeitBIOspektrum · 1/06 · 12. Jahrgang
intervall, bis zu dem die Retina wieder vollständig lichtempfindlich wurde. Dieses
Intervall ist deutlich verlängert in Grk7 deprivierten Larven. Damit konnten wir demonstrieren, dass Grk7 eine der Rhodopsinkinase äquivalente Rolle in Zapfen
spielt[11]. Dieses genetische Experiment
konnten wir nur in Zebrafischen durchführen, da das Genom der nachtaktiven Mäuse
im Gegensatz zum Menschen kein Gen für
Grk7 enthält.
Der Zebrafisch bietet sich dank seiner Eigenschaften als genetisches Modellsystem
für die funktionelle Erforschung der Wirbeltierretina an. Bereits heute gibt es eine
Reihe von medizinisch relevanten Krankheitsmodellen und seine Retina eignet sich
hervorragend für das Studium von zapfenspezifischen Sehvorgängen. Mit der Entwicklung neuer genetischer Werkzeuge,
Mutantenstämmen und Verhaltenstest kann
man von dem Zebrafischmodell auch in Zukunft bedeutende Beiträge zum Verständnis
des Wirbeltiersehens erwarten.
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Stephan Neuhauss
hat in Tübingen und Eugene (Oregon) Biologie
studiert und am Massachussetts General Hospital 1996 promoviert
(Gruppe von Professor
Wolfgang Driever). Danach war er wissenschaftlicher Angestellter
am Max-Planck-Institut
für Entwicklungsbiolo-
gie in Tübingen in der
Abteilung von Professor
Friedrich Bonhoeffer. Im
Jahr 2000 wurde er
Oberassistent an der
ETH Zürich im Institut
für Hirnforschung der
Universität Zürich. 2002
habilitierte er in allgemeiner Genetik an der
Universität Tübingen,
2003 erhielt er die Förderungsprofessur für
Neurowissenschaften
der schweizerischen Nationalfonds an der ETH
Zürich. Seit 2005 ist er
Professor für Neurobiologie am zoologischen
Institut der Universität
Zürich.
nase GRK7 in larval zebrafish leads to impaired cone response recovery and delayed dark adaptation. Neuron 47
(2): 231–42.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Stephan Neuhauss
Professur für Neurobiologie
Zoologisches Institut der Universität Zürich
Winterthurerstr. 190
CH-8057 Zürich
Tel.: 0041+ 1-635 3288
Fax: 0041+ 1-635 3303
[email protected]
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