Wie beim Zebrafisch - the Leibniz Institute on Aging

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Wie beim Zebrafisch
Jenaer Forscher entschlüsseln Funktionsschalter für wichtiges
Entwicklungs-Gen
Von Angelika Schimmel Jena (OTZ). Soll eine Glühlampe
leuchten, braucht sie Strom. Den bekommt sie jedoch nur,
wenn man den Lichtschalter anknipst. Ohne Schalter
funktioniert das System nicht.
Fischembryos mit
leuchtender Niere. (Foto:
FLI)
So ähnlich verhält es sich auch mit unseren Genen. In ihnen
sind die Baupläne und -anweisungen enthalten, die aus einer
verschmolzenen Ei- und Samenzelle einen neuen Menschen
werden lassen. Doch von allein funktioniert dieser komplizierte Prozess nicht. Auch Gene
brauchen einen Schalter. Erst wenn diese "umgelegt" sind, werden die Bausteine aktiv, sorgen
zum Beispiel dafür, dass sich einzelne Körperorgane entwickeln.
"Das so genannte WT1-Gen ist zum Beispiel dafür verantwortlich, dass sich beim
menschlichen Embryo die Nieren richtig entwickeln, es hat auch beim Wachsen des Herzens
und der Keimdrüsen eine wichtige Funktion", erklärt Prof. Dr. Christoph Englert vom
Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena. "Ist dieses Gen
inaktiv, führt das zu Defekten in all diesen Organen", ergänzt er.
Das Versagen des WT1-Gens bei der Nierenbildung, beispielsweise durch seltene Mutationen
im Gen, führt im Kleinkindalter, meist zwischen zwei und vier Jahren, zur Ausbildung von
Nierenkrebs, dem so genannten Nephroblastom oder Wilms-Tumor, beschreibt Englert die
schwerwiegenden Folgen. Ein Kind von 10 000 ist von dieser Krankheit betroffen, damit
handle es sich um einen relativ soliden, also häufigen Tumor. Dies sei Grund genug,
herauszufinden, warum das Gen in manchen Fälle deaktiv ist, und wie die Gen-Schalter
funktionieren.
Mittel zum Zweck ist den Forscher am Fritz-Lipmann-Institut dabei der Zebrafisch. Dieser
nur höchstens fünf, sechs Zentimeter kleine, aus Indien stammende Fisch, der seinen Namen
den markanten schwarzen und weißen Streifen verdankt, ist den Wissenschaftlern ein idealer
Forschungsgegenstand. "Wir kennen alle seine Gene", sagt Englert. Und das Erstaunliche,
diese stimmten zum Großteil mit unseren menschlichen Genen überein. Das prädestiniert den
Fisch, als Modellorganismus für die Aufklärung verschiedener Krankheiten zu dienen.
Auch, um die Mechanismen bei der Nierenentwicklung zu erforschen, arbeiten die Jenaer
Entwicklungsgenetiker um Prof. Englert mit dem Zebrafisch. Gemeinsam mit Kollegen der
Genomanalyse haben sie den "Schalter" des WT1-Gens lokalisieren können. Dabei handelt es
sich um zwei DNA-Abschnitte im Genom des Zebrafisches, die dem WT1-Gen benachbart
sind. "Wir reden hier von einem Gen, das aus etwa 21 000 Basenpaaren (Peptiden) besteht",
macht Englert die Dimension deutlich. Vor und hinter diesem Gen gebe es einen Bereich von
etwa 300 Basen-Paaren, der bei Zebrafisch und Mensch identisch sei - auch diese Erkenntnis
haben die Jenaer Forscher bei ihrer Arbeit gewonnen. Fehlt dieser 300er Abschnitt, oder
treten hier Mängel auf, dann wird WT1 nicht aktiviert, und es kommt zu Defekten bei der
Nierenbildung. Damit ist klar, dass in diesem Bereich die "genetischen Schalter" liegen.
Nachgewiesen haben die FLI-Forscher auch, dass die "Schalterfunktion" durch Retinsäure
vermittelt wird. Retinsäure ist ein Vitamin-A-Abkömmling und wird als Botenstoff in
verschiedenen Geweben des Embryos ausgeschüttet. In der Zielzelle angekommen, gelangt
die Retinsäure in den Zellkern und bewirkt dort die Bindung von Proteinen an das DNASchalter-Element. Dies führt zur Aktivierung des nachfolgenden WT1-Gens.
Wegen der großen Übereinstimmung des WT1-Gen von Zebrafisches und Mensch waren sich
die Jenaer Forscher sicher, "dass die gefundenen Aktivatoren auch beim Menschen eine
bedeutende Rolle spielen", erklärt Dr. Frank Bollig, der die Arbeiten maßgeblich
vorangetrieben hat. Tatsächlich konnten sie das Pendant zu dem Schalter-Element, welches
auf Retinsäure anspricht, auch im Menschen finden und seine Funktion in
Zellkulturexperimenten bestätigen.
Um ihren Untersuchungsgegenstand besser beobachten zu können, wandten die Forscher
einen Trick an. Sie koppelten die identifizierten Schalter-Elemente mit dem Gen für das so
genannte "grün-fluoreszierende Protein". Bei den so gentechnisch veränderten Zebrafischen
leuchtet die sich entwickelnde embryonale Niere intensiv grün. "Es ist schon faszinierend, so
in Echtzeit beobachten zu können, wie sich die Nieren entwickeln, quasi von der Befruchtung
bis etwa vier Tage nach dem Schlüpfen der Fische, die bis dahin durchsichtig sind", sagt
Englert.
Mit der "leuchtenden Nieren" haben die Jenaer zudem ein Werkzeug konstruiert, das auch
anderen Kollegen hilft, Forschung zur Nierenentwicklung und ihren Krankheiten zu
betreiben. Wissenschaftler in den USA, Taiwan, China oder Frankreich arbeiten heute mit den
Jenaer Zebrafischen.
14.08.2009
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