Zebrafischembryos als Modellorganismen in der Chemischen

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International Zebrafish Medaka Course IZMC
11.
Zebrafischembryos als Modellorganismen in der Chemischen Biologie
und Genetik
Obwohl wir große Fortschritte gemacht haben, die molekularen Ursachen von
Krankheiten zu verstehen, hat die „Food and Drug Administration“ (FDA) der USA im
letzten Jahrzehnt einen 50%-igen Rückgang in der Registrierung neuer Medikamente
beobachtet. Zur gleichen Zeit steigerten sich die Subventionen für Forschung und
Entwicklung im privaten und öffentlichen Bereich um 250%. Im März 2004 lautete der
Titel eines FDA – Bericht: „Innovation oder Stagnation, Aufgaben und Chancen auf
dem schwierigen Weg zu neuen Medikamenten! („Innovation or Stagnation,
Challenge and Opportunity on the Critical Path to New Medical Products”) Dieser
Bericht kam zu dem Ergebnis, dass nicht genügend an Möglichkeiten geforscht
wurde, effiziente und sichere Produkte zu entdecken mit Methoden, die schnell und
billig sind. In vielen Fällen müssen die Wissenschaftler auf Konzepte des letzten
Jahrhunderts zurückgreifen.
Ähnliche Feststellungen wurden auch in Europa gemacht. Die Entwicklung von
Medikamenten war eines der Hauptthemen des Forschungsprogrammes FP7, indem
Kooperationsinitiativen für Technologien zur innovativen Medizin gefördert wurden176.
Für die EU waren diese vorhergehenden Bemühungen noch nicht ausreichend und
so wurde Medikamentenentwicklung zu einem der Schlüsselthemen im neuen
Forschungsförderungsprogramm Horizon 2020177. Dazu sollen neue Techniken und
Modelle entwickelt werden, um die Wirksamkeit und Sicherheit von potentiellen
Medikamenten gleich am Beginn ihrer Entwicklung zu erkennen. Ein großes Problem
bei klassischen Pharmascreens ist auch die Tatsache, dass der Screening-Assay
häufig auf eine einzelne Komponente in höchst verzweigten biologischer Netzwerke
gerichtet ist. Kompensatorische Mechanismen oder unerwartete Toxizität im
Organismus lassen sich mit solchen Ansätzen nicht erfassen und werden in der
Regel erst in Nachfolgestudien in Tierexperimenten oder bei Anwendung am
Menschen gefunden. Auf jeden Fall wird dies in einem Stadium festgestellt, wo
bereits riesige Summen und viele Jahre Arbeit in ein Kanditatenmedikament
investiert worden sind.
Viele unserer bedeutendsten Medikamente wurden durch zufällige Exposition von
Tieren oder Menschen gefunden, wie das Medikament gegen Thrombose, Warfarin,
oder das Herzmedikament Digoxin 178 . Ein groß angelegter Pharma-Screen mit
Säugetieren wäre jedoch ethisch und finanziell nicht zu rechtfertigen. Alternativ kann
man die Embryonen von Fischen nutzen. Pioniere in US Laboren haben gezeigt,
dass die Embryonen des Zebrabärblings für Medikamentensuche eingesetzt werden
können. Die ersten potentiellen Pharmazeutika aus diesen Tests befinden sich in
Phase 1 und 2 der klinischen Untersuchungen. Beispielsweise erhöht Prostaglandin
E2 die Anzahl von Blutstammzellen im Zebrabärbling und wird nun in der klinischen
Phase 2 als „Ansiedlungshelfer“ nach Knochenmarktransplantationen getestet 179 .
Dorsomorphin ist ein Inhibitor der BMP-Rezeptoren und wurde als erster Inhibitor des
BMP Signalweges überhaupt über morphologische Screens in Zebrafischembryonen
entdeckt180. Dorsomorphin und seine Derivate sind Kandidaten für Medikamente, um
176
d2013_0246en01.pdf
d2013_0246en01.pdf
178
Zon and Peterson, Nature Reviews Drug Discovery, pp 36, vol. 4, 2005
179
North et al. Nature 2007
180
Yu, P.B., et al., Dorsomorphin inhibits BMP signals required for embryogenesis and iron metabolism. Nature
chemical biology, 2008. 4(1): p. 33-41.
177
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den Eisenhaushalt im Körper zu regulieren und heterotope Ossifikation zu
behandeln.181.
Zebrafischembryonen sind sehr gut für chemische Screens einsetzbar. Kleine,
lösliche Moleküle werden normalerweise im Wasser gelöst und von den Embryonen
über die Haut absorbiert. Es ist dazu keine zeitraubende Injektion nötig. Die Platten
können
durch
individuelle
Beobachtung
oder
über
automatisierte
Hochdurchsatzbildgebungsverfahren ausgewertet werden. Der Einsatz von
hochentwickelter Transgenese zusammen mit der Transparenz der Embryonen
erlaubt eine hochauflösende Analyse, die von anderen Wirbeltiermodellen nicht
erreicht wird. Im Hinblick auf Medikamentenscreening lässt der Zebrafisch vor allem
die Beobachtung von komplexem Zellverhalten und physiologischen Parametern an
einem lebenden, intakten Organismus in Echtzeit zu.
Zum Beispiel kann das Verhalten von Stammzellen oder Immunzellen in ihrer
natürlichen Umgebung analysiert werden, ohne die Nachteile einer in vitro Zellkultur
zu haben. Diese Experimente in einem Organismus haben den Vorteil, dass sie nicht
nur die Auswirkung auf einzelne Zellen, sondern auch die Wirkung der zu testenden
Komponenten auf den gesamten Signalweg und dessen Netzwerk beobachten
lassen. Zusätzlich können komplexe toxische Parameter getestet werden. Zum
Beispiel kann man mit dem Zebrabärblingsembryo mit hoher Wahrscheinlichkeit
Herzrhythmusstörungen vorhersagen, wie Verlängerung des QT Intervalls. Dies ist
eine häufige und sehr gefährliche Nebenwirkung von Medikamenten, die mehrfach
erst in späten Phasen der Medikamentenentwicklung oder sogar erst nach
Markteinführung des Medikamentes erkannt worden ist.
Während der letzten Jahre wurden viele Mutationen
im Zebrabärbling isoliert, die als Modelle für
Krankheiten
wie
Krebs,
Herzkrankheiten,
neurodegenerative Defekte und viele andere
menschliche Krankheiten dienen. Zebrabärblinge
wurden zu einem akzeptierten Modell für
Humangenetiker, um Mutationen im menschlichen
Genom ursächlich mit bestimmten erblich bedingten
Krankheiten zu verknüpfen. Durch die letzten
Abb. 32: Automatisiertes Mikroskop
genetischen Untersuchungen und die letzten
am EZRC für das Screening vieler
Sequenzierungen 182 haben die Wissenschaftler nun
Zebrafischembryos.
Zugang zu Mutationen, die in mehr als 50% der
Protein-kodierenden Gene im Zebrabärbling vorkommen.
Mit der Einführung von neuen, hoch effizienten knock-out Techniken, die auf
Sequenz-spezifischen synthetischen Nukleasen beruhen, können Mutationen in
jedem beliebigen Gen hervorgerufen werden. Betrachtet man weiterhin die Tatsache,
181
Hong, C.C. and P.B. Yu, Applications of small molecule BMP inhibitors in physiology and disease. Cytokine &
growth factor reviews, 2009. 20(5-6): p. 409-18.
182
Kettleborough, R.N., et al., A systematic genome-wide analysis of zebrafish protein-coding gene function.
Nature, 2013. 496(7446): p. 494-7.
Driever, W., et al., A genetic screen for mutations affecting embryogenesis in zebrafish. Development, 1996. 123:
p. 37-46.
Haffter, P. and C. Nusslein-Volhard, Large scale genetics in a small vertebrate, the zebrafish. The International
journal of developmental biology, 1996. 40(1): p. 221-7.
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dass das Genom von Fisch und Mensch zu 70% identisch ist183, können somit gezielt
menschliche Krankheiten modelliert werden.
Diese Fülle von Krankheitsmodellen eröffnet neue Wege für die
Medikamentensuche. So können an diesen Modellen, die Wirkung von chemischen
Verbindungen auf pathologische Netzwerke im Kontext eines lebenden Organismus
systematisch getestet werden. Hier zeigte eine Gruppe aus den USA die
Unterdrückung von Gefäßmissbildungen durch Chemikalien an einem
Zebrabärblingsmodell 184 . Die potentiellen Medikamente, die mit diesem Screen
entdeckt wurden, werden momentan darauf untersucht, ob sie die Bildung neuer
Blutgefäße bei Herzinfarkt beeinflussen können185.
Solche
Screens
umfassen
typischerweise
die
Behandlung von Embryonen mit tausenden chemischen
Substanzen, die sich in ihrer Struktur unterscheiden und
entweder von Forschern selbst hergestellt, oder über
den Markt bezogen werden. Wenn diese Screens mit
automatisierten
Techniken
kombiniert
werden,
angefangen vom Sortieren der Embryonen, über
Mikroskopie und Datenanalyse (Abb.32), kann der
Durchsatz
bis auf mehr als zehntausend Substanzen
Abb. 33: Automatisiertes,
steigen.
Zusätzlich
wird eine große Auflösung erreicht,
robotisches Videosystem am
EZRC, um das Fressverhalten
eine detaillierte Analyse der Morphologie. Die
von Zebrafischen zu überwachen.
Sensitivität dieser Fischembryonen-Assays kann durch
Transgene, die bestimmte Zelltypen oder biochemische Prozesse markieren, erhöht
werden. Des Weiteren können die Screens dazu verwendet werden, die
Auswirkungen der Chemikalie auf das Verhalten des Zebrabärbliings zu beobachten
b.z.w. zu messen (Abb.33). Ergebnisse solcher Screens leisten ausserem einen
großen Beitrag zur Charakterisierung der biologischen Effekte, die von künstlich
hergestellten Substanzen ausgelöst werden, denen wir im täglichen Leben
ausgesetzt sind.
183
Howe, K., et al., The zebrafish reference genome sequence and its relationship to the human genome. Nature,
2013. 496(7446): p. 498-503.
184
Peterson, R.T., et al., Chemical suppression of a genetic mutation in a zebrafish model of aortic coarctation.
Nature biotechnology, 2004. 22(5): p. 595-9.
185
Kettleborough, R.N., et al., A systematic genome-wide analysis of zebrafish protein-coding gene function.
Nature, 2013. 496(7446): p. 494-7.
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