Strategische Frühaufklärung und der Einfluss auf die

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19
Schriften aus der Fakultät Sozial- und Wirtschaftswissenschaften
der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Strategische Frühaufklärung und
der Einfluss auf die Innovationsfähigkeit
Eine Fallstudienanalyse
von Jacqueline Kundt
19 Schriften aus der Fakultät Sozial- und
Wirtschaftswissenschaften der
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Schriften aus der Fakultät Sozial- und
Wirtschaftswissenschaften der
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Band 19
2014
Strategische Frühaufklärung und
der Einfluss auf die Innovationsfähigkeit
Eine Fallstudienanalyse
von Jacqueline Kundt
2014
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
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im Internet über http://dnb.ddb.de/ abrufbar.
Diese Arbeit hat der Fakultät Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der
Otto-Friedrich-Universität Bamberg als Dissertation vorgelegen.
1. Gutachter: Prof. Dr. Johann Engelhard
2. Gutachter: Prof. Dr. Alexander Fliaster
Tag der mündlichen Prüfung: 02.07.2014
Dieses Werk ist als freie Onlineversion über den Hochschulschriften-Server (OPUS;
http://www.opus-bayern.de/uni-bamberg/) der Universitätsbibliothek Bamberg erreichbar. Kopien und Ausdrucke dürfen nur zum privaten und sonstigen eigenen
Gebrauch angefertigt werden.
Herstellung und Druck: docupoint Magdeburg
Umschlaggestaltung: University of Bamberg Press
© University of Bamberg Press Bamberg 2014
http://www.uni-bamberg.de/ubp/
ISSN: 1867-6197
ISBN: 978-3-86309-250-4 (Druckausgabe)
eISBN: 978-3-86309-251-1 (Online-Ausgabe)
URN: urn:nbn:de:bvb:473-opus4-104602
Für die Werte, die sie sich mich lehrten und die Möglichkeiten,
die sie mir eröffneten
Meinen lieben Eltern in Liebe und großer Dankbarkeit
Danksagung
An dieser Stelle der Arbeit blickt man zurück auf lange Jahre harter Arbeit begleitet
durch viele Höhen und Tiefen. Dies ist aber auch die Möglichkeit, Dank an alle direkt und indirekt Beteiligten auszusprechen, die entscheidend zum Erfolg der Arbeit
beigetragen haben.
Zuvorderst gilt mein Dank Prof. Dr. Johann Engelhard der Universität Bamberg, an
dessen Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre insbesondere Internationales Management ich als externe Doktorandin tätig sein durfte. Dank gilt ihm besonders für
die eingeräumten Freiheiten bei der Themenfindung und Umsetzung der Arbeit,
aber auch für die fortwährende Betreuung und kritische Würdigung meiner Arbeit.
Ebenso danke ich Prof. Dr. Alexander Fliaster des Lehrstuhls für Innovationsmanagements der Universität Bamberg für die Übernahme des Zweitgutachtens und
Herrn Prof. Dr. Björn Ivens für die Mitwirkung und Diskussionsfreude in der Promotionskommission.
Für die in fachlicher und menschlicher Hinsicht höchst bereichernde Unterstützung
vieler meiner Kollegen am Lehrstuhl und bei meinem Arbeitgeber in dieser Zeit gilt
dazu ein besonderer Dank. Das gemeinsame „Leiden“ und Austauschen von Gedanken und Ideen hat mich sowohl persönlich als auch fachlich sehr bereichert und
zum erfolgreichen Abschluss des Dissertationsprojektes beigetragen. Hierfür danke
ich insbesondere Laura Folter, Carolin Fleischmann, Annalena Fajen, Markus
Moelgen, Johanna Horzetzky und Georg Trautnitz. Besonderer Dank gilt hierbei
auch Ute Hanß für ihre administrative Unterstützung am Lehrstuhl und die vielen
motivierenden und aufmunternden Worte.
Danken möchte ich auch meinen Interviewpartnern, ohne die meine Untersuchung
nicht möglich gewesen wäre und die mich mit Neugierde und Begeisterung für
mein Thema unterstützt haben und bereit waren, mir unternehmensinterne Prozesse
zu schildern.
Besonderer Dank gilt auch meinen Freunden, die immer für den nötigen Ausgleich
zur wissenschaftlichen Arbeit gesorgt haben und diese Jahre auf ganz andere Art
und Weise unvergesslich machen. Ich danke dafür ganz besonders Alexander Raths,
Annika Sahlmann, Stella Cederqvist, Katharina Nagel, Robert Hartmann, Julian van
der Linden, Martin Richter, Kai Bisgwa, Christoph Brändle und Maria Hillermeier,
die mich nicht nur in allen Arbeitsphasen motiviert haben, sondern auch teilweise
fachliche Unterstützung leisteten.
Von ganzem Herzen möchte ich auch meiner Familie danken, meinen Eltern und
Großeltern, die mich zu jedem Zeitpunkt bedingungslos unterstützt und an mich
und meine Arbeit geglaubt haben. Wer ich bin und was ich erreicht habe, verdanke
ich besonders meinen Eltern, die mich mit viel Liebe und Hingabe auf jedem Lebensweg begleitet haben und immer mit Rat und Tat zur Seite standen. Dafür bin
ich Ihnen unendlich dankbar. Abschließend möchte ich mich bei meinem geliebten
Freund Volker bedanken, der mich nicht nur emotional unterstützt hat, sondern
auch geduldig bei unzähligen Korrekturlesungen. Ich danke ihm für die Liebe und
Fürsorge, die mir Mut und Kraft für alle Phasen meiner Arbeit gegeben haben.
Gütersloh, Juli 2014
Jacqueline Kundt
Inhaltsübersicht
Inhaltsübersicht
Inhaltsübersicht ..................................................................................................... I
Inhaltsverzeichnis ............................................................................................... III
Abbildungsverzeichnis..................................................................................... VIII
Tabellenverzeichnis .............................................................................................. X
Abkürzungsverzeichnis ................................................................................... XIII
1
Einleitung ........................................................................................................ 1
1.1
Problemstellung ....................................................................................... 1
1.2
Forschungsfragen und Ziele der Arbeit ................................................. 4
1.3
Relevanz ................................................................................................... 5
1.4
Aufbau der Arbeit ................................................................................... 6
2
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen ....... 9
2.1
Hinführung zur theoretischen Konzeption der Innovationsfähigkeit ... 9
2.2
Die Erkenntnisstand der Forschung zur Innovationsfähigkeit in der
bestehenden Management- und Betriebswirtschaftsliteratur ............. 41
2.3
Verständnis der Innovationsfähigkeit in dieser Arbeit ....................... 72
2.4
Fazit........................................................................................................ 79
3
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung .......................................... 81
3.1
Grundverständnis .................................................................................. 81
3.2
Implementierung der strategischen Frühaufklärung im
Unternehmen ....................................................................................... 110
4
Wirkungszusammenhänge zwischen der strategischen Frühaufklärung
und der Innovationsfähigkeit ..................................................................... 149
5
Methodik der empirischen Untersuchung ................................................. 157
5.1
Weitergeführte Forschungsziele ......................................................... 157
5.2
Vorgehensweise der Untersuchung..................................................... 158
5.3
Ablauf der empirischen Untersuchung .............................................. 170
I
Inhaltsübersicht
5.4
Datenreduktion und Kodierung ..........................................................173
5.5
Vorgehen zur Auswertung des Datenmaterials ..................................178
5.6
Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Erhebung ..........................181
6
Ergebnisse der Forschungsfallstudie .........................................................184
6.1
Falldokumentation und Einzelfallanalyse ..........................................184
6.2
Fallübergreifende Analyse...................................................................259
6.3
Fazit der empirischen Untersuchung ..................................................300
7
Hinweise für das Management der strategischen Frühaufklärung ..........304
8
Schlussbetrachtung .....................................................................................320
8.1
Zentrale Ergebnisse .............................................................................320
8.2
Implikationen für die Forschung ........................................................324
8.3
Implikationen für die Praxis ...............................................................325
8.4
Weiterer Forschungsbedarf ................................................................326
Literaturverzeichnis ......................................................................................... XIV
Anhang ........................................................................................................XXXIX
Anhang A: Interviewleitfaden ....................................................................XXXIX
Anhang B: Ergänzung zum Interviewleitfaden: Unternehmenskontext ...... XLII
II
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsübersicht ..................................................................................................... I
Inhaltsverzeichnis ............................................................................................... III
Abbildungsverzeichnis..................................................................................... VIII
Tabellenverzeichnis .............................................................................................. X
Abkürzungsverzeichnis ................................................................................... XIII
1
Einleitung ........................................................................................................ 1
1.1
Problemstellung ....................................................................................... 1
1.2
Forschungsfragen und Ziele der Arbeit ................................................. 4
1.3
Relevanz ................................................................................................... 5
1.4
Aufbau der Arbeit ................................................................................... 6
2
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen ....... 9
2.1
2.1.1
Hinführung zur theoretischen Konzeption der Innovationsfähigkeit ... 9
Der Innovationsbegriff ........................................................................... 9
2.1.1.1 Definition von Innovationen ........................................................... 9
2.1.1.2 Objekt der Innovation ................................................................... 14
2.1.1.3 Grad der Innovation ...................................................................... 15
2.1.2
Grundlagen zum Fähigkeitsbegriff – der Ressourcenorientierte Ansatz
des Unternehmens ................................................................................ 25
2.1.2.1 Entwicklung des ressourcenorientierten Ansatzes ......................... 25
2.1.2.2 Der klassische ressourcenorientierte Ansatz .................................. 27
2.1.2.3 Weiterentwicklungen des Resource-based View ........................... 32
2.2
Die Erkenntnisstand der Forschung zur Innovationsfähigkeit in der
bestehenden Management- und Betriebswirtschaftsliteratur ............. 41
2.2.1
Notwendigkeit der Literaturanalyse ..................................................... 41
2.2.2
Methodik der Literaturrecherche .......................................................... 42
2.2.3
Beschreibung der ausgewählten Studien .............................................. 44
2.2.3.1 Überblick ...................................................................................... 44
III
Inhaltsverzeichnis
2.2.3.2 Forschungsinhalte ........................................................................ 47
2.2.3.3 Forschungsmethodik .................................................................... 49
2.2.3.4 Forschungsergebnisse .................................................................. 56
2.2.4
Diskussion .......................................................................................... 67
2.3
Verständnis der Innovationsfähigkeit in dieser Arbeit ....................... 72
2.4
Fazit ....................................................................................................... 79
3
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung ......................................... 81
3.1
Grundverständnis ................................................................................. 81
3.1.1
Definition der strategischen Frühaufklärung ........................................ 81
3.1.2
Leitgedanken der strategischen Frühaufklärung................................... 90
3.1.2.1 Die dritte Variable als Störgröße invarianter Kausalbeziehungen . 90
3.1.2.2 Konzept der schwachen Signale ................................................... 91
3.1.3
Unterscheidungsmerkmale von Frühaufklärungsansätzen.................... 96
3.1.3.1 Entwicklungsstufen der strategischen Frühaufklärung .................. 96
3.1.3.2 Operative versus strategische Frühaufklärung .............................102
3.1.3.3 Abgrenzung der Frühaufklärung vom Krisenmanagement...........105
3.1.3.4 Abgrenzung zu anderen Formen der zukunftsorientierten
Umfeldaufklärung .....................................................................................107
3.2
Implementierung der strategischen Frühaufklärung im
Unternehmen .......................................................................................110
3.2.1
Erkenntnisziele ...................................................................................110
3.2.2
Aufgaben und Einsatzfelder im Unternehmen ....................................112
3.2.2.1 Allgemeine Aufgaben .................................................................112
3.2.2.2 Aufgaben im Innovationsmanagement ........................................114
3.2.3
Organisatorische Verankerung ...........................................................123
3.2.4
Prozessuale Ausgestaltung .................................................................126
3.2.5
Instrumente und Methoden .................................................................133
3.2.6
Implementierungsbarrieren und deren Überwindung ..........................138
3.2.7
Abschließende Betrachtung bestehender Implementierungsbeiträge ...147
IV
Inhaltsverzeichnis
4
Wirkungszusammenhänge zwischen der strategischen Frühaufklärung
und der Innovationsfähigkeit ..................................................................... 149
5
Methodik der empirischen Untersuchung ................................................. 157
5.1
Weitergeführte Forschungsziele ......................................................... 157
5.2
Vorgehensweise der Untersuchung..................................................... 158
5.2.1
Qualitatives Untersuchungsdesign als Forschungsstrategie ................ 158
5.2.2
Auswahl des Untersuchungssamples .................................................. 162
5.2.3
Instrumente zur Datensammlung........................................................ 166
5.2.4
Schlüsselinformanten ......................................................................... 169
5.3
Ablauf der empirischen Untersuchung .............................................. 170
5.4
Datenreduktion und Kodierung ......................................................... 173
5.5
Vorgehen zur Auswertung des Datenmaterials ................................. 178
5.6
Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Erhebung .......................... 181
6
Ergebnisse der Forschungsfallstudie ......................................................... 184
6.1
Falldokumentation und Einzelfallanalyse .......................................... 184
6.1.1
Analyserahmen der Einzelfallanalyse................................................. 184
6.1.2
Fallsammlungen eines internationalen Industrieunternehmens ........... 191
6.1.2.1 Bereichsübergreifende Themen................................................... 191
6.1.2.2 Fallbeschreibung 1 ...................................................................... 198
6.1.2.3 Fallbeschreibung 2 ...................................................................... 205
6.1.2.4 Fallbeschreibung 3 ...................................................................... 210
6.1.2.5 Fallbeschreibung 4 ...................................................................... 215
6.1.2.6 Fallbeschreibung 5 ...................................................................... 220
6.1.2.7 Fallbeschreibung 6 ...................................................................... 225
6.1.3
Fallsammlungen eines internationalen Infrastrukturanbieters ............. 230
6.1.3.1 Bereichsübergreifende Themen................................................... 230
6.1.3.2 Fallbeschreibung 7 ...................................................................... 234
6.1.3.3 Fallbeschreibung 8 ...................................................................... 239
6.1.3.4 Fallbeschreibung 9 ...................................................................... 242
V
Inhaltsverzeichnis
6.1.4
Fallsammlungen eines internationalen
Energiemanagementunternehmens .....................................................246
6.1.4.1 Bereichsübergreifende Themen ...................................................246
6.1.4.2 Fallbeschreibung 10 ....................................................................248
6.1.4.3 Fallbeschreibung 11 ....................................................................251
6.1.5
6.2
Fallbeschreibung 12 ...........................................................................255
Fallübergreifende Analyse...................................................................259
6.2.1
Analyserahmen fallübergreifende Analyse .........................................259
6.2.2
Ausmaß der strategischen Frühaufklärung in allen Fällen...................259
6.2.3
Einfluss der strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit273
6.2.3.1 Überblick ....................................................................................273
6.2.3.2 Reduktion der Unsicherheit .........................................................274
6.2.3.3 Widersacher ................................................................................276
6.2.3.4 Initiieren von Aktionen im Innovationsmanagement ...................278
6.2.3.5 Wirkung in Abhängigkeit der Form der strategischen
Frühaufklärung ..........................................................................................281
6.2.3.6 Einfluss auf die Innovationsfähigkeit ..........................................284
6.2.4
Einflussfaktoren auf die Wirkung der strategischen
Frühaufklärung 289
6.2.4.1 Überblick über die Einflussfaktoren ............................................289
6.2.4.2 Kontextuelle Faktoren .................................................................291
6.2.4.3 Strukturelle Einflussfaktoren .......................................................296
6.2.4.4 Prozessuale Faktoren...................................................................298
6.3
Fazit der empirischen Untersuchung ..................................................300
7
Hinweise für das Management der strategischen Frühaufklärung ..........304
8
Schlussbetrachtung .....................................................................................320
8.1
Zentrale Ergebnisse .............................................................................320
8.2
Implikationen für die Forschung ........................................................324
8.3
Implikationen für die Praxis ...............................................................325
8.4
Weiterer Forschungsbedarf ................................................................326
Literaturverzeichnis ......................................................................................... XIV
VI
Inhaltsverzeichnis
Anhang ........................................................................................................ XXXIX
Anhang A: Interviewleitfaden .................................................................... XXXIX
Anhang B: Ergänzung zum Interviewleitfaden: Unternehmenskontext ...... XLII
VII
Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1-1:
Abb. 2-1:
Abb. 2-2:
Abb. 2-3:
Ablauf der Arbeit ................................................................................... 7
Booz, Allen, Hamilton Matrix zur Bestimmung des Produkttypes ........ 18
Entwicklung des ressourcenorientierten Ansatzes................................. 27
Der Zusammenhang zwischen Ressourcen, Fähigkeiten, Kern- und
Metafähigkeiten ................................................................................... 40
Abb. 2-4: Veröffentlichung von Beiträgen zur Innovationsfähigkeit im
Zeitverlauf ........................................................................................... 45
Abb. 2-5: Identifizierte Beiträge zur Innovationsfähigkeit .................................... 46
Abb. 2-6: Elemente ausgewählter Modelle zur Innovationsfähigkeit .................... 63
Abb. 2-7: Untersuchte Faktoren und nachgewiesener Einfluss auf die
Innovationsfähigkeit ............................................................................. 65
Abb. 2-8: Konzeption der Innovationsfähigkeit in der Arbeit ............................... 79
Abb. 2-9: Zentrale Erkenntnisse aus dem Kapitel ................................................. 80
Abb. 3-1: Zentrale Bestimmungselemente der strategischen Frühaufklärung ....... 85
Abb. 3-2: Frühaufklärungsumfang der Generationen im Vergleich .....................102
Abb. 3-3: Komplementarität zwischen Frühaufklärung und Krisenmanagement107
Abb. 3-4: Zentrale Fragestellungen des Kapitels .................................................111
Abb. 3-5: Felder der Frühaufklärung im Unternehmen ........................................114
Abb. 3-6: Die Rollen der strategischen Frühaufklärung im Innovationsprozess 116
Abb. 3-7: Beitrag der strategischen Frühaufklärung im Innovationsmanagement 117
Abb. 3-8: Phasenspezifische Bedeutung der strategischen Frühaufklärung im
Innovationsprozess ..............................................................................122
Abb. 3-9: Organisationsform nach Unternehmensbezug und -größe ....................125
Abb. 3-10: Prozessphasen der strategischen Frühaufklärung ................................129
Abb. 3-11: Die wichtigsten Methoden nach Einsatzgebieten im Unternehmen ....136
Abb. 3-12: Beobachtungsbereiche der strategischen Frühaufklärung ....................137
Abb. 3-13: Reifegradmodell nach Rohrbeck.........................................................145
Abb. 4-1: Wirkungszusammenhänge und Grundlagen der empirischen
Untersuchung ......................................................................................156
Abb. 5-1: Ziele der Erhebung ..............................................................................158
Abb. 5-2: Umsatzanteil und Innovatorenquote ....................................................164
Abb. 5-3: Übersicht zu den Eigenschaften der Falluntersuchung .........................166
Abb. 5-4: Stufen der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ...........................175
Abb. 6-1: Analyserahmen für die Fallauswertung im Überblick ..........................185
Abb. 6-2: Zusammenhang bereichsübergreifender Abteilungen und den
Fallbeschreibungen .............................................................................191
VIII
Abbildungsverzeichnis
Abb. 6-3: Zusammenhang bereichsübergreifende Aktivitäten und
Fallbeschreibungen ............................................................................. 230
Abb. 6-4: Grad der Wirkung nach Faktoren der einzelnen
Unternehmensbereiche ........................................................................ 281
Abb. 6-5: Einflussnahme nach direkter Wirkweise ............................................. 284
Abb. 6-6: Einfluss der Frühaufklärung auf das Potenzial und tatsächliche
Ergebnis.............................................................................................. 287
Abb. 6-7: Einflussfaktoren und deren Häufigkeiten der Nennung im Überblick .. 290
Abb. 6-8: Einflussfaktoren im Wirkungsmodell .................................................. 291
Abb. 6-9: Das vollständige Wirkungsmodell ...................................................... 301
Abb. 7-1: Analyserahmen der strategischen Frühaufklärung mit vorgenommenen
Ergänzungen ....................................................................................... 306
Abb. 7-2: Anpassung der Innovationsfähigkeit ................................................... 308
Abb. 7-3: Überblick über die Ziele und Maßnahmen der identifizierten Treiber der
strategischen Frühaufklärung .............................................................. 312
Abb. 7-4: Ablauf des internen Ideenwettbewerbes .............................................. 316
Abb. 7-5: Möglichkeiten der Bewertung der strategischen Frühaufklärung ........ 318
IX
Tabellenverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tab. 2-1:
Tab. 2-2:
Tab. 2-3:
Tab. 2-4:
Tab. 2-5:
Tab. 2-6:
Tab. 2-7:
Tab. 3-1
Tab. 3-2:
Tab. 3-3:
Tab. 3-4:
Tab. 3-5:
Tab. 4-1:
Tab. 5-1:
Tab. 5-2:
Tab. 5-3:
Tab. 5-4:
Tab. 6-1:
Tab. 6-2:
Tab. 6-3:
Tab. 6-4:
Tab. 6-5:
Tab. 6-6:
Tab. 6-7:
Tab. 6-8:
Tab. 6-9:
Übersicht über ausgewählte Definitionen ............................................ 11
Perspektiven in den einzelnen Studien ................................................. 19
Definitionen des Ressourcenbegriffs in bestehender Literatur .............. 29
Definitionen des Fähigkeitsbegriff in bestehender Literatur ................ 34
Übersicht zu den Definitionen der Innovationsfähigkeit ....................... 53
Verwendete Kontrollvariablen in den Veröffentlichungen .................... 56
Begriffe in der kompetenzbasierten Literatur und deren Bezug zur
Innovationsfähigkeit ............................................................................. 61
Zulässige Reaktionstypen nach Ansoff ................................................. 94
Die Generationen und deren Inhalte .................................................... 97
Unterschiede zwischen operativer und strategischer Frühaufklärung ..104
Methoden der strategischen Frühaufklärung nach Typ und Modus .....134
Implementierungsbarrieren ..................................................................141
Die Thesen im Überblick ....................................................................154
Anzahl der Schlüsselinformanten nach Fall und Funktion des
Befragten ...........................................................................................170
Phasen der Ausführung der empirischen Erhebung und deren
Beschreibung .....................................................................................171
Kategoriensystem und Ankerbeispiele sowie Relevanz im Text .........178
Gütekriterien, deren Beschreibung und Taktiken zur Sicherung der
Kriterien .............................................................................................183
Übersicht über die genutzten Kriterien und ihre Ausprägungen für die
Organisation ........................................................................................187
Übersicht über die genutzten Kriterien und ihre Ausprägungen für die
Informationssammlung........................................................................189
Übersicht über die genutzten Kriterien und ihre Ausprägungen für
Netzwerke ...........................................................................................190
Übersicht zum Ausmaß der strategischen Frühaufklärung in den
bereichsübergreifenden Tätigkeiten .....................................................194
Überblick über die kontextuellen Faktoren des Falles 1 .......................199
Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
im Fall 1 ..............................................................................................201
Überblick über die kontextuellen Faktoren des Falles 2 .......................206
Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung im
Fall 2 ...................................................................................................208
Übersicht über die kontextuellen Faktoren des Falles 3 .......................211
X
Tabellenverzeichnis
Tab. 6-10: Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
im Fall 3 ........................................................................................... 213
Tab. 6-11: Übersicht über die kontextuellen Faktoren des Falles 4..................... 216
Tab. 6-12: Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
im Fall 4 ........................................................................................... 218
Tab. 6-13: Übersicht über die kontextuellen Faktoren des Falles 5..................... 221
Tab. 6-14: Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
im
Fall 5 ................................................................................................ 223
Tab. 6-15: Übersicht über die kontextuellen Faktoren des Falles 6 .................... 227
Tab. 6-16: ... Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
im
Fall 6 ................................................................................................ 228
Tab. 6-17: Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung der
bereichsübergreifenden Tätigkeiten .................................................. 232
Tab. 6-18: Übersicht über die kontextuellen Faktoren des Falles 7..................... 235
Tab. 6-19: Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
im Fall 7 ........................................................................................... 237
Tab. 6-20: Übersicht über die kontextuellen Faktoren des Falles 8 ..................... 240
Tab. 6-21: Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
im Fall 8 ........................................................................................... 241
Tab. 6-22: Übersicht über die kontextuellen Faktoren des Falles 9..................... 243
Tab. 6-23: Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
im Fall 9 .......................................................................................... 244
Tab. 6-24: Übersicht über das Ausmaß der bereichsübergreifenden Tätigkeiten 247
Tab. 6-25: Übersicht über die kontextuellen Faktoren des Falles 10 ................... 249
Tab. 6-26: Überblick über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
im Fall 10 ........................................................................................ 250
Tab. 6-27: Übersicht über die kontextuelle Faktoren des Falles 11..................... 252
Tab. 6-28: Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung im
Fall 11 ........................................................................................... 253
Tab. 6-29: Übersicht über die kontextuellen Faktoren des Falles 12 ................... 256
Tab. 6-30: Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung im
Fall 12 .............................................................................................. 257
Tab. 6-31: Ausmaß der strategischen Frühaufklärung in allen Fallbeispielen ..... 261
Tab. 6-32: Ausmaß der Frühaufklärung in Abhängigkeit der Innovationsstrategie
......................................................................................................... 267
Tab. 6-33: Ausmaß der Frühaufklärung in Abhängigkeit der Branche................ 268
Tab. 6-34: Ausmaß der Frühaufklärung in Abhängigkeit der Komplexität und
Dynamik der Branche ......................................................................... 268
Tab. 6-35: Eigenschaften zum Ausmaß der strategischen Frühaufklärung ............ 271
Tab. 6-36: Elemente und Beschreibung des Faktors Reduktion der Unsicherheit . 275
XI
Tabellenverzeichnis
Tab. 6-37: Bestandteile und Beschreibung des Faktors Widersacher ...................277
Tab. 6-38: Bestandteile und Beschreibung des Faktors Initiieren von Aktionen im
Innovationsmanagement ......................................................................279
Tab. 6-39: Die Hypothesen im Überblick .............................................................302
Tab. 7-1: Vor- und Nachteile der Methoden zur Verbesserung der Schnittstelle314
Tab. 7-2: Vor- und Nachteile zur Verringerung des kulturellen Einflusses .........317
Tab. 8-1: Die generierten Hypothesen ................................................................322
Tab. 8-2: Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse und des Mehrwertes der
Untersuchung ......................................................................................323
XII
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Anmerk. des Verf. Anmerkung des Verfassers
CEO
Chief Executive Officer
CTO
Chief Technology Officer
GE
General Electric
HR
Human Resources
F&E
Forschung und Entwicklung
MA
Mitarbeiter
OPAC
Online Public Access Catalogue
PLM
Product-Lifecycle-Management
RBV
Resource-Based View
STAR
Strategischer Trend-Analyse-Report
TRIZ
Theorie des erfinderischen Problemlösens (übersetzt aus dem
Russischem)
ZEW
Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH
XIII
Einleitung
1
Einleitung
1.1 Problemstellung
„Innovationen – neue Produkte, Dienstleistungen, Verfahren und Organisationsformen – gelten in industrialisierten Ländern als die Quelle des Wachstums
schlechthin, in der Krise mehr denn je.“1
Innovationen zählen zu den zentralen Triebfedern für den langfristigen Unternehmenserfolg, indem sie nachhaltige Wettbewerbsvorteile aufbauen und über einen
Zeitraum hinweg verteidigen. 2 Sie gelten zugleich als „Motor des Erneuerungsprozesses“3 in Unternehmen, da sie eng mit der Veränderung der Innovationsfähigkeit
verknüpft sind.4 Inkrementelle Innovationen sind das Ergebnis der Weiterentwicklung der Innovationsfähigkeit, wohingegen radikale Innovationen auf dem Aufbau
neuer Fähigkeiten beruhen.5 Daher wird im Zusammenhang mit der Innovationsfähigkeit auch von einer Dynamic Capability gesprochen, die nach den jeweiligen
Veränderungen des Marktumfeldes angepasst wird.6 Im Zusammenhang mit der
Innovationsfähigkeit müssen Unternehmen den Spagat zwischen inkrementellen
Veränderungen und radikalen Disruptionen bewerkstelligen.7 Verlassen sie sich nur
auf bestehende Fähigkeiten, verpassen sie Umbrüche in der Unternehmensumwelt,
die den Aufbau von neuen Fähigkeiten und der Transformation in radikale Innovationen erfordern. 8 Ein Fokus auf den reinen Aufbau neuer Fähigkeiten würde zu
hohen Kosten und auf Dauer zu unausgereiften Produkten führen. 9 Die Dynamik
der Märkte ist jedoch nicht vorhersagbar, daher wissen Unternehmen nicht, wie
lange ihr Wettbewerbsvorteil durch die aktuelle Innovationsfähigkeit zu verteidigen
ist. Um jedoch im Wettbewerb zu bestehen, müssen Unternehmen in der Lage sein,
das Marktumfeld langfristig zu beobachten und entsprechende Anpassungen der
Innovationsfähigkeit vorzunehmen.10 Nur so bringen sie zum richtigen Zeitpunkt
passende Innovationen auf den Markt. Besonders erfolgreiche Unternehmen können
ihre Marktposition durch eine Reihe von Innovationen verteidigen, die nicht nur auf
1
Dostert (2010), S. 24.
Vgl. Hamel (2001), S. 2; Trantow & Jeschke (2011), S. 1.
3
Schreiner (2006), S. 2.
4
Vgl. Bergmann & Daub (2008), S. 2.
5
Vgl. Atuahene-Gima (2005), S. 62.
6
Vgl. Teece et al. (1997), S. 516.
7
Vgl. Schreyögg & Koch (2010), S. 384.
8
Vgl. Enders et al. (2009), S. 20.
9
Vgl. Atuahene-Gima (2005), S. 62f.
10
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 6; Enders et al. (2009), S. 23.
2
1
Einleitung
eine bestimmte Art von Innovation festgelegt ist.11 Sie schaffen es gleichermaßen
Verbesserungsinnovationen in Zeiten inkrementellen Wandels und radikale Innovationen im Fall von tiefgreifenden Disruptionen oder gar zum Auslösen dieser Disruptionen auf den Markt zu bringen. 12 Kleinschmidt et al. haben dazu bereits verdeutlicht, dass Unternehmen neben kontinuierlichen Produktverbesserungen auch
regelmäßig radikale Produkte auf den Markt bringen müssen, um den Erfolg langfristig zu sichern.13 Leider gelingt das nur den wenigsten etablierten Unternehmen. 14
Vor allem große Unternehmen neigen dazu, sich nach dem Aufbau eines erfolgreichen Portfolios auf bestehende Fähigkeiten zu verlassen.15 Dabei ignorieren sie
neue Chancen und stehen radikalen Produktideen eher ablehnend gegenüber. 16 Welche Konsequenzen das haben kann, zeigt eine von Shell in Auftrag gegebene Untersuchung. Diese veröffentlichte Studie zeigt, dass die Lebenserwartung von großen
international agierenden Unternehmen der „Fortune 500“ bei ca. 40 Jahren liegt. 17
Das Scheitern von großen Unternehmen lässt sich vor allem darauf zurückführen,
dass sie zu spät auf disruptive Veränderungen reagieren. Damit wird deutlich, dass
Unternehmen nicht nur die Fähigkeit benötigen, auf inkrementelle Veränderungen
zu reagieren, sondern auch diskontinuierliche Veränderungen früh aufzuspüren und
durch neuartige Innovationen zu managen. 18 Trotz der Bedeutung dieser Anpassungsprozesse neigen Unternehmen dazu, bestehende Innovationsfähigkeiten nur
durch inkrementelle Anpassungen zu verändern, selbst in Zeiten fundamentalen
Wandels.19 Einstige Kernkompetenzen von Unternehmen verändern sich so zu
Kernhindernissen. 20
„Nahezu kein Topkonzern der Gegenwart hat den nächsten Innovationsschub seiner
Industrie als Marktführer überlebt.“21
Dieses Phänomen ist häufig zu beobachten und führt meist zu einer existentiellen
Bedrohung des Unternehmens oder gar seinem Niedergang. 22 Beispiele dafür sind
das Scheitern von Kodak und Nokia. Kodak gelang es bereits in den 70er Jahren die
11
Vgl. Tushman & O'Reilly (1997), S. 158ff.
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 5.
13
Vgl. Kleinschmidt et al. (1996), S. 46f.
14
Vgl. Gassmann & Friesike (2012), S. 4f.
15
Vgl. Hamel & Prahalad (1991), S. 82f.
16
Vgl. Berth (2003), S. 18.
17
Vgl. Geus (1997), S. 2ff.
18
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 1.
19
Vgl. Carp (2004).
20
Vgl. Leonard-Barton (1992).
21
Postinett et al. (2011), S. 1.
22
Vgl. Postinett et al. (2011), S. 1.
12
2
Einleitung
ersten Digitalkameras zu entwickeln, verwarf jedoch erste Entwürfe, weil die neuen
Digitalkameras die alten Produkte bedrohten. Erst als viele Unternehmen Digitalkameras auf dem Markt etablierten und sich diese zum Standard entwickelten, korrigierte Kodak seine Entscheidung. Jedoch kam die Anpassung der bisherigen
Kompetenzen und damit der Produktpalette zu spät: Nach ersten Entlassungen aufgrund der Umbaumaßnahmen in den 90er Jahren, ging das Unternehmen 2012 in
Insolvenz.23 Nokia, als einstiger Pionier der Handybranche, hat den Trend zum
Smartphone verpasst und setzte zu spät und mit den falschen Systemen auf diese
neuartigen Handys, die den Nutzen verschiedener Geräte kombinieren. Als Folge
hieraus sanken Marktanteile kontinuierlich. Ob ein Neuanfang mit Partner Windows
gelingen kann, ist noch fraglich. Kodak und Nokia sind keine Ausnahmen. 24
Die Innovationsfähigkeit als zentraler Wettbewerbsfaktor besteht damit aus den
zwei beschriebenen Mechanismen: Einerseits müssen Unternehmen ihre bestehende
Kompetenzbasis ausnutzen und Produkte kontinuierlich weiterentwickeln. Andererseits müssen sie ebenso offen für Veränderungen des Unternehmensumfeldes sein
und entsprechend der Umbrüche neue Kompetenzen aufbauen oder akquirieren. 25
„(…) Foresight is able not only to detect and interpret weak signals on change, but
also to trigger reactions.“26
Als Lösungsmöglichkeit werden in der Forschung hauptsächlich organisationale
Faktoren angesehen, die eine Nutzung der Fähigkeiten und eine Weiterentwicklung
möglich machen.27 In diesem Zusammenhang wird strategische Frühaufklärung als
ein geeignetes Instrument angesehen. 28 Strategische Frühaufklärung dient zu einer
frühzeitigen Identifikation von Trends und disruptiven Entwicklungen außerhalb
des Unternehmens und entwickelt Handlungsempfehlungen, um auf diese Veränderungen angemessen reagieren zu können.29 Im Zusammenhang mit der Innovationsfähigkeit hilft Frühaufklärung dabei die Bedingungen für Innovationen frühzeitig
aufzudecken und die notwendigen Veränderungsprozesse im Unternehmen zu initiieren. Damit kann die strategische Frühaufklärung den Zeitpunkt für das Nutzen der
bestehenden Fähigkeiten, aber auch für eine Wandlung der Fähigkeiten bestimmen,
die sich dann im Anschluss auf die Innovationen auswirken. 30 Vor dem Hintergrund
23
Vgl. Carp (2004).
Vgl. Steuer (2011), S. 8.
25
Vgl. Atuahene-Gima (2005), S. 61; Jansen et al. (2006), S. 1661.
26
Rohrbeck (2010), S. 4.
27
Vgl. Atuahene-Gima (2005), S. 62.
28
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 182; Becker (2002), S. 9; Burmeister et al. (2004), S. 7.
29
Vgl. Martin (1995), S. 139; Krystek & Müller-Stewens (2006), S. 175.
30
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (2006), S. 175.
24
3
Einleitung
dieser Problematik stellt sich damit die Frage, ob und inwiefern die strategische
Frühaufklärung tatsächlich zu einer positiven Beeinflussung der Innovationsfähigkeit beiträgt.
Die Innovationsforschung hat bisweilen eine lange Tradition und ergründet vor allem erfolgreiche Innovationsprozesse. 31 Mit der Entwicklung der Ressourcentheorie, welche die Ressourcen eines Unternehmens maßgeblich für den Erfolg eines
Unternehmens verantwortlich macht, wurde auch die Innovationsfähigkeit in der
Theorie betrachtet.32 Wenngleich dieser Forschungsstrang eine gute Basis für die
Betrachtung der Innovationsfähigkeit bietet, wird nicht erklärt, welche Faktoren zu
einer Verbesserung des beschriebenen Phänomens beitragen.
Der Ursprung der Forschung zur Frühaufklärung liegt hauptsächlich in den
50er/60er Jahren.33 Daraus entwickelte sich ein eigener Zweig der Forschung, der
sich den Herausforderungen von Unternehmen widmet. Die Forschung zur strategischen Frühaufklärung eignet sich zur Beschreibung der Funktionsweise des Instruments und lässt erste Vermutungen über eine Wirkung auf die Innovationsfähigkeit
zu.34
Insgesamt versucht die vorliegende Untersuchung die bisherigen Defizite zu beseitigen und erstmals die Wirkung der strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit zu analysieren. Ziel der Arbeit ist es dabei, ein Wirkungsmodell mit
Hypothesen aufzustellen, welches Art und Weise und allgemeine Einflussfaktoren
beschreibt.
1.2 Forschungsfragen und Ziele der Arbeit
Aus der dargelegten Problemstellung und dem Stand der Forschung ergeben sich
zentrale Forschungsfragen, die den Ausgangspunkt für die Untersuchung der vorliegenden Arbeit darstellen. In dieser Arbeit wird allgemein argumentiert, dass strategische Frühaufklärung ein geeignetes Instrument ist, die Innovationsfähigkeit von
Unternehmen zu verbessern und somit auf das Innovationsergebnis in Form von
sowohl inkrementellen als auch radikalen Innovationen einzuwirken. Daraus ergeben sich folgende Forschungsfragen, die in der Untersuchung ihre Beantwortung
suchen:
31
Vgl. Brown & Eisenhardt (1995), S. 343.
Vgl. Rasche (1994), S. 334; March (1991), S. 72; Freiling (2002), S. 24.
33
Vgl. Cuhls (2003), S. 96; Davis (2008), S. 65.
34
Vgl. Müller & Müller-Stewens (2009), S. 7; Burmeister et al. (2004), S. 119; Rohrbeck (2010),
S. 182.
32
4
Einleitung
Frage 1:
Wie kann die Innovationsfähigkeit konzeptionalisiert werden?
Frage 2:
Kann ein Einfluss der strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit von Unternehmen festgestellt werden? Welche Wirkungszusammenhänge ergeben sich?
Frage 3:
Welche kontextuellen Faktoren beeinflussen ggf. die Wirkungszusammenhänge zwischen der strategischen Frühaufklärung und der
Innovationsfähigkeit?
Um diese Fragen zu beantworten, werden in dieser Arbeit zunächst die Sichtweisen
zu der Innovationsfähigkeit dargelegt, gleichzeitig die Grundbegriffe zu Innovationen und Ressourcen geklärt, um den Stand der bisherigen Literatur zu verstehen.
Darüber hinaus wird im Anschluss strategische Frühaufklärung als Instrument vorgestellt. Darauf aufbauend erfolgt die empirische Untersuchung. Für die Beantwortung der Forschungsfragen werden insgesamt die folgenden Teilziele definiert:
 Dokumentation und Diskussion des Status quo der Innovationsforschung bzgl.
des Innovationsbegriffs und der Innovationsarten sowie der Innovationsfähigkeit
 Überblick über die strategische Frühaufklärung, deren Ausgestaltung sowie
Wirkungsweise im Unternehmen
 Analyse der Eignung der strategischen Frühaufklärung zur Verbesserung der
Innovationsfähigkeit
 Ableitung von kontextuellen Faktoren, unter denen die Effizienz und Wirkungsweise einer strategischen Frühaufklärung verbessert wird
 Aufstellen eines vollständigen Wirkungsmodelles
 Ableitung erster Handlungsempfehlungen auf Grundlage der Ergebnisse der
empirischen Untersuchung
1.3 Relevanz
Die Gesamtkonzeption der Untersuchung kann als besonderer Erkenntnisgewinn in
der wissenschaftlichen Forschung gesehen werden. Vor allem die Inhalte sind neu
und wurden bisher in dieser Form nicht diskutiert.35 Erste Arbeiten, die sich beiden
Konzepten widmen, liefern nur erste Ansätze für Wirkungszusammenhänge. 36 Die
35
36
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 203; Tyssen (2012), S. 263; Köpernik (2009), S. 305.
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 181ff.; Tyssen (2012), S. 259; Gruber et al. (2003), S. 286.
5
Einleitung
Darstellung der einzelnen Fragestellungen sowohl aus einem theoretischen als auch
praktischen Blickwinkel dient als Ausgangspunkt, um einen Mehrwert zu schaffen.
Die Relevanz der Arbeit ist damit sowohl in Hinblick auf den Wertbeitrag für die
Managementpraxis als auch für die theoretischen Überlegungen erkennbar.
Der zentrale Nutzen der Arbeit liegt in der Darstellung der strategischen Frühaufklärung und Innovationsfähigkeit in einem gemeinsamen Wirkungsgefüge. Demnach wird nicht nur deutlich, ob die strategische Frühaufklärung die Innovationsfähigkeit beeinflusst, sondern auch auf welche Art und Weise. In diesem Zusammenhang werden Bedingungen für eine sinnvolle Frühaufklärung identifiziert und
gleichzeitig Faktoren, die eine Wirkung der Frühaufklärung im Innovationsmanagement verbessern oder behindern. Der Wirkungsmechanismus der Innovationsfähigkeit wird zudem offen gelegt und damit wird dessen Beeinflussung nachvollziehbar. Nicht zuletzt können anhand der Untersuchung Best Practices identifiziert
werden, die innerhalb des Unternehmens angewendet werden können.
Der erwartete Wertbeitrag für die Forschung liegt zunächst in der Validierung bestehender Ansätze in Zusammenhang mit der Innovationsfähigkeit und dem Nutzen
sowie der Wirkungsweise der strategischen Frühaufklärung. Da bisher nur wenige
plakative Aussagen über die Vorteile der strategischen Frühaufklärung existieren,
beschreibt die vorliegende Untersuchung erstmals den konkreten Beitrag im Innovationsmanagement. 37 Darüber hinaus wird die konkrete Beeinflussung der Innovationsfähigkeit deutlich, die bisher eher als Black Box beschrieben werden konnte
und bei der lediglich Input und Output bekannt sind. Der wohl größte Wertbeitrag
ist insgesamt in der Aufstellung von Hypothesen und einem vollständigen Wirkmodell zu sehen, was eine Validierung der Ergebnisse anhand einer quantitativen Untersuchung möglich macht.
1.4 Aufbau der Arbeit
Der Aufbau der Arbeit ergibt sich zunächst aus den Forschungszielen und den daraus abgeleiteten Forschungsfragen. Insgesamt gliedert sich die Arbeit in acht Kapitel. Zusammenfassend veranschaulicht die Abb. 1-1 den Aufbau der Arbeit.
37
Siehe dazu Müller & Müller-Stewens (2009), S. 7; Burmeister et al. (2004), S. 119.
6
Einleitung
1
2
4
5
6
7
8
Einleitung
Merkmal und Konzept
Innovationsfähigkeit
3
Ziele & Funktionsweise
strategische
Frühaufklärung
Theoretischer
Bezugsrahmen
Zusammenhänge beider Konzepte
Empirische
Untersuchung
Konzeption der empirischen Untersuchung
Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Gestaltungshinweise
Hinweise für das Management
Schlussbetrachtung
Abb. 1-1: Ablauf der Arbeit (Quelle: Eigene Darstellung)
Im Anschluss an das erste Kapitel, in welchem die Hinführung zu der thematischen
Auseinandersetzung mit der Beschreibung der Problemstellung, der Relevanz und
den Forschungszielen sowie -fragen erfolgt, werden im zweiten Kapitel die theoretischen Grundlagen zum Begriff der Innovationsfähigkeit gelegt. Dazu werden zunächst die Begriffe der Innovation und der Fähigkeiten näher vorgestellt. Im Anschluss wird auf die Konzeption der Innovationsfähigkeit in der bestehenden Literatur eingegangen, die mit Hilfe einer umfassenden Literaturanalyse erfolgt. Aufbauend auf den begrifflichen Grundlagen und der Literaturanalyse wird dann das Verständnis der Innovationsfähigkeit in dieser Arbeit hergeleitet.
Im dritten Kapitel wird das Grundwissen für das Konzept der strategischen Frühaufklärung geschaffen. Dazu wird die Frühaufklärung definiert sowie Hintergründe
7
Einleitung
beleuchtet und die Implementierung anhand von verschiedenen Eigenschaften der
organisatorischen Ausgestaltung aufgezeigt. Ziel ist es, ein umfassendes Bild der
strategischen Frühaufklärung in Theorie und Praxis zu erhalten.
Das grundlegende Verständnis der Innovationsfähigkeit und der strategischen Frühaufklärung dient im vierten Kapitel dazu, erste Zusammenhänge zwischen beiden
Konzepten herzustellen. In diesem Zusammenhang werden zunächst in der Theorie
aufgeworfene Verbindungen aufgezeigt und erste Thesen über mögliche Wirkungszusammenhänge präzisiert.
Aufbauend auf den vorherigen Kapiteln wird im fünften Kapitel die empirische Untersuchung konzipiert. Dazu wird die Auswahl der Forschungsstrategie vorgenommen und diskutiert. Darüber hinaus wird das Vorgehen der einzelnen Untersuchungsschritte erklärt und verdeutlicht.
Im sechsten Kapitel, dem eigentlichen Kernstück der Untersuchung, wird die Forschungsfallstudie durchgeführt. Die Ergebnisse werden anhand der Einzelfallstudien und der fallübergreifenden Analyse dargestellt. Abschließend werden die Ergebnisse in Form von Hypothesen zusammengefasst und ein vollständiges Modell
der Wirkung der Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit entwickelt.
Das siebte Kapitel greift die Forschungsergebnisse auf und leitet erste Gestaltungshinweise für eine im Innovationsmanagement sinnvolle Frühaufklärung ab.
Die Ergebnisse der Arbeit werden im achten Kapitel abschließend zusammengefasst
und bewertet. Darüber hinaus werden Implikationen für die Forschung und die Praxis in Unternehmen gezogen. Ferner werden die Restriktionen der Arbeit vorgestellt
und der daraus resultierende weitere Forschungsbedarf aufgezeigt.
8
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
2
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
2.1 Hinführung zur theoretischen Konzeption der Innovationsfähigkeit
2.1.1 Der Innovationsbegriff
2.1.1.1 Definition von Innovationen
„Innovationen gelten als Zauberformel, die das Überleben sichert – von Unternehmen, aber auch von ganzen Nationen (…).“38
Um die Innovationsfähigkeit des Unternehmens verstehen und gestalten zu können,
ist es unabdingbar, Wissen über die Bedeutung, den Begriff und das Management
von Innovationen zu besitzen. Grundsätzlich wird an dieser Stelle keine umfangreiche Diskussion zur Innovationsliteratur erfolgen, sondern nur ein kurzer Überblick
über die wichtigsten Grundlagen zum Begriffsverständnis gegeben.
Aufgrund der Bedeutung von Innovationen für den langfristigen Erfolg von Unternehmen sind sie zum Schwerpunkt und Inhalt zahlreicher wissenschaftlicher sowie
praxisorientierter Veröffentlichungen geworden.39 Jedoch wird bei der Analyse der
einschlägigen Literatur schnell deutlich, dass „(...) kein geschlossener, allgemein
gültiger Innovationsansatz bzw. keine allgemein akzeptierte Begriffsdefinition
(...)“40 vorliegt.41 Bisher gibt es verschiedene definitorische Ansätze, sodass nur
wenig begriffliche Klarheit herrscht. Hauschildt & Salomo unterstreichen die Bedeutung einer eindeutigen Definition:
„Innovation ist ein schillernder, ein modischer Begriff. Um Missverständnissen
vorzubeugen, ist es nötig, diesen Begriff präzise zu bestimmen und abzugrenzen. Eine derartige Definition hat nicht nur eine akademische Aufgabe. Auch
der Wirtschaftspraktiker muss für sich festlegen, was er als Innovation bezeichnen will. Seine Einordnung entscheidet über die weitere Behandlung der Aufgabenstellung.“42
Das Wort Innovation im eigentlichen Sinne stammt von den lateinischen Wörtern
„novus“, was „neu“ bedeutet, bzw. „innovatio“, was mit „Neuerung“ oder „Erneuerung“ übersetzt werden kann. Definitionsansätze im wissenschaftlichen Kontext
38
Dostert (2010), S. 24.
Vgl. Brown & Eisenhardt (1995), S. 343; Page & Schirr (2008), S. 237.
40
Gabler Verlag (2009).
41
Vgl. Herzog (2011), S. 9; Trantow & Jeschke (2011), S. 4.
42
Hauschildt & Salomo (2007), S. 3; siehe dazu auch Gassmann & Friesike (2012), S. 3.
39
9
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
reichen bisweilen von der Darstellung der Innovation sowohl als neuartige Produkte, Dienstleistungen u.ä. als auch als explizite Einführung, Wahrnehmung und Verwertung dieser neuartigen Objekte oder als gesamten Prozess. Teilweise kombinieren die Autoren die verschiedenen Aspekte. Eine ausführliche Darstellung der unterschiedlichen Definitionsansätze befindet sich in Tab. 2-1.
Definitionsan- Auswahl an Autoren und ihre Definitionsansätze
satz
Innovationen
Brentani (2001), S. 170
als etwas Neu„Innovation involves the creation of a new product, service or process.
artiges
“New” products can be viewed in terms of their degree of newness,
ranging from a totally new, or discontinuous, innovation to a product
involving simple line extensions or minor adaptations/adjustments that
are of an evolutionary, or incremental, nature.”
Veryzer, JR. (1998b), S. 137
“Innovation refers to the creation of a new product, service, or process.”
Damanpour (1991), S. 556
„An innovation can be a new product or service, a new production
process technology, a new structure or administrative system, or a
new plan or program pertaining to organizational members.“
Bergmann & Daub (2008), S. 58
„Innovation ist ein Sammelbegriff für Verbesserungen oder Neuerungen.”
Innovationen
als erstmalige
Einführung des
Neuartigen
Kieser (1969), Sp. 742
„Als Innovationen sollen alle Änderungsprozesse bezeichnet werden,
die die Organisation zum ersten Mal durchführt.“
Vedin (1980), S. 22
„An innovation is an invention brought to its first use, its first introduction to the market.“
Innovationen
als
wahrgenommen neuartig
Rogers (1983), S. 11
“An innovation is an idea, practice or object that is perceived as new
by an individual or other unit of adoption. (...) If the idea seems new to
the individual, it is an innovation.“
Zaltman et al. (1984), S. 10
„(...) We consider as an innovation any idea, practice, or material artifact perceived to be new by the relevant unit of adoptation.“
10
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Definitionsansatz
Auswahl an Autoren und ihre Definitionsansätze
Nohria & Gulati (1996), S. 1246
„Innovation to include any policy, structure, method, or process, or
any product or market opportunity that the manager of an operating
unit perceives to be new.“
Innovationen
als Verwertung
des Neuartigen
Trott (2002), S. 12
„Innovation = theoretical conception + technical invention + commercial exploitation.“
Damanpour & Evan (1984), S. 393
„Innovations at the organizational level may involve the implementation of a new technical idea or a new administative idea.”
Innovationen
als Prozess
OECD (2005), S. 46
„An innovation is the implementation of a new or significantly improved product (good or service), or process, a new marketing method,
or a new organisational method in business practices, workplace organisation or external relations.”
OECD in Garcia, Calantone (2002), S. 112
„‘Innovation’ is an iterative process initiated by the perception of a
new market and/or new service opportunity for a technology based invention which leads to development, production, and marketing tasks
striving for the commercial success of the invention.“
Katila & Shane (2005), S. 814f.
„(…) we define innovation as a process that begins with an invention,
proceeds with the development of the invention and results in the introduction of a new product, process or service to the marketplace.“
Floricel & Dougherty (2007), S. 68
“Innovation is a stream of action involving a series of activities that
create and diffuse new useful products.”
Trott (2002), S. 121
“At the heart of the book is the thesis that innovation needs to be
viewed as a process.”
Tab. 2-1:
Übersicht über ausgewählte Definitionen (In Anlehnung an
Hauschildt & Salomo (2007), S. 4–6)
11
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Autoren sind in diesem Zusammenhang hauptsächlich bemüht, ihre eigenen
Schwerpunkte und Facetten in den Vordergrund zu stellen, ohne jedoch die verschiedenen Definitionsansätze zu integrieren.43 Es ist kritisch zu sehen, dass die
vorgenommenen Abgrenzungen nicht ohne Überschneidungen gestaltet sind und
sich meist gegenseitig bedingen. Ein Vergleich der verschiedenen Definitionsansätze zeigt jedoch, dass alle auf bestimmte, wenige gemeinsame Merkmale hinweisen.
Nahezu alle Definitionsansätze unterstreichen dabei die Neuartigkeit von Innovationen.44 Als einziger Unterschied ergibt sich hierbei, auf was sich diese Neuartigkeit
bezieht. Im ersten Definitionsansatz wird dabei das Objekt der Innovation in den
Vordergrund gestellt, wohingegen bei dem zweiten eher die Teilnehmer wie z.B.
das Unternehmen oder der Markt eine Rolle spielen. Der dritte definitorische Ansatz thematisiert, von wem das Neue wahrgenommen wird und der vierte Ansatz
erklärt lediglich, wodurch sich etwas Neuartiges definiert, nämlich in der Änderung
des Bestehenden. Die letzten beiden Ansätze thematisieren grundlegend den Prozesscharakter, es muss nicht nur etwas Neuartiges gefunden werden, sondern eben
auch auf den Markt gebracht werden. Anders als die Darstellungen von Bullinger &
Schlick (2002) und Hauschildt & Salomo (2007) vermuten lassen, sind die bisherigen Nuancen der Definitionsansätze demnach durchaus vereinbar. 45 Eine Neuartigkeit bedingt naturgemäß eine gewisse Erstmaligkeit, denn wenn ein Unternehmen
diese Innovation durchgeführt hätte, ließe es sich nicht mehr als neu bezeichnen.
Ähnlich sieht es mit der Verwertung der Innovation aus, die per se verlangt, dass
sie auf den Markt kommerziell eingeführt wird, denn sonst würde es sich lediglich
um eine Erfindung handeln.46 Damit wird auch die Verbindung zum Prozessgedanken deutlich. Eine Erfindung auf den Markt zu bringen, zieht verschiedene Aktivitäten im Unternehmen nach sich, die als Prozess ablaufen. 47 Dies zeigt, dass keinesfalls vollständig unterschiedliche Ansätze vorliegen, sondern nur bestimmte einzelne Merkmale aufgegriffen werden.
Diese unterschiedlichen Merkmale sollen im Folgenden genutzt werden, um das
Begriffsverständnis von Innovationen in dieser Arbeit abzuleiten und eine möglichst vollständige Charakterisierung vorzunehmen. Diese Merkmale sind der Neuheitsgrad, das Objekt, der Prozess sowie das Subjekt der Innovation, d.h. für wen
die Innovation neu ist.
Alle Definitionsansätze adressieren die Neuartigkeit von Innovationen, zweifelsohne weisen Innovationen demnach etwas Neues auf. Da Innovationen unterschiedli43
Eine Zusammenfassung der verschiedenen Begriffsauffassungen findet sich bei Hauschildt &
Salomo (2007), S. 4f. und Bullinger & Schlick (2002), S. 13–16.
44
Vgl. Sattler (2011), S. 10.
45
Vgl. Bullinger & Schlick (2002), S. 13–16; Hauschildt & Salomo (2007), S. 4f..
46
Vgl. Mertins et al. (2008), S. 11; Bergmann & Daub (2008), S. 2.
47
Vgl. Cooper (2008), S. 214f.
12
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
che Neuheitsgrade aufweisen können (siehe 2.1.1.3), müssen Abstufungen vorgenommen werden. Ohne den Ausführungen in Kapitel 2.1.1.3 vorgreifen zu wollen,
wird hier zwischen der Neuartigkeit im Sinne von brandneu oder signifikant verbessert unterschieden. Diese Unterscheidung entspricht vielen Definitionsansätzen, die
diesen Sachverhalt abgrenzen, ermöglicht jedoch eine unkomplizierte Zuordnung.48
Das Objekt der Innovation verdeutlicht, was genau neu ist. Demnach müssen nicht
immer nur Produkte oder Dienstleistungen neu sein, sondern auch Prozesse und
Methoden im Unternehmen können das Objekt einer Innovation darstellen. Die prozessgetriebenen Definitionen zeigen, dass es sich bei einer Innovation nicht um eine
reine Erfindung handelt, sondern das Produkt etc. am Markt verfügbar ist. Die Implementierung ist damit ein Gestaltungsmerkmal, damit die Innovation von unterschiedlichen Marktteilnehmern wahrgenommen werden kann. Am Ende des Innovationsprozesses steht damit zwingend die Markteinführung. Als ein letztes Merkmal wird hier auf das Subjekt verwiesen. Je nach Objekt kann eine Innovation nur
im Unternehmen (bei Prozessen oder Methoden) oder aber eben im Unternehmen
und seinem Umfeld (im Fall von Produkten, Dienstleistungen) als neuartig wahrgenommen werden.
Damit ergibt sich für den weiteren Verlauf der Arbeit die folgende Definition:
Eine Innovation ist die Implementierung neuer oder signifikant verbesserter
Produkte (Güter oder Dienstleitungen), Prozesse, neuer Marketingmethoden,
oder neuer Organisationsmethoden im Unternehmen und seinem Umfeld. 49
Diese Definition wurde von der OECD entwickelt und adressiert vollständig alle
erforderlichen Merkmale.50 Der Vorteil dieser Definition besteht darin, dass sie verschiedene Arten von Innovationen umfasst und mit den anderen Definitionsansätzen
kompatibel ist. Grundanforderung einer jeden Innovation besteht demnach darin,
dass Produkt, Prozess, Strategie neu oder signifikant verbessert für das Unternehmen sind. Innovationen sind das Ergebnis eines Prozesses, der sich in verschiedene
Phasen gliedern lässt. Am Ende dieses Prozesses steht zwingend die erfolgreiche
Vermarktung bzw. Einführung der Innovation am Markt. 51 Darüber hinaus hat das
Oslo-Manual in der wissenschaftlichen Praxis weite Gültigkeit und Verbreitung
gefunden und wird oftmals als Grundlage zur Operationalisierung von Innovationen
48
Siehe dazu Brentani (2001), S. 170; Bergmann & Daub (2008), S. 58; Barnett (1953), S. 7;
OECD (2005), S. 46.
49
OECD (2005), S. 46.
50
Vgl. OECD (2005), S. 46.
51
Vgl. OECD (2005), S. 46f.
13
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
in Umfragen herangezogen. 52 Daher wird eine gute Vergleichbarkeit zu anderen
Arbeiten sichergestellt.
Da Objekt und Neuartigkeit eine bedeutende Rolle im Verständnis und Definition
von Innovationen spielen, erfolgt ein ausführlicher Diskurs separat in Kapitel
2.1.1.2 sowie in 2.1.1.3.
2.1.1.2 Objekt der Innovation
Bei der Unterscheidung nach dem Objekt der Innovation finden sich in der Literatur
unter anderem folgende Einteilungen: Produkt- und Prozessinnovationen, Sozialinnovationen, organisatorische Innovationen, Geschäftsmodellinnovationen53 sowie
Managementinnovationen. 54 Das Objekt der Innovation erklärt demnach, worauf
sich die Innovation an sich bezieht. Sobald Kundenbedürfnisse von neuartigen, bislang nicht existenten Produkten oder Dienstleistungen befriedigt werden, spricht
man von Produktinnovationen. Die Neuartigkeit beinhaltet entweder Veränderungen in technischen Spezifikationen, Komponenten und Materialien, Software, Benutzerfreundlichkeit, Design oder anderen funktionellen Eigenschaften. 55 Grundlage
für Produktinnovationen bilden neues Wissen oder neue Technologien eines Unternehmens oder die neuartige Nutzung und Kombination dieser Ressourcen. 56 Entgegen vielfacher Unterscheidungen in der Literatur werden Dienstleistungsinnovationen den Produktinnovationen zugerechnet, da sie im weiteren Sinne zu den Produkten und dem Leistungsangebot eines Unternehmens zählen.57 Prozessinnovationen
hingegen konzentrieren sich auf die Verbesserung der Effizienz von Verfahren und
Abläufen im Unternehmen. Sie ermöglichen deutliche Kosten-, Zeit- oder Qualitätsverbesserungen. 58 Oftmals gehen Produktinnovationen mit Prozessinnovationen
einher, da neuartige Produkte meist veränderte Prozesse bedingen und neuartige
Prozesse den Weg für neue Produkte ebnen.59 Sozialinnovationen beziehen sich auf
So dient die Definition bspw. in der „Community Innovation Study“ der Eurostat und in dem
Mannheimer Innovationspanel der ZEW als Grundlage (Quelle: ZEW; Eurostat (2010)).
53
Geschäftsmodellinnovationen laufen im anglo-amerikanischen Raum unter „Strategic Innnovations“
54
Vgl. Trott (2002), S. 14; dazu auch: Granig (2007), S. 12; Damanpour & Aravind (2011), S. 490.
55
Vgl. Garcia & Calantone (2002), S. 111.
56
Vgl. OECD (2005), S. 48.
57
Siehe Brentani (2001); Cooper & Brentani (1991).
58
Vgl. Landwehr (2005), S. 22.
59
Vgl. Bergmann & Daub (2008), S. 61.
52
14
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
den Faktor Personal und seinen direkten sowie indirekten Wirkungsbereich im Unternehmen.60
„Ziele von Sozialinnovationen können die Erhöhung von Arbeitszufriedenheit,
Verbesserung der Motivation und eine Reduktion der Krankenstände sein.“61
Organisatorische Innovationen kennzeichnen eine Verbesserung der Struktur, d. h.
in der Aufbau- und Ablauforganisation und den im Unternehmen vorherrschenden
Systemen.62 Managementinnovationen werden als Implementierung neuer Managementkonzepte charakterisiert, wohingegen Geschäftsmodellinnovationen in
Zusammenhang mit der Einführung von neuen Geschäftsmodellen stehen.63
Zusammenfassend wird festgestellt, dass zwischen den einzelnen Innovationsarten
in der Praxis vielfältige Zusammenhänge und Interdependenzen bestehen. Beispielsweise kann ein neuartiges Produktionsverfahren auch Sozial- und Organisationsinnovationen einleiten, indem Arbeitsbedingungen und Ablauf-organisation im
Unternehmen verbessert werden. In der weiterführenden Arbeit wird sich hauptsächlich auf Produktinnovationen konzentriert, da sich diese besser eignen, den Untersuchungsgegenstand zu analysieren (siehe dazu auch 5.2.2).
2.1.1.3 Grad der Innovation
Der Innovationsgrad ist ein Maß, um die Neuartigkeit der Innovation zu messen.64
Hochinnovative Produkte weisen demnach ein hohes Maß an Neuartigkeit auf und
wenig innovative Produkte ein geringes Maß. Die Innovationsforschung erweckt
den Eindruck, dass alle Facetten von Innovationen erforscht sind, ganz unabhängig
davon, welcher Innovationsgrad vorliegt. 65 Diese Facetten reichen von unterschiedlichen Prozessdefinitionen über verschiedene strategische Ausrichtungen für radikale, signifikant neue, verbesserte und inkrementelle Innovationen. 66 In den zahlreichen Studien, die sich dem Innovationsgrad widmen, wurde dem Innovationsgrad
von Produkten enormer Einfluss auf andere Faktoren, wie z.B. den Erfolg des Produktes, der Entscheidungsfindung im Unternehmen, dem Innovationsprozess
und -zyklus nachgewiesen. 67 Dementsprechend lässt sich auch eine Bedeutung für
60
Vgl. Granig (2007), S. 12.
Granig (2007), S. 12.
62
Vgl. Hauschildt & Salomo (2007), S. 13.
63
Vgl. Damanpour & Aravind (2011), S. 490.
64
Vgl. Garcia & Calantone (2002), S. 112; Bergmann & Daub (2008), S. 62.
65
Vgl. Garcia & Calantone (2002), S. 110.
66
Vgl. Garcia & Calantone (2002), S. 110.
67
Vgl. Danneels & Kleinschmidt (2001); Cooper & Brentani (1991); Chandy & Tellis (1998).
61
15
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
die im Anschluss folgende Diskussion der Innovationsfähigkeit vermuten. Insgesamt stellt demnach der Neuheitsgrad eines der Schlüsselkonzepte in der Innovationsforschung dar.68 Gleichwohl wird in der Literatur ähnlich wie bei dem Innovationsbegriff bislang kein einheitliches konsistentes Konstrukt verwendet. 69 Vielmehr
wird in der Betrachtung oftmals vernachlässigt, worin genau der Unterschied zwischen den Innovationsgraden besteht, wann genau eine inkrementelle Innovation
vorliegt und unter welchen Bedingungen eine radikale, was neu ist und welche Perspektive dabei betrachtet wird. Dabei reicht die begriffliche Unterscheidung weitaus
weiter als die Unterscheidung zwischen radikalen und inkrementellen Innovationen.
Die folgende Auflistung macht deutlich, dass die in der Literatur benutzten Unterscheidungen je nach Zielsetzung des Forschers stark in Begrifflichkeit und Anzahl
der Kategorien variieren:
 Dichotome Einteilungen: diskontinuierlich/kontinuierlich 70, inkrementell/
radikal71, disruptiv/erhaltend72, kompetenzstärkend/kompetenzzerstörend73,
hochgradig neu/inkrementell74; original/neuformuliert75, Innovationen/ Reinnovationen76
 Triadische Einteilungen: hoch/mittelmäßig/wenig innovativ77, Pionier-/ Anpassungs-/Nachahmungsinnovation78, radikal/hochgradig neu/inkrementell;
 Treta-Einteilung: inkrementell/bauformanpassend/modular/radikal 79, radikal/
wirklich neu/ diskontinuierlich/nachahmend 80; inkrementell/Marktdurchbruch/Technologiedurchbruch/radikal81,
Nischenschaf82
fung/Architectural/Regular/Revolutionary
68
Vgl. Garcia & Calantone (2002), S. 118; dazu auch: Gatignon et al. (2002), S. 1105; Green &
Gavin (1995), S. 203; Hauschildt & Salomo (2007), S. 16.
69
Die fehlende Konsistenz wird durch unterschiedliche Kategorisierungen, Skalierungen, Untersuchungsverfahren und Kriterien, die zur Bestimmung Neuartigkeit herangezogen werden, deutlich.
Vgl. dazu auch Hauschildt & Salomo (2007), S. 16–18; Garcia & Calantone (2002), S. 118; Danneels & Kleinschmidt (2001), S. 358; Dahlin & Behrens (2005), S. 719.
70
Vgl. Veryzer, JR. (1998b), S. 137; Veryzer, JR. (1998a), S. 307; Brentani (2001), S. 171.
71
Vgl. Dewar & Dutton (1986), S. 1423; Ali et al. (1995), S. 57; Atuahene-Gima (1995), S. 279;
Ettlie et al. (1984), S. 683; Laursen & Salter (2006), S. 137; Gatignon et al. (2002), S. 1107; Siguaw et al. (2006), S. 567; Herzog (2011), S. 10; Damanpour & Aravind (2011), S. 491.
72
Vgl. Christensen (1997), S. xviii.
73
Vgl. Tushman & Anderson (1986), S. 442.
74
Vgl. Schmidt & Calantone (1998), S. 112; Olson et al. (1995), S. 52.
75
Vgl. Yoon & Lilien (1985), S. 134.
76
Vgl. Rothwell & Gardiner (1988), S. 373.
77
Vgl. Kleinschmidt & Cooper (1991).
78
Vgl. Crawford (1994), S. 55.
79
Vgl. Henderson & Clark (1990), S. 12.
80
Vgl. Garcia & Calantone (2002), S. 121–123.
81
Vgl. Chandy & Tellis (2000), S. 2f.
82
Vgl. Abernathy & Clark (1985), S. 4–7.
16
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
 Fünfgeteilte Einteilung: sytematisch/bedeutend/geringfügig/inkrementell/ unbedeutend83
In diesem Zusammenhang machen Garcia & Calantone anhand von zwei Beispielen
deutlich, dass die gleiche Innovation unterschiedlichen Begriffen und Kategorien
zugeordnet werden kann. Derartige Widersprüche erschweren die Vergleichbarkeit
von Studien. 84
Um das vorherrschende Verwirrungspotenzial zu lösen, werden die in der Literatur
diskutierten Kriterien herangezogen. Daher werden zur vollständigen Ableitung der
Innovationsgrade in dieser Arbeit die Charakterisierungsmöglichkeiten anhand der
folgenden Kriterien:
(1) Innovationsperspektive
(2) Innovationsdimension
(3) Einflusses auf bestehende Fähigkeiten
aufgezeigt.85
(1) Innovationsperspektive
Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, aus welcher Perspektive der Grad einer Innovation betrachtet wird.86 Dabei lassen sich zwei Perspektiven unterscheiden: unternehmensintern und unternehmensextern. Einige Artikel ziehen dazu die Neuartigkeit aus Sicht des Unternehmens, der Kunden, der Gesamtheit des Marktes oder
eine Kombination aus ihnen heran.87
Eine weitverbreitete Einteilung, die diese Perspektiven abbildet, stellt die Matrix
von Booz Allen Hamilton dar (Abb. 2-1). Diese Matrix unterscheidet zwischen dem
Neuheitsgrad für das Unternehmen und dem Neuheitsgrad für den Markt, wobei mit
Markt vornehmlich die Perspektive des Kunden gemeint ist. 88 Neue Produkte werden anhand dieser Ebenen eingestuft. Als Ergebnis entstehen sechs unterschiedliche
Innovationstypen. Da grundsätzlich mit einem Produkt sowohl neue als auch alte
Kundengruppen angesprochen werden können, erweist sich die Abgrenzung jedoch
als schwierig. Zudem liefern Booz Allen Hamilton keine Kriterien, wie genau ein
83
Vgl. Freeman (1994), S. 474.
Vgl. Garcia & Calantone (2002), S. 117f.
85
Vgl. dazu auch Schreiner (2006), S. 19: Schreiner wählt in seiner Darstellung folgende Kriterien:
Innovationssubjekt, Innovationsebene, Innovationsdimension, Innovationseinfluss auf bestehende
Kompetenzen und Innovationsunsicherheit. Im Gegensatz zu Schreiner werden die Kriterien hier
jedoch anders verdichtet und zusammengefasst, weil die von ihm gewählten oftmals nicht überschneidungsfrei und eindeutig sind.
86
Vgl. Ellermann (2010), S. 17.
87
Vgl. Garcia & Calantone (2002), S. 113.
88
Vgl. Danneels & Kleinschmidt (2001), S. 360.
84
17
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Produkt aus Sicht des Kunden einzustufen ist und worin die Unterschiede im Neuheitsgrad für den Markt liegen.
Hoch
„New-to-world“
Produkte
Neue Produktlinie
Neuheitsgrad für
das Unternehmen
Verbesserungen/
Korrekturen bei
bestehenden
Produkten
Erweiterung der
existierenden
Produktlinie
Kostenreduktion
Repositionierung
Gering
Gering
Neuheitsgrad für den Markt
Hoch
Abb. 2-1: Booz, Allen, Hamilton Matrix zur Bestimmung des Produkttypes
(Quelle: Danneels & Kleinschmidt (2001), S. 360)
Garcia & Calantone hingegen unterscheiden in ihrer Argumentation zwischen der
Makro- und Mikroebene, auf der die Innovation je nach Innovationsgrad unterschiedlich starke Diskontinuitäten hervorruft. 89 Ausgangspunkt ist hier nicht, wer
die Innovation als neu betrachtet, sondern auf welcher Ebene Diskontinuitäten entfaltet werden. Diese Unterscheidung findet sich häufig in der ausgewerteten Literatur wieder, was Tab. 2-2 verdeutlicht.
Die Makroperspektive erklärt dabei, inwiefern die Neuartigkeit eines Produktes einen Wechsel in den vorliegenden Standards oder Marktstrukturen einer Branche
schafft.
Garcia & Calantone fassen zusammen:
“From a macro perspective, innovativeness is evaluated based on factors exogenous to the firm, such as familiarity of the innovation to the world and industry
or creation of new competitors from the introduction of new innovations.” 90
89
90
Vgl. Garcia & Calantone (2002), S. 113; siehe dazu auch Ellermann (2010), S. 18ff.
Vgl. Garcia & Calantone (2002), S. 118.
18
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Perspektive
Ebene
Beispiele aus der Literatur
Makro
Markt
Mikro
Unternehmen
Anderson/Tushman (1990), Garcia/Calantone (2002),
de Brentani (2001), Lawton/Parasuram (1980),
Cooper (1979), Chandy/Tellis (2000), Meyer/Utterback (1995), Colarelli O‘Connor (1998),
Cooper/de Brentani (1991), Cooper/Kleinschmidt
(1991), Ali/Krapfel/LaBahn (1995), Mishra et al.
(1996)
Anderson/Tushman (1990), Cooper (1979), Gatignon
et al. (2002), Henderson/Clark (1990), Garcia/Calantone (2002), Daneels/Kleinschmidt (2001),
Colarelli O‘Connor (1998), de Brentani (2001),
Dewar/Dutton (1986), Nyström (1985), Schmidt/Calantone (1998), Lee/Na (1994), Cooper/de
Brentani (1991), Kleinschmidt/Cooper (1991),
Atuahene-Gima (1995), Mishra et al. (1996), Damanpour (1991), Veryzer (1998), Olson/Walker/Ruekert(1995), Meyer/Utterback (1995),
Schlaak (1999)
Kunde
Cooper/de Brentani (1991), Veryzer (1998), Cooper
(1979), Garcia/Calantone (2002), Lawton/Parasuraman (1980), Chandy/Tellis (2000),
Schmidt/Calantone (1998), Atuahene-Gima (1995),
Olson/Walker/Ruekert (1995), Meyer/Utterback
(1995)
Tab. 2-2: Perspektiven in den einzelnen Studien (Quelle: Eigene Darstellung)
Die hervorgerufenen Diskontinuitäten wirken sich weltweit, industrieweit oder
marktweit aus und sind nicht abhängig von der Firmenstrategie, den Kompetenzen,
Ressourcen oder Strukturen. 91 Je radikaler ein Produkt ist, umso größer sind die
Auswirkungen auf die Makroumwelt national wie international. Dadurch kann ein
ganz neuer Markt entstehen oder sich die Infrastruktur des Marktes verändern. 92
Auf Kundenseite erfordern neue Produkte oftmals Umdenken in Produktnutzen und
91
Vgl. Garcia & Calantone (2002), S. 118.
Vgl. O'Connor (1998), S. 152; Ali et al. (1995), S. 57; Brentani (2001), S. 172; Siguaw et al.
(2006), S. 567.
92
19
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Kundenverhalten. Neue Produkte bieten einen andersartigen Produktnutzen oder
sind mit Risiken für den Kunden verbunden.93
Dahingegen begründet die Mikroperspektive den Einfluss auf bestehende Ressourcen, Fähigkeiten, Wissen und die Strategie des Unternehmens. 94 Im Zusammenhang
mit Innovationen treten Diskontinuitäten in der Strategie, der Wertschöpfungskette
oder den Fähigkeiten und Kompetenzen des Unternehmens auf. Hauschildt & Salomo fügen dazu an:
„Gefragt wurde in den Untersuchungen üblicherweise, inwieweit die betrachtete
Unternehmung mit den vom jeweiligen Innovationsprojekt aufgeworfenen Problemen vertraut war oder wie neu sie ihr erscheinen“95
Je neuer ein Innovationsprojekt für die Unternehmung erscheint, desto unbekannter
ist ihr dessen Handhabung und demnach treten desto mehr Diskontinuitäten auf.
Schlaak hat anhand einer Befragung sieben Faktoren verdichtet, auf die sich entsprechende Diskontinuitäten auswirken oder auf die sich die Vertrautheit im Unternehmen bezieht:96
 Produkttechnologie durch technologisches Wissen, Produkttechnologie, Produkttechnik und technische Komponenten
 Absatzmarkt durch Vertrieb, Kunden und Kommunikation
 Produktionsprozess durch Produktionsanlagen, Produktmontageverfahren
und Produktionsverfahren
 Beschaffungsbereich durch Lieferantenverhalten, Materialien und Lieferbeziehungen
 Kapitalbedarf durch Marketing-Kosten, F&E-Kosten, Investitionen in den
Produktionsprozess
 Formale Organisation durch Produktmanager und Bildung einer eigenen Organisationseinheit
 Informale Organisation durch soziales Verhalten, Unternehmenskultur, Soziale Fähigkeiten, Managementwissen, Wertvorstellungen, Strategie der Produktbereiche
93
Vgl. Chandy & Tellis (2000), S. 2; Schmidt & Calantone (1998), S. 113; O'Connor (1998), S.
152; Ali et al. (1995), S. 57; Atuahene-Gima (1995), S. 278; Veryzer, JR. (1998b), S. 137f.; Veryzer, JR. (1998a), S. 307.
94
Vgl. Garcia & Calantone (2002), S. 113.
95
Hauschildt & Salomo (2007), S. 19; dazu auch: Atuahene-Gima (1995), S. 279; Ettlie et al.
(1984), S. 683.
96
Vgl. Schlaak (1999), S. 92ff.
20
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Anhand der Beurteilung der einzelnen Faktoren im Unternehmen ergeben sich verschiedene Wertausprägungen. Die entsprechenden Werte für die einzelnen Faktoren
machen dem Unternehmen deutlich, inwiefern ein Wandel durch die jeweilige Innovation ausgelöst wird. Je größer der Mittelwert, umso radikaler das Innovationsprojekt und die damit verbundenen Auswirkungen auf das Unternehmen selbst. Radikale Innovationen weisen einen Wert von 5,5 auf einer 7-Punkte-Skala und eher
inkrementelle Innovationen einen Wert von 2,5.97 Kontrolllisten wie die von
Schlaak sind im Unternehmen sehr sinnvoll, um das Ausmaß einer Innovation frühzeitig bestimmen zu können. Ungeachtet dessen, lässt sich damit nicht bestimmen,
wie die Umwelt die Innovation wahrnimmt. Begibt sich ein Unternehmen in eine
fremde Branche, sind die oben genannten Werte stark ausgeprägt aufgrund der nicht
vorhandenen Erfahrungen. Wenn das Leistungsangebot jedoch den Durchschnitt der
Branche wiedergibt, wird die vermeintliche Innovation als solche nicht wahrgenommen. Die Betrachtung zeigt, dass zur Bestimmung des Innovationsgrades, mehrere Perspektiven herangezogen werden müssen. Eine einseitige Fokussierung z.B.
auf die Unternehmensperspektive greift zu kurz und kann nicht vollends klären, wie
neu eine Innovation bei Kunden und Wettbewerb wahrgenommen wurde.
(2) Innovationsdimension
Darüber hinaus kann der Innovationsgrad anhand der verschiedenen Innovationsdimensionen untersucht werden. Garcia & Calantone haben dazu in einer Metaanalyse 17 verschiedene Faktoren identifiziert. 98 Diese Objekte lassen sich jedoch zu
zwei grundsätzlichen Faktoren verdichten: Zum einen Marktfaktoren und zum anderen Technologiefaktoren. Salomo et al. definieren diese beiden Dimensionen wie
folgt:99
 Marktdimension: In der Dimension Markt beschreibt der Innovationsgrad die
Summe aller Unterschiede zwischen der Innovation und einem äquivalenten
existierenden Produkt, das ähnliche Bedürfnisse befriedigt. Produktinnovationen können zum einen das Entstehen von den Märkten erfordern,
im Unternehmen jedoch auch neue Marketingfähigkeiten voraussetzen.
 Technologiedimension: Mit der Dimension Technologie kann der Innovationsgrad in Abhängigkeit vom benötigtem Wissen bezüglich der Komponen-
97
Vgl. Hauschildt & Salomo (2007), S. 20.
Garcia & Calantone identifizieren: neue Technologie, neue Produktlinie, neue Produkteigenschaften, neues Produktdesign, neuer Prozess, neuer Service, neuer Wettbewerb, neue Kunden,
neue Kundenbedürfnisse, neues Konsumverhalten, neue Nutzer, neue Entwicklungsfähigkeiten,
neue Marketing-/Vertriebs- und Produktionsfähigkeiten, neue Managementfähigkeiten, neues Wissen, oder neue Qualität.
99
Vgl. Salomo et al. (2007), S. 228, Garcia & Calantone (2002), S. 119.
98
21
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
ten der Architektur, das zur Entwicklung der Innovation verwendet wird, beschrieben werden. Innovationen lösen einen Paradigmenwechsel in dem Status Quo von Wissenschaft und Technologie aus. Unternehmen müssen
wohlmöglich neue F&E-Fähigkeiten, Wissen oder Produktionsprozesse entwickeln.
Diese Dimensionen ergänzen damit die Innovationsperspektive und differenzieren,
welche Faktoren auf Makro- und Mikroebene neuartig sind. Einige Produkte verlangen nur unternehmensintern neue Marketingfähigkeiten, weitaus radikalere eben
das Entstehen eines neuen Marktes. Ähnlich verhält es sich mit der Technologiedimension, die zum einen neue Technologien und Produktionsprozesse im Unternehmen erfordert oder den Wechsel des technologischen Standards in der gesamten
Branche hervorruft. Bei radikalen Produkten treten beide Dimensionen gemeinsam
auf und rufen Diskontinuitäten in dem unternehmensinternen und -externen Umfeld
hervor. Insgesamt erscheint es als unzureichend, Diskontinuitäten oder Unvertrautheiten nur auf diese beiden Dimensionen zu reduzieren. Bei der Betrachtung der
von Schlaak identifizierten Faktoren zum Innovationsgrad im Unternehmen entsprechen nur die ersten drei dieser Sichtweise. Anders als in bisherigen Arbeiten
wird damit unterstrichen, dass sich diese Diskontinuitäten nicht nur auf Marketingund Technologiediskontinuitäten beziehen lassen.100 Diese Einschränkung gilt nur
für technologische Innovationen. Eine Produktneuheit kann, wie dargestellt, umfassende Auswirkungen auf verschiedene Teilbereiche, vor allem der des Unternehmens, auslösen und dies nicht nur auf Markt und Technologie.
(3) Einfluss auf bestehende Kompetenzen
Es wurden bereits in der Diskussion des Innovationsgrades auf der Mikroebene,
insbesondere anhand der Kriterien von Schlaak, einige Einflussmöglichkeiten auf
das Unternehmen dargestellt. 101 Wie bereits dargelegt, können besonders neuartige
Innovationen bestehende Fähigkeiten und Kernkompetenzen des Unternehmens
beeinflussen und sie sogar überflüssig machen. Aufgrund der Bedeutung von Kernkompetenzen ist daher eine separate Betrachtung des Einflusses der Neuartigkeit
auf die Fähigkeiten und Kompetenzen notwendig.102
Tushman & Anderson zeigen in ihrer Studie, dass Innovationen sowohl kompetenzstärkend (‚competence enhancing’) als auch kompetenzzerstörend (‚competence
destroying’) wirken können. 103 Kompetenzstärkende Innovationen stützen sich auf
100
Vgl. Garcia & Calantone (2002), S. 119.
Vgl. Schlaak (1999), S. 92ff.
102
Eine weiterführende fähigkeitsorientierte Betrachtung erfolgt in Kapitel 2.2, in dem das Konzept
der Innovationsfähigkeit vorgestellt wird.
103
Vgl. Tushman & Anderson (1986), S. 439.
101
22
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
bisherige Kompetenzen und Know-how, enthalten in den Produkten, die sie ersetzen. Derartige Innovationen werden durch wirkliche Produkt-verbesserungen auf
Grundlage bestehenden Wissens charakterisiert.104 Damit erfolgt eine Kompetenzverstärkung in diesem Feld. Im Gegensatz dazu sind kompetenzzerstörende Innovationen anders als bestehende vorherrschende Technologien, so dass die bisherigen
Fähigkeiten und die Wissensbasis durch neue ausgetauscht werden.105 Bestehende
Kompetenzen des Unternehmens werden dadurch gemeinhin obsolet.
Ergänzt wird diese Dichotomie durch McDermott & O'Connor. In ihrer Untersuchung stellen sie fest, dass eine dritte Art von Innovationen existiert, die neue
Kompetenzen aufbaut, ohne die bisherige Kompetenz zu zerstören. 106 Damit erweitern sie das Konstrukt von Tushman & Anderson um kompetenzerweiternde (‚competence stretching’) Innovationen. Damit ergeben sich die folgenden Innovationstypologien, die den Einfluss der Innovation auf die Kompetenz- und Wissensbasis des
Unternehmens beschreiben:
 Kompetenzstärkend; bestehende Kompetenzen werden erweitert und gestärkt
 Kompetenzerweiternd; neue Kompetenzen werden aufgebaut, ohne aber die
bestehenden Kompetenzen zu zerstören
 Kompetenzzerstörend; neue Kompetenzen werden entwickelt und machen
bisherige Kompetenzen überflüssig.
Ableitung von Innovationstypologien
Infolge der verschiedenen Charakterisierungsmöglichkeiten des Innovationsgrades
sind unterschiedliche Typologien und Klassifizierungen von Innovationen durchaus
nachvollziehbar. Trotz der aufgezeigten Inkonsistenzen charakterisieren die meisten
Autoren Innovationen als Diskontinuität. 107 Die Eigenschaft der Diskontinuität bildet derweil in der weiteren Argumentation die Ausgangsbasis, da sie eine Klammerfunktion um die verschiedenen Betrachtungsweisen des Innovationsgrades einnimmt. Denn löst eine Innovation Diskontinuitäten aus, ist von einer gewissen Unvertrautheit mit ihnen auszugehen. Im Falle des Unternehmens müssen gegebenenfalls erst Marktkanäle und -strategien aufgebaut werden, dies wiederum verlangt
neue Ressourcen und Fähigkeiten, da die bisherigen unzureichend sind. 108 Die Anwendung der Diskontinuität auf zwei Perspektiven, der Makroperspektive, d.h. neu
für Markt sowie Branche und der Mikroperspektive, d.h. neu für das Unternehmen
selbst, wird ebenso übernommen, da sie beide wichtigen Einfluss-ebenen um-
104
Vgl. Tushman & Anderson (1986), S. 442; siehe auch: Anderson & Tushman (1990), S. 609.
Vgl. Tushman & Anderson (1986), S. 442; siehe auch: Anderson & Tushman (1990), S. 609.
106
Vgl. McDermott & O'Connor (2002), S. 429.
107
Siehe dazu Garcia & Calantone (2002), S. 120.
108
Vgl. Garcia & Calantone (2002), S. 120.
105
23
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
fasst.109 Alle weiteren Kriterien, wie die Innovationsdimension und der Einfluss auf
bestehende Kompetenzen, dienen zu einer weiteren Erläuterung dieser beiden Perspektiven. Die Innovationsdimension beschreibt dabei, worauf sich die Diskontinuität im Makro- oder Mikroumfeld auswirkt. Der Einfluss der Innovation auf bestehende Kompetenzen dient zur Veranschaulichung der unternehmensinternen Kompetenzmechanismen, bildet demnach einen Teil der Mikroperspektive ab. Mithilfe
der beschriebenen Kriterien lässt sich eine Unterscheidung in radikale und inkrementelle Innovationen durchführen. Diese beiden Innovationsarten werden wie
folgt definiert:
Radikale Innovationen: Radikale Innovationen wirken sich auf mehrere Dimensionen in der Makro- und Mikroumwelt aus. Sie führen
zu gravierenden Veränderungen sowohl in der Branche
und beim Kunden als auch im Unternehmen. Sie stellen
neue Produktlösungen dar, die „(…) eine tiefgreifende
Veränderung in der Gestaltung von Prozessen und Produkten nach sich ziehen“110 und damit meist Märkte neu
definieren. Im Unternehmen selbst betreffen sie alle
wichtigen Funktionsbereiche und haben Einfluss auf Eigenschaften wie Kompetenzen, Prozesse der Organisation. Sie beruhen auf neuerworbenen Ressourcen und
Kompetenzen und zerstören zum Teil die „alte“ Kompetenzbasis.
Inkrementelle Innovationen:
Inkrementelle Innovationen sind Produkte mit
neuen Funktionen, Nutzen oder Verbesserungen
bestehender Produkte in bereits existierenden
Märkten. Sie wirken sich hauptsächlich auf die
Mikroperspektive aus. Ihre Basis ist die Weiterentwicklung und Verfeinerung von bestehenden
Ressourcen und Kompetenzen.
Fazit
Da der Innovationsgrad zu den Schlüsselkonzepten der Innovationsforschung gehört, wurde vermutet, dass ihm ebenso eine hohe Bedeutung in der folgenden Diskussion um die Innovationsfähigkeit zukommt. Daher wurde eine vereinheitlichte
Definitionsgrundlage angestrebt, die in der Lage ist, bestehende Ansätze zu integ109
110
Vgl. Garcia & Calantone (2002), S. 118.
Landwehr (2005), S. 24.
24
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
rieren und eine exakte definitorische Grundlage zu liefern, die die anschließende
Auseinandersetzung mit der Innovationsfähigkeit erleichtert. Die Bedeutung hat
sich durch die Kriterien zur Bestimmung des Neuheitsgrades bereits bestätigt, indem radikale und inkrementelle Innovationen unterschiedliche Kompetenzen und
Fähigkeiten im Unternehmen ansprechen. Dies bedeutet, dass die Innovationsfähigkeit ggf. auf unterschiedliche Mechanismen zurückgreift, um radikale oder inkrementelle Innovationen entstehen zu lassen. Dieser Zusammenhang wird hauptsächlich in 2.2 und 2.3 näher bestimmt.
2.1.2 Grundlagen zum Fähigkeitsbegriff – der Ressourcenorientierte Ansatz des
Unternehmens
2.1.2.1 Entwicklung des ressourcenorientierten Ansatzes
Für die Diskussion der Innovationsfähigkeit genügt es nicht, den Begriff der Innovation zu klären, sondern es muss ebenso eine Auseinandersetzung mit den Fähigkeiten erfolgen. Diese Auseinandersetzung soll im Anschluss helfen, die Grundlagen für die Ausführungen im Kapitel 2.2 zu verstehen.
Die Innovationsfähigkeit bildet einen Teil der relevanten Ressourcen und Kompetenzen des Unternehmens. Diese sind zentraler Gegenstand des ressourcenorientierten Ansatzes, daher ist eine Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen
von Bedeutung. Der ressourcenorientierte Ansatz liefert in diesem Zusammenhang
nicht nur das theoretische Grundgerüst für die Fähigkeiten eines Unternehmens, zu
denen zweifelsohne die Innovationsfähigkeit gehört, sondern wird in der wissenschaftlichen Forschung zur Konzeptionalisierung der Innovationsfähigkeit herangezogen, was die besondere Stellung in der Diskussion hervorhebt.
Der ressourcenorientierte Ansatz basiert auf dem Gedanken, dass Stärken und
Schwächen eines Unternehmens und dessen Erfolg auf seine Ressourcen zurückzuführen sind.111 Bereits 1959 wurde dieser Gedanke von Penrose in dem Buch „The
Theory of the Growth of the Firm“ in die Diskussion gebracht. 112 Penrose beschreibt Unternehmen nicht mehr nur als administrative Einheiten, sondern als Ansammlung von Ressourcen. 113 Auf Basis dieser Idee hat sich seit Mitte der 80er Jah-
111
Vgl. Barney (1991), S. 99.
Vgl. Penrose (1959), S. 24.
113
Vgl. Penrose (1959), S. 24.
112
25
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
re der ressourcenorientierte Ansatz als Gegenbewegung und Ergänzung zum marktorientierten Ansatz114 entwickelt.115
Der Erfolg von Unternehmen wird damit nicht allein mit den vorherrschenden
Marktstrukturen und bestimmten idealtypischen Verhaltensweisen von Unternehmen erklärt. Die Ursachen für den Unternehmenserfolg liegen vielmehr in der spezifischen Ressourcenausstattung eines jeden Unternehmens. Damit bilden Ressourcen und deren Verwertung die Grundlage für den Erfolg des Unternehmens. 116 Jedes Unternehmen weist eine einzigartige Ressourcenausstattung auf, welche das
Ergebnis seiner historischen Entwicklung ist. 117 Erfolgsrelevant sind solche Ressourcen, die wertvoll, selten, nicht nachahmbar und nicht austauschbar sind und
somit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz begründen.118 Diese
Ressourcen ermöglichen es dem Unternehmen, wertschaffende Strategien umzusetzen, indem sie gegebene Marktchancen ausnutzen und ihren Kunden eine bestimmte Leistung zu besseren Konditionen, wie einem günstigerem Preis oder eine bessere Leistung zu gleichen Preisen, als Konkurrenzunternehmen vermitteln. 119
Der ressourcenorientierte Ansatz hat in den 1990er Jahren eine Weiterentwicklung
erfahren.120 Dabei lassen sich zwei wesentliche Richtungen erkennen, zum einen
der wissensorientierte Ansatz (Knowledge-based View)121 und zum anderen der
fähigkeitsorientierte Ansatz (Capability-based View).122 Die Entwicklung des ressourcentheoretischen Ansatzes mit seinen verschiedenen Schwerpunkten und Vertretern ist in Abb. 2-2 abgebildet.
114
Der marktorientierte Ansatz erklärt den langfristigen Erfolg von Unternehmen im Wesentlichen
durch Unterschiede in der Struktur der Branche in dem es tätig ist. Dieser Ansatz geht vor allem
auf Porter zurück. Porters Konzept beruht auf der Idee, dass die Attraktivität einer Branche durch
die Ausprägung der fünf wesentlichen Wettbewerbskräfte - Verhandlungsmacht der Abnehmer,
Verhandlungsstärke der Lieferanten, Bedrohung durch Substitutionsprodukte, Bedrohung durch
potenzielle Konkurrenten sowie den brancheninternen Wettbewerb – bestimmt wird. Danach hängt
der Erfolg eines Unternehmens (Performance) insbesondere von diesen Eigenschaften der Branche
(Structure) ab, die wiederum das Verhalten von Unternehmen (Conduct) bestimmen. (Quelle:
Hungenberg (2006), S. 61f.).
115
Vgl. Hungenberg (2006), S. 63.
116
Vgl. Hungenberg (2006), S. 63; Wernerfelt (1995), S. 172.
117
Vgl. Barney (1991), S. 108.
118
Vgl. Barney (1991), S. 105ff.; Teece et al. (1997), S. 514.
119
Vgl. Eisenhardt & Martin (2000), S. 1105; Teece et al. (1997), S. 513.
120
Vgl. Freiling et al. (2006), S. 39.
121
Der wissensorientierte Ansatz zeichnet sich dadurch aus, dass er die Ressource Wissen in den
Fokus der Betrachtung stellt und ein Unternehmen als spezifische Kombination von explizitem und
implizitem Wissen begreift (Quelle: Freiling et al. (2006), S. 40).
122
Vgl. Friedrich et al. (2002), S. 35.
26
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Inhalte
Vertreter
Weiterentwicklungsphase
Konsolidierungsphase
Gründungsphase
• Herausstellen der
Bedeutung von
unternehmensinternen
Bedingungen
• Klassischer
Resource-based
View
• Capability-based
View
• Knowledge-based
View
• Dynamic
Capability-based
View
Selznick
Penrose
Wernerfelt
Rumelt
Barney
Prahalad/Hamel
Kogut/Zander
Leonard-Barton
Teece/Pisano/ Shuen
1950
1980
1990
Abb. 2-2: Entwicklung des ressourcenorientierten Ansatzes (Quelle: Eigene
Darstellung in Anlehnung an Freiling et al. (2006), S. 41 und Sammerl (2006), S. 126)
Insgesamt haben sich der ressourcenorientierte Ansatz und seine Weiterentwicklungen in den letzten 20 Jahren neben dem marktorientierten Ansatz als zweiter wichtiger Eckpfeiler des strategischen Managements etabliert. 123 Der Versuch eine Überlegenheit eines der beiden Ansätze nachzuweisen, wurde durch die Erkenntnis ersetzt, dass beide Ansätze komplementär wirken.124
Der ressourcenorientierte Ansatz und seine Weiterentwicklungen im Sinne des fähigkeitsorientierten Ansatzes bilden die Grundlage für die anschließende Betrachtung der Innovationsfähigkeit des Unternehmens, da letztlich die Ressourcen und
Fähigkeiten eines Unternehmens als Ausgangsbasis für die erfolgreiche Generierung von Innovationen definiert werden.
2.1.2.2 Der klassische ressourcenorientierte Ansatz
Der klassische ressourcenorientierte Ansatz, ebenso bezeichnet als Resource-based
View (RBV) oder Ressourcentheorie, dient als Ausgangspunkt der Betrachtung, da
die Weiterentwicklungen im Wesentlichen auf diesen aufbauen. Daher wird anschließend zunächst ein Begriffsverständnis erarbeitet.
123
124
Vgl. Rühli (1994), S. 32.
Vgl. Rühli (1994), S. 49.
27
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Der Ressourcenbegriff erfährt vielfältigen Einsatz in der Volks- und Betriebswirtschaftslehre, deren Definitionen sich nicht mit der klassischen Ressourcentheorie
vereinen lassen. 125 Im weiteren Verlauf wird daher nur von einer Ressource im
Kontext des Ressourcenansatzes gesprochen. In der Perspektive des Ressourcenansatzes stehen unternehmensspezifische Ressourcen im Vordergrund und dienen als
Erklärung für verschiedene Erfolgspotenziale von Unternehmen. 126 Die wichtigsten
Definitionen zur Ressource finden sich zum Überblick in Tab. 2-3.127 Es wird bereits erkennbar, dass der Ressourcenansatz durch sehr diverse Definitionen geprägt
ist und nur wenig Einheitlichkeit und Deutlichkeit aufweist. 128
125
Vgl. Rühli (1994), S. 42.
Vgl. Leiblein (2011), S. 911.
127
Eine umfassende Diskussion der terminologischen Grundlagen der Ressourcentheorie erfolgt
bei Freiling (2002).
128
Vgl. Leiblein (2011), S. 910; Freiling et al. (2006), S. 42; Moldaschl & Fischer (2004), S. 127f.
126
28
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Autor
Definition
Wernerfelt, 1984,
S. 172
„By a resource is meant anything which could be thought of as a
strength or weakness of a given firm. More formally, a firm's resources at a given time could be defined as those (tangible and
intangible) assets which are tied semipermanently to the firm.”
Barney, 1991, S.
101
„(…) firm resources include all assets, capabilities, organizational
processes, firm attributes, information etc. controlled by a firm
that enable the firm to conceive of and implement strategies that
improve its efficiency and effectiveness. (…) firm resources are
strengths that firms can use to conceive and implement their strategies.”
Amit & Shoemaker, 1991, S. 35
“The firm’s resources will be defined as stocks of available factors
that are owned or controlled by the firm.”
Teece et al., 1997,
S. 516
„Resources are firm-specific assets that are difficult if not impossible to imitate. Trade secrets and certain specialized production
facilities and engineering experience are examples. Such assets are
difficult to transfer among firms because of transaction costs and
transfer costs, and because the assets may contain tacit
knowledge.”
Freiling, 2002,
S.17
„Zusammenfassend ist von Ressourcen im Kontext des Resourcebased View dann zu sprechen, wenn (in Märkten beschaffbare)
Inputgüter durch Veredelungsprozesse zu unternehmenseigenen
Merkmalen für Wettbewerbsfähigkeit weiterentwickelt worden
sind und die Möglichkeit besteht, Rivalen von der Nutzung dieser
Ressourcen in nachhaltiger Weise auszuschließen.“
Tab. 2-3:
Definitionen des Ressourcenbegriffs in bestehender Literatur
(Quelle: Eigene Darstellung)
Dies wird bereits an einer der meist verwendeten Definitionen, verfasst von
Wernerfelt, deutlich. Er definiert Ressourcen als alle möglichen Schwächen und
Stärken des Unternehmens. 129 Ein derart umfassendes Verständnis kann keinen
Hinweis darauf geben, inwiefern Ressourcen einen Wettbewerbsvorteil für ein Unternehmen liefern, zumal angezweifelt werden kann, dass auch die Unternehmensschwächen einen Beitrag zum Wettbewerbsvorteil begründen. 130 Somit kommt Freiling (2002) in seiner Analyse folgerichtig zur Aussage:
129
130
Vgl. Wernerfelt (1984), S. 172.
Siehe auch Sammerl (2006), S. 134.
29
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
„Insofern ist das Ressourcenverständnis [gemeint ist, dass Ressourcenverständnis von Wernerfelt, Anmerk. des Verf.] als völlig untauglich abzulehnen, was
angesichts des erheblichen Verbreitungsgrades mit Nachdruck zu betonen
ist.“131
Die Definition von Barney ist als deutliche Verbesserung zu sehen. 132 Barney
(1991) definiert nur die Stärken des Unternehmens als Ressource und erweitert die
Eigenschaften um eine Effizienz- und Effektivitätssteigerung. 133 Nichtsdestotrotz
findet keine ausreichende Abgrenzung zwischen Inputgüter, Prozessen und Fähigkeiten statt, die er ebenso als Ressource betrachtet. Darüber hinaus kann der effizienz- und effektivitätssteigernde Charakter nicht hinreichend erklären, wie genau
Wettbewerbsvorteile aufgebaut werden. 134 Barney (1991) sowie Amit & Schoemaker (1993) verweisen darauf, dass Ressourcen vom Unternehmen kontrolliert werden, ohne jedoch weiter zu spezifizieren, wie sich diese Kontrolle gestaltet. 135In
diesem Zusammenhang kommt auch Freiling zu dem Schluss, dass die Eingrenzung
von Teece et al. (1997) besser geeignet ist, da sie konkret darauf hinweisen, dass
Ressourcen firmenspezifisch sind, die nicht ohne weiteres imitiert und transferiert
werden können. 136 Erst daraus ergibt sich dann ein Wettbewerbsvorteil.137
Insgesamt kommt Freiling nach Analyse bestehender Definitionen zur folgenden
Aussage:
„Somit muss man zu dem bedauernswerten Ergebnis gelangen, dass es innerhalb
der Forschung zum Resource-based View bislang (…) nicht gelungen ist, die
wichtigsten Termini in einer Weise zu belegen, die mit der Grundintention des
Ansatzes in Einklang zu bringen sind.“138
Er erarbeitet eine konsistente und trennscharfe Definition, die im Folgenden als Definition für Ressourcen verwendet wird.139 Mit seiner begrifflichen Präzisierung
bauen Ressourcen auf Inputgüter auf, die über den Markt beschaffbar sind. Insgesamt sind jedoch diese Inputgüter nicht per se Ressourcen, sondern nur solche, die
durch Veredelungsprozesse entstehen und damit Wettbewerbsvorteile aufbauen.140
Dies hat folgende Konsequenzen: zum einen muss es zu einer Transformation der
131
Freiling (2002), S. 10.
Vgl. Sammerl (2006), S. 134.
133
Vgl. dazu auch Leiblein (2011), S. 912.
134
Vgl. Freiling (2002), S. 13.
135
Vgl. Barney (1991), S. 101; Amit & Schoemaker (1993), S. 35.
136
Vgl. Teece et al. (1997), S. 516; Freiling (2002), S. 12.
137
Vgl. Teece et al. (1997), S. 516.
138
Freiling (2002), S. 13.
139
Siehe dazu auch Tab. 2-3.
140
Vgl. Freiling et al. (2006), S. 55f.
132
30
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Inputgüter in Ressourcen kommen und zum anderen führen nicht alle Veredelungsprozesse zu Ressourcen, sondern nur jene, die einen Wettbewerbsvorteil begründen.141 Damit wird die Wettbewerbsrelevanz ein bedeutsames Merkmal von Ressourcen.142 Sogenannte Isolationsmechanismen sind die Grundlage für einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil, da sie eine schwere Nachahmung und Akquisition der
Ressourcen durch Konkurrenten erklären.143
Insgesamt bleibt darauf hinzuweisen, dass Ressourcen nur die Voraussetzung für
das Erreichen von Wettbewerbspotenzialen sind. Es kann „(…) keine eindeutige
Aussage darüber getroffen werden, ob die Wettbewerbsvorteile, die sich aus dem
Ressourcenstatus ergeben, auch tatsächlich in Marktprozessen genutzt werden können und damit zu einer im Konkurrenzvergleich herausragenden Rentabilität beitragen“144. Wettbewerbsvorteile werden nur genutzt, wenn das Unternehmen über Fähigkeiten verfügt, die Ressourcen in effektiver und effizienter Weise zu kombinieren und zu nutzen. 145 Dies entspricht auch Penrose Arbeit zu den Ressourcen. Denn
sie hatte bereits festgestellt, dass nicht die unternehmensspezifischen Ressourcen
allein das Wachstum und die Einzigartigkeit von Unternehmen ausmachen, sondern
das Zusammenspiel zwischen Ressourcen und „Services“, d.h. die Nutzung der
Ressourcen durch Fähigkeiten und Kompetenzen des Unternehmens: 146
„It is never resources themselves that are the ‚inputs’ in the production process,
but only the services that the resources can render. (…) The important distinction between resources and services is not their relative durability; rather it lies
in the fact that the resources consist of a bundle of potential services and can, for
the most part, be defined independently of their use, while services cannot be so
defined.”147
Daher ist eine weiterführende Betrachtung notwendig, die Fähigkeiten und Kompetenzen berücksichtigt, woraus der fähigkeitsorientierte Ansatz resultiert.148
Entgegen den Autoren149, die Kompetenzen und Fähigkeiten unter den Begriff Ressourcen zusammenfassen, wird hier aufgrund der vorangegangenen Argumentation
141
Freiling (2002), S. 15.
Vgl. Barney (1991), S. 112; Hall (1993), S. 610.
143
Die Isolationsmechanismen werden hier nicht weiter erläutert, da dies für die weitergehende
Betrachtung nicht von Bedeutung ist. Zur Vervollständigung sind die folgenden Isolationselemente
anzuführen: Unternehmensspezifität, Nichteinräumung von Verfügungsrechten, Verbund von Ressourcen, Kausale Ambiguität, Pfadabhängigkeiten und Akkumulationseffekte sowie historische
Kontextbedindungen.
Siehe für eine weiterreichende Betrachtung Rasche (1994), S. 68ff.
145
Vgl. Sammerl (2006), S. 135.
146
Vgl. Penrose (1959).
147
Penrose (1959), S. 25.
148
Vgl. Freiling et al. (2006), S. 40.
142
31
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
und aus konzeptionellen Gründen der Ressourcenbegriff von dem der Kompetenzen
und Fähigkeiten klar getrennt.
Nichtsdestotrotz bilden die allgemeinen Ausführungen zum ressourcenorientierten
Ansatz den Ausgangspunkt für die nachfolgende Betrachtung und finden auch dort
ihre Gültigkeit. 150
Zusammenfassend kann der Erkenntnisbeitrag aus der klassischen Ressourcentheorie für die spätere Untersuchung zu den folgenden Aspekten verdichtet werden:
Ressourcen verschaffen dem Unternehmen einen einzigartigen Wettbewerbsvorteil,
sind aber jedoch nur Voraussetzung dafür und nicht Erfolgsgarant, da die Ressourcen noch nicht in Marktprozessen nutzbar sind. Die Innovationsfähigkeit lässt sich
in diesem Zusammenhang in die Ressourcentheorie einordnen, da sie ebenso Wettbewerbsvorteile verschafft, aber auch in Marktprozessen, d.h. dem Innovationsergebnis deutlich wird. Damit zeigt sich, dass es sich bei der Innovationsfähigkeit
vielmehr als um eine reine Ressource handelt.
Es sind nie Ressourcen alleine, die von Bedeutung für Unternehmen sind, sondern
erst die Nutzung der Ressourcen stiftet den erfolgsrelevanten Nutzen. Dies spricht
für verschiedene Ordnungen von Ressourcen und unterstützt damit folglich den Gedanken, dass die Innovationsfähigkeit auf einer höheren Ebene angesiedelt ist und
dementsprechend in der Lage ist, auf Ressourcen zurückzugreifen und diese zu nutzen.
Ressourcen können immer wieder durch Veredelungsprozesse neu entstehen,
wodurch sich langfristig die Ressourcenbasis des Unternehmens verändert. Dies hat
Auswirkungen auf die Innovationsfähigkeit und dem Ergebnis am Markt, wenn diese durch die Nutzung der Ressourcen Marktprozesse in Gang setzt.
2.1.2.3 Weiterentwicklungen des Resource-based View
Der fähigkeitsorientierte Ansatz, auch Competence-based View oder Capabilitybased View genannt, stellt eine gedankliche Weiterentwicklung des ressourcenorientierten Ansatzes dar, indem er dem ressourcenorientierten Ansatz einen spezifischen Fokus verleiht.151 Schwerpunkt des fähigkeitsorientierten Ansatzes bilden
149
Siehe zum Beispiel Barney (1991); Wernerfelt (1984).
Siehe dazu auch die Ausführungen von Barney et al. (2001), S. 630f. und Freiling (2004), S. 30,
die darauf hinweisen, dass die Weiterentwicklungen immer noch den Grundgedanken der Ressourcentheorie entsprechen.
151
Vgl. Friedrich et al. (2002), S. 35.
150
32
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
nicht mehr generell die Ressourcen eines Unternehmens, sondern nur noch seine
besonderen Fähigkeiten.152
„Fähigkeiten werden in diesem Zusammenhang als komplexe Interaktions-, Koordinations- und Problemlösungsmuster verstanden.“153
Als eine derartige Fähigkeit ist die Innovationsfähigkeit zu sehen. Fähigkeiten beschreiben, ob ein Unternehmen in der Lage ist, seine Ressourcen sinnvoll zu koordinieren und das vorhandene Potenzial auszuschöpfen.154 Damit werden Wettbewerbsvorteile nicht mechanisch durch das Vorhandensein der Ressourcen abgeleitet, sondern durch die Fähigkeit diese sinnvoll zu nutzen und zu kombinieren. 155 Mit
dieser Weiterentwicklung überwindet der ressourcenorientierte Ansatz seine Innenperspektive und wird mit der Außenperspektive ergänzt, indem der Nutzen für
Kunden am Markt berücksichtigt wird.156 Gerade die Außenperspektive ist für die
Innovationsfähigkeit von klarer Bedeutung, weil sie letztlich durch innovative Produkte am Markt ihren Ausdruck findet. Eine reine Innenperspektive kann dies nicht
berücksichtigen.
Ähnlich wie bei der Analyse der Begriffsbestimmungen zu Ressourcen werden Fähigkeiten unterschiedliche Termini und Definitionen zugeordnet. Demnach wird die
Diskussion um die Begriffe Skills, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kompetenzen, Metafähigkeiten, Metakompetenzen geführt.157 Sanchez kommt zu dem Ergebnis:
„Nevertheless, taken together, the various conceptualizations suggested by researchers haven often resulted in some confusion as the essential aspects of an
organizations’ competences and how those might be identified in a specific firm
or within an industry.”158
In diesem Zusammenhang ist es für die weiteren Ausführungen von Bedeutung ein
klares Begriffsverständnis von Fähigkeiten auf Grundlage der unterschiedlichen
Konzepte und Definitionen vorzunehmen. Daher wird anschließend zunächst der
Begriff der Fähigkeit definiert, um darauf aufbauend auf weitere Spezifizierungen
einzugehen.
In Tab. 2-4 befindet sich eine Auswahl an Definitionen zu Fähigkeiten und Kompetenzen, die ein Verständnis der grundlegendsten Merkmale vor dem Hintergrund
152
Vgl. Freiling et al. (2006), S. 40; Moldaschl & Fischer (2004), S. 124.
Hungenberg (2006), S. 65.
154
Vgl. Rühli (1994), S. 43.
155
Freiling (2002), S. 18.
156
Friedrich et al. (2002), S. 36.
157
Vgl. Freiling (2002), S. 18.
158
Sanchez (2004), S. 519.
153
33
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
des fähigkeitsorientierten Ansatzes ermöglichen. Die Tabelle erhebt jedoch keinen
Anspruch auf Vollständigkeit.
In dieser Arbeit wird keine weitere Unterscheidung zwischen Kompetenzen und
Fähigkeiten vorgenommen. Hinter diesen beiden Begriffen stecken vielmehr gleiche Annahmen und Konzepte, eine Unterscheidung würde demnach zu keinem weiteren Erkenntniszuwachs führen.159 Daher wird im Folgenden auf Fähigkeiten verwiesen.
Autor
Definition
Prahalad &
Hamel, 1990,
S. 82
„Core competencies are the collective learning in the organization, especially how to coordinate diverse production skills
and integrate multiple streams of technologies.”
Sanchez ,
2004, S. 519
„Repeatable patterns of action in the use of assets to create,
produce and/or offer products to a market. Because capabilities are intangible assets that determine the uses of tangible
assets and other kinds of intangible assets, capabilities are
considered to be an important special category of assets. Capabilities arise from the coordinated activities of groups of
people who pool their individual skills in using assets.”
Teece et al.,
1997, S. 516
“We define those competences that define a firm’s fundamental business as core. Core competences must accordingly
be derived by looking across the range of a firm’s products
and services. The value of the core competences can be enhanced by combination with the appropriate complementary
assets.”
Freiling,
2002,
„Kompetenzen kennzeichnen die wiederholbare, nicht auf
Zufälligkeiten basierende Möglichkeit zum kollektiven Handeln in einer Unternehmung, welches darauf beruht, verfügbare Inputgüter in auf Marktanforderungen ausgerichteten
Prozessen so zu kombinieren, dass dadurch ein Sichbewähren-können ggü. der Marktgegenseite gewährleistet
wird.“
S. 21
Tab. 2-4:
Definitionen des Fähigkeitsbegriff in bestehender Literatur (Quelle: Eigene Darstellung)
159
Siehe dazu auch: Freiling (2002), S. 19; Sammerl (2006), S. 162; Schreiner (2006), S. 78; Day
(1994), S. 38.
34
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Trotz unterschiedlicher Begriffe weisen die Definitionen zentrale Gemeinsamkeiten
auf und lassen sich zu folgenden Eigenschaften verdichten:
Das kollektive und nicht-individuelle Handeln des einzelnen Mitarbeiters ist Inhalt
der Betrachtung. Damit rücken organisationale Fähigkeiten in den Vordergrund und
werden zum Bezugssystem. 160
Wie bereits angeführt wurde, geben Ressourcen nur ein Handlungspotenzial wieder,
welches erst durch die Fähigkeiten des Unternehmens genutzt werden kann. 161 Fähigkeiten kommt in diesem Zusammenhang eine koordinierende Aufgabe zu, indem
sie Ressourcen kombinieren und nutzen. Fähigkeiten geben damit „(…) Aufschluss
darüber, ob und inwieweit die jeweilige Unternehmung über Möglichkeiten verfügt,
dieses Potenzial zu aktivieren und zu nutzen.“162 Ausgeführt werden diese durch
organisationale Prozesse, die dem Unternehmen eine Koordinierung und Nutzung
seiner Ressourcen ermöglichen.163 Dies zeigt zudem, dass Fähigkeiten Elemente
von Prozessen und Routinen im Unternehmen sind. 164 Rasche vergleicht die Wirkung von Fähigkeiten deswegen mit der Initiierung von Computerprogrammen:
„Die Anwendung einer Fähigkeit vollzieht sich in der Regel als Abfolge programmgesteuerter Handlungsschritte, die von der Programminitiierung bis hin
zur Programmterminierung reichen.“165
Der Vergleich mit Computerprogrammen verdeutlicht zugleich eine weitere Eigenschaft. Das Wirken einer Fähigkeit ist nicht zufällig, sondern es handelt sich hierbei
um wiederholbare Tätigkeiten.166 Fähigkeiten sind zeitabhängig und in ihrer Entwicklung nicht geradlinig. Durch vermehrtes Lernen im Unternehmen kommt es zu
einer Verbesserung des kollektiven Handelns im Unternehmen und damit zu einer
Leistungssteigerung der Fähigkeit. Ebenso ist eine Leistungsherabsetzung im Falle
nicht genutzter Fähigkeiten möglich. 167 Für den Fähigkeits- bzw. Kompetenzbegriff
wird in dieser Arbeit die Definition von Freiling übernommen. Seine Definition
greift inhaltlich alle Facetten des Konzeptes auf und wird zugleich inhaltlich konkret.168
Diese grundlegende Charakterisierung der Fähigkeit kann indes weiter spezifiziert
werden. Analog zur Abgrenzung zwischen Ressourcen und Fähigkeiten sind auch
160
Vgl. Prahalad & Hamel (1990), S. 90; Sanchez (2004), S. 519; Freiling (2002), S. 21.
Vgl. Freiling (2002), S. 20f.
162
Freiling (2002), S. 20f.
163
Vgl. Day (1994), S. 38.
164
Vgl. Freiling et al. (2006), S. 58.
165
Rasche (1994), S. 94.
166
Vgl. Sanchez (2004), S. 519.
167
Vgl. Freiling et al. (2006), S. 58; Freiling (2002), S. 21.
168
Vgl. Freiling (2002), S. 21.
161
35
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
hier Autoren anzuführen, die keinerlei Abgrenzung vornehmen, und wiederum solche, die Hierarchieebenen von Fähigkeiten einführen.169 In dieser Arbeit bietet sich
eine weiterreichende Darstellung an. Dies ist aus folgenden Gründen zu rechtfertigen: Zum einen ist eine Argumentation, die ausschließlich auf dem Konzept der
Fähigkeiten beruht, zu undifferenziert, wodurch verschiedene Dimensionen des Fähigkeitskonstruktes nicht berücksichtigt oder schlichtweg zu weitreichend zusammengefasst würden.170 Zum anderen ist in Hinblick auf das Verständnis der Innovationsfähigkeit anzumerken, dass diese in der bisherigen wissenschaftlichen Diskussion als besondere Art der Fähigkeit dargestellt wird. 171 Dieser Tatsache wird dementsprechend Rechnung getragen. Dazu bietet sich eine weitere Unterscheidung in
Kernfähigkeiten/-kompetenzen sowie Metafähigkeiten an. 172
Diese Hierarchieebenen finden sich in bestehenden Diskussionen und wurden von
diversen Autoren vielfältig hergeleitet. 173 Henderson & Cockburn (1994) führen in
ihrer Arbeit zwei Arten von Kompetenzen an: Die „Component Competence“ beschreibt die Fähigkeit Routineprozesse im Unternehmen ablaufen zu lassen, wohingegen die „Architectural Competence“ die Fähigkeit, Kompetenzen zu nutzen und
zu erneuern, zum Ausdruck bringt. 174 Damit spielt die zweite Kompetenzart auf eine Metaebene an. Teece et al. unterscheiden ähnlich zwischen alltäglichen Ressourcen, Fähigkeiten und den dynamischen Fähigkeiten, die wie bei Henderson der Anpassung der Fähigkeitsbasis im Zeitverlauf dienen.175 March (1991) führt das Konzept der Exploitation und Exploration ein, was im Prinzip wiederum verschiedene
Fähigkeitsarten zum Ausdruck bringt, jedoch im Zusammenhang mit organisationalem Lernen angewendet wird. 176 Exploitation bezieht sich auf die Nutzung und Anwendung bestehender funktionaler Fähigkeiten. Dagegen wird Exploration zum
Aufbau von neuen Ressourcen und Fähigkeiten genutzt. 177 Weiterhin unterscheiden
Freiling et al. (2006) drei Arten von Fähigkeiten: Die Veredelungskompetenz (1),
der die Transformation von zukünftigen wichtigen Inputgütern in Ressourcen und
die Weiterentwicklung von aktuellen Inputgütern, Ressourcen und Kompetenzen
169
Wernerfelt (1984) und Barney (1991) machen keine weitere Unterscheidung, wohingegen
Henderson & Cockburn (1994), Teece et al. (1997); Danneels (2002) und Freiling et al. (2006)
verschiedene Hierarchien darstellen.
170
Vgl. Sammerl (2006), S. 163
171
Vgl. Rasche (1994), S. 161; Eisenhardt & Martin (2000), S. 1111; Leonard-Barton (1992), S.
114.
172
Siehe dazu auch Freiling et al. (2006), S. 59.
173
Vgl. Freiling et al. (2006); Henderson & Cockburn (1994); Kogut & Zander (1992); Teece et al.
(1997).
174
Vgl. Henderson & Cockburn (1994), S. 65.
175
Vgl. Teece et al. (1997), S. 516.
176
Vgl. March (1991), S. 72.
177
Vgl. March (1991), S. 72.
36
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
zukommt.178 Die Marktzufuhrkompetenz (2) betrifft „(…) die Aktivierung der zu
einem bestimmten Zeitpunkt verfügbaren Leistungsbereitschaft im Rahmen konkreter Marktzufuhr und Marktprozesse zur Überführung des Handlungspotenzials in
konkrete Leistungsangebote und ggf. erfolgreiche Transaktionen am Markt“ 179.
Darüber hinaus wirken auf der Metaebene Metakompetenzen (3), die einzelne funktionale Fähigkeiten für die andauernde Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens
gestalten. 180
Insgesamt zeigt sich, dass die verschiedenen Autoren trotz unterschiedlicher Begrifflichkeiten auf ähnliche Arten von Fähigkeiten zurückgreifen. Folglich lassen
sich aufgrund dieser Überlegungen zwei Hierarchieebenen von Fähigkeiten unterscheiden: auf der ersten Ebene funktionale Kompetenzen und Kernkompetenzen
und auf der zweiten übergeordneten Ebene Metafähigkeiten.181
Auf der ersten Ebene bietet sich eine weitere Abgrenzung von Fähigkeiten und
Kernfähigkeiten an. Freiling begründet die Notwendigkeit einer weiterreichenden
Definition damit, dass der Fähigkeitsbegriff nicht ausreicht, um das Verhältnis der
Erzielung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen zu erklären. Dazu sei eine bestimmte Kategorie von Fähigkeiten nötig, die er in diesem Fall als Kernkompetenzen bezeichnet.182 Kernkompetenzen (oder auch Kernfähigkeiten) gehen über die
Definitionsmerkmale von Kompetenzen hinaus und zeichnen sich dadurch aus, dass
sie eine Behauptung gegenüber der Konkurrenz durch die Herbeiführung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile ermöglichen.183 Freiling und andere Autoren verweisen
darüber hinaus auf eine weitere wichtige Eigenschaft, dem organisationsspezifischen Charakter von Kernfähigkeiten. 184 Damit wird betont, dass eine Kernfähigkeit
nur in dem Unternehmen, in dem sie auch entwickelt wurde, am wirkungsvollsten
eingesetzt werden kann. Ein Transfer ist nicht ohne weiteres möglich und würde zu
Wirkungsverlusten führen, da Wissen zur Nutzung sowie komplementäre Ressourcen nicht im vollen Maße vorhanden wären.185 Rasche merkt dazu an, dass Kernfähigkeiten „(…) komplexe, auf Lernprozessen basierende, soziale Interaktionsmuster, die sich nur schwer imitieren, transferieren und handeln lassen“186, darstellen. In
diesem Zusammenhang ergibt sich die benachteiligende Position für Konkurrenten,
ihnen „(…) bleibt danach lediglich die Möglichkeit strategisch vorteilhafte Kompe178
Vgl. Freiling et al. (2006), S. 59.
Freiling et al. (2006), S. 59.
180
Vgl. Freiling et al. (2006), S. 59.
181
Vgl. Sammerl (2006), S. 165.
182
Vgl. Freiling (2002), S. 22.
183
Vgl. Prahalad & Hamel (1990), S. 79; Rühli (1994), S. 43; Freiling (2002), S. 22, siehe auch
Rasche (1994), S. 92.
184
Vgl. Freiling (2002), S. 22.
185
Vgl. Freiling (2002), S. 23.
186
Rasche (1994), S. 92.
179
37
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
tenzen durch langwierige Lernprozesse unternehmensintern bzw. im Rahmen von
strategischen Allianzen aufzubauen.“187 Diese Art von Isolationsmechanismen
schafft durch das Vorhandensein der Kernfähigkeiten für das Unternehmen am Absatzmarkt eine einzigartige Verwendungsmöglichkeit der Ressourcen. Deutlich wird
demnach auch, dass nur eine einzigartige Verwendungsmöglichkeit besteht, d.h.
Kernfähigkeiten verkörpern eben nur das Potenzial zur Nutzung der Ressourcen. Ob
und in welchem Umfang dieses Potenzial genutzt wird, hängt maßgeblich von den
anschließenden Prozessen und der Umsetzung in Produkten am Markt ab. Folglich
wird deutlich, dass Ressourcen Fähigkeiten und Kernfähigkeiten vorgelagert sind
und die Umsetzung in Produkte nachgelagert. 188
Die angesprochenen Fähigkeiten, die es dem Unternehmen ermöglichen, Einfluss
auf die bestehende Ressourcen- und Kompetenzbasis zu nehmen, werden unter Metafähigkeiten zusammengefasst.189 Die Metafähigkeiten sind den Ressourcen, Kompetenzen und Kernkompetenzen übergeordnet und enthalten eine dynamische Komponente.190 Sie dienen der Koordination und zeitlichen Anpassung von Ressourcen
und Fähigkeiten, um „Selbsterneuerungs- und Adaptionsprozesse“ 191 in Gang zu
setzen. Teece et al. sprechen daher von „Dynamic Capabilities“. 192 Der „Dynamic
Capabilities-Ansatz“ von Teece et al. (1997) spielt innerhalb des fähigkeitsorientierten Ansatzes eine wichtige Rolle. Teece et al. haben beobachtet, dass es nicht
ausreicht, wertvolle Ressourcen anzusammeln:
“Winners in the global marketplace have been firms that can demonstrate timely
responsiveness and rapid and flexible product innovation, coupled with the
management capability to effectively coordinate and redeploy internal and external competences.”193
Daraus leiten sie dynamische Fähigkeiten ab. Teece et al. fassen dies folgendermaßen zusammen:
“The term 'dynamic' refers to the capacity to renew competences so as to
achieve congruence with the changing business environment; certain innovative
responses are required when time-to-market and timing are critical, the rate of
technological change is rapid, and the nature of future competition and markets
difficult to determine. The term 'capabilities' emphasizes the key role of strategic
187
Rasche (1994), S. 92.
Vgl. Freiling (2002), S. 24.
189
Vgl. Leiblein (2011), S. 921.
190
Vgl. Sammerl (2006), S. 166.
191
Rasche (1994), S. 161.
192
Vgl. Teece et al. (1997), S. 509.
193
Teece et al. (1997), S. 515.
188
38
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
management in appropriately adapting, integrating, and reconfiguring internal
and external organizational skills, resources, and functional competences to
match the requirements of a changing environment.” 194
Der Wert einer Ressource oder Fähigkeit hängt somit stark von den Entwicklungen
im Unternehmensumfeld ab. Bestimmtes Know-how und Routinen werden überflüssig, wenn z.B. bestimmte Technologien durch andere ersetzt werden und nicht
mehr dem technologischen Standard entsprechen.195 Deshalb muss das Unternehmen in Zeiten der Veränderung die Fähigkeiten des Unternehmens anpassen und
neu ausbilden.196 Diese Weiterentwicklung kann damit klären, wie Fähigkeiten im
Zeitverlauf entstehen und kombiniert werden und bildet eine sinnvolle Ergänzung
des traditionellen ressourcenorientierten Ansatzes. Freiling et al. sprechen deswegen
von der Gestaltung von individuellen und organisationalen Fähigkeiten, die „(…)
dauerhaft über einen Zeitraum hinweg die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmung“197 stärken. Gleichwohl beschreiben die Vertreter nicht genau den Prozess
und die notwendigen Aktivitäten, um die bestehenden Fähigkeiten einem ständigen
Wandel zu unterziehen.
Insgesamt zeigt sich damit ein komplexes Interaktionsschema von Inputgütern über
Ressourcen, Fähigkeiten bis hin zur Umsetzung von Produkten am Markt (siehe
Abb. 2-3).
194
Teece et al. (1997), S. 515.
Vgl. Tushman & Anderson (1986), S. 442.
196
Vgl. Henderson & Cockburn (1994), S. 65.
197
Freiling et al. (2006), S. 54.
195
39
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Metafähigkeiten
Produkte/Leistungsangebot
Prozesse
Kernfähigkeiten
Fähigkeiten
Ressourcen
Inputgüter
Langfristig
überdurchschnittliche
Renditen
Veredelung Nutzung Erreichen Aktivierung Marktangebot
Wettbewerbs
-vorteils
Reinvestment
Abb. 2-3: Der Zusammenhang zwischen Ressourcen, Fähigkeiten, Kern- und
Metafähigkeiten (Quelle: Freiling et al. (2006), S. 54)
Freiling spricht in diesem Zusammenhang auch von einer gedanklichen Kette, die
von vielen Autoren nicht bis zum Ende gedacht wird, da sich einige nur auf Ressourcen und Fähigkeiten konzentrieren.198
Daraus folgt zusammenfassend der Erkenntnisbeitrag aus den Weiterentwicklungen
der klassischen Ressourcentheorie:
Es hat sich gezeigt, dass eine exakte Abgrenzung zwischen Ressourcen, funktionalen Fähigkeiten, Kernkompetenzen und Metafähigkeiten nötig ist. Erst diese Einteilung hilft im Folgenden, den bisherigen Erkenntnisstand einzuordnen und für das
hier entwickelte Verständnis der Innovationsfähigkeit zu nutzen.
Es konnte weiterhin konkretisiert werden, dass die Veränderung der Ressourcenund Fähigkeitsbasis, die schon als Schlussfolgerung in 2.1.2.2 entwickelt wurde,
von den Metafähigkeiten in Gang gesetzt wird. In diesem Zusammenhang sind Metafähigkeiten des Unternehmens in der Lage den Wert der Ressourcen in Abhängigkeit des Umfeldes zu erkennen und ggf. Veränderungsprozesse auszulösen.
198
Vgl. Freiling (2002), S. 24.
40
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
2.2 Die Erkenntnisstand der Forschung zur Innovationsfähigkeit in der bestehenden Management- und Betriebswirtschaftsliteratur
2.2.1 Notwendigkeit der Literaturanalyse
Die Fähigkeiten, die ein Unternehmen besitzt, um einen Wettbewerbsvorteil durch
Innovationen zu erzielen, gewinnen in der wissenschaftlichen Theorie in der Betrachtung enorm an Bedeutung. 199 Frenkel & Maital haben dazu treffend festgestellt:
“The quantification and evaluation of the innovation capability or competence of
companies is an important, though very complex element in understanding the
effectiveness and optimal management of innovation activities.”200
Es liegt nahe, dass eine klare Definition und Einschätzung der Innovationsfähigkeit
sowohl für Wissenschaft als auch Praxis von Interesse sind. Die Messung der Innovationsfähigkeit im akademischen Umkreis ist wichtig, um sicherzustellen, dass
ungeachtet von der Ähnlichkeit einiger Konstrukte, auch gleichartige Operationalisierungen gewählt werden. 201 Nur dann können Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeiten sinnvoll miteinander verglichen werden. Um zu wissen, wie Manager die
Innovationsfähigkeit ihres Unternehmens steigern können, müssen sie vorab wissen, welches Niveau sie bisher erreicht haben und welche Faktoren die Innovationsfähigkeit beeinflussen. Bislang existiert kein vollständiger Literaturüberblick zur
Messung und Bewertung der Innovationsfähigkeit in Unternehmen. Ziel des Abschnittes ist deshalb eine ausführliche Darstellung des aktuellen Stands der Forschung zu diesem Thema. Dabei stehen inhaltlich zwei Fragen im Vordergrund:
(1) Wie ist der bisherige Kenntnisstand über die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens?
(2) Wie kann die Innovationsfähigkeit definiert, operationalisiert und messbar
gemacht werden? Welche Elemente sind zentral in der Bildung dieser Fähigkeit?
Zu deren Bearbeitung werden die verwendeten Konzepte in internationalen Studien
inhaltlich und methodisch ausgewertet und gewürdigt. Dadurch wird es ermöglicht,
den bisherigen Diskussionsstand wiederzugeben und zugleich Forschungsdefizite
und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Forschung auf diesem Gebiet vorzu199
Siehe dazu allgemein. Cohen & Levinthal (1990);Eisenhardt & Martin (2000); Teece & Pisano
(1994); Teece (2007); Henderson & Cockburn (1994); Leonard-Barton (1992).
200
Frenkel & Maital (2000), S. 439.
201
Vgl. Adams et al. (2006), S. 22.
41
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
schlagen. Dazu wird zunächst in Abschnitt 2.2.2 die Methodik der Literaturrecherche erläutert, mit deren Hilfe nach relevanten Publikationen geforscht wird. Anschließend werden die recherchierten Beiträge in Abschnitt 0 vorgestellt und kritisch analysiert. Darauf aufbauend werden die Ergebnisse diskutiert (2.2.4) und die
hier vertretene Sichtweise vorgestellt (2.3).
2.2.2 Methodik der Literaturrecherche
Mit Hilfe einer systematischen Literaturrecherche wurden konzeptionelle und empirische Publikationen gesucht, welche die Innovationsfähigkeit thematisieren und
Aufschluss über die Konzeptionalisierung geben.202
Anhand einschlägiger Literatur wurden zunächst Schlagwörter in englischer und
deutscher Sprache festgelegt, die für die Suche herangezogen wurden. Um in der
Literaturanalyse aufgenommen zu werden, musste der Artikel im Titel oder in der
Zusammenfassung eines der Begriffspaare aufweisen:
(a) innovat* ODER new product*
(b) capabilit* ODER capacit* ODER competenc* ODER measur*
für englischsprachige Suchen und im deutschsprachigen Raum ergaben sich analog
die folgenden Begriffspaare:
(a) Innovat*
(b) Fähig* ODER Kompeten* ODER Mess*
Die Suche wurde in verschiedenen Datenbanken durchgeführt. Zunächst wurde in
der Datenbank EBSCO Business Source Complete203 nach englischsprachigen Artikeln in Fachzeitschriften gesucht. Um die Suche auf ein vernünftiges Maß zu beschränken, wurde der Veröffentlichungszeitraum zwischen 1980 und 2010 eingegrenzt. 204 Anschließend wurde in der Datenbank WISO nach deutschsprachiger
Literatur recherchiert, indem nach Titeln und Schlagwörtern der in der Datenbank
202
Stichtag der Recherche ist der 15.01.2011.
Die Datenbank EBSCO Business Source Complete enthält laut eigenen Angaben über 4300
englischsprachige Fachzeitschriften aus den Wirtschaftswissenschaften und ist damit eine der umfangreichsten elektronischen Datenbanken auf diesem Gebiet (Stand: 15.01.2011).
204
Die Innovationsforschung vor 1980 hat sich vielmehr mit den Rahmenbedingungen im Unternehmen selbst wie z.B. Prozesse und Strukturen beschäftigt und weniger mit der Fähigkeit Innovationen hervorzubringen. (Quelle: Brown & Eisenhardt (1995)) Da Fähigkeiten eines Unternehmens
erst mit Aufkommen des ressourcenorientierten Ansatzes in den 1980er in den Fokus gestellt wurden, ist diese Einschränkung begründet.
203
42
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
enthaltenen Publikationen nach den Begriffskombinationen gesucht wurde. 205 Die
Datenbank bietet gegenüber einer reinen OPAC-Recherche den Vorteil, auf verschiedenste Datenbanken einschließlich Literaturdatenbanken großer Bibliotheken
und Zeitschriften zurückzugreifen. 206 So wird die Suche hauptsächlich um deutschsprachige Literatur ergänzt, die sowohl als Zeitschriftenartikel als auch als Monographie veröffentlicht wurde. Anschließend wurden die Artikel hinzugefügt, die in
den Beiträgen aus der EBSCO und WISO Recherche bei der Konzeption der Innovationsfähigkeit zitiert wurden, bisher aber noch nicht in der Suche enthalten waren.
Zur Ergänzung der Literaturrecherche in den Datenbanken EBSCO und WISO wurde ebenso eine Recherche in Google Scholar, einer auf akademische Texte spezialisierten Suchmaschine, durchgeführt. Dadurch kann sichergestellt werden, dass auch
Beiträge, die nicht in den genannten Datenbanken aufgeführt werden, identifiziert
werden. Dies trifft insbesondere für Beiträge in Monographien und Sammelbände
sowie für Arbeitspapiere und Konferenzbeiträge zu. Die Suche wurde sowohl mit
den englischen Begriffspaaren als auch mit den deutschen Begriffspaaren durchgeführt. Da Google Scholar Ergebnisse nach Relevanz sortiert, ist eine Beschränkung
der Suche auf die ersten hundert Ergebnisse möglich.
In einem weiteren Schritt wurden die für die Analyse relevanten Artikel ausgewählt.
Die recherchierten Beiträge wurden durch Lesen der Zusammenfassungen und Einleitungen daraufhin geprüft, ob sie tatsächlich über die Innovationsfähigkeit und ein
Konzept zur Messung oder Veranschaulichung dieser Auskunft geben. Studien über
Erfolgsfaktoren in der ‚New Product Development’ Forschung wurden explizit
nicht einbezogen, da sich diese auf Erfolgsvariablen der einzelnen ‚New Product
Development’ Programme beschränken. Dies wird in der vorliegenden Arbeit nicht
angestrebt und ist daher nicht Thema der Literaturanalyse. 207 Aufgrund der Verwendung von vielfältigen Begriffen und Konzepten, die zur Identifizierung der Innovationsfähigkeit genutzt werden können, wurden weitere Regelungen vorgenommen. Einige Autoren ziehen zur Klärung der Innovationsfähigkeit das Konzept
der „Innovativität“ heran und definieren diese als Fähigkeit Innovationen hervorzubringen.208 Somit wurden solche Beiträge herangezogen die Innovativeness nicht
auf die Neuartigkeit von Produkten oder Prozessen beziehen, sondern eben auf die
Fähigkeit des Unternehmens neuartige Produkte auf den Markt zu bringen. Darüber
hinaus setzen einige Autoren die technologischen Fähigkeiten mit der Innovations-
205
Die Datenbank WISO enthält laut eigenen Angaben mehr als zehn Millionen Literatureinträge
aus den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Stand 15.01.2011).
206
Vgl. wiso (2012).
207
Siehe zur Kritik an die bestehende Erfolgsfaktorenforschung auch Sattler (2011), S. 28ff. und
Sammerl (2006), S. 45ff.
208
Vgl. Calantone et al. (2002).
43
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
fähigkeit des Unternehmens gleich. 209 Um deren Argumentation einzuschließen,
werden ebenso diese Artikel betrachtet. Vielfach wurde die Innovationsfähigkeit im
Titel der Publikation erwähnt, ist dann aber letztlich nicht betrachtet worden. Diese
Artikel wurden nicht weiter berücksichtigt.
Anhand dieser Kriterien für die durchgeführte Suche konnten 70 Veröffentlichungen für den Zeitraum 1990-2010 identifiziert werden, davon fünf Monographien.210
Aufgrund der beschriebenen Methodik der Literaturrecherche kann vorausgesetzt
werden, dass eine repräsentative Auswahl über Beiträge zum Thema Innovationsfähigkeiten von Unternehmen getroffen wurde.
2.2.3 Beschreibung der ausgewählten Studien
2.2.3.1 Überblick
Abb. 2-4 gibt einen Überblick über alle Veröffentlichungen im Zeitverlauf. Ein erster Blick auf die gesamten Beiträge zeigt, dass die Arbeit von Cohen & Levinthal
(1990) zu den absorptiven Fähigkeiten (‚Absorptive Capacity’) weitere Auseinander-setzungen mit der Innovationsfähigkeit initiiert hat. Vor diesem Beitrag konnte
kein anderes Werk identifiziert werden, was verdeutlicht, dass die Forschung über
die Ressourcen und Fähigkeiten des Unternehmens als Quelle des Wettbewerbsvorteils, erst auf Grundlage der Kritik an dem verbreiteten Ansatz des marktorientierten
Ansatzes der 1980er Jahre entstanden ist.211
209
Vgl. Penner-Hahn & Shaver (2005); Hsieh & Tsai (2007).
Auch wenn die Suche in der Datenbank auf den Zeitraum 1980-2010 eingegrenzt wurde, konnten erst relevante Artikel ab dem Jahr 1990 gefunden werden.
211
Vgl. Hungenberg (2006), S. 62.
210
44
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Anzahl der Artikel
12
10
10
8
8
7
7
6
6
6
6
5
3
4
2
2
1
3
2
1
1
0
1
0
0
1
0
0
Abb. 2-4: Veröffentlichung von Beiträgen zur Innovationsfähigkeit im Zeitverlauf (Quelle: Eigene Darstellung)
Besonders seit 2002 sind die Veröffentlichungen zu dem Thema enorm angestiegen
(83 Prozent aller Beiträge sind seither entstanden), was nahe legt, dass dieses Thema noch nicht vollends ausgeschöpft ist und auch in den nächsten Jahren weitere
Diskussionen folgen werden. Darüber hinaus lässt sich feststellen, dass sich die
Veröffentlichungen der frühen 1990er Jahre dem Thema Fähigkeiten eher in allgemeiner Natur nähern, hierbei aber einige wichtige Grundlagen für die Betrachtung
der Innovationsfähigkeit hervorbringen.212
Weiterhin konzentrieren sich eine Vielzahl der Beiträge auf wenige Journals: die
Hälfte der Artikel wurde in nur fünf Journalen veröffentlicht, dem Industrial &
Corporate Change, International Journal of Product Innovation Management (jeweils 4 Artikel), Journal of Product Innovation Management (5 Artikel), Research
Policy (7 Artikel) und Strategic Management Journal (12 Artikel). Insgesamt wurde in 27 Journalen aus verschiedenen Managementdisziplinen veröffentlicht, was
die Vielfältigkeit des Themas und die unterschiedlichen Betrachtungsperspektiven
(Strategie, Marketing, Organisationstheorie, Innovationsmanagement) unterstreicht.
Die Bandbreite der Forschungsansätze erstreckt sich über konzeptionelle (11), qua-
212
Vgl. Cohen & Levinthal (1990); Kogut & Zander (1992); Leonard-Barton (1992); Henderson &
Cockburn (1994).
45
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
litativ-empirische (16) und quantitativ-empirische (43) Methoden. Abb. 2-5 listet
die entsprechenden Beiträge auf.
Die erhobenen Daten der Artikel werden mithilfe von Befragungen, Modellrechnungen, Fallstudien und Metaanalysen erhoben. Die Mehrzahl der Studien untersucht die Innovationsfähigkeit in den USA und Europa, nur wenige auch in Asien.
Insgesamt unterscheiden sich die Forschungsinhalte und Analysemethoden recht
stark, weshalb sie eine separate Betrachtung in Kapitel 2.2.3.2 und 2.2.3.3 erhalten.
Konzeptionelle Beiträge
O‘Connor (2008), Dervitsiotis
(2010a,b)
Eisenhardt/Martin (2000),
Hurley et al. (2005), Herzhoff
(1991), Kogut/ Zander (1992),
Siguaw/Simpson/Enz (2006),
Spur (2010), Teece (2007),
Tura/Harmaakorpi (2005)
11 Beiträge
Empirisch-qualitative
Beiträge
Empirisch-quantitative
Beiträge
Adams et al. (2006), Capaldo
(2007), Capaldo et al. (2003),
Carpenter et al. (2003),
O‘Connor/ DeMartino (2006),
Daneels (2002), Forsman (2009),
Lawson/Samson (2001),
Leonard-Barton (1992),
Pulkanen (2004), Rackensperger
(2008), Schreiner (2006),
Story et al. (2009), Un (2002),
Verona/Ravasi (2003), Wang et
al. (2008)
Akman/Yilmaz (2008),
Albornoz/Yoguel (2004), Alegre
et al. (2005), Atuahene-Gima
(2005), Calantone et al. (2002),
Cakar/Ertürk (2010), Cavusgil et
al. (2003), Chen/Wang (2008),
Cohen/Levinthal (1990), Dutta et
al. (2005), Faber/Hesen (2004),
Furman et al. (2002), Greve
(2007), Guan/Ma (2003),
Haagedorn/Duysters (2002),
Henderson/Cockburn (1994),
Hsieh/Tsai (2007), Hu/Mathews
(2008), Hult/Ketchen (2001),
Hurley/Hult (1998), Kindermann
(2006), Kochhar/David (1996),
Lages et al.(2009), Lin et
al.(2010), Luo/ Bhattacharya
(2006), Nassimbeni (2001),
Oltra/Flor (2003),
Paladino(2007), Penner-Hahn/
Shaver (2005), Persaud (2005),
Prajago/Ahmed (2006),
Quintana-Garcia/BenavidesVelasco (2004, 2008), Radosevic
(2004), Romijin/Albaladejo
(2002), Sammerl (2006),
Souitaris 2002), Stuart/ Podolny
(1996), Subramaniam/ Youndt
(2005), Yalcinkaya et al. (2007),
Yam et al.(2004), Zaheer/Bell
(2005), Zhao et al. (2005)
16 Beiträge
43 Beiträge
70 Beiträge zur Innovationsfähigkeit
Abb. 2-5: Identifizierte Beiträge zur Innovationsfähigkeit (Quelle: Eigene Darstellung)
46
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
2.2.3.2 Forschungsinhalte
Im Folgenden werden die Forschungsinhalte der recherchierten Beiträge dargestellt.
Da die Veröffentlichungen mit gleichen Forschungsansätzen auch ähnliche Forschungsziele verfolgen und damit vergleichbare Forschungsinhalte besitzen, werden
die Artikel mit (1) konzeptionellen, (2) empirisch-qualitativen und (3) empirischquantitativen Forschungsansätzen gemeinsam betrachtet.
(1) Die konzeptionellen Beiträge thematisieren grundsätzlich die Definition der Innovationsfähigkeit und bedienen sich verschiedener Elemente, um diese zu charakterisieren. Die Arbeiten basieren meist auf dem kompetenzbasierten Ansatz und
ziehen eine Vielzahl von Elementen heran, die elementar in der Bestimmung der
Innovationsfähigkeit sind. 213 Darüber hinaus erweitern einige Autoren die Grundkompetenzen214 um unternehmenskulturelle215, organisationsspezifische216 und ergebnisorientierte Bestandteile217.
(2) Die empirisch-qualitativen Publikationen beschäftigen sich mit verschiedenen
Forschungszielen. Wie bei den konzeptionellen Beiträgen gehen Forscher auch bei
diesen Arbeiten der Frage nach, welche Elemente die Innovationsfähigkeit ausmachen.218 Darüber hinaus wird beabsichtigt, Einflussfaktoren auf die Innovationsfähigkeit zu identifizieren.219 Eine dritte Gruppe von Studien untersucht den Grad der
Innovationsfähigkeit im Unternehmen.220 Schreiner thematisiert den Aufbau und die
Transformation der Innovationsfähigkeit in Unternehmen.221
In diese Einteilung fallen ebenso Metaanalysen auf Basis vorliegender Literatur
(und damit qualitativen Daten). Bisher wurde nur eine Literaturanalyse zu der Messung von Innovationen veröffentlicht. 222 Adams et al. geben jedoch nicht den Stand
der Forschung zum Thema Innovationsfähigkeiten wieder, sondern entwickeln auf
Basis bisheriger Literatur ein Framework zur Messung des Innovationsmanage-
213
Vgl. Kogut & Zander (1992); Eisenhardt & Martin (2000); Teece (2007).
Vgl. Kogut & Zander (1992); Eisenhardt & Martin (2000); Teece (2007).
215
Vgl. O'Connor (2008); Dervitsiotis (2010a); Dervitsiotis (2010b).
216
Vgl. O'Connor (2008); Siguaw et al. (2006).
217
Vgl. Hurley et al. (2005); Spur (2010).
218
Vgl. Adams et al. (2006); Lawson & Samson (2001); Rackensperger (2008); Danneels (2002).
219
Vgl. Forsman (2009); Un (2002); Wang et al. (2008); Rackensperger (2008).
220
Vgl. Capaldo et al. (2003); Pulkkanen et al. (2004).
221
Vgl. Schreiner (2006).
222
Vgl. Adams et al. (2006).
214
47
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
ments allgemein und beschreiben die Eignung von bisher verwendeten Indikatoren
in den jeweiligen Unterkategorien des Frameworks. 223
(3) Der Großteil der empirisch-quantitativen Studien beschäftigt sich mit internen
und externen Einflussfaktoren der Innovationsfähigkeit, wobei der eindeutige
Schwerpunkt auf internen Faktoren liegt. 224 Nur ein Beitrag thematisiert externe
Einflussfaktoren, Kochhar & David untersuchen den Einfluss von Investoren. 225 Bei
den Untersuchungen zu den internen Elementen wird der Schwerpunkt klar auf unternehmensinterne Ressourcen und Fähigkeiten gelegt: Wissensmanagement und
Netzwerkfähigkeiten, Marketing-, Technologie-, Produktionskompetenzen sowie
die Fähigkeit Ressourcen zu konfigurieren, auszuschöpfen und neu anzuwenden
(Lernen). 226 Darüber hinaus kommen oftmals unternehmenskulturelle Eigenschaften
wie Vertrauen, Offenheit, Verantwortung, Risikobereitschaft in der Betrachtung
vor. 227 Der Einfluss der strategischen Orientierung wird ebenso untersucht. Dabei
kommt zum Tragen, ob eine Orientierung auf Märkte und Kunden oder auf Technologie einen Vorzug erhalten sollte.228 Noch allgemeiner prüfen Akman & Yilmaz
(2008), Calantone et al. (2002), Guan & Ma (2003), Quintana-Garcia & BenavidesVelasco (2004), Stuart & Podolny (1996) und Zhao et al. (2005) den Einfluss des
Vorhandenseins einer Innovationsstrategie und Vision.
Im Gegensatz dazu zeichnen sich die wenigen Veröffentlichungen, die die Innovationskompetenz als unabhängige oder Moderator-Variable modellieren, durch das
gemeinsame Ziel aus, die Wirkung der Innovationsfähigkeit auf Performance getriebene Größen zu bestimmen. Hult & Ketchen, JR. (2001), Lages et al. (2009),
Luo & Bhattacharya (2006) sowie Zaheer & Bell (2005) bestimmen dazu den Einfluss auf den Unternehmenserfolg, wohingegen Hult & Ketchen, JR. (2001), Yam et
al. (2004) und Sammerl den Wettbewerbsvorteil des Unternehmens heranziehen.
Lediglich Lages et al. ziehen in ihrer Betrachtung die Beziehungsperformanz als
Variable heran, welche die Güte der Beziehungen zwischen Import- und Exportunternehmen wiedergibt. 229 Einzig Dutta et al. (2005) und Henderson & Cockburn
223
Vgl. Adams et al. (2006).
Vgl. Akman & Yilmaz (2008); Albornoz & Yoguel (2004); Atuahene-Gima (2005); Capaldo
(2007); Cavusgil et al. (2003); Chen & Wang (2008); Hurley et al. (2005).
225
Vgl. Kochhar & David (1996).
226
Vgl. Danneels (2002); Furman et al. (2002); Penner-Hahn & Shaver (2005); Quintana-Garcia &
Benavides-Velasco (2008); Prajogo & Ahmed (2006); Romijn & Albaladejo (2002); Souitaris
(2002); Stuart & Podolny (1996); Yalcinkaya et al. (2007).
227
Vgl. Chen & Wang (2008); Cakar & Ertürk (2010); Hurley et al. (2005); Calantone et al.
(2002).
228
Vgl. Akman & Yilmaz (2008); Paladino (2007); Lin et al. (2010); Nassimbeni (2001); Kindermann (2007).
229
Vgl. Lages et al. (2009).
224
48
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
(1994) stellen den Bezug zu Produktivitäts- und Effizienzkriterien her. Einige Beiträge beschäftigen sich mit der Innovationsfähigkeit ganzer Länder. 230
2.2.3.3 Forschungsmethodik
Die Forschungsmethodik einer Veröffentlichung gibt Aufschluss darüber, ob die
Forschungsfrage angemessen untersucht wurde. Neben den in Abschnitt 2.2.3.2
vorgenommenen Einteilungen der Beiträge in konzeptionelle, empirisch-qualitative
und empirisch-quantitative, können weitere methodische Aspekte analysiert werden. Eingegangen wird auf die untersuchten (1) Branchen und Länder, (2) die Befragungsteilnehmer, (3) die Definition und Operationalisierung der Innovationsfähigkeit in den Beiträgen und (4) den verwendeten Kontrollvariablen. Naturgemäß
stehen empirische Arbeiten im Vordergrund.
(1) Die untersuchten Unternehmen stammen in den meisten Beiträgen aus gleichen
oder ähnlichen Branchen, jedoch erfolgt die Einteilung nach Branchen unterschiedlich breit. Der Großteil der Beiträge betrachtet das verarbeitende Gewerbe als Branchenherkunft, wobei meist nicht spezifiziert wird, welchen Bereich daraus genau. 231
Die Betrachtung des Dienstleistungssektors kommt hierbei noch zu kurz, da sich die
Einflüsse auf die Innovationsfähigkeit und deren Ausgestaltung stark unterscheiden
können. 232 Gemeinhin ist es durchaus sinnvoll, Unternehmen aus ähnlichen Branchen zu vergleichen, da unterschiedlichen Branchen eigene Dynamiken zuzuschreiben sind, die sich folglich auf den Innovationsdruck im Unternehmen auswirken.233
Insgesamt wird der Schwerpunkt auf technologie- und forschungsgetriebene Branchen gelegt, was die immer noch verbreitete Ansicht widerspiegelt, dass diese innovativer sind.234 Einige wenige Arbeiten beinhalten auch verschiedene Branchen und
grenzen bei der Auswahl der Unternehmen nicht ein.235 Dies führt im Allgemeinen
zu branchenübergreifenden Ergebnissen, macht aber eine sinnvolle Auswahl von
Kontrollvariablen nötig (siehe auch Punkt 4 zu den Kontrollvariablen). Darüber
230
Vgl. Faber & Hesen (2004); Furman et al. (2002); Hu & Mathews (2008).
Vgl. Calantone et al. (2002); Cavusgil et al. (2003); Kochhar & David (1996); Prajogo & Ahmed (2006); Zhao et al. (2005).
232
Vgl. de Brentani (2002).
233
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 79.
234
Vgl. Chen & Wang (2008); Danneels (2002); Dutta et al. (2005); Henderson & Cockburn
(1994); Lin et al. (2010).
235
Vgl. Cakar & Ertürk (2010); Cavusgil et al. (2003); Faber & Hesen (2004); Hagedoorn & Duysters (2002); Yam et al. (2004); Yalcinkaya et al. (2007); Subramaniam & Youndt (2005); Persaud
(2005).
231
49
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
hinaus beschränkt sich eine Vielzahl von Untersuchungen auf Unternehmen aus
einem speziellen Land, wobei hochindustrialisierte wie die USA, Japan und europäische Länder im Vordergrund stehen.236 Dabei könnte ein Vergleich zwischen verschiedenen Ländern durchaus von Interesse sein, um zu klären, inwiefern die spezifische Landeskultur das Innovationsverhalten beeinflusst.
(2) Die Befragung der Teilnehmer erfolgte entweder in Form von standardisierten
Fragebögen, die per Mail oder Post zugestellt wurden oder mit Hilfe von Interviewleitfäden. Es wurde sich dabei hauptsächlich auf Unternehmensvertreter beschränkt.
Um der Vielschichtigkeit des Themengebietes gerecht zu werden, gaben CEOs,
CTOs, Marketing, Personal- sowie F&E Manager Auskunft. Dieses Vorgehen ist
zweifellos angemessen, weil verschiedene Manager Berührungspunkte mit dem Innovationsmanagement haben und je nach untersuchtem Aspekt der Manager einbezogen werden muss, der den entsprechenden Überblick über das Themengebiet
aufweist. Indem mehrere Manager befragt wurden, können auch Messfehler in
Form eines Common Method Bias vermieden werden. 237 Lediglich Capaldo und
Zaheer & Bell befragen Experten zu dem Thema, um unabhängig einzuschätzen,
wie innovativ das Unternehmen war.
(3) Ferner ist der Erkenntnisbeitrag einer Veröffentlichung wesentlich durch die
Qualität der Definition und Operationalisierung der Innovationsfähigkeit bestimmt.
Der Großteil der Beiträge hält sich bei der Definition der Innovationsfähigkeit an
die Beiträge der kompetenzbasierten Literatur.238 Damit wird die Innovationsfähigkeit als Fähigkeit angesehen, die auf Nutzung bestehender Ressourcen und Kompetenzen des Unternehmens basiert.239 Darunter versteht man eine angemessene Ressourcenallokation, Aufnahme von Wissen intern sowie extern, sowie dessen Assimilation und die Ausschöpfung des unternehmensinternen Potenzials. Dabei stützt
sich die Innovationsfähigkeit nicht nur auf existente Ressourcen und Fähigkeiten,
sondern wird von vielen Autoren eng mit der Erneuerung und Substitution von Fähigkeiten verstanden.240 Somit wird die Innovationsfähigkeit als eine dynamische
236
Vgl. Alegre et al. (2005); Atuahene-Gima (2005); Calantone et al. (2002); Carpenter et al.
(2003); Cavusgil et al. (2003); Cohen & Levinthal (1990); Dutta et al. (2005); Forsman (2009);
Hurley et al. (2005); Penner-Hahn & Shaver (2005); Persaud (2005).
237
Vgl. Homburg & Klarmann (2009), S. 147.
238
Vgl. Cohen & Levinthal (1990); Kogut & Zander (1992); Leonard-Barton (1992); Henderson &
Cockburn (1994); Teece (2007).
239
Vgl. Akman & Yilmaz (2008); Atuahene-Gima (2005); Cakar & Ertürk (2010); Capaldo et al.
(2003); Dutta et al. (2005); Forsman (2009); Hurley et al. (2005); Lawson & Samson (2001); Lin et
al. (2010); Luo & Bhattacharya (2006); Wang et al. (2008); Yalcinkaya et al. (2007).
240
Vgl. Yalcinkaya et al. (2007); Atuahene-Gima (2005); Akman & Yilmaz (2008); Cakar & Ertürk (2010); Cavusgil et al. (2003); Calantone et al. (2002).
50
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Fähigkeit definiert, die sich in Zeiten der Veränderungen anpasst und zu Veränderungsprozessen und damit Lernen im Unternehmen führt. 241
In einigen Veröffentlichungen werden zur Definition diese Eigenschaften in Zusammenhang mit der Transformation und Einführung von neuen Ideen, Produkten
und Prozessen gebracht, was die Innovationsfähigkeit darüber hinaus zur „(…) ability of the organization to adopt or implement new ideas, processes, or products
successfully“242 macht. In diesem Kontext wird von einigen Autoren explizit erwähnt, dass Innovationen das Ergebnis des aktiven Nutzens und Erneuerns der bestehenden Kompetenzen sind.243 Eine weitere Gruppe von Definitionsversuchen
negiert bewusst die kompenzbasierten Ansätze und definiert die Innovationsfähigkeit lediglich als Fähigkeit neue Produkte und Prozesse zu implementieren. 244 Lediglich O'Connor & DeMartino definieren die Innovationskompetenz auch als Prozess, der mehrere Phasen durchläuft (Discovery, Incubation, Acceleration) und sich
wiederholt.245 Insgesamt fällt zudem auf, dass viele Beiträge, die verschiedene Einflüsse auf die Innovationsfähigkeit untersuchen, keine Definition vornehmen.246
Dieses Vorgehen erscheint wenig sinnvoll, da eine angemessene Operationalisierung des Begriffes auf die Definition und die Wesensmerkmale angewiesen ist.
In Tab. 2-5 findet sich zusammenfassend ein Überblick mit den wichtigsten Ansätzen zur Definition der Innovationsfähigkeit und Autoren, die den jeweiligen Ansatz
nutzen.
241
Vgl. Teece (2007); Atuahene-Gima (2005); Yalcinkaya et al. (2007).
Hurley & Hult (1998), S. 44.
243
Vgl. u.a. Akman & Yilmaz (2008); Cakar & Ertürk (2010); Carpenter et al. (2003); Luo &
Bhattacharya (2006); Lawson & Samson (2001); Persaud (2005); Yalcinkaya et al. (2007); Herzhoff (1991), S. 47; Sammerl (2006).
244
Vgl. O'Connor & DeMartino (2006); Dervitsiotis (2010b); Furman et al. (2002); Hagedoorn &
Duysters (2002); Rackensperger (2008), S. 48; Kindermann (2007), S. 31.
245
Vgl. O'Connor & DeMartino (2006), S. 478, 489-491.
246
Vgl. Albornoz & Yoguel (2004); Alegre et al. (2005); Chen & Wang (2008); Faber & Hesen
(2004); Greve (2007); Hsieh & Tsai (2007); Hult & Ketchen, JR. (2001); Kochhar & David (1996);
Lages et al. (2009); Nassimbeni (2001); Oltra & Flor (2003); Paladino (2007); Penner-Hahn &
Shaver (2005); Prajogo & Ahmed (2006); Radosevic (2004).
242
51
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Definitionsansatz
Auswahl an Autoren und ihre Definitionsansätze
Innovationsfähigkeit
als Nutzung bestehender Kompetenzen & Ressourcen
Luo & Bhattacharya (2006), S. 6
“(…) defined as a firm’s ability to apply its internal knowledge
stock to produce new technology, new products/services, and other
new fronts.”
Persaud (2005), S. 413
“Innovative capability refers to the absorptive capacity of firms as
gauged by their ability to accumulate and exploit new knowledge,
leading to new and improved innovations that enhance their chances for growth and survival.”
Cakar & Ertürk (2010), S. 327
„Accordingly, the firm’s innovation capability is its ability to mobilize the knowledge, possessed by its employees, and combine it
to create new knowledge, resulting in product and/or process innovation.“
Cohen & Levinthal (1990), S. 128
„(…) ability to exploit external knowledge is crucial element of innovation capability.“
Guan & Ma (2003), S. 740
„Innovation capability is a special asset of a firm. It is tacit and
non-modifiable, and it is correlated closely with interior experiences and experimental acquirement.“
Lawson & Samson (2001), S. 384
'(…) innovation capability is therefore defined as the
ability to continuously transform knowledge and ideas into new
products, processes and systems for the benefit of the firm and its
stakeholders.“
Innovationsfähigkeit Atuahene-Gima (2005), S. 62
als dynamische Fä- „Successful product innovation demands that a firm must exploit
higkeit
its existing competencies while trying to avoid their dysfunctional
rigidity effects by renewing and replacing them with entirely new
ones.“
52
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Definitionsansatz
Auswahl an Autoren und ihre Definitionsansätze
Innovationsfähigkeit Forsman (2009), S. 224
als dynamische Fä- “(…) innovation capacity as a continuous improvement
higkeit
of capabilities and resources that an enterprise possesses to explore
and exploit opportunities for developing new products to meet the
market needs.”
Fähigkeit neue Pro- Lin et al. (2010), S. 113
dukte und Prozesse “Innovation capability refers to the implementation or creation of
zu implementieren technology as applied to systems, policies, programs, products,
processes, devices, or services that are new to an organization.”
Furman et al. (2002), S. 899
“National innovative capacity as the ability of a country to produce
and commercialize a flow of innovative technology over the long
run.”
Hurley et al. (2005), S. 281
“Innovative capacity which is the degree of innovations actually
produced or adopted by the organization.”
Innovationsfähigkeit O'Connor & DeMartino (2006), S. 478
als wiederholter
“A radical innovations competency, then, is the ability for a firm to
Prozess
commercialize radical innovations repeatedly.”
Tab. 2-5: Übersicht zu den Definitionen der Innovationsfähigkeit (Quelle: Eigene Darstellung)
Wenngleich die Definitionen der Innovationsfähigkeit Ähnlichkeiten aufweisen,
sind große Unterschiede bei den Operationalisierungen zu finden. Mehrheitlich wird
die Innovationskompetenz in unzureichender Weise als Ergebnis oder Output des
Innovationsprozesses dargestellt. So wird die Innovationsfähigkeit als Anzahl der
Einführung von neuen Produkten247, als Anteil des Verkaufs von neuen Produkten
am Gesamtumsatz248 oder Performance im Vergleich zu den Wettbewerbern 249 gemessen. Diese Variablen werden oftmals kombiniert, um ein ganzheitlicheres Bild
247
Vgl. Atuahene-Gima (2005); Calantone et al. (2002); Capaldo (2007); Hurley & Hult (1998);
Nassimbeni (2001).
248
Vgl. Albornoz & Yoguel (2004); Oltra & Flor (2003); Romijn & Albaladejo (2002); Zhao et al.
(2005).
249
Vgl. Atuahene-Gima (2005); Paladino (2009).
53
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
zu gewinnen.250 Die zugrundeliegende Logik dieser Messung fassen Hurley & Hult
zusammen:
“This capacity [gemeint ist die Innovationsfähigkeit, Anmerk. des Verfassers]
can be measured by the number of innovations an organization is able to adopt
or implement successfully.“251
Darüber hinaus wird unterschieden, wie neu die Produkte waren, die auf den Markt
gebracht wurden, d.h. ob es sich um eher radikale oder inkrementelle Innovationen
handelte.252 Oftmals wird in diesem Zusammenhang nur auf den Bestand an Patenten verwiesen, was die verbreitete Annahme widerspiegelt, dass Innovationen
zwangsläufig das Ergebnis von F&E darstellen.253 Albornoz & Yoguel (2004) und
Luo & Bhattacharya (2006) bilden zudem die Qualität der Produkte als Innovationsfähigkeit ab. 254 Patente und die Einführungen von Innovationen werden in keinem
Artikel zur Messung herangezogen, auch wenn dieses Vorgehen zeigen würde, inwiefern die beiden Variablen korrelieren.
Häufig wird die Innovationsfähigkeit anhand von Inputfaktoren, d.h. Ressourcen
und Kompetenzen im Unternehmen operationalisiert.255 Unterschieden wird dabei
grundsätzlich zwischen den Ressourcen und Fähigkeiten des Unternehmens 256, aber
auch der Wandel bzw. die Lernfähigkeit dieser wird als Innovationsfähigkeit 257 dargestellt. Diese Einteilung ist damit weitgehend konform mit den Definitionen in
diesem Bereich. Gleichwohl werden in der Regel nur ausgewählte Mechanismen
der Innovationsfähigkeit betrachtet. Es existieren kaum Studien, in denen eine systematische und umfassende Berücksichtigung aller bekannten Ressourcen und
Kompetenzmechanismen angestrebt wird. Die Auswahl der relevanten Aspekte erscheint fast willkürlich: Albornoz & Yoguel (2004) thematisieren die HR-Fähigkeit
und F&E-Strukturen, Atuahene-Gima (2005) gehen auf ‚Competence Exploitation’
und ‚Competence Exploration’ ein, Cakar & Ertürk (2010) operationalisieren nur
durch die ‚New Product Development’ Kompetenz, wohingegen Yam et al. (2004)
250
Vgl. Atuahene-Gima (2005); Souitaris (2002).
Hurley & Hult (1998), S. 44.
252
Vgl. Subramaniam & Youndt (2005); Yalcinkaya et al. (2007); Atuahene-Gima (2005).
253
Vgl. Chen & Wang (2008); Faber & Hesen (2004); Furman et al. (2002); Hagedoorn &
Duysters (2002); Henderson & Cockburn (1994); Hu & Mathews (2008).
254
Vgl. Albornoz & Yoguel (2004); Luo & Bhattacharya (2006).
255
Vgl. Akman & Yilmaz (2008); Carpenter et al. (2003); Cakar & Ertürk (2010); Cohen & Levinthal (1990); Guan & Ma (2003); Yam et al. (2004); Atuahene-Gima (2005); Cavusgil et al. (2003);
Lages et al. (2009); Prajogo & Ahmed (2006).
256
Vgl. Akman & Yilmaz (2008); Carpenter et al. (2003); Cakar & Ertürk (2010); Cohen & Levinthal (1990); Guan & Ma (2003); Yam et al. (2004).
257
Vgl. Atuahene-Gima (2005); Cavusgil et al. (2003); Lages et al. (2009); Prajogo & Ahmed
(2006).
251
54
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
recht ausführlich die Lernfähigkeit, F&E- Kompetenz, Ressourcenallokation, die
Marketing-, Technologie-, Produktions- und strategische Planungskompetenz heranziehen.258 Rackensperger benennt Strategie, Führung, Innovationsprozess, Unternehmenskultur und Organisationsstruktur, wohingegen Sammerl internes Lernen,
Lernen von Kunden, Innovationsprozessmanagement, Innovationsportfoliomanagement sowie Innovationskultur aufgreift.259 Ferner beziehen sich insbesondere Atuahene-Gima, Subramaniam & Youndt sowie Yalcinkaya et al. mit ihren Operationalisierungen auf das Forschungsgebiet der „Organizational Ambidexterity“,
welches erfolgreichen Unternehmen grundsätzlich zwei Fähigkeiten zuspricht: (1)
Fähigkeiten zur ‚Exploitation’, d.h. zur Nutzung und Verbesserung bestehender
Kompetenzen sowie (2) Fähigkeiten zur ‚Exploration’, der Akquisition neuer Kompetenzen und Nutzung neuer Marktchancen.260 In dem die Autoren diese Fähigkeiten in Zusammenhang mit Innovationen setzen, gehören sie zu den wenigen Arbeiten, die eigentliche Fähigkeitsmechanismen abbilden können. 261
Lediglich Albornoz & Yoguel (2004), Atuahene-Gima (2005), Cavusgil et al.
(2003), Hsieh & Tsai (2007), Nassimbeni (2001), Penner-Hahn & Shaver (2005)
und Yalcinkaya et al. (2007) verwenden eine Kombination aus Input- und Outputvariablen. Ausnahmen in der Operationalisierung bilden Dutta et al. (2005) sowie
Faber & Hesen (2004), welche die Innovationsfähigkeit als eine Effizienzgröße
(Transformation des Inputs in Output) darstellen und Calantone et al. (2002), Hult
& Ketchen, JR. (2001), Lages et al. (2009) die Innovationskultur als Innovationskompetenz modellieren.
(4) Schließlich stellt auch (Nicht-)Beachtung von Kontrollvariablen einen bedeutenden Aspekt zur Bewertung der Qualität der Beiträge dar. Der Großteil der Veröffentlichungen verweist nicht explizit auf Kontrollvariablen in ihrer Untersuchung,
was die Bewertung der Ergebnisse dieser Arbeiten erschwert. 262 Die restlichen Beiträge greifen auf branchen- und firmenspezifische Aspekte zurück. Die Abfrage von
branchenspezifischen Eigenschaften wie Porters Five Forces macht vor allem bei
branchenübergreifenden Vergleichen Sinn. Firmenspezifische Charakteristika wie
Größe, Alter, F&E-Intensität können zudem die Strukturen im Unternehmen so beeinflussen, dass Innovationen gefördert oder gehemmt werden. 263 Tab. 2-6 gibt
Aufschluss über die verwendeten Kontrollvariablen.
258
Vgl. Yam et al. (2004), S. 1130.
Vgl. Rackensperger (2008), S. 58; Sammerl (2006), S. 238.
260
Vgl. dazu auch March (1991); Jansen et al. (2006); McGrath (2001).
261
Vgl. Atuahene-Gima (2005); Subramaniam & Youndt (2005); Yalcinkaya et al. (2007).
262
Vgl. Akman & Yilmaz (2008); Alegre et al. (2005); Calantone et al. (2002); Hurley et al.
(2005); Oltra & Flor (2003).
263
Vgl. Enders et al. (2009), S. 20; Reger (2001), S. 533.
259
55
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Unternehmensspezifische Kontrollvari- Branchenspezifische Kontrollvariablen
ablen
 Unternehmensalter
 Unternehmensgröße
 Marktdynamik (auch „Environmental
Turbulence“)
 F&E-Intensität
 Marktchancen
 Marktkomplexität
 Patentbestand
 Branchenabfrage
 Bisherige Umsatzperformance
 Wettbewerbsintensität
 Verfügbares Kapital
 Diversifizierung
 Quelle des Wettbewerbsvorteils
 Teamgröße
 Bestehende Kompetenzen (Marketing,
Technologie)
Tab. 2-6:
Verwendete Kontrollvariablen in den Veröffentlichungen (Quelle:
Eigene Darstellung)
2.2.3.4 Forschungsergebnisse
Die Forschungsergebnisse können grundsätzlich in verschiedenen Kategorien dargestellt werden: (1) ressourcentheoretische Ansätze, die sich auf die Innovationsfähigkeit anwenden lassen, (2) Rahmenmodelle zur Innovationsfähigkeit und (3) Einflussfaktoren auf die Innovationsfähigkeit. Anschließend werden die wichtigsten
Ergebnisse der bisherigen Forschung zur Innovationsfähigkeit in diesen Kategorien
diskutiert.
(1) Die Beiträge, die auf dem ressourcentheoretischen Ansatz beruhen und teilweise
in Kapitel 2.1.2 behandelt wurden, kommen insgesamt zu ähnlichen Ergebnissen
und leiten wichtige Erkenntnisse für die Innovationsfähigkeit ab. Die Autoren unterscheiden grundsätzlich zwischen zwei Kompetenzen: Ressourcen und Grundkompetenzen, die bedeutend für das Ablaufen von Routineprozessen im Unternehmen sowie für das Nutzen und Ausschöpfen des firmeninternen Wissens oder
Know-hows sind und Kompetenzen, die nötig sind, um das bestehende Wissen und
die bestehenden Fähigkeiten im Unternehmen zu erneuern. 264 Kogut & Zander nen-
264
Vgl. Kogut & Zander (1992), S. 384; Henderson & Cockburn (1994), S. 65; March (1991), S.
71.
56
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
nen diese zweite Fähigkeit die „kombinative Fähigkeit“, welche die grundlegenden
Informationen und Know-how anwendet, sowie durch Rekombinierung dieser neue
Fertigkeiten hervorbringt.265 Henderson & Cockburn verwenden für das gleiche
Konzept den Begriff der „architectural component“. 266 Insgesamt müssen Unternehmen demnach die vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen nutzen und einem
ständigen Wandel unterziehen, da sich die Umwelt auch verändert. Daher nutzt Teece (2007) den Begriff der dynamischen Fähigkeiten. 267 Er kategorisiert diese Fähigkeiten in drei Hauptkompetenzen: (1) die Fähigkeit Chancen und Bedrohungen
wahrzunehmen, (2) erste Konsequenzen daraus zu ziehen und mit neuen Produkten,
Prozessen sowie Wissen zu reagieren und (3) die Fähigkeiten des wachsenden Unternehmens fortlaufend zu konfigurieren.268 Er argumentiert:
“When opportunities are first glimpsed, entrepreneurs and managers must figure
out how to interpret new events and developments, which technologies to pursue, and which market segments to target.“269
Die Notwendigkeit die Kompetenzen weiterzuentwickeln, fasst er wie folgt zusammen:
“A key to sustained profitable growth is the ability to recombine and to reconfigure assets and organizational structures as the enterprise grows, and as markets and technologies change, as they surely will. Reconfiguration is needed to
maintain evolutionary fitness and, if necessary, to try and escape from unfavourable path dependencies.”270
Wenngleich Teece feststellt, dass sich die dynamischen Fähigkeiten in jedem Unternehmen andersartig darstellen, finden Eisenhardt & Martin Ähnlichkeiten abhängig von der jeweiligen Marktdynamik.271 In Zeiten von moderatem Wandel entsprechen die dynamischen Fähigkeiten den traditionellen Routinen im Unternehmen
und werden durch stabile, detaillierte Prozesse widergespiegelt. Verändern sich die
Märkte schnell und umbruchartig, sind die Prozesse experimentell und fragil mit
unberechenbarem Ergebnis.272 Grundlagen sind in den von Cohen & Levinthal
(1990) entwickelten absorptiven Fähigkeiten zu sehen, die es ermöglichen, externe
265
Vgl. Kogut & Zander (1992), S. 384.
Vgl. Henderson & Cockburn (1994), S. 65.
267
Vgl. Teece (2007), S. 1322.
268
Vgl. Teece (2007), S. 1322.
269
Teece (2007), S. 1322.
270
Teece (2007), S. 1335.
271
Vgl. Eisenhardt & Martin (2000), S. 1105.
272
Vgl. Eisenhardt & Martin (2000), S. 1116.
266
57
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Informationen zu erkennen, zu assimilieren und in neue Produkte umzuwandeln. 273
Dabei identifizieren sie vorheriges Wissen als Voraussetzung und Katalysator für
die Aufnahme und Verarbeitung weiterer Informationen.274
Dass nicht nur die bestehenden Kernkompetenzen ausreichen, unterstreicht Leonard-Barton in einer Studie zur Neuproduktentwicklung.275 Die Kernkompetenzen
basieren dabei auf vier Dimensionen: (1) das Wissen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter eingebunden in (2) technische Systeme, den Prozess der Wissensentstehung
und -kontrolle in Form des (3) Managementsystems und schließlich (4) die Werte
und Normen, die mit den genannten Prozessen und Einstellungen verknüpft sind.276
Sie zeigt auf, dass je höher die Kongruenz zwischen dem Innovationsprojekt und
den vier Dimensionen ist, desto mehr wirken diese Kernkompetenzen förderlich.
Diese Kernkompetenzen ermöglichen in diesem Fall kontinuierlich neue Produkte
und Prozesse zu generieren, weil Ressourcen in die Suche nach neuen Anwendungsgebieten investiert werden. Gleichzeitig können diese Kernkompetenzen die
Generierung von Innovationen behindern. Bei nicht vorhandener Kongruenz zwischen Kernkompetenzen und Innovationsprojekt werden sie zu Kernhindernissen.
In diesem Zusammenhang stellen sie eine Hürde für die Entwicklungsprojekte
dar.277
Atuahene-Gima (2005), Subramaniam & Youndt (2005) sowie Yalcinkaya et al.
(2007) stellen einen Zusammenhang zwischen dem von March (1991) entwickelten
Konzept der Kompetenzexploitation und -exploration und der Innovationsfähigkeit
her.278 Unter Kompetenzexploitation versteht sich „(…) the tendency of a firm to
invest resources to refine and extend its existing product innovation knowledge,
skills and processes”279. Wenn in einem Unternehmen nur Kompetenzexploitation
vollzogen wird, werden sich schnell die bestehenden Kompetenzen in Kernhindernisse nach dem Verständnis von Leonard-Barton wandeln.280 Daher sind ähnlich
wie bei den „Dynamic Capabilities“, „Arcitectural Component“ sowie „Combinative Capabilities“, Lern- oder Veränderungsprozesse nötig, welche durch die Kompetenzexploration ausgedrückt werden.281 Damit wird die Kompetenzexploration als
Tendenz des Unternehmens definiert, in Ressourcen zu investieren, um neues Wis-
273
Vgl. Cohen & Levinthal (1990), S. 131.
Vgl. Cohen & Levinthal (1990), S. 135f.
275
Vgl. Leonard-Barton (1992), S. 111.
276
Vgl. Leonard-Barton (1992), S. 114.
277
Vgl. Leonard-Barton (1992), S. 118ff.
278
Vgl. Atuahene-Gima (2005), S. 61; Yalcinkaya et al. (2007), S. 66.
279
Atuahene-Gima (2005), S. 62.
280
Vgl. Leonard-Barton (1992), S. 111; Atuahene-Gima (2005), S. 61.
281
Vgl. March (1991), S. 71; Levinthal & March (1993), S. 95.
274
58
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
sen, neue Fertigkeiten und Prozesse zu akquirieren. 282 Die Kompetenzexploration
ermöglicht insofern Flexibilität und Neuartigkeit der Produktinnovationen durch
verstärkte Variation und Experimentierfreudigkeit herzustellen. Prinzipiell sind Unternehmen eher bereit in Kompetenzexploitation zu investieren. Um langfristig erfolgreich zu sein, ist jedoch eine Balance zwischen Kompetenzexploitation und
Kompetenzexploration notwendig.283 Diese Ansätze stützen sich auf die Theorie der
organisationalen Ambidextrie, die ebenso davon ausgeht, dass erfolgreiche Unternehmen gleichzeitig bestehende Geschäfte effizienter gestalten und Anpassungen an
Umfeldveränderungen durchführen.284
Insgesamt zeigt sich, dass die kompetenzbasierten Ansätze meist zu den gleichen
Ergebnissen kommen, wenngleich die Begrifflichkeiten zu anderen Oberbegriffen
zusammengefasst werden. Abschließend bleibt zu klären, in welchen Zusammenhang die Autoren diese Kompetenzen auf die Innovationsfähigkeit beziehen. In allen Beiträgen wird immer ein Bezug zu den Innovationen und der Innovationsfähigkeit hergestellt. Grundsätzlich werden die dargestellten Kompetenzen als Voraussetzung bzw. zugrundeliegender Mechanismus der Innovationsfähigkeit verstanden. Cohen & Levinthal argumentieren, dass die Fähigkeit externes Wissen aufzunehmen und zu assimilieren ein wichtiges Element der Innovationsfähigkeit darstellt.285 Kogut & Zander hingegen kommen zur Erkenntnis, dass Innovationen Ergebnis der kombinativen Fähigkeiten sind und damit das Lernen widerspiegeln. 286
Unter dynamischen Fähigkeiten versteht Teece Unternehmensfähigkeiten, die
schwer reproduzierbar sind, wie z.B. die Fähigkeit Innovationen hervorzubringen. 287 Wie auch Cohen & Levinthal mit den absorptiven Fähigkeiten kommt Teece
zu dem Ergebnis, dass die dynamischen Fähigkeiten Grundlage für die Generierung
und Implementierung erfolgreicher Innovationen sind.288 Weiterhin werden Kompetenzexploitation und -exploration als Mechanismus in der Entstehung von Innovationen gesehen und sind eng mit der Generierung von inkrementellen und radikalen
Innovationen verbunden. Die Fähigkeit inkrementelle Innovationen zu generieren
basiert auf gestärktem bisherigem Know-how, wohingegen die radikale Innovationsfähigkeit auf neuartigem oder gewandeltem Wissen beruht.289
Eine Darstellung der verschiedenen Begriffe und deren Inhalte sowie dem Bezug
zur Innovationsfähigkeit wird in Tab. 2-7 dargestellt.
282
Vgl. Atuahene-Gima (2005), S. 62.
Vgl. March (1991), S. 85; McGrath (2001), S. 119.
284
Vgl. Tushman & O'Reilly (1996), S. 8; Gibson & Birkinshaw (2004), S. 209.
285
Vgl. Cohen & Levinthal (1990), S. 128.
286
Vgl. Kogut & Zander (1992), S. 385.
287
Vgl. Teece et al. (1997), S. 516; Teece (2007), S. 1320.
288
Vgl. Teece (2007), S. 1320.
289
Vgl. Subramaniam & Youndt (2005), S. 452.
283
59
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Autor
Cohen/ Levinthal (1992)
Erläuterung
 Beschreibt die Fähigkeit externe Informationen zu erkennen, zu assimilieren („Absorptive Capacity“)
 Grundlage um neues Wissen
zu akquirieren und zu nutzen
LeonardBarton (1992)
Kogut/Zander
(1992)
 Assimilierte Wissen äußert sich in
neuen Produkten
 Unterstreicht die Bedeutung der
kontextabhängigen Kernkompetenzen
 Beschreibt die Fähigkeit neues Wissen und neue Fähigkeiten aufzubauen und anzuwenden („Combinative Capability“)
 Innovationen entstehen als Ergebnis der kombinativen Fähigkeiten
 Beschreibt zunächst Fähigkeiten und Wissen, welche
nötig sind, um Routineprozesse ablaufen zu lassen
(„Component Competence“)
 Wichtig die Fähigkeit zu besitzen, die Kompetenzen zu
nutzen, zu integrieren und zu
erneuern („Arcitechtural
Competence“)
Teece (2007)
 Fähigkeit externes Wissen aufzunehmen stellt Element der Innovationsfähigkeit dar
 Beschreibt allgemein Kernkompetenzen und Bedingungen in denen diese zu Kernhindernissen werden
 Neue Fähigkeiten werden
durch Lernen erzeugt und
durch Rekombinations
Henderson/
Cockburn
(1994)
Bedeutung Innovationsfähigkeit
 Innovationsfähigkeit als eine zentrale Kernkompetenz des Unternehmens
 Daher ist die kombinative Fähigkeit durchaus als ein Bestandteil
der Innovationsfähigkeit anzusehen
 Beide Kompetenzen nötig, um
Innovationen umzusetzen
 Unterscheidet ebenso zwi Innovationsfähigkeit wird als dyschen alltäglichen Ressourcen
namische Fähigkeit dargestellt,
und Fähigkeiten und den dydie sich fortlaufend den Bedinnamischen Fähigkeiten
gungen des Marktes anpassen
muss
 Dynamische Fähigkeit dient
zur Anpassung bestehender
Kompetenzen in Zeiten der
Veränderung
60
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Autor
Erläuterung
AtuaheneGima (2005),
Subramanian/
Youndt
(2005),
Yalcinkaya et
al. (2007)
Tab. 2-7:
 Unternehmen benötigen Balance zwischen Kompetenzausschöpfung (Stärkung
und Verbesserung von bestehenden Produktwissen und –
ferigkeiten) und Kompetenzexploration (Akquisition von
neuem Produktwissen und –
fertigkeiten)
Bedeutung Innovationsfähigkeit
 Kompetenzausschöpfung und –
exploration sind der zentrale Mechanismus in der Entstehung von
Innovationen
 Insgesamt als zu Grunde liegender
Mechanismus der Innovationsfähigkeit zu sehen
Begriffe in der kompetenzbasierten Literatur und deren Bezug zur
Innovationsfähigkeit (Quelle: Eigene Darstellung)
(2) Die Entwicklung von Rahmenmodellen für die Innovationsfähigkeit wird vor
allem in empirisch-qualitativen Beiträgen auf Grundlage von Fallstudien vorgenommen.290 Dabei unterscheiden sich die Modelle recht stark in Form und Ausgestaltung. Adams et al. (2006) entwerfen nicht direkt ein Modell für die Innovationsfähigkeit, bringen aber verschiedene Vorschläge zur Messung des Innovationsmanagements zusammen und identifizieren Messvariablen zu den Prozessphasen des
Innovationsmanagements. 291 In diesem Zusammenhang gelingt es ihnen Lücken in
der bisherigen Theorie zur Messung aufzuzeigen. Sie schlagen folgende Kategorien
für das Modell vor: Inputmanagement, Wissensmanagement, Innovationsstrategie,
Organisationskultur und -struktur, Portfoliomanagement, Projektmanagement und
Vermarktung.292 In der Arbeit wird damit zusammengefasst:
“The capacity of organizations to innovate is determined by multiple factors that
relate both to their own internal organization and to their market environment.”293
Die Kategorien von Adams et al. sind grundsätzlich als sehr vollständig zu betrachten, da alle möglichen Faktoren aufgenommen wurden. Im Vergleich dazu schlussfolgern Lawson & Samson (2001), dass die Innovationsfähigkeit ein nicht separat
existierendes Konstrukt ist, sondern vielmehr aus verschiedenen Praktiken und Pro-
290
Vgl. Adams et al. (2006); Lawson & Samson (2001); O'Connor (2008); Story et al. (2009);
Schreiner (2006).
291
Vgl. Adams et al. (2006), S. 22.
292
Vgl. Adams et al. (2006), S. 22.
293
Adams et al. (2006), S. 38.
61
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
zessen besteht.294 Dabei identifizieren sie die Kernelemente Vision und Strategie,
Kompetenzausschöpfung, Organisationsqualität, Kreativitäts- und Ideenmanagement, Organisationsstruktur und -systeme, Kultur und Klima sowie Technologiemanagement.295 Sie verstehen die Innovationsfähigkeit letztlich als Grundlage
für die Erneuerung von Wissen, Fähigkeiten und die Schaffung von neuem Wert für
die Kunden, die es schafft, die Grundfunktionen des Unternehmens mit der Schaffung von neuen Produkten und Prozessen zu integrieren. 296 Zu ähnlich umfassenden
Ergebnissen kommt auch Schreiner (2006) in seinem Kompetenzmodell, wohingegen er zur besseren Einordnung der einzelnen Faktoren drei Kompetenzebenen unterscheidet: (a) strategisches Innovationsleitbild, (b) Innovationsprozesskompetenz
und (c) funktionale Kompetenz.297 Herzhoff verweist in diesem Zusammenhang auf
organisationsbezogene, informations- und mitarbeiterbezogene, kommunikative,
unternehmenspolitische sowie situative Faktoren.298 Rackensperger hingegen konkretisiert weiter und nutzt Strategie, Führung, Innovationsprozess, Unternehmenskultur sowie -struktur zur Konzeptionalisierung. 299 Pulkkanen et al. (2004) geben
nicht derart detailliert Auskunft über die Innovationsfähigkeit, aber beziehen sich in
ihrem Ansatz auf Maßnahmen zu strategischen Kooperationen, die den gesamten
Innovationsprozess inklusive dem Wandel im Unternehmen unterstützen sowie
Maßnahmen zum schnellen Handeln, meist ausgeführt durch externe Experten. 300
294
Vgl. Lawson & Samson (2001), S. 388.
Vgl. Lawson & Samson (2001), S. 388.
296
Vgl. Lawson & Samson (2001), S. 383.
297
Vgl. Schreiner (2006), S. 94ff.
298
Vgl. Herzhoff (1991), S. 48f.
299
Vgl. Rackensperger (2008), S. 58ff.
300
Vgl. Pulkkanen et al. (2004), S. 38.
295
62
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Adams et al. (2006)
Lawson/Samson (2001)
O’Connor (2008)
Input management
Vision & strategy
Discovery
Knowledge
management
Competence
exploitation
Incubation
Innovation strategy
Quality of organization
Organization structure
& culture
Creativity & Idea
management
Portfolio management
Organizational structure
and systems
Project management
Culture & Climate
Commercialization
Technology
management
Abb. 2-6:
Acceleration
Commercialization
Ergänzt durch Story
et al. (2009)
Elemente ausgewählter Modelle zur Innovationsfähigkeit (Quelle:
Eigene Darstellung)
Lediglich O'Connor & DeMartino (2006) und Story et al. (2009) beschränken sich
in ihrer Betrachtung auf die radikale Innovationskompetenz und nutzen einen prozessorientierten Ansatz zur Klärung der einzelnen Elemente. O'Connor & DeMartino (2006) entwerfen dabei die drei Tätigkeiten: Entdeckung, Inkubation und Beschleunigung, die nötig sind, um eine radikale Innovationskompetenz aufzubauen.
Die Entdeckungsfähigkeit bezieht sich auf alle Aktivitäten, die Chancen für radikale
Innovationsprojekte erkennen, ausarbeiten und kommunizieren. 301 Die Inkubationsphase bezieht sich auf alle Kompetenzen, die die Idee reifen lassen und zu konkreten Geschäftsvorschlägen führen, wohingegen die Beschleunigungsaktivitäten diese
Geschäftsvorschläge zu konkreten eigenständigen Projekten wandeln, die in Bezug
zu finanziellen Größen (z.B. erwarteter Umsatz) gesetzt werden. 302 Bestätigt werden
sie dabei von Story et al. (2009), die ihr Modell lediglich durch das Element Vermarktung, d. h. die Fähigkeit, das Produkt erfolgreich an den Markt zu bringen, ergänzen. 303 Einzig Un (2002) beschäftigt sich mit der organisatorischen Struktur, die
301
Vgl. O'Connor & DeMartino (2006), S. 489.
Vgl. O'Connor & DeMartino (2006), S. 490f.
303
Vgl. Story et al. (2009), S. 475.
302
63
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
eine Innovationskompetenz entstehen lässt und leitet aus Fallstudien drei Möglichkeiten ab: organisationsbasiert, teambasiert und eine gemischte Form. 304 Der Großteil dieser Beiträge bezieht sich demnach auf vielfältige Faktoren im Unternehmen,
die die Innovationsfähigkeit charakterisieren.305 Dabei fällt auf, dass diese nicht nur
die direkt mit dem Innovationsmanagement verbundenen Faktoren beinhalten, sondern allgemeine Hygienefaktoren, die scheinbar zur Entwicklung von Innovationen
nötig sind.
(3) Der Großteil der empirisch-quantitativen und einige empirisch-qualitative Untersuchungen identifizieren Einflussfaktoren auf die Innovationsfähigkeit. 306 Insgesamt lassen sich die Faktoren der strategischen Ebene, der Unternehmenskultur und
den Ressourcen sowie Fähigkeiten des Unternehmens zuordnen. Gleichwohl sind
die einzelnen untersuchten Einflussfaktoren sehr divers und selten in anderen Arbeiten wiederzufinden, was sich auf die unterschiedlich angelegten Untersuchungsfragen und -designs zurückführen lässt. Damit lässt sich aber keine weitgehende Einigkeit zu diesen Faktoren herstellen. Akman & Yilmaz (2008) belegen einen positiven Einfluss der Innovationsstrategie, Kunden- und Wettbewerbsorientierung auf
die Innovationsfähigkeit. 307 Atuahene-Gima (2005) bestätigt die Erkenntnisse zur
Kunden- und Wettbewerbsorientierung, wohingegen Paladino (2007) zusammenfassend die Marktorientierung und Ressourcenorientierung eines Unternehmens für
förderlich hält.308 Für die Technologieorientierung konnten sie keinen signifikanten
Zusammenhang bestätigen. 309 Quintana-Garcia & Benavides-Velasco (2004) untersuchen Kooperationsstrategien und liefern Belege dafür, dass eine Zusammenarbeit
mit Wettbewerbern die Innovationsfähigkeit steigert, wohingegen Zhao et al. (2005)
einen positiven, wenngleich auch differenzierten, Zusammenhang zwischen allen
möglichen Technologiequellen und der Innovationskompetenz dokumentieren. 310
Darüber hinaus belegen Studien, dass spezifische Faktoren der Unternehmenskultur
beeinflussend wirken. Die Offenheit gegenüber Innovationen und die Bereitschaft
des Unternehmens diese zu fördern sowie Risiken einzugehen 311, eine allgemeine
304
Vgl. Un (2002), S. 5.
Vgl. Adams et al. (2006), S. 22; Rackensperger (2008), S. 58ff.; Schreiner (2006), S. 94ff.
306
Vgl. Akman & Yilmaz (2008); Atuahene-Gima (2005); Paladino (2007); Quintana-Garcia &
Benavides-Velasco (2004); Zhao et al. (2005); Hurley & Hult (1998), Cakar & Ertürk (2010);
Furman et al. (2002); Oltra & Flor (2003); Penner-Hahn & Shaver (2005); Romijn & Albaladejo
(2002); Yam et al. (2004).
307
Vgl. Akman & Yilmaz (2008), S. 69.
308
Vgl. Atuahene-Gima (2005), S. 61; Paladino (2007), S. 534.
309
Vgl. Paladino (2007), S. 534.
310
Vgl. Quintana-Garcia & Benavides-Velasco (2004), S. 927; Zhao et al. (2005), S. 209.
311
Vgl. Hurley & Hult (1998), Cakar & Ertürk (2010).
305
64
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Positiver Einfluss
Lernorientierung312 sowie eine klare Führung des Unternehmens 313 bestärken die
Innovationsfähigkeit. Zudem standen oftmals einzelne Ressourcen und Kompetenzen des Unternehmens im Vordergrund. F&E und das in diesem Bereich generierte
Wissen wurden von verschiedenen Autoren als positiver Faktor identifiziert.314
Ressourcen/Fähigkeiten
Strategie
Andere Faktoren
• Fähigkeit zur Bildung und
Aufrechterhaltung eines
unternehmensinternen
Netzwerkes
• Marketingressourcen
• Technologische
Ressourcen
• F&E Kompetenz
• Ressourcenallokation
• Humankapital
(inkrementelle
Innovationsfähigkeit)
• Soziales Kapital
• Organisationelles Kapital
• Patente/F&E Intensität
• Kreativität
• Gesamte strategische
Ausrichtung
• Kundenorientierung
• Lernorientierung
• Marktorientierung
• Ressourcenorientierung
• Bestimmte Komponenten
der Strategiebildung
(Analyse des Umfelds,
Proaktivität,
Langfristorientierung)
• Kooperationen mit
Wettbewerbern, Kunden
• Vergangene Entwicklung
• Wissenstransfer
• Interne und externe
soziale Netzwerke
• Innovationskultur
• Ad-hoc CustomerRelationshipManagement
• Diversifizierte
Technologienutzung
• Incentives
• Nähe zu den Lieferanten
• Quelle der Technologie
Kein signifikanter
Einfluss
Negativer
Einfluss
• Humankapital (nur auf die radikale Innovationsfähigkeit)
Strategie
Andere Faktoren
• Wettbewerbsorientierung
• Technologieorientierung
• Netzwerkstrukturen
• Kundenmiteinbeziehung ( nur auf Prozess
und Verwaltungsinnovationen)
• Langzeitpartnerschaften
(Marketinginnovationen)
• Technologiebasierten CustomerRelationship-Management
• Kooperationen mit Universitäten
Abb. 2-7: Untersuchte Faktoren und nachgewiesener Einfluss auf die Innovationsfähigkeit (Quelle: Eigene Darstellung)
312
Vgl. Calantone et al. (2002).
Vgl. Prajogo & Ahmed (2006).
314
Vgl. Furman et al. (2002); Oltra & Flor (2003); Penner-Hahn & Shaver (2005); Romijn & Albaladejo (2002); Yam et al. (2004); auch in Argumentation von Cohen & Levinthal (1990) berücksichtigt.
313
65
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Die Anbindung und Nutzung von Netzwerken konnte ebenso nachweislich als positiver Faktor nachgewiesen werden. 315 Vereinzelt wurden folgende Zusammenhänge
festgestellt: Technologische Spezialisierung bzw. Diversifizierung316, Beziehungsmanagement317, Wissensmanagement und -transfer318, Kreativitäts- und Personalmanagement319, Human- und Sozialkapital320 und das Vorhandensein von Marktsowie Technologieressourcen321 tragen alle zur Innovationskompetenz bei.
In den Beiträgen, in denen die Innovationsfähigkeit als moderierende oder unabhängige Variable gestaltet wurde, ließ sich ein signifikanter Einfluss auf die Innovationsperformance322, die Firmenperformance sowie den Wettbewerbsvorteil323 erkennen.
Auffällig ist zudem, dass die identifizierten Faktoren auch in der Erfolgsfaktorenforschung untersucht werden, d.h. wann genau erfolgreiche Innovationen hervorgebracht werden.324 Dass dies teilweise mit den hier identifizierten Faktoren übereinstimmt, ist insofern nicht verwunderlich, da ein Unternehmen, welches erfolgreich
Innovationen auf den Markt bringt, konsequenterweise über eine gute Innovationskompetenz verfügt. Gleichwohl liegt der Ausgangspunkt der Betrachtung in den
Faktoren, die das Management erfolgreicher Innovationen bestimmen und nicht zu
sehr in den Ressourcen und Kompetenzen. Vernachlässigt werden damit Faktoren,
die sich auf die Ressourcen und Fähigkeiten des Unternehmens stützen, welche einen großen Unterschied in den Betrachtungsweisen darstellen und daher die vorliegende Vorgehensweise bestätigen.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass vor allem bestimmte organisatorische Prinzipien im Unternehmen, wie eine allgemeine Marktorientierung und strategische Ausrichtung positiv auf die Innovationsfähigkeit wirken. Es bleibt fraglich, ob nicht
Ressourcenausstattungen und -mechanismen grundsätzlich die Innovationsfähigkeit
ausmachen, anstatt sie zu „beeinflussen“.
315
Vgl. Chen & Wang (2008); Hu & Mathews (2008); Capaldo (2007).
Vgl. Furman et al. (2002); Quintana-Garcia & Benavides-Velasco (2008).
317
Vgl. Lages et al. (2009).
318
Vgl. Cavusgil et al. (2003); Prajogo & Ahmed (2006).
319
Vgl. Prajogo & Ahmed (2006).
320
Vgl. Subramaniam & Youndt (2005); Wang et al. (2008).
321
Vgl. Danneels (2002).
322
Vgl. Akman & Yilmaz (2008); Cavusgil et al. (2003); Prajogo & Ahmed (2006).
323
Vgl. Calantone et al. (2002); Hult & Ketchen, JR. (2001); Zaheer & Bell (2005).
324
Vgl. Luo & Bhattacharya (2006).
316
66
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
2.2.4 Diskussion
Zentrale Diskussionspunkte stellen das (1) Begriffsverständnis und (2) die damit
verbundenen Operationalisierungen sowie (3) die Umsetzung der empirischen Untersuchungen dar.
(1) Grundsätzlich liegt bei der Bestimmung des Begriffsverständnisses der Innovationsfähigkeit ein Hauptproblem vor: die undifferenzierte und unklare Konzeption
der Begrifflichkeiten.
Zunächst sind die Begriffsdefinitionen in diesem Zusammenhang vor allem zirkulär, d.h. die Innovationsfähigkeit wird als eine eigenständige Fähigkeit definiert,
bestehend aus anderen Fähigkeiten des Unternehmen, die wiederum durch ein Bündel weiterer Fähigkeiten erklärt werden. 325 Williamson vermerkt zu der Definition
von Teece: „(…) it comes perilously close to saying that a core competence is a
competence that is core“326. Bei genauerem Untersuchen der Definitionen scheint,
dass es vielfach reicht, den Fähigkeitsbegriff umfassend genug anzulegen, um jedes
beobachtbare Handeln und Handlungsergebnis damit zu erklären. Denn letztlich
wird die Innovationsfähigkeit als Bündel an Ressourcen und Fähigkeiten zusammen-gefasst, inklusive der Nutzung und Allokation dieser sowie des geeigneten
Wandels der vorhergehenden Ressourcen und Fähigkeiten. Deshalb entsteht ein
abstruses Bild der bisherigen Forschung zu dem Thema. In einigen Arbeiten werden
bestimmte Elemente wie selbstverständlich zur Innovationsfähigkeit zusammengefasst, wohingegen in vielen quantitativen Arbeiten genau diese Elemente als Einflussfaktoren auf die Innovationsfähigkeit modelliert werden.327 Somit bleibt unklar,
was genau das Konstrukt der Innovationsfähigkeit ausmacht und was sie genau beeinflusst.
Darüber hinaus werden auch die Implikationen für die Ausgestaltung der Innovationsfähigkeit unkonkret gehalten. Wenngleich die kompetenzbasierte Literatur Anregungen gibt, welche Mechanismen hinter der Innovationsfähigkeit liegen, können
diese schwer im Unternehmen nutzbar gemacht werden.328 So bleibt unbeantwortet,
wann im Einzelnen die bestehenden Kompetenzen einfach nur angewendet werden
müssen und wann es Zeit für den Wandel dieser Kompetenzen ist. 329 Demnach
325
Vgl. Moldaschl (2006), S. 3; Williamson (1999), S. 1093.
Williamson (1999), S. 1093.
327
Siehe 2.2.3.3 und 2.2.3.4.
328
Vgl. Cohen & Levinthal (1990); Kogut & Zander (1992); Leonard-Barton (1992); Eisenhardt &
Martin (2000).
329
Erste Ansätze dazu finden sich lediglich bei Eisenhardt & Martin (2000), wobei auch hier die
Frage der exakten Anwendung im Unternehmen unbeantwortet bleibt.
326
67
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
werden Kernkompetenzen unter bestimmten Umständen zu Kernhindernissen, aber
wie man rechtzeitig eingreift und konkret einwirkt, wird nicht diskutiert. 330 Kogut
& Zander verweisen z.B. auf organisatorische Prinzipien, die eine Entwicklung der
kombinativen Fähigkeiten erleichtern, indem die Kommunikation und Kooperation
gefördert wird. 331 Nicht deutlich wird aber, welche organisatorischen Prinzipien
konkret gemeint sind. Zu unkonkret fällt an dieser Stelle auch die Unterscheidung
zwischen Ressourcen und Fähigkeiten aus. Einerseits gelten Wissen, Fähigkeiten
und Fertigkeiten als zentrale Ressourcen, andererseits auch als Kompetenzen, diese
Ressourcen zu kombinieren und effizient zu nutzen.332 Unzureichend erklärt wird
letztlich, wie man die Innovationsfähigkeit im Zusammenhang mit anderen Kernkompetenzen des Unternehmens begreift. Dabei geht nicht hervor, ob sie als Ergebnis vorhandener Kernkompetenzen entsteht oder sie eine eigenständige Kernkompetenz darstellt, die mit den anderen Kernkompetenzen im Austausch ist.
An dieser Stelle wird folgendes Vorgehen zur Verbesserung des Verständnisses der
Innovationsfähigkeit vorgeschlagen:
Ausgangspunkt bei der Betrachtung bleibt, dass es sich bei der Innovationsfähigkeit
um eine Metafähigkeit handelt, die auf einzelne Ressourcen und Kompetenzen des
Unternehmens zurückgreift, diese mobilisiert und anpasst, um entsprechend den
Markterfordernissen Innovationen, sei es radikaler oder inkrementeller Natur, auf
dem Markt zu etablieren.333 Daher wird in der vorliegenden Arbeit argumentiert,
dass eine generelle Unterscheidung zwischen Inputfaktoren oder Fähigkeiten erster
Ordnung, Faktoren, die den eigentlichen zugrundeliegenden Mechanismus beschreiben, sowie Outputfaktoren, also die Innovationen selbst, stattfinden muss.
Zusätzlich bietet sich eine Beachtung von Hygiene- bzw. Kontextfaktoren an.
Inputfaktoren sind die Ressourcen und Kompetenzen, welche die Grundlage für die
Innovationsfähigkeit darstellen. Sie sind wie Zutaten eines Rezeptes, ohne die es
nicht zu einem weiteren Vorgang kommen kann. Diese dienen zur Darstellung der
eigentlichen Qualität des Innovationsprozesses. Da das Innovationsmanagement
viele verschiedene Schnittstellen im Unternehmen hat, ist es letztlich nur eine logische Konsequenz, dass diese Prozesse im Unternehmen bereits effektiv und effizient durchgeführt werden, um erfolgreich Innovationen auf den Markt zu bringen.
Sicherlich liegt es nahe, verschiedene Ressourcen und Kompetenzarten der Innovationsfähigkeit zuzuordnen, da Innovationen auf Grundlage des Zusammenwirkens
verschiedener Unternehmensbereiche entstehen. Ohne Zweifel ist es daher von Be-
330
Vgl. Leonard-Barton (1992), S. 111.
Vgl. Kogut & Zander (1992), S. 391f.
332
Vgl. Un & Montoro-Sanchez (2010), S. 417f.
333
Vgl. Atuahene-Gima (2005), S. 62f.; Yalcinkaya et al. (2007), S. 63.
331
68
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
deutung, Marketing- und Technologiekompetenzen aufzuweisen, denn sonst könnte
man weder entsprechende Informationen über mögliche Kundenbedürfnisse generieren noch diese technologisch umsetzen.
Die Inputfaktoren allein sagen aber noch zu wenig über die Innovationsfähigkeit
aus. Um bei der Analogie der Zutaten des Rezeptes zu bleiben, müssen eben diese
Zutaten ausgewählt und verarbeitet werden, um zu einem Ergebnis zu kommen.
Damit lässt sich ableiten, dass das Unternehmen naturgemäß in der Lage sein muss,
diese Prozesse sinnvoll auszugestalten bzw. die Ressourcen zu nutzen und zu wandeln.334 Die ressourcentheoretischen Arbeiten geben dazu erste Einblicke und beschreiben den eigentlichen Kern der Innovationsfähigkeit. Dieser Mechanismus
wird weitestgehend durch die Kompetenznutzung und -anpassung sowie den Kompetenzwandel beschrieben. Im Ergebnis entstehen dann inkrementelle oder radikale
Innovationen.335
Unternehmensstruktur und -kultur sind ebenso als Treiber der Innovationsfähigkeit
zu nennen, ohne diese jedoch an sich auszumachen. Es ließe sich beispielsweise
vermuten, dass derartige Faktoren nicht automatisch zur Innovationsfähigkeit gehören, aber dennoch wie eine Art Hygienefaktor wirken und damit Einfluss auf das
Ergebnis des Innovationsprozesses ausüben.336 Denkbar wäre sicher eine moderierende Rolle dieser Einflussfaktoren, z.B. je offener und risikofreudiger ein Unternehmen ist, desto besser können unter bestimmten Voraussetzungen (dem Vorhandensein einer stark ausgeprägten Innovationsfähigkeit) Innovationen hervorgebracht
werden.
Eine ausführliche Darstellung und Begründung dazu erfolgt nochmals in 2.3, wo
auch das in dieser Arbeit vorliegende Verständnis der Innovationsfähigkeit erläutert
wird.
(2) Die Inkonsistenz der Definitionsversuche spiegelt sich in den Operationalisierungen wider. Wenngleich ähnliche Definitionsversuche vorliegen, existiert nicht
annähernd ein einheitliches Konstrukt zur Messung und Operationalisierung. Naturgemäß sind Fähigkeiten an sich keine greifbaren und quantifizierbaren Konstrukte, die sich direkt messen lassen. Nichtsdestotrotz erfolgt die Auswahl der Elemente, die zur Operationalisierung herangezogen werden, scheinbar willkürlich (siehe
auch Kapitel 2.2.3.3). Oftmals begnügen sich die Veröffentlichungen mit ausgewählten Mechanismen, andere wiederum ziehen fast alle möglichen Unternehmens-
334
Vgl. Teece (2007), S. 1320.
Vgl. Jansen et al. (2006), S. 1661; Atuahene-Gima (2005), S. 63.
336
Vgl. Hurley et al. (2005), S. 45.
335
69
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
faktoren heran.337 Derartig unterschiedliche Vorgehensweisen machen eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse fast unmöglich.
Eher enttäuschend sind ebenso die Versuche der kompetenzbasierten Forschung, die
Innovationsfähigkeit zu operationalisieren. Die viel beachtete Arbeit von Cohen &
Levinthal zieht zur Messung der absorptiven Fähigkeiten die F&E-Ausgaben als
Indikator heran.338 Henderson & Cockburn operationalisieren die „Component
Competence“ durch den Bestand an Patenten und für die „Architectural Competence“ die Bedeutung von Veröffentlichungen bei der Auswahl von neuem Personal.339 Zur Erinnerung: Diese Arbeiten versuchten, höchst komplexe und bedeutende Kompetenzmechanismen zu erklären. Bei einer derart simplen Operationalisierung bleibt offen, wozu überhaupt der Kompetenzbegriff herangezogen wird. Patente sind zwar eine objektive Größe in der Messung, aber sie können nicht Prozesse
der Wissensmobilisierung und -schaffung sowie andere Resultate der Innovationsfähigkeit erklären. Einige Forscher und Unternehmen gehen sogar soweit, dass sie
Patente als unwichtig für Innovatoren erachten.340
Teilweise werden Operationalisierungen gewählt, die nicht in der Lage sind zu klären, ob ein Unternehmen mehr Innovationen hervorbringt als andere. Wenn die wenigen aufgenommenen Bestandteile der Innovationsfähigkeit nicht einer sinnvollen
ergebnisorientierten Variable gegenübergestellt werden, kann keine Aussage über
die Validität der Ergebnisse getroffen werden und es muss angezweifelt werden,
dass die Ergebnisse überhaupt brauchbar in diesem Forschungsfeld sind. Luo &
Bhattacharya benutzen so z.B. Qualitätsscores von Produkten und Dienstleistungen. 341 Die Qualität eines Produktes sagt jedoch nicht aus, ob es sich um eine Innovation handelt oder nicht.
Des Weiteren gibt es Veröffentlichungen, die die Innovationsfähigkeit erwähnen
und diese über das Ergebnis anhand von Patenten oder der Anzahl an Innovationen
messen, aber eine theoretisch fundierte Untermauerung dieses Vorgehens schuldig
bleiben. Der Begriff der Fähigkeit oder Kompetenz wird insofern zu wahllos eingesetzt.342
Die vorgeschlagenen Theorien zur Exploitation und Exploration sind bisweilen
durchaus geeignet, um verschiedene kompetenzbasierte Faktoren zu integrieren.
337
Siehe zum Beispiel Albornoz & Yoguel (2004); Yam et al. (2004); Rackensperger (2008);
Sammerl (2006).
338
Vgl. Cohen & Levinthal (1990), S. 138.
339
Vgl. Henderson & Cockburn (1994), S. 68f.
340
Vgl. Adams et al. (2006), S. 26.
341
Vgl. Luo & Bhattacharya (2006), S. 6.
342
Siehe Albornoz & Yoguel (2004); Chen & Wang (2008); Faber & Hesen (2004); Greve (2007);
Hsieh & Tsai (2007); Kochhar & David (1996); Lages et al. (2009); Nassimbeni (2001); O'Connor
(2008); Oltra & Flor (2003); Prajogo & Ahmed (2006).
70
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Vielfach wurde zudem nachgewiesen, dass Kompetenzexploration eng mit dem Generieren von radikalen Innovationen verbunden ist, wohingegen Kompetenzexploitation mit den inkrementellen Innovationen in Zusammenhang steht. 343
Analog zu den Vorschlägen unter dem ersten Diskussionspunkt können auch hier
wiederum Vorschläge zu verbesserten Operationalisierungen gemacht werden. Um
Aussagen über die allgemeine Qualität des Innovationsprozesses zu machen und
einzelne Elemente zu überprüfen, bietet sich eine Betrachtung der Inputfaktoren an.
Diese sollten dann jedoch nicht nur auf einzelne beschränkt werden, sondern in einem gesamten System untersucht werden. Die eigentliche Innovationsfähigkeit
kann mit Hilfe der Elemente Exploitation und Exploration untersucht werden, um
abzubilden, wie genau Innovationen entstehen. Das Innovationsergebnis ist letztlich
beschränkt geeignet, um die Innovationsfähigkeit zu analysieren, sagt jedoch nichts
über den langfristigen Wettbewerbsvorteil aus. Wenn nur eine Momentaufnahme
erforderlich ist, ist es daher durchaus angebracht, ergebnisorientierte Variablen, wie
den Anteil am Umsatz mit neuen Produkten, die Anzahl der Innovationen generell
oder der Innovationsleistung, im Vergleich zum Wettbewerb heranzuziehen.
Kommt es zudem zu einer Einteilung der Innovationen nach Neuartigkeit, werden
Erkenntnisse über die Bedeutung der hervorgebrachten Innovationen gewonnen.
Zukünftigen Forschungsvorhaben bleibt die Chance, kompetenzbasierte Ansätze
mit Erkenntnissen aus Team- und Organisationsforschung der Innovationsliteratur,
aber auch mit der Theorie der organisationalen Ambidextrie zu integrieren. Die bisher identifizierten Faktoren geben Aufschluss über Praktiken und Prozesse im Unternehmen, die Innovationen erleichtern und ermöglichen. Damit ließen sich auch
Mechanismen in der Förderung der Innovationsfähigkeit des Unternehmens verstehen. Darüber hinaus könnten sie erklären, wie die Fähigkeit, Wissen zu mobilisieren
sowie zu generalisieren, im Zuge des Innovationsmanagements entwickelt und gewandelt wird. Dieses Vorgehen würde zudem Zugang zu empirisch belegten Prozessen und Praktiken liefern.
(3) Die Modellversuche weisen teilweise starke Schwachstellen auf, was Kontrollund Moderatorvariablen angeht. Oftmals wurden Kontrollvariablen nicht in den
Artikeln erklärt, was auf eine Nichtbeachtung dieser schließen lässt. 344 Wie viele
Artikel besonders im Bereich der Erfolgsfaktoren gezeigt haben, liegen firmen- und
343
Vgl. Atuahene-Gima (2005), S. 77; Subramaniam & Youndt (2005), S. 452f.; Menguc & Auh
(2010), S. 822.
344
Vgl. Akman & Yilmaz (2008); Alegre et al. (2005); Calantone et al. (2002); Hurley et al.
(2005); Oltra & Flor (2003).
71
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
branchenspezifische Faktoren vor, die das Innovationsergebnis beeinflussen. 345 Erfolgt nun eine Operationalisierung ausschließlich mit Hilfe von ergebnisorientierten
Variablen, müssen geeignete Kontroll- oder Moderatorvariablen hinzugezogen werden. Diesen Tatbestand verdeutlicht das Beispiel der Messung mit dem Anteil neuer
Produkte am Umsatz. In diesem Fall können enorme branchenspezifische Eigenschaften die Aussagefähigkeit beeinflussen. Handelt es sich um eine Branche mit
schnelllebigen Konsumgütern wird der Anteil an neuen Produkten weitaus größer
sein als in einer Branche, die langlebige Investitionsgüter herstellt. Vergleichbar
sind die Ergebnisse erst, wenn diese Faktoren berücksichtigt werden.
Zudem ist darauf hinzuweisen, dass nur wenige Autoren, die Innovationsfähigkeit
von Unternehmensexternen untersuchen lassen, sondern meist nur auf Unternehmensvertreter zurückgreifen. Diese können unter Umständen Messfehler verursachen, weil sie nicht realitätsgetreu die Innovativität des Unternehmens einschätzen.346
Nur selten wird der Innovationsfähigkeit eine moderierende Rolle zugesprochen
oder diese eben als unabhängige Variable modelliert. Es ist naheliegend, dass dies
in einem nächsten Schritt in der Innovationsforschung vorgenommen wird, um abschließend den Zusammenhang zwischen Innovationsforschung und Wettbewerbsvorteil klären zu können.
2.3 Verständnis der Innovationsfähigkeit in dieser Arbeit
Aufbauend auf Kapitel 2.1 zu den grundlegenden Begriffen von Innovationen und
Fähigkeiten als spezielle Ressourcen des Unternehmens sowie auf Kapitel 2.2, welches die in der Literatur bestehenden Konzepte der Innovationsfähigkeit eingehend
diskutiert, wird anschließend die hier angewandte Sichtweise der Innovationsfähigkeit beschrieben. Das Ziel besteht darin, die hier genutzte Konzeption der Innovationsfähigkeit vorzustellen, welche in der anschließenden empirischen Arbeit genutzt
wird. Dabei wird nicht angestrebt, ein neues Konzept aufzustellen. Vielmehr werden, im Zuge der Kritik an bestehende Literatur, bisherige Forschungsansätze zusammenhängend dargestellt und integriert.
Zunächst werden dazu die Implikationen aus der ressourcenorientierten Forschung
dargestellt, um in einem zweiten Schritt diese Sichtweise mit den Ergebnissen aus
der Diskussion der Forschung zur Innovationsfähigkeit zu verknüpfen.
345
346
Vgl. Vgl. Enders et al. (2009), S. 20; Reger (2001), S. 533.
Siehe dazu auch Homburg & Klarmann (2009), S. 147.
72
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Ressourcentheorie als Ausgangsbasis
Wie in Kapitel 2.1 thematisiert, werden Innovationen ganz allgemein als Implementierung neuer oder signifikant verbesserter Produkte verstanden. Damit beschreibt
die Innovationsfähigkeit die Fähigkeit, eben diese innovativen Produkte zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.
Die ressourcentheoretischen Erkenntnisse haben eine Unterscheidung zwischen
Ressourcen, Fähigkeiten, Kern- und Metafähigkeiten vorgenommen, weshalb eine
Einordnung der Innovationsfähigkeit in diese Ressourcenarten erfolgt. 347 Die bestehenden bisherigen Managementkonzepte der Innovationsfähigkeit sowie die Ressourcentheorie selbst bieten Ansatzpunkte für diese Einordnung.348 Das Ergebnis
der Literaturanalyse legt nahe, dass es sich bei der Innovationsfähigkeit um ein
„(…) unternehmensspezifisches, sozial komplexes und interdependentes Ressourcen- und Fähigkeitsgefüge“349 handelt, welches auf komplexen Prozessen und Routinen beruht, die wiederum auf die „(…) Interaktion und Zusammenarbeit von einer
Vielzahl von Mitarbeitern aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen“350 zurückgreifen. Damit zeigt sich bereits, dass die Innovationsfähigkeit eine besondere
Fähigkeit darstellt, die über eine reine funktionale Fähigkeit hinausgeht. Sie ist
vielmehr eine Fähigkeit zweiter Ordnung, da sie andere Ressourcen und Fähigkeiten nutzt. Autoren haben oftmals hervorgehoben, dass die Innovationsfähigkeit
nicht nur andere Fähigkeiten nutzt, sondern diese einem Wandel unterzieht, um
immer aktuelle Innovationen auf den Markt zu bringen.351 Damit wird die Innovationsfähigkeit als Metafähigkeit definiert. Dies ist im Einklang mit der Ressourcentheorie, in der die Innovationsfähigkeit als bestes Beispiel für eine Metafähigkeit
hervorgehoben wird.352 So argumentiert Rasche:
„Die Innovationsfähigkeit manifestiert sich in der kreativen Applikation bestehender Kernfähigkeiten auf neue Aktivitätsfelder. Darüber hinaus ist die Innovativität häufig das Resultat einer modularen Kombination bereits existierender
Kernfähigkeiten zu neuartigen Problemlösungen, die einen einzigartigen Kundennutzen stiften.“353
Damit wird der Vorschlag aus der Diskussion der Ergebnisse aufgegriffen, wo bezüglich der Innovationsfähigkeit zwischen Inputfaktoren, d.h. Ressourcen und ande-
347
Vgl. Freiling (2002), S. 22ff.; Rasche (1994), S. 92ff.; Bürki (1996), S. 47, 56.
Siehe Ausführungen in Kapitel 2.1.2.3 und 2.2.3.4.
349
Sammerl (2006), S. 154.
350
Sammerl (2006), S. 154.
351
Vgl. Henderson & Cockburn (1994), S. 61; McGrath (2001), S. 118; Atuahene-Gima (2005), S.
61.
352
Vgl. Rasche (1994), S. 161.
353
Rasche (1994), S. 161.
348
73
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
ren Kompetenzen erster Ordnung, dem eigentlichen Mechanismus, demnach die
Innovationsfähigkeit als Fähigkeit zweiter Ordnung und dem Ergebnis der Innovationsfähigkeit, den Innovationen, unterschieden wird.
Fähigkeiten erster Ordnung als Grundlage der Innovationsfähigkeit
Wie bereits in Kapitel 2.2.3.3 erläutert, konzeptionalisiert der Großteil der Autoren
die Innovationsfähigkeit als Bündel anderer im Unternehmen bestehender Ressourcen und Fähigkeiten, d.h. den Fähigkeiten erster Ordnung. 354 Guan & Ma operationalisieren auf diese Weise die Innovationsfähigkeit anhand der Lern-, F&E-, Produktions-, Marketing-, Organisations-, Ressourcenexploitations- und strategischen
Fähigkeit.355 In diesem Zusammenhang wählt Danneels nur die Kunden- und Technologiekompetenz aus.356 Diese Konzeptionalisierungsart ist nicht ausreichend, weil
sie stark die Wirkungsweise der Innovationsfähigkeit vereinfacht und der eigentliche Kern der Innovationsfähigkeit nicht erfasst wird. Letztlich greift die Innovationsfähigkeit lediglich auf diese Kompetenzen erster Ordnung zurück. Dies bedeutet, dass eine Anhäufung an bestimmten Ressourcen und Kompetenzen, wie sie in
der Forschung vor allem im Zuge der Erfolgsfaktorenforschung vorkommt, nicht
ausreicht, um erfolgreich Innovationen hervorzubringen. Unternehmensbeispiele
wie die von Kodak und Nokia machen deutlich, dass die bestehenden Ressourcen
nicht immer Erfolg garantieren.357 Nur eine erfolgreiche Nutzung und Erneuerung
dieser Fähigkeiten nach den Erfordernissen des Marktumfeldes sichern langfristig
eine intelligente Produktentwicklung. 358 Somit sind die Operationalisierungen über
funktionale Fähigkeiten nur Behelfskonstruktionen, die nicht hinreichend in der
Beschreibung der Innovationsfähigkeit sind. Diese Konzeptionalisierungsart wird
daher nicht angestrebt.
Innovationsfähigkeit als Metafähigkeit
Demnach bleibt zu klären, wie sich die Innovationsfähigkeit als Fähigkeit zweiter
Ordnung konzeptionalisieren lässt.
Einige Autoren wählen bereits diese direkte Konzeptionalisierung über die zentralen Mechanismen der Innovationsfähigkeit. Daher sind die Ausführungen von
Henderson & Cockburn, March, Teece, Atuahene-Gima und Yalcinkaya et al. treffend, da sie die Hauptmechanismen der Innovationsfähigkeit als Metafähigkeit beschreiben, ohne auf die einzelnen funktionalen Kompetenzen einzugehen. Trotz
354
Siehe dazu die ausführliche Darstellung in 2.2.3.3.
Vgl. Guan & Ma (2003), S. 745.
356
Vgl. Danneels (2002), S. 1102.
357
Vgl. Carp (2004), S. 46f; Kirsch et al. (2006).
358
Vgl. dazu auch Burmann (2002), S. 114f.
355
74
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
unterschiedlicher Nuancen in der Ausgestaltung der Innovationsfähigkeit, haben
alle Konzeptionalisierungen gemeinsam, dass sowohl die entsprechende Nutzung
und Integration der bestehenden Ressourcen- und Kompetenzbasis als auch die Anpassung und Wandlung dieser beschrieben werden.359
March brachte erstmals die Unterscheidung zwischen der reinen Nutzung oder Exploitation von bestehenden Ressourcen sowie der Erneuerung der Ressourcen als
Exploration in die Betrachtung. 360 Gedanklich darauf aufbauend verknüpfen Kogut
& Zander und Henderson & Cockburn diese Eigenschaften mit dem Hervorbringen
von Innovationen und schaffen damit die Ausgangsbasis für die Betrachtung der
Innovationsfähigkeit. 361 Beide unterscheiden zum einen Basisressourcen
und -fähigkeiten sowie Fähigkeiten, eben diese zu nutzen und anzupassen. 362 Im
Ergebnis entstehen dann Innovationen, also eine vollständige gedankliche Kette wie
sie bereits von Freiling in der Ressourcentheorie aufgegriffen wurde. 363 Eisenhardt
& Martin kommen in diesen Zusammenhang zu der Schlussfolgerung, dass die
„Produktinnovation“ eine dynamische Fähigkeit ist.364 Je nach Marktdynamik variiert die Innovationsfähigkeit von stabilen Prozessen bei moderater Dynamik, die die
bestehende Ressourcenbasis nutzt, bis hin zu kreativen Neuerungen bei stark wandelnder Umwelt.365 Folglich unterstützen auch sie die Unterscheidung zwischen
Exploitation und Exploration je nach den Erfordernissen der Dynamik des Marktumfeldes. Bestätigt werden diese Autoren durch die empirischen Arbeiten von Atuahene-Gima und Yalcinkaya et al.366
Diese Unterscheidung manifestiert darüber hinaus den dynamischen Aspekt. Bestehende Ressourcen werden in Abhängigkeit zu Umweltveränderungen entwickelt,
um einen ständigen Abgleich sicherzustellen. Exploitation beruht auf kleinen Veränderungen in bestehenden Technologien. Damit weicht sie nur wenig von bestehenden Erfahrungen, die Kundenbedürfnisse zu erfüllen, ab. Nichtsdestotrotz findet
eine fortlaufende inkrementelle Anpassung der Kompetenzen statt. Im Gegensatz
sind die fundamentalen Veränderungen in Technologien oder Marktbearbeitung bei
der Exploration stark ausgeprägt.367 Die veränderten Aktivitäten sind auf aufkom-
359
Vgl. March (1991), S. 72; Henderson & Cockburn (1994), S. 65; Kogut & Zander (1992), S.
385; Atuahene-Gima (2005), S. 63; Yalcinkaya et al. (2007), S. 66.
360
Vgl. March (1991), S. 72.
361
Vgl. Kogut & Zander (1992), S. 385; Henderson & Cockburn (1994), S. 65.
362
Vgl. Kogut & Zander (1992), S. 385; Henderson & Cockburn (1994), S. 65.
363
Vgl. Freiling (2002), S. 24, siehe Kapitel 2.1.2.3.
364
Vgl. Eisenhardt & Martin (2000), S. 1111.
365
Vgl. Eisenhardt & Martin (2000), S. 1115.
366
Vgl. Atuahene-Gima (2005), S. 79; Yalcinkaya et al. (2007), S. 83ff.
367
Vgl. Yalcinkaya et al. (2007), S. 67.
75
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
mende neue Kunden zurückzuführen und bieten neuen Nutzen. 368 In beiden Fällen
werden die Ressourcen und Prozesse dynamisch transformiert.
Weiterhin stehen Exploitation und Exploration in enger Beziehung zueinander. 369
Unternehmen stehen vor der Herausforderung, beide Teilkompetenzen auszubilden,
um nachhaltigen Erfolg zu sichern. Eine zu starke Fokussierung auf Exploitation
führt laut March zu einem Mangel an neuartigen Ideen und neuartigem Wissen, die
Input für Produktinnovationen darstellen.370 Gleichermaßen führt eine Explorationsorientierung zu hohen Kosten und Ausführung riskanter und neuer Ideen, ohne
gleichzeitig die bestehenden Kompetenzen weiterzuentwickeln.371 Zudem besteht
die Gefahr neue Produkte nicht ausreichend genug zu entwickeln und deren Fit zu
Kundenbedürfnissen zu überprüfen. Die gleichzeitige Exploitation kann diese Mangelerscheinung beheben, indem neue Ideen effizienter assimiliert und bewertet werden.372 Insgesamt neigen Unternehmen eher dazu, eine dominierende Rolle der
Kompetenzausschöpfung auszubilden, da die Ergebnisse der Exploration unsicher
und zeitlich verzögert auftreten.373 Die Herausforderung für Unternehmen liegt in
der Ausgestaltung beider Teilkompetenzen, wobei dies nicht bedeutet, dass eine
hohe Kompetenzausschöpfung und eine hohe Kompetenzexploration zum gewünschten Ergebnis führen.374
Diese Konzeption steht auch im engen Bezug zur der Theorie der organisationalen
Ambidextrie. Diese beschreibt die Fähigkeit von Unternehmen gleichzeitig effizient
und flexibel zu sein.375 Dazu müssen sie einerseits bestehende Geschäftsfelder ausrichten sowie nutzen („Alignment“) und andererseits Anpassungen im Zuge von
Umfeldveränderungen („Adapations“) vornehmen. 376 Demzufolge gehen Tushman
& O'Reilly (1996) davon aus, dass erfolgreiche Unternehmen eben die Fähigkeit
besitzen, sowohl inkrementellen als auch radikalen Wandel zu implementieren.377
Darin ist der deutliche Bezug zur Innovationsfähigkeit zu sehen, der es im Sinne der
vorliegenden Konzeption gelingt, beide Arten von Wandel anhand der Mechanismen Exploitation und Exploration umzusetzen. Inkrementeller Wandel kann mit
Hilfe der Exploitation gestaltet werden, die bestehende Produkte und Prozesse in
ihrer Effizienz verbessert. Exploration gestaltet den radikalen Wandel und beruht
auf Anpassungen an Umfeldveränderungen. Die hier verwendete Konzeption der
368
Vgl. Danneels (2002), S. 1108.
Vgl. Atuahene-Gima (2005), S. 62; March (1991), S. 72.
370
Vgl. March (1991), S. 72.
371
Vgl. Atuahene-Gima (2005), S. 62.
372
Vgl. Danneels (2002), S. 1106.
373
Vgl. March (1991), S. 72.
374
Vgl. Atuahene-Gima (2005), S. 62.
375
Vgl. Gibson & Birkinshaw (2004), S. 209.
376
Vgl. Tushman & O'Reilly (1996), S. 8.
377
Vgl.. Tushman & O'Reilly (1996), S. 8.
369
76
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Innovationsfähigkeit steht somit im Einklang den Erkenntnissen aus der organisationalen Ambidextrie.
Mit Hilfe dieser Eigenschaften lassen sich viele Erkenntnisse aus der Erfolgsfaktorenforschung besser einordnen. Vielfach dienen deren identifizierte Faktoren zu
einer sinnvollen Balance zwischen den beiden Innovationsmechanismen und sind in
der Lage, das Aufkommen von Kernhindernissen zu vermeiden.
Zusammenhang zwischen Mechanismen der Innovationsfähigkeit und dem
Innovationsergebnis
Die beiden Mechanismen sind darüber hinaus grundlegend in der Klärung, welche
Art der Innovation entsteht und stehen damit in Bezug zu den zentralen Erkenntnissen aus Kapitel 1.1.1.2. Wie dort dargelegt, sind inkrementelle Innovationen die
Weiterentwicklung bestehender Produkte, Dienstleistungen und Prozesse. 378 Damit
kann die Fähigkeit, inkrementelle Innovationen hervorzubringen als Fähigkeit Innovationen zu generieren, die bereits existierende Produkte weiterentwickelt und
festigt, bezeichnet werden.379 Analog dazu sind radikale Innovationen grundlegende
Veränderungen bisheriger Produkte, Dienstleistungen und Prozesse oder Technologien, die bestehendes Wissen im Unternehmen sowie teilweise der gesamten Branche überflüssig machen.380 Folglich kann die Fähigkeit, radikale Produkte zu generieren als eine solche verstanden werden, die bestehende Produkte und Dienstleistungen transformiert.381 Diese zugrundeliegenden Unterscheidungen zwischen den
inkrementellen und radikalen Innovationsfähigkeiten sind ferner im Zusammenhang
mit Ressourcen und Wissen des Unternehmens und damit ebenso mit Exploitation
und Exploration in Verbindung zu bringen. Gatignon et al. beobachten, dass inkrementelle Innovationen auf der Verbesserung und Ausschöpfung bestehender
technologischer Bahnen beruhen, wohingegen radikale Innovationen einen bestehenden Technologiepfad unterbrechen.382 Gleichermaßen schlussfolgern Abernathy
& Clark, dass inkrementelle Innovationen auf die Anwendung bestehenden Wissens
zurückgreifen und radikale Innovationen den bisherigen Wert einer Wissensbasis
zerstören.383 Insgesamt lässt sich damit feststellen, dass die inkrementelle Innovationsfähigkeit auf Exploitation beruht, indem sie sich auf vorherrschendes Wissen
bezieht und im Ergebnis Innovationen entstehen, die auf diesem Wissen beruhen
und verbessert wurden. Exploration macht somit die radikale Innovationsfähigkeit
378
Vgl. Ettlie (1983), S. 37.
Vgl. Subramaniam & Youndt (2005), S. 452.
380
Vgl. Chandy & Tellis (2000), S. 2.
381
Vgl. Subramaniam & Youndt (2005), S. 452.
382
Vgl. Gatignon et al. (2002), S. 1107.
383
Vgl. Abernathy & Clark (1985), S. 5.
379
77
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
aus, die auf umgewandelten Ressourcen beruht und Innovationen generiert, die vorherrschende Technologien und Wissen veralten lassen.384
Wenngleich das Innovationsergebnis direkt die Innovationsfähigkeit widerspiegelt,
reicht eine reine Betrachtung des Ergebnisses nicht aus, um Aufschluss über die
Innovationsfähigkeit zu erhalten. Da es sich bei dem Innovationsergebnis nur um
eine Momentaufnahme handelt, gibt es nicht die eigentliche Fähigkeit im Zeitverlauf wieder. Damit kann nicht geklärt werden, wie ausgeprägt die dynamische
Komponente ist und ob im Fall von disruptiven Entwicklung wirklich Anpassungen
der Grundkompetenzen vorgenommen werden. So wäre beispielsweise denkbar,
dass gute Innovationsergebnisse erzielt werden, jedoch bei Veränderungen der
Marktbedingungen das Unternehmen nicht entsprechend reagiert. Dann wäre die
Innovationsfähigkeit nicht gut ausgeprägt, obwohl vorab gute Ergebnisse erzielt
wurden.
Zusammenfassend lassen sich damit die zwei Kernmechanismen Exploitation und
Exploration zur Beschreibung der Innovationsfähigkeit definieren und dienen im
Fortgang der Arbeit zur Konzeption der Innovationsfähigkeit. Die einzelnen Ressourcen und Kompetenzen des Unternehmens gehören demnach nicht ohne weiteres
zur eigentlichen Innovationsfähigkeit, sondern dienen als Inputfaktoren. Das Ergebnis in Form von Innovationen ist zwar eng mit der Innovationsfähigkeit verknüpft,
kann aber nicht alle Mechanismen beschreiben. Diese Zusammenhänge sind in Abb.
2-8 abgebildet. Die Abbildung verdeutlicht nochmals die Funktion der Innovationsfähigkeit als Fähigkeit zweiter Ordnung, die auf die Ressourcen, Fähigkeiten und
Kernkompetenzen des Unternehmens zurückgreift und diese nutzt. Gleichzeitig ist
sie in der Lage Veränderungsprozesse im Unternehmen durch einen Wandel der
Kompetenzbasis einzuleiten. Nutzt sie vor allem bestehende Ressourcen, Fähigkeiten und Kernkompetenzen handelt es sich um Exploitation, die durch inkrementelle
Innovationen am Markt sichtbar wird. Kommt es hingegen zur Exploration und damit einer veränderten Kompetenzbasis, entstehen radikale Innovationen.
384
Vgl. Subramaniam & Youndt (2005), S. 452.
78
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
Innovationsfähigkeit kann
Wandel der Kompetenzbasis in
Gang setzen
Freie Faktormärkte
Inputgüter
Unternehmen
Ergebnis am Markt
Isolations- und
Veredelungsmechanismen
Innovationsfähigkeit
Ressourcen
Fähigkeiten
Nutzen der Ressourcen
Kernkompetenzen
Erreichen eines
Wettbewerbsvorteils
Exploitation
Inkrementelle
Innovationen
Exploration
Radikale
Innovationen
Innovationsfähigkeit greift auf Ressourcen,
Fähigkeiten und Kernkompetenzen zurück
Abb. 2-8: Konzeption der Innovationsfähigkeit in der Arbeit (Quelle: Eigene
Darstellung)
2.4 Fazit
Ausgangspunkt des vorliegenden Kapitels war die Frage, wie sich die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens definieren lässt und welche Gestaltungsmerkmale sie
aufweist. Diese Frage wurde beantwortet, indem zunächst die Grundlagen zu Innovationen, Innovationsarten und dem ressourcenorientierten Ansatz erläutert wurden
und anschließend eine Analyse der bestehenden Literatur durchgeführt wurde.
Zunächst wurden dabei grundlegende Definitionen zu Innovationen und Innovationsarten aufgezeigt, da sie die Basis für die Innovationsfähigkeit bilden. Eine zusammenfassende Darstellung der Erkenntnisse findet sich in Abb. 2-9. Weiterhin
wurde festgestellt, dass in den untersuchten Literaturbeiträgen die Innovationsfähigkeit oftmals ähnlich definiert wird, jedoch vielfältige und oftmals unzureichende
Operationalisierungen gewählt werden. Für die vorliegende Ableitung des Verständnisses der Innovationsfähigkeit wurden daher die zentralen Erkenntnisse der
Beiträge in Ergebnisse des ressourcenorientierten Bereiches, der Rahmenmodelle
und der Forschung zu Einflussfaktoren auf die Innovationsfähigkeit unterteilt. Als
zentrale Erkenntnis kann insgesamt, trotz aller Defizite in Definitionen und Umsetzung, festgehalten werden, dass die Innovationsfähigkeit auf zwei grundlegende
Mechanismen beruht. Zum einen müssen bestehende Kompetenzen oder Wissen
bzgl. der Produkte genutzt und zum anderen gleichzeitig erneuert werden, in Ab79
Merkmale und Konzepte der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
hängigkeit von der Dynamik der Umwelt. Darüber hinaus ist nicht nur das Vorhandensein dieser beiden Kompetenzarten von Bedeutung, sondern auch ein geeigneter
Ausgleich, um die Wandlung von Kernkompetenzen zu Kernhindernissen zu verhindern. Dieser Mechanismus beinhaltet ebenso die absorptiven Fähigkeiten des
Unternehmens, denn zur erfolgreichen Balance dieser zwei Fähigkeiten, müssen
externe Informationen im Unternehmen assimiliert und verarbeitet werden.
Innovation
Implementierung neuer oder signifikant verbesserter Produkte (Güter oder Dienstleitungen),
Prozesse, neuer Marketingmethoden, oder neuer Organisationsmethoden im Unternehmen und
seinem Umfeld
Innovationsarten nach Neuheitsgrad
Radikal
Inkrementell
• wirken sich auf mehrere Dimensionen in der
Makro- und Mikroumwelt aus und führen zu
gravierenden Veränderungen sowohl in der
Branche und beim Kunden als auch im
Unternehmen
• Beruhen auf der Unternehmensseite auf
neuartigen, gewandelten Kompetenzen
(zerstören den Wert der bisherigen
Kompetenzbasis
• Produkte mit neuen Features, Nutzen oder
Verbesserungen bestehender Produkte in
bereits existierenden Märkten. Sie wirken
sich hauptsächlich auf die Mikroperspektive
aus
• Beruhen auf der Unternehmensseite auf
gestärktem und ausgebautem Know-how
sowie Fähigkeiten
Innovationsfähigkeit
• Fähigkeit des Unternehmens neue Ideen, Prozesse oder Strukturen erfolgreich umzusetzen und
zu implementieren
• Beruht einerseits auf der Fähigkeit bestehende Kompetenzen, Wissen und Know-how in
Bezug auf neue Produkte zu nutzen und andererseits auf der Fähigkeit, neue Kompetenzen,
Wissen und Know-how zu schaffen (in Abhängigkeit zu den internen und externen
Bedingungen); und anschließend in Innovationen umzusetzen
Abb. 2-9: Zentrale Erkenntnisse aus dem Kapitel (Quelle: Eigene Darstellung)
Insgesamt erscheinen die identifizierten Einflussfaktoren auf die Innovationsfähigkeit sehr divers, jedoch ist erkennbar, dass organisatorische Prozesse im Unternehmen ausschlaggebend für den verhältnismäßigen Einsatz von Exploitation und Exploration sind. Daher wird im Anschluss ein Instrument vorgestellt, welches zukunftsbezogene Informationen aufnimmt und aufbereitet, um im Unternehmen entsprechende Wandlungsprozesse einzuleiten. Dieses Instrument, die strategische
Frühaufklärung, wurde bereits in der Literatur zur Stärkung der Innovationsfähigkeit hervorgehoben. Es wird deswegen im anschließenden Kapitel vorgestellt. Anschließend sollen denkbare Einflussmöglichkeiten auf die Innovationsfähigkeit modelliert werden, um eine Grundlage für die empirische Untersuchung zu schaffen.
(
O'Connor (2008)), (Dervits iotis (2010a), (20 10b); E isenhardt & Martin (2000); H urley et al. (2005); Ko gut & Zander (1992); Siguaw et al. (2 006); Spur (201 0); Teece (2007); Tura & Harmaakorpi (2005); A dams et al. (2006); Capaldo (2007); Capaldo et al. (2003) ; Car penter et al. (2 003); Danneels (2002); Forsman (2009); Lawso n & Samson (200 1); Leonard-Barton (19 92); O'Co nnor & DeMartino (2 006); Pulkkanen et al. (200 4); Schreiner (2006); Story et al. (2009); Un (2002); Verona & Ravasi (200 3); Wang et a l. (2008); A kman &
Yilmaz (2008); A lborno z & Yoguel (2 004); Alegre et al. (2 005); A tuahene-Gima (2005); Calantone et al. (2002); Ca kar & Ertürk (2010); Cavusg il et al. (2003); Chen & Wang (2008); Cohen & Levinthal (199 0); Dutta et al. (200 5); Faber & Hesen (2004); Furman et al. (2002); Greve (2007); Guan & Ma (2003); Hagedoorn & Duy sters (2002); Henderson & Coc kburn (1994) ; Hsieh & Tsai (2007); Hu & Mathews (2008) ; Hult & Ketchen, JR. (2 001); Hurley & Hult (199 8); Kochhar & David (1996); Lages et al. (200 9); Lin et al. (201 0); Luo &
Bhattachary a (2006); Nassimbeni (2001); Oltra & Flor (2003); Paladino (20 07); Penner-Hahn & Shaver (2005); Persaud (2005); Prajogo & Ahmed (2006); Quintana-Garci-a & Benavides-Velasco (2008), (2004); Romijn & Albaladejo (2002); Stuart & Podolny (1996); Subramaniam & Youndt (2005); Yalc in kay a et al. ( 2007); Yam et al. (2004); Zaheer & Bell (2005); Zhao et al. (200 5))
80
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
3
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
3.1 Grundverständnis
3.1.1 Definition der strategischen Frühaufklärung
„Das waren herrliche Zeiten für jene tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten.
Alles was sie außer einen Kompass benötigten, waren eine Krawatte, ein Schal und
eine Brille. An der Art, wie der Schal flatterte, konnten sie Geschwindigkeit und
Seitenwind abschätzen. Hing die Krawatte schräg, musste die Kurvenlage korrigiert
werden, und beschlug die Brille, dann zeigte dies baldigen Regen oder Nebel an –
und die Notwenigkeit, schleunigst zu landen. Denn Fliegen konnte man eigentlich
nur bei schönem Wetter, aber dann war es wunderbar.
Welch wehmütige Gedanken mögen Piloten von damals befallen, wenn sie die Fliegerei von heute betrachten? Statt himmlischer Freiheit hoch entwickelte Flugapparate, staatliche Flugüberwachung und in den Cockpits ein kompliziertes System von
Schaltern und Instrumenten; dafür aber auch die Möglichkeit, mit Schallgeschwindigkeit durch Nacht und Nebel über Weltmeere und Kontinente zu fliegen, unversehrbare Zwischenfälle zu meistern und dennoch pünktlich und sicher anzukommen
– ein Fortschritt für alle Beteiligten, mit Ausnahme vielleicht der Piloten.
Nostalgische Gefühle mögen auch aufkommen, wenn man die heutige Art der Unternehmensführung mit jener früherer Zeiten vergleicht. Auch hier eine zunehmende
Verwissenschaftlichung, auch hier eine ständige Verfeinerung der Führungssysteme
und Instrumente. Und der vorläufig letzte Schritt in diese Richtung ist die Entwicklung eines systematischen Instrumentariums für das Strategische Management eines
Unternehmens. Die Gründe für ein Strategisches Management sind ebenso häufig
beschrieben worden wie die Skepsis jener, die ihre Unternehmen und Geschäftsbereiche bisher „mit Schal und Krawatte“ erfolgreich geführt haben. Das Instrument
der Portfolio-Analyse hat viel dazu beigetragen, dass die Idee eines Strategischen
Managements in der Praxis zunehmend an Boden gewinnt. Man lernt in der Praxis,
„nach Instrumenten zu fliegen“, und das weckt den Wunsch nach weiteren Instrumenten, insbesondere nach einer Art „Radar“, der aufkommende Probleme möglichst früh sichtbar macht. Freilich schreckt man auch vor einem unübersichtlichen
„Cockpit“ mit allzu viel Instrumenten zurück. Wenige aber vielseitige Instrumente
wären ideal, und natürlich sollten diese Instrumente darüber hinaus nicht die Fähigkeit verkümmern lassen, notfalls auch „mit Krawatte und Schal fliegen“ zu können.
81
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Doch treiben wir die Analogie nicht zu weit. Wir wollen im vorliegenden Beitrag
diskutieren, welche Anforderungen an eine Strategische Frühaufklärung zu richten
sind, damit sie die Funktionen eines „Radars“ zu erfüllen vermag.“385
Wie Kirsch bereits Ende der 70er Jahre feststellte, besteht gemeinhin in Unternehmen der Wunsch, dem Komplexitätszuwachs des Unternehmensumfeldes durch
frühzeitiges Abbilden von Chancen und Risiken gerecht zu werden.386 Im Zuge von
kürzeren Produktlebenszyklen, der Globalisierung von Märkten und Technologien
und der Verbreitung von Innovationen und neuen Techniken, wird es für Unternehmen zum Überlebensfaktor, Umbrüche im Unternehmensumfeld frühzeitig zu
erkennen und schneller als der Wettbewerb mit neuen Strategien, Produkten und
Prozessen zu reagieren. 387 Jedoch gehen mit diesem Wunsch die Abkehr von der
üblichen Prognosementalität und die Forderung nach einer Frühaufklärung einher,
um eine Auseinandersetzung mit möglichen Zukünften durchzusetzen. Ian Wilson,
der Leiter der Strategieabteilung von GE, fasst diese Forderung wie folgt zusammen:
„Was wir im Zeitalter des radikalen Wandels benötigen, ist der Gebrauch von
Vorhersagen als einen Weg, um Zeit zu kaufen, um Gefahren aufzuspüren, bevor sie unhandbar werden und um Gelegenheiten zu erfassen, bevor sie verloren
gehen.“388
Damit rückt der Wettbewerbsfaktor Zeit in den Fokus von Unternehmen mit dem
Ziel, die Reaktionsfähigkeit des Unternehmens sichtlich zu verbessern. 389 Strategische Frühaufklärung dient in diesem Zusammenhang als Basis für zeitgerechtes,
strategisch orientiertes Handeln.390
„Sie öffnet Möglichkeiten für ein zeitgerechtes Handeln: Nutzung der Vorteile
des Ersteintretenden in einen Markt, frühzeitige Erkennung von Krisensituationen bei Partnern, frühzeitige Einstellungen auf neue technische Normen oder
gesetzliche Regelungen, Identifikation von zu erwartenden Verbraucherbedürfnissen usw.“391
385
Diese Geschichte stammt vollständig aus Kirsch & Trux (1979), S. 47.
Vgl. Müller-Stewens & Müller (2009), S. 239.
387
Vgl. Reger (2001), S. 533; Cravens et al. (2009), S. 32; Albach (1979), S. 11f.
388
Wilson (1973), S. 39.
389
Vgl. Krystek (2006), S. 175; Niemeyer (2004), S. 132.
390
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (2006), S. 175; Loew (1999), S. 20; Burmeister (2002), S. 44.
391
Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 5.
386
82
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Demnach müssen Unternehmen frühzeitig auf inkrementelle Veränderungen, aber
eben auch auf radikale Veränderungen des Unternehmensumfeldes reagieren. 392
Rohrbeck (2010) geht sogar so weit, das Scheitern von Unternehmen mit der Unfähigkeit, rechtzeitig auf Umweltveränderungen zu reagieren, zu begründen. 393
Um sich konkreter diesem Themengebiet anzunähern, erscheint es zunächst
zweckmäßig, die strategische Frühaufklärung eindeutig zu bestimmen. Daher muss
eine angemessene Definition festgelegt werden. Jedoch zeigt die Forschung der
strategischen Frühaufklärung, dass vielschichtige Definitionsversuche in diesem
Bereich vorliegen und sich keine einheitliche Begriffsbestimmung durchsetzen
konnte. 394
Die einzelnen Autoren setzen unterschiedliche Schwerpunkte und stellen die strategische Frühaufklärung als System, als Prozess oder Fähigkeit dar. 395 Trux et al.
(1985) definieren die strategische Frühaufklärung als ein System, in welchen
„(…) Gefahren und Gelegenheiten in der strategischen Zukunft des sozioökonomischen Feldes bereits zum Zeitpunkt ihres – auch inhaltlich noch unstrukturierten – Entstehens aufgespürt und weiter beobachtet werden, ihre Ursachen und Zusammenhänge erforscht werden, ihre Relevanz, relativiert an den
Stärken und Schwächen einer Unternehmung, beurteilt wird, neuentstandene,
zukünftige Chancen und Risiken signalisiert werden und mögliche (Kontingenz) Strategien zum Auf- und Ausbau dauerhafter Wettbewerbsvorteile entworfen
und bewertet werden“396.
Krystek & Müller-Stewens (1993) konstatieren, dass die strategische Frühaufklärung über ein reines Instrumentarium hinausgeht, denn es wird mit einer eigenen
Denkhaltung verbunden, die den theoretischen Rahmen für die Handhabung strategischer Informationen bildet.397 Darüber hinaus existieren Definitionsansätze, die
die strategische Frühaufklärung entweder als Prozess398 oder Fähigkeit399 beschreiben.400 Müller & Müller-Stewens (2009) weisen darauf hin, dass es sich um „(…)
einen „systematisch-partizipatorischen strategischen Unternehmensprozess [mit
dem Ziel, Anmerk. des Verf.] die strategische Entscheidungsfindung im Unterneh-
392
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 1, 5.
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 5.
394
Vgl. Kuhn & Ruff (2007), S. 304.
395
Vgl. Trux et al. (1985), S. 347f.; Becker (2002), S. 7; Müller & Müller-Stewens (2009), S. 7;
Slaughter (1998), S. 382; Rohrbeck (2010), S. 12; Wiedemann & Ries (2007), S. 286.
396
Trux et al. (1985), S. 347f..
397
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 162.
398
Vgl. Becker (2002), S. 7; Müller & Müller-Stewens (2009), S. 7.
399
Vgl. Slaughter (1998), S. 382; Rohrbeck (2010), S. 12.
400
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 12.
393
83
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
men (…) zu unterstützen“401, handelt. Rohrbeck (2010) hingegen definiert die strategische Frühaufklärung als Fähigkeit des Unternehmens. Diese Fähigkeit beinhaltet alle strukturellen und kulturellen Unternehmensfaktoren, um diskontinuierlichen
Wandel frühzeitig aufzuspüren und die Konsequenzen für das Unternehmen zu interpretieren, um letztlich Reaktionsstrategien für den anhaltenden Erfolg des Unternehmens zu sichern.402
Dieser erste Diskurs macht bestehende Unterschiede deutlich. In diesem Zusammenhang distanzieren sich Krystek & Müller-Stewens (1993) bewusst von einer
„harten Definition (…), da die Meinungen, was darunter zu verstehen ist, zu sehr
auseinander gehen“403. Trotz der erwähnten Differenzen in den Definitionsversuchen lassen sich grundlegende Wesensmerkmale hinsichtlich der zentralen Elemente und Aktivitäten einer strategischen Frühaufklärung bestimmen, die als Ausgangsbasis für eine Arbeitsdefinition dienen sollen. Diese wurden von Nick treffend
verdichtet und dienen als Ausgangspunkt der anschließenden Betrachtung. 404 Anders als andere Autoren verweist Nick hierbei nicht auf eine kurze Definition, sondern nähert sich umfassend anhand der verschiedenen Eigenschaften einer Arbeitsdefinition.405 Dieses Vorgehen ist einmalig in der wissenschaftlichen Diskussion zur
Definition der Frühaufklärung und wird hier als Referenzvorgehen erachtet, welches nachfolgend seinen Einsatz finden soll. Die zentralen Elemente unterteilen sich
in ein komplex-dynamisches Umfeld, der Informationsgenerierung und den Reaktionsstrategien und werden in Abb. 3-1 dargestellt. Im Folgenden werden die Elemente kurz erklärt, um darauf aufbauend eine Arbeitsdefinition der strategischen
Frühaufklärung abzuleiten.
401
Müller & Müller-Stewens (2009), S. 7.
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 12.
403
Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 2.
404
Vgl. Nick (2008), S. 17ff.
405
Vgl. Nick (2008), S. 17ff.
402
84
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Komplexdynamisches
Umfeld
Umfeldturbulenzen
Diskontinuitäten
Schwache Signale
Trends
Informationsgenerierung
Issues
Chancen
Gefahren
Willensbildung
Reaktionsstrategien &
Handlung
Entscheidung
Handlung
Abb. 3-1: Zentrale Bestimmungselemente der strategischen Frühaufklärung
(Quelle: Nick (2008), S. 17)
Komplex-dynamisches Umfeld
Das Unternehmensumfeld kann laut Mintzberg durch die Dimensionen Komplexität
und Dynamik bestimmt werden.406 Dadurch ergeben sich die folgenden Umwelttypen: einfach-statisch, einfach-dynamisch, komplex-statisch sowie komplexdynamisch.407 Ein komplex-dynamisches Umfeld zeichnet sich durch eine Vielartigkeit von Umwelteinflüssen und deren schnellem Wandel aus: Eine erhöhte Kom-
406
Vgl. Mintzberg (1979), S. 87; siehe dazu auch Ansoff (1979), S. 31f., der die Umwelt durch die
Faktoren Geschwindigkeit, Komplexität, Intensität und Neuartigkeit des Unternehmenswandels
beschreibt. Siehe auch Zimmermann (1992), S. 45f.
407
Vgl. Mintzberg (1979), S. 87.
85
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
plexität bedeutet, dass immer mehr Umfeldbereiche auf das Unternehmen Einfluss
ausüben.408 Die erhöhte Dynamik zeigt sich in der Geschwindigkeit der Veränderung.409 Gleichzeitig sinkt die Vertrautheit mit den Ereignissen des Unternehmensumfeldes, wodurch das Unternehmen neuen Themenfeldern und diskontinuierlichen
Entwicklungen gegenübersteht. 410 Eine diskontinuierliche Entwicklung oder kurz
Diskontinuität stellt eine strategische Umweltveränderung411 dar, „(…) die in ihrer
Art und Wirkungsweise völlig neuartig, nahezu nicht vorhersagbar und bedeutend
für die Unternehmen sind.“412 Unternehmen befinden sich heute in einem zunehmend komplex-dynamischen Umfeld.413 Die einzige Möglichkeit den neuartigen
Herausforderungen zu begegnen, besteht in der Identifikation und Handhabung dieser Herausforderungen, was jedoch gleichzeitig ein tiefergehendes Verständnis der
Umformungen impliziert. Genau dies ist Aufgabe der strategischen Frühaufklärung.414 Ziel ist es dabei nicht, verlässliche Prognosen über die Turbulenzen zu erstellen, die ohnehin aufgrund des erheblich verkürzten Prognosezeitraums nicht
möglich wären, sondern sich den möglichen Entwicklungen der Zukunft schrittweise zu nähern.415 Diese Annäherung bildet den Ausgangspunkt für eine gestaltbare
Zukunft.416
Informationsgenerierung
Ein zentrales Element der strategischen Frühaufklärung stellt die Informationsgenerierung über die Entwicklungen in der komplex-dynamischen Umwelt dar. 417 Bei
der Informationsgenerierung bildet die Wahrnehmung von schwachen Signalen den
Ausgangspunkt der Betrachtung. 418 Schwache Signale sind erste Vorboten für Diskontinuitäten.419 Diese werden im Unternehmen weiter untersucht, um zu klären, ob
sie sich zu Trends und Issues verdichten. 420 Als Issues werden dabei alle Entwick-
408
Vgl. Müller (1981), S. XXI, 5.
Vgl. Hungenberg (2006), S. 89.
410
Vgl. Liebl (2000), S. 10.
411
Laut Bea & Haas (2009), S. 300 lassen sich zwei Arten von Umweltveränderungen unterscheiden: Operative Umweltveränderungen sind leicht vorherzusagen und in ihrer Wirkungsweise bekannt, damit ist auch das Reaktionsmuster erprobt. Strategische Umweltveränderungen, sogenannte
Diskontinuitäten treten erstmals auf und die Wirkungsweise und Reaktionsmöglichkeiten sind unbekannt.
412
Bea & Haas (2009), S. 300.
413
Vgl. Liebl (2000), S. 10; Hazebrouck (1998), S. 1.
414
Vgl. Ansoff (1980), S. 134.
415
Vgl. Horton (1999), S. 7; Hazebrouck (1998), S. 1.
416
Vgl. Liebl (2000), S. 17; Hahn (1979), S. 25.
417
Vgl. Horton (1999), S. 6; Hauff (2009), S. 1; Konrad (1991), S. 49.
418
Vgl. Krystek (2006), S. 181.
419
Vgl. Ansoff (1975), S. 23.
420
Vgl. Nick (2008), S. 20.
409
86
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
lungen des Unternehmensumfeldes erklärt, die einen signifikanten Einfluss auf den
künftigen Unternehmenserfolg ausüben. 421 Ein Issue stellt ein künftiges Ereignis
dar, welches noch nicht hinsichtlich seines Chancen- oder Risikocharakters bewertet ist.422 Sie verfügen meist schon über definierte Komponenten und einen Deutungsrahmen. Trends bilden in diesem Zusammenhang einen Issue in vorgelagerter
Form, d.h. in „embryonalem Zustand“423, da sie über diese Komponenten und Deutungsrahmen nicht verfügen müssen.424 Sobald ein Abgleich mit den unternehmenseigenen Stärken und Schwächen erfolgt, bilden sich die Issues zu realen Chancen
und Gefahren heraus.425 Die strategische Frühaufklärung soll demnach aus den lückenhaften, schwer interpretierbaren Informationen aus dem Umfeld weitere Ableitungen treffen. 426
Mit der Verfahrensweise der strategischen Frühaufklärung zur Informationsgenerierung ergeben sich nichtsdestotrotz unüberwindbare Schwächen des Instruments. 427 Die strategische Frühaufklärung muss Informationen über die Umwelt
erheben und auswerten, ohne vorab Erkenntnisziele zu definieren.428 Darüber hinaus wird aufgrund der Informationsflut nur ein Teil der verfügbaren Informationen
beachtet. Daher ist die entsprechende Filterung der Informationen Teil der Informationsgenerierung der strategischen Frühaufklärung, was jedoch eine Nichtbeachtung
bestimmter Trends zur Folge hat.429 So schlussfolgert Hauff, dass eine „(…) vollständige Abdeckung aller potentiellen Risiken bzw. Chancen nicht möglich ist, da
zum einen Früherkennungssysteme nicht in der Lage sind, die Wirklichkeit in ihrer
Gesamtheit zu erfassen und zum anderen stets auf der subjektiven Interpretation
von Ursachen-Wirkungszusammenhängen beruhen.“430 Trotz dieser umfassenden
Kritik liegen die Chancen einer strategischen Frühaufklärung darin, den Horizont
potentieller Entwicklungen eröffnen zu können, wenn man sich deren Grenzen bewusst ist und die Fehler zumindest ein Stück weit in Kauf nimmt. 431 Basierend auf
diesen Informationen werden dann Reaktionsstrategien formuliert und die Handlung
eingeleitet.432
421
Vgl. Liebl (2000), S. 15.
Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 195f.
423
Liebl (2003), S. 63.
424
Vgl. Liebl (2000), S. 66; siehe auch Kuhn & Ruff (2007), S. 309, die einen Trend als „Leitideen
und verdichtete Beschreibungen“ verstehen.
425
Vgl. Müller-Stewens & Lechner (2011), S. 192.
426
Vgl. Liebl (2000), S. 20.
427
Vgl. Aguilar (1967), S. 8ff.
428
Vgl. Aguilar (1967), S. 1; Nick (2008), S. 20.
429
Vgl. Trux et al. (1985), S. 344; Liebl (2003), S. 66f; Krystek (2006), S. 181.
430
Hauff (2009), S. 34.
431
Vgl. Hauff (2009), S. 36.
432
Vgl. Hauff (2009), S. 36.
422
87
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Reaktionsstrategien oder Handlungseinleitung
Die Informationsgenerierung über mögliche Chancen und Risiken alleine würde
einer Nutzung des gewonnenen Handlungsspielraumes nicht helfen. 433 Da die strategische Frühaufklärung auf die proaktive Gestaltung der Zukunft abzielt, müssen
die identifizierten Chancen genutzt und Gefahren abgewendet werden. 434 Dies ist
nur mit Reaktionsstrategien und anschließenden Handlungen möglich. 435 In diesem
Zusammenhang dient die strategische Frühaufklärung zur Willensbildung, um zunächst die Notwendigkeit zum Handlungsbedarf auszuprägen. 436 Anschließend wird
dann die Entscheidungsfindung unterstützt. 437
In der vorherrschenden Wissenschaft wird indes die Diskussion geführt, ob die Ableitung von Reaktionsstrategien und die Handlungseinleitung Bestandteil der strategischen Frühaufklärung sind. Einige Autoren, wie z.B. Bea & Haas und Hazebrouck, sehen die Hauptfunktion in der Informationsgenerierung, wohingegen z.B.
Krystek & Müller-Stewens und Hammer explizit das Ableiten von Handlungen anführen.438 Eine ausführliche Darstellung dieser Diskussion erfolgt in 3.2.4. Hier
wird insgesamt die Meinung einer umfassenden Frühaufklärung vertreten, die nicht
nur die Informationsgenerierung, sondern ebenso die Ableitung von Reaktionsstrategien und die Einleitung von Handlungen versteht.
Definition der strategischen Frühaufklärung
Aus den vorangegangen Bestimmungselementen der strategischen Frühaufklärung
wird nun die Definition der strategischen Frühaufklärung für den weiteren Verlauf
der Arbeit abgeleitet. Die beschriebenen Elemente machen zusammenfassend folgendes deutlich: Unternehmen agieren zunehmend in einem komplex-dynamischen
Umfeld und versuchen durch strategische Frühaufklärung Informationen für die
daraus resultierenden Chancen und Risiken hervorzubringen. Diese Informationen
fließen anschließend in die Willensbildung im Unternehmen ein, um Entscheidungen zu treffen und letztlich Handlungen auszulösen, die auf die wahrgenommenen
Veränderungen reagieren. Strategische Frühaufklärung umfasst in diesem Zusammenhang alle Aktivitäten, die den beschriebenen Prozess durchführen. Folglich
kann strategische Frühaufklärung folgendermaßen definiert werden:
433
Vgl. Gomez (1983), S. 52; Gruber & Venter (2006), S. 960.
Vgl. Gomez (1983), S. 11; Hines (2006), S. 21; Müller-Stewens & Lechner (2011), S. 192.
435
Vgl. Müller-Stewens & Lechner (2011), S. 193; Horton (1999), S. 6.
436
Vgl. Roll (2004), S. 195; Müller-Stewens & Lechner (2011), S. 192.
437
Vgl. Müller-Stewens & Müller (2009), S. 248.
438
Bea & Haas (2009), S. 324f.; Hazebrouck (1998), S. 72; Krystek & Müller-Stewens (1993), S.
21; Hammer (1988), S. 253.
434
88
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Unter strategischer Frühaufklärung werden im Folgenden alle systematischen
Aktivitäten einer Unternehmung verstanden, die durch Informationsgenerierung
darauf abzielen, relevante Veränderungen im komplex-dynamischen Umfeld zu
identifizieren und zu verarbeiten, um den Handlungsspielraum für das Unternehmen zu vergrößern und Reaktionen im Sinne von Handlungen zu initiieren.
Es wird an dieser Stelle darauf verzichtet, die Diskussion um die strategische Frühaufklärung als Prozess oder Fähigkeit, wie sie bereits in der Literatur getätigt wurde, fortzuführen.439 Diese Unterscheidung ist zwar nicht unwesentlich, weist jedoch
einige Überschneidungen auf. Wird die strategische Frühaufklärung als Prozess verstanden, bedeutet dies folglich nicht, dass eine gewisse Antizipationsfähigkeit im
Unternehmen nicht existiert. 440 Im Gegenteil, bei erfolgreichem Durchlaufen des
Prozesses und Gestaltung der strategischen Frühaufklärung, kann davon ausgegangen werden, dass ein Unternehmen die „Fähigkeit“ besitzt, schwache Signale wahrzunehmen und zu verwenden. 441 Das Gleiche gilt für die Definition als Fähigkeit,
die zwangsläufig nicht ohne einzelne sukzessive Arbeitsabläufe auskommen wird
(die wiederum als Prozess zusammengefasst werden können). 442
Die gewählte Definition zeigt darüber hinaus, dass vor allem eine Betrachtung der
rationalen strategischen Frühaufklärung erfolgt. Lasinger (2011) ist der Auffassung,
dass strategische Frühaufklärung intuitiv erfolgen kann, d.h. schwache Signale werden durch einzelne Mitarbeiter intuitiv aufgenommen. 443 Es besteht grundsätzlich
kein Zweifel daran, dass dies in Unternehmen auftritt, jedoch wird eine Untersuchung dieser Form nicht angestrebt. Im Fokus stehen alle bewusst ausgeführten Aktivitäten des Unternehmens.
Insgesamt machen die Ausführungen auch deutlich, dass die Frühaufklärung an sich
kein komplett neuer Ansatz im Unternehmen ist. So zielen verschiedene Aktivitäten
bereits darauf ab, vorzeitig Veränderungen aufzuspüren. Neu ist in diesem Zusammenhang die Zusammenfassung unter einem einheitlichen Konzept, um auch die
verschiedenen Koordinationsmechanismen im Unternehmen, die eine Nutzung der
Aktivitäten möglich machen, einzubeziehen. So stellen Kuhn & Ruff fest:
439
Vgl. dazu Becker (2002), S. 7; Müller & Müller-Stewens (2009), S. 7; Slaughter (1998), S. 382;
Rohrbeck (2010), S. 12.
440
Vgl. Burmeister et al. (2004), S. 15.
441
Vgl. Krystek (2006), S. 183.
442
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 87.
443
Vgl. Lasinger (2011), S. XXI.
89
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
„Zukunfts- bzw. Trendforschung bezeichnet (…) keine klar umrissene wissenschaftliche Disziplin, sondern ein relativ junges und sich dynamisch weiterentwickelndes Mosaik an Tätigkeitsfeldern.“444
Um das Grundverständnis der strategischen Frühaufklärung abzurunden, sind neben
der Arbeitsdefinition die Leitgedanken und die damit verbundene Denkhaltung der
strategischen Frühaufklärung sowie Unterscheidungsmerkmale verschiedener Frühaufklärungsansätze von zentraler Bedeutung. Diese werden in anschließenden Kapiteln behandelt.
3.1.2 Leitgedanken der strategischen Frühaufklärung
3.1.2.1 Die dritte Variable als Störgröße invarianter Kausalbeziehungen
Die Drittvariablen sind Störfaktoren, die bisherige Entwicklungen im Unternehmensumfeld brechen und stellen einen wichtigen Ausgangspunkt für die Denkhaltung der strategischen Frühaufklärung dar. 445 Die Betriebswirtschaft verfolgt allgemeinhin das Ziel Wirkungszusammenhänge aufzuklären 446. Zu diesem Zweck wird
die Beziehung zwischen Variablen untersucht, um Ursache-WirkungsZusammenhänge zu bestimmen.447 Klassische Prognoseverfahren verfolgen ähnliche Ziele und sind auf das Erkennen von Invarianzen, d.h. Gesetzmäßigkeiten zwischen zwei Variablen, ausgerichtet. In diesem Zusammenhang beabsichtigen sie
Aussagen der Form: Wenn Variable x eintrifft, wird y folgen. 448 Leider funktionieren derartige Gesetzmäßigkeiten nur in der Naturwissenschaft, wie Galtung feststellte, jedoch nicht in den Sozialwissenschaften.449 Soziale Realitäten verlaufen
nicht nach festen Gesetzmäßigkeiten ab. Vielmehr treten sogenannte Drittvariablen
ein, die störend auf bisher stabile Wirkungszusammenhänge wirken und zu einem
Bruch der Invarianz führen können. In diesem Fall tritt eine Diskontinuität ein, d.h.
bisher kontinuierliche Entwicklungen werden durchbrochen. 450 Die sozialen Realitäten wirken sich auch auf Unternehmen aus.451 Daher ist es für Unternehmen von
Relevanz, Drittvariablen möglichst früh zu erkennen, um sich auf die möglichen
444
Kuhn & Ruff (2007), S. 304.
Vgl. Müller (1981), S. 33.
446
Kirsch et al. (2006), S. 3.
447
Vgl. Kirsch et al. (2006), S. 2.
448
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 163; Kirsch & Trux (1979), S. 52.
449
Vgl. Galtung (1978), S. 120f.
450
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 163.
451
Vgl. Kirsch et al. (2006), S. 5f.
445
90
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Veränderungen einzustellen. 452 Hier setzt auch der Leitgedanke der strategischen
Frühaufklärung an. Krystek & Müller-Stewens definieren in diesem Zusammenhang zwei wesentliche Funktionen der strategischen Frühaufklärung: Die Aufdeckung möglicher Kausalbeziehungen und die Identifizierung von Drittvariablen, die
möglicherweise bestehende Invarianzen brechen können. 453 Kirsch et al. (2006) ergänzen zudem, dass die strategische Frühaufklärung versucht, Restvarianzen zu erklären. Dabei werden die Ausnahmen auf Gemeinsamkeiten geprüft, die wiederum
als Hinweise auf schwache Signale für mögliche, zukünftige Störungen der bisher
gültigen Invarianz geben. Damit stellen Restvarianzen wichtige Indizien für das
Aufkommen von Drittvariablen dar, deren Einfluss mit strategischer Frühaufklärung beobachtet werden sollte.454
Zusammenfassend lässt sich entsprechend feststellen, dass Drittvariablen maßgebliche Auslöser für Diskontinuitäten darstellen. Wie in der Definition aus 3.1.1 beschrieben dient strategische Frühaufklärung dazu, eben diese Diskontinuitäten aufzuspüren und zu beschreiben. Daher verdeutlicht das Konzept der Drittvariablen
lediglich, wie strategische Frühaufklärung dieser Aufgabe gerecht wird, nämlich
indem es Diskontinuitäten anhand der beschriebenen Drittvariablen und Restvarianzen aufdeckt.
Das Konzept der Drittvariablen ist eng mit dem der schwachen Signale verwandt,
auf die im Folgenden näher eingegangen wird.
3.1.2.2 Konzept der schwachen Signale
Das Konzept der schwachen Signale ist auf Ansoffs Arbeiten aus den 70er Jahren
zurückzuführen und beeinflusste maßgeblich die strategische Frühaufklärung.455
Ausgangspunkt des Konzeptes, ähnlich wie bei dem Konzept der Drittvariablen,
bildet die Überlegung, dass Diskontinuitäten, d.h. der Bruch der Invarianzen, durch
schwache Signale eingeleitet werden.456 Schwache Signale sind aber in diesem Fall,
anders als bei den Drittvariablen, nicht die Ursache für das Brechen der Invarianz,
sondern erste Hinweise auf den möglichen Strukturbruch. Ansoff stützt sein Konzept auf drei Haupterkenntnisse:457
452
Vgl. Kirsch et al. (2006), S. 6.
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 164.
454
Vgl. Kirsch et al. (2006), S. 6.
455
Vgl. Ansoff (1975), S. 23; Ansoff (1984), S. 22; Bea & Haas (2009), S. 322; Müller (1981), S.
36.
456
Vgl. Ansoff (1975), S. 23.
457
Vgl. Bea & Haas (2009), S. 324.
453
91
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
(1) Diskontinuitäten treten nicht plötzlich auf
Unternehmen werden von strategischen Überraschungen heimgesucht, die mit Diskontinuitäten im Unternehmensumfeld einhergehen. 458 Strategische Überraschungen werden als plötzliche, unvorhersagbare und neuartige Veränderungen im Unternehmensumfeld bezeichnet, die einen substantiellen Einfluss auf die Gewinngrößen des Unternehmens ausüben.459 Die dadurch ausgelösten Diskontinuitäten stellen
ein Ereignis dar, „(…) durch welches ein Strukturbruch oder eine Unstetigkeit hinsichtlich des Systemzustandes ausgelöst wird.“460. Sobald die Diskontinuität nicht
vorhersagbar war, geht sie mit einer strategischen Überraschung einher. 461 Jene
Überraschung kann somit nur als solche bezeichnet werden, wenn eine Abweichung
der von dem Unternehmen antizipierten Faktoren eintritt, ohne dass diese Abweichung erkannt wurde. 462 Ansoff argumentiert nun, dass es möglich ist, sich auf die
von strategischen Überraschungen ausgelösten Diskontinuitäten einzustellen, da
diese von schwachen Signalen angekündigt werden. 463
(2) Schwache Signale müssen identifiziert und verarbeitet werden
Diese schwachen Signale sollten möglichst früh erkannt werden, da das Unternehmen dann Reaktionsstrategien formulieren kann.464 Krystek (2006) fasst zusammen:
„Sie [gemeint sind die schwachen Signale, Anmerk. des Verf.] gilt es frühzeitig
zu erfassen, da dann die Manövrierfähigkeit der Unternehmung noch am größten
ist, sich jedoch im Zeitablauf bei gleichzeitiger Häufung entsprechender Signale
zunehmend verringert“465.
Jedoch zeichnen sich schwache Signale dadurch aus, dass sie eher qualitativer Natur
sind und meist schlecht strukturierte Informationen abbilden. 466 Dadurch ergeben
sich gerade anfangs für das Unternehmen widersprüchliche Aussagen, die nur
schwer interpretierbar sind.467 Insgesamt hängt der Unsicherheitsgrad eines schwachen Signals von der Frühzeitigkeit ab, denn je früher ein schwaches Signal erkannt
458
Vgl. Ansoff (1975), S. 22.
Vgl. Ansoff (1979), S. 186; Ansoff (1984), S. 24.
460
Müller (1981), S. 37.
461
Vgl. Liebl (2000), S. 17; Roll (2004), S. 26.
462
Vgl. Müller (1981), S. 38.
463
Vgl. Ansoff (1975), S. 22.
464
Vgl. Ansoff (1975), S. 26.
465
Krystek & Müller-Stewens (2006), S. 180.
466
Vgl. Ansoff (1975), S. 23.
467
Vgl. Bea & Haas (2009), S. 324.
459
92
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
wird, desto unsicherer ist das Eintreten der Diskontinuität.468 Ansoff unterscheidet
dabei drei Grade der Unsicherheit:
1. Anzeichen der Bedrohung oder Chance sind vorhanden, es verbreitet sich
die Überzeugung, dass eine Diskontinuität bevorsteht.
2. Die Ursachen der Bedrohung oder Chance sind sichtbar.
3. Die Wirkungen der Bedrohung oder Chance machen sich im Zahlenwerk
des Unternehmens bemerkbar.469
Ansoff spricht auch von einem hohen Stadium der Ignoranz bei erstmaligem Auftreten eines schwachen Signals.470 Diese Ignoranz wird erst im Zeitverlauf durch
Konkretisierung der Information abgebaut. Die Theorie der schwachen Signale bildet für die strategische Frühaufklärung die Grundlage. 471 Ihre Aufgabe besteht darin, die schwachen Signale zu erkennen und zu erfassen, indem kontinuierlich das
Unternehmensumfeld untersucht wird und identifizierte Signale weiterverfolgt werden.472 Frühaufklärung führt aber nur dann zum Erfolg des Unternehmens, wenn
Reaktionen auf die schwachen Signale im Unternehmen eingeleitet werden.
(3) Abgestufte Reaktionsstrategien sind die Antwort auf schwache Signale
Da der Unsicherheitsgrad der Informationen im Zeitverlauf abnimmt und sich damit
eine zunehmende inhaltliche Klarheit einstellt, schlägt Ansoff die Strategie der abgestuften Reaktion vor.473 Diese sieht vor, dass ein konkreter Informationsgehalt
eine konkrete Reaktionsstrategie erfordert. Daher unterteilt Ansoff, je nach Unsicherheitsgrad, die Reaktionsstrategien in drei Kategorien: Strategien der Wahrnehmung, Strategien zur Steigerung der Flexibilität und Strategien zur gezielten Reaktion auf Chancen und Risiken.474 Zusätzlich unterscheidet er danach, ob eine Maßnahme auf die Beziehung zur Umwelt oder auf das eigene Unternehmen abzielt.475
In Tab. 3-1 findet sich eine Übersicht der möglichen Reaktionsstrategien mit Beispielen.
468
Vgl. Bea & Haas (2009), S. 326.
Vgl. Ansoff (1984), S. 22.
470
Vgl. Ansoff (1975), S. 24.
471
Vgl. Liebl (1996), S. 26.
472
Vgl. Jossé (2004), S. 184; Bea & Haas (2009), S. 325.
473
Vgl. Ansoff (1975), S. 27.
474
Vgl. Ansoff (1975), S. 27.
475
Vgl. Rauscher (2004), S. 20.
469
93
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Reaktions- Strategie der
strategie
Wahrnehmung
Reaktionsgebiet
Beziehung zur
Umwelt
Interne
Perspektive
Strategie zur
Steigerung der
Flexibilität
Strategie der
gezielten Reaktion
Beobachtung der
Umwelt
Externe
Flexibilität
Externe Aktion
(Strategische Planung
und Durchführung)
z.B. Prognosen der
wirtschaftlichen
Entwicklung, des
Absatzes, der
strukturellen/
technologischen/
sozialen/politischen
Entwicklung
z.B.
Diversifizierung
des Unternehmensrisikos,
Begrenzung des
Risikoumfanges
Selbstbeobachtung
Interne
Flexibilität
Interne Bereitschaft
(Kontingenzplanung)
z.B. Optimierung
des Portfolios der
Geschäftseinheiten, Erhöhung
der
Reaktionsgeschwin
digkeit durch Lean
Management,
Flexibilisierung
der
Fertigungssysteme
und des
Arbeitseinsatzes
z.B. Wettbewerbsund ProduktMarktstrategien,
Ausschöpfen
finanzieller und
personeller
Ressourcen, Erwerb
von Technologien,
Wissen, Fähigkeiten,
Anpassung der
Strukturen und
Systeme
z.B. StärkenSchwächen-Analyse,
Ergebnisanalyse,
Finanzierungs- und
strategische
Modelle,
Benchmarking
z.B. Risikoteilung mit
anderen
Unternehmen,
Sicherung des
Zugangs zu
Ressourcen,
Desinvestition,
Eindringen in neue
Märkte
Tab. 3-1: Zulässige Reaktionstypen nach Ansoff (Quelle: Ansoff (1975), S. 26)
Das Vorgehen unterscheidet sich insofern von bisherigen Planungsansätzen, dass
die vorliegende Information die Entscheidung im Unternehmen beeinflusst und
nicht die Entscheidung die geforderte Information bestimmt. 476 Zweck der strategischen Frühaufklärung bildet in diesem Zusammenhang die Schaffung der geeigneten Informationsbasis.477 Ansoff fasst diese Aufgabe wie folgt zusammen:
„The approach is to treat the problem before the fact, minimize the probability
of strategic surprise: to prepare in such way, that by the time it strikes, a strategic discontinuity has lost its suddenness, urgency, and unfamiliarity.“478
476
Vgl. Rauscher (2004), S. 22.
Vgl. Jossé (2004), S. 185.
478
Ansoff (1976), S. 131.
477
94
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Das Konzept der schwachen Signale bildet somit einen der Ausgangspunkte für die
Betrachtung der strategischen Frühaufklärung im Unternehmen. Ansoff hat mit diesem Ansatz erstmals die Notwendigkeit herausgearbeitet, nicht nur auf Strukturbrüche zu reagieren, wenn sie eingeleitet sind, sondern zu handeln, wenn diese noch
nicht vollständig umrissen sind.479 Damit wird ein frühzeitiges Handeln mithilfe der
abgestuften Reaktionsstrategien auf Basis der vorliegenden schwachen Signale
möglich. 480 Mit der Theorie der schwachen Signale steigt die Bedeutung zukunftsrelevanten Wissens und vor allem der Ansatz der proaktiven Gestaltung der Zukunft
durch das Unternehmen. Trotz der Bedeutung für die strategische Frühaufklärung,
weist das Konzept, vor allem in der betrieblichen Umsetzung weitreichende
Schwachstellen auf.481 Zum einen kann a-priori schwer bestimmt werden, wann es
sich genau um ein schwaches Signal handelt. 482 Bisher ist nur eine globale Charakterisierung möglich. Daher unterscheiden sich die Praktiken in Unternehmen zur
Wahrnehmung der schwachen Signale stark und hängen entscheidend von Kontextfaktoren des Unternehmens ab. 483 Diese Umsetzungsschwächen wirken sich
heute noch auf die strategische Frühaufklärung aus, die deren Implementierung im
Unternehmen merklich erschweren. 484 Auch wenn Ansoff bereits sehr deutlich die
einzelnen Aktivitäten im Rahmen des „Strategic Issues Management“ und den
Antwortstrategien auf schwache Signale beschreibt, bilden sie eben nur eine gute
Ausgangsbetrachtung, die konkrete Implementierungsmerkmale offen lassen. Die
Wahrnehmung der schwachen Signale hängt indes stark von der Intuition des einzelnen Managers ab und kann nur schwer auf das jeweilige Unternehmenssystem
angepasst werden.485
Insgesamt stellt das Konzept der schwachen Signale eine Grundlage für die Ausarbeitung der strategischen Frühaufklärung dar, indem es die Identifizierung von Diskontinuitäten anhand schwacher Signalen verdeutlicht und erstmals die Handlungskomponente beinhaltet, die ebenso in der Frühaufklärung Anwendung findet. Anders als Drittvariablen sind hierbei schwache Signale nicht Auslöser der Diskontinuitäten, sondern erste Vorboten. Dies bedeutet für eine funktionierende Frühaufklärung, falls Drittvariablen nicht identifiziert werden, können Veränderungen im
komplex-dynamischen Umfeld durch schwache Signale erkannt werden. Die Aus-
479
Siehe auch die Diskussion bei Liebl (1996), S. 24ff. zum Nutzen der Konzeption der schwachen
Signale für die strategische Frühaufklärung.
480
Vgl. Rauscher (2004), S. 21f.
481
Vgl. Zimmermann (1992), S. 77.
482
Vgl. Hauff (2009), S. 27.
483
Vgl. Bea & Haas (2009), S. 328.
484
Vgl. Gruber & Venter (2006), S. 959; Müller & Müller-Stewens (2009), S. 3; Eggers & Eickhoff (1996), S. 48.
485
Vgl. Zimmermann (1992), S. 77.
95
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
arbeitungen von Ansoff zu dem Thema zeigen hierbei, welche Handlungsmöglichkeiten Unternehmen bleiben und auf welche Art und Weise Reaktionen abgeleitet
werden können.
3.1.3
Unterscheidungsmerkmale von Frühaufklärungsansätzen
3.1.3.1 Entwicklungsstufen der strategischen Frühaufklärung
Konzeption und Verständnis der strategischen Frühaufklärung haben sich in den
vergangenen 50/60 Jahren stark gewandelt. Nichtsdestotrotz ist es für den heutigen
Umgang essentiell, die vorangegangenen Entwicklungsstufen darzulegen, da die
Grundgedanken in aktuellen Konzeptionen wiederzufinden sind. Die verschiedenen
Entwicklungsstufen der Frühaufklärung lassen eine Einteilung in Frühaufklärungssysteme der ersten, zweiten und dritten Generation zu.486 Die verschiedenen Entwicklungsstufen lassen sich direkt mit der Aufklärungsfunktion der Frühaufklärung
in Verbindung bringen. Die erste Generation entspricht der Frühwarnung mit dem
Ziel, Bedrohungen frühzeitig zu orten, wohingegen die zweite Generation, die
Früherkennung, darauf abzielt, Chancen zu erfassen.487 Die dritte Generation, die
Frühaufklärung, stellt die ausgereifteste Stufe dar und zielt nicht nur auf die Wahrnehmung der Chancen und Risiken ab, sondern auf die Initiierung von Gegenmaßnahmen.488 Diese dritte Generation entspricht daher der hier vorgenommenen Konzeption der strategischen Frühaufklärung. Trotz dieser eindeutigen Abgrenzung
tendieren einige Autoren wie Käslin, Hauff, Baisch und Niemeyer dazu, die Teilkonzepte synonym zu verwenden, wenngleich dieses Vorgehen zu keinerlei Entwirrung in der Begriffskonzeption der strategischen Frühaufklärung führt.489 In den
folgenden Ausführungen wird daher eine trennscharfe Abgrenzung angestrebt. Tab.
3-2 stellt die Zusammenhänge zwischen Entwicklungs-stufen und Aufklärungsfunktion dar. Deutlich wird damit, dass die einzelnen Stufen Weiterentwicklungen der
Vorgänger darstellen und durchaus Teilelemente beinhalten.
486
Vgl. Gomez (1983), S. 14; Zimmermann (1992), S. 73f.
Vgl. Rauscher (2004), S. 13.
488
Vgl. Rauscher (2004), S. 13.
489
So z.B. berichten Käslin (2008); Hauff (2009) sowie Baisch (2000) von Früherkennung; Niemeyer (2004) von Frühwarnsystemen obwohl Frühaufklärung gemeint ist.
487
96
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Eigenschaften
Erste Generation
Zweite Generation
Dritte Generation
Begriff
Frühwarnung
Früherkennung
Frühaufklärung
Aufklärungsumfang
Frühzeitige Ortung
von Bedrohungen
Frühzeitige Ortung
von Bedrohungen
und Chancen
Frühzeitige Ortung
von Bedrohungen
und Chancen sowie
Initiierung von Gegenmaßnahmen
Ansatz
Kennzahlen
Indikatoren
Schwache Signale
Hochrechnungen
Tab. 3-2:
Die Generationen und deren Inhalte (Quelle: in Anlehnung an
Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 21)
Frühaufklärung der ersten Generation
Die Frühwarnung beruht auf der kurzfristig angelegten operativen Unternehmensplanung und baut auf Bestandteile des klassischen Rechnungswesens auf. 490 Es
werden Kennzahlen und Hochrechnungen genutzt, folglich rein quantitative Daten.
Die Kennzahlen dienen der Feststellung von Abweichungen zwischen Plangrößen
und den eigentlich realisierten Istgrößen sowie den mit Hochrechnungen gebildeten
Wirdgrößen.491 Sobald eine Abweichung einen vorher definierten Bereich überschreitet, werden Warnungen abgegeben. Damit wird ein signifikanter Schwachpunkt der Systeme deutlich, die zu sehr auf Bedrohungen und Risiken fokussieren
und keine neuen Chancen für Unternehmen aufzeigen. Der eigentliche Sinn der
Diskontinuitätenerfassung ist indes nicht möglich, da die aus vergangenheitsbasierten Hochrechnungen stammenden Daten keine Hinweise auf kommende Krisen geben.492 In diesem Zusammenhang ist es nicht verwunderlich, dass Bea & Haas
(2009) auf die zu starke Systemorientierung hinweisen, die nur das Ergebnis der
Veränderungen aufzeigt, nicht aber deren Ursache.493 Darüber hinaus schränkt die
Nutzung von quantitativen Daten die Verwendung auf den operativen, eher kurzfristig angelegten Bereich ein. 494 Insgesamt ist damit die Wirksamkeit der ersten
Generation sehr begrenzt und hilft nur wenig, die Herausforderungen der wachsen-
490
Vgl. Hazebrouck (1998), S. 55; Bea & Haas (2009), S. 317; Loew (1999), S. 25.
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 19; Hazebrouck (1998), S. 55; Krystek (2006), S.
227.
492
Vgl. Hazebrouck (1998), S. 55; Krystek (2006), S. 227.
493
Vgl. Bea & Haas (2009), S. 318.
494
Vgl. Bea & Haas (2009), S. 318, Rauscher (2004), S. 23; Baisch (2000), S. 33.
491
97
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
den Umweltdynamik zu handhaben. Aus diesen Schwächen heraus entwickelte sich
die Frühaufklärung der zweiten Generation.495
Frühaufklärung der zweiten Generation
Den größten Unterschied zu der Frühaufklärung der ersten Generation bildet die
ständige und systematische Suche nach Veränderungen und Entwicklungen des Unternehmensumfeldes anhand von ausgewählten Indikatoren. 496 In diesem Zusammenhang werden zunächst Beobachtungsbereiche, die dem Unternehmen für sinnvoll erscheinen, festgelegt und wichtige Indikatoren für jeden Bereich identifiziert.497 Um die entsprechenden Anzeichen auszuwerten, schlagen Krystek & Müller-Stewens (1993) Soll-Werte und Toleranzgrenzen für jeden Indikator vor, wenngleich sie ein genaues Vorgehen zur Bestimmung offenlassen. 498 Diese Methodik
ermöglicht ein zeitnahes Aufspüren der Chancen und Risiken für das Unternehmen,
jedoch sind erste Wirkungen schon eingetreten und schränken damit die Reaktionsmöglichkeiten ein. 499 Ähnlich den Systemen der ersten Generation klären die
Indikatoren nicht die Ursachen der Veränderungen und können nur Symptome beschreiben.500 Darüber hinaus setzt das Vorgehen voraus, dass bereits Wissen über
sowohl relevante Beobachtungsbereiche als auch Indikatoren vorhanden sind. Da
man vorab Beobachtungsbereiche festlegt, läuft das Unternehmen Gefahr, andere
Bereiche auszublenden, in denen später Diskontinuitäten auftreten. 501 Ähnliche
Schwierigkeiten ergeben sich für die Auswahl der Indikatoren. Eine vollständige
Aufstellung dieser gestaltet sich schwierig. Darüber hinaus wird unterstellt, dass sie
in Zukunft eine ähnliche Bedeutung aufweisen, wovon grundsätzlich nicht ausgegangen werden kann.502 Die Tatsache, dass ein genaues Vorgehen zur Bestimmung
der Soll-Werte und Toleranzgrenzen fehlt, schwächt die theoretische Konzeption
merklich. 503
Aus dem Wunsch, mögliche Chancen und Risiken vor Eintreten zu identifizieren,
entstand nahezu gleichzeitig der Ansatz der strategischen Frühaufklärung, die dritte
Entwicklungsstufe. 504
495
Vgl. Zimmermann (1992), S. 74; Baisch (2000), S. 34; Hazebrouck (1998), S. 55.
Vgl. Zimmermann (1992), S. 74.
497
Vgl. Rauscher (2004), S. 24; Hahn (1979), S. 30; Krystek (2006), S. 228.
498
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 20.
499
Vgl. Bea & Haas (2009), S. 318.
500
Niemeyer (2004), S. 77.
501
Vgl. Bea & Haas (2009), S. 320.
502
Vgl. Rauscher (2004), S. 29; Hazebrouck (1998), S. 58.
503
Vgl. Zimmermann (1992), S. 75; Rauscher (2004), S. 24.
504
Vgl. Rauscher (2004), S. 30.
496
98
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Frühaufklärung der dritten Generation
Die strategische Frühaufklärung ermöglicht ein frühzeitiges Aufspüren von strategisch relevanten Umweltveränderungen, ihren Ursachen und Zusammenhängen sowie die Initiierung von geeigneten Maßnahmen zur langfristigen Sicherung des
Wettbewerbsvorteils. 505 Im Gegensatz zu der ersten und zweiten Generationen, ist
die Form nicht kennzahlen- oder indikatororientiert, sondern konzentriert sich auf
Erfolgspotenziale.506 Vergleichbar mit einem strategischen Radar werden nicht nur
ausgesuchte Unternehmensbereiche gescannt, sondern das gesamte Umfeld auf
mögliche Chancen und Risiken untersucht.507 Erstmals wurde damit die ungerichtete Suche nach schwachen Signalen und Diskontinuitäten eingeführt und wird in ihrer stärksten Umsetzung „(…) zur grundlegenden Leitmaxime einer strategisch ausgerichteten Unternehmensführung“508.509 Besonders die Langfristigkeit dieses Ansatzes ermöglichte eine stärkere Anbindung an das strategische Management, welches ungefähr zeitgleich in Unternehmen an Relevanz gewann. 510 Dementsprechend
verfolgt dieser Ansatz eine Sicherstellung von Gegenmaßnahmen, um Gefahren
abzuwehren und mögliche Chancen zu nutzen. Besonders geprägt wurde dieser Ansatz durch die Arbeiten von Igor Ansoff zu den schwachen Signalen und der „Strategic Issue Analysis“ in den 70er Jahren und im deutschsprachigen Raum durch die
maßgeblichen Weiterentwicklungen von Kirsch, Krystek und Müller-Stewens.511
Trotz der weiten Verbreitung des Ansatzes der strategischen Frühaufklärung und
dessen offenkundiger Relevanz für Unternehmen, fehlt es an einer adäquaten Operationalisierbarkeit dieser Theorie. Weder der Umgang mit schwachen Signalen
noch die systematische Einbindung in bestehende Managementsysteme wurde abschließend geklärt, was zu einer grundlegenden Implementierungsproblematik in
Unternehmen führt.512
Aus dieser Schwäche resultiert der Versuch einiger Autoren, wie z.B. von Müller
und Zimmermann, eine vierte Generation der Frühaufklärung einzuführen, die sich
einer praktischen Umsetzung in Unternehmen widmet. In diesem Zusammenhang
werden teilweise auch andere, dennoch durchaus ähnliche, Generationeneinteilun-
505
Vgl. Hazebrouck (1998), S. 58.
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 10.
507
Vgl. Käslin (2008), S. 40; Day & Schoemaker (2006), S. 53.
508
Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 125.
509
Vgl. Jossé (2004), S. 124f.
510
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 20.
511
Vgl. Ansoff (1975); Ansoff (1980); Kirsch et al. (1979); Müller (1981); Krystek & MüllerStewens (1993); Krystek (1990).
512
Vgl. Roll (2004), S. 20; siehe dazu auch die Ausführungen in Kapitel 3.2.6 und 3.2.7.
506
99
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
gen gewählt.513 Müller macht den Versuch, eine vierte Generation der Frühaufklärung zu beschreiben, die auf Mängel der bestehenden Ansätze zurückzuführen ist.
Die bestehenden Ansätze fasst er im folgenden Generationensystem zusammen,
welches nach Umfang und Methodeneinsatz differenziert und vier Stufen beinhaltet:514
 Stufe 0: Die Frühaufklärungsfunktionen werden vernachlässigt.
 Stufe 1: Frühaufklärung findet in Form von Auswertungen quantitativer
Größen statt und wird durch eine Stabsabteilung durchgeführt.
 Stufe 2: Es erfolgt eine systematische Beobachtung, die vor allem Trendanalysen aufstellt. Die Durchführung erfolgt durch eine Stabsabteilung.
 Stufe 3: Es erfolgt ein systematisches Scanning und Monitoring, welches
partizipativ von allen Beteiligten durchgeführt wird.
In Stufe 0 findet nach allen Einteilungen noch gar keine Frühaufklärung statt. Die
Ähnlichkeiten zwischen den Stufen 1-3 und der klassischen Einteilung der Generationen sind indes frappierend. Müller kritisiert jedoch, dass die einzelnen Generationen hauptsächlich überbetrieblich orientiert sind und daher wenig unternehmensspezifisch agieren. Darüber hinaus erkennt er ebenso den Mangel an eindeutigen
Instrumentarien, die eine Implementierung im Unternehmen ermöglichen. 515 Daher
führt er eine vierte Generation der Frühaufklärung ein, die vor allem einen organisationsspezifischen und partizipativen Charakter betont.516 Sie basiert vornehmlich
auf der systematischen Beobachtung, beachtet aber auch deterministische statistische Reihen. Ein erster Schritt zur Umsetzung dieser vierten Generation bildet das
von ihm entwickelte STAR-Systems (Strategischer Trend-Analyse-Report)517, das
deutliche Grundzüge des von ihm später geprägten Prozessmodells der strategischen Frühaufklärung mit seinen zwei Basisaktivitäten Scanning und Monitoring
enthält und vor allem einen ersten Versuch zur Ausgestaltung einer von allen
durchgeführten strategischen Frühaufklärung im Unternehmen darstellt. 518 Jedoch
kann auch diese Generation nicht alle Schwächen der vorherigen ausräumen, da
konkrete Gestaltungshinweise offen bleiben.519
513
Die klassische Einteilung, die vorab beschrieben wurde beruht auf die Arbeiten von Krystek &
Müller-Stewens und wird in der bestehenden Literatur am meisten Beachtung geschenkt. Vgl. dazu
auch Zimmermann (1992), S. 77ff.
514
Vgl. Müller (1984), S. 441ff.
515
Vgl. Müller (1984), S. 444.
516
Vgl. Müller (1984), S. 444.
517
Laut Müller ist STAR ein partizipatives System, dass die Scanning und Monitoring Aufgaben
des Unternehmens organisiert (Quelle: Trux et al. (1985), S. 351).
518
Vgl. Müller (1984), S. 444ff..
519
Vgl. Niemeyer (2004), S. 78.
100
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Zimmermann versucht ebenso, eine vierte Generation zu entwickeln, die „Frühwarnung der Unternehmenspraxis“, die sich als anwendungsorientierte Frühaufklärung
versteht und damit Praktiker in die Lage versetzt, strategische Frühaufklärung im
Unternehmen umzusetzen.520 Eine vierte Generation einzuführen, war mit den Zielen verbunden, „(…) die theoretischen Erkenntnisse der ersten drei Entwicklungsstufen der Frühwarnung
1. miteinander zu verbinden, um einen ganzheitlichen Ansatz zu generieren,
2. in methodische Handlungsanleitungen für die Praxis umzusetzen
3. und dabei von einer abstrakten Konzeptionalisierung der Frühwarnung durch
Deduktion zu einer unternehmensspezifischen Umsetzung zu kommen.“521
Während einige Autoren wie Roll, Zimmermann sowie Baisch die vierte Generation
als eigenständige betrachten und mit der Verknüpfung von operativen mit strategischen Ansätzen argumentieren 522, sehen viele Autoren, beispielsweise Jossé, Niemeyer und Nick, die Ansätze zur vierten Generation lediglich als Spezifizierung
und vertiefende Betrachtung der dritten Generation an.523 Diese Arbeit folgt dieser
Argumentation, da in der vierten Generation keine neuen Ansätze diskutiert werden,
sondern lediglich eine bessere Umsetzung der Konzeption der dritten Generation
angestrebt wird. Nichtsdestotrotz kann die Operationalisierung der strategischen
Frühaufklärung nicht verbessert werden, wodurch der Erkenntniszuwachs einer
vierten Generation zu gering ausfällt, um ihn als eigenständigen Ansatz zu betrachten.524 Wenngleich diese neuen Ansätze zu „(…) einer besseren Anwendbarkeit der
Frühaufklärung beigetragen“525 haben, bleibt zu kritisieren, dass die systematische
Einbindung in den Prozessen der Unternehmen fehlt. 526 Im Folgenden wird das
Verständnis der strategischen Frühaufklärung der dritten Generation verfolgt, die
vor allem erfolgspotenzialorientiert agiert.
Zusammenfassend zu den Generationen der Frühaufklärung bildet Abb. 3-2 die Unterschiede hinsichtlich der Nähe zu Wirkungen, Symptomen oder gar Ursachen ab.
Die ersten Generationen spüren Veränderungen in der Umwelt erst auf, wenn
Symptome oder gar Wirkungen eingetreten sind. Dies ist zu spät, um angemessene
Reaktionen im Unternehmen auszulösen. Einzig die Frühaufklärung der dritten Generation ist in der Lage, nicht nur Symptome und Wirkungen zu beschreiben, son520
Vgl. Zimmermann (1992), S. 103.
Zimmermann (1992), S. 77f.
522
Vgl. Roll (2004), S. 24; Baisch (2000), S. 34.
523
Vgl. Jossé (2004), S. 126; Nick (2008), S. 61; Niemeyer (2004), S. 78.
524
Vgl. Heintzeler (2008), S. 66.
525
Nick (2008), S. 61.
526
Vgl. Roll (2004), S. 24.
521
101
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
dern auch Hinweise auf deren Ursache zu geben. Folglich bleibt dem Unternehmen
noch Handlungsspielraum, bevor die eigentlichen Wirkungen der Veränderungen
eintreten.
Ursachen
Symptome
Wirkungen
1. Generation
2. Generation
3. Generation
Zeit
Abb. 3-2:
Frühaufklärungsumfang der Generationen im Vergleich (Quelle:
Bea & Haas (2009), S. 299)
Deutlich wird hierbei nochmal der Bezug zum hier verwendeten Konzept der strategischen Frühaufklärung, welches der letzten Generation der Frühaufklärung entspricht. Nur diese ist in der Lage Veränderungen in der Umwelt frühzeitig genug
aufzuspüren, um den Handlungsspielraum im Unternehmen zu vergrößern und Reaktionen einzuleiten.
3.1.3.2 Operative versus strategische Frühaufklärung
Die Abgrenzung operativer und strategischer Frühaufklärung ist eng mit der vorangegangenen Beschreibung der Generationen der Frühaufklärung verbunden. Ihr
wird in der bisherigen Literatur sehr viel Beachtung geschenkt, obwohl gerade in
Hinblick auf die Generationen und den damit resultierenden Aufklärungsinhalten
wenige neue Erkenntnisse hinzukommen. Nichtsdestotrotz werden an dieser Stelle
kurz die wichtigsten Eckpunkte genannt, um einen vollständigen Überblick zu liefern. Der zentrale Unterschied zu den vorangegangenen Unterscheidungen nach
102
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Generationen ist die Betonung des Bezugssystems der operativen und strategischen
Frühaufklärung und damit dem organisatorischen Einsatz im Unternehmen 527:
Die operative Frühaufklärung mit dem Fokus auf liquiditäts- und ergebnisorientierten Größen unterstützt den operativen Führungskontext des Unternehmens. 528 Die
operative Frühaufklärung entspricht dabei den ersten beiden Generationen der
Frühaufklärung und nimmt Bezug auf Indikatoren und Kennzahlen wie Bilanzen,
Gewinn- und Verlustgrößen. 529 Informationen sind demnach eher von quantitativer
und wohl-strukturierter Form und lassen wenig Spielraum für Interpretationen. Die
angesprochenen Schwächen der ersten Generationen sind hier weniger tragend, da
das operative Management kurzfristige Lenkungsziele verfolgt, demnach der Betrachtungshorizont eher kurzfristige Problembereiche umfasst.530 Diesen Aufgaben
wird die operative Frühaufklärung gerecht. 531 Dementsprechend wird auch deutlich,
dass die Entwicklungsstufen der ersten und zweiten Generationen durchaus Berechtigung im Unternehmen haben und dort zur Anwendung kommen.532
Dahingegen konzentriert sich die strategische Frühaufklärung vor allem auf strategische Erfolgspotenziale, woraus die Zugehörigkeit zu dem strategischen Management folgt.533 Da das strategische Management auf die Festlegung, Sicherung und
Steuerung der langfristigen Unternehmensentwicklung abzielt, muss auch der Input
durch die strategische Frühaufklärung einem längerfristigen Zeithorizont gerecht
werden.534 Dementsprechend nimmt die strategische Frühaufklärung wie die dritte
Generation Bezug auf strategische Führungs- und Leistungspotenziale und verarbeitet qualitative Informationen wie die Attraktivität und relative Wettbewerbsposition.535 Daraus ergeben sich andere Methoden, die zur Anwendung kommen, vor allem Szenariotechnik, Portfolio-Analyse und die Methode des vernetzten Denkens. 536
Folgerichtig haben Krystek & Müller-Stewens in Abhängigkeit des Bezugssystems
unterschiedliche Prozesse abgeleitet, da sich verschiedene Informationsquellen (Inputs), die Möglichkeit ihrer Verarbeitung (Throughput), die Ergebnisse (Output)
und deren Wirkung (Outcome) ergeben. Eine vollständige Übersicht der wichtigsten
Merkmale beider Ansätze findet sich in Tab. 3-3.
527
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (2006), S. 176.
Vgl. Hauff (2009), S. 9.
529
Vgl. Rauscher (2004), S. 14.
530
Vgl. Lasinger (2011), S. 43.
531
Vgl. Rauscher (2004), S. 23.
532
Vgl. Baisch (2000), S. 33.
533
Vgl. Zimmermann (1992), S. 198.
534
Vgl. Hungenberg (2006), S. 4f.
535
Vgl. Nick (2008), S. 57.
536
Vgl. Hazebrouck (1998), S. 65ff.
528
103
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Operative Frühaufklärung
Input
Charakteristika
der Informationen
Fähigkeiten der
Beteiligten
Throughput
Strategische Frühaufklärung
 wohl-strukturiert
 schlecht-strukturiert
 eher wertfrei
 eher wertebeladen
 eher quantitativ
 eher qualitativ
 eher analytisch
 eher holistisch
 eher erfahrungsgeleitet
 eher kreativ
 eher beweisend
 eher überzeugend
Durchführung
 eher delegierbar
 nicht delegierbar
Instrumente
 Kausalanalysen
 Umgang mit Diskontinuitäten
Output
 Signifikante Abweichungen
 Drittvariablen
 Abweichungen vom
verlauf
 Tiefenanalysen, Chancen und
Gefahren für das Unternehmen
Outcome
 eher in institutionalisierter
Form
Plan-
 Reaktionsprozeduren
 Suche nach Auswirkungen auf
die strategische Frühaufklärung
 eher in informellen Arenen
 Schwache Signale
 Reaktionsstrategien und Handlungsanweisungen
 Suche nach Auswirkungen auf
die operative Frühaufklärung
Tab. 3-3: Unterschiede zwischen operativer und strategischer Frühaufklärung
(Quelle: Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 12)
Krystek und Müller-Stewens betonen zudem, dass operative und strategische Frühaufklärung als „(…) gleichwertige, sich ergänzende und überlappende Ansätze“537
fungieren. Wenngleich sie auf sehr viele Merkmale beider Ansätze eingehen, bleibt
in ihrer Betrachtung unberücksichtigt, inwiefern der Umfang der Frühaufklärung
Auswirkungen auf die Entscheidungs- und Führungsmöglichkeiten eines Unternehmens ausübt.538
537
538
Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 16.
Vgl. Roll (2004), S. 39.
104
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Hauff geht indes so weit, die Trennschärfe beider Systeme als gering anzusehen, da
sie seiner Auffassung nach beide geeignet sind, Chancen und Gefahren zu ermitteln.539 Sie unterscheiden sich lediglich hinsichtlich des Zeithorizonts. Dem ist aber
gerade in Hinblick auf Methodeneinsatz und der daraus resultierenden Kritik an den
Generationen der Frühaufklärung nicht zuzustimmen. 540 Denn gerade dort wurde
bereits festgestellt, dass sich operative Systeme, d.h. die ersten beiden Entwicklungsstufen, nur bedingt eignen, Chancen abzubilden.541
Grundsätzlich erwähnen einige Autoren wie Jossé, Hammer und Heintzeler, dass
gesamtunternehmensbezogene Frühaufklärung strategischer Frühaufklärung entspricht und bereichsbezogene Frühaufklärung als operative Frühaufklärung anzusehen ist.542 Zwar wird vor allem strategische Frühaufklärung in gesamtunternehmensbezogenen Abteilungen durchgeführt, jedoch zeigen jüngste Auswertungen
zum Einsatz der strategischen Frühaufklärung, dass dies nicht die einzige organisatorische Anbindung ist (siehe 3.2.3).543 So kann auch strategische Frühaufklärung in
kleineren Organisationseinheiten zum Tragen kommen, was den Ausführungen Jossés, Hammers und Heintzelers widersprechen würde.544 Daher ist diesem Unterscheidungsmerkmal ebenfalls nicht zuzustimmen.
Da in der folgenden Untersuchung strategische Frühaufklärung den Untersuchungsgegenstand ausmacht, wird durch die Unterscheidung das Bezugssystem, welches
im strategischen Management zu sehen ist, unterstrichen und die Merkmale anhand
des Inputs, Throughputs, Outputs und Outcomes verdeutlicht.
3.1.3.3 Abgrenzung der Frühaufklärung vom Krisenmanagement
Im Krisenmanagement geht es um den systematischen Umgang mit Krisensituationen, die von Bedeutung für das Unternehmen sind.545 Insgesamt stellen sich strategische Frühaufklärung und Krisenmanagement nicht als konkurrierende Systeme,
sondern als komplementäre Systeme dar. 546 Anders als bei der Frühaufklärung, wo
es darum geht, bestimmte Probleme zu verhindern, geht es beim Krisenmanagement
darum, den Schaden nach Eintreten einer Krise oder einer bestimmten Entwicklung
539
Vgl. Hauff (2009), S. 28.
Vgl. Heintzeler (2008), S. 83.
541
Vgl. Rauscher (2004), S. 30.
542
Vgl. Jossé (2004); Hammer (1988), S. 176; Heintzeler (2008), S. 83.
543
Vgl. Nick (2008); Becker (2002); Daheim & Uerz (2008); Müller & Müller-Stewens (2009);
Burmeister (2002).
544
Vgl. Becker (2002), S. 11ff.; Rohrbeck (2010), S. 53f.
545
Vgl. Hahn (1979), S. 42; Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 28.
546
Vgl. Heintzeler (2008), S. 89; Roll (2004), S. 27.
540
105
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
zu minimieren. Aus den schwachen Signalen sind demnach starke geworden, die
eine Schadensbegrenzung durch bestimmte Aktivitäten erfordern. 547 Dementsprechend benutzen Krystek & Müller-Stewens auch den Vergleich von „Brand verhüten“ versus „Brand löschen“:
„Bildhaft gesprochen will auf der einen Seite das klassische Krisenmanagement
den bereits bestehenden Brand unter Minimierung des Brandschadens bekämpfen und löschen; auf der anderen Seite steht mit der Frühwarnung der Versuch,
über die möglichst frühzeitige Identifikation und Ausschaltung möglicher
Brandherde einen Brand zu vermeiden.“548
Die Frühaufklärung ist trotz Funktion als strategisches Radar nicht in der Lage, alle
Frühindikatoren und daraus entstehende Diskontinuitäten zu erfassen, weshalb es
unabdingbar ist auch ein Krisenmanagement zu implementieren. 549 Insofern gehen
einige Autoren wie Hahn, Niemeyer und Krystek & Müller-Stewens so weit, eine
gewisse Verknüpfung der Systeme zu sehen.550 Sobald ein noch nicht bewertetes
künftiges Ereignis Krisenform annimmt, wird an das Krisenmanagement übergeben,
was in diesem Kontext als eine mögliche Methode verstanden wird, diskontinuierlichen Wandel zu managen. 551 Hahn (1979) ordnet der Frühaufklärung in diesem Zusammenhang sogar die Rolle zu, als Input des Krisenmanagements zu fungieren. Er
beschränkt in seinen Ausführungen die Anwendbarkeit der Frühwarnung auf latente
Unternehmenskrisen, da potentielle Krisen aufgrund fehlender Indikatorwerte noch
nicht wahrgenommen werden und akute Unternehmenskrisen bereits direkt wahrnehmbar und spürbar sind. Damit spielt die Frühwarnung für präventives Krisenmanagement eine Rolle und kann die Ableitung von Präventivplanungen und deren
Realisierung sowie deren Kontrolle möglich machen.552
Zusammenfassend sind beide Funktionen im Unternehmen unabdingbar, um mit
unerwarteten Ereignissen umzugehen, wobei die eine Funktion vor einer Krise relevant ist und die andere nach Ausbruch der Krise (siehe Abb. 3-3).
547
Vgl. Ansoff (1975), S. 20.
Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 27.
549
Vgl. Roll (2004), S. 28.
550
Vgl. Hahn (1979), S. 42; Niemeyer (2004), S. 85; Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 28.
551
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 31.
552
Vgl. Hahn (1979), S. 42.
548
106
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Direkter Krisenausbruch
Ex ante
Ex post
Aspekte
des Krisenmanagements
Aspekte der
Frühaufklärung
Zeit
Abb. 3-3:
Komplementarität zwischen Frühaufklärung und Krisenmanagement (Quelle: Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 28)
3.1.3.4 Abgrenzung zu anderen Formen der zukunftsorientierten Umfeldaufklärung
Die strategische Frühaufklärung ist ein relativ neues Konzept in der Zukunftsforschung und gleichwohl nicht die einzige Forschungsrichtung, die sich mit der Zukunft auseinandersetzt. Daher ist es nötig, dieses Konzept deutlich von anderen in
der Literatur bereits diskutierten abzugrenzen.
Zunächst wird die Abgrenzung zu dem durchaus bekannteren Ansatz des Forecastings behandelt. Darin werden „(…) Wahrscheinlichkeitsaussagen über zukünftige
Ereignisse“553 getroffen, die „(…) auf Beobachtungen der Vergangenheit, einer
Theorie zur Erklärung dieser Beobachtungen sowie der Annahme der Fortgeltung
der Erklärungszusammenhänge in der Zukunft“554 basieren Forecasting ist prinzipiell vor der Frühaufklärung entstanden, wurde aber nicht von dieser abgelöst, vielmehr existieren beide Konzepte nebeneinander weiter.555 Rohrbeck & Gemünden
haben zu der Auseinanderhaltung der beiden festgestellt:
„In der Forschungsgemeinschaft besteht zwar über die genaue Abgrenzung keine allgemein gültige Meinung, dennoch werden unter den beiden Begriffen zumeist unterschiedliche Inhalte diskutiert.“556
553
Bea & Haas (2009), S. 301.
Bea & Haas (2009), S. 301.
555
Vgl. Rohrbeck & Gemünden (2008), S. 151.
556
Rohrbeck & Gemünden (2008), S. 151.
554
107
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Die Diversität der Inhalte wird im Folgenden kurz dargestellt.
Unter Forecasting werden meist Konzepte definiert, die eine Vorhersage oder
Schätzung der kurz-, mittel- sowie langfristigen Zukunft eines vorher definierten
Bereichs abgeben. 557 Armstrong fasst den Begriff weitestgehend unter „estimating
the unknown“558 zusammen. Entscheidend ist dabei, dass beim Forecasting das zu
untersuchende Gebiet oder die Forschungsfrage vorher feststeht. Laut Martino
(1983) sind die wichtigsten Elemente eines Forecast folgende: der Zeithorizont der
Prognose; der Gegenstand oder die Technologie, die untersucht wird; Aussagen
über die Eigenschaften des untersuchten Gegenstandes und eine Angabe der Wahrscheinlichkeit über das Eintreten des Prognose.559 Forecasts leiten meist auf Grundlage von Vergangenheitsdaten und Indikatoren Zukunftsprognosen ab 560, wobei
oftmals die Annahme getroffen wird, dass die Entwicklungen einem linearen Verlauf entsprechen.561 Typisch für Forecasting ist besonders die S-Kurvenanalyse, bei
der Forecaster versuchen, emergente Technologien anhand ihres S-Kurvenverlaufs
zu identifizieren und dies noch vor seinem ersten Wendepunkt. 562 Ergebnis des Forecast-Prozesses ist die Identifizierung von möglichen Zukunftsbildern. 563 Damit
entstehen vor allem Ähnlichkeiten mit den frühen Entwicklungsstufen der Frühaufklärung.
Im Gegensatz zu Forecasting, endet die Frühaufklärung nicht mit der Entwicklung
von Zukunftsbildern, vielmehr beginnt hier die Auswahl eines möglichen Entwicklungsbildes und die darauf aufbauende Ableitung von Handlungsempfehlungen. 564
Forscher wie Cuhls und Rohrbeck & Gemünden betonen daher, dass Frühaufklärung über Forecasting hinausgeht.565 Cuhls fasst zusammen:
“Foresight not only looks into the future by using all instruments of futures research, but includes utilizing implementations for the present.”566
Frühaufklärung wird daher durchgeführt, um mehr Wissen über zukünftige Entwicklungen zu generieren und heutige Entscheidungen auf eine solide Basis zu stellen.567 Unsicherheit wird durch Austausch und Interaktion der Stakeholder im Entscheidungsprozess bewältigt. Darüber hinaus werden im Gegensatz zu der indikato557
Vgl. Cuhls (2003), S. 95.
Armstrong (1985), S. 505.
559
Vgl. Martino (1983), S. 2.
560
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 151.
561
Vgl. Cuhls (2003), S. 95.
562
Vgl. Saffo (2007), S. 126.
563
Vgl. Cuhls (2003), S. 95.
564
Vgl. Martin (1995), S. 140; Rohrbeck (2010), S. 47.
565
Vgl. Cuhls (2003), S. 93; Rohrbeck & Gemünden (2008), S. 151.
566
Cuhls (2003), S. 93.
567
Vgl. Horton (1999), S. 5.
558
108
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
renbasierten Analyse im Forecast, emergente Entwicklungen im Foresight vorwiegend auf Grundlage von qualitativen Daten abgeleitet. Bei der Analyse beschränkt
sich Frühaufklärung zudem nicht auf einen Bereich, sondern kann ganzheitlich und
auf den Nutzer zugeschnitten Betrachtungsaspekte aufnehmen. Insgesamt wird bei
Analyse zu der Abgrenzung von Forecasting und Frühaufklärung sehr deutlich, dass
Forecasting vor allem mit den ersten Generationen der Frühaufklärung und damit
auch der operativen Frühaufklärung in Verbindung zu bringen ist.568
Der Grundgedanke der strategischen Frühaufklärung findet sich auch in anderen
benachbarten Forschungsrichtungen wieder.569 Hier werden vor allem folgende
Konzepte benannt: Corporate Foresight, Future Research und Future Analysis (im
Deutschen: Zukunftsforschung), Competitive Intelligence, Consumer Foresight,
Technological Forecasting sowie Technological Foresight. 570 Da es sich jedoch
meist nur um untergeordnete Konzepte handelt, ist die Literatur zu diesen Forschungsrichtungen deutlich eingeschränkter und weniger deutlich als die zu Forecasting, weshalb an dieser Stelle nur ein kurzer Überblick erfolgt.571
Corporate Foresight wird oftmals, trotz der Unterscheidungsmerkmale, synonym
zur strategischen Frühaufklärung verwendet.572 Es versteht sich gemeinhin als Zukunftsforschung im Unternehmen und hat einen engen Bezug zu Future Research
und Future Analysis. Es hat damit einen ganzheitlichen und längerfristigen Blick
auf die Zukunft. Corporate Foresight begreift sich als allgemeine Unternehmensfunktion und vernachlässigt die organisatorische Integration in die strategischen
Entscheidungsprozesse, wie es bei der strategischen Frühaufklärung üblich ist.573
Daher stellt die strategische Frühaufklärung für Müller-Stewens auch das Bindeglied zwischen Corporate Foresight und strategischen Management dar.574
568
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 39.
Vgl. Nick (2008), S. 31; Rohrbeck & Gemünden (2008), S. 150f.
570
Vgl. Rohrbeck & Gemünden (2008), S. 150f.; Müller & Müller-Stewens (2009), S. 8ff.; Nick
(2008), S. 31.
571
Vgl. Rohrbeck & Gemünden (2008), S. 150; Müller & Müller-Stewens (2009), S. 8ff.
572
Die Unterscheidung zwischen Strategischer Frühaufklärung und Corporate Foresight ist zwar
angebracht, nichtsdestotrotz benutzen einige Autoren diesen synonym zum Begriff der Strategischen Frühaufklärung. Argumentiert wird in diesen Fällen, dass Corporate Foresight den Gesamtunternehmensbezug hervorheben soll. Dies ist eigentlich nicht notwendig, denn die strategische
Frühaufklärung kann sowohl auf Gesamtunternehmensebene als auch auf Bereichsunternehmensebene durchgeführt werden.
573
Vgl. Müller & Müller-Stewens (2009), S. 8.
574
Müller & Müller-Stewens (2009) grenzen die strategische Frühaufklärung nochmals von Strategic Foresight ab mit der Begründung, dass es sich bei Strategic Foresight um ein erweitertes Konzept handelt, dass neben den Aktivitäten informationsbasierter Umfeldanalyse auch partizipative
Prozesse szenarienbasierter Wissensgenerierung und normativer Visionsbildung in Unternehmen
beschreibt. Ihrer Meinung nach steht bei der strategischen Frühaufklärung weniger die partizipative und kreative Verwertung dieser Informationen im Vordergrund. Eine derartige Abgrenzung
wird hier nicht vorgenommen, da dieses Vorgehen nur Verwirrung stiftet. Darüber hinaus strebt die
569
109
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Competitive Intelligence bezieht sich auf die Identifizierung, Bewertung und Nutzung von Informationen, die sich auf das Wettbewerbsumfeld des Unternehmens
beziehen.575 Analog beschäftigt sich Consumer Foresight mit der Identifizierung,
Bewertung und Antizipation von Kundenbedürfnissen.576 Das Technological Forecasting, ähnlich wie das reine Forecasting, betrachtet vor allem Methoden, „(…) die
die Informationen aus der Vergangenheit nutzen, um Trends und Entwicklungen in
der Zukunft vorherzusagen“577, in diesem Falle jedoch eingeschränkt auf technologische Entwicklungen. Bei Technological Foresight wird dieses Vorgehen durch die
Verwertung zur Planung von strategischen Maßnahmen ergänzt.578
Grundsätzlich sind damit die einzelnen Forschungsrichtungen als Teilelemente der
strategischen Frühaufklärung zu verstehen, die sich meist nur auf verschiedene Beobachtungsbereiche beziehen.579 Insofern sind besonders Competitive Intelligence,
Consumer Foresight und Technological Foresight lediglich Bestandteile einer strategischen Frühaufklärung. 580 Damit bildet die strategische Frühaufklärung ein
ganzheitliches Instrument, das keine Einschränkungen bzgl. der Beobachtungsbereiche kennt und einen mittel- bis langfristigen Zeithorizont abdeckt. 581
3.2 Implementierung der strategischen Frühaufklärung im Unternehmen
3.2.1 Erkenntnisziele
Neben den theoretischen Grundlagen der strategischen Frühaufklärung ist die Betrachtung der Umsetzung in Unternehmen von großer Relevanz für diese Arbeit.
Das Ziel besteht darin, einen Überblick über die gängigen Praktiken der strategischen Frühaufklärung herauszubilden.
Das Kapitel folgt dem Aufbau nach den folgenden zentralen Fragestellungen:
strategische Frühaufklärung die Verwendung der Informationen an. Müller & Müller-Stewens unterstreichen dies mit Fallstudien, die der strategischen Frühaufklärung zuzuordnen sind und daher
sich selbst widersprechen.
575
Vgl. Rohrbeck et al. (2007), S. 4.
576
Vgl. Rohrbeck et al. (2007), S. 4.
577
Rohrbeck & Gemünden (2008), S. 150.
578
Vgl. Lichtenthaler (2004), S. 122; Müller & Müller-Stewens (2009), S. 11.
579
Insgesamt muss man bei der Betrachtung der bestehenden Literatur sehr aufmerksam Begrifflichkeiten
verfolgen, denn trotz dieser Abgrenzungsmerkmale, werden oftmals Konzepte synonym verwendet.
580
Diese Bestandteile können nach Beobachtungsbereichen der Frühaufklärung unterschieden werden und werden in diesem Zusammenhang in 3.2.5 gesondert behandelt.
581
Vgl. Müller & Müller-Stewens (2009), S. 10.
110
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
(1) Aufgaben und Einsatzfelder: Welche Aufgaben werden von der strategischen
Fragestellung wahrgenommen und in welcher Form wird die strategische
Frühaufklärung im Unternehmen umgesetzt?
(2) Verankerung: Wie wird strategische Frühaufklärung im Unternehmen organisatorisch verankert?
(3) Prozess: Wie sieht der Prozess der strategischen Frühaufklärung aus und
welche Aktivitäten erfolgen in den jeweiligen Prozessphasen?
(4) Instrumente und Methoden: Wie wird die strategische Frühaufklärung letztlich umgesetzt?
(5) Implementierungshindernisse: Welche Faktoren behindern die Implementierung der Frühaufklärung im Unternehmen und wie können diese umgangen
werden?
Diese betrachteten Fragestellungen und Aspekte sind nicht trennscharf voneinander
zu betrachten, sondern stellen ein ineinander abhängiges System dar. So bedingen
beispielsweise Aufgaben und Einsatzfelder meist die Verankerung und eingesetzte
Methoden. Die Methoden sind wiederum von der einzelnen Prozessphase abhängig.
Dieses System ist zusammenfassend in Abb. 3-4 dargestellt.
Aspekte der Implementierung
Implementierungsbarrieren
Aufgaben &
Einsatzfelder
Instrumente &
Methoden
Verankerung
Prozessuale
Ausgestaltung
Abb. 3-4: Zentrale Fragestellungen des Kapitels (Quelle: Eigene Darstellung)
111
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
3.2.2 Aufgaben und Einsatzfelder im Unternehmen
3.2.2.1 Allgemeine Aufgaben
Strategische Frühaufklärung wird vor allem in den Bereichen Strategie & strategische Planung, Planungsprozesse, Marketing, Innovationsmanagement und Unternehmens-kommunikation eingesetzt. 582 Prinzipiell kann die strategische Frühaufklärung in allen Unternehmensbereichen zur Anwendung kommen, in denen „(…) Erkenntnisse über Zukunftsszenarien, Innovationen und Unternehmensrisiken gefragt
sind“ 583.
In diesem Zusammenhang werden die eigentlichen Aufgaben der strategischen
Frühaufklärung deutlich. Burmeister (2002) identifiziert daher folgende Ziele der
strategischen Frühaufklärung und damit ebenso Aufgabenfelder: 584






relevante Trends identifizieren,
strategische Entscheidungen vorbereiten,
Innovationsprozesse unterstützen,
zukünftige Geschäftsfelder entwickeln und optimieren,
das Unternehmen für Zukunftsfragen sensibilisieren und
eine breite Wissensbasis aufbauen und entwickeln.
Daheim & Uerz (2008) unterstreichen die Funktion, „harte“ Ziele zu erreichen, indem vor allem die strategische Entscheidungsfindung unterstützt und zugleich die
Reaktionsfähigkeit auf Umweltwandel verbessert wird.585 In einer Untersuchung
der europäischen Union spezifiziert Becker die einzelnen Aufgaben weiter. Die
strategische Frühaufklärung wird demnach in den untersuchten 19 europäischen
Unternehmen folgendermaßen eingesetzt: 586
 “Anticipatory intelligence”: Abgeben von Hintergrundinformationen und
Frühwarnung zu aktuellen Entwicklungen,
 “Direction setting”: Aufstellen von Eckpunkten für die Unternehmensstrategie
 “Determining priorities”: Identifikation von aktuellen Suchfeldern und
Trends als direkter Input für spezielle Entscheidungen,
582
Vgl. Burmeister (2002), S. 43ff.
Müller & Müller-Stewens (2009), S. 19.
584
Vgl. Burmeister (2002), S. 62; siehe auch Müller & Müller-Stewens (2009), S. 7, Reger (2001),
S. 535.
585
Vgl. Daheim & Uerz (2008), S. 324.
586
Vgl. Becker (2002), S. 9.
583
112
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
 “Strategy formulation”: Beteiligung an der Formulierung von strategischen
Entscheidungen,
 “Innovation catalysing”: Stimulation und Unterstützung des Innovationsprozesses zwischen den einzelnen Beteiligten.
In den untersuchten Unternehmen wird oft nur ein Einsatzfeld genutzt, jedoch konnten Unternehmen identifiziert werden, die mehrere Funktionen abdecken und folglich die strategische Frühaufklärung zu verschiedenen Zwecken einsetzen. Die Hälfte der Unternehmen sieht vor allem eine Beraterfunktion in der strategischen Frühaufklärung, die zwar Erkenntnisse und Entscheidungen beeinflusst, nicht aber direkt
in den Entscheidungsprozess mündet. Nichtsdestotrotz wurden ebenso Unternehmen befragt, die die strategische Frühaufklärung in den Entscheidungsprozess einbinden.587 Hieran wird deutlich, dass es in der Praxis große Unterschiede zu dem
bisher möglichen identifiziertem Potenzial aus der theoretischen Konzeption gibt, in
der weitestgehend die Initiierung von Reaktionsstrategien als Bestandteil der Frühaufklärung fungiert.588
Eine mögliche Einteilung nimmt Ruff vor, indem er Felder der strategischen Frühaufklärung anhand des zeitliches Horizonts und der thematischen Ausrichtung des
Prozesses (Technologie oder Markt) bestimmt, was in Abb. 3-5 gezeigt wird.589 Je
nach Zeithorizont und Fokusbereich ergeben sich unterschiedliche Einsatzfelder im
Unternehmen. Beispielsweise wird Frühaufklärung im Bereich Technologie als
Technologiemonitoring mit eher mittelfristigem Zeithorizont durchgeführt, bei
mehr als 10 Jahren eignet sich die Frühaufklärung eher zu einer langfristigen Technik-folgenabschätzung. 590 Hierbei wird wiederum deutlich, dass Frühaufklärung
verschiedene Einsatzfelder zusammenfasst und keinen neuen Ansatz darstellt, vielmehr die ganzheitliche Betrachtungsweise neuartig ist. Innerhalb der Frühaufklärung kann man insofern auf verschiedene Instrumente zurückgreifen, die bereits
existierten.
587
Vgl. Becker (2002), S. 9.
Siehe auch die entsprechenden Prozesskonzeptionen, in Kapitel 3.2.4.
589
Vgl. Ruff (2003), S. 44.
590
Vgl. Ruff (2003), S. 44.
588
113
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Abb. 3-5: Felder der Frühaufklärung im Unternehmen
(Quelle: Ruff (2003), S. 44)
3.2.2.2 Aufgaben im Innovationsmanagement
Da im Rahmen der vorliegenden Arbeit das Innovationsmanagement eine besondere
Rolle spielt, wird die Funktion der strategischen Frühaufklärung nochmals in diesem Zusammenhang separat betrachtet. In den allgemeinen Ausführungen zu den
Aufgaben der Frühaufklärung wurde bereits deutlich, dass ein Bezug zum Innovationsmanagement besteht.591 Müller & Müller-Stewens bekräftigen diese Ausführung
und fügen hinzu:
„Strategic Foresight beinhaltet deshalb im unternehmensstrategischen Kontext
(…) die dauerhafte Stärkung der Lern- und Innovationsfähigkeit des Unternehmens.“592
Ebenso wird auch von Burmeister et al. das Einsatzfeld der strategischen Frühaufklärung unterstrichen:
591
Vgl. Müller & Müller-Stewens (2009), S. 37; Burmeister et al. (2004), S. 118ff.; Càron-Fàsân &
Marie-Laurence (2008), S. 26.
592
Müller & Müller-Stewens (2009), S. 7.
114
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
„Unternehmen sehen sich vor die Notwendigkeit gestellt, strategisch an ihre Innovationen heranzugehen. Genau hier setzt Corporate Foresight an, ein neues,
ein hilfreiches Instrument“593
Tyssen konnte erstmals in seiner Untersuchung einen positiven Zusammenhang
zwischen der Durchführung einer strategischen Frühaufklärung und dem Hervorbringen von Innovationen nachweisen. 594 Wie genau diese Beeinflussung stattfindet, wird aber nicht geklärt.
Dementsprechend ist es Ziel des folgenden Abschnittes, die Aufgaben und Einsatzfelder der strategischen Frühaufklärung im Kontext des Innovations-managements
gesondert darzustellen.
Das in der Frühaufklärung generierte Wissen über mögliche Umfeldentwicklungen,
Aktivitäten und Reaktionsstrategien in Bezug auf neue Produkte schafft Anknüpfungspunkte zum Innovationsmanagement eines Unternehmens. 595 Diese unterstützen jene Annahmen, indem sie in zahlreichen Befragungen angaben, strategische
Frühaufklärung zu diesen Zwecken durchzuführen. Cuhls & Johnston (2008)
verdeutlichen wie folgt:
„Foresight for innovation does not only deal with technologies but also their applications and potential markets for new products derived from these new applications. (…) Other companies perform innovation foresight as a prerequisite for
their own strategic planning. Some firms regard the catalytic function to stimulate and enhance their innovation processes, as important.”596
Wenngleich die einschlägige Literatur und selbst Praktiker diese Meinung vertreten,
bleiben oftmals sowohl theoretische als auch empirische Belege aus. 597 So mangelt
es nicht nur an der theoretischen Fundierung, sondern auch an empirischen Untersuchungen, die diesem Zusammenhang nachgehen.598 Nichtsdestotrotz lassen sich
in den Ausführungen einiger Autoren und in fallbezogenen Untersuchungen, drei
Hauptfunktionen der strategischen Frühaufklärung identifizieren, die im Anschluss
zur Strukturierung bisheriger Argumentationen dienen:599
593
Burmeister et al. (2004), S. 119.
Vgl. Tyssen (2012), S. 243.
595
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 181.
596
Cuhls & Johnston (2008), S. 107; siehe auch Daheim & Uerz (2008), S. 324.
597
Einzig Rohrbeck und Tyssen geben erstmals Hinweise auf die Wirkungsweise.
598
Ein Beispiel dafür bietet die Arbeit von Lasinger (2011), die die strategische Frühaufklärung als
die Leistung vor der Innovation darstellt, jedoch mangelhaft Zusammenhänge und deren Rolle im
Innovationsprozess oder der Innovationsförderung nachgeht.
599
Rohrbeck (2010) hat in seiner empirischen Untersuchung erstmals alle drei Funktionen aufgedeckt, wobei die einzelnen Rollen nicht neu waren, sondern vielmehr ihre ganzheitliche Darstel594
115
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
1. Strategische Frühaufklärung als Ideengeber,
2. Strategische Frühaufklärung als Strategieinstrument,
3. Strategische Frühaufklärung als kontinuierliches Instrument zur Untersuchung der Innovationsaktivitäten.
Die drei Funktionen werden nach dem Zeitpunkt, d.h. wann genau sie im Innovationsprozess600 zum Tragen kommen, unterschieden und in Abb. 3-6 verdeutlicht.601
Innovationsprozess
Ideen-Generierung
1 SF als Inputgeber
KonzeptSelektion
Entwicklung
Markteinführung
 Identifizierung von
neuen Bedürfnissen und
Technologien
 Identifizierung von
neuen Wettbewerbern
2 SF als strategisches
Instrument
 Vorschlag neuer
Geschäftsfelder
3
 Impulse für strategische
Ausrichtung von
Geschäftsfeldern
Abb. 3-6:
SF als kontinuirliche Dienstleistung
 Monitoring des technolgischen Umfelds zur Sicherung des Stands der Technik
 Monitoring des Marktumfelds (Politik, Kunden, Wettbewerb)
 Scanning von weißen Feldern, um Disruptionen zu erkennen, die den Erfolg des
Produkts gefährden
Die Rollen der strategischen Frühaufklärung im Innovationsprozess (Quelle: Rohrbeck & Gemünden (2008), S. 158)
Strategische Frühaufklärung als Ideengeber
Die Rolle des Ideengebers wurde erstmalig von Trux et al. (1985) aufgegriffen. Sie
sehen zwei Funktionen der Frühaufklärung: Zum einen die Exploration von Innovationen, die ähnlich dem Scanning wie eine Art 360-Grad Radar funktioniert, um
möglichst viele Ideen und Hinweise auf Neuerungen aus dem Unternehmensumfeld
aufzunehmen.602 Zum anderen erfolgt eine weitere Tiefenanalyse der Innovationsideen. Ähnlich dem Monitoring werden die Innovationsideen analysiert und bewer-
lungsform. Sie dienen daher hier als Vorlage zur Darstellung und basieren stark auf den Erkenntnissen der empirischen Untersuchung von Rohrbeck.
600
Der Innovationsprozess bildet die Phasen des Innovationsmanagements ab und untergliedert
sich in die Prozessschritte Initialphase, Ideengenerierung, Ideenbewertung und -auswahl, Projektdurchführung sowie Markteinführung (Quelle: Crawford (1994), S. 26).
601
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 182; die Rolle des Ideengebers spielt naturgemäß am Anfang des Innovationsprozess eine Rolle, die Rolle als Strategieinstrument ist losgelöst vom ganzen Prozess
und das kontinuierliche Instrument zur Untersuchung der Innovationsaktivitäten ist im gesamten
Prozess von Bedeutung.
602
Vgl. Trux et al. (1985), S. 372.
116
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
tet. Damit stellen sie einen direkten Bezug zu den Phasen der strategischen Frühaufklärung her, die ihrem „Aufwirbel-Ansaug-Filter-System“603 entsprechen. 604 In
der ersten Aufsaug-Ansaug-Phase erfolgt das Aufwirbeln von Ideen, die dann in der
anschließenden Filterphase einer Tiefenanalyse unterzogen werden. 605 Nachdem die
Innovationsideen Suchfeldern zugeordnet werden und eine Projektselektion durch
das Top-Management erfolgt, wird das Projekt initiiert. Die aussortierten Ideen
werden „recycelt“, damit eine regelmäßige Wiedervorlage erfolgen kann und aussortierte Ideen nicht übersehen werden. 606
Rohrbeck & Gemünden (2008) haben mit Hilfe des Planungsparadigmas des Innovationsmanagements mögliche Nutzenfelder der strategischen Frühaufklärung in
der Rolle als Ideengeber ergänzt, welche in Abb. 3-7 abgebildet wird.
Neue Märkte
Neue
Technologien
Strategische Koordination
Taktische Koordination
Neue Zielgruppen
Umfeldscanning
Produktkonzepte
Marktscanning
Operationale
Koordination
Umzusetzende
Projekte
Monitoring d.
Marktprämissen
Scannen F&E
Aktivitäten
Verfügbare
Technologien
Scannen für
Technologieq
uellen
Neue Produktkonzepte
Wettbewerbss
canning
Neue Quellen
Scannen
disruptiver
Technologie
Monitoring d.
Technologieprämissen
Strategic Foresight
Abb. 3-7:
Beitrag der strategischen Frühaufklärung im Innovationsmanagement (Quelle: Rohrbeck & Gemünden (2008), S. 155)
Durch Scanning des Umfeldes, des Marktes, der Wettbewerber sowie durch Forschung und Technologie ist eine Identifizierung neuer Märkte, neuer Zielgruppen,
Produktkonzepte und Technologien möglich. 607 In diesem Zusammenhang ergänzt
Lichtenthaler (2004), dass eine strategische Frühaufklärung, die nicht nur auf Scan603
Das Aufwirbel-Ansaug-Filter-System ist ein von Kirsch & Trux entwickeltes Modell zur Beschreibung der strategischen Frühaufklärung. Es besteht aus mehreren Bestandteilen: (1) Das Aufwirbeln von Ideen aus der Umwelt durch das Frühaufklärungssystem; (2) das Ansaugen der aufgewirbelten Ideen durch die Rezeptoren der strategischen Frühaufklärung, ohne sie hinsichtlich der
strategischen Relevanz zu beurteilen; (3) die Filterung der Ideen nach Relevanz und (4) das Ideenrecycling zum Abrufen der Ideen zu einem späteren Zeitpunkt (Quelle: Jossé (2004), S. 187).
604
Vgl. Trux et al. (1985), S. 373.
605
Vgl. Trux et al. (1985), S. 375; siehe auch Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 186.
606
Vgl. Trux et al. (1985), S. 376; siehe auch Cuhls (2011), S. 192.
607
Vgl. Rohrbeck & Gemünden (2008), S. 155.
117
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
ning und Monitoring beschränkt ist, sondern aktiv an der Formulierung von Bedürfnislandschaften beteiligt wird, sich zu einem visionären Instrument zur Bestimmung von Innovationserfordernissen entwickelt.608
In seiner empirischen Erhebung hat Rohrbeck (2010) darüber hinaus bewährte Praktiken zusammengetragen, die diese theoretische Überlegung bestätigen. Die strategische Frühaufklärung dient in diesem Zusammenhang zur: 609
 Identifikation neuer Bedürfnisse: Sowohl soziokultureller Wandel als auch
veränderte Kundenbedürfnisse bedingen neue Produktanforderungen, die Innovationen auslösen.
 Identifikation neuer Technologien: Fortlaufendes Scannen von Wissenschaft
und Technologie ermöglicht das Aufspüren neuer relevanter Technologien.
 Identifikation von Wettbewerbsaktivitäten: Durch fortlaufendes Monitoring
von Wettbewerbern besteht die Möglichkeit, künftige Handlungen und Innovationsaktivitäten aufzuspüren.
Anhand dieser Informationen werden neue Innovationsprojekte ausgelöst, die in den
Ideentrichter am Anfang des Innovationsprozesses gelangen und wiederum eine
erhöhte Quantität als auch Qualität an Innovationen ermöglichen.610 In den BestPractices-Fällen fand Rohrbeck zwei mögliche organisatorische Anbindungen.
Entweder wird die strategische Frühaufklärung im Rahmen des Innovationsmanagements durchgeführt oder ist vollkommen autark und versorgt die Innovationseinheiten lediglich mit Informationen in Form von Newslettern, E-Mails und
Ähnlichem.611 Die Verantwortung Handlungen einzuleiten, liegt in diesem Fall bei
den zuständigen Innovationsmanagern. 612
Ruff (2006) zeigt in einer Fallstudie, wie die konkrete organisatorische Umsetzung
dieser Funktion erfolgen kann. Die Aufgabe das Produktportfolio durch neue Ideen
zu erweitern, wurde mit Hilfe eines fünfstufigen Prozesses durch das Frühaufklärungs-team ausgeführt.613 In der ersten Phase werden zukünftige Trends durch Beobachtung und Experteninterviews identifiziert, um in der nächsten Phase die Auswirkungen dieser Trends an Produktanforderungen abzuschätzen. 614 Im Ergebnis
entsteht ein Ranking der künftigen Kundenerwartungen, welches mit dem bestehenden Portfolio für künftige Innovationen abgeglichen wird, um offene Suchfelder zu
608
Vgl. Lichtenthaler (2004), S. 128; siehe auch Gausemeier et al. (2001), S. 137.
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 184.
610
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 182.
611
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 189.
612
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 183.
613
Vgl. Ruff (2006), S. 288.
614
Vgl. Ruff (2006), S. 287.
609
118
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
ermitteln. Im Anschluss daran wird ein Ideenworkshop durchgeführt, um die identifizierten Suchfelder mit konkreten Ideen zu füllen. In der vierten Phase werden diese beurteilt und anschließend auf Machbarkeitsworkshops überführt. 615 Dieses Vorgehen bietet den Vorteil jederzeit schnell durchführbar zu sein. Der Einsatz von
funktionsübergreifenden Teams sichert darüber hinaus eine schnelle Entscheidungsfindung und Management-Beachtung aller beteiligten Abteilungen.616
Bisher erkennen Unternehmen das Potenzial der Frühaufklärung vor allem in Zeiten
von disruptivem Wandel, wenn die Entwicklung von neuen Geschäftsfeldern im
Vordergrund steht.617 Die Stärkung oder Validierung bestehender Bereiche rückt
dabei in den Hintergrund.618
Strategische Frühaufklärung als Strategieinstrument
Neben dem Einsatz der strategischen Frühaufklärung im strategischen Management
wird der Einsatz in der Strategieformulierung des Innovationsmanagements diskutiert. Burmeister et al. (2004) sehen hierin die grundlegendste Aufgabe der strategischen Frühaufklärung, da sie „(…) einen fruchtbaren Ansatz zur Entwicklung und
Qualifizierung von Innovationsstrategien“619 darstellt. Insgesamt definieren sie sogenannte Innovationsparameter, ohne jedoch näher auf die Implementierungsaspekte einzugehen. Sie argumentieren, dass die strategische Frühaufklärung Orientierungswissen bereithält und damit eine gedankliche Auseinandersetzung der Alternativen sowie die Offenlegung der Annahmen des künftigen Unternehmensumfeldes ermöglicht.620 Darüber hinaus kann die Qualität von Innovationen verbessert
werden, da der Mehrwert der Innovation im Kundennutzen näher bestimmt wird.
Die strategische Frühaufklärung deckt künftige Kontexte und Wirkungsbeziehungen von Innovationen auf und gibt damit Gestaltungshinweise, d.h. welche Maßnahmen getroffen werden müssen, um das Produkt erfolgreich einzuführen und
Nutzungshürden abzubauen. Des Weiteren hilft die strategische Frühaufklärung
sowohl aus Chancen als auch aus Risiken frühzeitig neuartige Produkte abzuleiten
und auch einen geeigneten Zeitpunkt zur Markteinführung passend zu den Umfeldbedingungen zu bestimmen. 621 Diese Parameter erscheinen nicht eindeutig überschneidungsfrei und gehen oftmals miteinander einher. Vor allem die organisatorische Umsetzung wird in dieser Betrachtung vernachlässigt und gibt demnach wenig
Aufschluss zur konkreten Ausgestaltung.
615
Vgl. Ruff (2006), S. 288.
Vgl. Ruff (2006), S. 287f..
617
Vgl. Rohrbeck & Gemünden (2008), S. 180.
618
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 184.
619
Burmeister et al. (2004), S. 119.
620
Siehe dazu auch Gausemeier et al. (2000), S. 210; Gausemeier et al. (2001), S. 52.
621
Vgl. Burmeister et al. (2004), S. 119–125; Gausemeier et al. (2000), S. 210.
616
119
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Etwas deutlicher diskutiert wiederum Rohrbeck (2010) die Funktion als Strategieinstrument im Innovationsprozess. Rohrbeck sieht diese Rolle als entscheidend im
Erneuerungs- und Neupositionierungsprozess an. In diesem Zusammenhang deckt
er fünf Auswirkungsmöglichkeiten auf: 622
 Beurteilung und Repositionierung des Innovationsportfolios anhand von
Trends und Umfeldentwicklungen
 Schaffung der strategischen Orientierung durch die Nutzung von Zukunftswissen zur Definition der strategischen Richtung
 Identifikation von neuen Geschäftsmodellen, indem bestehende Modelle in
Frage gestellt werden und neue Alternativen aufgezeigt werden
 Erzeugen von Diskussionen zu bestehenden Denkmodellen und deren unternehmensweiter Konsolidierung
 Schaffen einer Zukunftsvision und einem einheitlichen Verständnis der künftigen Entwicklungslinie
Die Hauptkunden dieser Frühaufklärungsfunktion sind vor allem in Innovationsstrategieabteilungen oder Abteilungen zu strategischen Technologien zu finden, womit
Rohrbeck eine direkte Beteiligung dieser Einheiten an dem Frühaufklärungsprozess
empfiehlt.623
Strategische Frühaufklärung als kontinuierliches Instrument zur Untersuchung der Innovationsaktivitäten
Die strategische Frühaufklärung ist nicht nur in den Anfangsphasen des Innovationsprozesses von Relevanz, sondern dient dem kontinuierlichen Überprüfen von
Markt-, Technologie- und Kundenprämissen.624 Die Innovationsprojekte müssen
demnach fortwährend dem Stand der Zeit entsprechen und dürfen nicht an den Bedürfnissen der Kunden vorbei entwickelt werden. In dieser Funktion stellt die Frühaufklärung Informationen bereit und sollte im Idealfall über ein Vetorecht für Entscheidungen im Innovationsprozess verfügen. Auch hier ist wieder auf Rohrbeck zu
verweisen, der drei Wirkungen festgestellt hat:625
 Herausfordern und Abgleichen der Basisannahmen der Innovationsaktivitäten mit den externen Veränderungen,
 Scannen von Disruptionen, die bestehende und künftige Innovationen gefährden können,
622
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 185f.
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 189.
624
Vgl. Rohrbeck & Gemünden (2008), S. 159.
625
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 187f.
623
120
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
 Hinterfragen von derzeitigen F&E Projekten mit dem Fokus der ständigen
Anpassung an Umfeldveränderungen.
Potter & Roy (2000) und Gruber et al. (2003) ergänzen darüber hinaus, dass die
strategische Frühaufklärung zur Ideenbewertung, -priorisierung und -auswahl genutzt werden kann, indem sie die Informationsgrundlage für eben solche darstellt.626
Die Umsetzung erfolgt direkt in face-to-face Workshops mit den F&EProjekteinheiten.627
Gruber et al. ergänzen in diesem Zusammenhang diese Rollen um eine weitere, die
Weiterverfolgung der Innovationsideen, was einer Strategieimplementierungsrolle
gleichkommt.628 Aufgabe der strategischen Frühaufklärung stellt hierbei die Integration der relevanten Innovationsideen in die Organisationsstruktur des Unternehmens und die Sicherung der Umsetzung dar. 629 Diese Aufgabe der Frühaufklärung wurde bisweilen kaum in der Literatur beachtet oder gar untersucht.
Fazit
Insgesamt geben diese drei Funktionen Aufschluss über die Nutzung der strategischen Frühaufklärung im Unternehmen. Nichtsdestotrotz besteht bisweilen kein
ganzheitliches Verständnis sowohl über eine wirkungsvolle Integration in das Innovationsmanagement als auch über die zugrundeliegenden Mechanismen und Wirkungsweisen.630 Darüber hinaus ist eine trennscharfe Darstellung der Rollen im Innovationsprozess wie bei Rohrbeck nur schwer möglich. Vor allem die Rolle als
Ideengeber und Strategieinstrument scheinen oftmals miteinander einherzugehen.631
Das folgende Zitat verdeutlicht dies:
„Technology foresight is perceived as being directly useful and necessary for
strategy formulation. Results flow directly into short- and long-term research
planning. In this respect, technology foresight is regarded as the basis for new
fields of business; it can lead to new research projects or programs and strategic
innovations projects.”632
Sobald die strategische Frühaufklärung dazu dient, Innovationsstrategien zu formulieren, beeinflusst dies unmittelbar die Ideenphase, die damit gleichzeitig neue An-
626
Vgl. Potter & Roy (2000); Gruber et al. (2003), S. 286.
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 189.
628
Vgl. Gruber et al. (2003), S. 286.
629
Vgl. Gruber et al. (2003), S. 286.
630
Vgl. Rohrbeck & Gemünden (2008), S. 160.
631
Vgl. Càron-Fàsân & Marie-Laurence (2008), S. 26.
632
Reger (2001), S. 537.
627
121
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
regungen erhält. Fraglich bleibt in diesem Zusammenhang auch, wie die Rollen
gleichzeitig im Unternehmen umgesetzt werden. Rohrbeck verweist lediglich auf
Best Practices, die die Vorreiter für nur eine Rolle im Innovationsprozess darstellen.
Wie sich letztlich die Umsetzung mehrerer Rollen und deren gegenseitige Einflussnahme gestalten, bleibt gänzlich offen. Der Einfluss der einzelnen Aufgabenfelder
(siehe 3.2.2) kann in den verschiedenen Bereichen des Innovationsprozesses einfließen.633
Abb. 3-8 zeigt die Bedeutung der einzelnen Aufgaben im Innovationsprozess. 634
Innovationsprozess
Strategische
Frühaufklärung
Initialphase
Ideengenerierung
Ideenbewertung & auswahl
Projektdurchführung
Markteinführung
Anticipatory
Intelligence
Direction Setting
Determining
Priorities
Strategy
Formulation
Innovation
Catalyzing
Hohe Relevanz in der Prozessphase
Keine Relevanz in der Prozessphase
Abb. 3-8:
Phasenspezifische Bedeutung der strategischen Frühaufklärung
im Innovationsprozess (Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung
an Becker (2002), S. 9)
Somit zeigt sich, dass die Funktion „Anticipatory Intelligence“ innerhalb des gesamten Prozess eine Informations- und Beratungsfunktion hat, indem sie Informationen über Marktentwicklungen und Frühwarnungen bereithält. 635 Das kontinuierliche Scanning und Monitoring stimuliert sowohl Strategiebildung sowie Ideengenerierung als auch die spätere Auswahl und Konsolidierung von Projekten. 636 Dahin-
633
Die von Becker (2002), S. 9 identifizierten Funktionen dienen hier als Diskussionsgrundlage,
siehe Kapitel 3.2.2.
634
Siehe dazu auch Müller & Müller-Stewens (2009), S. 32ff.
635
Siehe dazu auch Rohrbeck & Gemünden (2008), S. 159f.
636
Vgl. Cooper & Edgett (2007), S. 63.
122
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
gegen spielt das „Direction Setting“ vor allem in den frühen Phasen des Innovationsprozesses eine Rolle, in denen der komplette Prozess ausgerichtet und die Orientierung sowohl für die Innovationsstrategie als auch für die Ideengenerierung gegeben wird.637 Das Festlegen von Prioritäten („Determining Priorities“) ist vor allem
bei der Ideenauswahl von Relevanz, beeinflusst aber indirekt auch die frühen Phasen des Innovationsprozesses, für den Fall das einzelne Suchfelder bestimmt werden.638 Die Strategieformulierung nimmt ebenso eine Funktion bei der Initialphase
ein und wird später bei der Verwirklichung eines Projektes und der konsistenten
Verwirklichung sowie Kommunikation der einzelnen Projektidee benötigt. Das „Innovation Catalyzing“ unterstützt allgemein das Innovations- und Zukunftsdenken
im Unternehmen und kommt in allen Phasen des Prozesses zum Tragen, ist aber
durch die vermutete Visionsleistung stark in der Ideengenerierung von Relevanz. 639
Insgesamt wird deutlich, dass strategische Frühaufklärung je nach Ausgestaltung im
Unternehmen, vielfältig Einfluss nehmen kann. Zu beachten ist aber auch hier, dass
das Ausmaß der Umsetzung ebenso Einfluss auf die Aufgabenfelder im Innovationsprozess ausübt. Wird klassisch nur eine Informationsfunktion ausgeübt, nimmt
die strategische Frühaufklärung nur passiv am Innovationsprozess teil und stellt
lediglich Informationen bereit, ohne aber an der Entscheidung über Strategien,
Suchfelder oder Ideenpriorisierung teilzunehmen. Nichtsdestotrotz kann das Innovationsmanagement vielfach von einer strategischen Frühaufklärung profitieren.
Wie sich eine Beeinflussung der Innovationsfähigkeit, wie sie in dieser Arbeit untersucht wird, gestaltet, soll an dieser Stelle noch nicht betrachtet werden, wenngleich erste Rückschlüsse möglich wären. Diese werden jedoch in Kapitel 4 als Zusammenführung der Ergebnisse aus Kapitel 2 zur Innovationsfähigkeit und diesem
Kapitel erhoben.
3.2.3 Organisatorische Verankerung
Die strategische Frühaufklärung kann auf vielfältige Weise im Unternehmen eingebunden sein. Grundsätzlich ist eine Differenzierung nach Unternehmensebene und
Organisationsform möglich. 640 Zum einen besteht die Möglichkeit, die strategische
Frühaufklärung auf Gesamtunternehmensebene anzusiedeln und z.B. dem Corporate Development zuzuordnen. Vielfach ist die strategische Frühaufklärung auf Ge-
637
Vgl. Cooper & Edgett (2007), S. 26f.; Eversheim (2009), S. 45; Gausemeier et al. (2000), S. 21.
Vgl. Cooper & Edgett (2007), S. 193; Eversheim (2009), S. 47.
639
Vgl. Càron-Fàsân & Marie-Laurence (2008), S. 19; Becker (2002), S. 9f; Rohrbeck & Gemünden (2008), S. 159.
640
Vgl. Baisch (2000), S. 105.
638
123
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
schäftseinheitsebene durch Stabsabteilungen vertreten oder findet ihre Funktion in
Marketing-, Strategie- oder Innovationsabteilungen. 641 Die Organisationsformen
reichen dabei von einzelnen spezialisierten Mitarbeitern, zeitlich begrenzten Projektgruppen, Einzelprojekten oder gar festen Projektgruppen.642
Becker hat in seiner Umfrage in 19 europäischen Großunternehmen die Organisationsformen zu drei grundlegenden verdichtet: 643
Der Sammelposten (“Collection Post”) zeichnet sich durch ein eher geringes Maß
an Frühaufklärungsaktivitäten und einen engen thematischen Fokus aus. Zukunftsbezogene Forschung findet hier eher im Zusammenhang mit anderen strategischen
F&E-Aktivitäten statt, d.h. bei dieser Gestaltungsform arbeiten aufgrund der limitierten Kapazitäten vornehmlich Einzelspezialisten in einer bestehenden Abteilung,
die Entscheidungsträger mit Hintergrundinformationen versorgen. Frühaufklärung
hat hierbei eine eher geringe Sichtbarkeit im Unternehmen und wird nur von direkt
Involvierten wahrgenommen. Das Observatorium („Observatory“) stellt eine eigenständige Frühaufklärungseinheit mit eigenen Mitarbeitern und eigenem Budget
dar.644 Die Einheit widmet sich der Beobachtung eines oder mehrerer vorher definierter Themenfelder, bleibt aber meist in unternehmensnahen Bereichen und ist
damit spezialisierter als die dritte Form, die Denkfabrik. Der sogenannte Think
Tank ist durch den höchsten Spezialisierungsgrad charakterisiert und daher am breitesten aufgestellt.645 Innerhalb des Think Tanks werden nicht nur unternehmensnahe
Umfeldentwicklungen beobachtet, sondern auch Entwicklungen im breiteren sozioökonomischen, kulturellen und regionalen Umfeld. 646 Vielfach greifen sie eigene
Themen auf und bringen sie dann ins Unternehmen. 647 Diese Organisationsform
arbeitet sowohl für interne als auch für externe Auftraggeber und verfügt über ein
internationales Netzwerk.
Durch die Eigenschaften der verschiedenen Organisationsformen ergeben sich unterschiedliche Ausprägungen bezüglich der Ansiedlung im Unternehmen (Geschäftseinheitsebene oder Gesamtunternehmensebene) und der Projektgröße (siehe
Abb. 3-9). Der Collection Post wird aufgrund der eingeschränkten Frühaufklärungsaktivitäten durch wenige Mitarbeiter ausgeführt und läuft in einzelnen Abteilungen in den jeweiligen Geschäftsbereichen ab. Die Denkfabrik hingegen stellt
641
Vgl. Müller & Müller-Stewens (2009), S. 20.
Vgl. Burmeister (2002), S. 94; Becker (2002), S. 11.
643
Vgl. Becker (2002), S. 12.
644
Vgl. Becker (2002), S. 12.
645
Vgl. Daheim & Uerz (2008), S. 325.
646
Vgl. Cuhls & Johnston (2008), S. 109.
647
Vgl. Becker (2002), S. 13.
642
124
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
meist eine eigenständige Abteilung auf Gesamtunternehmensebene dar und bedarf
wegen den vielen thematischen Fragestellungen einer Vielzahl an Mitarbeitern.648
Unternehmensbereich
Think
Tank
Gesamtunternehmen
Observatory
Outsourcer
Geschäftseinheit
Collection
Post
Viele Mitarbeiter
Wenige, vereinzelte
Mitarbeiter
Abb. 3-9:
Größe der
Projekteinheit
Organisationsform nach Unternehmensbezug und -größe (Quelle:
Eigene Darstellung)
Daheim & Uerz konnten zeigen, dass der Trend im Unternehmen zu spezialisierten
Abteilungen oder Beobachtern geht, die im Unternehmen gut vernetzt sind. Ebenso
ist der Aufbau von eigenen Think Tanks fortgeschritten. Die beiden Forscher haben
darüber hinaus eine weitere Organisationsform beobachten können und erweitern
damit die Untersuchung von Becker um die Organisationsform „Outsourcer“. Bei
dieser Form wird im Unternehmen der zu untersuchende Bereich identifiziert sowie
definiert und anschließend an einen externen Partner übergeben. 649 Die Ergebnisse
werden nach Fertigstellung wieder ins Unternehmen integriert und weiterverwendet.650 In Unternehmen kommt es oftmals zu dem parallelen Einsatz verschiedener
Organisationsformen. 651 Inwiefern diese mit den Zielen des Unternehmens korrelieren und vom Kontext des Unternehmens abhängen, wurde bisweilen nicht erforscht.
648
Vgl. Becker (2002), S. 13.
Vgl. Daheim & Uerz (2008), S. 324.
650
Vgl. Daheim & Uerz (2008), S. 324.
651
Vgl. Cuhls & Johnston (2008), S. 109.
649
125
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
3.2.4 Prozessuale Ausgestaltung
Im Folgenden erfolgt ein Überblick über die wichtigsten Schritte und Aufgaben des
Prozesses der strategischen Frühaufklärung. Insgesamt existiert eine Reihe von Prozessansätzen in der Literatur, die aber weitestgehend erhebliche Übereinstimmungen aufweisen.652 Einzige Unterscheidungsmerkmale dieser Prozessansätze liegen
im Detailgrad und im Schwerpunkt der einzelnen Phasen:653
Zum einen gehen einige Autoren wie Becker (2002), Reger (2001) und Day &
Schoemaker (2006) sehr detailliert auf die ersten Phasen des Frühaufklärungsprozesses ein. Becker unterscheidet folgende Phasen:




Phase 1: Formulierung der Forschungsfrage
Phase 2: Auswahl der Informationsquellen und Methodik
Phase 3: Datenanalyse und Entscheidung
Phase 4: Implementierung
Ein ähnliches Vorgehen ist bei Reger und Day & Schoemaker vorzufinden. 654 Die
Stärke dieses Ansatzes liegt in der detaillierten Ausgestaltung der Anfangsphasen,
wobei die Festlegung des Informationsbedarfes und des Beobachtungsbereiches
sowie die Methodenauswahl explizit als einzelne Prozessschritte festgelegt sind. 655
Dieses Vorgehen ist nicht zwingend notwendig, da in anderen Prozessdefinitionen
diese einzelnen Prozessschritte lediglich in einer Phase zusammengefasst werden.656
Nachteilig wirkt sich aus, dass die nachfolgenden Phasen oftmals zu stark zusammengefasst und daher weniger eingehend erläutert werden, ohne dabei ihre eigentliche Bedeutung widerzuspiegeln.
Eine weiterreichende zweite Unterscheidung bezieht sich auf die Frage, ob das Auslösen von Handlungen und Reaktionen explizit zum eigentlichen Prozess der Frühaufklärung gehört oder sich an den Frühaufklärungsprozess anschließt. So finden
sich Beispiele in der Literatur, bei denen der Handlungsaspekt nicht dem Frühaufklärungsprozess zugeteilt wird. 657 Dementsprechend unterteilen Bea & Haas (2009)
in die Prozessphasen Erkennung, Diagnose und Weitergabe der Frühaufklärungsinformationen.658 Ähnlich klassifiziert Hazebrouck (1998) in die Phasen: Scanning
und Monitoring, Analyse und Planung von Reaktionen sowie anschließend die Wei-
652
Siehe zusammenfassend dazu Niemeyer (2004), S. 128.
Vgl. Davis (2008), S. 78.
654
Vgl. Day & Schoemaker (2006), S. 5, Reger (2001), S. 537.
655
Vgl. Davis (2008), S. 79.
656
Vgl. Davis (2008), S. 80.
657
Vgl. Bea & Haas (2009), S. 321; Hazebrouck (1998), S. 72.
658
Vgl. Bea & Haas (2009), S. 324f.
653
126
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
terverfolgung der Reaktionsmöglichkeiten im strategischen Planungs- und Kontrollprozess.659
Daneben herrschen durchaus umfassendere Prozessauffassungen, die den Handlungsaspekt inkludieren. Diese werden vor allem durch Krystek & Müller-Stewens
(1993) und Hammer (1988) vertreten. 660 Hammer untergliedert in folgende Prozessphasen:661
 Phase 1: Beobachtung der definierten frühaufklärungsrelevanten Unternehmens- und Umweltbereiche und Erfassung schwacher Signale
 Phase 2: Analyse der schwachen Signale inkl. ihrer potentiellen Auswirkungen
 Phase 3: Relevanzbeurteilung von Frühaufklärungssignalen
 Phase 4: Formulierung von Reaktionsstrategien
 Phase 5: Implementierung und Kontrolle
Diese Unterscheidung entspricht dem Vorgehen in der Praxis wie Becker festgestellt hat und ist eng mit den Aufgaben und Einsatzfeldern der strategischen Frühaufklärung verknüpft. Wenngleich einige Unternehmen die Informationsgenerierung in den Vordergrund stellen, existieren Unternehmen, die die strategische Frühaufklärung mit der tatsächlichen Entscheidungsvorbereitung und Implementierung in Verbindung bringen. 662 Die Unterscheidung, die von den Autoren
vorgenommen wird, welche allerdings ebenso den Gegebenheiten in der Praxis entspricht, lässt vielmehr auf verschiedene Reifegrade oder Ausprägungen der Umsetzung der strategischen Frühaufklärung schließen.663 Folglich wird in Unternehmen,
deren Frühaufklärungssystem einen ausgeprägten Reifegrad aufweist, das Potenzial
der Frühaufklärung zur Entscheidungsfindung und Handlungsvorbereitung besser
ausgenutzt als in Unternehmen mit einem geringen Reifegrad. 664 Das Potenzial einer Frühaufklärung liegt dennoch in den abgeleiteten Handlungsimplikationen.
Nick betont in diesem Zusammenhang:
„Eine erweiterte Betrachtung ist demnach elementar, der Wert der strategischen
Frühaufklärung liegt im Wert der Handlung. Strategische Frühaufklärung wird
659
Vgl. Hazebrouck (1998), S. 72; siehe auch Loew (1999), S. 42.
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (2006), S. 238, Siehe aber auch Nick (2008), S. 21, Davis
(2008), S. 88f.
661
Hammer (1988), S. 253.
662
Vgl. Becker (2002), S. 9f.
663
Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 3.2.6 zu Rohrbeck (2010). Er entwickelt ein Reifegradmodell anhand dessen sich eine Einstufung der Ausprägung der strategischen Frühaufklärung
vornehmen lässt, welches dort näher erläutert wird.
664
Siehe dazu auch die Erläuterungen zum Reifegrad der Frühaufklärung in Kap. 3.2.6 und dem
zugehörigen Modell von Rohrbeck (2010).
660
127
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
sich somit an der Qualität der getroffenen Entscheidung und anschließenden
Handlung messen lassen müssen. Die Handlung selbst mag zwar nicht mehr direkt von den Aufgabenträgern strategischer Frühaufklärung zu verantworten
sein, die Aktivitäten müssen aber genau darauf hinarbeiten.“665
Dementsprechend wird in dieser Arbeit weiterhin das umfassende Prozessverständnis vertreten, was sich bereits in der vorliegenden Arbeitsdefinition aus Kapitel
3.1.1 zeigt.
Insgesamt erfolgt die Darstellung eines Prozesses naturgemäß durch sukzessives
Durchlaufen der einzelnen Phasen. In diesem Zusammenhang sei aber darauf hingewiesen, dass die Trennung der Prozessphasen nur idealtypisch vorgenommen
wird und der Vereinfachung dient. 666 Insofern kritisiert Sepp in diesem Zusammenhang, dass komplex-dynamische Veränderungen nicht mit einem linearen Prozess
erfasst und bewältigt werden können. Daher betont er die Notwendigkeit einer rekursiven Verknüpfung der Prozesselemente.667 Ebenso verweist Davis (2008) darauf:
„Je nach Unternehmenskontext werden unterschiedliche Schwerpunkte gelegt
oder Phasen vor- oder nachgezogen. Es ist also kein linearer Ablauf vorgegeben.
Weiterhin können die einzelnen Phasen nicht eindeutig voneinander abgegrenzt
werden; sie überschneiden sich und folgen manchmal sogar einer parallelen Abfolge.“668
Folglich dient die Darstellung als Prozess vor allem der Verdeutlichung der einzelnen Aktivitäten, die sich zu Phasen zusammenfassen lassen können und entspricht
somit dem idealtypischen Verlauf.
Zur vollständigen Darlegung werden im Anschluss die Aktivitäten in den einzelnen
Phasen anhand der Prozesskonzeption von Hammer beschrieben. Hammers Prozesskonzeption wird genutzt, weil die Einteilung in Prozessphasen bei ihm sehr
ausgewogen ist – er fasst weder zu grob noch zu detailliert zusammen.
665
Nick (2008), S. 191.
Vgl. Nick (2008), S. 73.
667
Vgl. Sepp (1996), S. 209; Baisch (2000), S. 111f.
668
Davis (2008), S. 80.
666
128
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Aktivitäten in der Phase
Erfasssung
Analyse
Relevanzbeurteilung
Reaktionsstrategien
Implementierung
und Kontrolle
• Scanning
• Monitoring
• Dokumentation
• Tiefenanalyse zur Feststellung der Muster
• Analyse der Ursachen
• Wirkungsprojektion
• Relevanzbeurteilung
• Rangordnungserstellung
• Bestimmung der Dringlichkeit
• Entwicklung von Reaktionsstrategien
• Auswahl der Reaktionsstrategie
• Verbindlichmachung der Reaktionsstrategie für
Planungsstufen
• Kontrolle des Handlungvollzuges
Abb. 3-10: Prozessphasen der strategischen Frühaufklärung (Quelle: Eigene
Darstellung in Anlehnung an Hammer (1988), S. 253)
(1) Erfassung schwacher Signale
Innerhalb dieser Phase geht es darum, die Ereignisse, die auf eine Veränderung des
Unternehmensumfeldes hinweisen, möglichst früh zu identifizieren. 669 Dieser Prozessschritt besteht aus den zwei Basisaktivitäten der strategischen Frühaufklärung,
die vor allem von Krystek & Müller-Stewens geprägt wurden: Scanning und Monitoring. 670 In Anschluss an die Basisaktivitäten ist zudem die Dokumentation von
schwachen Signalen ein weiterer Bestandteil dieser ersten Phase. 671
Zur Wahrnehmung und Identifikation relevanter und möglicher Ereignisse wird zunächst das Scanning durchgeführt. Das Scanning untersucht das Unternehmensumfeld wie ein 360-Grad Radar, um in den Beobachtungsbereichen jederzeit schwache
Signale wahrzunehmen. Das Scanning wird eher durch intuitives Vorgehen hinsichtlich des Ortes der Suche und der Relevanz der Beobachtungsgebiete begleitet
669
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 175; Ansoff (1980), S. 134.
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 175; dazu auch: Loew (1999), S. 41; Hazebrouck
(1998), S. 72; Roll (2004), S. 223; siehe auch: Konrad (1991), S. 50ff.
671
Vgl. Krystek (2006), S. 182ff.; Baisch (2000), S. 112.
670
129
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
und kann sowohl begrenzt als auch unbegrenzt auf verschiedene Themenbereiche
angewendet werden.672
Anschließend erfolgt das Monitoring. Aufgabe des Monitorings ist die vertiefende
und dauerhafte Beobachtung der Signale, um die im Scanning erfassten Signale
weiter zu betrachten.673 Im Mittelpunkt der Betrachtung liegt hierbei die Frage, ob
das beobachtete Phänomen als Chance oder Gefahr für das Unternehmen definiert
wird. Das Monitoring wird vor allem durch analytisches, strukturiertes Vorgehen
beschrieben.674
Laut Krystek & Müller-Stewens (1993) lassen sich die beiden Aktivitäten, Scanning
und Monitoring, nach Gerichtetheit der Suche weiter beschreiben. 675 Die ungerichtete Suche erfolgt demnach vor allem außerhalb der Domäne des Unternehmens,
dies entspricht eher einem outside-in Ansatz, bei dem ohne Verbindung zum Unternehmen das Makroumfeld durchsucht wird. Die gerichtete Suche beschränkt sich
auf die Domäne des Unternehmens und verfolgt eine inside-out Pesrpektive, d.h. sie
schränkt demnach die Wahrnehmung der Aktivität ein. Sowohl Scanning als auch
Monitoring lassen sich gerichtet sowie ungerichtet durchführen.676
Nach dem Scanning und Monitoring erfolgt die Dokumentation der schwachen Signale.677 Krystek & Müller-Stewens (1993) und Trux et al. (1984) sprechen sich für
eine wohl-strukturierte und standardisierte Trendmeldung aus.678 Die erfassten und
dokumentierten Signale werden damit auf die folgende Analyse vorbereitet.
(2) Analyse erfasster Signale
Bei der Analyse der erfassten Signale besteht die Aufgabe darin, Verbreitungs- und
Verhaltensmuster auszumachen, um die Ursachen und die potentiellen Auswirkungen auf das Unternehmen darzulegen.679 Hammer hat in diesem Zusammenhang
folgende Teilaufgaben bestimmt: Feststellung des Verhaltensmusters, Analyse der
Ursachen sowie die Prognose der Ereignisauswirkungen. 680 Prognosen sind hier
nicht zwingend mathematisch-statistischer Natur, sondern können mit Hilfe der
Szenario-Technik entwickelt werden. 681 Dabei steht die Herstellung eines breiten
Kontextes des Ereignisses im Vordergrund, so dass komplexe Trendlandschaften
672
Vgl. Krystek (2006), S. 237; Day & Schoemaker (2006), S. 50.
Vgl. Hazebrouck (1998), S. 73.
674
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 176.
675
Siehe dazu auch die Ausführungen von Sepp (1996), der einen leicht veränderten Ansatz wie
Krystek & Müller-Stewens verfolgt.
676
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 177.
677
Vgl. Krystek (2006), S. 185; Sepp (1996), S. 180; Baisch (2000), S. 113; Roll (2004), S. 226.
678
Krystek & Müller-Stewens (1993) schlagen z.B. Trendmeldeformulare aus, die jederzeit abrufbar sind.
679
Vgl. Rauscher (2004), S. 55f.
680
Vgl. Hammer (1988), S. 257; Zimmermann (1992), S. 124f.
681
Vgl. Zimmermann (1992), S. 131.
673
130
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
entstehen, die hinreichend weit abgegrenzt sind, um keinen Zusammenhang zu vernachlässigen.682
(3) Relevanzbeurteilung
Bisher erfolgte die Filterung der schwachen Signale nur anhand von subjektiven
Kriterien, jedoch bedarf es einer intersubjektiven, nachvollziehbaren Einstufung der
Relevanz. In dieser Phase der strategischen Frühaufklärung sollen die möglichen
Auswirkungen eines betrachteten Ereignisses auf die strategische Position des Unternehmens bewertet werden.683 Dazu werden oftmals in einer Matrix die Stärken
und Schwächen des Unternehmens mit den betrachteten Gelegenheiten und Gefahren abgeglichen, um die einzelnen Auswirkungen auf das Unternehmen zu erfassen.684 Liebl hat dabei zu bedenken gegeben, dass diese Stärken-SchwächenAnalyse auf dem heutigen Entwicklungsstand des Unternehmens steht. Folglich
müssen die Ergebnisse immer unter dieser Prämisse bewertet werden.685
„Beim Auftreten „positiver Synergien“ – bisherige Schwächen wirken sich in
Zukunft positiv aus – könnten die bisherigen Stärken und Schwächen dazu benutzt werden, Gelegenheiten auszuschöpfen oder Gefahren abzuwenden. Im Falle „negativer Synergien“ – bisherige Stärken werden wertlos - gelte es, neue
Fähigkeiten in der Unternehmung zu kultivieren.“686
Als Ergebnis dieser Beurteilung entsteht ein Chancen- und Gefahrenprofil für das
Unternehmen, welches als Grundlage zur Formulierung der Reaktionsstrategien
dient.687
(4) Formulierung von Reaktionsstrategien
Die Formulierung von Reaktionsstrategien erfolgt laut Hammer nur, wenn Chancen
und Gefahren für das Unternehmen festgestellt sind.688 Nick macht darauf aufmerksam, dass der Ansatz der abgestuften Reaktionsstrategien zu berücksichtigen ist,
wonach neben den Strategien der gezielten Reaktion ebenso Strategien der Wahr-
682
Vgl. Horton (1999), S. 7; Day & Schoemaker (2006), S. 78; Calof & Smith (2010), S. 34.
Vgl. Ansoff (1980), S. 140.
684
Vgl. Zimmermann (1992), S. 136ff.; Müller-Stewens & Lechner (2011), S. 192; Rauscher
(2004), S. 59ff.
685
Vgl. Liebl (1996), S. 16.
686
Liebl (1996), S. 16.
687
Anders als in den Ausführungen von Müller-Stewens & Lechner (2011), sind mit Chancen und
Gefahren Ereignisse gemeint, die noch nicht mit dem Stärken- und Schwächenprofil des Unternehmens abgeglichen sind (dort werden sie als Gelegenheiten und Gefahren dargstellt, nach dem
Abgleich mit den Stärken und Schwächen ergeben sich Chancen und Risiken, siehe dazu: MüllerStewens & Lechner (2011), S. 192.
688
Vgl. Hammer (1988), S. 259.
683
131
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
nehmung und Strategien zur gesteigerten Flexibilität möglich sind. 689 Hammer unterstreicht zudem die Notwendigkeit, die „(…) Isoliertheit der Betrachtung und
Weiterverfolgung von Frühaufklärungssignalen bis zur Entwicklung von Reaktionsstrategien aufzugeben und die Formulierung von Reaktionsstrategien im größeren
Kontext der strategischen Planung zu sehen (…)“690. Damit muss die strategische
Frühaufklärung immer im Kontext zu bestehenden Managementsystemen gesehen
werden.691 Die Formulierung der Reaktionsstrategien erfolgt zunächst durch die
Entwickelung von alternativen Reaktionsstrategien und anschließend durch die Bewertung und Auswahl dieser. 692
(5) Implementierung und Kontrolle
Wie schon angesprochen wird sehr kontrovers diskutiert, ob die Implementierung
der Reaktionsstrategien einen Teil der strategischen Frühaufklärung darstellt. 693 Für
Autoren wie Hammer, Krystek & Müller-Stewens und Day & Schoemaker, die diese Meinung vertreten, gehören folgende Aufgaben zu diesem letzten Prozessschritt:
Erstellung von operativen Plänen für die Durchführung, Organisation der Durchführung sowie die Kontrolle der Durchführung. 694
Weitgehend unbeachtet bleibt in bisherigen Prozessansätzen die Rolle der Kommunikation. Die Kommunikation der Frühaufklärungsergebnisse stellt einen erheblichen Erfolgsfaktor in der Umsetzung dar, wird aber im klassischen Verständnis
nicht weiter untersucht.695 Ohne eine geeignete Kommunikation der Ergebnisse an
Entscheidungsträger im Unternehmen wird die Frühaufklärung nicht zu Handlungen
führen, wodurch deren Bedeutung im Unternehmen in Frage gestellt werden
kann. 696 Dabei sind vor allem Zeitpunkt und Form der Kommunikation der Frühaufklärung von Bedeutung. Als Aktivität im Frühaufklärungsprozess ist die Kommunikation vor allem vor und während der Formulierung der Reaktions-strategien
erforderlich.697 Aus diesen Gründen sieht Nick Kommunikation als eine Phase des
Prozesses der strategischen Frühaufklärung, die an die Bewertung der Issues und
Trends anschließt und die Handlung einleitet.698
689
Vgl. Nick (2008), S. 77, siehe auch Ansoff (1975), S. 26.
Hammer (1988), S. 259.
691
Vgl. Horton (1999), S. 8.
692
Vgl. Hammer (1988), S. 261.
693
Vgl. Gomez (1983), S. 52; siehe zusammenfassend auch Niemeyer (2004), S. 128.
694
Vgl. Hammer (1988), S. 262; Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 174; Day & Schoemaker
(2006), S. 119.
695
Vgl. Day & Schoemaker (2006), S. 140.
696
Vgl. Day & Schoemaker (2006), S. 149.
697
Vgl. Roll (2004), S. 227f.
698
Vgl. Nick (2008), S. 114.
690
132
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
3.2.5 Instrumente und Methoden
Die zentralen Instrumente und Methoden bilden den Schwerpunkt der Frühaufklärungsaktivitäten innerhalb des Prozesses, da durch diese die einzelnen Phasen bestimmt werden.699 Hierbei müssen nicht nur die Methoden im engeren Sinn festgelegt werden, sondern ebenso die Themenbereiche, Zeithorizonte und Informationsquellen.700 Darüber hinaus muss diese Auswahl in Abhängigkeit des Kontextes und
der Problemfrage bestimmt werden.701 Rohrbeck hat in einer Fallstudienuntersuchung festgestellt, dass viele Unternehmen die Methoden nicht nach inhaltlichen
Zielvorgaben aussuchen, sondern vielmehr nach Vertrautheit. 702 Ein derartiges Vorgehen korrespondiert nicht mit den eigentlichen Informationsbedürfnissen.
In der strategischen Frühaufklärung existiert kein einheitlicher und fester Bestand
an Methoden. 703 Autoren verweisen in diesem Zusammenhang auf vielfältige Methoden aus unterschiedlichen Disziplinen wie Sozial-, Wirtschafts- und Naturwissen-schaften.704 An dieser Stelle wird darauf verzichtet, die verschiedenen Methodenfamilien und deren Einzelmethoden genau zu erläutern. 705 Zur Vervollständigung findet sich in Tab. 3-4 ein kurzer Überblick über die wichtigsten Methoden in
Anlehnung an Gordon, eingeteilt in explorativ und normativ und in Abhängigkeit
davon, ob ein qualitatives oder quantitatives Verfahren vorliegt.
699
Vgl. Müller & Müller-Stewens (2009).
Vgl. Müller & Müller-Stewens (2009), S. 25.
701
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 83.
702
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 83.
703
Vgl. Müller & Müller-Stewens (2009), S. 25.
704
Vgl. Müller & Müller-Stewens (2009), siehe auch: Daheim & Uerz (2008); Gordon (1994);
Cuhls (2008); Cuhls & Johnston (2008); Mietzner & Reger (2009), S. 287.
705
Siehe für eine Analyse: Gordon (1994), Lichtenthaler (2004) haben ausführlich Methoden je
nach Einsatzbereich für die Branchen Pharma, Elektronik und Automotive/Maschinenbau dargestellt.
700
133
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Methode
Typ
Modus
quantitativ
Umfeld-/ Trendanalyse
Wechselwirkungsanalyse
Entscheidungsanalyse
Entscheidungsmodelle
Delphi-Methode
Ökonometrie
Mindmapping
Gaming/Simulationstechnik
Genius Forecasting
Morphologische Analyse
Partizipative Methoden
Relevanzbäume
Szenariotechnik
Statistische Modellierungen
Dynamische Modellierungen
Strukturanalyse
Technologieserienanalyse
Zeitreihenvorhersagen
Trend Impact Analysis
Wild Cards
Roadmapping
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qualitativ
normativ
explorativ
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Tab. 3-4: Methoden der strategischen Frühaufklärung nach Typ und Modus
(Quelle: Gordon (1994), S. 3f.; Müller & Müller-Stewens (2009), S.
27)
Gordon (1994) unterscheidet in seiner Untersuchung zwischen Methoden, die eine
Vielzahl an möglichen Zukunftsbildern (explorativ) aufzeigen und Methoden, die
134
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
ein (gewünschtes) Bild (normativ) entwerfen. 706 Darüber hinaus untersuchen Forscher in empirischen Studien die in Unternehmen meist verwendeten Instrumente.
Zu diesen gehören: Trendanalysen, Publikations- und Patentanalysen, Szenarios,
Roadmapping, Kreativitätsverfahren wie Brainstorming oder TRIZ, Simulationen
und Delphi-Befragungen.707 Insgesamt gewinnt der Einsatz von qualitativen Methoden in Unternehmen an Bedeutung, vor allem der Einsatz von Szenarien. 708 Qualitativen Methoden wird eine bessere Eignung zum Aufzeigen von Möglichkeiten in
der Umfeldentwicklung und von Risiken zugesagt. 709 Hochrechnungsbasierte Prognosen führten in der Vergangenheit oft zu Fehlern und täuschten eine Reduzierung
der Unsicherheit vor. 710 Empfohlen wird ein intelligenter Mix aus quantitativen und
qualitativen Methoden, um aus den Vorteilen beider Gruppen zu profitieren. 711
Burmeister (2002) haben in Abhängigkeit des Einsatzfeldes in Unternehmen die
wichtigsten Methoden bestimmt (Abb. 3-11). Demzufolge werden am häufigsten
Szenariotechnik, Expertenbefragung, Brainstorming, Umfeld- sowie Publikationsanalysen, Trendexploration, Delphi-Methode und Simulationstechnik in Unternehmen eingesetzt.712 Diese Methoden werden in den Unternehmensbereichen Strategieentwicklung, Planung, Innovationsmanagement, Unternehmens-kommunikation
und Marketing unterschiedlich intensiv angewendet. Demnach wird die Szenarientechnik vor allem in der Strategieentwicklung bevorzugt eingesetzt, wohingegen im
Innovationsmanagement vor allem auf Brainstorming zurückgegriffen wird. 713 Diese Erhebung spiegelt lediglich die bisherigen Einsatzfelder im Unternehmen wider,
nicht aber die potentiellen und sinnvollen Einsatzgebiete.
706
Vgl. Gordon (1994), S. 2.
Vgl. Daheim & Uerz (2008), S. 326; Burmeister (2002), S. 63; Scapolo & Porter (2008), S. 151.
708
Vgl. Burmeister (2002), S. 81; Müller & Müller-Stewens (2009), S. 25.
709
Vgl. Burmeister et al. (2004), S. 80.
710
Vgl. Burmeister et al. (2004), S. 81.
711
Vgl. Scapolo & Porter (2008), S. 156; Reger (2001), S. 544.
712
Vgl. Müller-Stewens & Lechner (2011), S. 193.
713
Vgl. Burmeister (2002), S. 85; zur Szenariomethode siehe auch Schoemaker (1993) und zum
Einsatz der Szenariomethode Potter & Roy (2000).
707
135
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Einsatzfeld
Methode
Strategieentwicklung
Planungsprozesse
Innovationsmanagement
Unternehmenskommunikation
Marketing
Szenarientechnik
Expertenbefragung
Brainstorming
Umfeldanalyse
Publikationsanalyse
Trendexploration
Delphi-Methode
Simulationstechnik
Oft genutzt
Nur selten bis wenig genutzt
Abb. 3-11: Die wichtigsten Methoden nach Einsatzgebieten im Unternehmen
(Quelle: Burmeister (2002), S. 85)
Bei der Auswahl der Instrumente sind ebenso die Beobachtungsgebiete zu berücksichtigen, die Unternehmen mit unterschiedlichen Prioritäten verfolgen. Als Beobachtungsgebiete kommen grundsätzlich Technologie, Wettbewerber, Kunden
sowie Politik und Gesellschaft in Frage, wobei nach Nähe zum bisherigen Geschäftsfeld unterschieden wird (siehe Abb. 3-12). Rohrbeck et al. definieren daher
die Inhalte und Ziele der Frühaufklärung nach verschiedenen Beobachtungsgebieten: Politische Frühaufklärung befasst sich mit der Identifizierung, Bewertung und
Nutzung von Informationen über Rechtsprechung, das politische Umfeld und Veränderungen in der politischen Ordnung. 714 Technologische Frühaufklärung bezieht
sich derweil auf die Identifizierung, Bewertung und Nutzung von Informationen
über neu entstehende Technologien und technologische Umbrüche. 715 Kundenfrüh-
714
715
Vgl. Rohrbeck et al. (2007), S. 4.
Vgl. Rohrbeck et al. (2007), S. 3.
136
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
aufklärung versucht zukünftige Kundenbedürfnisse sowohl in bestehenden als auch
in neuen Kundengruppen aufzudecken. Es beschäftigt sich ferner ebenso mit soziokulturellen Trends und neuaufkommenden Lebensgewohnheiten. 716 Als ein letztes
Beobachtungsgebiet zielt Wettbewerbsfrühaufklärung auf eine Bewertung der
Wettbewerber und ihrer Produkte ab, speziell derer, die sich noch im Entwicklungsstadium befinden.717
Technologische
Frühaufklärung
Politische
Frühaufklärung
Weiße Felder
Benachbartes Umfeld
Aktuelles
Geschäftsfeld
Wettbewerbsfrühaufklärung
Kundenfrühaufklärung
Abb. 3-12: Beobachtungsbereiche der strategischen Frühaufklärung (Quelle:
Rohrbeck & Gemünden (2008), S. 154)
Aufgrund der Technologiegetriebenheit vieler Unternehmen, liegt oftmals der
Schwerpunkt auf dem Bereich Technologie. Die weiteren Themengebiete werden
nachrangig bearbeitet. 718 Je nach Beobachtungsbereich und Zeithorizont sind bestimmte Methoden passender und eignen sich besser zur Informationserhebung. 719
Technologiescouting sowie Publikations- und Patentanalysen beschränken sich auf
den Bereich Technologie, wohingegen Szenariotechnik und Delphi-Befragungen
716
Vgl. Rohrbeck et al. (2007), S. 4.
Vgl. Rohrbeck et al. (2007), S. 4.
718
Vgl. Müller & Müller-Stewens (2009), S. 26; Burmeister (2002), S. 56.
719
Vgl. dazu Rohrbeck & Gemünden (2008), S. 149, der nach marktseitigen und technologieseitigen Instrumenten unterscheidet und integrierende Methoden aufzeigt.
717
137
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
auf alle Bereiche anzuwenden sind.720 In der Praxis beobachten die meisten Unternehmen nicht alle Umfeldbereiche. Darauf wird aufgrund begrenzter finanzieller
und personeller Ressourcen oftmals verzichtet. Je nach Intensität der Frühaufklärung im Unternehmen variiert die Bandbreite, d.h. die Auswahl der Bereiche und
die Tiefe (Aktuelles Geschäftsfeld – weiße Felder721) der Beobachtung.722
Abschließend lässt sich feststellen, dass strategische Frühaufklärung allein aufgrund
vieler Instrumente und Methoden sowie Beobachtungsbereiche sehr diverse Ausgestaltungen annehmen kann. Grundsätzlich steht die Definition des Informationsbedarfs am Anfang, weshalb im Anschluss Instrumente, Methoden und Beobachtungsbereiche ausgewählt werden.723
3.2.6 Implementierungsbarrieren und deren Überwindung
Im folgenden Abschnitt werden als letzter Faktor der Gestaltung der strategischen
Frühaufklärung die Implementierungsbarrieren sowie mögliche Ansätze zur Lösung
dieser vorgestellt.
Implementierungsbarrieren
Bisher wurde nur vereinzelt auf Implementierungsbarrieren der strategischen Frühaufklärung hingewiesen. Nichtsdestotrotz sind deren Ursachen maßgeblich für die
Nutzung der strategischen Frühaufklärung im Unternehmen. Die Ursachen sind dabei in Gestalt und Form vielfältig. Zusammenfassend bilden Müller-Stewens &
Lechner folgende Ursachen für Implementierungsschwierigkeiten der strategischen
Frühaufklärung ab:724
 Ein früher Methodenoverkill, der die Diskussion auf Nebenschauplätze lenkt.
 Die Dominanz des Tagesgeschäfts, die ein unzureichendes Klima der Dringlichkeit schafft.
 Der qualitative Nutzen einer Frühaufklärung, der sich quantitativ kaum
nachweisen lässt. Dies erhöht den Legitimationsdruck auf ein solches Projekt.
720
Vgl. Rohrbeck et al. (2007), S. 7.
Weiße Felder sind Gebiete, die bisher keine Relevanz für das Unternehmen haben, die aber Potenzial für disruptive Veränderungen aufweisen, die schwer wahrzunehmen und vorzubereiten sind
(Quelle: Rohrbeck (2010), S. 105).
722
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 105.
723
Vgl. Rader & Porter (2008), S. 29, 35f; Müller & Müller-Stewens (2009), S. 25.
724
Müller-Stewens & Lechner (2011), S. 193.
721
138
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
 Die Struktur vieler Planungsprozesse, die periodisch nach einem festem
Schema abläuft, das nur wenig Raum für spontan auftretende schwache Signale lässt.
 Die oft nur punktuell etablierte Verankerung der Frühaufklärung. Oft wird
sie entweder zum Privatthema einiger Weniger oder sie wird in Stabsabteilungen wegdelegiert.
Besonders die frühen Arbeiten der strategischen Frühaufklärung bilden vor allem
personelle Hürden ab.725 Ansoff hat in diesem Zusammenhang drei Implementierungsbarrieren theoretisch herausgearbeitet: Je nach Zeitpunkt im Frühaufklärungsprozess treten Wahrnehmungs-, Mentalitäts- und Machtfilter auf, die die Wirkungsweise der Frühaufklärung einschränken. 726 Wahrnehmungsfilter ergeben sich
durch die eingesetzten Instrumente und Beobachtungsbereiche, die festlegen, welche Informationen aus der Umwelt aufgenommen werden. 727 Mentalitätsfilter entstehen durch kognitive Dissonanzen, d.h. Informationen sind nicht mit der Erfahrungswelt des Mitarbeiters vereinbar und werden daher ausgeblendet. Machtfilter
bestehen, wenn Informationen zurückgehalten werden, die die Machtposition einzelner Mitarbeiter reduzieren würde. 728 Ähnlich wie Ansoff legen ebenso Krystek &
Müller-Stewens den Schwerpunkt auf personelle Faktoren. Sie identifizieren Wissen-, Willens- und Fähigkeitsbarrieren je nach Unternehmens-, Projekt- oder Projektteamebene.729 Ähnlich dieser Annahmen sieht auch Hauff die Schwierigkeit, die
zugrundeliegenden Informationen zu interpretieren. Er argumentiert, dass Menschen aufgrund der selektiven Wahrnehmung nur eingeschränkt schwache Signale
aus der Umwelt aufnehmen können. Darüber hinaus zweifelt er grundsätzlich am
Interpretationsspielraum von schwachen Signalen, der zu Fehlinterpretationen und entscheidungen führt.730
Neuere Arbeiten u.a. von Baisch (2000), Davis (2008) und Lasinger (2011), die
meist mit Fallstudien das Implementierungsobjekt Frühaufklärung untersuchen, bilden weitaus breitere Sichtweisen ab. In diesem Zusammenhang geben vor allem die
Werke von Baisch und Davis einen sehr vollständigen Überblick. 731
Davis betrachtet das Image der strategischen Frühaufklärung, strukturelle und organisatorische Bedingungen, Kommunikation, Kultur, Faktor Mensch, Ressourcen,
725
Vgl. Aguilar (1967), S. 13; Ansoff (1984), S. 335; Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 269.
Vgl. Ansoff (1984), S. 335.
727
Vgl. Ansoff (1984), S. 326.
728
Vgl. Ansoff (1984), S. 326ff.
729
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 269.
730
Vgl. Hauff (2009), S. 26ff.
731
Lasinger wird hier nicht weiter betrachtet, da ihre Unterteilung in harte, weiche und personenbezogene Faktoren nicht annähernd trennscharf und vergleichbar mit der Genauigkeit der anderen
Arbeiten ist.
726
139
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Prozess sowie die Implementierung in der Strategieentwicklung. 732 Baisch hingegen
unterscheidet zwischen metakonzeptionellen, instrumentellen, strukturellen und
ressourcenbezogenen Barrieren. In Tab. 3-5 befindet ein vollständiger Überblick
der identifizierten Barrieren. Die Kategorisierung wurde nach den von Nick beschriebenen Determinanten der Wirksamkeit vorgenommen, da diese trennscharf
alle Barrieren umreißen.733
732
733
Vgl. Davis (2008), S. 144.
Vgl. Nick (2008), S. 196ff.
140
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Ursache
Beschreibung
strukturell
Zielsetzung
Unscharfe Zielvorstellungen
Mangelnder Realismus bezüglich der Ziele
Aufbauorganisatorische
Anbindung
Verankerung führt zu Stabslinienbarrieren oder doppelter
Arbeit
Strategieanbindung
Missachtung der Schnittstellen zu anderen Managementsystemen (unzureichende Anbindung an Strategie/Planung)
Aufgabenträger
Mangelnde Zuständigkeit
Querschnittsfunktion führt zu Macht-/Konkurrenz- und Dominanzkonflikten
Dominanz von Hard-Facts
Personale Mängel
Psychologische Informationspathologien
kontextuell
Kultur
Mangelnde Antizipationsfähigkeit
Fehlende Zukunftsorientierung
Gemeinsames Verständnis der Zukunft fehlt
Fehlendes offenes Kommunikationsverhalten
prozessual
Kommunikation
Interne Zielgruppenorientierung fehlt (keine Nutzerangepasste Aufbereitung)
Mangel an Kommunikation (Frühaufklärungsergebnisse werden nicht weitergegeben)
Instrumente & Methoden
Überfrachtung mit Methoden
Prozessdurchführung
Fehlender Prozess, Transparenz und Koordination
Wenig Kontinuität der Aufgaben
Zeitliche und finanzielle Ressourcenausstattung
Tab. 3-5: Implementierungsbarrieren (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Baisch (2000); Davis (2008) und Nick (2008))
141
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Lösungsansätze zur Überwindung der Barrieren
Um diese Implementierungsbarrieren zu überwinden, werden von den Autoren einige Vorschläge erarbeitet. Dazu ist vor allem ein langfristiger und umfassender Ansatz zu deren Implementierung nötig. Bereits Krystek & Müller-Stewens stellen
fest:
„Das Attribut „antizipativ“ kann sich eine Organisation nicht von heute auf
morgen „aneignen“.“734
Nur eine kontinuierliche Verbesserung der Frühaufklärung führt zu einem erfolgreichen Einsatz. 735 Krystek & Müller-Stewens schlagen vor, das Frühaufklärungsobjekt in 13 Teilaufgaben zu zerlegen, die hier wiederum zur Veranschaulichung den
zwei Oberpunkten Zielprofil und Implementierungsprofil zugeordnet wurden: 736
Das Zielprofil setzt sich aus Aufgaben zur Festlegung der Definition der Frühaufklärung, der Bestimmung von Gründen für die Nutzung und Aufgaben zur Veranschaulichung des Nutzens sowie des Anlasses der Einführung zusammen. Das Implementierungsprofil beschäftigt sich folglich mit den Aufgaben zur Umsetzung der
Frühaufklärung, wobei das Ausmaß der Umsetzung, die Gliederung in Prozessbereiche, Themenbereiche, Informationsquellen, Methoden, Aufgabenträger und
Kommunikationsmaßnahmen bestimmt werden.
Krystek & Müller-Stewens weisen darauf hin, dass „(…) die erfolgreiche Verwirklichung einer Frühaufklärung weniger ein methodisches, denn ein ‚menschliches’
Problem darstellt“ 737. Sie führen entsprechend an:
„Es mangelt an den entsprechenden Fähigkeiten zu Aktivitäten der mit einer
Frühaufklärung verbundenen Nutzenpotenziale.“738
Damit verwundert es, dass sie keine entsprechenden Vorschläge zur Überwindung
der von ihnen definierten Willens-, Wissens- und Fähigkeitsbarrieren aufstellen.
Dieses Problem findet sich auch bei Davis wieder, die sich zwar ausführlich mit den
Barrieren beschäftigt, aber nicht vorsieht, „ein hübsches Problemlösungspaket“ 739
zu deren Überwindung anzubieten. Weiterhin führt sie aus, dass eine Beseitigung
der Barrieren allein nicht ausreicht, um eine erfolgreiche Implementierung sicherzustellen. Vielmehr versteht sie die Barrieren als Startpunkt eines Lernprozesses. 740 In
734
Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 232.
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 232.
736
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 233ff.
737
Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 232.
738
Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 232.
739
Davis (2008), S. 230.
740
Vgl. Davis (2008), S. 230.
735
142
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
diesem Zusammenhang sieht sie vor allem Instrumente zur Motivations- und Akzeptanzförderung im Vordergrund dieses Lernprozesses und schlägt diverse erste
Maßnahmen zur Kommunikations-, Qualifikations-, Motivations- und Organisationsverbesserung vor, mit denen es möglich ist, Defizite des NichtKennens, -Wollens, -Sollens sowie -Dürfens abzubauen.741
Erste konkrete Ansatzpunkte bietet Becker in seinen Verbesserungsvorschlägen. Er
legt die Schwerpunkte auf eine verbesserte Kommunikation, eine größere strategische Relevanz und den Ausbau der methodischen Grundlagen der Frühaufklärung.742 Er betont damit die Bedeutung der Kommunikation der Ergebnisse und
schlägt vor, die Sensibilität für den Nutzen der Frühaufklärung im Unternehmen zu
erhöhen, die Resultate nutzerfreundlich aufzuarbeiten und thematisch an Nutzerbedürfnissen auszurichten. Zudem wird deutlich, dass das Potenzial der Frühaufklärung im strategischen Prozess oder allgemein bei strategischen Entscheidungen mitzuwirken, nicht vollends ausgeschöpft ist.
Baisch geht in seinen Ausführungen etwas weiter als die bereits dargestellten Autorenvorschläge und stellt deutlich differenzierte Lösungsvorschläge zur Überwindung der Implementierungsbarrieren vor:743 Ähnlich wie Krystek & Müller-Stewens
schlägt auch Baisch vor, zunächst ein Zielprofil für das Frühaufklärungs-system zu
entwerfen.
Dieses
Zielprofil
bestimmt
in
handhabbarer
Form
halt, -träger, -termin, und -objekt. Eine solche Explizierung der Ziele strategischer
Frühaufklärung dient laut Baisch als Motor der Implementierung und steigert die
Attraktivität des Implementierungsobjektes.744 Im nächsten Schritt werden relevante
Kontextfaktoren bestimmt und das System in Hinblick auf die Zielerfüllung angepasst. Die Beobachtung des Kontextes offenbart, an welcher Stelle und auf welche
Weise ein geplanter Eingriff in das Unternehmen sinnvoll ist. Baisch identifiziert
den Einfluss der Unternehmenskultur, die Komplexität des Umfeldes, die Geschichte des Unternehmens und die beigemessene Bedeutung der Frühaufklärung als relevante Kontextfaktoren.745 Als ein letzter Teil werden der Handlungsbedarf und die
Implementierungsstrategie bestimmt und die strategische Frühaufklärung durchgesetzt. Hier werden wieder Parallelen zum Implementierungsprofil von Krystek &
Müller-Stewens deutlich.746 Baisch schlägt die Lern- und Kulturentwicklungsstrategie ergänzt durch das Kulturmanagement vor. Dieses setzt bei einer Änderung von
741
Vgl. Davis (2008), S. 230.
Vgl. Becker (2002), S. 19.
743
Vgl. Baisch (2000), S. 161ff.
744
Vgl. Baisch (2000), S. 161, 168ff.
745
Vgl. Baisch (2000), S. 179.
746
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 232.
742
143
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Einstellungen, Normen und Werthaltungen der Aufgabenträger an und soll ihre
Denkhaltung im Sinne der Frühaufklärung verändern.747
Baisch bringt damit erstmals umfassend den Kontext des Unternehmens und damit
der Frühaufklärung in die Betrachtung. Ähnlich ganzheitlich geht Nick vor. Nick
(2008) gibt zwar in seiner Fallstudienuntersuchung nicht explizit Lösungsvorschläge zur Verringerung von Implementierungsbarrieren vor, stellt jedoch Determinanten der Wirksamkeit struktureller, prozessualer und kontextueller Faktoren vor.748
Damit vereint er Faktoren, die in der Literatur bisher stark vernachlässigt wurden,
wie die strukturellen und kontextuellen Faktoren und stellt erstmals einen ganzheitlichen Ansatz auf.
Die prozessualen Faktoren sind dabei solche, die sich auf die Wirksamkeit des Prozesses an sich beziehen.749 Dabei stellt Nick die Prozessschritte Erfassung, Bewertung, Kommunikation und Handlung auf. Damit wird wiederum die interne Kommunikation und zielgruppenspezifische Kommunikation der Ergebnisse hervorgehoben. Neben den Prozessphasen ergänzt er die prozessuale Dimension durch zwei
begleitende Systeme: die Interaktion mit internen und externen Stakeholdern. Die
Zielgruppen und späteren Nutzer der strategischen Frühaufklärung müssen entlang
des Frühaufklärungsprozesses eingebunden werden, um Akzeptanz und Nutzung
der Erkenntnisse zu fördern. 750 Externe Stakeholder dienen insbesondere dem Verständnis des Unternehmensumfeldes und sind in den Phasen der Erfassung und Bewertung von besonderer Rolle, weil sie von dem Unternehmen losgelöste Denkmuster und Standpunkte in die Betrachtung einbringen. 751
Aspekte, die die grundsätzliche Struktur und den Aufbau der strategischen Frühaufklärung betreffen, werden unter der strukturellen Dimension zusammengefasst. 752
Sie betreffen besonders die Zielsetzung der strategischen Frühaufklärung, vor allem
deren aufbauorganisatorische Anbindung, Strategieanbindung und Aufgabenträger.
Die kontextuellen Faktoren wirken sich im Wesentlichen stark auf die eigentliche
Implementierung aus, hierin sind laut Nick Top-Management-Unterstützung und
Unternehmenskultur enthalten. 753 Er teilt diesen Faktoren damit eine moderierende
Rolle zu. Die Wirksamkeit der strategischen Frühaufklärung wird durch das TopManagement und durch die allgemeine Unternehmenskultur unterstützt. Diesen einzelnen Faktoren ordnet er wiederum Determinanten der Wirksamkeit zu, die einen
geeigneten Rahmen zur Bewertung der Frühaufklärung und deren Umsetzung im
747
Vgl. Baisch (2000), S. 198.
Vgl. Nick (2008), S. 195ff.
749
Vgl. Nick (2008), S. 114.
750
Vgl. Nick (2008), S. 145.
751
Vgl. Nick (2008), S. 144f.
752
Vgl. Nick (2008), S. 144f.
753
Vgl. Nick (2008), S. 115.
748
144
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Unternehmen bieten. Nick kommt zu dem Ergebnis, dass nur ein Übereinkommen
zwischen und innerhalb der prozessualen, strukturellen und kontextuellen Faktoren
zu einer erfolgreichen Umsetzung der strategischen Frühaufklärung führen kann. 754
Eine ausführliche Darstellung der einzelnen Dimensionen inklusive Faktoren, Determinanten und Indikatoren findet sich bei Nick, S. 196ff.
Mit derartigen Analyserahmen wird zunehmend deutlich, dass eine erfolgreiche
Überwindung der Barrieren mit einem ganzheitlichen Ansatz zur Einführung und
einer kontinuierlichen Bewertung der Frühaufklärung verbunden ist. Daher wird an
dieser Stelle auf das Reifegradmodell von Rohrbeck hingewiesen, welches bisher
am umfassendsten eine Analyse der bestehenden Frühaufklärungspraktiken im Unternehmen ermöglicht. Um bestehende Unternehmenspraktiken zu vergleichen und
unternehmenseigene Stärken und Schwächen bezüglich der Frühaufklärung herauszubilden, entwickelte Rohrbeck (2010) das Reifegradmodell, welches ein umfassendes Benchmarking zulässt. 755 Er unterscheidet in drei zentrale Elemente: Kontingenzfaktoren, Fähigkeitsfaktoren und den Wertbeitrag (siehe dazu Abb. 3-13).
Kontext des
Unternehmens
Komponenten der
Frühaufklärung
Wertbeitrag
Größe des
Unternehmens
Kultur
Unsicherheit
reduzieren
Strategie
Unternehmenskultur
Informationsnutzung
Fähigkeiten
Organisation
Angestrebter
Wettbewerbsvorteil
Umweltkomplexität
Mitarbeiter
Reaktionen
einleiten
Handlungen
Dritter einleiten
Sekundäre
Vorteile
Methodenqualität
Branchendynamik
Abb. 3-13: Reifegradmodell nach Rohrbeck (Quelle: Rohrbeck (2010), S. 78)
754
755
Vgl. Nick (2008), S. 187.
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 77.
145
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
Kontingenzfaktoren erklären den Unternehmenskontext und bestimmen damit den
Bedarf an Frühaufklärung. Daraus resultieren erste Hinweise für eine Gestaltung
der Frühaufklärung in Unternehmen.756 Der Kontext des Unternehmens lässt sich
anhand der Kriterien Größe des Unternehmens, Art der Strategie, Kultur des Unternehmens, Quelle des Wettbewerbsvorteils, Komplexität des Unternehmens und
Branchendynamik bestimmen.757 Daneben definiert er Elemente, die die Frühaufklärungsfähigkeit bestimmen. Diese Fähigkeit setzt sich aus Informations-nutzung,
Methodenqualität, Mitarbeiter und Netzwerke, Organisation und Kultur zusammen.
Jede Dimension wird anhand von weiteren Kriterien bestimmt. Insgesamt ergeben
sich 21 Faktoren.758 Sie beweisen, inwiefern ein Frühaufklärungssystem in der Lage ist, Trends und Issues zu identifizieren sowie zu interpretieren und auf diese zu
reagieren. Darüber hinaus kann jede Dimension bei der Verbesserung von Frühaufklärung mitwirken. Im Gegensatz zu bestehenden Ansätzen, wie z.B. dem von
Krystek & Müller-Stewens, der dem klassischen Prozessdenken entspricht, wird
erstmals der Wertbeitrag der Frühaufklärung als Bestandteil des Reifegradmodells
aufgenommen. Diesen hat er wiederum in vier Kategorien unterteilt: Reduzieren der
Unsicherheit, Einleiten von Handlungen, externe Stakeholder zum Handeln bringen
und sekundäre Vorteile. 759 Das Reifegradmodell bietet vor allem zwei Vorteile.
Zum einen bildet ein derartig umfassendes Benchmarking die Grundlage für die
fortwährende Verbesserung der Implementierung. Zum anderen wird deutlich, dass
nicht jedes Unternehmen im vollen Umfang Frühaufklärung betreiben muss, denn je
nach Kontext des Unternehmens muss deren Umsetzung angepasst werden.760
Die Ausführungen zu den Implementierungsbarrieren machen deutlich, dass der
Einsatz der strategischen Frühaufklärung im Unternehmen teilweise mit erheblichen
Schwierigkeiten verbunden ist. Dabei zeigt sich, dass sich Implementierungsprobleme durch eine intelligente Konzeption der Frühaufklärung, am besten vor deren
Einführung, verhindern lassen, indem das System den Rahmenbedingungen des Unternehmens angepasst wird.
756
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 127.
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 78.
758
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 78.
759
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 88ff.
760
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 127.
757
146
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
3.2.7 Abschließende Betrachtung bestehender Implementierungsbeiträge
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Relevanz und der Einsatz der strategischen Frühaufklärung im Unternehmen stark gestiegen sind. 761 Jüngste Untersuchungen belegen in diesem Zusammenhang den vermehrten Einsatz und damit die
Aktualität in Unternehmen. 762 Nichtsdestotrotz ist die Implementierung in Unternehmen unzufriedenstellend.763 Bereits Mitte der 90er Jahre kamen Eggers und
Eickhoff zu folgender Erkenntnis:
„Trotz der Euphorie vieler Autoren ist bisher nur wenigen Unternehmungen gelungen, funktionsfähige Frühaufklärungssysteme nachhaltig und erfolgreich zu
betreiben.“764
Auch wenn die Funktionen der Frühaufklärung in Unternehmen deutlich verbessert
wurden, bleibt eine gewisse Aktualität dieses Zitates. Rohrbeck trifft ähnliche Aussagen:
„Even though I was able to identify various best practices in specific capability
dimensions, none of the firms had implemented a comprehensive, stable, and effective corporate foresight system. Most companies had mature practices in one
or two capability dimensions but few capabilities in the others. Thus, the overall
implementation level is still troubling and raises serious concerns about the ability of firms to retain their competitive advantage in times of discontinuous
change.”765
Dies liegt vor allem an zwei Grundproblemen: Zum einem ist das Konzept der strategischen Frühaufklärung bei aller Bemühung der Abgrenzung durch einige Verwirrungen geprägt. 766 Dies macht sich allein in den diversen begrifflichen Überschneidungen deutlich, die nur wenig Klarheit bringen. Zum anderen und viel gewichtiger,
ist die Gestaltung der Implementierung zu schwach umrissen, vor allem werden die
Ganzheitlichkeit der Implementierung und die Integration in bestehende Managementsysteme vernachlässigt. 767 So fassen Müller & Müller-Stewens zusammen:
761
Vgl. Müller & Müller-Stewens (2009), S. 44; Daheim & Uerz (2008), S. 321; Burmeister
(2002), S. 109.
762
Vgl. Burmeister (2002), S. 48f.
763
Vgl. Roll & Weber (2006), S. 198; Rohrbeck (2010), S. 196.
764
Eggers & Eickhoff (1996), S. 48.
765
Rohrbeck (2010), S. 196.
766
Vgl. Hazebrouck (1998), S. 54; Sepp (1996), S. 120f.
767
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 47.
147
Grundlagen der strategischen Frühaufklärung
„Bis heute bleibt es deshalb weitestgehend unklar, welche Zusammenhänge zwischen Foresight-Prozessen und unternehmensinternen oder -externen Kontextfaktoren bestehen, wie sich Foresight-Prozesse einem veränderten Prozesskontext anpassen und welches dabei die Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Prozesses sein können.“768
Deutlich wird dies in der Forschungspraktik, die lange der Implementierung keine
wirkliche Beachtung beigemessen hat und nur „(…) zwischen den Zeilen (…)“769
Aussagen trifft. In den letzten Jahren hat sich dies zum Teil geändert. Fallstudienbasierte Arbeiten erweitern das Wissen zur Implementierung. 770 Nichtsdestotrotz konzentrieren sich forschungsrelevante Ansätze vor allem auf die Ausgestaltung des
Frühaufklärungsprozesses, angereichert durch Erkenntnisse zu Methoden, Informationsnutzung und Organisation. 771 Zu selten wird hierbei die Ausgangssituation des
Unternehmens in Hinblick auf Strategie, Unternehmenskultur, Branchenkomplexität
und -dynamik als maßgeblicher Faktor für die Umsetzung der Frühaufklärung im
Unternehmen thematisiert. In diesem Zusammenhang unterstreichen nur Rohrbeck,
Baisch, Day & Schoemaker sowie Tyssen die Relevanz der Rahmensituation des
Unternehmens.772 Rohrbeck geht indes soweit, ein vollständiges Implementierungsmodell einzuführen, dessen Ausmaß der Umsetzung von den Rahmenbedingungen des Unternehmens abhängt. 773 Folglich lässt sich daraus schließen, dass
nicht immer Komplettlösungen zur Umsetzung der Frühaufklärung angebracht sind.
Insgesamt wird die Wirkung oder der Wertbeitrag einer strategischen Frühaufklärung bislang zu wenig untersucht. Belege, ob und inwiefern die Frühaufklärung zu
Verbesserungen im strategischen und Innovationsmanagement führt, könnten helfen
die Implementierung in Unternehmen voranzutreiben.
768
Müller & Müller-Stewens (2009), S. 3.
Baisch (2000), S. 145.
770
Siehe dazu: Baisch (2000); Nick (2008); Davis (2008); Rohrbeck (2010); Roll (2004); Lasinger
(2011).
771
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 47.
772
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 76f.; Day & Schoemaker (2006); Baisch (2000), S. 179ff.; Tyssen
(2012), S. 164ff.
773
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 77.
769
148
Wirkungszusammenhänge zwischen der strategischen Frühaufklärung und der Innovationsfähigkeit
4
Wirkungszusammenhänge zwischen der strategischen Frühaufklärung
und der Innovationsfähigkeit
In enger Anlehnung an die vorangegangenen Ausführungen und die Erkenntnisse
aus dem Kapitel zur Konzeption der Innovationsfähigkeit werden im Folgenden
vermutete Wirkungszusammenhänge zwischen der Frühaufklärung und der Innovationsfähigkeit entwickelt. Diese Kausalitäten, die aus den theoretischen Überlegungen stammen, dienen zur Strukturierung des bisher dargestellten Forschungsstandes.774 Sie dienen als Grundlage für die explorativ angelegte Forschungsstudie und
werden in allgemeine Thesen zusammengefasst.
Wie bereits in Kapitel 2.3. ausführlich dargelegt, stellt die Innovationsfähigkeit eine
Metafähigkeit dar, die aus den beiden Mechanismen Exploitation und Exploration
besteht und damit auf die zentralen Ressourcen und Kompetenzen des Unternehmens zurückgreift.775 Im Ergebnis entstehen Innovationen, die dem Unternehmen
einen Wettbewerbsvorteil am Markt verschaffen. Dabei resultieren aus der reinen
Exploitation vornehmlich inkrementelle Innovationen, wohingegen aus Exploration
radikale Innovationen hervorgehen.776
Wie bereits verdeutlicht, wird der strategischen Frühaufklärung eine positive Rolle
in der Ausbildung der Innovationsfähigkeit zugesprochen, wenngleich eine empirische Fundierung fehlt.777 Nichtsdestotrotz unterstützen die Ausführungen aus Kapitel 3.2.2.2, dass die strategische Frühaufklärung durch die Umfeldanalysen wichtige
Impulse für die Innovationsfähigkeit gibt. Alle drei Rollen lassen Rückschlüsse auf
positive Wirkungszusammenhänge bzgl. Exploitation und Exploration zu.778
Ähnlich zeigen die Erkenntnisse aus der Ressourcentheorie und der Innovationsforschung einen Zusammenhang auf. Die strategische Frühaufklärung, die Chancen
und Gefahren aus der Umwelt aufspürt, wird als Treiber der Innovationsfähigkeit
und wesentliche Voraussetzung für die Wirkungsweise der beiden Hauptmechanismen angesehen. Sehr umfangreich diskutiert in diesem Zusammenhang Teece
(2007) die Grundlagen der Innovationsfähigkeit als dynamische Metafähigkeit. Als
eine Grundlage sieht er die Wahrnehmung von Chancen und Gefahren an. 779 Da
Kundenbedürfnisse, technologische Voraussetzungen und die Wettbewerbsaktivität
774
Die Erläuterung der Forschungsstrategie erfolgt im nachfolgenden Kapitel.
Vgl. Teece (2007), S. 1320; Jansen et al. (2006), S. 1661; Atuahene-Gima (2005), S. 61.
776
Vgl. Tushman & O'Reilly (1996), S. 14; Atuahene-Gima (2005), S. 72f.
777
Vgl. Müller & Müller-Stewens (2009), S. 37; Burmeister et al. (2004), S. 119.
778
Vgl. Trux et al. (1985), S. 372ff.; Rohrbeck (2010), S. 182ff.; Ruff (2006), S. 287f.
779
Vgl. Teece (2007), S. 1322.
775
149
Wirkungszusammenhänge zwischen der strategischen Frühaufklärung und der Innovationsfähigkeit
einer kontinuierlichen Veränderung unterliegen, müssen Unternehmen den Markt
beobachten, um neue Chancen in Märkten und Technologien frühzeitig ausfindig zu
machen. 780 Teece konkretisiert:
“This activity not only involves investment in research activity and the probing
and reprobing of customer needs and technological possibilities, it also involves
understanding of latent demand, the structural evolution of industries and markets, and likely supplier and competitor responses. (…) When opportunities are
first glimpsed, entrepreneurs and managers must figure out how to interpret new
events and developments, which technologies to pursue, and which market segments to target. They must assess how technologies will evolve and how and
when competitors, suppliers, and customers will respond.”781
Teilelemente dieser Fähigkeit werden durch „Analytical systems to learn and sense,
filter, shape, and calibrate opportunities“782 widergespiegelt. Diese beinhalten laut
Teece (1) Prozesse, um interne F&E zu lenken und neue Technologien auszuwählen, (2) Prozesse, um Innovationen seitens der Lieferanten aufzuspüren, (3) Prozesse, um aktuelle Entwicklungen in Technologie und Wissenschaft aufzudecken und
(4) Prozesse, um künftige Marktsegmente, veränderte Kundenbedürfnisse und Kundeninnovationen zu identifizieren.783 Ähnlich argumentiert Sanchez. Je nach Umweltdynamik sind verschiedene Kompetenzarten erforderlich. 784 Sowohl bei evolutionären als auch dynamischen Marktentwicklungen benötigen Unternehmen die
Fähigkeit “(…) to perceive market needs and identify specific market preferences
the organization might serve, to determine the characteristics of products and services that can satisfy those needs and preferences (…), and ultimately to define
product offers that will be perceived by markets as having attractive net delivered
customer value.”785 Für Day stellt die Innovationsfähigkeit eine Fähigkeit dar, die
auf der einen Seite die Geschehnisse des Marktes nach innen ins Unternehmen trägt
und durch die Befriedigung der am Markt identifizierten Bedürfnisse mit neuartigen
Produkten wieder nach außen auf den Markt bringt. 786 Wie Teece und Sanchez stellen für Day Prozesse zur Wahrnehmung von Trends und Ereignissen in heutigen
sowie künftigen Märkten sowie zur Ableitung von Handlungsimplikationen eine der
Grundlagen dafür dar.787 Strategische Frühaufklärung nimmt diese Funktionen
780
Vgl. Teece (2007), S. 1322.
Teece (2007), S. 1322.
782
Teece (2007), S. 1326.
783
Vgl. Teece (2007), S. 1326.
784
Vgl. Sanchez (2004), S. 530.
785
Sanchez (2004), S. 523.
786
Vgl. Day (1994), S. 42.
787
Vgl. Day (1994), S. 43.
781
150
Wirkungszusammenhänge zwischen der strategischen Frühaufklärung und der Innovationsfähigkeit
ein.788 Damit kann eine direkte Verbindung zum Innovationsmanagement und der
Innovationsfähigkeit hergestellt werden.
Als eine zweite Voraussetzung nennt Teece (2007) „Managing Threats and Reconfiguration“.789 Teece verdeutlicht:
„A key to sustained profitable growth is the ability to recombine and to reconfigure assets and organizational structures as the enterprise grows, and as markets and technologies change, as they surely will. Reconfiguration is needed to
maintain evolutionary fitness and, if necessary, to try to escape from unfavourable path dependencies.”790
Grundvoraussetzung für die Rekonfigurationsprozesse ist wiederum die Fähigkeit,
Märkte und Technologien zu beobachten und damit die Notwendigkeit zur Anpassung der bestehenden Ressourcenbasis wahrzunehmen.791 Strategische Frühaufklärung hilft, die Anforderungen aufzudecken und die Notwendigkeit für Veränderung
hervorzuheben und ist damit wiederum eine Voraussetzung für die Rekonfiguration
als Bestandteil der Innovationsfähigkeit.
Insgesamt wird damit zugleich deutlich, dass die strategische Frühaufklärung die
Anforderung aus der Forschung zur Ambidextrie des Unternehmens erfüllt. Um
langfristig erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen demnach in der Lage sein, sowohl auf inkrementellen als auch disruptiven Wandel reagieren zu können, den Unternehmen durchlaufen.792
„Almost all successful organizations evolve through relatively long periods of
incremental change punctuated by environmental shifts and revolutionary
change. These discontinuities may be driven by technology, competitors, regulatory events, or significant changes in economic and political conditions.”793
Das Wissen über das engere und weitere Marktumfeld hilft Managern, Defizite in
bestehender Ressourcen- und Kompetenzbasis aufzudecken und Marktgelegenheiten, die dem Unternehmen neue Fähigkeiten abverlangen, zu erkennen. 794 Folglich
stellt Atuahene-Gima fest:
788
Vgl. Rohrbeck & Gemünden (2008), S. 155.
Teece (2007), S. 1334.
790
Teece (2007), S. 1335.
791
Vgl. Teece et al. (1997), S. 520.
792
Vgl. Tushman & O'Reilly (1996), S. 8; Brown & Eisenhardt (1997), S. 1.
793
Tushman & O'Reilly (1996), S. 11.
794
Sanchez (1995), S. 138.
789
151
Wirkungszusammenhänge zwischen der strategischen Frühaufklärung und der Innovationsfähigkeit
„The awareness of changing market conditions can cause current practices in the
organization to be considered inadequate.”795
Da strategische Frühaufklärung Wissen über die möglichen Veränderungen in dem
Marktumfeld des Unternehmens bereitstellt und erste Implikationen ableitet, bereitet es das Unternehmen auf die Anpassung radikaler und inkrementeller Veränderungen vor. In Zeiten von inkrementellen Wandel, ist die Marktdynamik leicht vorhersagbar und das Unternehmen vertraut auf bestehende Ressourcen und Fähigkeiten. Im Gegensatz dazu muss das Unternehmen bei radikalen Veränderungen, neue
Kompetenzen aufbauen und neue Chancen und Märkte ergründen. 796 Als Ergebnis
entstehen je nach Markterfordernissen inkrementelle oder radikale Innovationen. 797
“The real test of leadership is to be able to compete successfully by both increasing the alignment or fit among strategy, structure, culture, and processes, while
simultaneously preparing for the inevitable revolutions required by discontinuous environmental change. This requires organizational and management skills
to compete in a mature market (where cost, efficiency, and incremental innovation are key) and to develop new products and services (where radical innovation, speed, and flexibility are critical).”798
Ohne die Fähigkeit, Marktbedingungen zu verstehen, können Unternehmen weder
aktuelle Innovationsfähigkeiten nutzen noch neue entwickeln. Zusammenfassend
kann damit sowohl aus der Forschung zur strategischen Frühaufklärung als auch der
Ressourcentheorie und der Innovationsforschung geschlussfolgert werden, dass die
strategische Frühaufklärung insgesamt einen positiven Einfluss auf die Innovationsfähigkeit ausübt. Hieraus leitet sich der erste allgemeine Wirkungszusammenhang
ab:
These 1: Die strategische Frühaufklärung trägt positiv zur Verbesserung der
Innovationsfähigkeit bei.
Wie bereits erwähnt besteht die Innovationsfähigkeit aus Exploitation und Exploration, daher lässt sich diese These weiter konkretisieren.
These 1-1: Die strategische Frühaufklärung hat einen positiven Einfluss auf die
Exploitation.
795
Atuahene-Gima (2005), S. 64.
Tushman & O'Reilly (1996), S. 24.
797
Atuahene-Gima (2005), S. 64 ; Jansen et al. (2006), S. 1662.
798
Tushman & O'Reilly (1996), S. 11.
796
152
Wirkungszusammenhänge zwischen der strategischen Frühaufklärung und der Innovationsfähigkeit
These 1-2: Die strategische Frühaufklärung hat einen positiven Einfluss auf die
Exploration.
Deutlich wird demnach durch die Konkretisierung, dass beide Mechanismen positiv
beeinflusst werden. Zunächst wird durch die strategische Frühaufklärung inkrementeller Wandel im Unternehmensumfeld wahrgenommen. Dies wiederum führt zu
einer weiteren Verbesserung und Bestärkung bestehender Innovationsfähigkeiten,
d.h. der Exploitation, im Ergebnis werden inkrementelle Innovationen auf den
Markt gebracht. Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass die in der strategischen
Frühaufklärung aufgezeigten Zukunftsbilder die bisher eingeschlagenen Pfade
rechtfertigen und ebenso die bestehenden Fähigkeiten weiter genutzt und gestärkt
werden. In beiden Fällen wird damit ein positiver Effekt auf die Exploitation ausgeübt.
Wie bereits beschrieben, führt die strategische Frühaufklärung bei disruptivem
Wandel zum Aufbrechen bestehender Pfade innerhalb des Unternehmens.
„Market knowledge is a resource with which managers can uncover current capabilities deficiencies in the firm and emerging market opportunities that may
require the development of new capabilities.”799
Rohrbeck erläutert zur Wirkung der Frühaufklärung:
“(…) it is expected to increase the capability of a company to break away from
path dependency, enhance its strategic flexibility, and increase its absorptive capacity.”800
Der fehlende Bestand an nötigen Ressourcen und Fähigkeiten führt zum Aufbau
und zur Entwicklung eben dieser. Folglich wird die Exploration positiv beeinflusst
und es entstehen radikale Innovationen.
Die strategische Frühaufklärung ist vor allem ein Instrument, um disruptiven Wandel zu erkennen. 801 Indem Unternehmen nicht nur in ihrer nahen und bekannten
Umwelt nach Veränderungen suchen, nehmen sie darüber hinaus mehr neuartige
Ideen auf. 802 Wie Rohrbeck beschrieben hat, führt die strategische Frühaufklärung
zu einer Repositionierung des Innovationsportfolios.803 Daher fördert strategische
Frühaufklärung grundsätzlich eher die Akquisition neuer Technologien, neuer Fä-
799
Atuahene-Gima (2005), S. 63.
Rohrbeck (2010), S. 5.
801
Vgl. Martin (1995), S. 39 ; Rohrbeck (2010), S. 7.
802
Vgl. Bessant & Stamm (2006), S. 8.
803
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 94
800
153
Wirkungszusammenhänge zwischen der strategischen Frühaufklärung und der Innovationsfähigkeit
higkeiten und die Nutzung neuer Geschäftsfelder sowie neuer Märkte und damit die
Anwendung von Fähigkeiten in einem neuen Kontext, womit eher radikale Innovationen entstehen.804 Dies führt zu einer weiteren Hypothese explikativen Charakters:
These 2: Die strategische Frühaufklärung hat einen größeren Einfluss auf die
Exploration als auf die Exploitation.
Im Rahmen der Beschreibung der Wirkungszusammenhänge wurden vier allgemeine Thesen über die genauen Zusammenhänge aufgestellt. Diese sind in Tab. 4-1
zusammenfassend dargestellt.
Nummer Thesen
1
Strategische Frühaufklärung trägt positiv zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit bei.
1-1
Strategische Frühaufklärung hat einen positiven Einfluss auf die
Exploitation.
1-2
Strategische Frühaufklärung hat einen positiven Einfluss auf die
Exploration.
2
Der Einfluss von strategischer Frühaufklärung ist größer auf die
Exploration.
Tab. 4-1: Die Thesen im Überblick (Quelle: Eigene Darstellung)
Die bisher vermuteten Wirkungszusammenhänge betrachten noch keine Einflussfaktoren und Kontrollvariablen. Nichtsdestotrotz zeigen die Untersuchungen sowohl
zur Innovationsfähigkeit als auch zur strategischen Frühaufklärung, dass eine Reihe
von Faktoren existiert. Da in der empirischen Untersuchung auch die Umstände
untersucht werden, unter denen der Einfluss der strategischen Frühaufklärung zur
Geltung kommt, sollen daher hier kurz die zu beachtenden Faktoren dargestellt
werden.
Bereits die Auswertung der bestehenden Literatur zur Innovationsfähigkeit macht
deutlich, dass zu selten entsprechende Kontrollvariablen in die Untersuchung eingehen. Gleichwohl werden branchen- und firmenspezifische Aspekte als bedeutend
hervorgehoben.805 Unter branchenspezifischen Faktoren kamen vor allem Marktdynamik sowie -komplexität, die allgemeine Branchenzugehörigkeit und die Wettbe-
804
Vgl. Rohrbeck & Gemünden (2008), S. 154ff.
Hurley & Hult (1998), S. 46f. geben einen Überblick zu bereits bestehenden Arbeiten im Bereich der Innovationsforschung. Siehe auch Nick (2008), S. 187f.; Rohrbeck (2010), S. 79.
805
154
Wirkungszusammenhänge zwischen der strategischen Frühaufklärung und der Innovationsfähigkeit
werbsintensität vor. Des Weiteren werden unter unternehmensspezifischen Faktoren
das Alter, die Größe, F&E-Intensität, Ressourcen und die Quelle des Wettbewerbsvorteils erwähnt.806 Ebenso werden in der Frühaufklärungsliteratur Implementierungsbarrieren identifiziert, die grundsätzlich auch auf die Wirkung im Innovationsmanagement Einfluss ausüben können. Bei Rohrbeck finden sich dazu schon
Kontextfaktoren, die maßgeblich für den Einsatz der strategischen Frühaufklärung
sind.807 Er stellt Unternehmensgröße, -strategie, -kultur und Quelle des Wettbewerbsvorteils als unternehmensspezifische Faktoren und Branchen-komplexität sowie -dynamik als branchenspezifische Faktoren auf. Da er sehr umfassend aus beiden Theorierichtungen Kontextfaktoren aufstellt, werden diese hier als Referenz
angesehen und in der Fallstudienerhebung betrachtet.
Darüber hinaus kommen Faktoren in Betracht, welche die vermuteten Wirkungszusammenhänge beeinflussen. Als ein erster Faktor, der vor allem im Rahmen der
Frühaufklärungsliteratur hervorgehoben wird, kann die Anbindung oder Integration
der Frühaufklärung an bestehende Managementsysteme gesehen werden. Die Güte
der Integration der Frühaufklärung bestimmt maßgeblich die Nutzung der Ergebnisse aus der Frühaufklärung im jeweiligen Unternehmensbereich. 808 Werden Ergebnisse nicht entsprechend integriert oder werden entlang des Prozesses der Frühaufklärung Entscheidungsträger eingebunden, entfalten die Ergebnisse kaum Wirkung. 809 In diesem Zusammenhang ist es auch verständlich, dass Nick vor allem
auch der Kommunikation der Frühaufklärungsergebnisse eine bedeutende Rolle
zuweist. Die Ergebnisse müssen kommuniziert werden, um eine Handlungskette
auszulösen.810
Außerdem konnte Nick in seiner Fallstudienuntersuchung zeigen, dass die Unterstützung des Top-Managements Einfluss auf die Implementierung der strategischen
Frühaufklärung ausübt. Demnach muss Frühaufklärung eine Priorität im Vorstand
haben und die Aktivitäten unterstützt werden. 811
Weiterhin macht eine Betrachtung der Ressourcen Sinn. Ohne das Vorhandensein
von entsprechenden Mitteln kann weder Frühaufklärung durchgeführt werden noch
die Ergebnisse der Frühaufklärung umgesetzt werden. 812
Der Unternehmenskultur kommt neben der Kontrollfunktion auch eine Einflussfunktion zu. Die Kultur bestimmt grundsätzlich die Umsetzung, aber auch die Einflussnahme der strategischen Frühaufklärung, weswegen sie kein unerheblicher all-
806
Vgl. Hurley & Hult (1998), S. 46f; Nick (2008), S. 187f.; Rohrbeck (2010), S. 79.
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 78.
808
Vgl. Cuhls (2011), S. 194.
809
Vgl. Nick (2008), S. 196; 199; siehe auch Salomo et al. (2007), S. 219f.
810
Vgl. Nick (2008), S. 199.
811
Vgl. Nick (2008), S. 197.
812
Vgl. Sammerl (2006), S. 221f.
807
155
Wirkungszusammenhänge zwischen der strategischen Frühaufklärung und der Innovationsfähigkeit
gemeiner Einflussfaktor darstellt. 813 Nur wenn sich die Kultur durch eine gewisse
Risikobereitschaft, Offenheit und Entscheidungsfreude ausmacht, können Frühaufklärungsergebnisse entsprechend genutzt werden.814
Darüber hinaus sind die vorhandenen Erfahrungen mit strategischer Frühaufklärung
im Unternehmen bedeutend, um eine bessere Akzeptanz herzustellen. Sind die Erfahrungen gut und wird die Notwendigkeit gesehen, wird auch eher die Bereitschaft
bestehen, die Ergebnisse nutzen zu wollen.815
Insgesamt lassen sich sehr viele Einflussfaktoren vermuten, die vorab nicht alle diskutiert werden können. Vielmehr sollen diese in der Erhebung vorbehaltsfrei aufgenommen und wahrgenommen werden können.
Diese Zusammenhänge sind abschließend in Abb. 4-1 dargestellt. Diese hier entwickelten theoretischen Überlegungen sind anschließend Gegenstand der empirischen
Untersuchung, die in den folgenden Kapiteln erläutert und abgebildet wird.
Kontrollfaktoren:
• Unternehmenskontext
• Branchenkontext
T1-1
Strategische
Frühaufklärung
Exploitation
T1
T1-2; T2
Exploration
Zu untersuchende
Einflussfaktoren:
• Schnittstellen/Kommunikation
• Top-ManagementUnterstützung
• Ressourcen
• Unternehmenskultur
Abb. 4-1:
Wirkungszusammenhänge und Grundlagen der empirischen Untersuchung (Quelle: Eigene Darstellung)
813
Vgl. Wiedemann & Ries (2007), S. 299; Nick (2008), S. 197.
Vgl. Sammerl (2006), S. 209; Herzog (2011), S. 68; Dervitsiotis (2010a), S. 909.
815
Vgl. Nick (2008), S. 197.
814
156
Methodik der empirischen Untersuchung
5
Methodik der empirischen Untersuchung
5.1 Weitergeführte Forschungsziele
Die anfängliche Forschungsfrage soll nun anhand der theoretischen Überlegungen
aus Kapitel 2, 3 und 4 weiter konkretisiert werden. Eine konkrete Forschungsfrage
ist für die empirische Erhebung maßgeblich, da sie den Rahmen der Arbeit klar abgrenzt und damit die Datenerhebung anleitet.816 In diesem Zusammenhang hat Eisenhardt bereits angemerkt:
„The rationale for defining the research question is the same as it is in hypothesis-testing research. Without a research focus, it is easy to become overwhelmed
by the volume of data.”817
Laut Gläser & Laudel dienen die theoretischen Überlegungen der Sammlung und
Strukturierung des für die Forschungsfrage relevanten Wissens.818 In diesem Zusammenhang muss die Forschungsfrage formuliert werden, die Einflussfaktoren, die
auf den untersuchten Sachverhalt wirken, definiert werden und die Informationen
festgelegt werden, die zur Beantwortung der Forschungsfrage nötig sind. 819 Die
Strukturierung des Vorwissens wurde bereits in Kapitel 4 mit Hilfe der entwickelten
Thesen vorgenommen. Die Thesen leiten, wie die Forschungsfrage, die empirische
Erhebung und die Auswertung an. Gläser & Laudel sehen dadurch einen Vorteil in
der Konkretisierung des Informationsbedarfes und erläutern deren Nutzen:
„Es ist vielmehr die Aufgabe, ihre Untersuchung zu orientieren, indem es ihre
Aufmerksamkeit auf empirische Sachverhalte lenkt, von denen sie aus theoretischen Gründen annehmen können, dass sie für die Beantwortung der Untersuchungsfrage wichtig sind.“820
Folglich werden die Forschungsfrage detailliert und die Annahmen des Forschers
explizit.821 Eine derartige Funktion übernehmen die bereits abgeleiteten Thesen.
Aufbauend auf die in Kapitel 4 formulierten Thesen können daher zusammenfassend folgende Forschungsfragen konkretisiert werden:
816
Vgl. Miles & Huberman (1985), S. 33f.; Eisenhardt (1989), S. 536; Gläser & Laudel (2009), S.
34.
817
Eisenhardt (1989), S. 536.
818
Vgl. Gläser & Laudel (2009), S. 34.
819
Vgl. Gläser & Laudel (2009), S. 34.
820
Gläser & Laudel (2009), S. 78.
821
Vgl. Gläser & Laudel (2009), S. 78.
157
Methodik der empirischen Untersuchung
 Welchen Einfluss hat die strategische Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit?
 Wie wirkt sie sich auf die beiden Hauptmechanismen –Exploitation und Exploration- der Innovationsfähigkeit aus?
 Welche Faktoren beeinflussen die Nutzung und Wirkung der strategischen
Frühaufklärung im Innovationsmanagement?
Daraus lassen sich im Folgenden die Ziele der Erhebung ableiten. Diese werden in
Abb. 5-1 dargestellt.
• Einfluss der strategischen Frühaufklärung auf die
Innovationsfähigkeit erstmalig modellieren und untersuchen
• Relevanz der strategischen Frühaufklärung für die
Innovationsfähigkeit beurteilen
• Einfluss auf die zentralen Mechanismen der
Innovationsfähigkeit ausmachen
• Voraussetzungen für das Wirken der strategischen
Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit aufstellen
(Moderatoren identifizieren)
• Identifizieren eines geeigneten Umfanges der strategischen
Frühaufklärung im Verhältnis der kontextuellen Faktoren
des Unternehmens
Ziele
Abb. 5-1: Ziele der Erhebung (Quelle: Eigene Darstellung)
•
Diese Forschungsfragen
und Forschungsziele leiten im Anschluss die empirische
•
Erhebung und die Auswahl der Forschungsstrategie sowie das Erhebungsdesign. 822
5.2 Vorgehensweise der Untersuchung
•
5.2.1 Qualitatives Untersuchungsdesign als Forschungsstrategie
Im folgenden Abschnitt wird die gewählte Forschungsstrategie erläutert. Insgesamt
kann zwischen quantitativen und qualitativen Forschungsansätzen unterschieden
werden. Der qualitative Forschungsansatz bezweckt eine möglichst ganzheitliche
Darstellung und damit ein einhergehendes Verständnis von Sinnzusammenhängen
822
Insgesamt können die Forschungsfragen einem Veränderungsprozess unterliegen, da sie nur den
Ausgangspunkt der Betrachtung liefern. Eisenhardt verdeutlicht dazu: „At the extreme, some researchers have converted theory-testing research into theory building research by taking advantage
of serendipitous findings.“ (Eisenhardt (1989), S. 536); siehe dazu auch Lamnek (2005), S. 25, 89.
158
Methodik der empirischen Untersuchung
der sozialen Realität unter Berücksichtigung ihres Kontextes. 823 Dabei kommen
Datenerhebungsverfahren zum Einsatz, die vornehmlich qualitative Daten erzeugen. 824 Diese qualitativen Daten werden interpretativ ausgewertet, „(…) um
dadurch neue Effekte zu entdecken (Exploration) und (seltener) auch Hypothesen
zu prüfen (Explanation)“825. Quantitative Forschung dient zur Erzeugung und statistischen Verarbeitung von quantitativen Daten mit dem Ziel „(…) Verhalten in Form
von Modellen, Zusammenhängen und zahlenmäßigen Ausprägungen möglichst genau zu beschreiben und vorhersagbar zu machen“826.
Der empirische Teil der vorliegenden Arbeit hat sich das Ziel gesetzt, die Relevanz
der strategischen Frühaufklärung für die Innovationsfähigkeit zu untersuchen und
den bestehenden Einfluss auf die Innovationsfähigkeit auszumachen.827 Für dieses
Erkenntnisinteresse wird ein qualitatives Untersuchungsdesign ausgewählt. Dies ist
aus folgenden Gründen zu rechtfertigen:
Strategische Frühaufklärung ist im Kontext des Innovationsmanagements kaum erforscht.828 Bisher wurde nur in einigen Studien hervorgehoben, dass sich die strategische Frühaufklärung eignet, die Innovationsfähigkeit von Unternehmen positiv zu
beeinflussen.829 Dieser sehr umfassenden Behauptung wurden aber kaum theoretische oder empirische Überlegungen gegenübergestellt. 830 Die Innovationsforschung
gibt in diesem Zusammenhang wenig Aufschluss über mögliche Einflussfaktoren
und Moderatoren, da dort eine Fülle von diversen Faktoren Beachtung findet, die
jedoch in der Frühaufklärung nicht berücksichtigt oder vollends untersucht wurden.831 Die Forschung zur strategischen Frühaufklärung ist zugleich wenig aufschlussreich, da nicht einmal der Wirkungszusammenhang zur Innovationsfähigkeit
näher erläutert wird. 832 Damit zeichnet sich ein nur schwach umrissenes Feld ab,
was nur schwer mit Hilfe von quantitativen Erhebungen fassbar ist. Weder die allgemeinen Wirkungszusammenhänge zwischen der strategischen Frühaufklärung
823
Vgl. Lamnek (2005), S. 86.
Vgl. Bortz & Döring (2002), S. 687.
825
Bortz & Döring (2002), S. 687.
826
Winter (2000), S. 1.
827
Siehe die theoretischen Überlegungen in Kapitel 1 und 4.
828
Vgl. Müller & Müller-Stewens (2009), S. 37; Burmeister et al. (2004).
829
Vgl. Müller & Müller-Stewens (2009), S. 37; Burmeister et al. (2004); Tyssen (2012), S. 243f.
830
Vgl. Trux et al. (1985), S. 372ff.; Rohrbeck (2010), S. 182ff.; Ruff (2006), S. 287f; Tyssen
(2012), S. 243f.
831
Siehe dazu auch die Ausführungen in Kapitel 2.2.3.4 zu den Forschungsergebnissen der Literaturanalyse zu den bestehenden Konzepten der Innovationsfähigkeit.
832
Siehe dazu auch Müller & Müller-Stewens (2009), S. 37; Burmeister et al. (2004), S. 119, die
sich nur mit der Funktion zur Innovationsverbesserung begnügen und Trux et al. (1985), S. 372ff.;
Rohrbeck (2010), S. 182ff.; Ruff (2006), S. 287f., die zwar spezifischer auf die Frühaufklärung
eingehen, jedoch die benannten Mechanismen nicht untersuchen.
824
159
Methodik der empirischen Untersuchung
und der Innovationsfähigkeit, noch die Erhebung des Konstruktes an sich und den
Rahmenbedingungen der Wirkungsweise können so eindeutig bestimmt werden.
Damit war es, trotz erster vermuteter Wirkungszusammenhänge, nicht möglich ein
vollständiges Wirkungsmodell herzuleiten, welches alle relevanten statistisch überprüfbaren Abhängigkeiten darstellt. Die bereits formulierten Thesen dienen in diesem Zusammenhang auch nur der Detaillierung der Forschungsfrage und übernehmen nicht die Funktion der in der quantitativen Forschung eingesetzten Hypothesen.833
Darüber hinaus ist das Themengebiet der strategischen Frühaufklärung sehr vielschichtig und komplex, so dass hinsichtlich der Ausprägungen und Relevanz in der
Unternehmenspraxis große Unterschiede vorherrschen.834 Folglich ist die Ableitung
eines einheitlichen und sinnvollen Kategoriensystems, welches die Fülle von verschiedenen Frühaufklärungsaktivitäten abdeckt, schwierig. 835 Roll merkt dazu an,
dass derart nur „(…) wenig aussagekräftige Mittelwerte (…)“836 für einzelne
Merkmalsausprägungen zu erheben sind. Ein qualitatives Untersuchungsdesign bietet damit den Vorteil, alle vielschichtigen Implementierungsarten aufzunehmen.
Ein weiterer Vorteil dieser Methode besteht darin, dass die zeitliche Verschiebung
von Auswirkungen der strategischen Frühaufklärung Berücksichtigung findet und
gezielt abgefragt werden kann. Darüber hinaus wird auch ein Verständnis über das
Ausmaß an formal durchgeführter Frühaufklärung im Vergleich zur intuitiven
Frühaufklärung entwickelt und einbezogen.
Dem qualitativen Untersuchungsdesign liegt die Fallstudienmethode (im Englischen
„Case Study Method“) insbesondere nach den Ansätzen von Yin und Eisenhardt zu
Grunde. Yin definiert die Fallstudienmethode folgendermaßen:
„A case study is an empirical inquiry that investigates a contemporary phenomenon within its real-life context, especially when the boundaries between the
phenomenon and context are not clearly evident.”837
Fallstudien werden laut Eisenhardt genutzt, um Beschreibungen zu erstellen, Theorien zu testen oder Theorien zu generieren.838 Insgesamt bietet die Fallstudienmethode drei zentrale Vorteile, die von Voss et al. zusammengefasst wurden: 839
833
Vgl. Mayring (2007), S. 22; Lamnek (2005), S. 91, 93.
Vgl. Roll (2004), S. 93; siehe auch Rohrbeck (2010); Daheim & Uerz (2008); Becker (2002).
835
Tyssen (2012) hat dies zwar bereits in seiner Untersuchung gemacht, jedoch dabei das Konzept
der Frühaufklärung sehr stark vereinfacht. Dadurch ist es nicht möglich, die Vielschichtigkeit dieses Ansatzes abzubilden.
836
Roll (2004), S. 93.
837
Yin (2003), S. 13.
834
160
Methodik der empirischen Untersuchung
(1) Das Phänomen kann in seinem natürlichen Umfeld untersucht werden und
auf diese Weise anhand aussagekräftiger und relevanter Theorie durch die
Erkenntnisse aus der Praxis entwickelt werden.
(2) Die Fallstudienmethode erlaubt es Warum-, Was- und Wie-Fragen mit einem
ganzheitlichen Verständnis des Wesens und der Komplexität des Phänomens
zu beantworten.
(3) Die Fallstudienmethode eignet sich für Untersuchungen, in denen Variablen
noch unbekannt sind und das Phänomen noch nicht vollständig bekannt ist.
Diese Vorteile werden sich in der vorliegenden Arbeit zu Nutzen gemacht und ermöglichen eine Analyse der Wirkung der strategischen Frühaufklärung in ihrem
natürlichen Umfeld im Unternehmen. Die komplexen Mechanismen der Innovationsfähigkeit können so eingehend untersucht werden. Da die Methode eine ganzheitliche Erfassung ermöglicht, werden dabei alle Kontextfaktoren und Rahmenbedingungen der strategischen Frühaufklärung berücksichtigt. Die flexible Anpassung
der Fallstudienmethode an das Erhebungsmaterial stellt eine angemessene Datensammlung sicher.
Forschungsfallstudien lassen sich laut Yin in singuläre und multiple Forschungsfallstudien unterscheiden. 840 Singuläre Forschungsfallstudien konzentrieren sich auf die
Darstellung eines Falles und können auf diese Weise intensiv die Besonderheiten
des Falles in der Tiefe herausarbeiten.841 Dahingegen basiert eine multiple Forschungsfallstudie auf mehreren Fällen. Durch die größere Menge an Datenmaterial,
wird ein Vergleich über die Fälle hinweg angestrebt, um allgemeingültige Aussagen
zu treffen.842 Ferner unterscheidet Yin weiter nach holistischer und eingebetteter
Betrachtungsweise, die sich durch verschiedene Untersuchungseinheiten kennzeichnet.843 Folglich wird bei der holistischen Betrachtung nur eine Analyseeinheit
untersucht, wohingegen im Falle einer eingebetteten Betrachtung verschiedene
Analyseeinheiten wie z.B. Unternehmensbereiche untersucht werden. Da in dieser
Arbeit allgemeingültigere Aussagen getroffen werden sollen, bietet sich nur eine
multiple Falluntersuchung an.844 Aufgrund der Befragung von verschiedenen Expertengruppen, die sowohl Frühaufklärung erstellen als auch nutzen sowie einen
Bezug zum Innovationsmanagement aufweisen, müssen verschiedene Unterneh-
838
Vgl. Eisenhardt (1989), S. 535.
Voss et al. (2002), S. 197.
840
Vgl. Yin (2003).
841
Vgl. Lamnek (2005), S. 298f.
842
Vgl. Flick (2007), S. 178.
843
Vgl. Yin (2003).
844
Vgl. Benbasat et al. (1987), S. 373.
839
161
Methodik der empirischen Untersuchung
mensbereiche in die Untersuchung eingehen. Daher wird eine multiple, eingebettete
Falluntersuchung vorgenommen.
Als Hauptquelle für die Gewinnung der empirischen Daten dient eine mündliche
Befragung in Form von leitfadengestützten, qualitativen Experteninterviews und
eine Analyse von Unternehmensdokumenten. Ergänzend wurden im Zuge der Daten-auswertung Rücksprachen mit einzelnen Interviewteilnehmern eingesetzt.
Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse erheben zwar nicht den Anspruch
auf Repräsentativität, vermitteln aber erstmals einen sehr umfassenden Einblick
über die Wirkungsweise der strategischen Frühaufklärung im Innovationsmanagement.
5.2.2 Auswahl des Untersuchungssamples
Zur Auswahl des Untersuchungssamples im Kontext einer Fallstudienuntersuchung
sind keine formalen Regularien existent, jedoch ist es sinnvoll einen Rahmen für die
Erhebung vorab zu definieren.845 Vor allem in Hinblick auf begrenzte Forschungskapazitäten müssen sowohl die Kriterien für die Fallerhebung festgelegt werden als
auch die Anzahl der Fälle eingeschränkt werden.846 Dies wirkt sich nicht nachteilig
auf das Vorgehen aus, sondern ist vielmehr kennzeichnend für das Vorgehen einer
qualitativen Untersuchung, zumal keine Repräsentativität angestrebt wird.847 Ziel ist
vielmehr das Aufdecken von kausalen Zusammenhängen und von Einflussfaktoren
sowie Wirkungen.848
Die zentralen Variablen, die in der Untersuchung eine besondere Bedeutung erfahren, sind die strategische Frühaufklärung und die Innovationsfähigkeit mittels der
Exploitation sowie Exploration. Diese befinden sich in einem Gefüge aus intervenierenden Variablen und anderen Einflussfaktoren. Um die Wirkungen der intervenierenden Variablen und Einflussfaktoren klein zu halten, sollten diese möglichst
konstant bleiben. 849 Wie bereits dargelegt, haben kontextuelle Faktoren großen Einfluss sowohl auf das Ausmaß der Frühaufklärung als auch auf den Innovationsdruck
eines Unternehmens. 850 Daher sollten sich diese Randbedingungen möglichst äh-
845
Vgl. Voss et al. (2002), S. 196; 202; Gläser & Laudel (2009), S. 95.
Vgl. Eisenhardt (1989), S. 537.
847
Vgl. Voss et al. (2002), S. 201ff.
848
Vgl. Witt (2001), S. 19.
849
Vgl. Voss et al. (2002), S. 204; Gläser & Laudel (2009), S. 98.
850
Vgl. Day & Schoemaker (2005), S. 144; Nick (2008), S. 133f.; Rohrbeck (2010), S. 79f.
846
162
Methodik der empirischen Untersuchung
neln, um die Auswirkungen der Frühaufklärung unverfälscht zu analysieren. Dementsprechend wird ein ähnlicher Branchen- und Unternehmenskontext angestrebt.
Zur Bestimmung der zu untersuchenden Branchen muss berücksichtigt werden, dass
Innovationen eine zentrale Eigenschaft darstellen und daher innovationsgetriebene
Branchen einen Vorrang erhalten. Im Anschluss soll sich ferner auf Produktinnovationen beschränkt werden, da sich diese besser eignen, die Wirkung der Frühaufklärung zu analysieren. 851 Auf Basis dieser Bedingung wird das Verarbeitende Gewerbe in Deutschland ausgewählt. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung
veröffentlicht regelmäßig Studien zu dem Innovationsverhalten der deutschen Wirtschaft. In Abb. 5-2 ist eine Übersicht zu Umsatzanteilen mit Produktneuheiten nach
Branchen im Jahr 2010 und die Innovatorenanteile852 nach Unternehmensgröße für
das Jahr 2009 abgebildet.
851
Produktinnovationen werden der Eigenschaft des Ideengebers der strategischen Frühaufklärung
besser gerecht, die von Rohrbeck (2010), S. 182f. identifiziert wurde.
852
Die Innovatorenquote misst den Anteil der mit Innovationen erfolgreichen Unternehmen (Quelle: ZEW (2012), S. 2.
163
Methodik der empirischen Untersuchung
Umsatzanteil mit Produktneuheiten im Jahr 2010
Umsatzanteil mit
Produktneuheiten in %
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
Branchen
0
Fahrzeug- Elektro- Maschinen- EDV/
bau
industrie bau
Telekommunikation
Kriterium für das
Untersuchungssample
Möbel/
Textil/
Spielw./ Bekleidung/
Medizint./ Leder
Reparatur
Innovatorenquote Industrie 2009 nach Beschäftigungsgrößenklassen
Unternehmensanteile in %
100
90
80
70
60
50
40
30
20
Beschäftigungsgrößenklassen
10
0
5-49
50-249
250-999
1000 u.m.
Kriterium für das
Untersuchungssample
Abb. 5-2: Umsatzanteil und Innovatorenquote (Quelle: ZEW (2012); Rammer
et al. (2011))
Deutlich wird, dass der Umsatzanteil mit Produktneuheiten in den Branchen Fahrzeugbau, Elektroindustrie und Maschinenbau am größten ist. 853 Darüber hinaus ist
laut ZEW-Bericht eine eindeutige Korrelation zwischen Unternehmensgröße, ge-
853
Vgl. ZEW (2012), S. 1.
164
Methodik der empirischen Untersuchung
messen an den Mitarbeitern, und der Innovationsbeteiligung vorzufinden.854 Demnach sind größere Unternehmen tendenziell innovativer: nahezu 100 Prozent der
Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern der forschungsintensiven Branchen
sind Innovatoren, wohingegen nur 65 Prozent der kleinen Unternehmen mit 5-49
Mitarbeitern zu den Innovatoren zählen. 855 Zudem findet auch Frühaufklärung aufgrund der begrenzten Ressourcen und der höheren Komplexität eher in größeren
Unternehmen statt.856 Aufbauend auf diesen Ergebnissen werden demnach Unternehmen aus Fahrzeugbau, Elektroindustrie sowie Maschinenbau in Deutschland mit
mehr als 50 Mitarbeitern ausgewählt. 857 Mit ähnlicher Größe und Ausgangsbedingungen in der Branche können die zentralen Wirkungsmechanismen unverfälscht
untersucht werden. Da Frühaufklärung für Unternehmen aller Branchen gleichermaßen von Bedeutung ist, stellt dies keine Restriktion für das Ausmaß der Frühaufklärung dar. 858
Die Fallauswahl beinhaltet zwölf große multinationale Unternehmensbereiche mit
unterschiedlicher Nutzung der strategischen Frühaufklärung. Aufgrund der strategischen Bedeutung von der Frühaufklärung und der Innovationsfähigkeit, wurde absolute Vertraulichkeit zugesichert. Daher werden auch nur die in den Fällen beschriebenen Angaben gemacht und keine weiteren Informationen zu den einzelnen
Unternehmen herausgegeben. Die Eigenschaften in den Fallbeschreibungen reichen
zur Darstellung der untersuchten Wirkungszusammenhänge vollkommen aus. Eine
Übersicht zu den Falleigenschaften in Bezug auf Branchenzugehörigkeit859 und
Firmengröße nach Mitarbeitern sowie Umsatz findet sich in Abb. 5-3.
854
Vgl. Rammer et al. (2011), S. 12.
Vgl. Rammer et al. (2011), S. 12.
856
Vgl. Daheim & Uerz (2008), S. 322; Rohrbeck (2010), S. 127.
857
Siehe zum Vorgehen auch Sammerl (2006), S. 293ff.
858
Vgl. Daheim & Uerz (2008), S. 323.
859
Als Branchenindikator wurde die offizielle Brancheneinteilung „International Standard Industrial Classification“ der UNO genutzt.
855
165
Methodik der empirischen Untersuchung
Eigenschaften der Falluntersuchung
Branchenverteilung
Anzahl der Fälle nach Mitarbeitern
Anzahl der Fälle nach Umsatz
1
1
2
3
1
1
6
5
7
3
3
4
Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten etc.
(26)
100 - 500
500 - 5.000
5.000 - 15.000
> 15.000
> 10 Millionen
100 - 1 Mrd.
> 1 Mrd.
Herstellung von elektrischen Ausrüstungen (27)
Maschinenbau (28)
Herstellung Von Kraftwagenteilen (29)
So. Fahrzeugbau (30)
Abb. 5-3:
Übersicht zu den Eigenschaften der Falluntersuchung (Quelle:
Eigene Darstellung)
5.2.3 Instrumente zur Datensammlung
In Fallstudien kommen typischerweise mehrere Erhebungsinstrumente zum Einsatz
mit dem Ziel die Forschungsergebnisse auf eine breite Basis zu stellen und die Triangulation der Forschungsergebnisse zu ermöglichen. 860 Triangulation ist hilfreich,
da durch den Vergleich unterschiedlicher Methoden ein fundiertes Bild abgegeben
wird. Zum einen ist es möglich, dass unterschiedliche Methoden zum gleichen Ergebnis kommen, so können sich bspw. die Ergebnisse aus Interviews und Dokumentenanalyse ähnlich verhalten.861 Zum anderen und wie Flick festgestellt hat, als
häufigerer Fall, ist festzustellen, „(…) dass sich Ergebnisse wechselseitig ergänzen“862. Folglich bereichern mehrere Methoden das Gesamtbild der Untersuchung.
In dieser Arbeit werden als Haupterhebungsinstrumente Interviews und Dokumentenanalyse genutzt.
860
Vgl. Voss et al. (2002), S. 204; Benbasat et al. (1987), S. 374.
Vgl. Flick (2010b), S. 281.
862
Flick (2010b), S. 284.
861
166
Methodik der empirischen Untersuchung
Interview
Als zentrales Erhebungsinstrument wird das Interview angesehen. Grundsätzlich
lassen sich drei Arten von Interviews unterscheiden: nicht strukturierte, teilstrukturierte und vollstrukturierte Interviews.863
In der vorliegenden Untersuchung werden teilstrukturierte Interviews mit Hilfe eines Leitfadens, sogenannte Leitfadeninterviews, eingesetzt. In Leitfadeninterviews
arbeitet der Interviewleiter vorgegebene Themengebiete, die zur Beantwortung der
Forschungsfrage dienen, anhand einer Frageliste (dem Leitfaden) ab. 864 Die Funktion des Leitfadens kann ferner beschrieben werden:
“It outlines the subjects to be covered during an interview, states the questions to
be asked, and indicates the specific data required. (…) The protocol serves both
as a prompt for the interview and a checklist to make sure that all topics have
been covered.”865
Leitfadengestützte Interviews bieten den Vorteil, dass dem Interviewer eine grobe
Orientierung durch den Leitfaden gegeben wird, jedoch jederzeit Anpassungen an
den Verlauf des Interviews z.B. durch Verständnisfragen oder Fragen nach aufgeworfenen Aspekten getroffen werden können. 866 Da weder die Frageformulierungen
noch die Reihenfolge der Fragen fest vorgegeben sind, ist es möglich einen nahezu
natürlichen Gesprächsverlauf herzustellen.867 Darüber hinaus dient der Interviewleitfaden der Vergleichbarkeit der Interviews, indem alle Befragten ähnliche Themenfelder beantworten.868 Befragt werden Experten des Unternehmens, die über
besonderes Wissen über strategische Frühaufklärung und Innovationsmanagement
verfügen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Experteninterviews.869
Ein Experte „(…) beschreibt die spezifische Rolle des Interviewpartners als Quelle
von Spezialwissen über die zu erforschenden sozialen Sachverhalte“870. Prinzipiell
sind die Experten nicht das Objekt der Untersuchung, sondern dienen als Zeugen
der für die Forschungsfrage relevanten Prozesse und Aktivitäten im Unternehmen. 871 Im Kontext des Experteninterviews erfüllt der Leitfaden zudem eine weitere
Funktion:
863
Vgl. Bortz & Döring (2002), S. 308; siehe zu weiteren Formen von Interviews auch Lamnek
(2005), S. 356.
864
Vgl. Gläser & Laudel (2009), S. 42.
865
Voss et al. (2002), S. 205.
866
Vgl. Nohl (2006), S. 21; Bortz & Döring (2002), S. 315.
867
Gläser & Laudel (2009), S. 42.
868
Vgl. Nohl (2006), S. 21.
869
Vgl. Meuser & Nagel (2005), S. 73f.
870
Gläser & Laudel (2009), S. 12.
871
Vgl. Meuser & Nagel (2005), S. 73; Gläser & Laudel (2009), S. 12.
167
Methodik der empirischen Untersuchung
„Die in der Entwicklung eines Leitfadens eingehende Arbeit schließt aus, dass
sich der Forscher als inkompetenter Gesprächspartner darstellt.“872
Der Interviewleitfaden wurde anhand der Forschungsfragen entwickelt. Er bestand
aus vier zentralen Themenblöcken: dem Unternehmenskontext, dem Ausmaß der
strategischen Frühaufklärung, der Innovationsfähigkeit sowie förderlichen bzw.
hinderlichen Faktoren der Nutzung der strategischen Frühaufklärung im Innovationsmanagement. Die Fragen des Leitfadens wurden ausformuliert. 873 Grundsätzlich
sollte der Leitfaden übersichtlich und prägnant gehalten werden, deshalb wurden
nicht mehr als drei Seiten Leitfaden erstellt.874 Der vollständige Leitfaden ist im
Anhang zu finden. Vorab wurde der Leitfaden an Fach- und Methodenexperten getestet und punktuell überarbeitet. 875
Dokumentenanalyse
Als weiteres Erhebungsinstrument wird die Dokumentenanalyse genutzt. Dokumente können als „(…) niedergeschriebene Informationen aus dem mittelbaren und unmittelbaren Umfeld des Falles“876 beschrieben werden. Sie können in unternehmensinterne und unternehmensexterne Dokumente unterschieden werden. 877 Unternehmensinterne Dokumente sind meist vertraulicher Natur wie z.B. Emails, Prozessbeschreibungen, Intranetdokumente und Organisationscharts. 878 Dahingegen
sind unternehmensexterne Dokumente meist öffentlich zugänglich und umfassen
beispielsweise Zeitungsartikel, Studien sowie die allgemeine Unternehmensberichterstattung.879 Besonders unternehmensinterne Dokumente stellen eine wertvolle
Bereicherung für die Forschungsergebnisse dar, weil dadurch neben den Interviews
ein weiterer Einblick in interne Unternehmensprozesse ermöglicht wird. Unternehmensexterne Informationen sind in diesem Zusammenhang ebenso eine sinnvolle
Ergänzung, da sie die Sicht außerhalb des Unternehmens widerspiegeln. Insgesamt
muss bei der Auswertung auf die Rolle und damit die Intention der Dokumente geachtet werden, um eine sinnvolle Bewertung sicherzustellen.880
872
Meuser & Nagel (2005), S. 77.
Ob die Fragen des Interviewleitfadens auszuformulieren sind oder nur in Stichworten zusammengefasst werden, wird in der Literatur uneinheitlich bewertet. Insgesamt ist man sich jedoch
einig, dass die Präferenzen des Forschers entscheidend für den Einsatz sind. (Quelle: Mey &
Mruck (2010), S. 430).
874
Vgl. Mey & Mruck (2010), S. 430.
875
Siehe dazu auch Voss et al. (2002).
876
Vgl. Santos et al. (2003), S. 13.
877
Vgl. Yin (2003), S. 85f.
878
Siehe dazu auch Benbasat et al. (1987), S. 374.
879
Vgl. Yin (2003), S. 86.
880
Vgl. Yin (2003), S. 86.
873
168
Methodik der empirischen Untersuchung
Für die Dokumentenanalyse in dieser Arbeit wurden folgende Formen von Dokumenten genutzt:
 Projektdokumente (Prozessbeschreibungen, Templates, Präsentationen)
 Interne Veröffentlichungen (Intranetartikel, Produktbeschreibungen Ergebnisse von Frühaufklärungsprojekten, Organigramme)
 Externe Veröffentlichungen (Pressemitteilungen, Studien, Zeitungsartikel)
5.2.4 Schlüsselinformanten
Im Rahmen der Interviewerhebung musste zunächst der zu befragende Personenkreis festgelegt werden. Wie Gläser & Laudel erläutern, muss sich der Forscher zunächst darüber klar werden, wer diese Informationen besitzt. Um alle nötigen Informationen zu beschaffen, sind meist mehrere Informanten zu befragen, da sie innerhalb des untersuchten Phänomens über unterschiedliche Einblicke verfügen.881
Vor dem Hintergrund des thematischen Schwerpunktes mussten Personen befragt
werden, die einen fundierten Überblick sowohl über die Frühaufklärungsaktivitäten
als auch über die Innovationsaktivitäten aufweisen. Um Bias zu verhindern und eine
möglichst ganzheitliche Darstellung der Wirkung der Frühaufklärung zu erhalten,
wurden daher sowohl Nutzer als auch Durchführer der Frühaufklärung als Befragte
in Betracht gezogen.882 Rohrbeck spricht in diesem Zusammenhang vom internen
Kunden und dem eigentlichen „Activity Team“ oder „Activity Manager“. 883 Der
interne Kunde profitiert von den Aktivitäten der Frühaufklärung und ist Schlüsselinformant für den Wertbeitrag und kontextuelle Faktoren. Seine Perspektive ist
objektiver als die der eigentlichen Ersteller der Frühaufklärung. Der Activity Manager mit dem zugehörigen Team ist Schlüsselinformant für die eigentlichen Frühaufklärungsaktivitäten mit Zielen, Methoden und Ergebnissen der Frühaufklärung.884
Insgesamt kam nur ein Personenkreis mit Leitungsfunktion oder gesonderter
Schlüsselfunktion im Team in Frage, da derart sichergestellt werden konnte, dass
das Wissen über die erforderlichen Aktivitäten und deren Zusammenhänge vorherrscht. Folglich wurde der Personenkreis der Innovations-, F&E-, Strategieleiter
sowie Produktmanager ausgewählt.
In Tab. 5-1 wird ein Überblick der in dieser Untersuchung befragten Interviewteilnehmer nach Funktion des Befragten und Fall gegeben.
881
Vgl. Gläser & Laudel (2009), S. 117.
Siehe dazu auch Lichtenthaler (2004), Rohrbeck (2010), Nick (2008).
883
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 64.
884
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 64.
882
169
Methodik der empirischen Untersuchung
Funktion des Befragten
Fall
Bereichsübergreifend
Fall 1
Produktmanager
F&E Ma- Innovatinager
onsmanager
2
Fall 2
Fall 3
Fall 4
2
1
1
1
1
4
1
Fall 5
1
1
1
1
Fall 6
1
Fall 7
Fall 8
1
2
Fall 9
1
1
1
Fall 10
1
Fall 11
1
Fall 12
2
1
Summe
9
5
1
2
9
9
Tab. 5-1: Anzahl der Schlüsselinformanten nach Fall und Funktion des Befragten (Quelle: Eigene Darstellung)
5.3 Ablauf der empirischen Untersuchung
Die Vorgehensweise der Untersuchung lässt sich in vier Phasen gliedern: Vorbereitung, Durchführung, Auswertung und Validierung der empirischen Erhebung. Zusammenfassend wird das Vorgehen der Untersuchung in Tab. 5-2 dargestellt.
In der ersten Phase, der Vorbereitungsphase, wurde anhand der Literaturauswertung
und erster Gespräche mit Experten der Forschungsbedarf identifiziert und die Untersuchung sowohl spezifiziert als auch konzipiert. Darauf aufbauend wurde der
Leitfaden entwickelt und die Kriterien für die folgende Fallauswahl spezifiziert.
Ziel dieser Phase bestand darin, die Konzeption der Untersuchung soweit voranzutreiben, dass die Erhebung durchgeführt werden kann.
170
Methodik der empirischen Untersuchung
Phase
Aktivitäten in der
Phase
Beschreibung
Vorbereitung
Literaturüberblick
Forschungslücke definieren
Theoretische Fundierung schaffen
Empirisches Design auswählen
Vorgespräche
Gespräche mit Praktikern und Forschern, die
zum Thema Frühaufklärung tätig sind
Konkretisierung des Forschungsdesigns
Leitfadenerstellung
Entwicklung des Leitfadens mit den wichtigsten Themenblöcken
Pretest
Test des Leitfadens an ausgewählten Personen aus der Zielgruppe des Befragtenkreises
Punktuelle Anpassung des Leitfadens
Fallauswahl
Festlegen der Kriterien zur Fallauswahl
Auswahl und Anschreiben erster Unternehmen
Durchführung
Experteninterviews
Führen von 31 leitfadengestützten Experteninterviews mit einer Dauer von 35-90 min
Tonaufnahme oder Anfertigung eines Gedächnisprotokolles
Auswertung
Transkription
Transkription aller Interviews, von denen
eine Tonaufnahme vorlag
Dokumentensammlung
Sammlung von internen und externen Dokumenten die Relevanz für die Beschreibung
des Falles besaßen
Interviewanalyse
Datenreduktion und Kodierung mit anschließender Einzelfall- und fallübergreifender
Analyse
Dokumentenanalyse
Analyse der Dokumente
Fallzuweisung
Ausarbeitung
Triangulation der Ergebnisse
Schriftliche Ausarbeitung
Validierung
Expertenfeedback
Feedback der Interviewteilnehmer zur Ausarbeitung der Interviewauswertung
Tab. 5-2: Phasen der Ausführung der empirischen Erhebung und deren Beschreibung (Quelle: Eigene Darstellung)
171
Methodik der empirischen Untersuchung
Anschließend erfolgte in Phase 2 die Durchführung der empirischen Erhebung. Dazu wurden insgesamt 31 Interviews in 12 Unternehmensbereichen, die als einzelne
Fälle in die Untersuchung eingehen, realisiert. Da in der Literatur empfohlen wird,
Interviews aufzuzeichnen, wurden Audioaufzeichnungen bei vorhandenem Einverständnis der Interviewpartner angefertigt. 885 Da visuelle Faktoren wie Mimik und
Gestik bei der Auswertung keine Rolle spielen, war eine Videoaufzeichnung nicht
erforderlich.886 Bei verweigertem Aufnahmeeinverständnis wurde der Inhalt und
Verlauf des Interviews mit Hilfe eines Gedächnisprotokolles kurz nach dem Interview niedergeschrieben. 887 Eine exakte Auswertung der Interviews bzw. Tonbandaufzeichnungen setzt eine Transkription voraus.888 Da das Wissen der Experten Gegenstand der Interviews ist, sind detaillierte Notationssysteme, die Pausen, Stimmlagen, nonverbale sowie parasprachliche Elemente abbilden, nicht notwendig.889
Dementsprechend wurde bei den durchgeführten Interviews auf eine ausführliche
Transkription verzichtet und nur der reine Text zum Inhalt gemacht.
Die erhobenen Daten aus Interviews und Dokumentensammlung wurden in der
nächsten Phase ausgewertet und interpretiert. Um mit den enormen Mengen an Daten umzugehen, wurde das Datenmaterial reduziert und kodiert. 890 Das genaue Vorgehen hierzu wird in Kapitel 5.4 näher beschrieben. Zugehörige Interviews und Dokumente wurden zu Fällen zusammengefasst. Vor diesem Hintergrund wurden die
Daten innerhalb eines Falles ausgewertet und interpretiert. Im Anschluss wurden
die Ergebnisse der Fälle fallübergreifend verglichen, um Schlussfolgerungen und
allgemeine Aussagen zur Beantwortung der Forschungsfrage getroffen. Auch wenn
Datensammlung und Auswertung hier als einzelne Schritte dargestellt werden, weisen diese Phasen eine gewisse Überlappung auf.891 Gläser & Laudel kommentieren
dieses Vorgehen:
„Mit den ausgewählten Methoden werden Daten über die gewählten Fälle erhoben, die Daten werden mit den dafür gewählten Methoden ausgewertet und die
Ergebnisse interpretiert. (…) Kein realer Forschungsprozess wird exakt dieser
Schrittfolge entsprechen. Die unterbrochenen Linien sollen andeuten, dass es in
der Forschungspraxis immer wieder Rückkopplungen gibt, in denen Erfahrungen aus späteren Phasen der Untersuchung genutzt werden, um frühere Ent-
885
Vgl. Mey & Mruck (2010), S. 431.
Vgl. Mey & Mruck (2010), S. 431.
887
Vgl. Mey & Mruck (2010), S. 431.
888
Vgl. Meuser & Nagel (2005), S. 83; Lamnek (2005), S. 390; Flick (2007), S. 379; Dresing &
Pehl (2010), S. 724., 727f.
889
Vgl. Meuser & Nagel (2005), S. 83; Flick (2007), S. 380.
890
Vgl. Flick (2007), S. 409.
891
Vgl. Eisenhardt (1989), S. 538; Flick (2007), S. 128.
886
172
Methodik der empirischen Untersuchung
scheidungen zu korrigieren und einige schon absolvierte Phasen noch einmal zu
durchlaufen.“892
Abschließend wurden die Ergebnisse der Auswertung in der letzten Phase validiert.
Dazu wurden die Interviewpartner mit der Auswertung konfrontiert und konnten ihr
Feedback geben, welches zur weiteren Fundierung der Auswertung hinzugezogen
wurde.
5.4 Datenreduktion und Kodierung
Die Fallstudienmethode mit Hilfe von Experteninterviews und Dokumentenanalyse
führt zu enormen Datenmengen qualitativer Natur. Um eine sinnvolle Datenanalyse
zu gewährleisten, muss das Datenmaterial vorab strukturiert und reduziert werden,
um es handhabbar zu machen. Saunders et al. verdeutlichen hierzu:
„During analysis, the non-standardised and complex nature of the data that you
have collected will probably need to be condensed (summarised), grouped (categorised) or restructured as a narrative to support meaningful analysis.” 893
Laut Gläser & Laudel bieten sich drei zentrale Auswertungsmethoden an: Kodierung (Grounded Theory), qualitative Inhaltsanalyse oder objektive Hermeneutik. 894
In Rahmen dieser Arbeit wird die qualitative Inhaltsanalyse durchgeführt. Sie ist in
diesem Fall am besten geeignet, da die vorhandene Theorie und die Themenblöcke
des Leitfadens bereits ein strukturiertes Auswertungsraster vorgeben.895
Damit wird sie in diesem Fall auch der Grounded Theory vorgezogen, die sich besser eignet bei kaum vorhandenem oder strukturiertem Vorwissen. 896 Die qualitative
Inhaltsanalyse bietet demnach den Vorteil „(…) übersichtlicher und eindeutiger
(…) als andere Auswertungsverfahren“897 das Vorgehen zu dokumentieren und für
Dritte nachvollziehbar zu gestalten.898 Aufgrund der hohen Interviewzahl ist die
objektive Hermeneutik aus ökonomischen Gründen nicht durchzuführen. 899
892
Gläser & Laudel (2009), S. 36.
Saunders et al. (2007), S. 482.
894
Vgl. Gläser & Laudel (2009), S. 44; für einen umfassenden Methodenvergleich siehe auch Flick
(2007), S. 473ff.
895
Vgl. Gläser & Laudel (2009), S. 106.
896
Vgl. Flick (2007), S. 400.
897
Vgl. Flick (2007), S. 416.
898
Dies kommt auch den Gütekriterien qualitativer Forschung zu Gute. Siehe Kap. 5.6.
899
Vgl. Flick (2007), S. 448; Gläser & Laudel (2009), S. 106.
893
173
Methodik der empirischen Untersuchung
Die qualitative Inhaltsanalyse verfolgt das Ziel, „(…) die manifesten und latenten
Inhalte des Materials in ihrem Kontext und Bedeutungsfeld zu interpretieren, wobei
vor allem die Perspektive der Akteure herausgearbeitet wird.“900 Im Rahmen dieser
Analyse werden Kategorien verwendet:
„Kategorien werden an das Material herangetragen und nicht unbedingt daraus
entwickelt, wenngleich sie immer wieder daran überprüft und ggf. modifiziert
werden.“901
Als Prinzip der qualitativen Inhaltsanalyse fungiert dabei die Überlegung, dass der
Text die auszuwertenden Daten enthält. Durch die Inhaltsanalyse werden diese Daten entnommen und weiter verarbeitet. 902 Zusammenfassend stellen Gläser & Laudel die Vorteile der qualitativen Inhaltsanalyse heraus:
„Die qualitative Inhaltsanalyse ist das einzige Verfahren der qualitativen
Textanalyse, das sich frühzeitig und konsequent vom Ursprungstext trennt und
versucht, die Informationsfülle systematisch zu reduzieren sowie entsprechend
dem Untersuchungsziel zu strukturieren.“ 903
Im Folgenden werden die wichtigsten Arbeitsschritte der qualitativen Inhaltsanalyse
nach Mayring dargestellt. Mayrings Vorgehen kann in neun Stufen beschrieben
werden, diese werden in Abb. 5-4 zusammengefasst und erläutert. 904
900
Vgl. Bortz & Döring (2002), S. 329.
Vgl. Flick (2007), S. 409.
902
Vgl. Gläser & Laudel (2009), S. 199.
903
Gläser & Laudel (2009), S. 200.
904
Vgl. Lamnek (2005), S. 518.
901
174
Methodik der empirischen Untersuchung
Stufe
Beschreibung der Stufe
1
Festlegung des
Materials
Auswahl der Textstellen, in denen sich der
Interviewpartner explizit und bewusst zur
Forschungsfrage äußert
2
Analyse der
Entstehungssituation
Sammlung von Informationen zum
Handlungshintergrund wie z.B. Liste der
anwesenden Personen, Beschreibung der
Erhebungssitutation
3
Charakterisierung
des Materials
Beschreibung des Materials (Interviewtranskripte,
Gedächnisprotokolle)
4
Richtung der
Analyse
5
Differenzierung der
Fragestellung
6
Festlegung der Ziele der Analyse
Bestimmung der
Analysetechnik
Bestimmung der konkreten Fragestellung der
Analyse
Auswahl der Analysetechnik:
(1)
Zusammenfassung
(2)
Explikation
(3)
Strukturierung
7
Definition der
Analyseeinheit
8
Analyse des
Materials
Bestimmung und Auswahl der Textteile des
Materials
9
Interpretation
Interpretation der Hauptergebnisse in Hinblick auf
die Hauptfragestellung
Analyse des Materials in Abhängigkeit der
Analysetechnik
Abb. 5-4: Stufen der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (Quelle: Eigene
Darstellung in Anlehnung an Mayring (2007), S. 53ff. und Lamnek
(2005), S. 518ff.)
Bis zur Stufe fünf wurde eingehend über alle Details der Analyse in vorhergehenden Kapiteln berichtet. Die Bestimmung der Analysetechnik im Rahmen der qualitativen Inhaltsanalyse ist von zentraler Bedeutung für die Datenreduktion und die
spätere Interpretation und soll daher anschließend kurz erläutert werden. 905 Mayring
unterscheidet dabei folgende drei Analysetechniken: (1) Zusammenfassung, (2) Explikation und (3) Strukturierung:
905
Vgl. Mayring (2007), S. 58.
175
Methodik der empirischen Untersuchung
Ziel der Zusammenfassung (1) besteht darin, „(…) das Material so zu reduzieren,
dass die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben, durch Abstraktion einen überschaubaren Corpus zu schaffen, der immer noch Abbild des Grundmaterials ist.“906 Vor
diesem Hintergrund werden die wesentlichen Inhalte durch Paraphrasen zusammengefasst. Diese werden anschließend Kategorien zugeordnet und dann zur Beschreibung eines Falles herangezogen.907
Ziel der Explikation (2) ist es, „(…) zu einzelnen fraglichen Textteilen zusätzliches
Material heranzutragen, das das Verständnis erweitert, das die Textstelle erläutert,
erklärt, ausdeutet.“908 So werden z.B. Lexikon-Einträge genutzt, um die Äußerungen des Interviewpartners näher zu erläutern.909
Ziel der Strukturierung (3) besteht laut Mayring darin, „(…) bestimmte Aspekte aus
dem Material herauszufiltern, unter vorher festgelegten Ordnungskriterien einen
Querschnitt durch das Material zu legen oder das Material aufgrund bestimmter
Kriterien einzuschätzen.“910 Dabei ist die Strukturierung die zentralste inhaltsanalytische Technik.911 Die Struktur wird in Form eines Kategoriensystems an das Material herangetragen. 912 Demzufolge werden „(…) alle Textbestandteile, die durch die
Kategorien angesprochen werden, (…) aus dem Material systematisch extrahiert.“913 Gläser & Laudel beschreiben weiterhin, dass durch Lesen des Textes entschieden wird, ob relevante Informationen enthalten sind. Diese Informationen
werden den Kategorien zugeordnet. 914 Dieses Vorgehen ist einerseits theoriegeleitet, da die bereits getroffenen theoretischen Annahmen das Vorgehen leiten. 915 Andererseits ist das Kategoriensystem noch offen und kann während der Auswertung
anhand des Materials angepasst werden. 916
In der vorliegenden Arbeit wird die Strukturierung als inhaltsanalytische Technik
ausgewählt. Ziel der vorliegenden Analyse soll eine Strukturierung des Materials
nach bestimmten Gesichtspunkten sein, damit drängt sich diese Form der Analyse
auf. Zur Veranschaulichung verdeutlicht Mayring dieses Vorgehen durch drei Arbeitsschritte: (1) die Definition der Kategorien, (2) das Finden von Ankerbeispielen,
die beispielhaft eine Kategorie verdeutlichen und (3) das Formulieren von Kodier-
906
Mayring (2007), S. 58.
Vgl. Lamnek (2005), S. 520; siehe dazu auch Meuser & Nagel (2005), S. 86.
908
Mayring (2007), S. 58.
909
Vgl. Mayring (2007), S. 78f.
910
Mayring (2007), S. 58.
911
Vgl. Mayring (2007), S. 82.
912
Vgl. Mayring (2007), S. 83.
913
Mayring (2007), S. 83.
914
Vgl. Gläser & Laudel (2009), S. 200.
915
Vgl. Gläser & Laudel (2009), S. 201.
916
Vgl. Gläser & Laudel (2009), S. 201.
907
176
Methodik der empirischen Untersuchung
regeln im Falle von Abgrenzungsproblemen zwischen den Kategorien. 917 Auf eine
vertiefende Darstellung der Beschreibung des Analyseschrittes in dieser Arbeit soll
an dieser Stelle verzichtet werden. Bei der Kategorienbildung stellten die thematischen Schwerpunkte des Leitfadens einen ersten Ausgangspunkt für die Durchsichtung des Materials dar.918 Nach einer ersten explorativen Durchsicht der Interviews
und Dokumente wurde das Kategoriensystem am Material erprobt, angepasst und
vervollständigt.919 Dieser Vorgang wurde kontinuierlich während der Bearbeitung
weitergeführt. Das vollständige Kategoriensystem befindet sich in Tab. 5-3.
917
Vgl. Mayring (2007), S. 83.
Siehe dazu auch Meuser & Nagel (2005), S. 82.
919
Vgl. Lamnek (2005), S. 518.
918
177
Methodik der empirischen Untersuchung
Kategorie
Unterkategorie
Anzahl der Nennung
der Kategorie
Kontextfaktoren
481
Beschreibung des Bereiches
109
Innovationsstrategie
84
Innovationskultur
102
Komplexität der Branche
83
Dynamik der Branche
103
Strategische Frühaufklärung
509
Aktivitäten
159
Prozess
222
Organisation
6
Umfang
22
Beobachtete Bereiche
44
Zeithorizont
39
Ziele & Nutzen
17
Innovationsmanagement
112
Innovationsmanagement allgemein
22
Innovationsfähigkeit
92
Wirkung auf die Innovationsfähigkeit
195
Einflussfaktoren
168
Tab. 5-3:
Hemmende Faktoren
126
Förderliche Faktoren
42
Kategoriensystem sowie Relevanz im Text (Quelle: Eigene Darstellung)
5.5 Vorgehen zur Auswertung des Datenmaterials
Die vorangegangene Beschreibung der Datenreduktion und Kodierung ist erst der
Ausgangspunkt der eigentlichen Datenanalyse.920 Auch wenn das Vorgehen hierzu
nicht standardisiert ist, ist es von Bedeutung eine Auswertungsstrategie festzulegen. 921 In der vorliegenden Arbeit wird dazu die von Eisenhardt entwickelte Strate-
920
921
Vgl. Yin (2003), S. 110.
Vgl. Yin (2003); Gläser & Laudel (2009), S. 246.
178
Methodik der empirischen Untersuchung
gie zur Bearbeitung von Fallstudien genutzt. Sie hat sich im Laufe der letzten Dekaden zum Referenzmodell entwickelt und ist aufgrund der Einfachheit und Flexibilität im Umgang mit den Daten von Vorteil. 922 Eisenhardt beschreibt zwei Analyseschritte: (1) die Einzelfallanalyse und (2) die fallübergreifende Analyse. 923
Die Einzelfallanalyse besteht aus detaillierten Fallbeschreibungen und befindet sich
in 6.1.2; 6.1.3; 6.1.4 und 6.1.5. Ziel ist, dass sich der Forscher mit jedem einzelnen
Fall vertraut macht und somit die fallübergreifende Analyse vorbereitet. 924 Eisenhardt verdeutlicht hierzu:
“This process allows the unique patterns of each case to emerge before investigators push to generalize patterns across cases.”925
Anschließend wird die fallübergreifende Analyse durchgeführt. Dazu erläutert Eisenhardt:
„Overall, the idea behind these cross-case searching tactics is to force investigators to go beyond initial impressions, especially through the use of structured
and diverse lenses on the data. These tactics improve the likelihood of accurate
and reliable theory, that is, a theory with a close fit with the data. (…) enhance
probability capture the novel findings (…).” 926
Im Rahmen der fallübergreifenden Analyse schlägt Eisenhardt zwei konkrete Taktiken zur Vorgehensweise vor. Zum einen ist es möglich, die Fälle anhand von Kategorien und Dimensionen auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu untersuchen. 927
Zum anderen werden zunächst zwei Fälle verglichen und Gemeinsamkeiten sowie
Unterschiede herausgearbeitet. Anschließend weitet man die Analyse auf drei bis
vier Fälle aus. Vorteil besteht laut Eisenhardt darin, dass die gezwungene Suche
nach Gemeinsamkeiten (vor allem wenn es offensichtliche Unterschiede gibt) und
das Suchen von Unterschieden (bei vielen Gemeinsamkeiten) bei der Theoriegewinnung hilfreich ist und zu völlig anderen Ergebnissen führt.928
Gläser & Laudel schlagen ein ähnliches Vorgehen vor und leiten drei wesentliche
Abstraktionsebenen ab, die mit der Einzelfallanalyse und der fallübergreifenden
Analyse einhergehen: Auf der ersten Ebene des Materials sind die durch die Interviewpartner berichteten Kausalmechanismen zu finden. Dabei handelt es sich um
922
Vgl. Eisenhardt & Graebner (2007), S. 25.
Vgl. Eisenhardt (1989), S. 539; siehe dazu auch Lamnek (2005), S. 402.
924
Vgl. Eisenhardt (1989), S. 540.
925
Eisenhardt (1989), S. 540.
926
Eisenhardt (1989), S. 542.
927
Vgl. Eisenhardt (1989), S. 540.
928
Vgl. Eisenhardt (1989), S. 540f.
923
179
Methodik der empirischen Untersuchung
die rein subjektive Ansicht des Interviewpartners, die nicht ohne weiteres zur eigenen Analyse übernommen werden kann.929 Die zweite Ebene dient zur Rekonstruktion des Kausalmechanismus eines kompletten Falles.930 Dazu werden alle Informationen, die zu einem Fall zur Verfügung stehen, herangezogen und interpretiert. Im
Rahmen dieser Interpretation müssen auch widersprüchliche Informationen erklärt
und gelöst werden. Ziel der Analyse ist es nach Gläser & Laudel ein umfassendes
Bild der Wirklichkeit mit allen relevanten Ursachen und Wirkungen zu erhalten.931
Auf der letzten Analyseebene wird der Kausalmechanismus für alle Fälle abgeleitet,
um fallübergreifende Aussagen zu formulieren. Dazu stehen wiederum zwei Vorgehensweisen in Abhängigkeit von der Fallzahl zur Verfügung. So bietet sich bei einer geringen Anzahl von Fällen an, zunächst den Kausalmechanismus jedes Falles
zu identifizieren und anschließend diese Mechanismen vergleichend zwischen den
Fällen zu analysieren. Dabei sollen folgende Fragen untersucht werden: 932
 Welche Faktoren treten in allen Fällen auf, welche nur in einigen?
 Welche Faktoren treten überraschend auf, welche erwarteten Faktoren fehlen?
 Wenn unterschiedliche Bedingungen zu gleichen Wirkungen geführt haben:
welche der Ursachen ersetzen die Wirkung anderer Faktoren?
 Wenn gleiche Bedingungen zu unterschiedlichen Wirkungen geführt haben:
Welche versteckten, das heißt bisher nicht in die Analyse einbezogenen Faktoren sind für die Unterschiede verantwortlich?
Ziel der Analyse besteht in der Bildung eines Kausalmodells über die gesamte Klasse an Fällen, welches die Variation innerhalb der Klasse beschreibt und darauf eingeht, welche variierenden Ursachen zu gleichen oder anderen Wirkungen führen.
Dieses Vorgehen ist bei einer größeren Zahl von Fällen nicht mehr handhabbar und
scheitert an der Unübersichtlichkeit.933 Ähnlich wie Eisenhardt schlagen die beiden
Autoren daher vor, eine Typisierung von Fällen vorzunehmen. Eine Typisierung ist
„die Gruppierung von mehreren Fällen entsprechend ihren Merkmalsausprägungen
in einer oder mehreren Dimensionen“934. Anschließend werden die Typen von Fällen auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede geprüft.935 Dieses Vorgehen bietet eine
sehr gute Vereinfachungsmöglichkeit, jedoch besteht immer das Risiko relevante
929
Vgl. Gläser & Laudel (2009), S. 247.
Vgl. Gläser & Laudel (2009), S. 248.
931
Vgl. Gläser & Laudel (2009), S. 248.
932
Vgl. Gläser & Laudel (2009), S. 249.
933
Vgl. Gläser & Laudel (2009), S. 247.
934
Gläser & Laudel (2009), S. 250.
935
Vgl. Gläser & Laudel (2009), S. 250ff.
930
180
Methodik der empirischen Untersuchung
Informationen zu stark zusammenzufassen. Insgesamt ist zu kritisieren, dass Gläser
& Laudel nicht weiter darauf eingehen, ab wann eine Analyse wenige oder bereits
viele Fälle enthält.936
Im Rahmen dieser Arbeit wurde zunächst das komplette Datenmaterial mittels Atlas.ti organisiert und verwaltet, um die Handhabbarkeit zu gewährleisten. 937 Anhand
der Forschungsfragen und des Materials wurde darauf aufbauend ein Analyserahmen für die einzelnen Fälle entwickelt, der kontinuierlich während der Bearbeitung
angepasst wurde. Dieser diente zugleich zur Bildung des Kategoriensystems, welches in Atlas.ti genutzt wurde. Anhand dieses Vorgehens konnte im nächsten
Schritt pro Fall eine Fallbeschreibung erarbeitet werden. Nach Abschluss dieser
Fallbeschreibungen wurde die fallübergreifende Analyse durchgeführt, um allgemeine Aussagen über alle Fälle hinweg zu generieren. Dazu wurde das Ausmaß der
Frühaufklärung, die direkte und indirekte Wirkungsweise auf die Innovationsfähigkeit und die Einflussfaktoren abgeglichen. Das detaillierte Vorgehen wird in den
Kapiteln 6.1.1 und 6.2.1 erläutert.
5.6 Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Erhebung
Um die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung abzusichern, wurden Gütekriterien entwickelt, die anhand von verschiedenen Maßnahmen eingehalten werden
können. Im Kontext der quantitativen Forschung haben sich die Gütekriterien Reliabilität, Objektivität und Validität etabliert.938 Reliabilität gibt in der quantitativen
Forschung die Genauigkeit an, inwiefern die Messwerte durch Störeinflüsse behaftet sind und beschreibt allgemein die Konsistenz der Untersuchungsergebnisse.939
Die Validität misst, in welchem Umfang ein Erhebungsinstrument das misst, was es
vorgibt zu messen und kann außerdem in interne und externe Validität unterschieden werden.940 Unter Objektivität wird dabei verstanden, inwiefern die Ergebnisse
unabhängig vom Forscher auftreten, „(…) d.h. unterschiedliche Forscher müssen
bei der Untersuchung desselben Sachverhaltes mit denselben Methoden zu vergleichbaren Resultaten kommen“941.
Insgesamt ist die Frage nach der Bewertung der Qualität der qualitativen Forschung
nicht abschließend geklärt. Besonders die Anwendbarkeit der Kriterien der in quan-
936
Vgl. Gläser & Laudel (2009), S. 248ff.
Vgl. Atteslander (2006), S. 200.
938
Vgl. Bortz & Döring (2002), S. 326; Lamnek (2005), S. 145.
939
Vgl. Saunders et al. (2007), S. 367; Bortz & Döring (2002), S. 689.
940
Vgl. Bortz & Döring (2002), S. 505.
941
Bortz & Döring (2002), S. 326.
937
181
Methodik der empirischen Untersuchung
titativer Forschung eingesetzten Gütekriterien ist umstritten. 942 Zur bestehenden
Diskussion führt Flick zusammenfassend aus:
„Es hat sicher bislang gezeigt, dass 1. diese Kriterien in sich begrenzt stimmig
sind. Die bislang vorliegenden Kriterien sind 2. nicht unbedingt von dem Kontext, in dem sie entwickelt wurden, auf andere methodische Herangehensweisen
oder Anwendungsfelder übertragbar. Entsprechend zeichnet sich 3. auch kein
Konsens in „der“ qualitativen Forschung hinsichtlich der Kriterienfrage ab, wie
er in der quantitativen Forschung zu beobachten ist.“943
Die Kriterien finden zwar auch in der qualitativen Forschung ihren Einsatz, können
jedoch nicht ohne weiteres übernommen werden.944 Daher findet eine Modifizierung der Kriterien statt. Mayring stellt sechs Kriterien auf, die Reliabilität, Validität
und Objektivität absichern und die bisher diskutierten Kriterien integrieren.945 Zudem werden Taktiken vorgestellt, welche eine Erfüllung der Gütekriterien ermöglichen.946 Die von Mayring entwickelten Kriterien werden in Tab. 5-4 dargestellt und
den in dieser Arbeit genutzten Techniken zur Absicherung gegenübergestellt.
942
Vgl. Flick (2010a), S. 395.
Flick (2010a), S. 405.
944
Vgl. Bortz & Döring (2002), S. 326.
945
Vgl. Mayring (2002), S. 144ff.
946
Vgl. Yin (2003), S. 34; siehe auch Voss et al. (2002), S. 204.
943
182
Methodik der empirischen Untersuchung
Gütekriterium
Beschreibung
Angewendete Taktiken zur Sicherung des Gütekriteriums
Verfahrens-
Dokumentation der Ergebnisgewinnung einschließlich Analyseinstrumente, Durchführung und Auswertung
der Datenerhebung
Erstellung und Nutzung eines Interviewleitfadens
Argumentative
Interpretations-
Adäquates Vorverständnis
Theoriegeleitetes Vorgehen
absicherung
Erläuterung von Brüchen
dokumentation
Exakte Dokumentation und Erläuterung des Forschungsprozesses
Dokumentation der Fälle
Schlüssigkeit und exakte Erläuterung
der Interpretationen
Überprüfen von Alternativdeutungen
Regelgeleitetheit Verfahrensregeln zur
systematischen Bearbeitung
Sequentielles Vorgehen
Nähe zum Gegenstand
Anknüpfen an der Alltagswelt der beforschten
Subjekte
Ableitung der Forschungslücke aus
konkreten Problemen der Praxis
Konfrontation der Beforschten mit den Analyseergebnissen
Absicherung der Forschungsergebnisse durch direktes Feedback der Interviewpartner
Kommunikative
Validierung
Praxisnähe durch den direkten Kontakt mit Interviewpartnern und Unternehmensvertretern
Vorstellung der Forschungsergebnisse
Triangulation
Verbindung mehrerer
Analysegänge
Einsatz und Nutzung verschiedener
Datenquellen
Tab. 5-4: Gütekriterien, deren Beschreibung und Taktiken zur Sicherung der
Kriterien (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Mayring
(2002), S. 144ff.)
183
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
6
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
6.1 Falldokumentation und Einzelfallanalyse
6.1.1 Analyserahmen der Einzelfallanalyse
Nachfolgend werden die Einzelfallanalysen dargestellt. Um eine Vergleichbarkeit
der Fälle zu gewährleisten, wurde die Einzelfallanalyse nach einem einheitlichen
Analyseschema durchgeführt. Neben der Einheitlichkeit bietet es den Vorteil einer
strukturierten Bewertung zur Darstellung der Fälle entlang der ausgewählten Faktoren. Diese basieren auf den theoretischen Grundlagen in Kapitel 3 und den Fragen,
die den Interviewleitfaden angeleitet haben. Das Analyseschema wurde während
der Datenerhebung entwickelt und im Fortgang der Untersuchung kontinuierlich
weiterentwickelt. Dies ist auch in Einklang mit den Forschungsempfehlungen von
Eisenhardt zur Durchführung von Fallstudien-untersuchungen.
Abb. 6-1 zeigt das Analyseschema mit den genutzten Faktoren im Überblick.
184
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Unternehmenskontext
Größe
Strategie
Branchenkontext
Kultur
Bezeichnung
Komplexität
Dynamik
(1) Kontextfaktoren
Organisation
•Form/Prozess
•Art der Durchführung
•Integration in andere Prozesse
•Kommunikation
Informations
-sammlung
•Reichweite
•Tiefe
•Zeithorizont
•Quellen
Netzwerke
•Interne Netzwerke
•Externe Netzwerke
(4) Wirkung auf die
Innovationsfähigkeit
Exploitation
Exploration
Innovationsergebnis
(3) Innovationsfähigkeit
(2) Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
Ressourcen
Durchführung
Implementierung
von Ideen
(5) Erfolgsfaktoren
Abb. 6-1: Analyserahmen für die Fallauswertung im Überblick (Quelle: Eigene
Darstellung)
Die Faktoren, die die Analyse anleiten, bestehen aus: (1) dem Unternehmenskontext, (2) dem Ausmaß der strategischen Frühaufklärung, (3) der Charakterisierung
der Innovationsfähigkeit, (4) der Wirkung der Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit und (5) abschließend Erfolgsfaktoren, die die Wirkung der strategischen
Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit beeinflussen.
Wie einige Untersuchungen bereits zeigten, sind die Rahmenbedingungen des Unternehmens für den Einsatz und die Umsetzung der strategischen Frühaufklärung
ausschlaggebend.947 Auch wenn diese kontextuellen Faktoren möglichst einheitlich
gehalten wurden, um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten, müssen die Randbedingungen erhoben werden. Auf diese Weise werden kleine Unterschiede deutlich,
anhand derer die anderen Faktoren untersucht werden können. Diese Rahmenbedingungen werden anhand des Unternehmenskontextes und Branchen-kontextes be-
947
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 127; Baisch (2000), S. 179.
185
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
schrieben. Der Unternehmenskontext wird anhand der Größe, Strategie und Kultur
des Geschäftsbereiches beschrieben. Ferner wird zur Beschreibung des Branchenkontextes die allgemeine Bezeichnung der Branche nach der ‚International Standard
Industrial Classification’948, die Branchenkomplexität und -dynamik herangezogen.
Die Beschreibung zum Ausmaß der strategischen Frühaufklärung dient dazu, die
Aktivitäten der Frühaufklärung, die im Fallbeispiel ausgeführt werden, darzulegen.
Anschließend soll eine Bewertung, wie umfassend strategische Frühaufklärung
durchgeführt wird, möglich sein. Die Faktoren stammen hauptsächlich aus den theoretischen Überlegungen basierend auf Nick und Rohrbeck. 949 Zum Einsatz kommen die Kriterien Organisation, Informationssammlung und Netzwerke, die anhand
von verschiedenen Merkmalen beschrieben werden. Diese Merkmale wiederum
werden durch einzelne Dimensionen abgebildet. Die Dimensionen geben Aufschluss über die Intensität der Frühaufklärung und wurden teilweise auf Grundlage
der Darstellungen in Kap. 3 entwickelt und teilweise aus dem Reifemodell von
Rohrbeck übernommen.950 Die Intensitätsstufen werden mit Hilfe von vier Stufen
(Leveln) beschrieben: Level 1 bedeutet eine besonders geringe Ausprägung des
Merkmals; Level 4 gibt an, dass die Eigenschaft der Frühaufklärung sehr umfassend
ausgebildet ist.
Das Kriterium Organisation wird durch die allgemeine Form der Umsetzung, dem
Ausmaß der durchgeführten Prozessschritte, der Art der Durchführung, der Integration in andere Prozesse und der Kommunikation beschrieben.951 Bis auf die Art der
Durchführung werden alle Kriterien anhand von den dargelegten Intensitätsstufen
spezifiziert. Die Intensitätsstufen wurden bis auf die Beschreibung des Prozesses
und die Kommunikation von Rohrbeck übernommen. 952 Die Beschreibung des Prozesses sowie die Kommunikation und deren Intensitäten basieren auf eigene Entwicklung und richten sich nach dem Umfang der durchgeführten Prozessschritte
und der Verbreitung der Ergebnisse. Eine zusammenfassende Darstellung der einzelnen Elemente und möglichen Dimensionen findet sich in Tab. 6-1 wieder.
948
Vgl. International Standard industrial classification of all economic activities (ISIC) (2008).
Vgl. Nick (2008), S. 114; Rohrbeck (2010), S. 77ff.
950
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 102ff.
951
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 115; Becker (2002), S. 12.
952
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 115.
949
186
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Organisation
Level 1
Level 2
Level 3
Level 4
Form
Unterscheidung zwischen Sammelposten, Observatory, Think
Tank, Outsourcer
Prozess
Erfassung
Erfassung
und Analyse
Erfassung,
Analyse und
Reaktionsstrategien
Erfassung,
Analyse, Reaktionsstrategien und
Implementierung
Art der Durchführung
Frühaufklärung ist durch
das Topmanagement und
spezielle Themen ausgelöst
Frühaufklärung
ist hauptsächlich
durch spezielle Themen
ausgelöst
Kontinuierliche Frühaufklärung beinhaltet projektbasierte, themenspezifische
Frühaufklärung
Kontinuierliche und projektbasierte
Frühaufklärung wird bottom-up und
top-down
durchgeführt
Integration in
andere Prozesse
Technologische Frühaufklärung als
Input für die
Technologiestrategie
Frühaufklärung
regt Innovationsmanagementaktivitäten an
Erkenntnisse
der Frühaufklärung in
Strategie und
Innovationsmanagement
genutzt
Frühaufklärung verbunden mit Unternehmensentwicklung,
Controlling,
Strategie und
Innovationsmanagement
Kommunikation
Frühaufklärung verbleibt
in der Abteilung
Frühaufklärungsinformationen werden
nur in bereichsinternen
Meetings in
betroffenen
Abteilungen
ausgetauscht
Frühaufklärung wird bereichs-intern
und bereichsüber-greifend
diskutiert
Frühaufklärung in alle
Entscheidungsprozesse integriert
Tab. 6-1: Übersicht über die genutzten Kriterien und ihre Ausprägungen für
die Organisation (Quelle: Rohrbeck (2010), S. 115)
187
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Das Merkmal Informationssammlung soll darüber aufklären, welche Informationen
in welchem Umfang erhoben werden. Sie wird anhand der Reichweite, Tiefe, Zeithorizont und eingesetzten Quellen erläutert.953 Die Intensitäten beruhen wiederum
auf den Ausführungen von Rohrbeck.954 Die Tab. 6-2 gibt zusammenfassend einen
Überblick über Eigenschaften und zugehörige Intensitäten.
953
954
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 81, 105.
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 105.
188
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Informationssammlung
Level 1
Level 2
Level 3
Level 4
Reichweite
Scannen im
aktuellen Geschäftsfeld
Scannen im
aktuellen Geschäftsfeld und
speziellen Interessengebieten
Scannen in
aktuellen und
benachbarten
Geschäftsfeldern
Scannen in aktuellen, benachbarten Geschäftsfeldern
und White
Spaces
Tiefe
Fokus auf
Technologiescanning
Scannen im
Bereich Technologie und in
wenigen anderen Bereichen
Scannen verschiedener
Bereiche des
Unternehmensumfeldes mit
variierender
Intensität
Scannen in allen Umweltbereichen des Unternehmens sowohl Mikro
als auch Makro
Zeithorizont
hauptsächlich
kurzfristige
Zukunft
kurz- und mittelfristige Zukunft (1-2
Produktgenerationen)
kurz-, mittelund langfristige Zukunft
proaktives
Scannen in
kurz-, mittelund langfristiger Zukunft
Quellen
Nutzen von
wenigen, einfach zugänglichen Quellen
Nutzen von
verschiedenen
zugänglichen
Quellen
Nutzen von
einigen eingeschränkten
Quellen, die
einen Wettbewerbsvorteil ermöglichen
Nutzen von
vielen Quellen,
die einen Wettbewerbs-vorteil
ermöglichen
Tab. 6-2: Übersicht über die genutzten Kriterien und ihre Ausprägungen für
die Informationssammlung (Quelle: Rohrbeck (2010), S. 105)
Das Kriterium Netzwerke beschreibt die intern und extern aufgebauten Netzwerke,
die durch die Organisationseinheit betrieben werden.955 Deutlich wird damit, wie
gut die Personen, die Frühaufklärung durchführen, innerhalb und außerhalb des Un-
955
Analog zum Vorgehen für die vorherigen Kriterien stammen die Intensitäten von Rohrbeck, S.
113.
189
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
ternehmens vernetzt sind. 956 Hierzu findet sich analog eine zusammenfassende Darstellung in Tab. 6-3.
Netzwerke
Level 1
Level 2
Level 3
Level 4
Intern
Einige Mitarbeiter haben
formelle und
informelle
Kontakte zu
anderen Bereichen
Formeller
Austausch
zwischen den
Abteilungen
wird gefördert
Formeller und
informeller
Austausch
zwischen den
Abteilungen
wird gefördert
Es wird erwartet, dass jeder
formelle und
informelle
Netzwerke im
Unternehmen
aufweist
Extern
Einige Mitarbeiter haben
formelle und
informelle
Kontakte zu
externen Kontakten
Formeller
Austausch zu
externen Kontakten wird
gefördert, einige hegen
informelle
Kontakte
Formeller und
informeller
Austausch zu
Externen wird
gefördert
Ein externes
Netzwerk aufzubauen und
zu halten wird
gefördert und
als wichtig
empfunden
Tab. 6-3: Übersicht über die genutzten Kriterien und ihre Ausprägungen für
Netzwerke (Quelle: Rohrbeck (2010), S. 113)
Die Charakterisierung der Innovationsfähigkeit ermittelt den gegenwärtigen Stand
der Innovationsfähigkeit und gibt Aufschluss darüber, in welchem Ausmaß inkrementelle und radikale Innovationen auf den Markt gebracht werden. Bei der Wirkung auf die Innovationsfähigkeit wird beschrieben, inwiefern die Frühaufklärung
die Innovationsfähigkeit beeinflusst, d.h. Exploration sowie Exploitation fördert.
Der letzte Analysepunkt bildet die Erfolgsfaktoren ab, die eine Wirkung der strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit fördern oder behindern.
Bei der Beschreibung der Fälle muss grundsätzlich beachtet werden, dass in vielen
Fallbeispielen übergeordnete Tätigkeiten, stammend aus zentralen Unternehmensbereichen, und Tätigkeiten des Geschäftsbereiches selbst existieren. Da einige Fälle
aus einem Unternehmen stammen, sind die übergeordneten Tätigkeiten identisch.
Um Redundanz zu vermeiden, werden daher die zentral durchgeführten Frühaufklärungstätigkeiten vorab für die betroffenen Fälle beschrieben. Zudem werden die
dort wahrgenommene Wirkung und die Erfolgsfaktoren aus Sicht der Zentralabteilung beschrieben. Da die Zentralabteilung lediglich zusammenfassend für alle Be-
956
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 112.
190
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
reiche kontextuelle Faktoren und die Innovationsfähigkeit angeben kann, werden
diese dort nicht behandelt. Diese sind den einzelnen Fallbeschreibungen zu entnehmen, wo die Analyse vollständig mit den beschriebenen Kriterien durchgeführt
wird.
6.1.2 Fallsammlungen eines internationalen Industrieunternehmens
6.1.2.1 Bereichsübergreifende Themen
Der gesamte Unternehmensbereich besteht aus einigen Geschäftseinheiten, von denen hier sechs ausgewählt wurden und die in 6.1.2.2 bis 6.1.2.7 dargelegt werden.
Die kommende Beschreibung geht auf die bereichsübergreifenden Aktivitäten der
strategischen Frühaufklärung ein, die auf diese sechs Geschäftsbereiche einwirken.
In der folgenden Abbildung sind die Zusammenhänge zwischen den einzelnen bereichsübergreifenden Abteilungen und den Fallbeschreibungen zu finden. Deutlich
wird, dass Strategieabteilung 1 nur auf die Fälle 1-3 wirkt, wohingegen Strategieabteilung 2 für die Fälle 3-6 verantwortlich ist. Dies ist auf die organisatorische Struktur zurückzuführen. Die Vorfeldentwicklung ist für alle Fälle gleichermaßen verantwortlich.
Strategieabteilung 1
Strategieabteilung 2
• Allgemeine Reportingaufgaben
• Sammeln der Portfolio- und
Innovationsroadmaps
• Technologieentwicklung und –
scouting
• Szenarioprojekt (letztes 2011)
• Allgemeine Reportingaufgaben
• Sammeln der Portfolio- und
Innovationsroadmaps
• Szenarioprojekt (letztes 2010)
Fall 1
Fall 2
Fall 3
Fall 4
Fall 5
Fall 6
Vorfeldentwicklung mit gesonderter Technologie- und Innovationsabteilung und
Technologiescoutingbereich
Abb. 6-2:
Zusammenhang bereichsübergreifender Abteilungen und den
Fallbeschreibungen (Quelle: Eigene Darstellung)
191
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
Strategische Frühaufklärung findet geschäftsübergreifend in verschiedenen Abteilungen statt, in denen unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden. Unterschieden wird zwischen der Vorfeldentwicklung, die einen technischen Fokus verfolgt
und den Strategieabteilungen, die hauptsächlich ganzheitlich arbeiten.
Vorfeldentwicklung
Die Vorfeldentwicklung fungiert als Bindeglied zwischen externen Forschungseinrichtungen, der zentralen F&E des Gesamtunternehmens und den einzelnen Geschäftsbereichen sowie deren Entwicklungsabteilungen. Ihre Aufgabe besteht darin,
Technologien für die Geschäftsbereiche verfügbar zu machen und konkrete Implikationen für einzelne Produkte abzuleiten. Damit ist der Fokus der Frühaufklärungsaktivitäten hauptsächlich technologiegetrieben. Koordiniert werden gleichzeitig internationale Technologiescouts, die nach neuen Technologien, Start-ups und
Geschäftsmodellen suchen.
„Also wir suchen weltweit nach solchen Innovationsideen, nach neuen Technologien in einem Partnernetzwerk. Partnernetzwerk heißt, wir haben auch eigene
Technologie- und Ideenscouts in den USA und China, (…) die dort an den Universitäten und in Start-up Unternehmen, Technologiefirmen nach neuen Technologien Ausschau halten und dann genau diesen Prozess durchlaufen, herausfinden, was bedeutet es für unsere Domäne.“ 957
Die Ideen werden aus zwei Perspektiven bewertet: technische Machbarkeit und das
Geschäftspotenzial. Falls es sich um eine radikale oder disruptive Innovation handelt, die ein ganz neues Segment ausmachen würde, arbeiten sie konkrete Geschäftsmodelle sowie Businesspläne aus. Die in der Strategieabteilung durchgeführten Szenarioprojekte wurden durch Mitarbeiter der Vorfeldentwicklung unterstützt,
in dem sie ein Teil des Projektteams bildeten.
Strategieabteilungen
In den Strategieabteilungen muss man einerseits zwischen regelmäßigem klassischem Reporting und speziell durchgeführten Frühaufklärungsprojekten anhand von
Szenarien unterscheiden. Die klassischen Aufgaben beinhalten Portfolio- und Innovationsworkshops, in diesen werden aber hauptsächlich die Informationen aus den
Geschäftsbereichen zusammengetragen. Daher werden diese hier nicht weiter betrachtet, sondern in den einzelnen Falldarstellungen, an späterer Stelle.
957
Manager 1.
192
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Viel relevanter für die Forschungsfrage sind die Projekte, in denen anhand von Szenarien Zukunftsbilder entwickelt und systematisch Ableitungen für das heutige Geschäft getroffen werden. In beiden Strategieabteilungen werden derartige Projekte
durchgeführt, wobei Durchführung und Zeithorizont variieren. Insgesamt wird bei
beiden Szenarien eine umfassende Analyse der Makro- und Mikroumwelt durchgeführt. Beide Strategieabteilungen wollen die Szenarienentwicklung einem kontinuierlichen Aktualisierungsprozess unterziehen. Aktualisierungen erfolgen alle 3 Jahre, indem die Indikatoren und Rahmenbedingungen überprüft werden. Im Falle von
nicht allzu starken Änderungen des Umfeldes werden nur kleine Änderungen im
Szenario und in den Maßnahmen vorgenommen. Nach weiteren drei Jahren wird
dann der Vorgang wiederholt. Spätestens nach 9 Jahren soll ein komplett neues Zukunftsbild entworfen werden. Im Falle von disruptiven Änderungen kann dies aber
auch früher erfolgen.
In der Strategieabteilung 1 wird ein Zeitraum von 15-20 Jahren im Voraus betrachtet. Es werden einige wenige Mitarbeiter aus den Geschäftsbereichen involviert und
ansonsten interne Berater hinzugezogen. Auf Grundlage der erstellten Zukunftsbilder wird ein Innovationsscoutingprozess initiiert. D.h. aus den Szenarien werden
konkret Innovationsfelder und Innovationsideen generiert. Im Anschluss erfolgt
eine weitere Ausarbeitung dieser Maßnahmen, um sie den Geschäftsbereichen zu
übergeben. Problematisch ist die Übergabe dieser Maßnahmen an die einzelnen Bereiche. Teilweise liegt die Verantwortung immer noch in der Strategieabteilung, die
weder die Kapazitäten noch die Kompetenzen hat, alle Maßnahmen weiter voranzutreiben.
Auch in Strategieabteilung 2 bildet die Szenarioerstellung einen zentralen Eckpfeiler im Frühaufklärungsprozess. In diesem Falle werden die Szenarios genutzt, um
daraus die Strategie festzulegen und Vorfeldprojekte zu steuern. Die Ergebnisse
fließen direkt in die strategische Planung ein, woraus die konkreten Projekte für die
Vorfeldentwicklung definiert werden. Anders als in Strategieabteilung 1 werden die
Szenarien für 2050 entwickelt. Ein Mitarbeiter erläutert hierzu:
„Ja, wir haben das aktuelle Szenarioprojekt [Name verändert; Anmerk. des Verfassers], das zielt bis 2050 und ... was aber eine symbolische Größe ist, weil man
natürlich sagen kann, bis 2050 kann unheimlich viel passieren. Wenn man aber
bis 2020 geht, was auch manche Bereiche machen, dann ist man halt sehr stark
auf dieser inkrementellen Schiene unterwegs, ja? Also, es ist dann gerade mal
noch die übernächste Produktgeneration, und wenn ich sag, ich werfe jetzt mal
193
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
den Ball bis 30, 40, 50, dann können in den Szenarien auch wirkliche Brüche
drin sein (…).“958
Die Ergebnisse werden zunächst dem Leiter des gesamten Bereiches vorgestellt. Im
Austausch mit ihm wurden die Zukunftsbilder und Implikationen abgestimmt. Anschließend werden die Informationen durch Vorträge, Präsentationen, Innovationsworkshops in den einzelnen Geschäftsbereichen verbreitet.
Zusammenfassend wird in Tab. 6-4 eine Übersicht zu dem Ausmaß der bereichsübergreifenden Tätigkeiten in Summe gegeben.
Ausmaß der Frühaufklärung
Organisation
Form
Observatory
Ausmaß Prozess
Erfassung, Analyse und Reaktionsstrategien
Art der Durchführung
Kontinuierliche und projektbasierte Frühaufklärung wird
Integration in andere Prozesse
Erkenntnisse der Frühaufklärung in Strategie und Innovations-management genutzt
bottom-up und top-down durchgeführt
Kommunikation der Frühaufklärungsinformationen werden nur in bereichsinterErgebnisse
nen Meetings in betroffenen Abteilungen ausgetauscht
Informationssammlung
Reichweite
Scannen in aktuellen, benachbarten Geschäftsfeldern und
White Spaces
Tiefe
Scannen in allen Umweltbereichen des Unternehmens - sowohl Mikro- als auch Makro
Zeithorizont
kurz-, mittel- und langfristige Zukunft
Quellen
Nutzen von vielen Quellen, die einen Wettbewerbsvorteil
ermöglichen
Netzwerke
Intern
Formeller und informeller Austausch zwischen den Abteilungen wird gefördert
Extern
Formeller und informeller Austausch zu Externen wird gefördert
Tab. 6-4: Übersicht zum Ausmaß der strategischen Frühaufklärung in den
bereichsübergreifenden Tätigkeiten (Quelle: Eigene Darstellung)
958
Manager 1.
194
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Wirkung der strategischen Frühaufklärung
Wie bereits beschrieben werden in der Strategieabteilung 1 aus den Maßnahmen der
strategischen Frühaufklärung sowohl Innovationsfelder als auch Innovationsideen
hergeleitet. Diese werden bewertet, inwiefern sie zur Strategie des Bereiches passen
und eine angemessene Attraktivität aufweisen. Anschließend werden die ausgewählten Ideen in Roadmaps hinterlegt. Der Manager gibt an, dass wirklich konkrete
Innovationsideen für inkrementelle, radikale und disruptive Innovationen gefunden
werden. Damit wird sowohl die Exploitation als auch Exploration beeinflusst. Insgesamt dient Frühaufklärung eher dem Erkennen von komplett neuen Innovationsfeldern, um eher radikale und disruptive Innovationen zu generieren. Da viele Maßnahmen noch nicht umgesetzt sind, lässt sich nicht vollends einschätzen, wie die
Innovationsfähigkeit gefördert wurde. Aufgrund des Auffindens von eher neuartigen Konzepten ist aber mit mehr Exploration zu rechnen.
Ähnlich wie in Strategieabteilung 1 wirkt sich strategische Frühaufklärung in Strategieabteilung 2 positiv auf die Innovationsfähigkeit aus. Die Strategische Frühaufklärung wird als Strategieinstrument genutzt. Dadurch werden neue Technologien
systematisiert und Innovationsfelder identifiziert. Interviewpartner geben an, dass
inkrementelle Innovationen und radikale Innovationen gleichermaßen im Ergebnis
entstehen. Aus Analysen der Kunden- sowie Wettbewerbsstruktur wird Potenzial
für Verbesserungsinnovationen im aktuellen Portfolio deutlich. Damit wird auf bestehende Fähigkeit gesetzt und inkrementelle Innovationen entstehen. Zugleich decken die Szenarioerstellung und das Technologiescanning Portfoliodefizite auf.
Diese Defizite führen meist zu Vorfeldprojekten und bei erfolgreicher Durchführung zu neuen Produkten. Der Aufbau und Einsatz von den dadurch neuerworbenen
Fähigkeiten führt dann zu mehr radikalen Innovationen.
Insgesamt wird darauf hingewiesen, dass strategische Frühaufklärung meist nur
langfristig wirkt. Frühaufklärung führt zu einem langsamen Aufweichen des Beharrungsvermögens im Unternehmen und rechtfertigt oftmals große Veränderungen,
vor allem wenn diese im Unternehmen aufgrund der Neuartigkeit noch nicht anerkannt sind. Es sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass die Interviewpartner ihre wahrgenommene Wirkung erläutern. Daher wird ein umfassendes
Bild über die Wirkung erst beim Abgleich zur Wirkung in den einzelnen Fallbeispielen abgegeben.
Erfolgsfaktoren aus Sicht der Bereichsübergreifenden Themen
Die Erfolgsfaktoren, die von Interviewpartnern aus bereichsübergreifenden Abteilungen aufgeworfen werden, thematisieren Hemmnisse und förderliche Faktoren.
Diese Faktoren beziehen sich auf die Durchführung der strategischen Frühaufklärung, die Implementierung von Ideen, die durch die Frühaufklärung aufgeworfen
195
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
werden, und allgemeine organisationale Faktoren. Anschließend werden die hinderlichen sowie förderlichen Faktoren für jede Kategorie erläutert.
Durchführung
Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren der wirklichen Nutzung der strategischen
Frühaufklärung wird in der Operationalisierbarkeit der Ergebnisse gesehen. Die
einzelnen Szenarien müssen bis auf die Produktebene runtergebrochen und operationalisiert werden. Damit dürfen die Ergebnisse nicht nur auf globaler Ebene beschrieben werden, sondern konkret Chancen und Risiken für die einzelnen Geschäftsfelder aufgezeigt werden.
Ein weiterer Erfolgsfaktor stellt die regelmäßige Überprüfung der Ergebnisse der
strategischen Frühaufklärung dar. Strategische Frühaufklärung wird durchgeführt,
um alle Trends und Umfeldentwicklungen aufzunehmen. Auch nach Abschluss von
Szenarienworkshops und einer damit erstellten Zukunftssicht, muss man sich die
Flexibilität wahren, dass kurzfristig und unangekündigt Ereignisse eintreffen, die
das gesamte Geschäftsumfeld beeinflussen. Nur so kann man sicher gehen, dass die
gewonnenen Schlüsse und die daraus entwickelte Unternehmensrichtung noch die
richtigen sind.
Darüber hinaus stellt die Einbindung der einzelnen Geschäftsbereiche in den bereichsübergreifenden Frühaufklärungsaktivitäten einen wichtigen Erfolgsfaktor dar.
Die Initiativen dürfen nicht nur auf übergeordneter Ebene durchgeführt werden,
sondern Mitarbeiter aus den Geschäftsbereichen müssen vertreten sein. Nur so kann
sichergestellt werden, dass die Maßnahmen in den Geschäftsbereichen weiter verfolgt werden. Dazu muss vorab identifiziert werden, welche Initiativen in welche
Geschäftsbereiche passen. In diesem Zusammenhang ist es von Vorteil, in jedem
Geschäftsbereich einen ausgewiesenen Innovationsmanager zu haben. Dieser kann
sowohl Informationen, aus dem Geschäftsbereich kommend, sammeln als auch aus
übergreifenden Initiativen. Die in den verschiedenen Bereichen erstellten Informationen, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Zeithorizonten, werden so an einer Stelle im Geschäftsbereich akkumuliert. In diesem Zusammenhang
ist es auch von Bedeutung, dass der Innovationsmanager ausschließlich diese Funktion inne hat und nicht mit operativem Tagesgeschäft von den eigentlichen Aufgaben abgehalten wird.
Implementierung von Ideen
Eines der größten Hindernisse die Ergebnisse der strategischen Frühaufklärung zu
nutzen, stellt der Druck der Wirtschaftlichkeit dar. Ein Interviewter äußert sich dazu
wie folgt:
196
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
„An manchen Stellen ist es natürlich schwierig, weil wir gleichzeitig auch eine
der größten Cash Cows sind, ja? Und dann hat man natürlich das Problem, dass
eine Cash Cow, nicht mal eben schnell rumspringt, sondern dass man natürlich
eine Cash Cow auch weiterhin mit guten Ergebnis da haben will, aber das ist der
Vorteil, eine Cash Cow wirft auch so viel ab, dass man die Chance hat, das eine
oder das andere jetzt einfach mal neben der Spur zu entwickeln.“959
Gerade in Geschäftsbereichen, die ein sehr gutes Ergebnis erzielen, wird erwartet,
dass sich dieses Ergebnis weiter erhöht. Innovationen sind nur erwünscht, wenn
sich dadurch risikofrei eine Umsatzverbesserung einstellt. Gerade durch strategische Frühaufklärung werden aber viele neuartige Ideen aufgeworfen, die noch
schwer bewertet werden können.
„Das heißt, wir haben jetzt zwar die Methodik, mit der wir solche Pflänzchen
identifizieren können. Aber dann haben wir auch einen Prozess, der darauf ausgelegt ist, Produkt-Portfolio-Prozess heißt der, wann ist der Return of Invest,
wie groß ist die Marge. Und wenn man dann sieht, na ja, ich weiß noch nicht
genau, wann der Return of Invest ist, weil ich so in der Frühphase des Pioniers
bin, das ist halt das Risiko des Pioniers, er weiß halt nicht, was letztendlich
rauskommt, ich muss F&E, und zwar mit der Facette risikobehaftetes Geld, dort
reinstecken, das kann auch weg sein. Und dann ist es mir lieber, ich nehme das
Geld in was Sicheres, bau meine Plattform weiter aus, weil ich weiß, da sind die
Margen groß und so weiter. Also, da müssen wir auch noch an uns arbeiten, dass
wir wirklich auch mal es schaffen, in diese Pionierrolle reinzukommen. Und dazu gehört auch das richtige Management dazu, die bereit sind, dieses Risiko
auch anzunehmen.“ 960
Wirklich lösen lässt sich dieser Konflikt mit unternehmerischem Risiko, was nur
vom obersten Leitungskreis eines Unternehmens getragen werden kann. Daher gibt
ein Interviewpartner an, dass im Falle von radikalen Innovationen, die teilweise das
heutige Geschäft kannibalisieren, das Management in der Verantwortung ist, diese
zu initiieren.
Organisationale Faktoren
Strategische Frühaufklärung kann besser im Unternehmen Wirkung finden, wenn
die Top-Management-Attention und -Unterstützung gesichert ist. Das oberste Management muss die Bedeutung einer Frühaufklärung kennen und konsequent fördern.
959
960
Manager 2.
Manager 4.
197
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
6.1.2.2 Fallbeschreibung 1
Die international agierende Geschäftseinheit gehört zur Branche der Herstellung
von elektrischen Ausrüstungen und stellt Produkte mit langen Lebenszyklen her.
Durch die verschiedenen Produktgruppen unterteilt sich der Geschäftsbereich in
weitere Segmente, denen wiederum die Produktverantwortung obliegt. Das Produktgeschäft kennzeichnet sich hauptsächlich durch Seriengeschäft, vereinzelt wird
jedoch in einigen Segmenten Projektgeschäft durchgeführt. Es findet im klassischen
Sinn F&E sowie Produktmanagement statt, ohne eine eigene Instanz für Frühaufklärung vorzuweisen. Insgesamt ist der Geschäftsbereich stark dezentral organisiert,
wobei die Entwicklung mehrere Produktbereiche verantwortet.
Das Branchenumfeld der Geschäftseinheit wird durch wenige radikale Änderungen
und Neuerungen bestimmt. Sowohl Kundenanforderungen als auch Schlüsseltechnologien sind relativ stabil. Schlüsseltechnologien folgen den Entwicklungen in
anderen Branchen. Die Marktentwicklung lässt sich recht gut abschätzen. Die Wettbewerbsstruktur ist sehr klar umrissen: es gibt einige große Unternehmen am Markt,
die international agieren sowie viele verschiedene lokale Wettbewerber. Die Branchenkomplexität ist mittelmäßig. Die etablierten Technologien sind reif und bestimmen seit geraumer Zeit das Branchenumfeld. Kunden und bediente Branchen
können durch den Geschäftsbereich eindeutig bestimmt werden. Staatliche Regulierungen treten immer wieder auf und müssen bei der Entwicklung von Produktkonzepten beachtet werden.
Der Geschäftsbereich verfolgt eindeutig eine Pionierstrategie, um den langfristigen
Erfolg zu sichern und die höheren Preise zu rechtfertigen. Nichtsdestotrotz findet
sich keine konsequente Ausrichtung des Geschäftsbereiches an dieser Strategie,
daher weist die Umsetzung klare Verbesserungspotenziale auf. Die Produkte adressieren eine eindeutige Kundenorientierung, wenn auch teilweise Technology-Push
als Quelle des Wettbewerbsvorteils anzusehen ist.
Die Kultur des Geschäftsbereiches ist eher als konservativ zu bezeichnen. Entscheidungen werden nur auf fundierten Grundlagen getroffen, ohne dabei zu großes Risiko einzugehen. Die Offenheit ggü. Neuem ist zwar vorhanden, muss sich aber Risikoaversion und den Entscheidungsprozessen unterordnen. Zusammenfassend sind
die wichtigsten Eigenschaften des Geschäftsbereiches in Tab. 6-5 dargestellt.
198
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Unternehmenskontext
Unternehmen
Größe
Strategie
Kultur
Umsatz
> 1 Mrd.
Mitarbeiter
> 15.000
Wettbewerbsstrategie
Differenzierungsstrategie
Quelle des Wettbewerbsvorteils
Kundenorientierung
Innovationsstrategie
Pionierstrategie
Risikobereitschaft
Gering
Entscheidungsfreude
Mittelmäßig
Offenheit ggü. Neuem
Mittelmäßig
Branche
Bezeichnung
Herstellung von elektrischen Ausrüstungen
Komplexität
Mittelmäßig
Dynamik
Mittelmäßig
Tab. 6-5: Überblick über die kontextuellen Faktoren des Falles 1 (Quelle: Eigene Darstellung)
Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
Innerhalb der Geschäftseinheit gibt es keine Standardinstanz, die zentral die Funktion der strategischen Frühaufklärung übernimmt. Strategische Frühaufklärung wird
in verschiedenen Abteilungen mit entsprechenden Schwerpunkten und variierenden
Zeitpunkten betrieben. Insofern werden die Ziele der Frühaufklärung, vor dem
Wettbewerb mit Produkten auf den Markt zu kommen und wichtige Trends nicht zu
verpassen, nicht adäquat durch die Aufstellung der Tätigkeiten repräsentiert.
In der F&E Abteilung werden hauptsächlich technologische Informationen gesammelt, um über Wettbewerbsvergleiche, Verbände und Hochschulkooperationen
neue Technologien oder Features frühzeitig zu erkennen. Der Zeithorizont beschränkt sich hierbei auf das kurz- bis mittelfristige Umfeld bis maximal 5 Jahre.
Durch diese Form der Umfeldbetrachtung werden hauptsächlich Entwicklungsprojekte abgeleitet, die in die Entwicklungsroadmap einfließen. Damit werden nicht
nur Informationen gesammelt, sondern auch dezidiert Handlungen abgeleitet.
Darüber hinaus findet im Produktmanagement Frühaufklärung statt, wobei die nötigen Informationen vom jeweiligen Produktmanager je nach Bedarf gesammelt werden. Ein Interviewpartner fasst dies wie folgt zusammen:
199
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
„(…) es gibt verschiedene Aspekte von strategischer Frühaufklärung. Die sind
nicht homogen angesiedelt in einer Position oder in einem Job (…), sondern jeder, der Funktionen, die sich im weitesten Sinne mit Portfolio-Entwicklung oder
neuen Produkten beschäftigt, betrachtet die Dinge, die seiner Aufgabe nahe
sind.“961
Betrachtet werden zum größten Teil Entwicklungen in dem Mikroumfeld des Unternehmens. Marktanalysen werden für einzelne Branchen und Regionen erstellt
und Kundenbefragungen zu bestimmten Themen durchgeführt. Vereinzelt werden
Entwicklungen außerhalb der eigenen Branche und politisch-regulatorische Rahmenbedingungen analysiert. Die dort identifizierten Haupttrends münden in Produkte, die bei Marktreife auf den Markt gebracht werden, d.h. die so gewonnenen
Informationen dienen zur Entscheidung in der Produktportfolioplanung und damit
als Grundlage für den darauf aufbauenden Produktprozess. Zudem werden die
Frühaufklärungsinformation zur Lastenhefterstellung genutzt, wo sie kaum eine
frühaufklärende Wirkung ausüben, sondern nur zur nachträglichen Rechtfertigung
von Produktentscheidungen dienen.
Die gewonnenen Informationen der F&E Abteilung und des Produktmanagements
werden nur innerhalb des für die Produktentstehung relevanten Teilnehmerkreises
kommuniziert. Eine Kommunikation in weiten Teilen des Geschäftsbereiches zur
Visionsbildung erfolgt nicht. Tab. 6-6 gibt Aufschluss über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung in dem vorliegenden Fall.
961
Produktmanager 2.
200
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Ausmaß der Frühaufklärung
Organisation
Form
Sammelposten
Ausmaß Prozess
Erfassung und Analyse
Art der Durchführung
Kontinuierliche Frühaufklärung beinhaltet projektbasierte,
themenspezifische Frühaufklärung
Integration in andere Prozesse
Frühaufklärung regt Innovationsmanagementaktivitäten an
Kommunikation der Frühaufklärungsinformationen werden nur in bereichsinterErgebnisse
nen Meetings in betroffenen Abteilungen ausgetauscht
Informationssammlung
Reichweite
Scannen im aktuellen Geschäftsfeld und speziellen Interessengebieten
Tiefe
Scannen im Bereich Technologie und in wenigen anderen
Bereichen
Zeithorizont
kurz- und mittelfristige Zukunft (1-2 Produktgenerationen)
Quellen
Nutzen von einigen eingeschränkten Quellen, die einen
Wettbewerbsvorteil ermöglichen
Netzwerke
Intern
Formeller Austausch zwischen den Abteilungen wird gefördert
Extern
Formeller Austausch zu externen Kontakten wird gefördert,
einige Mitarbeiter hegen informelle Kontakte
Tab. 6-6: Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung im
Fall 1 (Quelle: Eigene Darstellung)
Charakterisierung der Innovationsfähigkeit
In dieser Geschäftseinheit gibt es keinen offiziell gelebten Innovationsprozess,
vielmehr wurden zur Wahrnehmung von Innovationsaufgaben eine Portfolioplanung und ein Produktentstehungsprozess eingeführt, die diese Aufgaben übernehmen.
Die Innovationen, die entstehen, sind hauptsächlich inkrementeller Natur und gehören zur fortlaufenden Produktpflege. Allenfalls 10 Prozent der Produkte weisen radikalen Charakter auf, wobei dies auf Einschätzungen der Befragten beruht. Besonders neue Produktplattformen gehören zu diesen radikalen Neuerungen.
Insgesamt bescheinigen alle Befragten der Geschäftseinheit sehr gute Innovationsfähigkeiten. Als Indiz sehen sie hierfür die Marktposition, vorhandene Ressourcen
201
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
und Produkteinführungen vor dem Wettbewerb. Nichtsdestotrotz widersprechen
sich einige Interviewpartner mit ihrer Analyse, da sie erhebliche Mängel aufzählen.
So schildert ein Interviewpartner, dass teilweise Trends nicht wahrgenommen werden und demnach auch keine passenden Produkte am Markt gebracht wurden:
„Also es gab ein paar Fälle, wo wir tatsächlich Schwierigkeiten hatten. (…) da
kamen plötzlich Typen auf, die wir lange Zeit so nicht richtig wahrgenommen
haben. Und dann sind wir ein bisschen ins Hintertreffen geraten, konnten eigentlich das, was der Markt aktuell verlangt hat, nicht anbieten und mussten in einem riesigen Kraftakt diese Dinge nachziehen.“962
Demzufolge ist die durchgeführte Frühaufklärung nicht ausreichend, um notwendige Veränderungen frühzeitig aufzudecken. Ein Manager erläutert weiter dazu, dass
vor allem Unternehmensgröße und das regelmäßige Tagesgeschäft die Einführung
von wirklich radikalen Produkten verhindern.
„Also ein Unternehmen von der Größe wie unseres ist nicht so richtig dazu geeignet, der erste Doktor einer neuen Technologie zu sein. (…) Wir sind unheimlich beschäftigt mit unseren normalen Entwicklungen und es fehlt die innovative
Bastlerecke, die sich mit irgendwelchen spinnerten Ideen befassen kann, die
vielleicht noch gar nicht reif sind.“963
Damit wird gerade die Innovationsgeschwindigkeit zu einem entscheidenden Faktor
der Innovationsfähigkeit. Vor allem Entwicklungen, die erkannt wurden, wurden
teilweise aufgrund von komplexen Unternehmensstrukturen und Entscheidungsprozessen nicht weiter verfolgt und konnten nicht umgesetzt werden.
Wirkung der strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit
Wie auch bei dem Ausmaß der Tätigkeiten muss auch bei der Wirkung der Frühaufklärungsaktivitäten zwischen geschäftsbereichsspezifischen und unternehmensweiten Aktivitäten unterschieden werden.
Die geschäftsbereichsinternen Tätigkeiten sowohl der F&E Abteilung als auch die
des Produktmanagements gelten als Input für die Entwicklungs- sowie Produktroadmap und damit als Ausgangspunkt des Innovationsprozess. Die Befragten geben
an, dass auf Grundlage der Frühaufklärungsaktivitäten sowohl neue Kompetenzen
aufgebaut wurden als auch bestehende Kompetenzen weiter ausgebaut werden, d.h.
sowohl Exploitation als auch Exploration gefördert werden. Nichtsdestotrotz bleibt
eine deutliche Mehrheit an realisierten inkrementellen Innovationen. Ein Produkt-
962
963
F&E Manager 2.
Produktmanager 2.
202
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
manager gibt jedoch auch zu bedenken, dass Trends nicht immer die einzige Quelle
von Innovationen darstellen, sondern dass viele Kundenanforderungen den Ausgangspunkt für Weiterentwicklungen darstellen. Insgesamt wird mit bevorstehenden
Technologiebrüchen gerechnet, die wiederum neue Kompetenzarten entstehen lassen werden. Bisher wird jedoch wenig unternommen, um mit Frühaufklärung diese
Veränderungen rechtzeitig in neue Produkte münden zu lassen. Damit erfüllt hier
Frühaufklärung eher eine Rechtfertigungsfunktion für bestehende Produkte.
Die Wirkung der bereichsübergreifenden Tätigkeiten ist eher gering und beschränkt
sich auf die Vorfeldentwicklung. Diese arbeitet eng mit der F&E Abteilung des Geschäftsbereiches zusammen. Daher können die dort identifizierten technologischen
Trends Anwendung finden. Die Wirkung ähnelt den vorhergehenden Erläuterungen
zu den internen Aktivitäten. Die in der Strategieabteilung vorgenommenen Aktivitäten wirken sich bisweilen kaum aus, so dass die Innovationsfähigkeit nicht weiter
gefördert wird.
Erfolgsfaktoren der Nutzung der strategischen Frühaufklärung
Die Faktoren, die eine Nutzung der strategischen Frühaufklärung einschränken oder
fördern, lassen sich analog zu denen der bereichsübergreifenden Darstellung in Faktoren der Durchführung der strategischen Frühaufklärung, der Implementierung der
aufgegriffenen Ideen und Ressourcenfaktoren zusammenfassen. Insgesamt sind es
hauptsächlich Schwächen in der Durchführung, die eine Wirkung der Frühaufklärung einschränken. Dabei wird vor allem die angewandte Methodik kritisiert: das
Sammeln und Filtern von Frühaufklärungsinformationen wird nicht strukturiert
durchgeführt. Die Informationsflut, vor allem auch durch konzernweite Aktivitäten
wird somit nicht eingeschränkt.
„(…) es ist unheimlich schwierig, aus den Unmassen von Informationen, die es
tatsächlich gibt, (…), da herauszufiltern, was eigentlich wirklich relevant ist oder nicht, ist nicht ganz einfach.“964
Die Informationen, die in vielen Stellen der Geschäftseinheit gesammelt werden,
werden nicht nochmal gebündelt oder zusammengefasst. Dies könnte durch das
Vorhandensein eines Innovationsmanagers, der die gesamten Frühaufklärungs- und
Innovationsaktivitäten bündelt, zusammenfasst und ggf. Handlungsbedarf aufzeigt,
behoben werden.
„Deswegen fände ich ja die Stelle eines Innovationsmanagers auch gar nicht so
schlecht (…). Aber wenn ich mir betrachte, welchen Anteil wir insgesamt für
964
Produktmanager 2.
203
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Produktpflege, mit allem, was da dranhängt, verbringen und welchen Anteil wir
mit wirklich Innovationsscouting verbringen, der ist nicht so wie er sein sollte.“965
So könnte mit Hilfe eines Innovationsmanagers ein Sprachrohr für Ideen und Portfoliolücken gefunden werden, die durch Trends und Umfeldbeobachtung entdeckt
wurden. Insofern wird der Handlungsdruck erhöht und ggf. eine Handlung durchgesetzt.
Oftmals können die durch die Trends identifizierten Ideen und damit benötigten
Kompetenzen im Sinne von Exploration nicht genutzt werden, da sie nicht zu den
bestehenden Innovationsfähigkeiten der Organisation passen bzw. die Organisation
aufgrund ihrer Erfahrungen und Kultur nicht bereit ist, diese anzueignen.
„Ich behaupte mal es gibt Grenzen, (…) wo es uns unheimlich schwer fällt, die
zu überschreiten, also im Sinne, welche Technologie möchte ich mir eigentlich
aneignen und wo fühle ich mich ‚comfortable’, also wohl mit Dinge aneignen,
und welche Technologien müsste ich eigentlich haben im eigenen Haus und verstärkt ausbauen, wo fühle ich mich aber überhaupt nicht so schrecklich
wohl.(…) ich tue mich unheimlich schwer, …einen Hebel zu finden, um die Organisation oder die Entwicklung zu motivieren, an der Stelle wirklich was zu
tun.“966
In diesem Zusammenhang tragen auch oft politische Entscheidungen dazu bei, dass
besonders neuartige Innovationen nicht getätigt werden. Damit wird wiederum die
Bedeutung der Unterstützung des Top-Managements hervorgehoben. Das TopManagement sollte Prozesse zum Sammeln und Nutzen von zukunftsrelevanten Informationen unterstützen und damit dazu beitragen, dass die Wirkung sukzessiv
verbessert wird.
Als ein letztes Hemmnis werden Ressourcen angegeben. Vor allem finanzielle Ressourcen wie F&E Mittel und personelle Ressourcen hindern die Nutzung der Frühaufklärung im Innovationsmanagement.
Fazit
Insgesamt zeichnet sich Fall 1 durch ein konservatives Umfeld aus, verfolgt jedoch
ambitionierte Innovationsziele. Mangels unzureichender Frühaufklärung, die in diesem Fall klassisch in den involvierten Abteilungen aufgeteilt wird und durch die
fehlende Integration bereichsübergreifender Tätigkeiten werden Innovationziele
965
966
Produktmanager 2.
Produktmanager 2.
204
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
nicht erreicht. Die Kompetenzentwicklung ausgelöst durch Exploration kann somit
nicht stattfinden, im Ergebnis entstehen demnach keine radikalen Innovationen.
6.1.2.3 Fallbeschreibung 2
Die untersuchte Geschäftseinheit lässt sich in vier Geschäftsfelder unterteilen. Diese
vier Geschäftsfelder bieten Produkte in Form von verschiedenen Regelsystemen für
industrielle Anlagen an. Das Produktspektrum konzentriert sich hauptsächlich auf
Serienfertigung, die mit klassischer F&E bedient wird. Für das geringe Volumen an
Projektgeschäft wurde ein Requirement-Engineering967 etabliert. Die Organisation
profitiert von einer Matrixorganisation: den einzelnen Technologiekompetenzen
werden einzelne Produktlinien, die von Projektmanagern verantwortet werden, gegenübergestellt.
Die Branchenkomplexität wird durch die internationale Aufstellung und vielfältige
Wettbewerber erhöht, ist aber insgesamt mittelmäßig. Die Veränderungen in der
Branche sind mittelfristig gut erkennbar, wenngleich der Wandel immer schneller
eintritt. Zudem steht ein Technologiewandel in den Grundlagentechnologien bevor,
der viele Veränderungen mit sich bringt. Trotz aufkommender neuer Felder verlässt
sich der Geschäftsbereich derzeit noch auf alte Stärken.
Die Geschäftseinheit verfolgt in vielen ihrer Produktbereiche eine klare Innovationsführerstrategie. Nichtsdestotrotz gibt ein Interviewpartner zu bedenken, dass
diese Strategie nicht vollends im Unternehmen umgesetzt wird.968
Die Unternehmenskultur ist eher innovationshemmend und wird durch Risikoscheue und daten- und faktenbasierten, längeren Entscheidungsprozessen charakterisiert. Auch wenn die Offenheit ggü. Neuem vorhanden ist, werden ungern Alternativen jenseits des bestehenden Geschäftes gesucht und akzeptiert. Der Unternehmenskontext findet sich zusammenfassend in Tab. 6-7.
967
Reine Produktpflege und Anpassungsentwicklungen.
Als Beispiel fügt er hinzu, dass zwar die Innovationsführerstrategie etabliert ist, jedoch gleichzeitig der Wunsch nach Kostenführerschaft vorherrscht.
968
205
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Unternehmenskontext
Unternehmen
Größe
Strategie
Kultur
Umsatz
> 1 Mrd.
Mitarbeiter
5.000 – 15.000
Wettbewerbsstrategie
Differenzierungsstrategie
Quelle des Wettbewerbsvorteils
n/a
Innovationsstrategie
Pionierstrategie
Risikobereitschaft
Gering
Entscheidungsfreude
Mittelmäßig
Offenheit ggü. Neuem
Mittelmäßig
Branche
Bezeichnung
Herstellung von elektrischen Ausrüstungen
Maschinenbau
Komplexität
Mittelmäßig
Dynamik
Mittelmäßig
Tab. 6-7: Überblick über die kontextuellen Faktoren des Falles 2 (Quelle: Eigene Darstellung)
Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
Die Frühaufklärungsthemen werden in der F&E und in dem Portfolio-/Innovationsmanagement aufgegriffen, wobei wiederum Schwerpunkte je nach Aufgabenbereich
gesetzt werden.
In diesem Zusammenhang beschränkt sich die Frühaufklärung in F&E auf technologie- und wettbewerbsspezifische Aspekte der Frühaufklärung. Der Zeithorizont ist
allenfalls mittelfristig bis fünf Jahre im Voraus. Alle Themen, die über diesen Zeithorizont hinausgehen, werden extern an Universitätsnetzwerke, Forschungsinstitute
und -projekte vergeben. Technologiefelder werden einem Experten zugewiesen,
dieser verantwortet die Beobachtung relevanter Entwicklungen und Trends im
Technologiefeld. Dieser ist auch für die Initiierung der Kooperationen bei längerfristigem Zeithorizont zuständig. Bei Identifizierung von Handlungsbedarf werden
ggf. Vorfeldprojekte abgeleitet und Investitionen getätigt. Auf Basis der Trends
werden dann erste Entscheidungen getroffen. Bei Relevanz eines Technologietrends
werden so Vorfeldprojekte mit gesamtunternehmensspezifischen Entwicklungseinheiten ausgelöst, die bis zur Produktumsetzung reichen, falls beobachtete Trends
ihre Relevanz beibehalten. Gleichzeitig verfolgt der Produktmanager die kurzfristi-
206
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
gen Marktentwicklungen und stimmt diese mit dem Experten des Technologiefeldes
ab.
Gleichzeitig verfügt die Geschäftseinheit über ein Portfolio- und Innovationsmanagement, in dem der Innovationsmanager den Rahmen für künftige Projekte setzt.
In dieser Funktion wird die Frühaufklärung eher mit mittel- bis langfristigen Zeithorizont durchgeführt. Trends und Zeichen aus der Umwelt werden systematisch gesammelt, vor allem durch das Zusammentragen von bereits erstellten Szenarien aus
gesamtbereichsbezogenen Abteilungen oder verwandten Geschäftsgebieten. Damit
wird der direkte Austausch zu anderen Frühaufklärungsaktivitäten sichergestellt.
Der Schwerpunkt liegt nicht nur auf Umfeldbereichen der Mikroumwelt, sondern
auch der Makroumwelt. Aus dieser Umfeldbetrachtung entstehen allgemeine Innovationsfelder, die helfen systematisch zu agieren. Aufbauend darauf finden dann
Innovationsworkshops statt, um die einzelnen Felder mit Ideen zu befüllen. Gleichzeitig dienen sowohl die Trends als auch die Innovationsfelder zur Bewertung der
Ideen, die aus dem Unternehmen kommen. Innovationsideen werden anhand des zu
erwartenden Kundennutzens, der Marktgröße, der Umsetzungsfähigkeit und der
Erfolgswahrscheinlichkeit bewertet. Die Umsetzungsfähigkeit ist wiederum direkt
mit der Innovationsfähigkeit verbunden: entweder kann die Idee mit bestehenden
Kompetenzen realisiert werden oder durch Vorfeldprojekte oder Akquisitionen
werden die Fähigkeiten aufgebaut.
Tab. 6-8 gibt Aufschluss über die Ausprägungen der einzelnen Dimensionen des
Ausmaßes der strategischen Frühaufklärung in diesem Geschäftsbereich.
207
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Ausmaß der Frühaufklärung
Organisation
Form
Observatory
Ausmaß Prozess
Erfassung, Analyse und Reaktionsstrategien
Art der Durchführung
Kontinuierliche Frühaufklärung beinhaltet projektbasierte,
themenspezifische Frühaufklärung
Integration in andere Prozesse
Erkenntnisse der Frühaufklärung in Strategie und Innovations-management genutzt
Kommunikation der Frühaufklärungsinformationen werden nur in bereichsinterErgebnisse
nen Meetings in betroffenen Abteilungen ausgetauscht
Informationssammlung
Reichweite
Scannen in aktuellen und benachbarten Geschäftsfeldern
Tiefe
Scannen verschiedener Bereiche des Unternehmensumfeldes
mit variierender Intensität
Zeithorizont
kurz-, mittel- und langfristige Zukunft
Quellen
Nutzen von vielen Quellen, die einen Wettbewerbsvorteil
ermöglichen
Netzwerke
Intern
Formeller und informeller Austausch zwischen den Abteilungen wird gefördert
Extern
Formeller Austausch zu externen Kontakten wird gefördert,
einige Mitarbeiter hegen informelle Kontakte
Tab. 6-8: Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung im
Fall 2 (Quelle: Eigene Darstellung)
Charakterisierung der Innovationsfähigkeit
Die Interviewten bescheinigen dem Geschäftsbereich eine ausgeprägte Innovationsfähigkeit. Sobald die Rahmenbedingungen für Innovationsideen im Unternehmen
gesetzt sind, werden Innovationen sehr erfolgreich umgesetzt.
„(…) woran wir uns am Ende messen lassen müssen, ist dann, was haben wir
denn eigentlich an Innovationsideen tatsächlich an den Markt gebracht. Aber
dass wir Innovation in den Markt bringen können, haben wir schon vielfach gezeigt.“
Insgesamt werden viele inkrementelle Innovationen hervorgebracht. Im Vergleich
zum Wettbewerb konnten jedoch einige radikalere Innovationen eingeführt werden,
208
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
die die Innovativität der Hauptproduktlinien unterstreichen. Die Innovationen beruhen hauptsächlich auf neuartigen Technologien oder Funktionen.
Nichtsdestotrotz wurde angegeben, dass teilweise Produkte an den Markt gebracht
wurden, die zwar hohes Innovationspotenzial aufwiesen, jedoch zu früh für die
Kundengruppen angeboten wurden, da sich der Markt dazu erst im Aufbau befand.
Demnach war das Timing der Markteinführung nicht angemessen.
Wirkung der strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit
Die strategische Frühaufklärung beeinflusst in der Geschäftseinheit in vielfältiger
Hinsicht das Innovationsmanagement allgemein und im Besonderen die Innovationsfähigkeit.
Die Frühaufklärung wirkt sich ganz grundsätzlich auf den Rahmen des Innovationsmanagements aus. Sie bietet dem Geschäftsbereich eine Systematik die Zukunft
zu denken und damit zu erklären, wie der Weg in die Zukunft beschreitet werden
kann. Da die Strategiediskussion somit transparenter und expliziter ist, wird damit
der Innovationsbedarf sowie -druck spürbar. Als eine Folge werden die Themen
greifbarer für die involvierten Mitarbeiter, ein idealer Ausgangspunkt, um den Bedarf an Exploitation und Exploration zu bestimmen. In diesem Zusammenhang
werden Portfoliolücken identifiziert und sukzessiv mit Innovationen gefüllt. Strategische Frühaufklärung dient ebenso zur Bewertung von Ideen. So werden Innovationsideen mit den identifizierten Trends abgeglichen und finden damit weitere Unterstützung. Im Falle von vorhandenen passenden Trends dient die Frühaufklärung
daher einer weiterreichenden Reifung und Verteidigung für neuartige Produktideen.
Die Aufstellung des Geschäftsbereiches mit einer eigenen Innovations- und Portfolioabteilung lässt auch die bereichsübergreifenden Aktivitäten optimaler wirken.
Die dort behandelten Themen werden systematisch aufgegriffen und münden in das
Innovationsmanagement. Die Vorfeldprojekte wirken sich wiederum in Zusammenarbeit mit der F&E Abteilung aus.
Insgesamt sind die Wirkungen auf die Innovationsfähigkeiten noch nicht vollends
einschätzbar, jedoch lässt sich ein positiver Einfluss sowohl auf die Exploitation als
auch die Exploration vermuten. Erste Innovationskompetenzen wurden akquiriert
und erweitert, jedoch eher komplementär zu bestehenden Kompetenzen. Folglich
kann man von einem „Competence stretching“ sprechen. Zudem wird Exploitation
gefördert, indem bestehende Kompetenzen weiter nutzbar gemacht wurden. Die
Umsetzung in konkrete Innovationen steht dahingegen noch aus.
Erfolgsfaktoren der Nutzung der strategischen Frühaufklärung
In diesem Fallbeispiel werden diverse hemmende und positive Faktoren genannt,
die die Wirkung der strategischen Frühaufklärung beeinflussen. Ein grundsätzliches
Problem stellt die Dominanz des operativen Tagesgeschäftes dar, die die Wirt209
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
schaftlichkeit des Unternehmens in den Vordergrund stellt und nicht so sehr den
zukünftigen Erfolg. In diesem Zusammenhang unterstreicht ein Interviewpartner,
dass Produktmanagern die Zeit fehlt sich neben ihren operativen Aufgaben der Zukunftssicht zu widmen. Folglich wird die Bedeutung einer separaten Organisationseinheit wie die Portfolio- und Innovationsabteilung ersichtlich, die diese Aufgaben
wahrnimmt und kontinuierlich Informationen mit Produktmanagement und Entwicklung austauscht. Als ein weiterer Erfolgsfaktor wird wiederum die Umsetzung
von neuen Ideen thematisiert. Der Erfolg des heutigen Geschäftes wird nicht einfach zugunsten von neuen Geschäftsideen und Innovationsfeldern aufgegeben. Damit erweist sich eine gewisse kulturelle Barriere als Hemmnis. Zudem schaffen es
einige Innovationsideen nicht von guten Vorfeldprojekten zu konkreten Produktentwicklungen. Darin sind Schwierigkeiten in der Umsetzung des Innovationsprozesses und der Entscheidungsfindung des Unternehmens zu sehen. Ein weiterer
Faktor bezieht sich konkret auf die Durchführung der strategischen Frühaufklärung:
die Unterstützung des Top-Managements. Zum einen ist die Frühaufklärung durch
den CEO zu unterstützen und voranzutreiben, gerade um ihm eine adäquate Entscheidungsgrundlage zu bieten. Schließlich kann nur er die Verantwortung und damit das Risiko für Zukunftsthemen tragen. Zum anderen unterstreichen die Interviewten, dass Mitstreiter und Unterstützer aus dem mittleren Management von Bedeutung sind. Im Idealfall bildet sich ein Netzwerk von Mentoren, die die durch die
Frühaufklärung aufgegriffenen Themen weiter verfolgen. Weiterhin wurde in diesem Fall der Mangel an Ressourcen als entscheidend angesehen.
Fazit
Trotz der eher konservativen Aufstellung des Geschäftsbereiches wird hier durch
eine eigene Innovationsabteilung zum einen selbst intensiv Frühaufklärung betrieben und zum anderen besser Frühaufklärung aus den bereichsübergreifenden Abteilungen nutzbar gemacht. Dadurch zeigen sich entsprechend die Wirkungsmöglichkeiten der Frühaufklärung, indem nicht nur allgemein Exploitation und Exploration
gefördert wird, sondern die Wirkungsweise anhand des Initiierens von Handlungen,
des Bewertens von Ideen und der Strategiegebung deutlich wird.
6.1.2.4 Fallbeschreibung 3
Dieser Geschäftsbereich bestand zum Zeitpunkt des Interviews erst seit einem Jahr
und wurde aufgrund der allgemeinen Markt- und Technologieentwicklung gegründet. Teilweise lagen bereits entsprechende Fähigkeiten vor, die neue Branche zu
bedienen. Diese wurden durch den Aufbau neuer Fähigkeiten und Kompetenzen
210
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
ergänzt, um der Branche entsprechend Produkte auf den Markt zu bringen. Dies ist
vor allem durch das Bedienen neuartiger Kundengruppen zu erklären: wo bisher
hauptsächlich Industriekunden im Fokus stehen, ist es jetzt die Automobilindustrie.
Durch die erst kurze Entstehungsgeschichte ist der Geschäftsbereich mit ca. 100
Mitarbeitern noch recht klein.
Der Markt bestand bereits vor Eintreten des Bereiches mit definierter Wettbewerbsund Kundenstruktur. International herrschen zwar große Unterschiede in den Kundenanforderungen, nichtsdestotrotz bleiben die Grundbedürfnisse ähnlich. Technologien stammen teilweise aus anderen Branchen, divergieren aber noch. Die Dynamik der Branche ist als hoch anzusehen, da die Richtung der Marktentwicklung
noch offen ist. Quelle des Wettbewerbsvorteils liegt in Kunden- und Technologieorientierung. Derzeit verfolgt man eine Fast Follower Strategie, da bereits etablierte
Unternehmen am Markt Standards setzen. Nichtsdestotrotz strebt der Geschäftsbereich mittelfristig eine Pionierstrategie an, die bereits mit laufenden Projekten vorbereitet wird.
Die Unternehmenskultur ist als innovationsfreundlich zu bezeichnen. Die Risikobereitschaft, Entscheidungsfreude und Offenheit ggü. Neuem drückt sich durch die
Entstehung des Geschäftsbereiches aus und prägt das derzeitige Umfeld. Der Unternehmenskontext wird in Tab. 6-9 veranschaulicht.
Unternehmenskontext
Unternehmen
Größe
Strategie
Kultur
Umsatz
< 10 Millionen
Mitarbeiter
< 500
Wettbewerbsstrategie
Differenzierungsstrategie
Quelle des Wettbewerbsvorteils
Technologieorientierung
Innovationsstrategie
Fast Follower
Risikobereitschaft
Hoch
Entscheidungsfreude
Mittelmäßig
Offenheit ggü. Neuem
Mittelmäßig
Branche
Bezeichnung
Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen
Komplexität
Mittelmäßig
Dynamik
hoch
Tab. 6-9: Übersicht über die kontextuellen Faktoren des Falles 3 (Quelle: Eigene Darstellung)
211
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
Die bisherigen Frühaufklärungsaktivitäten finden zum größten Teil in der F&E Abteilung statt, weshalb hauptsächlich die Mikroumwelt mit dem Fokus auf Kunden,
Wettbewerber und Technologien beobachtet wird. Der Zeithorizont der Beobachtung liegt bei einem bis zu 10 Jahren. Umgesetzt wird in diesem Zusammenhang
vor allem ein Trendscouting, welches nicht ausschließlich intern durchgeführt wird,
sondern durch den Zukauf externer Berichte z.B. durch das Fraunhofer-Institut, bereichert wird. Damit will man sichergehen, alle relevanten Informationen aufzunehmen. Da das Trendscouting neue Produkte, Funktionen und Technologien identifizieren soll, wird im Anschluss entschieden, inwiefern diese Trends in Vorfeldprojekte münden. Diese Vorfeldprojekte können bei erfolgreicher Durchführung zu
Plattformentwicklungen umgesetzt werden, eine wichtige Grundlage der Produktentwicklung. Damit gehen die aus Trends generierten Ideen direkt in die Entwicklungs- und Technologieroadmap ein. Gleichzeitig können auch Ideen, die aus der
Entwicklung heraus generiert werden, mit Hilfe von Trends und Szenarien bewertet
werden. Demnach erfüllt die strategische Frühaufklärung damit zwei Rollen: die
des Inputgebers und die des Bewerters der Innovationsideen. Das Ausmaß der
Frühaufklärung wird in Tab. 6-10 deutlich.
212
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Ausmaß der Frühaufklärung
Organisation
Form
Sammelposten, teilweise Outsourcer
Ausmaß Prozess
Erfassung, Analyse, Reaktionsstrategien und Implementierung
Art der Durchführung
Kontinuierliche Frühaufklärung beinhaltet projektbasierte,
themenspezifische Frühaufklärung
Integration in andere Prozesse
Technology Foresight als Input für die Technologiestrategie
Kommunikation der Frühaufklärungsinformationen werden nur in bereichsinterErgebnisse
nen Meetings in betroffenen Abteilungen ausgetauscht
Informationssammlung
Reichweite
Scannen im aktuellen Geschäftsfeld
Tiefe
Scannen im Bereich Technologie und in wenigen anderen
Bereichen
Zeithorizont
kurz-, mittel- und langfristige Zukunft
Quellen
Nutzen von vielen Quellen, die einen Wettbewerbsvorteil
ermöglichen
Netzwerke
Intern
Formeller Austausch zwischen den Abteilungen wird gefördert
Extern
Formeller und informeller Austausch zu Externen wird gefördert
Tab. 6-10: Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung im
Fall 3 (Quelle: Eigene Darstellung)
Charakterisierung der Innovationsfähigkeit
Grundsätzlich ist die Innovationsbereitschaft sehr groß. Durch die kurze Geschichte
des Geschäftsbereiches lässt sich noch nicht konkret einschätzen, wie groß der Anteil an inkrementellen und radikalen Innovationen ist und wie erfolgreich sich der
Geschäftsbereich am Markt durchsetzen kann.
Wirkung der strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit
Der Interviewte war der Meinung, dass die durch die Frühaufklärung betriebene
Umfeldbetrachtung immer dazu führt die aktuellen Trends einzuschätzen und darauf aufbauend bestimmte Innovationen, ob nun radikaler oder inkrementeller Natur, zu initiieren. Dies wiederum führt automatisch zur Nutzung bestehender Fähig213
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
keiten, d.h. Exploitation und zum Aufbauen von neuen Fähigkeiten, Exploration.
Hervorgehoben wurde, dass aber gerade neuartige Themen dazu dienen, neue Kompetenzen aufzubauen. Ein Beispiel beschreibt diesen Sachverhalt näher:
„Wir haben uns gerade ein Innovationsthema angeschaut, wo wir momentan
noch nicht allzu viel machen und es wird Mitte Januar eine Entscheidung geben,
ob wir mehr im Bereich dieser Innovation machen. Wenn wir die Entscheidung
treffen, ja wir wollen das machen, dann werden wir für dieses Thema noch einmal 20 Leute extra einstellen.“969
Die bereichsübergreifenden Aktivitäten wirken vor allem durch die Vorfeldentwicklung, die mit der internen F&E kooperiert. Die Wirkung ist analog zu der vorher
geschilderten Einflussnahme. Die Projekte der Strategieabteilung spielen derzeit
eine untergeordnete Rolle, weil das Projekt vor Entstehen des Bereiches abgeschlossen war.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Frühaufklärung in diesem Geschäftsbereich grundsätzlich zu einer Stärkung der Innovationsfähigkeit beiträgt.
Erfolgsfaktoren der Nutzung der strategischen Frühaufklärung
Aufgrund der Neuartigkeit des Geschäftsbereiches lassen sich bisher nur wenige
hemmende und förderliche Faktoren ausmachen. Prinzipiell verhindern Ressourcenmangel und der Zeitdruck der operativen Tätigkeiten, dass strategische Frühaufklärung zum Einsatz kommt. Angesprochen wurde auch die Unterstützung des TopManagements, wenngleich der Interviewte nicht einschätzen konnte, ob sich dies
immer vorteilig auswirkt.
Fazit
Dieser kürzlich entstandene Geschäftsbereich ist einer höheren Dynamik ausgesetzt.
Aufgrund der Gründung ist der Bereich nur mit wenigen Ressourcen ausgestattet
und führt dementsprechend stark eingeschränkt Frühaufklärung mit bewusster Fokussierung auf ausgewählte Themen durch. Nichtsdestotrotz wird Frühaufklärung
genutzt, um die Innovationsaktivitäten zu leiten und konsequent die Innovationsfähigkeit auszubauen. Durch die übersichtliche Größe ist dabei eine schnelle und unkomplizierte Integration und Umsetzung der Ergebnisse möglich.
969
F&E Manager.
214
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
6.1.2.5 Fallbeschreibung 4
Der Geschäftsbereich weist insgesamt ein sehr vielfältiges Produktportfolio auf und
deckt mit den 26 Portfolioklassen verschiedene klassische Industrieapplikationen
ab. Neben dem klassischen F&E findet Engineering statt. Die Innovationszyklen
variieren aufgrund der Unterschiede im Portfolio sehr stark und reichen von Zyklen
von maximal 2 Jahren wie im B2C-Bereich bis zu 20 Jahren in großen technischen
Anlagen. Trotz dieser Unterschiede bleibt der Kunde insgesamt sehr konservativ
und scheut große technische Veränderungen. Folglich entwickeln sich Technologien und Kundenbedürfnisse relativ stabil und der Wandel lässt sich gut abschätzen.
Der Geschäftsbereich verfolgt in vielen Bereichen des Produktportfolios eine Innovationsführerschaft. Einige Bereiche können sich bisher nur als Fast Follower positionieren, jedoch werden Maßnahmen umgesetzt, die eine Innovationsführerschaft
bezwecken. Getrieben werden Innovationen zum größten Teil durch Kundenorientierung (2/3 des Portfolios).
Die Kultur des Geschäftsbereiches ist durchschnittlich innovationsfreundlich. Risiken werden nicht gescheut, aber nicht unbedacht eingegangen. Die Entscheidungsfreude ist im Vergleich zu anderen Geschäftsbereichen hoch, wird jedoch durch
feste Strukturen bestimmt. Die Offenheit Neues auszuprobieren ist in diesem Bereich sehr ausgeprägt. Daher kommen oft Anfragen aus anderen Unternehmensteilen oder vom Kunden, wenn neue Ideen vorliegen, die einen Mentor benötigen. Zusammenfassend zeigt Tab. 6-11 die wichtigsten Eigenschaften des Kontextes des
Unternehmensbereiches.
215
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Unternehmenskontext
Unternehmen
Größe
Strategie
Kultur
Umsatz
100 Mio. – 1 Mrd.
Mitarbeiter
500 – 5.000
Wettbewerbsstrategie
Differenzierungsstrategie
Quelle des Wettbewerbsvorteils
Sowohl Kunden- als auch Technologieorientierung
Innovationsstrategie
Fast Follower, in ausgewählten
Produktbereichen Pionierstrategie
Risikobereitschaft
Hoch
Entscheidungsfreude
Mittelmäßig
Offenheit ggü. Neuem
Hoch
Branche
Bezeichnung
Herstellung von elektrischen Ausrüstungen
Komplexität
Mittelmäßig
Dynamik
Mittelmäßig
Tab. 6-11: Übersicht über die kontextuellen Faktoren des Falles 4 (Quelle:
Eigene Darstellung)
Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
Strategische Frühaufklärung wird hauptsächlich in der Technologie- und Innovationsabteilung innerhalb der F&E durchgeführt. Das Produktmanagement leistet wenig Frühaufklärung, forciert aber einen regelmäßigen Austausch mit F&E. Die Tätigkeiten der Innovationsabteilung beziehen sich in diesem Geschäftsbereich vor
allem auf das Sammeln von marktseitigen und technologischen Trends, demnach
eher die Mikroumwelt des Unternehmens. Themen, die die Makroumwelt bedienen,
stammen aus gesamtunternehmensbezogenen Abteilungen. Mit diesen erfolgen
auch regelmäßige Arbeitskreise, um den Austausch der Informationen zu gewährleisten. Diese Informationen gelangen dann in die marktseitige und technologische
Trendbeobachtung des internen Technologie- und Innovationsmanagements.
Um die Technologiebeobachtung zu steuern, wurden aus dem Gesamtportfolio 13
kritische Technologien abgeleitet. In diesen Technologiefeldern wird kontinuierlich
nach Neuerungen gesucht. Die Suche erfolgt dabei eher kurz- bis mittelfristig.
Gleichzeitig werden Marktbeobachtungen mit mittelfristigem Charakter vorgenommen. In diesem Zusammenhang werden Kundenbefragungen durchgeführt,
wodurch weniger radikale Innovationen entstehen. Diese beiden Trendbeobachtungen stellen die Ausgangsbasis für den Produktentwicklungsprozess dar.
216
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
„Aber das sind so die beiden wesentlichen Inputs nochmal zusammengefasst,
wir gucken uns die Technologietrends an, wir gucken uns die Markttrends an,
dann wir unsere Kunden ihre Strukturen, ihre Anlagen, was auch immer, verändern, dann kreuzen wir das sozusagen mit kritischen Technologien.“970
Markt- und Technologietrends werden anschließend mit Hilfe von anderen Instanzen wie gesamtunternehmensbezogenen Abteilungen oder Kooperationen mit Universitäten bewertet. Die Zusammenführung der Markt- und Technologietrends führt
zur Ermittlung des Innovationsbedarfes. Konkrete Produktideen werden anschließend mit Vertrieb, Leitkunden und Produktmanagement anhand von Machbarkeit
und Wirtschaftlichkeit geprüft. Tab. 6-12 verdeutlicht das Ausmaß der strategischen
Frühaufklärung in den einzelnen Dimensionen.
970
F&E Manager.
217
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Ausmaß der Frühaufklärung
Organisation
Form
Sammelposten, für technologiebezogene Themen Observatory
Ausmaß Prozess
Erfassung, Analyse, Reaktionsstrategien und Implementierung
Art der Durchführung
Kontinuierliche Frühaufklärung beinhaltet projektbasierte,
themenspezifische Frühaufklärung
Integration in andere Prozesse
Frühaufklärung regt Innovationsmanagementaktivitäten an
Kommunikation der Frühaufklärungsinformationen werden nur in bereichsinterErgebnisse
nen Meetings in betroffenen Abteilungen ausgetauscht
Informationssammlung
Reichweite
Scannen im aktuellen Geschäftsfeld und speziellen Interessengebieten
Tiefe
Scannen im Bereich Technologie und in wenigen anderen
Bereichen
Zeithorizont
kurz- und mittelfristige Zukunft (1-2 Produktgenerationen)
Quellen
Nutzen von einigen eingeschränkten Quellen, die einen
Wettbewerbsvorteil ermöglichen
Netzwerke
Intern
Formeller und informeller Austausch zwischen den Abteilungen wird gefördert
Extern
Einige Mitarbeiter haben formelle und informelle Kontakte
zu externen Kontakten
Tab. 6-12: Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung im
Fall 4 (Quelle: Eigene Darstellung)
Charakterisierung der Innovationsfähigkeit
Trotz der eher offenen Innovationskultur wird das Geschäft durch inkrementelle
Innovationen beherrscht. Dies ist vor allem auf die Abhängigkeit von anderen Geschäftsbereichen zurückzuführen, da meist komplementäre Produkte angeboten
werden. Diese Geschäftsgebiete bringen aber eher inkrementelle Innovationen auf
den Markt. Um radikalere Innovationen voranzutreiben, müssten vor allem Entscheidungen schneller getroffen werden. In der Geschichte des Unternehmensbereiches kam es zudem auch vor, dass zwar radikalere Produkte auf den Markt gebracht
wurde, jedoch die Marktseite nicht mitentwickelt wurde. Folglich fand das Produkt
218
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
beim Kunden keinen Absatz. Dies lässt auf ein grundsätzliches Timingproblem
schließen.
Wirkung der strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit
Frühaufklärung fungiert in diesem Unternehmensbereich als Inputgeber für den Innovationsprozess. Sie dient in diesem Zusammenhang demnach weniger als Strategiegeber, weshalb eine langfristige Entwicklung der Innovationsfähigkeit entfällt.
Nichtsdestotrotz wird durch das Aufspüren von Innovationsideen mit Hilfe von
Technologie- und Markttrends die Innovationsfähigkeit positiv beeinflusst. Da ein
reger Austausch zu geschäftsbereichsübergreifenden Abteilungen herrscht, fließen
die Ergebnisse in die laufende Innovationsplanung mit ein. Die bisherigen Ergebnisse führen eher zu einer Bestätigung der eingeschlagenen Innovationsstrategie.
Insgesamt dient die strategische Frühaufklärung auf diese Weise der Exploitation.
Trends und Szenarios werden dazu genutzt, den bisher eingeschlagenen Innovationsweg zu untermauern.
„Die [gemeint sind die Zukunftsszenarien, Anmerk. des Verf.] können wirklich
nur die Trends bestimmen, Bestätigung reinbringen und können das vielleicht
sogar noch einigermaßen über die Business Units (…) für wen trifft dann welcher Trends am ehesten zu.“971
Technologietrends führen zu einer Erweiterung der bisherigen Fähigkeiten. Ergebnis sind meist neue Features oder komplett neue Produkte. Die Initiativen, die aus
den gesamtunternehmensbezogenen Abteilungen stammen, dienen dazu, die Chancen auf radikale Neuerungen durch Exploration zu verbessern. Die Trendscouts
können schon früh passende Unternehmen aufspüren und ggf. Kooperationen oder
Akquisitionen einleiten.
Erfolgsfaktoren der Nutzung der strategischen Frühaufklärung
Die Interviewpartner können verschiedene hemmende und förderliche Faktoren
ausmachen. Die Filterung und Bewertung der Frühaufklärungsinformation stellen
einen wesentlichen Erfolgsfaktor dar. Zur sinnvollen Nutzung der Frühaufklärung
aus allgemeinen Zukunftsbildern muss die Relevanz für das Unternehmen abgeleitet
werden. Des Weiteren ist die Entscheidungsträgheit ein wesentliches Hemmnis, um
die Implikationen, die aus der Frühaufklärung gewonnen wurden, in die Produkte
umzusetzen. Insgesamt wird vielfach darauf hingewiesen, dass das operative Geschäft das Langfristdenken und damit auch die Wirkung im Innovationsmanage-
971
Innovationsmanager.
219
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
ment hindert. Gleichermaßen wirkt der Druck der Wirtschaftlichkeit, d.h. mit einem
neuen Produkt sofort Umsatz zu machen, hemmend.
Fazit
Dieser Geschäftsbereich konzentriert sich stark auf inkrementelle Innovationen,
also Exploitation der bestehenden Fähigkeiten. Strategische Frühaufklärung wird
zwar betrieben und integriert, dient aber meist der Validierung bestehender Vorhaben und selten der Ideengenerierung. Wenngleich Möglichkeiten zur Exploration
vorhanden sind, wird diese aufgrund der Dominanz des Tagesgeschäftes und langen
Entscheidungsprozessen gehindert.
6.1.2.6 Fallbeschreibung 5
Der Geschäftsbereich verkauft Produkte der Branche der Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen. Das Produktgeschäft ist ein Großseriengeschäft und wird vor allem durch den direkten Vertrieb an
den Kunden gekennzeichnet. Die Produktgruppen können in ca. 20 unterschiedliche
Cluster eingeteilt werden, weisen aber dennoch Ähnlichkeiten in den Anwendungsbereichen auf.
Das Unternehmensumfeld ist durchschnittlich komplex. Die Abhängigkeit von globalen Entwicklungen und von staatlichen Regulierungen ist ausgeprägt. Gleichzeitig sind vor allem Kunden- und Wettbewerbsstruktur eindeutig zu bestimmen. Die
Anzahl der global agierenden Wettbewerber ist überschaubar, allenfalls kleine regionale Unternehmen sind unbekannt. Die Basistechnologien sind ebenfalls schon
lange etabliert. Aus anderen Branchen wirken zunehmend Technologien, die in dem
Bereich noch keine Anwendung finden und eher radikaler Natur sind.
Die Branchendynamik ist eher gering. Da die Kunden sehr konservativ agieren, ändern sich deren Bedürfnisse nur langsam und langfristig. Insgesamt sind die Produktlebenszyklen mit 5-10 Jahren lang und nur wenige radikale Innovationen bestimmen den Markt. Damit ergibt sich ein sehr stabiles Umfeld für die Produkte und
eine gute Vorhersagbarkeit des Wandels.
Zur Bedienung der Kundengruppen verfolgt der Geschäftsbereich die Strategie einer Technologieorientierung. Eine Innovationsführerschaft wäre in allen Produktgruppen aufgrund der Kosten nicht umsetzbar, daher wird diese nur in ausgewählten
Produktclustern angestrebt. In den restlichen Produktgruppen wird die Strategie des
schnellen Folgers verfolgt.
Entsprechend der konservativen Einstellung der Kunden, ist auch die Innovationskultur konservativ. Die Risikobereitschaft ist sehr gering und die Entscheidungs220
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
freude mittelmäßig ausgeprägt. Das natürliche Umfeld des Unternehmens wird von
einem Interviewpartner folgendermaßen geschildert:
„Wenn nicht alles profitabel von vornherein gerechnet werden kann, dann wird
das Risiko gescheut und dementsprechend viele inkrementelle Innovationen und
keine radikalen Innovationen.“972
Die Offenheit gegenüber Neuem ist zwar vorhanden, muss sich aber der Risikoscheue unterordnen. Die zentralen Eigenschaften des Bereiches werden in Tab. 6-13
dargelegt.
Unternehmenskontext
Unternehmen
Größe
Strategie
Kultur
Umsatz
> 1 Mrd.
Mitarbeiter
5.000 – 15.000
Wettbewerbsstrategie
Differenzierungsstrategie
Quelle des Wettbewerbsvorteils
Sowohl Kunden- als auch Technologieorientierung
Innovationsstrategie
Pionierstrategie
Risikobereitschaft
Gering
Entscheidungsfreude
Mittelmäßig
Offenheit ggü. Neuem
Mittelmäßig
Branche
Bezeichnung
Herstellung von elektrischen Ausrüstungen
Komplexität
Mittelmäßig
Dynamik
Gering
Tab. 6-13: Übersicht über die kontextuellen Faktoren des Falles 5 (Quelle:
Eigene Darstellung)
Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
Strategische Frühaufklärung wird in diesem Geschäftsbereich vor allem in zwei
Abteilungen durchgeführt: in der F&E zur Steuerung der Vorfeldprojekte sowie in
dem strategischen Portfoliomanagement zur langfristigen Ausrichtung und Bestimmen des Produktportfolios.
972
F&E Manager.
221
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
In der F&E Abteilung wird hauptsächlich strategische Frühaufklärung mit technologischem Fokus betrieben. In diesem Zusammenhang werden das Screenen von
neuen Technologien, der aktuellen Technologieentwicklung und die Zusammenarbeit mit Hochschulen durchgeführt. Ziel ist das Priorisieren, Initiieren und Durchführen von Vorfeldprojekten, um sehr neuartige Technologien zur Marktreife zu
bringen. In diesem F&E Bereich werden ca. 10 Leute beschäftigt. Die Technologiebeobachtung wird für den Zeitraum von maximal 5-10 Jahre durchgeführt. Ausgehend und in Abstimmung mit der Produktroadmap wird darüber entschieden, welche Projekte mit welchem Partner durchgeführt werden. Es finden regelmäßig auch
Abstimmungen mit konzernübergreifenden Abteilungen statt. Die Ergebnisse der
internen Tätigkeiten und des konzernübergreifenden Austausches werden in regelmäßigen Meetings geteilt.
Deutlich umfassender wird strategische Frühaufklärung in der Abteilung zum strategischen Portfoliomanagement durchgeführt. Losgelöst von den operativen Aufgaben des Produktmanagements beschäftigen sich hier sechs Mitarbeiter mit der Definition des Produktportfolios. Im Rahmen dieser Abteilung werden folgende Themen bearbeitet:
Zunächst wird pro Produktgruppe eine Vision und Strategie erarbeitet. Vision und
Strategie thematisieren zukünftige Produktanforderungen und Kunden. Ausgehend
davon werden diese Zukunftsvorstellungen auf das heutige Produktportfolio runtergebrochen. Daraus lassen sich anschließend Maßnahmen, F&E- sowie Innovationsprojekte ableiten. Darüber hinaus werden Neuentwicklungsprojekte auf Basis der
Zukunftsbetrachtungen priorisiert. Der Schwerpunkt der Beobachtung liegt auf dem
Mikroumfeld des Unternehmens mit Kunden und Wettbewerbern. Themenspezifisch wird die Makroumwelt betrachtet. Der Zeitraum der Betrachtung liegt bei
mehr als 10 Jahren.
Neben den regelmäßigen Tätigkeiten, werden in dieser Abteilung großangelegte
Innovationsprojekte betreut, die in Zusammenarbeit mit der F&E Abteilung und
weiteren gesamtunternehmensbezogenen Partnern durchgeführt werden. In dem
letzten Projekt wurden allgemeine Rahmentrends und gesellschaftliche Trends für
den Zeitraum 2025 entwickelt. Es entstanden vier Szenarien, die jährlich in der Abteilung aktualisiert werden. Aus diesem Projekt entstanden wiederum Technologieund Produktanforderungen sowie Definitionen der Kundenmarktbedürfnissen der
Zukunft.
Zusammenfassend sind die Ergebnisse des Ausmaßes der Frühaufklärung in Tab.
6-14 abgebildet.
222
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Ausmaß der Frühaufklärung
Organisation
Form
Observatory
Ausmaß Prozess
Erfassung, Analyse, Reaktionsstrategien und Implementierung
Art der Durchführung
Kontinuierliche Frühaufklärung beinhaltet projektbasierte,
themenspezifische Frühaufklärung
Integration in andere Prozesse
Erkenntnisse der Frühaufklärung in Strategie und Innovations-management genutzt
Kommunikation der Frühaufklärungsinformationen werden nur in bereichsinterErgebnisse
nen Meetings in betroffenen Abteilungen ausgetauscht
Informationssammlung
Reichweite
Scannen in aktuellen und benachbarten Geschäftsfeldern
Tiefe
Scannen verschiedener Bereiche des Unternehmensumfeldes
mit variierender Intensität
Zeithorizont
kurz-, mittel- und langfristige Zukunft
Quellen
Nutzen von vielen Quellen, die einen Wettbewerbsvorteil
ermöglichen
Netzwerke
Intern
Formeller Austausch zwischen den Abteilungen wird gefördert
Extern
Einige Mitarbeiter haben formelle und informelle Kontakte
zu externen Kontakten
Tab. 6-14: Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung im
Fall 5 (Quelle: Eigene Darstellung)
Charakterisierung der Innovationsfähigkeit
Insgesamt zeichnet sich das Innovationsergebnis hauptsächlich durch inkrementelle
Innovationen aus. Im Vergleich zu den größten Wettbewerbern bezeichnen die Interviewpartner sich als sehr innovationsfähig, wenngleich einige Defizite deutlich
werden. Vor allem mittelständische Unternehmen überraschen häufig mit neuartigen Produkten. Trotzdem kann der Geschäftsbereich die verpassten Trends durch
die Größe kompensieren. Wenn Innovationen verpasst werden oder intern nicht
entwickelt werden können, werden Schlüsseltechnologien zugekauft. Prinzipiell ist
der Geschäftsbereich in der Lage, auch radikale Innovationsideen selbst hervorzubringen, jedoch scheitern diese an internen Entwicklungsprozessen und dem Zwang
der Wirtschaftlichkeit.
223
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Insgesamt ist die Innovationsfähigkeit damit eher mittelmäßig. Das volle Potenzial
kann durch interne Hürden nicht ausgeschöpft werden.
Wirkung der strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit
Bei der Beschreibung der Frühaufklärungstätigkeiten wurde deutlich, dass vor allem
die in dem strategischen Portfoliomanagement durchgeführten Aktivitäten dazu
dienen, die Produktstrategie zu bewerten sowie Produktideen abzuleiten und zu bewerten. Je nach Neuartigkeit werden dann entsprechend Vorfeldprojekte oder einfache Entwicklungsprojekte ausgelöst. Demnach dient die Frühaufklärung vor allem
als Strategieinstrument, Ideengeber, aber auch als Dienstleistung entlang des Innovationsprozesses. Insgesamt weisen die Interviewpartner trotzdem darauf hin, dass
auf Grundlage von Frühaufklärung eher bestehende Kompetenzen und Fähigkeiten
genutzt werden und damit das Portfolio beibehalten und weiterentwickelt wird.
Technologien werden z.B. eher in einem neuen Kontext angewendet, als dass komplett neue Technologien akquiriert werden. Damit dient Frühaufklärung der Bestätigung von erkannten Entwicklungstrends, folglich der Exploitation. Darüber hinaus
hilft Frühaufklärung den Zeitpunkt für substantielle Veränderungen der Innovationsfähigkeit zu verbessern. Solange noch Bestätigung für das aktuelle Geschäft
vorhanden ist, muss man noch keine radikalen Veränderungsprozesse initiieren.
Folglich werden Innovationen passend zu den Marktanforderungen auf den Markt
gebracht. Der Interviewpartner gibt dazu an:
„(…) aber vielleicht macht es trotzdem Sinn, nochmal eine inkrementelle Entwicklung zu machen, weil die Zeit noch nicht gekommen ist. Und bei dieser
Entscheidungsfindung helfen diese Analysen für die Rahmenbedingungen.“973
Diese Wirkung haben auch die bereichsübergreifenden Tätigkeiten, dargestellt in
6.1.2.1. Durch die Untergliederung in F&E und Strategisches Portfoliomanagement
wirken die bereichsübergreifenden Themen unterschiedlich. Die Vorfeldentwicklung wirkt sich maßgeblich in der F&E Abteilung aus und treibt derartig Innovationen. Die Ergebnisse der Strategieabteilung 2 werden von dem strategischen Portfoliomanagement aufgegriffen. Trotz der vielen neuartigen Ideen, verbleibt man vorerst beim Ausbau der bestehenden Fähigkeiten und damit inkrementellen Innovationen.
Erfolgsfaktoren der Nutzung der strategischen Frühaufklärung
Als wichtige Erfolgsfaktoren wird in diesem Geschäftsbereich wieder auf das Ableiten von konkreten Implikationen für das Tagesgeschäft verwiesen. Die Relevanz
973
Innovationsmanager.
224
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
für den Geschäftsbereich muss demnach konkret skizziert werden, um im Innovationsmanagement angewendet zu werden. Darüber hinaus wird das Ressourcenproblem benannt, was sich sowohl auf das allgemeine Budget als auch auf die Mitarbeiter, die Frühaufklärung durchführen, bezieht.
Vor allem kulturelle Barrieren werden für eine Erschwerung der Implementierung
der identifizierten Handlungsanweisungen verantwortlich gemacht. So bezweifelt
ein Manager, dass das Unternehmen wirklich in der Lage ist, Produkte einzuführen,
die auf disruptive Trends antworten und gleichzeitig, dass aktuelle Portfolio kannibalisieren. Er ist der Meinung, dass die gleichen Menschen diesen Schritt nicht umsetzen werden. Gleichzeitig wirken zu lange Entscheidungsprozesse negativ auf die
Wirkung der strategischen Frühaufklärung.
Der bisherige Erfolg des Unternehmens wirkt ebenfalls negativ auf die Wirkung der
Frühaufklärung.
„Wir haben mit unserem Geschäft, das wir ja haben, haben wir ein sehr gutes
Ergebnis. Und dadurch, dass das auch immer wieder neu eingefordert wird jedes
Jahr, ist das auch nicht vorgesehen, dass wir Abenteuer machen.“974
Neuartige Ideen, die durch strategische Frühaufklärung entstehen, werden demnach
immer wieder der Ergebnisorientierung des Geschäftsbereiches untergeordnet.
Fazit
Dieser Geschäftsbereich zeichnet sich insgesamt durch ein stabiles Umfeld für Innovationen aus und konzentriert sich hauptsächlich auf inkrementelle Innovationen.
Strategische Frühaufklärung wird sehr umfassend in dem Vorfeldbereich der F&E
mit Fokus auf Technologie und in einer Portfolioabteilung betrieben, die sich losgelöst vom Tagesgeschäft mit Frühaufklärungsthemen beschäftigen kann. Folglich ist
auch die Wirkung auf die Innovationsfähigkeit groß, wobei wiederum Wirkungsmechanismen deutlich werden. Strategische Frühaufklärung dient als Strategieinstrument, Ideengeber und dient zur Validierung bestehender Vorhaben. Trotz großen Potenzials zur Beeinflussung von Exploitation und Exploration, wird größtenteils erstere gefördert, da kulturelle Barrieren Exploration hindern.
6.1.2.7 Fallbeschreibung 6
Der Geschäftsauftrag dieser Geschäftseinheit besteht in der Fertigung und Vermarktung von Produkten zur Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen
974
Innovationsmanager.
225
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
und optischen Erzeugnissen. Mit knapp 10.000 Mitarbeitern werden mehrere Milliarden Umsatz generiert.
Die Branche des Geschäftsbereiches ist durch eine klare Struktur und demnach eindeutige Segmentierung der Kundengruppen gekennzeichnet. Die Anzahl der Wettbewerber ist überschaubar und relativ konstant. Regulierungen des Staates oder anderer Einrichtungen beeinflussen kaum das Tagesgeschäft.
Die Dynamik der Branche ist durch langsamen Wandel geprägt. Reife Technologien beherrschen den Markt und werden nur langsam ersetzt. Kurz- bis mittelfristig
ist der Wandel damit gut einschätzbar.
Der Geschäftsbereich arbeitet technologie- und kundenorientiert. Teilweise bringen
sie klassische Push-Innovationen auf den Markt, die durch neue Technologien oder
neuartige Konzepte geprägt sind. Gleichzeitig arbeiten sie mit Hilfe von konkreten
Kundenanforderungen und bringen diese in die Produkte. Größtenteils erlangt der
Bereich mit seinen Produkten eine Fast Follower Position. In ausgewählten Bereichen ist die Experimentierfreude jedoch größer und eine Innovationsführerschaft
wird verfolgt.
Die Innovationskultur ist schwach ausgebildet und wird durch geringe Risikobereitschaft, mittelmäßige Entscheidungsfreude sowie beschränkte Offenheit gegenüber
Neuem charakterisiert. Die wichtigsten Eigenschaften des Geschäftsbereiches werden in Tab. 6-15 zusammengefasst.
226
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Unternehmenskontext
Unternehmen
Größe
Strategie
Kultur
Umsatz
> 1 Mrd.
Mitarbeiter
5.000 – 15.000
Wettbewerbsstrategie
Differenzierungsstrategie
Quelle des Wettbewerbsvorteils
Sowohl Kunden- als auch Technologieorientierung
Innovationsstrategie
Fast Follower
Risikobereitschaft
Gering
Entscheidungsfreude
Mittelmäßig
Offenheit ggü. Neuem
Mittelmäßig
Branche
Bezeichnung
Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und
optischen Erzeugnissen
Komplexität
Mittelmäßig
Dynamik
Mittelmäßig
Tab. 6-15: Übersicht über die kontextuellen Faktoren des Falles 6 (Quelle:
Eigene Darstellung)
Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
Strategische Frühaufklärung findet in einer separaten Innovationsabteilung statt.
Die Aufgaben dieser Abteilung beschreibt der Innovationsmanager mit dem Finden
neuer Märkte für bestehende Produkte, dem Bestimmen neuer Portfolio- oder Produktelemente und dem Aufspüren von neuen Geschäftsmodellen.
In der Innovationsabteilung werden dazu vor allem Informationen aus Konzernkreisen und aus dem gesamten Geschäftsbereich gesammelt. Die im Geschäftsbereich
zugänglichen Quellen beziehen sich auf die Mikroumwelt des Unternehmens. Regionen und Produktmanager werden nach aktuellen Trends befragt und darauf aufbauend Innovationsideen gesammelt. Dazu kommen noch Informationen zu Wettbewerbern, die im Unternehmen vorliegen. Aus konzernweiten Abteilungen stammen Informationen zur Makroumwelt des Unternehmens. Insgesamt fasst der Innovationsmanager das Vorgehen wie folgt zusammen:
„Ich sage mal, wir gucken uns die Mikro an, gucken uns die Makro an, sammeln
Themen (…), treiben die soweit oder detaillieren die soweit auf eine Einseiter,
machen Abschätzungen in Hinblick auf Marktparameter, unsere eigene Position
227
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
(…), um dann auch die verschiedenen Alternativen und die verschiedenen Themen, priorisieren zu können.“975
Während der Informationssammlung wird nach Technologien gesucht, die bisher
noch nicht genutzt und gefordert waren, sowie nach Kundenbedürfnissen, die noch
nicht in Produkten berücksichtigt wurden. Anschließend werden die identifizierten
Lücken mit konkreten Projektideen gefüllt. Als Ergebnis werden die Entwicklungsprojekte gesteuert. Bei sehr neuen Produkten indirekt über eine Vorfeldentwicklung
oder bei inkrementellen Verbesserungen direkt über kleine Entwicklungsprojekte.
Das Ausmaß der Frühaufklärung lässt sich der Tab. 6-16 entnehmen.
Ausmaß der Frühaufklärung
Organisation
Form
Sammelposten
Ausmaß Prozess
Erfassung, Analyse und Reaktionsstrategien
Art der Durchführung
Kontinuierliche Frühaufklärung beinhaltet projektbasierte,
themenspezifische Frühaufklärung
Integration in andere Prozesse
Frühaufklärung regt Innovationsmanagementaktivitäten an
Kommunikation der Frühaufklärungsinformationen werden nur in bereichsinterErgebnisse
nen Meetings in betroffenen Abteilungen ausgetauscht
Informationssammlung
Reichweite
Scannen im aktuellen Geschäftsfeld
Tiefe
Scannen im Bereich Technologie und in wenigen anderen
Bereichen
Zeithorizont
kurz- und mittelfristige Zukunft (1-2 Produktgenerationen)
Quellen
Nutzen von einigen eingeschränkten Quellen, die einen
Wettbewerbsvorteil ermöglichen
Netzwerke
Intern
Formeller Austausch zwischen den Abteilungen wird gefördert
Extern
Einige Mitarbeiter haben formelle und informelle Kontakte
zu externen Kontakten
Tab. 6-16: Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung im
Fall 6 (Quelle: Eigene Darstellung)
975
Innovationsmanager.
228
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Charakterisierung der Innovationsfähigkeit
Die Innovationsfähigkeit beruht in starkem Maße auf Exploitation und wenig auf
Exploration. Folglich wird das Innovationsergebnis durch viele inkrementelle und
wenige radikale Innovationen geprägt. Der Innovationsmanager gab darüber hinaus
an, dass Innovationen immer rechtzeitig am Markt platziert werden konnten und
bedeutende Trends und Themen, die die Innovationslandschaft verändern, immer
frühzeitig aufgegriffen wurden.
Wirkung der strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit
Frühaufklärung wird grundsätzlich in diesem Geschäftsbereich genutzt, um die aktuelle Innovationsposition aufrecht zu halten und Chancen oder Risikos aufzuspüren. Durch die eigene Innovationsabteilung werden die Ergebnisse aus bereichsübergreifenden Tätigkeiten aufgegriffen. Insgesamt fungiert die strategische Frühaufklärung als Input für den Ideentrichter am Anfang des Innovationsprozesses. Daraus werden demnach konkrete Innovationsprojekte abgeleitet. Trotz dieser Funktion führt die Frühaufklärung zu einer Bestätigung des bisher eingeschlagenen Weges
und damit zu einer Bestärkung der vorhandenen Innovationsfähigkeiten. Es kommt
damit eher selten vor, dass strategische Frühaufklärung zu einer Akquisition und
zum Aufbau von neuen Innovationskompetenzen, aus denen radikale Innovationen
hervorgehen, führt.
Erfolgsfaktoren der Nutzung der strategischen Frühaufklärung
Die Analyse des Geschäftsbereiches zeigt, dass viele Hemmnisse bei der Durchführung der strategischen Frühaufklärung die Nutzung und Wirkung einschränken. Gesamtunternehmensbezogene Abteilungen stellen oftmals zu viele Inhalte dar, ohne
die Auswirkungen der einzelnen Themen für den Geschäftsbereich zu operationalisieren. Die Analyse muss, um im Geschäftsbereich nutzbar zu sein, konkrete Auswirkungen auf die Produkte beinhalten. Empfohlen wurde daher, zwar viele Themen zu screenen, aber nur relevante Trends weiter darzustellen und konkret zu beleuchten.
Teilweise können Barrieren, die sich auf die Einstellung gegenüber Frühaufklärung
beziehen, ausgemacht werden. So muss der Mehrwert der Frühaufklärung deutlich
vorab kommuniziert werden, damit eine ausgereifte Frühaufklärung überhaupt stattfinden und ihre Anwendung finden kann. Gleiches gilt für die bisherigen Erfahrungen einzelner Geschäftsverantwortlicher mit der strategischen Frühaufklärung. Positive Erfahrungen tragen dazu bei, dass Frühaufklärung weiterhin im Innovationsmanagement genutzt wird, wohingegen negative Erfahrungen zu keiner weiterführenden Nutzung führen.
229
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Fazit
Im Fall 6 ist zwar eine eigene Innovationsabteilung vorhanden, diese führt jedoch
nur Frühaufklärung im mittelfristigen Bereich mit starkem Branchenfokus durch.
Strategische Frühaufklärung wirkt sich hier nicht so sehr auf die Innovationsfähigkeit aus, sondern hilft bei der Bestätigung bestehender Projekte. Diese Projekte dienen hauptsächlich der Exploitation.
6.1.3 Fallsammlungen eines internationalen Infrastrukturanbieters
6.1.3.1 Bereichsübergreifende Themen
Der übergreifende Bereich steuert und koordiniert insgesamt drei Geschäftsbereiche. An dieser Stelle wird, ähnlich wie vorhergehend, nicht auf alle Aspekte der
Falldarstellung eingegangen, sondern wieder der Fokus auf das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung, deren Wirkung auf die Innovationsfähigkeit und die Erfolgsfaktoren gelegt. Die einzelnen Fälle gehen dann anschließend auf die Besonderheiten und Eigenschaften der Geschäftsbereiche ein.
Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
Strategische Frühaufklärung findet zentral in der Innovations- und Technologieabteilung statt, die für die Geschäftsbereiche der Fallbeschreibungen 7, 8 und 9 zuständig ist. Der Zusammenhang zwischen den dargelegten bereichsübergreifenden
Aktivitäten und den einzelnen Fallbeschreibungen wird in Abb. 6-3 deutlich.
Innovations- und Technologieabteilung
Innovationsstrategie
Technologieprojekte
• Allgemeine Reportingaufgaben
• Trend- und Szenarioprojekte
• Bilden der übergreifenden
Innovationsstrategie
• Durchführung und Koordination von
neuartigen Technologieprojekten
Projektteams zur Bearbeitung
neuartiger Technologien aus
Geschäftsbereichen und
übergreifenden Bereichen
Innovationsrahmen
Innovationsideen
Fall 7
Abb. 6-3:
Fall 8
Fall 9
Zusammenhang bereichsübergreifende Aktivitäten und Fallbeschreibungen (Quelle: Eigene Darstellung)
230
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Die Innovations- und Technologieabteilung hat als zentrale Aufgaben die Festlegung der übergreifenden Innovations- und Technologiestrategie, die Entwicklung
von Trends und Szenarios für die Bereiche, die Absicherung von Patenten und Erfindungen sowie allgemein Krisen- und Qualitätsmanagement. Diese sehr diversen
Aufgaben werden wiederum in Unterabteilungen bearbeitet. Von diesen Unterabteilungen sind zwei für die weiteren Ausführungen relevant, weil dort strategische
Frühaufklärung betrieben wird. Die Aktivitäten der Unterabteilungen Innovationsstrategie und Technologieprojekte werden daher im Folgenden beschrieben.
Der Bereich der Innovationsstrategie verantwortet die Erstellung der bereichsübergreifenden Innovations- und Technologiestrategie und treibt den unternehmensweiten Innovationsprozess. Technologieinitiativen sollen fokussiert werden und die
Zusammenarbeit der Geschäftsbereiche verbessert. Zudem unterstützen sie die Geschäftsbereiche bei der Auswahl von strategischen Partnerschaften z.B. mit Universitäten. Neben klassischen Reportingaufgaben werden hier die strategischen Projekte, die langfristigen Charakter aufweisen, durchgeführt. Diese Projekte werden anhand von Szenarien erstellt und bearbeiten sporadisch Sonderthemen. Auch wenn
derartige Projekte regelmäßig aufgesetzt werden, gibt es noch keinen systematischen Prozess. Projektauslöser ist meist das Bauchgefühl von Entscheidungsträgern,
die Veränderungen vermuten und systematisch aufarbeiten möchten. Zeitraum der
letzten Szenariobetrachtung war 10 Jahre und mehr. Der Fokus lag auf der Mikroumwelt, nur am Rande wurde die Makroumwelt betrachtet. In dieser Szenariobetrachtung wurde erarbeitet, welche Anforderungen an die Produkte der Zukunft gestellt werden. Darauf aufbauend wurde abgeleitet, welche Konsequenzen sich für
Portfolio und Organisation ergeben. Die Implikationen für die einzelnen Geschäftsbereiche wurden an die Innovationsmanager der jeweiligen Bereiche weitergeleitet.
Konkrete Ideen wurden aufgegriffen und anhand von Business Cases erarbeitet.
Diese Business Cases umfassen bereits konkrete Produktbeschreibungen, Marktanalysen, Wettbewerbsanalysen, Marketing- sowie Vertriebskonzepte und Zeitpläne.
Sie dienen als Entscheidungsgrundlage für das Management.
In der Abteilung Technologieprojekte werden technologische Projekte koordiniert
und durchgeführt bis sie umgesetzt sind oder an den Geschäftsbereich übergeben
werden können. Dort wird hauptsächlich technologische Frühaufklärung betrieben,
um Zukunftstechnologien ausfindig zu machen und zu untersuchen. Die Technologieprojekte weisen weitestgehend Charakter einer Vorfeldentwicklung auf. Darüber
hinaus werden, in Zusammenarbeit mit dem Technologiescouting des Gesamtunternehmens, neben technologischen Disruptionen auch neue Geschäftsmodelle und
mögliche Akquisitionspartner analysiert. Bei Relevanz werden dann entsprechende
Akquisitionen getätigt. Zudem wird sich langfristigen Themen gewidmet, die noch
keinem Geschäftsbereich zugeordnet werden können. Diese langfristig angelegten
231
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Chancen für zukünftige Geschäfte werden auf Relevanz untersucht und zur Reife
gebracht. Im besten Fall werden erste Prototypen gebaut und dann den Geschäftsbereichen übergeben.
Eine zusammenfassende Darstellung des Ausmaßes der Frühaufklärung befindet
sich in Tab. 6-17.
Ausmaß der Frühaufklärung
Organisation
Form
Observatory
Ausmaß Prozess
Erfassung, Analyse und Reaktionsstrategien
Art der Durchführung
kontinuierliche und projektbasierte Frühaufklärung wird
Integration in andere Prozesse
Erkenntnisse der Frühaufklärung in Strategie und Innovations-management genutzt
bottom-up und top-down durchgeführt
Kommunikation der Frühaufklärung wird bereichsintern und bereichsübergreiErgebnisse
fend diskutiert
Informationssammlung
Reichweite
Scannen in aktuellen, benachbarten Geschäftsfeldern und
White Spaces
Tiefe
Scannen verschiedener Bereiche des Unternehmensumfeldes
mit variierender Intensität
Zeithorizont
kurz-, mittel- und langfristige Zukunft
Quellen
Nutzen von vielen Quellen, die einen Wettbewerbsvorteil
ermöglichen
Netzwerke
Intern
Formeller und informeller Austausch zwischen den Abteilungen wird gefördert
Extern
Formeller Austausch zu externen Kontakten wird gefördert,
einige MA hegen informelle Kontakte
Tab. 6-17: Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung der
bereichsübergreifenden Tätigkeiten (Quelle: Eigene Darstellung)
Wirkung der strategischen Frühaufklärung
Bei der Wirkung der strategischen Frühaufklärung muss zwischen den langfristigen
Frühaufklärungsaktivitäten, vornehmlich vertreten durch Szenarioprojekte, und der
technologischen Frühaufklärung unterschieden werden. Die Szenarioprojekte die-
232
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
nen hauptsächlich der Ideen- und Strategiefindung, wohingegen die technologische
Frühaufklärung Input für die technische Umsetzung von Produkten liefert.
Das Ziel der Szenarioprojekte ist vor allem das Erkennen von Defiziten im Portfolio
der einzelnen Geschäftsbereiche. Daher sollen möglichst im Anschluss Portfolio- lücken geschlossen werden. Ergebnisse eines Szenarioprojektes sind so z.B.
konkrete Geschäftsideen, die in Business Cases überführt werden und nach Entscheidungsfindung in den einzelnen Geschäftsbereichen bearbeitet werden. Anschließend werden neue Kompetenzfelder akquiriert oder bestehende weiter gefördert. Folglich wird die Innovationsfähigkeit positiv gefördert, sowohl Exploitation
als auch Exploration. Die Überführung in Business Cases hat den Vorteil, dass die
Entscheidungsträger bereits wichtige Informationen erhalten. Gleichzeitig werden
aber sehr konkrete Analysen verlangt, die Produkte mit radikalem Charakter nicht
liefern können. Insofern ist es zu hinterfragen, ob das Vorgehen mit den Business
Cases wirklich radikale Innovationen fördert. Das Szenarioprojekt führte in diesem
Fall auch zum Anstoß von Open Innovation Projekten, indem ein Ideenworkshop
zur Findung neuer Geschäftsmöglichkeiten angeregt wurde. Darüber hinaus bilden
die Szenarios einen Teil der Strategiebildung in der Abteilung. Aufbauend auf die
Szenarioerstellung wird langfristig die Innovationsstrategie festgelegt, daraus werden wiederum Handlungsfelder abgeleitet. Die Innovationsstrategie beeinflusst indirekt die Innovationsfähigkeit.
In der technischen Abteilung dient die Frühaufklärung zum Finden von ganz neuen
Technologien oder Anwendungsfeldern. Demnach wird auch hier die Exploration
der Innovationsfähigkeit gefördert.
Zusammenfassend lässt sich in beiden Fällen feststellen, dass strategische Frühaufklärung sowohl zur Bestätigung des bisher eingeschlagenen Weges, d.h. Exploitation, als auch zum Finden von neuartigen Produkten, also der Exploration, dient.
Erfolgsfaktoren aus Sicht der Bereichsübergreifenden Themen
Finanzielle und personelle Ressourcen wurden als ein Haupthemmnis angegeben.
Die Mitarbeiter, die sich mit Innovationen beschäftigen, sind begrenzt und mit vielen anderen Aufgaben betreut. Ähnlich können nur für bestimmte Projekte F&E
Gelder bereitgestellt werden.
Wiederholend wurde die Bedeutung der Operationalisierung der strategischen Frühaufklärung hervorgehoben. Die Implikationen einer strategischen Frühaufklärung
müssen konsequent für das Geschäftsfeld abgeleitet werden. Im Idealfall werden
Chancen und Risiken in Business-Cases überführt.
„Ein entscheidender Faktor ist, dass man diese Lücke schließt zwischen Erkenntnissen über die Zukunft und Geschäftsentscheidungen, die heute gefällt
werden. Also, sonst kommt man halt hin, dass irgendwelche Zukunftsszenarien
233
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
nicht zur Kenntnis genommen werden und dann verschwindet das in Schubladen.“976
Gleichzeitig wurde erläutert, dass oftmals die Incentivierung auf den kurzfristigen
Erfolg des Unternehmens die Umsetzung der strategischen Frühaufklärung behindert. Mitarbeiter sollten demnach nicht nur für die Erreichung kurzfristiger Ziele
incentiviert werden.
Management-Commitment und die Motivation der Mitarbeiter an Frühaufklärungs- themen mitzuarbeiten, entscheiden allgemein über den Erfolg von Frühaufklärung.
6.1.3.2 Fallbeschreibung 7
Der Geschäftsbereich ist gekennzeichnet durch mehr als eine Milliarde Umsatz und
über 5.000 Mitarbeiter. Das Geschäft ist durch drei Besonderheiten gekennzeichnet:
(1) extrem hohe Sicherheitsanforderungen an das Produkt, (2) Langlebigkeit der
Produkte, die teilweise länger als 20/30 Jahre in Betrieb sind und (3) verschiedene
nationale Zulassungsbedingungen. In der Vergangenheit wurden hauptsächlich
Hardwarekomponenten verkauft. In den letzten Jahren hat sich der Trend zu einer
Kombination aus Soft- und Hardware gebildet.
Die Branchenkomplexität ist durch die vielen Zulassungsbedingungen ausgeprägt.
Die Wettbewerbsstruktur wird durch wenige weltweit agierende Player und regionale Unternehmen gekennzeichnet.
Die Dynamik der Branche ist besonders gering. Die Innovationszyklen sind aufgrund des Beharrungsvermögens der Kunden sehr groß. Insgesamt kommt es zu
wenigen neuen technischen Änderungen und neuen Kundenbedürfnissen. Kundenansprüche sind allenfalls durch Effizienzverbesserungen geprägt. Technische Neuerungen stammen größtenteils aus anderen Branchen und werden erst nach erfolgreichem Einsatz in diesen Branchen eingesetzt. Damit ist ein langer Vorlauf möglich,
um den Wandel zu erkennen.
Die Quelle des Wettbewerbsvorteils liegt in der Kundenorientierung. Wenngleich
offiziell die Rolle des Innovationsführers angestrebt wird, entspricht die aktuelle
Position des Fast Followers.
Entsprechend der Konservativität der Branche, ist auch die Innovationskultur nicht
stark ausgeprägt. Die Risikobereitschaft ist aufgrund der hohen Investitionssummen, die hinter einzelnen Entscheidungen stecken, sehr gering. Die Entscheidungs-
976
Manager 2.
234
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
freude wird als gut angegeben, jedoch müssen einzelne Entscheidungen fundiert
sein und werden oft in Frage gestellt. Offenheit gegenüber Neuem ist jedoch grundsätzlich vorhanden.
Der Unternehmenskontext des Falles 7 wird zusammenfassend in Tab. 6-18 veranschaulicht.
Unternehmenskontext
Unternehmen
Größe
Strategie
Kultur
Umsatz
> 1 Mrd.
Mitarbeiter
5.000 - 15.000
Wettbewerbsstrategie
Differenzierungsstrategie
Quelle des Wettbewerbsvorteils
Kundenorientierung
Innovationsstrategie
Fast Follower
Risikobereitschaft
Mittelmäßig
Entscheidungsfreude
Mittelmäßig
Offenheit ggü. Neuem
Hoch
Branche
Bezeichnung
Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und
optischen Erzeugnissen
Komplexität
Hoch
Dynamik
Gering
Tab. 6-18: Übersicht über die kontextuellen Faktoren des Falles 7 (Quelle:
Eigene Darstellung)
Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
Strategische Frühaufklärung findet hauptsächlich in der Abteilung zur Portfolioerstellung statt. Daneben wird eingeschränkt Frühaufklärung in der F&E- und Strategieabteilung durchgeführt. Die Maßnahmen der F&E- sowie Strategieabteilung fokussieren sich sehr stark auf einzelne Bereiche wie Wettbewerber- oder Technologiebeobachtungen und gehen selten über den Planungshorizont von fünf Jahren hinaus. Darüber hinaus eignen sich die regulären Reportingmaßnahmen der Strategieabteilung nur begrenzt zur Übernahme der Funktion der strategischen Frühaufklärung.
In der Portfolioabteilung wurden verschiedene Aktivitäten initiiert, die eine Beobachtung der Bereiche Technologie, Kunde und Wettbewerber ermöglichen, demnach eher dem Mikroumfeld des Unternehmens dienen. Zunächst soll ein regelmäßiges Trendscouting neue Technologien aus verwandten oder auch ferneren Bran235
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
chen aufspüren. Diese Technologien werden anschließend auf Relevanz für die eigenen Produkte und für die bereits im Einsatz befindlichen Technologien überprüft.
Darüber hinaus wurde ein systematischer Austausch mit den Vertrieben organisiert.
Als dritte Aktivität findet eine Wettbewerbsbeobachtung statt. Diese hat aber wenig
Potenzial Frühaufklärung zu leisten, da die Impulse zu spät kommen, um sie noch
rechtzeitig an den Markt zu bringen (vor allem auch aufgrund der langen Entwicklungs- und Zulassungszeiten). Diese Informationen werden beim Innovationsmanager, der die Portfolioabteilung leitet, gebündelt und fließen in die Erstellung der
Innovationsstrategie und Produktroadmap ein. Der Innovationsmanager definiert
Innovationsfelder auf Grundlage der Informationen, die die Ausgangsbasis für Ideenworkshops bilden, um diese Felder zu füllen. Alle Informationen und Ideen werden mit F&E und Produktmanager ausgetauscht und diskutiert.
Das Ausmaß der Frühaufklärung wird in Tab. 6-19 abgebildet.
236
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Ausmaß der Frühaufklärung
Organisation
Form
Observatory
Ausmaß Prozess
Erfassung, Analyse, Reaktionsstrategien und Implementierung
Art der Durchführung
Kontinuierliche Frühaufklärung beinhaltet projektbasierte,
themenspezifische Frühaufklärung
Integration in andere Prozesse
Erkenntnisse der Frühaufklärung in Strategie und Innovations-management genutzt
Kommunikation der Frühaufklärungsinformationen werden nur in bereichsinterErgebnisse
nen Meetings in betroffenen Abteilungen ausgetauscht
Informationssammlung
Reichweite
Scannen im aktuellen Geschäftsfeld und speziellen Interessengebieten
Tiefe
Scannen im Bereich Technologie und in wenigen anderen
Bereichen
Zeithorizont
kurz-, mittel- und langfristige Zukunft
Quellen
Nutzen von einigen eingeschränkten Quellen, die einen
Wettbewerbsvorteil ermöglichen
Netzwerke
Intern
Formeller Austausch zwischen den Abteilungen wird gefördert
Extern
Formeller Austausch zu externen Kontakten wird gefördert,
einige MA hegen informelle Kontakte
Tab. 6-19: Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung im
Fall 7 (Quelle: Eigene Darstellung)
Charakterisierung der Innovationsfähigkeit
Insgesamt ist die Innovationsfähigkeit gut, was sich durch den hohen Marktanteil
widerspiegelt. Als Innovationsergebnis entstehen fast ausschließlich inkrementelle
Innovationen, was branchenüblich ist. Die Befragten haben angegeben, dass oftmals
vor dem Wettbewerb Innovationen auf den Markt gebracht wurden. Teilweise wurden jedoch erforderliche Innovationen aufgrund langwieriger Entscheidungsprozesse verschleppt und zu spät umgesetzt.
237
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Wirkung der strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit
Wie bereits bei der Beschreibung der Aktivitäten beschrieben, werden aus der Frühaufklärung die Innovationsstrategie, Innovationsfelder und Ideen für neue Produkte
oder Features abgeleitet. Dieses Vorgehen bildet die Grundlage für die Entwicklung
späterer Innovationen, wodurch die Innovationsfähigkeit positiv beeinflusst wird.
Aus diesen Innovationsworkshops gehen heute schon Produktideen hervor, die erst
in 10 Jahren auf den Markt gebracht werden. Damit fördert und beschleunigt die
strategische Frühaufklärung den Kompetenzaufbau. In diesem Zusammenhang hilft
Frühaufklärung auch dabei den Handlungsdruck zu erhöhen, indem die Dringlichkeit des Handlungsbedarfes deutlich gemacht wird. Die Veränderungen von Hardzu Softwaregeschäft beruhen laut Innovationsmanager nicht auf der in der Abteilung durchgeführten Frühaufklärung. Da sich vor allem die Portfolioabteilung im
direkten Austausch mit der bereichsübergreifenden Abteilung zur Innovationsstrategie befindet, werden die Ergebnisse daraus aufgenommen und fließen in die regulären Tätigkeiten ein.
Eine mögliche negative Wirkung der strategischen Frühaufklärung wurde darin gesehen, dass sich das Unternehmen zu sehr in eine Richtung begibt, ohne jedoch die
Rahmenbedingungen seiner Umwelt anzupassen. Damit werden die durch Frühaufklärung identifizierten Erfolgsfaktoren nicht mehr revidiert und hinterfragt, sondern
lediglich stur umgesetzt.
Erfolgsfaktoren der Nutzung der strategischen Frühaufklärung
Als entscheidendes Hemmnis wird wieder der Vorrang operativer Tätigkeiten gesehen. Es herrscht allgemein ein Widerspruch zwischen den Kundenanforderungen,
die heute bearbeitet werden müssen und der Zukunftsarbeit. Dabei wird oftmals
dem operativen Tagesgeschäft der Vorrang gegeben. Da Ressourcen zuerst an operative Aufgaben vergeben werden, sind nur noch wenige Ressourcen für die Frühaufklärung verfügbar.
Die allgemeine Organisationsstruktur wird auch als Hindernis angegeben. Die starke dezentrale Struktur verhindert ein Aufgreifen von wichtigen Querschnittsthemen,
die mehrere Bereiche im Unternehmen betreffen.
Fazit
Dieser Fall befindet sich in einem sehr komplexen, aber wenig dynamischen Umfeld. Diesen Anforderungen wird mit mittelmäßig intensiv durchgeführter Frühaufklärung Rechnung getragen, die sich vor allem auf den mittelfristigen Zeithorizont
und dem Mikroumfeld mit technologischen Rahmenbedingungen auseinandersetzt.
In diesem Rahmen treibt sie die Innovationsstrategie voran, identifiziert Innovationsfelder und regt Projekte an. Damit werden sowohl Exploitation als auch Exploration beeinflusst, wenngleich aktuell viele inkrementelle Innovationen entstehen.
238
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Langfristig werden die Ergebnisse der Exploration erst in am Markt verfügbaren
Produkten deutlich werden.
6.1.3.3 Fallbeschreibung 8
Der sehr junge Geschäftsbereich, der vor 2 Jahren entstanden ist, entwickelt Produkte zur Herstellung von elektrischen Ausrüstungen. Hierzu stellen sie Hard- und
Software her. Aufgrund der Neuartigkeit des Marktes und des Geschäftsbereiches
konnte bisher noch kein eindeutiges Geschäftsmodell entwickelt werden.
Die Komplexität und Dynamik der Branche sind enorm hoch. Die Wettbewerbsund Kundenstruktur ist noch im Entstehen und wenig formiert. Es strömen viele
neue Wettbewerber auf den Markt, es gibt jedoch noch keine wirklich etablierten
Unternehmen. Die Kundenstruktur kann noch nicht eindeutig bestimmt werden. Es
sind vollkommen unterschiedliche Endkunden denkbar, in Abhängigkeit davon,
welches Geschäftsmodell sich durchsetzt. Der Innovationsmanager bezeugte, dass
sich allgemeine Trends teilweise im Halbjahrestakt ändern, allenfalls eine leichte
Tendenz ist erkennbar. Insgesamt ist der Wandel der Branche inklusive Technologien, Kundenanforderungen, Wettbewerbsverhalten damit nur schwer einschätzbar
und offen.
Es wird eine klare Kundenorientierung angestrebt. Die Technologie bildet in diesem
Zusammenhang nur das Mittel zum Zweck. Aufgrund des kurzen Bestandes des
Geschäftsbereiches kann aktuell nur die Strategie eines Fast Followers umgesetzt
werden. Andere Unternehmen waren zu dem Zeitpunkt schon im Markt und konnten erste Erfahrungen sammeln. Dadurch hat die Konkurrenz einen Zeitvorteil, den
es erst aufzuholen gilt.
Die Innovationskultur ist mittelmäßig ausgeprägt: Es ist eine klare Risikobereitschaft erkennbar, die Entscheidungsfreude ist aufgrund der Konzern- und Hierarchiestrukturen mittelmäßig. Die Offenheit gegenüber Neuem ist auf das aktuelle
Betätigungsfeld beschränkt.
Die kontextuellen Faktoren sind in Tab. 6-20 zusammengefasst.
239
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Unternehmenskontext
Unternehmen
Größe
Strategie
Kultur
Umsatz
> 10 Millionen
Mitarbeiter
< 500
Wettbewerbsstrategie
Differenzierungsstrategie
Quelle des Wettbewerbsvorteils
Kundenorientierung
Innovationsstrategie
Fast Follower
Risikobereitschaft
Hoch
Entscheidungsfreude
Mittelmäßig
Offenheit ggü. Neuem
Mittelmäßig
Branche
Bezeichnung
Herstellung von elektrischen Ausrüstungen
Komplexität
Hoch
Dynamik
Hoch
Tab. 6-20: Übersicht über die kontextuellen Faktoren des Falles 8 (Quelle:
Eigene Darstellung)
Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
Die strategische Frühaufklärung wird bisher in diesem Geschäftsbereich kaum genutzt. Das Umfeld wird zwar auf Markttrends im Bereich Kunden, Lieferanten und
Wettbewerbern untersucht, allerdings nur im kurzfristigen Rahmen, der maximal 24 Jahre in die Zukunft reicht. Dies ist vor allem auf die sehr beschränkten Ressourcen und auf die hohe Dynamik zurückzuführen. Eine Entwicklung von Zukunftsbildern, die mehr als ein paar Jahre voraus gehen, ist derzeit nicht sinnvoll, da selbst
die Entwicklung der nächsten Monate ungewiss ist. Daher werden eher enge Kooperationen mit Kunden angestrebt, um gemeinsam Zukunftsbilder der nahen Zukunft zu entwerfen und diese konsequent umzusetzen. Selbst Wettbewerber werden
zu derartigen Kooperationen herangezogen, um dieses gemeinsame Zukunftsbild
umzusetzen.
Entsprechend gering ist das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung, welches zum
Überblick in Tab. 6-21 veranschaulicht wird.
240
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Ausmaß der Frühaufklärung
Organisation
Form
Sammelposten
Ausmaß Prozess
Erfassung, Analyse, Reaktionsstrategien und Implementierung
Art der Durchführung
Frühaufklärung ist hauptsächlich durch spezielle Themen
ausgelöst
Integration in andere Prozesse
Frühaufklärung regt Innovationsmanagementaktivitäten an
Kommunikation der Frühaufklärungsinformationen werden nur in bereichsinterErgebnisse
nen Meetings in betroffenen Abteilungen ausgetauscht
Informationssammlung
Reichweite
Scannen im aktuellen Geschäftsfeld
Tiefe
Scannen im Bereich Technologie und in wenigen anderen
Bereichen
Zeithorizont
hauptsächlich kurzfristige Zukunft
Quellen
Nutzen von einigen eingeschränkten Quellen, die einen
Wettbewerbsvorteil ermöglichen
Netzwerke
Intern
Formeller und informeller Austausch zwischen den Abteilungen wird gefördert
Extern
Ein externes Netzwerk aufzubauen und zu halten wird gefördert und als wichtig empfunden
Tab. 6-21: Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung im
Fall 8 (Quelle: Eigene Darstellung)
Charakterisierung der Innovationsfähigkeit
Die Innovationsfähigkeit ist im Unternehmensvergleich außerordentlich gut. Die
bestehenden Fähigkeiten der anderen Geschäftsbereiche werden sinnvoll genutzt
sowie um neue Fähigkeiten ergänzt und ausgebaut. Da vor allem der Innovationserfolg nicht eindeutig bewertbar ist, lässt sich keine abschließende Aussage über die
Innovationsfähigkeit treffen.
Wirkung der strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit
Der Kompetenzaufbau in diesem Geschäftsbereich beruht weniger auf strategischer
Frühaufklärung, sondern auf dem direkten Austausch mit Kunden und Lieferanten.
Die gemeinsam entwickelten Zukunftsbilder bilden eine Grundlage für die Ge241
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
schäftsentwicklung, jedoch sind noch keine direkten Innovationsfolgen erkennbar.
Damit ist keine endgültige Wirkung der Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit festzumachen.
Erfolgsfaktoren der Nutzung der strategischen Frühaufklärung
Da die strategische Frühaufklärung nur schwach genutzt wird, kann nur wenig zu
Erfolgsfaktoren der Nutzung gesagt werden. Die allgemeine Prozesslandschaft, die
auch schnelle Entscheidungen verhindert, kann als generelles Hemmnis gesehen
werden. Darüber hinaus ist der Druck, bereits Erfolge zu erwirtschaften, hinderlich.
Fazit
Dieser sehr junge Bereich führt aufgrund der starken Dynamik und der damit
schlechten Vorhersagbarkeit der Branchenentwicklung sehr wenig strategische
Frühaufklärung durch. Finanzielle Restriktionen schränken darüber hinaus ein. Abschließend ist eine Beeinflussung der Innovationsfähigkeit nicht auszumachen.
6.1.3.4 Fallbeschreibung 9
Dieser Geschäftsbereich verkauft Infrastrukturtechnik an vornehmlich öffentliche
Einrichtungen. Mit wenigen hundert Mitarbeiter erwirtschaften sie einen Umsatz
zwischen 100 Millionen und einer Milliarde Umsatz. Forschung und Entwicklung
sowie Produktmanagement finden sowohl in Deutschland als auch in den USA statt,
um die verschiedenen lokalen Märkte zu bedienen. Die F&E Abteilung ist eher mit
einem Engineering vergleichbar. Dementsprechend werden Produkte auch ohne
Grundlagenentwicklung hergestellt.
Die eingesetzten Technologien konvergieren wenig und sind sehr reif. Kundensegmente sind klar strukturiert. Es erfolgt derzeit eine zunehmende Konsolidierung des,
aufgrund der vielen Marktteilnehmer, zersplitterten Marktes. Diese Konsolidierung
ist vor allem auf einen Hauptwettbewerber zurückzuführen, der schrittweise Konkurrenz aufkauft.
Die Dynamik der Branche ist sehr gering. Die Kunden sind sehr konservativ und
langfristig orientiert. Dadurch sind die Kundenanforderungen relativ stabil und gut
einschätzbar. Das Verhalten des Wettbewerbes ist nicht vollständig kalkulierbar.
Neue Wettbewerber bieten vermehrt Nischenprodukte an. Insgesamt zeichnen sich
Trends ab, die bestimmte Umbrüche im Markt verursachen könnten. Aufgrund der
hohen Sicherheitsbedürfnisse und das Beharrungsvermögen des Kunden wird jedoch damit gerechnet, rechtzeitig Veränderungen wahrzunehmen.
Die Quelle des Wettbewerbsvorteils liegt in der Technologieorientierung. In der
Vergangenheit konnte sich der Geschäftsbereich als Innovationsführer positionie242
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
ren, hat diese Position aber verloren. Dennoch wird weiterhin die Position des Innovationsführers angestrebt.
Die Innovationskultur ist mittelmäßig. Aufgrund der konservativen Haltung der
Kunden, ist die Bereitschaft, Risiken einzugehen, im Geschäftsbereich sehr gering.
Entscheidungsfreude und Offenheit gegenüber Neuem sind mittelmäßig. Oftmals ist
viel Überzeugungsarbeit nötig und die langfristigen Planungen schränken die Flexibilität ein.
Tab. 6-22 bildet die kontextuellen Faktoren des Falles ab.
Unternehmenskontext
Unternehmen
Größe
Strategie
Kultur
Umsatz
100 Mio. – 1 Mrd.
Mitarbeiter
< 500
Wettbewerbsstrategie
Differenzierungsstrategie
Quelle des Wettbewerbsvorteils
Technologieorientierung
Innovationsstrategie
n/a
Risikobereitschaft
Gering
Entscheidungsfreude
Mittelmäßig
Offenheit ggü. Neuem
Mittelmäßig
Branche
Bezeichnung
Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und
optischen Erzeugnissen
Komplexität
Mittelmäßig
Dynamik
Gering
Tab. 6-22: Übersicht über die kontextuellen Faktoren des Falles 9 (Quelle:
Eigene Darstellung)
Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
Frühaufklärung wird anhand von verschiedenen Tätigkeiten durchgeführt. Zunächst
wird ein Technologiescouting mit F&E Ressourcen kontinuierlich realisiert. Das
Ziel besteht darin, technologische Entwicklungen zu verfolgen und neue Technologien am Markt frühzeitig zu identifizieren. In diesem Zusammenhang werden Forschungs- und Universitätskooperationen selektiv eingegangen und das externe
Netzwerk auf Messen, Kongressen sowie Kolloquien systematisch gepflegt, um
wichtige Veränderungen in der Branche frühzeitig aufzuspüren. Darüber hinaus
wird ein Marktscanning anhand von regelmäßigen Kundenbefragungen und Ver243
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
triebstreffen betrieben, um auf Kundenseite wichtige Inputs zu erhalten. Diese Infos
aus Markt- und Technologiebeobachtung gehen direkt in die Produkt- und Technologieroadmap ein.
Die durchgeführten Frühaufklärungsaktivitäten konzentrieren sich auf das Mikroumfeld des Unternehmens, weil sich Veränderungen der Makroumwelt nur langsam
auf die Kundenanforderungen auswirken. Der Zeithorizont ist dementsprechend
sehr kurzfristig und auf den Rahmen der Geschäftsplanung mit ca. 2 Jahren Planungshorizont ausgelegt. Alles über diese 2 Jahre hinaus, wird nur sporadisch betrachtet. Insgesamt sammeln und bewerten ca. 10 Mitarbeiter, neben ihren operativen Aufgaben, Trends.
Das Ausmaß der Frühaufklärung wird in Tab. 6-23 für die einzelnen Kriterien dargestellt.
Ausmaß der Frühaufklärung
Organisation
Form
Sammelposten
Ausmaß Prozess
Erfassung, Analyse und Reaktionsstrategien
Art der Durchführung
Kontinuierliche Frühaufklärung beinhaltet projektbasierte,
themenspezifische Frühaufklärung
Integration in andere Prozesse
Frühaufklärung regt Innovationsmanagementaktivitäten an
Kommunikation der Frühaufklärungsinformationen werden nur in bereichsinterErgebnisse
nen Meetings in betroffenen Abteilungen ausgetauscht
Informationssammlung
Reichweite
Scannen im aktuellen Geschäftsfeld und speziellen Interessengebieten
Tiefe
Scannen im Bereich Technologie und in wenigen anderen
Bereichen
Zeithorizont
kurz- und mittelfristige Zukunft (1-2 Produktgenerationen)
Quellen
Nutzen von verschiedenen zugänglichen Quellen
Netzwerke
Intern
Formeller Austausch zwischen den Abteilungen wird gefördert
Extern
Formeller und informeller Austausch zu Externen wird gefördert
Tab. 6-23: Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung im
Fall 9 (Quelle: Eigene Darstellung)
244
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Charakterisierung der Innovationsfähigkeit
Als Innovationsergebnis entstehen hauptsächlich inkrementelle Innovationen. Aufgrund der eingeschränkten Kompetenzbasis werden viele Bestandteile zugekauft.
Nichtsdestotrotz werden viele neue Themen bearbeitet, die nicht auf die traditionellen Fähigkeiten aufbauen. Insgesamt ist das Innovationsmanagement wenig systematisch: weder der Prozess ist definiert und systematisiert noch ein Innovationsmanager, der koordinierend agiert, ist vorhanden.
Wirkung der strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit
Die strategische Frühaufklärung wirkt als Ideengeber und Strategieinstrument.
Demnach wird die Innovationsfähigkeit direkt über neue Ideen und indirekt über die
strategische Ausrichtung beeinflusst. Durch die Beobachtung des Umfeldes werden
neue Bereiche entdeckt, die nach Relevanzbeurteilung und Selektion gegebenenfalls
bearbeitet werden. Ähnlich verhält es sich mit der strategischen Ausrichtung, die
durch Markt- und Technologietrends angepasst wird und die Gesamtstrategie beeinflusst. Die Gesamtstrategie beeinflusst wiederum Portfolioentscheidungen, die
demnach wieder die Stärkung bestehender Fähigkeiten oder die Akquisitionen von
neuen Fähigkeiten festlegen. Insgesamt wird eher die Exploitation der Innovationsfähigkeit beeinflusst, da der Aufbau und die Akquisition neuer Fähigkeiten stark
durch andere Faktoren (siehe Erfolgsfaktoren) gehemmt werden.
Erfolgsfaktoren der Nutzung der strategischen Frühaufklärung
Als sehr kritischer Erfolgsfaktor wird vor allem der Ressourcenmangel gesehen.
Selbst wenn viele Handlungsdefizite durch Frühaufklärung erkannt werden, werden
nur wenige Projekte realisiert. Neue Kompetenzen werden auch aufgrund des nicht
vorhandenen Budgets nicht aufgebaut. Teilweise stößt man mit neuen Ideen und
Entwicklungen an die Kompetenzgrenze von Mitarbeitern. Da keine neuen Mitarbeiter eingestellt werden und die Fluktuation der bestehenden Belegschaft gering
ist, kann kein Wechsel des Kompetenzbestandes der Mitarbeiter vollzogen werden.
So wird der eigene Mitarbeiterstab als ein zentrales Hemmnis der Frühaufklärung
im Innovationsmanagement.
Fazit
Das Fallbeispiel zeigt, dass strategische Frühaufklärung mit Fokus Markt- und
Technologiefokus betrieben wird. Die Ergebnisse fließen in die Produktroadmap
und leiten Innovationsstrategie und Ideengenerierung an. Nichtsdestotrotz wird vor
allem Exploitation gefördert. Wie in vielen anderen Fallbeispielen schränkt die
mangelnde Ressourcenausstattung die Exploration ein.
245
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
6.1.4 Fallsammlungen eines internationalen Energiemanagementunternehmens
6.1.4.1 Bereichsübergreifende Themen
Die bereichsübergreifende Abteilung, in diesem Fall die Technologie- und Innovationsabteilung, ist für drei Geschäftsbereiche zuständig, von denen hier zwei als
Fälle in 6.1.4.2 und 6.1.4.3 dargestellt werden. Zunächst wird das Ausmaß der
Frühaufklärung in der bereichsübergreifenden Technologie- und Innovationsabteilung sowie deren Wirkung und Erfolgsfaktoren dargelegt. Die zwei Fallbeschreibungen gehen dann konkreter auf die fehlenden Informationen zum Kontext und
Innovationspotenzial ein.
Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
In der Technologie- und Innovationsabteilung läuft neben den langfristigen Frühaufklärungsthemen reguläres Reporting, um die kurzfristige Markt-, Wettbewerbsund Technologieentwicklung aufzudecken und mit der gegenwärtigen Strategie zu
vergleichen. Darüber hinaus werden in einem Trendradar die Entwicklungen für
den Zeitraum bis sechs Jahre für das Mikroumfeld beobachtet und bewertet. Anschließend werden alle Geschäftsbereiche auf White Spaces untersucht und strategische Optionen für sie herausgearbeitet. Dazu wird der Most-likely-Case ermittelt
und mit den Produktplattformen von heute abgeglichen. Bei Handlungsbedarf werden Handlungsfelder ermittelt und in Workshops mit den Business Units besprochen. Im Idealfall wird dann das Budget für einzelne F&E Projekte zugeteilt. Die
Aufgabe der Technologie- und Innovationsabteilung besteht jedoch lediglich darin,
die Geschäftsbereiche mit dem identifizierten Handlungs-bedarf zu konfrontieren,
die Umsetzung obliegt einzig dem jeweiligen Geschäftsbereich. Die Abteilung ist
zudem mit der Pflege der internen und externen Netzwerke betraut. In diesem Zusammenhang finden regelmäßige Treffen mit der zentralen F&E Abteilung statt, um
über besonders disruptive Themen zu informieren und ggf. Innovationsprojekte anzustoßen. Darüber hinaus initiiert und pflegt die Abteilung alle Forschungskooperationen und Sonderprojekte. Zusammenfassend stellt Tab. 6-24 einen Überblick über
die Frühaufklärungsaktivitäten dar.
246
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Ausmaß der Frühaufklärung
Organisation
Form
Observatory
Ausmaß Prozess
Erfassung, Analyse und Reaktionsstrategien
Art der Durchführung
Kontinuierliche Frühaufklärung beinhaltet projektbasierte,
themenspezifische Frühaufklärung
Integration in andere Prozesse
Erkenntnisse der Frühaufklärung in Strategie und Innovations-management genutzt
Kommunikation der Frühaufklärung wird bereichsintern und bereichsübergreiErgebnisse
fend diskutiert
Informationssammlung
Reichweite
Scannen im aktuellen und benachbarten Geschäftsfeldern
Tiefe
Scannen verschiedener Bereiche des Unternehmensumfeldes
mit variierender Intensität
Zeithorizont
kurz-, mittel- und langfristige Zukunft
Quellen
Nutzen von vielen Quellen, die einen Wettbewerbsvorteil
ermöglichen
Netzwerke
Intern
Formeller und informeller Austausch zwischen den Abteilungen wird gefördert
Extern
Formeller und informeller Austausch zu Externen wird gefördert
Tab. 6-24: Übersicht über das Ausmaß der bereichsübergreifenden Tätigkeiten
(Quelle: Eigene Darstellung)
Wirkung der strategischen Frühaufklärung
Die strategische Frühaufklärung wird laut Innovationsmanager als Ideengeber und
Strategieinstrument genutzt. Sie dient dazu, neue Themen aufzuzeigen und disruptive Felder zu identifizieren. Damit werden weniger Kompetenzen im klassischen
Bestandsgeschäft entwickelt. Vielmehr sollen die Geschäftsbereiche herausgefordert werden, indem sie aus ihrer „Komfortzone herausgerissen werden“ und verdeutlicht wird, was für den Erfolg in 10 Jahren notwendig ist. Durch das konsequente Verdeutlichen von Portfoliolücken werden immer wieder Handlungsfelder
aufgezeigt. Diese dienen als Input und zur Ausrichtung aller Geschäftsbereiche.
Anhand dieses Inputs kann sich der Geschäftsbereich von innen heraus wandeln,
indem z.B. Neueinstellungen passender geplant werden. Wird festgestellt, dass der
Handlungsbedarf nicht mehr rechtzeitig durch eigene Initiativen gedeckt werden
247
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
kann, werden durch Akquisitionen neue Fähigkeiten ins Unternehmen gebracht.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass durch Frühaufklärung vor allem
Exploration gefördert werden soll und damit radikalere Ideen gefördert werden. Die
Umsetzung obliegt aber immer noch den einzelnen Geschäftsbereichen.
Erfolgsfaktoren aus Sicht der bereichsübergreifenden Themen
Bei der Befragung in der Technologie- und Innovationsabteilung werden hauptsächlich Hemmnisse zur Implementierung des durch strategische Frühaufklärung identifizierten Handlungsbedarfes aufgezeigt. Ein Haupthindernis sind Innovationsideen,
die ein bestehendes erfolgreiches Geschäft gefährden oder gar kannibalisieren. In
Bereichen, wo man bisher gar nicht vertreten ist, ist es dagegen umso leichter, komplett neuartige Innovationen anzubieten. Darüber hinaus wurde angegeben, dass die
Entscheidungsfreude von Managern einen wichtigen Faktor ausmacht. Da sie es
sind, die oftmals Verantwortung tragen, scheuen sie sich davor neue Fähigkeiten
auszumachen. Damit wird vor allem Exploration behindert.
6.1.4.2 Fallbeschreibung 10
Der Geschäftsbereich bietet Lösungen im Infrastrukturgeschäft an und betreut regierungsnahe Kunden. Das Branchengeschäft zeichnet sich durch die Besonderheit
aus, dass der Kunde großen Einfluss auf die Definition der Produkteigenschaften
ausübt. Darüber hinaus sind die Sicherheitsansprüche sehr groß. Die eingesetzten
Technologien sind sehr reif. Die Dynamik der Branche ist aufgrund von langen Innovationszyklen gering. Diese sind auf lange Produkteinführungszeiten, verursacht
durch Zulassungsverfahren, zurückzuführen. Insgesamt gibt es daher kaum technologische Neuerungen und Umbrüche im Kunden- oder Wettbewerbsverhalten.
Die strategische Ausrichtung ist auf Kundenorientierung ausgelegt, da der Kunde
wie beschrieben, selbst über eingesetzte Technologien entscheiden möchte. Die Innovationsstrategie ist die des Fast Followers, daher ist auch die F&E-Quote im Vergleich zu anderen Bereichen eher klein.
Die Innovationskultur wird mit risikobereit, entscheidungsfreudig und offen gegenüber Neuem angegeben. Grundsätzlich stimmen laut Interviewbefragten die kulturellen Rahmenbedingungen für die Innovationsfähigkeit, nur die Umsetzung scheitert an strukturellen Faktoren.
Tab. 6-25 bildet die kontextuellen Faktoren des Falles ab.
248
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Unternehmenskontext
Unternehmen
Größe
Strategie
Kultur
Umsatz
100 Mio. - 1 Mrd.
Mitarbeiter
500 – 5.000
Wettbewerbsstrategie
Differenzierungsstrategie
Quelle des Wettbewerbsvorteils
Kundenorientierung
Innovationsstrategie
Fast Follower
Risikobereitschaft
Mittelmäßig
Entscheidungsfreude
Mittelmäßig
Offenheit ggü. Neuem
Mittelmäßig
Branche
Bezeichnung
Herstellung von elektrischen Ausrüstungen
Komplexität
Mittelmäßig
Dynamik
Gering
Tab. 6-25: Übersicht über die kontextuellen Faktoren des Falles 10 (Quelle:
Eigene Darstellung)
Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
Strategische Frühaufklärung wird im kleinen Rahmen in der Geschäftseinheit
durchgeführt. Zwei Personen sind für ein kontinuierliches Technologiescanning
verantwortlich, allerdings nur zu 20 Prozent ihrer Zeit. In dieser Zeit beobachten sie
die neusten Trends auf Messen, von Forschungseinrichtungen und im Branchenumfeld. Gleichzeitig sammeln sie alle Innovationsideen, die im Unternehmen entstehen. Diese Ergebnisse fließen in die strategische Innovationsplanung ein, die sich
mit den Produkten der nächsten Generationen für 5, 10 und 15 Jahre beschäftigt.
Dort wird die strategische Richtung für die nächsten Jahre festgelegt und in die
Technologieroadmap transferiert. Darüber hinaus finden in diesem Zusammenhang
Ideenfindungsworkshops statt, die die Portfolio-entscheidungen unterstützen und
entsprechend erste Ideen liefern sollen. Diese werden anschließend klassifiziert und
bewertet.
Das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung wird in Tab. 6-26 veranschaulicht.
249
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Ausmaß der Frühaufklärung
Organisation
Form
Observatory
Ausmaß Prozess
Erfassung, Analyse und Reaktionsstrategien
Art der Durchführung
Kontinuierliche Frühaufklärung beinhaltet projektbasierte,
themenspezifische Frühaufklärung
Integration in andere Prozesse
Frühaufklärung regt Innovationsmanagementaktivitäten an
Kommunikation der Frühaufklärungsinformationen werden nur in bereichsinterErgebnisse
nen Meetings in betroffenen Abteilungen ausgetauscht
Informationssammlung
Reichweite
Scannen im aktuellen Geschäftsfeld und speziellen Interessengebieten
Tiefe
Fokus auf Technologiescanning
Zeithorizont
kurz- und mittelfristige Zukunft (1-2 Produktgenerationen)
Quellen
Nutzen von verschiedenen zugänglichen Quellen
Netzwerke
Intern
Formeller Austausch zwischen den Abteilungen wird gefördert
Extern
Einige Mitarbeiter haben formelle und informelle Kontakte
zu externen Kontakten
Tab. 6-26: Überblick über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung im
Fall 10 (Quelle: Eigene Darstellung)
Charakterisierung der Innovationsfähigkeit
Insgesamt wird das Innovationsbild durch viele inkrementelle Innovationen bestimmt. Der Geschäftsbereich spürt sehr viele neue Themen auf und treibt sie voran,
hat aber ein Ressourcenproblem, um diese Innovationen auch auf den Markt zu
bringen. Oftmals werden Innovationen deswegen an andere Geschäftsbereiche weitergeleitet oder an andere Unternehmen verkauft.
Wirkung der strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit
Strategische Frühaufklärung wird genutzt, um den strategischen Rahmen zu definieren, Ideen zu entwickeln und kontinuierlich laufende Innovationsprojekte zu bewerten. Insgesamt ist es aber schwierig die Wirkung auf die Innovationsfähigkeit auszumachen. Oftmals werden interessante Innovationsfelder, die eine Stärkung oder
Neuausrichtung des Fähigkeitsbestandes nach sich ziehen, gefunden, jedoch schei250
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
tern diese Innovationsfelder an dem Ressourcenmangel. Projekte werden so ausgebremst und nicht durchgeführt.
Erfolgsfaktoren der Nutzung der strategischen Frühaufklärung
Als kritische Erfolgsfaktoren werden Ressourcenmangel und strukturelle Probleme
angesehen. Vor allem die Finanzierung und das Risikopotenzial von langfristigen
Projekten bereiten Probleme, die identifizierten Handlungsmaßnahmen umzusetzen.
Entgegen der bescheinigten Entscheidungsfreude, scheitern viele neuartige Themen
an den Entscheidungsprozessen im Unternehmen. Entscheidungen werden erst nach
vielen Runden abgeschlossen und verzögern sich.
Insgesamt wird es als förderlich angesehen, Frühaufklärung in einer Schnittstellenabteilung durchzuführen, da diese Zugriff auf verschiedene Stellen des Unternehmens wie F&E und Produktmanagement hat.
Fazit
In diesem Fallbeispiel besteht zwar ein Bereich der sich mit Technologiescanning
beschäftigt, diese wird aber nur mit beschränkten personellen Ressourcen durchgeführt. Die beschränkte Ressourcenaufstellung führt letztlich ausschließlich zur Exploitation, wenngleich durch strategische Innovationsplanung, Ideengebung und
Bewertung von Ideen mittels Frühaufklärung Explorationspotenzial bestünde.
6.1.4.3 Fallbeschreibung 11
Der Geschäftsbereich besteht aus vier Segmenten, die sich in Produkt, System, Lösungs- und Anwendungsgeschäft untergliedern. Mit knapp 1000 Mitarbeitern weltweit wird ein Umsatz von über einer Milliarde erwirtschaftet. Eine Besonderheit in
diesem Geschäftsbereich ist darin zu sehen, dass fast ausschließlich Umsatz in den
Regionen generiert wird und nur ein kleiner Anteil über das Stammhaus selbst.
Die Wettbewerbslandschaft ist insgesamt recht heterogen. Neben wenigen großen
Wettbewerbern, die international agieren, treten bei kleineren Projekten sehr viele
Mittelständler an. Diese können jedoch gerade bei großen Projekten aufgrund der
Haftung und möglichen Schäden bei Ausfall des Produktes nicht konkurrieren.
Bisher war die Branchenstruktur des Geschäftsbereiches relativ stabil mit vorhersagbarem Wandel und relativ langen Innovationszyklen von 5-10 Jahren. In den
letzten Jahren zeichnen sich jedoch Umbrüche ab, bei denen verschiedene Szenarien möglich sind. Diese Umbrüche verändern Endkunden- und Wettbewerbsstruktur.
Besonders viele neue Anbieter strömen auf den Markt und bieten Konkurrenzprodukte an.
251
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Der Unternehmensbereich verfolgt eine klare Kundenorientierung, besonders weil
die technologischen Entwicklungen derzeit noch nicht abschätzbar sind. Der Bereich strebt eine Technologieführerschaft an, um sich gegen internationale Wettbewerber durchzusetzen. Nur mittelständische Unternehmen machen dem Bereich die
Position streitig, weil sie flexibler auf Veränderungen reagieren können.
Die Kultur des Geschäftsbereiches ist mittelmäßig risikobereit und daher nur begrenzt fähig, Neues aufzunehmen. Die Entscheidungsfreude ist aufgrund der standardisierten Entscheidungsprozesse gering und muss sich einer eher starren Planung
unterordnen. Der Unternehmenskontext wird in Tab. 6-27 zusammengefasst.
Unternehmenskontext
Unternehmen
Größe
Strategie
Kultur
Umsatz
> 1 Mrd.
Mitarbeiter
500 – 5.000
Wettbewerbsstrategie
Differenzierungsstrategie
Quelle des Wettbewerbsvorteils
Kundenorientierung
Innovationsstrategie
Pionierstrategie
Risikobereitschaft
Gering
Entscheidungsfreude
Mittelmäßig
Offenheit ggü. Neuem
Gering
Branche
Bezeichnung
Herstellung von elektrischen Ausrüstungen
Komplexität
Mittelmäßig
Dynamik
Mittelmäßig
Tab. 6-27: Übersicht über die kontextuelle Faktoren des Falles 11 (Quelle:
Eigene Darstellung)
Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
Im Wesentlichen wird die strategische Frühaufklärung durch zwei Prozesse charakterisiert: zum einen durch den Market Intelligence Prozess, der einmal jährlich stattfindet und zum anderem durch die kontinuierliche Marktbeobachtung in den einzelnen Regionen. Im Rahmen des Market Intelligence Prozesses werden neue Projekte,
Piloten und Förderprojekte initiiert, die in die Anpassung und Steuerung der F&E
Projekte einfließen. In den Märkten selbst werden fortlaufend Informationen bzgl.
der Anzahl und Größe von Pilotprojekten, der Wettbewerbsstruktur und Gesetzgebung gesammelt. Dort findet auch ein Austausch mit den bereichsübergreifenden
252
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Tätigkeiten statt. Insgesamt betrachtet, liegt der Fokus fast ausschließlich auf der
Mikroumwelt des Unternehmens, nur wenige Informationen aus der Makroumwelt
werden gesammelt. Der Zeitraum der Scanningaktivitäten liegt bei fünf Jahren. Basierend auf den Ergebnissen der Marktbeobachtung und des Market Intelligence
Prozesses werden Personal- und F&E Planungen vorgenommen. In Tab. 6-28 wird
das Ausmaß der Frühaufklärung dargestellt.
Ausmaß der Frühaufklärung
Organisation
Form
Sammelposten/Observatory
Ausmaß Prozess
Erfassung, Analyse und Reaktionsstrategien
Art der Durchführung
Kontinuierliche Frühaufklärung beinhaltet projektbasierte,
themenspezifische Frühaufklärung
Integration in andere Prozesse
Frühaufklärung regt Innovationsmanagementaktivitäten an
Kommunikation der Frühaufklärungsinformationen werden nur in bereichsinterErgebnisse
nen Meetings in betroffenen Abteilungen ausgetauscht
Informationssammlung
Reichweite
Scannen in aktuellen und benachbarten Geschäftsfeldern
Tiefe
Scannen verschiedener Bereiche des Unternehmensumfeldes
mit variierender Intensität
Zeithorizont
kurz- und mittelfristige Zukunft (1-2 Produktgenerationen)
Quellen
Nutzen von verschiedenen zugänglichen Quellen
Netzwerke
Intern
Formeller Austausch zwischen den Abteilungen wird gefördert
Extern
Formeller und informeller Austausch zu Externen wird gefördert
Tab. 6-28: Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung im
Fall 11 (Quelle: Eigene Darstellung)
Charakterisierung der Innovationsfähigkeit
Der Geschäftsbereich kann sowohl die nötigen inkrementellen als auch neuartigere
Innovationen entsprechend der Branche auf den Markt bringen.
Im Rahmen des Innovationsmanagements ist kein Innovationsmanager verantwortlich, vielmehr arbeiten die verschiedenen Bereiche im Rahmen der Budgetierung
zusammen und legen die einzelnen Budgets für die nächsten zehn Jahre fest.
253
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Wirkung der strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit
Ausgangpunkt für das Wirken der strategischen Frühaufklärung ist die strategieunterstützende Funktion. Anhand von Frühaufklärungsinformationen wird die strategische Entscheidungsfindung unterstützt. Diese beeinflusst das Portfolio und die
F&E Planung. Folglich werden immer direkte Entscheidungen auf Basis der Marktbeobachtung getroffen.
Insgesamt wurden mit diesen Entscheidungen sowohl bestehende Kompetenzen als
auch neue Kompetenzen im Rahmen der Innovationsfähigkeit gefördert. Der Interviewpartner erläutert dies folgendermaßen:
„Das muss man in der Relation zum Volumen sehen, also heute mit ungefähr
90 Prozent des Volumens noch immer im traditionellen Geschäft (…), sind wir
in dem bestärkt, was wir machen. Wir brauchen aber dringend die 10 Prozent,
weil wir sehen, dass die Entscheidungsprozesse, die werden stärker in die Märkte verlagert.“ 977
Auch wenn deutlich hervorgeht, dass zum größten Teil bestehende Kompetenzen
bestärkt werden, sind vor allem die wenigen neuen Kompetenzfelder von Bedeutung. Die Relation kann demnach nicht als Wertung gesehen werden.
„Und deshalb bauen wir derzeit auch überproportional viele neue Kompetenzen
auf in den Bereichen, weil wir eben sehen, das ist der Enabler.“ 978
Zusammenfassend wirkt sich die strategische Frühaufklärung demnach positiv auf
die Innovationsfähigkeit aus und wird direkt im Innovationsmanagement berücksichtigt.
Erfolgsfaktoren der Nutzung der strategischen Frühaufklärung
Als entscheidendes Hemmnis, die Ergebnisse der strategischen Frühaufklärung im
Innovationsmanagement zu nutzen, wird der Erfolg im bestehenden Geschäft gesehen. Damit ist der Druck eine Veränderung herbeizuführen noch zu klein, um vor
allem neuartige Ideen zu nutzen. Gleichzeitig ist es ein Hemmnis, dass die alte Belegschaft, das alte Management und die alten Strukturen vorhanden sind, weil es
dadurch schwerfällt, neue Ideen umzusetzen.
Darüber hinaus wird auch der Zwang zur Wirtschaftlichkeit als Hindernis angesehen. Nach spätestens drei Jahren muss ein neues Produkt oder eine neue Sparte einen positiven Gewinn generieren, was vielen neuartigen Produkten keinen geeigneten Rahmen ermöglicht, sich zu bewähren.
977
978
F&E Manager.
F&E Manager.
254
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Fazit
Trotz der starken Fokussierung der strategischen Frühaufklärung auf das Branchenund Marktumfeld erfolgt eine indirekte Beeinflussung der Innovationsfähigkeit
durch die strategiegebende Funktion. Da damit auch nachfolgende Produktgenerationen beeinflusst werden, lässt sich insgesamt ein positiver Einfluss auf Exploitation
und Exploration ausmachen.
6.1.5 Fallbeschreibung 12
In diesem Geschäftsbereich werden verschiedene Produktgruppen vertrieben, durch
die die Organisation des Bereiches ausgelegt wurde. So agieren die einzelnen Segmente unabhängig voneinander mit eigenen Produktmanagement- und F&EAbteilungen. Es wird jeweils nach oben an die zentrale Technologie- und Innovationsabteilung, die eine koordinierende Funktion einnimmt, berichtet.
Die Branchenkomplexität wird vor allem durch das Sicherheitsbestreben und die
damit verbundenen verschiedenen Zulassungsprozesse in den einzelnen Regionen
erhöht. In den einzelnen Regionen weltweit schwanken die Zulassungsprozesse und
deren Anforderungen sehr stark, wodurch die Komplexität variiert. Insgesamt muss
der Geschäftsbereich sehr viele Randbedingungen hinsichtlich Kundendefinitionen
und Regularien beachten. Die eingesetzten Technologien sind dabei sehr reif. Die
Branche ist sehr konservativ und durch sehr lange Produktlebenszyklen von bis zu
30 Jahren geprägt. Folglich ist die Dynamik in der Branche gering. Kundenanforderungen und Technologien entwickeln sich entsprechend langsam und kontinuierlich.
Vor allem für die Basistechnologien ist der Wandel sehr gut einzuschätzen. Darüber
hinaus ist auch das Wettbewerbsverhalten sehr gut kalkulierbar, da es den gleichen
Rahmenbedingungen unterworfen ist.
Der Geschäftsbereich verfolgt die Strategie eines Fast Followers. Innovationen finden in den einzelnen Subsystemen, auf die das Produkt aufbaut, statt, die teilweise
von externen Partnern stammen. Die einzelnen Technologien finden bereits in anderen Branchen Einsatz. Dementsprechend ist nicht die Technologieorientierung Ursprung des Wettbewerbsvorteils, sondern die Kundenorientierung. Da der Kunde
teilweise sehr konkrete Anforderungen hinsichtlich technischer Spezifikationen und
Funktionsweise an den Auftrag stellt, muss der Geschäftsbereich genau diese beachten, um erfolgreich zu agieren.
Die Kultur des Geschäftsbereiches ist der Dynamik der Branche entsprechend konservativ. Die Risikobereitschaft ist grundsätzlich vorhanden, jedoch nicht was den
Einsatz innovativer Technologien angeht, die einer langen Erprobungsphase bedür-
255
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
fen. Entscheidungen müssen sorgfältig vorbereitet und in Abhängigkeit der Prozesse in einem großen Unternehmen getroffen werden.
Die Kriterien zum Unternehmens- und Branchenkontext finden sich in Tab. 6-29.
Unternehmenskontext
Unternehmen
Größe
Strategie
Kultur
Umsatz
> 1 Mrd.
Mitarbeiter
5.000 – 15.000
Wettbewerbsstrategie
Differenzierungsstrategie
Quelle des Wettbewerbsvorteils
Kundenorientierung
Innovationsstrategie
Fast Follower
Risikobereitschaft
Gering
Entscheidungsfreude
Mittelmäßig
Offenheit ggü. Neuem
Mittelmäßig
Branche
Bezeichnung
Sonstiger Fahrzeugbau
Komplexität
Hoch
Dynamik
Gering
Tab. 6-29: Übersicht über die kontextuellen Faktoren des Falles 12 (Quelle:
Eigene Darstellung)
Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
Die einzelnen Produktmanagementabteilungen oder auch Portfolioabteilungen führen ähnliche Frühaufklärungsaktivitäten durch, jedoch separat.
In diesen Abteilungen werden kontinuierlich Marktbeobachtungen durchgeführt, die
in die Produktstrategie münden. Dazu wird allgemein das Geschehen am Markt mit
Stückzahlen, Preisen und Technologien untersucht. Gleichzeitig werden neue Technologien auf Tauglichkeit für diesen Bereich geprüft. Darüber hinaus werden Wettbewerbsaktivitäten analysiert und öffentlich zugängliche Studien ausgewertet. Der
Zeithorizont der Aktivitäten beträgt bis zu sechs Jahre. Alle diese Informationen
dienen dem jährlich stattfindenden PLM-Prozess. In diesem Zusammenhang wird
geprüft, inwiefern die Strategie angepasst werden muss, welche Produkte vorhanden sind und inwiefern diese ggf. an die Strategie angepasst werden müssen. Ähnlich wird der Prozess in den anderen Abteilungen durchgeführt.
Die zentrale Innovations- und Technologieabteilung wurde erst kürzlich aufgesetzt,
um der Bedeutung der Subprodukte gerecht zu werden und diese zu koordinieren.
256
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Die Beobachtung findet auf mehreren Ebenen statt, geht aber auch nicht über den
Zeitpunkt von 6 Jahren hinaus. Es findet zum einem eine Marktbeobachtung für das
Gesamtprodukt statt, um aktuelle Ausschreibungen zu identifizieren und darauf
aufbauend die Produktportfoliostrategie anzupassen. Zudem werden die Subsysteme
untersucht, indem neue Produkte und Lösungen von Lieferanten oder auf Messen
identifiziert werden. Als eine dritte Ebene, wird mit Betreibern der Anlagen kooperiert, um die Zulassungsbedingungen entsprechend den eigenen Produkten anzupassen.
Demnach dient die strategische Frühaufklärung direkt dem Portfolioprozess und ist
ein Ausgangspunkt in dieser Betrachtung. Die einzelnen Kriterien werden nochmals
in Tab. 6-30 veranschaulicht.
Ausmaß der Frühaufklärung
Organisation
Form
Observatory
Ausmaß Prozess
Erfassung, Analyse und Reaktionsstrategien
Art der Durchführung
Kontinuierliche Frühaufklärung beinhaltet projektbasierte,
themenspezifische Frühaufklärung
Integration in andere Prozesse
Frühaufklärung regt Innovationsmanagementaktivitäten an
Kommunikation der Frühaufklärung wird bereichsintern und bereichsübergreiErgebnisse
fend diskutiert
Informationssammlung
Reichweite
Scannen im aktuellen Geschäftsfeld
Tiefe
Scannen im Bereich Technologie und in wenigen anderen
Bereichen
Zeithorizont
kurz- und mittelfristige Zukunft (1-2 Produktgenerationen)
Quellen
Nutzen von einigen eingeschränkten Quellen, die einen
Wettbewerbsvorteil ermöglichen
Netzwerke
Intern
Formeller Austausch zwischen den Abteilungen wird gefördert
Extern
Formeller Austausch zu externen Kontakten wird gefördert,
einige MA hegen informelle Kontakte
Tab. 6-30: Übersicht über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung im
Fall 12 (Quelle: Eigene Darstellung)
257
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Charakterisierung der Innovationsfähigkeit
Innovationen finden meist nur in Subsystemen des Produktes statt, das ganze Produkt ist nie Gegenstand einer Innovation. In diesen Subsystemen werden hauptsächlich inkrementelle Verbesserungsinnovationen durchgeführt. In den letzten Jahren
wurden jedoch keine wirklichen Innovationen auf den Markt gebracht. Es werden
viele neue potentielle Innovationsbereiche untersucht, jedoch münden diese nicht in
den Produktvertrieb. Dies ist auf das Verhalten der Kunden zurückzuführen, da diese durch die langen Produktlebenszyklen und damit auch Einsatzzeiten der Produkte
wenig Interesse an Neuerungen haben.
Wirkung der strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit
Die strategische Frühaufklärung dient im Innovationsmanagement vornehmlich der
Strategiebildung. Die Marktbeobachtung führt direkt zur Beeinflussung der F&E
Planung. Es werden neue Nischen identifiziert, die dann mit neuen Produkten bearbeitet werden. Zudem wurden in der Vergangenheit oftmals neue Kompetenzen
entwickelt, d.h. Exploration und Exploitation gefördert. So brachte in der Vergangenheit die Positionierung als Komplettanbieter einige Neuerungen, die auch Zukäufe erforderten.
Erfolgsfaktoren der Nutzung der strategischen Frühaufklärung
Es werden für die Nutzung der strategischen Frühaufklärung im Innovationsmanagement vornehmlich hemmende Faktoren aufgelistet. Finanzielle Restriktionen sind hauptsächlich ausschlaggebend sowohl für die Durchführung der strategischen Frühaufklärung als auch für die Nutzung im Innovationsmanagement. Die
Regularien, die in der Branche vorherrschend sind, wirken als weiteres Hemmnis
zur Nutzung der Erkenntnisse der Frühaufklärung. Als entscheidender Faktor wird
das Top-Management gesehen, welches bei allen Erfolgsschwankungen die langfristige Perspektive im Unternehmen fördern und unterstützen muss. Insgesamt
macht die Stabilität der Branche und die fehlende Dynamik eine umfassende Nutzung der Frühaufklärung überflüssig.
Fazit
In diesem Fallbeispiel herrscht hohe Komplexität der Branche mit geringer Dynamik. Strategische Frühaufklärung wird wiederum mit starker Aufgabenteilung zwischen den Abteilungen durchgeführt, die durch eine koordinierende Innovationsabteilung überwacht wird. Die Beeinflussung der Innovationsfähigkeit ist aber letztlich nur indirekt durch die Erstellung der Innovationsstrategie möglich.
258
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
6.2 Fallübergreifende Analyse
6.2.1 Analyserahmen fallübergreifende Analyse
Anschließend wird die fallübergreifende Analyse dargestellt. Sie dient der Ergänzung der Einzelfallanalyse und zielt darauf ab, fallübergreifende Eigenschaften und
Muster aufzudecken. Letztlich dient dieser Analyseschritt der Hypothesenbildung,
um die strategische Frühaufklärung in ihrem Wirkungsgefüge darzustellen.
Mit Hilfe der fallübergreifenden Analyse werden Aussagen zum Ausmaß der strategischen Frühaufklärung über alle Fälle hinweg (6.2.2), den indirekten und direkten
Wirkungen der Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit (6.2.3) und die allgemeinen Einflussfaktoren auf die Wirkung (6.2.4) dargelegt. Im ersten Analysekapitel zum Ausmaß der strategischen Frühaufklärung werden alle Kriterien mit den
verschiedenen Intensitäten betrachtet, um einen Einblick über vorherrschende
Strukturen der Organisation der Frühaufklärung zu bekommen. In diesem Zusammenhang wird auch die Auswirkung der kontextuellen Faktoren beleuchtet. Insgesamt werden, darauf aufbauend, verschiedene Frühaufklärungsformen identifiziert,
die eine Typisierung des Ausmaßes zulassen. Das Analysekapitel zu der Wirkung
der Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit widmet sich den direkt identifizierbaren Effekten im Rahmen des Innovationsmanagements und beleuchtet anschließend deren Wirkung auf die Exploitation und Exploration. Dazu werden zunächst die drei direkt ableitbaren Wirkungen beschrieben: die Reduktion der Unsicherheit, die Widersacherfunktion und das Initiieren von Aktivitäten im Innovationsmanagement.979 Anschließend werden deren Effekte sowie der Effekt in Abhängigkeit des Ausmaßes der Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit dargestellt.
Da die Wirkung der strategischen Frühaufklärung häufig durch weitere Faktoren
bedingt wird, dient 6.2.4 zur Auflistung aller Faktoren und zur Beschreibung ihrer
Einflussnahme im Wirkungsmodell.
6.2.2 Ausmaß der strategischen Frühaufklärung in allen Fällen
Die Metaebene über das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung in den einzelnen
Falluntersuchungen zeigt diverse Ausprägungen in den verschiedenen Dimensionen. Tab. 6-31 veranschaulicht diese einzelnen Ausprägungen. Die Analyse des
Ausmaßes der strategischen Frühaufklärung orientiert sich dabei an den in 6.1.1
identifizierten Kriterien zur Beschreibung und ihren verschiedenen Intensitäten.
979
Siehe dazu auch die Ausführungen in Kapitel 3.2.2.2.
259
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Anhand der Tabelle wird deutlich, dass neben einzelnen Ausreißern ein konsistentes
Ausmaß der Umsetzung in den Fallbeispielen herrscht. Damit werden nicht nur einzelne Dimensionen stark ausgeführt, sondern alle Dimensionen ähnlich. Dies zeigt,
dass der Unternehmenskontext derart konstant gehalten wurde, dass Branchen- und
Unternehmenseinflüsse aufgrund veränderter Dynamik, Komplexität, Strategie und
Kultur nur eine untergeordnete Rolle spielen. Darüber hinaus wird strategische
Frühaufklärung mindestens mittelstark betrieben, was wiederum auf die Erfordernisse der kontextuellen Faktoren zurückzuführen ist.
260
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Informationssammlung
Netzwerke
Organisation
Summe
Ausmaß
Fall 1-6
Fall 1
Fall 2
Fall 3
Fall 4
Fall 5
Fall 6
Fall 7-9
Fall 7
Fall 8
Fall 9
Fall 1011
Fall 10
Fall 11
Fall 12
1- 1,5
2,6- 3,5
1,6- 2,5
3,6- 4
Tab. 6-31: Ausmaß der strategischen Frühaufklärung in allen Fallbeispielen
(Quelle: Eigene Darstellung)
261
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Insgesamt wird strategische Frühaufklärung in den bereichsübergreifenden Funktionen immer deutlich umfassender durchgeführt als in den einzelnen Geschäftsbereichen. Dies spricht dafür, dass dort die Distanz zum operativen Geschäft die Notwendigkeit für zukunftsbezogene Informationen und den damit verbundenen Handlungsmöglichkeiten aufzeigt. Da in diesen Funktionen keine Entscheidungs- und
Ausführungsbefugnis vorliegt, ist es umso bedeutender, die Ergebnisse in die Unternehmensbereiche zu transferieren und dort nutzbar zu machen. Nur dann ist es
gerechtfertigt, dass die einzelnen Bereiche über ein geringeres Ausmaß an Frühaufklärung verfügen. Hierbei offenbaren sich zugleich Probleme, da die Interviews
zeigen, dass bereichsübergreifende Tätigkeiten ihr Einflusspotenzial nicht vollends
ausschöpfen können. Die ausführliche Analyse erfolgt dazu in 6.2.4. Zugleich werden in den Bereichen weitaus eingeschränkter Umfeldinformationen, vor allem was
die Reichweite, Tiefe und den Zeithorizont angeht, einbezogen. Wenn sich dementsprechend nur ausgewählte übergeordnete Bereiche mit einer umfassenden Umweltanalyse beschäftigen, müssen, für eine sinnvolle Frühaufklärung, auch deren
Ergebnisse betrachtet werden. Erfolgt dies nicht, besteht das Risiko offenkundige
Veränderungen zu verpassen.
Zudem zeigt die Analyse der Fälle, dass vor allem junge Bereiche, die zwar durch
eine besonders hohe Dynamik ausgezeichnet werden, aber nur wenige Ressourcen
zur Verfügung haben, deutlich eingeschränkter strategische Frühaufklärung nutzen
als andere Bereiche. Vor allem wird die Informationssammlung auf einige wenige
Aspekte reduziert, die von besonderer Relevanz sind. Alle weiteren Ergebnisse zu
dem Ausmaß der strategischen Frühaufklärung werden im Folgenden entsprechend
den Dimensionen Informationssammlung, Netzwerke und Organisation ausführlich
betrachtet.
Informationssammlung
Die untersuchten Kriterien Reichweite, Tiefe, Zeithorizont und Quellen wurden bereits in den einzelnen Fallanalysen dargelegt. An dieser Stelle werden dementsprechend Besonderheiten über alle Fälle hinweg diskutiert.
Die Mehrheit der Fallanalysen beschränkt sich bei der Reichweite auf das aktuelle
Geschäftsfeld und allenfalls spezielle Interessengebiete sowie benachbarte Geschäftsfelder. White Spaces werden kaum betrachtet und wenn erfolgt das Scanning
ausschließlich auf bereichsübergreifender Ebene. Damit können wirkliche Disruptionen und radikale Innovationen, die aus anderen Geschäftsfeldern und White
Spaces stammen, nicht identifiziert werden. So beschränkt man sich per se eher auf
inkrementelle Neuerungen, die aus den bisherigen Branchenentwicklungen ableitbar
sind. Dies spiegelt sich anschließend in der Wirkung der strategischen Frühaufklärung in Bezug auf Exploitation und Exploration wider. Ähnliche Beschränkungen
wirken bei der Tiefe der Informationssammlung. Auch hier wird der Schwerpunkt
262
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
auf technologische Aspekte gelegt, d.h. insgesamt werden oftmals technologische
Aspekte aus dem bestehenden und teilweise anliegenden Branchenbereich untersucht. Dementsprechend wird viel Potenzial für inkrementelle Innovationen aufgespürt, radikale Innovationen oder gar Disruptionen aber vernachlässigt. Ähnlichkeiten tauchen auch bei dem Zeithorizont der Informationssammlung auf. Die meisten
Fälle beschränken die Frühaufklärung auf die kurz- bis mittelfristige Zukunft, die
ein bis zwei Produktgenerationen umfasst. Gleichzeitig gaben die Interviewpartner
an, dass die Dynamik sehr gering ist, wodurch sich das Vorgehen teilweise rechtfertigen lässt. Nichtsdestotrotz wurden häufig die langen Produktlebenszyklen unterstrichen, wodurch schon frühzeitig neue Produkte geplant werden müssen, vor allem aufgrund längerer Entwicklungszeiten. Mit dem hier dargelegten Vorgehen
werden aber nicht adäquat Branchenveränderungen untersucht, die einen Einfluss
auf die künftige Produktlandschaft ausüben.
Quellen werden in allen Bereichen umfassend genutzt. Sowohl öffentlich zugängliche als auch Quellen, die nur eingeschränkt wenigen Marktteilnehmern zugänglich
sind, kommen zum Einsatz.
Insgesamt wird anhand des Ausmaßes der Informationssammlung bereits deutlich,
dass es nicht nur eine Form der Frühaufklärung in den Fällen existiert. Je nach Abteilung und nach Bereichsebene wird eine unterschiedlich starke Informationssammlung durchgeführt. In allen Fallbeispielen erfolgt eine viel umfassendere Informationssammlung in den bereichsübergreifenden Abteilungen als in den einzelnen Bereichen selbst. Sowohl Reichweite, Tiefe als auch Zeithorizont wurden in
den übergeordneten Bereichen intensiver ausgeführt, was die vorangegangene Kritik über den Fokus auf die inkrementellen Veränderungen abschwächt. Es ist sogar
deutlich sinnvoller, wenn ein bereichsübergreifender Bereich, fernab des operativen
Geschäftes, die Suche nach Disruptionen und nach langfristigen Entwicklungen in
verschiedensten Umfeldbereichen übernimmt. Das spart Ressourcen in den Geschäftsbereichen, da gerade ein hohes Ausmaß an Frühaufklärung finanzielle und
personelle Ressourcen in Anspruch nimmt. Damit wird der Transfer in die Geschäftsbereiche aber essentieller, damit eine sinnvolle Nutzung dort stattfinden
kann. Darüber hinaus wird selbst in den Abteilungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten gescannt. Dementsprechend beschäftigt sich eine F&E-Abteilung hauptsächlich mit technologischen Fragestellungen, wohingegen Strategie und Produktmanagement allgemeine Marktentwicklungen des aktuellen Geschäftsfeldes analysieren. Einzig die Innovationsabteilungen nehmen eine umfassendere Rolle ein.
Dieser Zusammenhang ist auch bei der Organisation zu beobachten.
Netzwerke
Die Ausprägung der internen und externen Netzwerke ist über alle Fälle hinweg
gut. Extern werden vor allem im Bereich der technologischen Zusammenarbeit vie263
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
le Forschungskooperationen mit Universitäten etabliert, die über lange Zeiträume
hinweg verfolgt werden. Die informellen Kontakte sind insgesamt mittelmäßig, jedoch verbesserungswürdig, da sie für die Nutzung des internen Wissens unabdingbar sind. Insgesamt sind Netzwerke in Summe ein wenig schwächer ausgeprägt als
die anderen Dimensionen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass gerade in größeren
Unternehmen langsamer Kontakte aufgebaut werden und durch Jobrotation schwieriger zu halten sind.
Organisation
Die Organisation der strategischen Frühaufklärung beinhaltet verschiedene Eigenschaften, die einerseits allgemein den Aufbau beschreiben und andererseits wieder
Dimensionen mit Hilfe von Intensitätsklassen aufgreifen.
Grundsätzlich wird anhand der Falluntersuchung deutlich, dass fast ausschließlich
die Organisationsformen „Observatory“ und „Sammelposten“ eingesetzt werden.
Das Observatorium wird durchweg von den bereichsübergreifenden Abteilungen
genutzt. Die einzelnen Geschäftsbereiche nutzen sowohl den Sammelposten als
auch das Observatorium. In diesem Zusammenhang wird die allgemeine Verfahrensweise in Unternehmen zum Aufbau von strategischer Frühaufklärung deutlich.
Sobald eine eigene Innovations- oder Portfolioabteilung im Geschäftsbereich etabliert ist, wird dort strategische Frühaufklärung in der Form des Observatoriums
durchgeführt. Alle Abteilungen, die sich nur bestimmte Umfeldbereiche anschauen,
nutzen den Sammelposten. Dort arbeiten ausgewählte Mitarbeiter an vorher definierten Themen. So überrascht es wenig, dass auch viele F&E Abteilungen den
Sammelposten zum Aufgreifen von technologischen Trends nutzen. Damit wird
demonstriert, was bereits unter dem Analysepunkt Informationssammlung herausgestellt wurde: Einzelne Unternehmensabteilungen untersuchen nur bestimmte, für
sie relevante, Umfeldbereiche d.h. Frühaufklärung als Ganzes mit allen Beobachtungsbereichen wird selten durchgeführt. Je nachdem wie umfangreich die Informationssammlung erfolgt, wird die Organisationsform Sammelposten oder Observatorium genutzt. Folglich fehlt meist der ganzheitliche Blick, der die einzelnen verfügbaren Informationen zusammenführt und aus dem Gesamtbild Implikationen generiert.
Als Prozessschritte in den Fallstudien wurden hauptsächlich alle gängigen Schritte
über Erfassung, Analyse bis hin zur Ableitung von Reaktionsstrategien durchgeführt. Die Fallstudien unterstützen einheitlich, dass Frühaufklärung immer genutzt
wird, um Handlungsempfehlungen abzugeben. Die Ergebnisse bestätigen damit den
gewählten Definitionsansatz zur strategischen Frühaufklärung, der nicht nur die
reine Informationsgenerierung beinhaltet, sondern auch das Ableiten von Implikati-
264
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
onen zur Handlungseinleitung.980 Damit werden auch die Erkenntnisse der Untersuchungen von Roll und anderen Autoren unterstützt, die strategische Frühaufklärung
als Einheit von Informationsgenerierung und Handlung verstehen.981 Einzig die
Umsetzung der Handlungsempfehlung kann nicht vollends beurteilt werden. In Abhängigkeit von dem Unternehmensbereich werden die Implikationen teilweise sofort umgewandelt oder nur als Entscheidungsanregung genutzt. Vor allem die
Handlungsempfehlungen der bereichsübergreifenden Abteilungen werden auf diese
Art teilweise nicht umgesetzt. Dies schwächt natürlich die Wirkung der Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit.
Darüber hinaus wird Frühaufklärung bis auf wenige Ausnahmen in allen Fallstudien
kontinuierlich durchgeführt. So ist zu beobachten, dass vor allem in Forschungsabteilungen kontinuierlich nach neuen technologischen Entwicklungen gescannt
wird. Großangelegte Szenarioprojekte in den Unternehmensbereichen oder übergeordneten Bereichen werden nur projektbasiert durchgeführt, jedoch meist regelmäßig aktualisiert. Vor allem in kleineren Bereichen fällt eine kontinuierliche Frühaufklärung schwerer. So wird im beschriebenen Unternehmensbereich im Fall 8
Frühaufklärung nur durch besondere Themen ausgelöst.
Die Integration der Frühaufklärungsergebnisse erfolgt auf sehr unterschiedliche
Weise in Abhängigkeit der ausgeführten Art der Frühaufklärung. Die technologische Frühaufklärung wird meist direkt in Innovations- und Technologiemanagement
einbezogen. In Fallstudien, die eine separate Innovations- und Portfolioabteilung
aufweisen, können am besten die vielfältigen Informationen aus verschiedenen Initiativen in den Innovationsprozess integriert werden. Probleme gibt es oft bei der
Integration der bereichsübergreifenden Tätigkeiten. Die Ergebnisse werden zwar in
die notwendigen Abteilungen kommuniziert, aber nicht konkret integriert. Vor allem wenn keine Innovationsabteilung vorhanden ist, hängt die Integration und damit Nutzung von der Qualität des Austausches in dem Bereich ab. Eine hohe Qualität des Austausches führt dementsprechend zu einer intensiven Nutzung im Innovations- und Technologiemanagement. Bei einer schlechten Qualität wird jedoch die
Frühaufklärung wenig integriert.
Damit wird eine weitere wichtige Dimension, die Kommunikation, hervorgehoben.
In allen Fällen wird die Zukunftssicht nicht offen kommuniziert, sondern nur an
betroffene Abteilungen wie Produktmanagement, Strategie sowie F&E weitergeleitet. Damit kann unternehmensweit kein einheitliches Verständnis der zukünftigen
Chancen und Risiken entwickelt werden. Ausschließlich die bereichsübergreifenden
Tätigkeiten kommunizieren naturgemäß in die einzelnen Bereiche hinein, jedoch
auch wieder nur in betroffene Abteilungen. Damit verpasst man, die Mitarbeiter für
980
981
Siehe dazu auch 3.1.1.
Vgl. Roll (2004), S. 195; Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 21; Hammer (1988), S. 253.
265
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Zukunftsaufgaben zu sensibilisieren und deren Potenziale zur Lösungsfindung zu
nutzen.
Einfluss der kontextuellen Faktoren auf das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
Auch wenn der Einfluss der kontextuellen Faktoren in der vorliegenden Falluntersuchung so gering wie möglich gehalten wird, sind einige Aussagen ableitbar.
Die Umsetzung und das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung erfolgt in den
Fallbeispielen passend zu den Erfordernissen des Unternehmenskontextes. Alle Fälle verfügen über eine mittelmäßige Komplexität und geringe bis hohe Dynamik. Die
Unternehmen selbst verfolgen oftmals ambitionierte Innovationsziele und die Wettbewerbsstrategie der Differenzierung, was enorme Anforderungen an die Produkte
mit sich bringt. Insgesamt ist damit die mittelmäßige bis teilweise hohe Implementierung zu rechtfertigen und sinnvoll. Durch die Größe und Ausstattung der Bereiche ist es fast allen möglich, Frühaufklärungssysteme einzuführen und zu nutzen.
Der direkte Abgleich der Dimensionen des Ausmaßes der strategischen Frühaufklärung in Abhängigkeit der einzelnen kontextuellen Faktoren verdeutlicht weitere Zusammenhänge. Dazu wurden Mittelwerte der Kategorien Informationssammlung,
Netzwerke und Organisation für bestimmte kontextuelle Faktoren gebildet. Als kontextuelle Faktoren wird hierbei vor allem auf die Innovationsstrategie, den Branchen und den Brancheneigenschaften mit Komplexität sowie Dynamik eingegangen. Größenklassen werden teilweise aufgrund nicht vorhandener Informationen
bestimmter Fälle nicht untersucht. Ein Vergleich mit Hilfe der Eigenschaften zur
Innovationskultur wird indes nicht ausgeführt, da die Fälle in Summe ähnliche
Ausprägungen aufweisen. Allenfalls einzelne Dimensionen unterscheiden sich, was
sich bei der Bildung der Mittelwerte jedoch nicht auswirkt.
In Tab. 6-32 sind die einzelnen Werte des Ausmaßes der Frühaufklärung in Abhängigkeit der Innovationsstrategie aufgelistet.
266
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Innovationsführer
Fast Follower
Informationssammlung
Netzwerke
Organisation
Tab. 6-32:
Ausmaß der Frühaufklärung in Abhängigkeit der Innovationsstrategie982 (Quelle: Eigene Darstellung)
In der Falluntersuchung sind nur die Strategie des Innovationsführers und des Fast
Followers vertreten. Die unterschiedlichen Strategien drücken sich aber nur kaum in
den einzelnen Frühaufklärungsdimensionen aus. Bestenfalls die Informationssammlung ist bei den Innovationsführern leicht höher ausgeprägt, alle anderen Dimensionen zeigen nahezu Übereinstimmung. Die beiden Dimensionen Netzwerke und Organisation sollten bei Innovationsführerschaft auch in besserem Ausmaß gestaltet
werden, damit die Strategie in die Realität umgesetzt werden kann. Insgesamt fällt
zudem auf, dass sowohl die ambitionierte Strategie des Innovationsführers als auch
die Strategie des Fast Followers nicht umfassend genug umgesetzt werden. Trotz
dieser Strategien sind die Innovationsprozesse selten darauf ausgelegt sind, die
frühzeitig identifizierten Signale zu nutzen. Dies ist eigentlich paradox, gaben doch
viele Unternehmensbereiche an, strategische Frühaufklärung zu nutzen, um vor dem
Wettbewerb mit Innovationen auf den Markt zu kommen. Demnach werden die Ergebnisse der Frühaufklärung immer noch zu wenig einbezogen oder scheitern in der
Umsetzung an internen Faktoren, die in Kapitel 6.2.4 erläutert werden.
Die Abhängigkeit einer Branche lässt sich nicht feststellen. Über alle Branchen
hinweg sind alle Dimensionen des Ausmaßes ähnlich verteilt. Einzig die Maschinenbaubranche weist deutlich höhere Werte auf. Da diese jedoch nur durch ein
Fallbeispiel vertreten ist, lässt sich nicht eindeutig belegen, ob die Unterschiede auf
die Branche zurückzuführen sind. In Tab. 6-33 sind alle Werte zusammenfassend
aufgeführt.
982
Legende siehe Tab. 6-31.
267
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Herstellung
von Datenverarbeitungsgeräten,
elektronischen
und optischen
Erzeugnissen
(26)
Herstellung
von
elektrischen
Ausrüstungen
(27)
Maschinenbau
(28)
Herstellung
von
Kraftwagen
und
Kraftwagenteilen (29)
Sonstiger
Fahrzeugbau
(30)
Informationssammlung
Netzwerke
Organisation
Tab. 6-33:
Ausmaß der Frühaufklärung in Abhängigkeit der Branche983
(Quelle: Eigene Darstellung)
Darüber hinaus sind die Werte für die Komplexität und Dynamik der Branche in
Tab. 6-34 abgebildet.
gering
mittel
hoch
Informationssammlung
Netzwerke
Organisation
Tab. 6-34: Ausmaß der Frühaufklärung in Abhängigkeit der Komplexität und
Dynamik der Branche984 (Quelle: Eigene Darstellung)
Rohrbeck hat in seiner Fallstudienuntersuchung hervorgehoben, dass vor allem Dynamik und Komplexität der Branche das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
beeinflussen.985 Demnach wird bei großer Dynamik und hoher Komplexität ein ho-
983
Legende siehe Tab. 6-30.
Legende siehe Tab. 6-30.
985
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 127.
984
268
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
hes Ausmaß an strategischer Frühaufklärung durchgeführt bzw. sollte durchgeführt
werden.986 Dieser Zusammenhang kann anhand des vorliegenden Materials nicht
unterstützt werden. In Fall 3 und 8 ist eine besonders hohe Umweltdynamik zu konstatieren. Nichtsdestotrotz erfolgte keine intensivere Nutzung der strategischen
Frühaufklärung. Im Gegenteil, aufgrund der eingeschränkten Ressourcen bestand
eine vergleichsweise geringe Nutzung der strategischen Frühaufklärung. Vor allem
in Fall 8 geht man aber auch davon aus, dass ein erhöhtes Ausmaß an Frühaufklärung keinen bedeutenden Mehrwert bringen würde. Denn die Branche ist noch derart instabil, dass eine umfassende Frühaufklärung mit mittel- bis langfristigen Charakter und der Beobachtung des ganzen Umfelds keinen Sinn macht. Daher muss
man in diesem Fall nicht die Signale aus dem Umfeld verarbeiten, sondern die Zukunft gestalten. Damit wird in diesem Hinblick den Erkenntnissen von Rohrbeck
widersprochen, dass eine hohe Umweltdynamik per se ein hohes Ausmaß an Frühaufklärung verlangt. Wenngleich insgesamt kein höheres Ausmaß an Frühaufklärung durchgeführt wird, ist jedoch festzustellen, dass die Verteilung über die Dimensionen hinweg, Unterschiede aufweist. Zwar ist generell die Informationssammlung schwächer ausgeprägt, jedoch werden starke Netzwerke gebildet. Über
die Netzwerke ist es möglich, mit den wenigen vorhandenen Ressourcen Einfluss zu
nehmen, indem gemeinsam die Zukunft gestaltet wird.
Fazit
Insgesamt ist die Nutzung der strategischen Frühaufklärung in den Falluntersuchungen fortgeschritten, wenngleich verschiedene Besonderheiten oder gar
Konkretisierungen der bisherigen Literatur zu beobachten sind. Die bereits dargestellten Veranschaulichungen zu den einzelnen Dimensionen Informationssammlung, Netzwerke und Organisation lassen damit weitere Ableitungen zu. Es kann
festgestellt werden, dass sich das Ausmaß der Frühaufklärung in Abhängigkeit der
Abteilung oder der Art der Frühaufklärung unterscheiden lässt. Demnach variiert
das Ausmaß der Frühaufklärung in einzelnen Dimensionen, je nachdem, ob sie in
Strategie-, F&E,- Innovationsabteilungen oder Produktmanagement durchgeführt
wird. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass in den Unternehmensbereichen verschiedene Mechanismen vorherrschend sind, die eine Nutzung des Potenzials der
Frühaufklärung möglich machen. Als eine letzte Besonderheit können anhand der
Fallstudienuntersuchung Typen gebildet werden, die sich nach dem Ausmaß der
Frühaufklärung richten. Diese Typen geben Aufschluss über das Zusammenspiel
der einzelnen Einheiten, die sich mit Frühaufklärung beschäftigen und deren Umfang. Im Folgenden werden diese Erkenntnisse dargestellt.
986
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 127.
269
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Ausmaß der Frühaufklärung in Abhängigkeit der Art
Die Analyse macht deutlich, dass in Unternehmen nicht nur eine Form der Frühaufklärung vorherrscht, sondern diverse Initiativen, die mit unterschiedlichen Ansätzen
in den Abteilungen durchgeführt werden, existieren. Wenngleich dieses Ergebnis
nahe zu liegen scheint, wird dies bisher in der bestehenden Literatur vernachlässigt.987 Dabei ist es offensichtlich, dass verschiedene Abteilungen einen bestimmten
Bereich der Frühaufklärung ausführen. Die vorherrschende Literatur beschreibt bisher dazu nur separat die Organisationsform, den Prozess und auch die Beobachtungsbereiche, ohne die Zusammenhänge zu beleuchten. Dies liegt vor allem an der
schwammigen Konstruktion der strategischen Frühaufklärung, die nur als Instrument oder Prozess zur Identifizierung von schwachen Signalen und zum Ableiten
von Handlungsstrategien definiert wird. Denn sehr viele Bereiche im Unternehmen
zielen darauf ab, Chancen und Risiken für den Geschäftsverlauf zu identifizieren. In
der vorliegenden Untersuchung werden F&E, Produktmanagement, Strategie und
Innovation als Bereiche im Unternehmen identifiziert, die Frühaufklärungsinformationen sammeln.
So findet in der F&E-Abteilung hauptsächlich technologische Frühaufklärung statt.
Teilweise werden auch Wettbewerbsinformationen gesammelt, jedoch technologiebezogen. Hier wird der Fokus auf das aktuelle und allenfalls benachbarte Geschäftsfeld mit kurz- bis mittelfristigen Zeithorizont gelegt. Organisiert wird die Frühaufklärung als Sammelposten. Die Vorfeldentwicklung, ein Teil der F&E, ist langfristiger orientiert und versucht frühzeitig Whites Spaces zu identifizieren. In diesem
Bereich beschäftigt man sich daher kontinuierlich mit verschiedensten Technologien in Form des Observatoriums. Das Produktmanagement setzt den Schwerpunkt
der Beobachtung auf den Markt sowie Wettbewerb und konzentriert sich auf das
aktuelle Geschäftsfeld mit maximal mittelfristigem Zeithorizont. Da hier das operative Geschäft Vorrang hat, wird weniger kontinuierlich gescannt und meist in Form
des Sammelpostens gearbeitet. Die Innovations- und Strategieabteilungen arbeiten
beide ähnlich umfassend. Beide versuchen auch langfristige Entwicklungen einzubeziehen und sind in der Form des Observatoriums organisiert. In diesen Abteilungen finden auch die großangelegten Szenarioprojekte statt, die das vollständige Umfeld des Unternehmens betrachten. Die Strategieabteilung befindet sich auf bereichsübergreifender Ebene und muss für einen Transfer der Ergebnisse in die Bereiche sorgen, wohingegen die Innovationsabteilung die Ergebnisse direkt zur Erstellung von der Innovationsstrategie und Generierung von Ideen nutzt. Alle wichtigen Eigenschaften zum Ausmaß der strategischen Frühaufklärung in Abhängigkeit
987
Siehe zum Beispiel bei Becker (2002) oder Daheim & Uerz (2008), die sich zwar mit Zielen und
Organisation auseinandersetzen, aber nicht diesen Sachverhalt offenlegen.
270
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
der Art sind in Tab. Tab. 6-35 zu finden. Es sind in der Tabelle nicht alle Eigenschaften aufgelistet, sondern nur solche, die in den Bereichen variieren.
Bereiche
Ausmaß der Frühaufklärung anhand ausgewählter Aspekte
Reichweite
Tiefe
Zeithorizont
Organisationsform
F&E
Aktuelle
und benachbarte
Geschäftsfelder
Fokus auf
Technologie
Kurz- bis
mittelfristig
Sammelposten kontinuierlich
Produkt-
Aktuelles
Geschäftsfeld
Fokus
Markt,
Wettbewerb
Max. mittelfristig
Sammelposten Weniger kontinuierlich,
durch spezielle Themen
ausgelöst
Innovation
und Portfolio
Aktuelle
und benachbarte
Geschäftsfelder, teilweise auch
White
Spaces
Alle Unternehmensbereiche
Mittel- bis
langfristig
Observatorium
kontinuierlich
Strategie
Aktuelle
und benachbarte
Geschäftsfelder, und
White
Spaces
Alle Unternehmensbereiche
Langfristig
Observatorium
kontinuierlich
management
Art der
Durchführung
Tab. 6-35: Eigenschaften zum Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
(Quelle: Eigene Darstellung)
Insgesamt fällt jedoch auch auf, dass keine wirkliche gebündelte Verarbeitung dieser verschiedenen Informationen erfolgt, wodurch das Frühaufklärungspotenzial
nicht genutzt wird. Welche Unterschiede zwischen den Fällen bestehen, um das Potenzial besser zu nutzen, wird anschließend erläutert.
271
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Mechanismen zur Potenzialnutzung
Wenngleich strategische Frühaufklärung insgesamt gut in den Fällen genutzt wird,
fällt auf, dass in einigen Bereichen die Ergebnisse besser eingebunden werden. Da
viele Ergebnisse mit unterschiedlichen Schwerpunkten vorliegen, müssen diese im
Anschluss allen Innovationsbeteiligten zugänglich gemacht werden, um eine sinnvolle Nutzung zu gewährleisten. Dazu werden in den meisten Fällen hauptsächlich
gemeinsame Workshops und Entscheidungsrunden organisiert. Dadurch kommt es
meist zu einem erheblichen Informationsverlust, weil die Frühaufklärungsinformationen nicht vollständig ausgetauscht werden können. Vor allem die Ergebnisse der
bereichsübergreifenden Frühaufklärungsinitiativen werden oftmals nicht angemessen genutzt, da teilweise keine Mitarbeiter aus den Unternehmensbereichen mitarbeiten und daher anschließend die Ergebnisse in den Bereichen nicht beachtet werden. Besser konnten alle Ergebnisse der Aktivitäten aus den Abteilungen und bereichsübergreifenden Tätigkeiten genutzt werden, wenn eine Innovationsabteilung
alle Informationen zusammenführt und für die Entscheidungsfindung aufbereitet.
Durch eine Innovationsabteilung werden die bereichsübergreifenden Initiativen in
den Geschäftsbereich gebracht und deren Ergebnisse genutzt. Aus den bereichsinternen Abteilungen werden alle Informationen gesammelt. Insgesamt wird aus dem
umfassenden Abbild über die möglichen Entwicklungen eine ganzheitliche Reaktionsstrategie erarbeitet und Maßnahmen für das Portfolio und Innovationsmanagement abgeleitet. Damit ist eine Innovationsabteilung anderen Mechanismen deutlich
überlegen, wenngleich hierfür höhere Ressourcen notwendig sind.
Typisierung
Aufbauend auf den Darstellungen in diesem Kapitel lassen sich drei Typen der
Frühaufklärungsorganisation ableiten, die in den Fällen vorherrschend sind. Diese
drei Typen sind der traditionelle Frühaufklärer, der Front-End-Frühaufklärer und
der beschränkte Frühaufklärer.
Der traditionelle Frühaufklärer verfügt über die klassische Einteilung in F&E, Produktmanagement und separiert entsprechend dieser Aufgabenteilung seine Frühaufklärungstätigkeiten. Um die Innovationsstrategie festzulegen und Ideen für neue
Produkte zu generieren, herrscht ein regelmäßiger Austausch zwischen den Abteilungen. F&E liefert passend zu den Produktideen neuartige Technologien. Oftmals
ist es der Kunde der Input für Innovationen liefert, daher entstehen oftmals nur inkrementelle Innovationen. Diese Form der Frühaufklärung kommt vielfach in der
Falluntersuchung zum Einsatz und wird in den Fällen 1; 4; 9; 10; 11 genutzt.
Der Front-End Frühaufklärer verfügt über eine eigene Innovations- oder Portfolioabteilung, die zum einen selbst Frühaufklärung betreibt und zum anderen die Informationen der diversen Abteilungen zusammenträgt. Die vorhandene Innovationsabteilung lenkt und steuert den gesamten Innovationsprozess. Vor allem zu Beginn
272
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
des Innovationsprozesses wird sie aktiv, indem sie Vorfeldprojekte initiiert, Ideen
generiert und die allgemeine Innovationsstrategie bearbeitet. Dies geschieht jedoch
immer unter Einbezug der anderen beteiligten Abteilungen. Der Front-End Frühaufklärer ist in den Fällen 2; 5; 6; 7; 12 zu beobachten.
Der beschränkte Frühaufklärer kommt in der vorliegenden Untersuchung recht selten vor, kennzeichnet sich jedoch durch ein schwach ausgeprägtes Frühaufklärungssystem. Insgesamt wird in diesen Fällen sehr wenig Frühaufklärung betrieben.
Meist wird nur nach besonderen Interessengebieten gescannt. Fall 3 und 8 sind als
beschränkte Frühaufklärer zu bezeichnen.
6.2.3 Einfluss der strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit
6.2.3.1 Überblick
Dieses Kapitel widmet sich den zentralen Fragen der empirischen Erhebung: Beeinflusst die strategische Frühaufklärung die Innovationsfähigkeit und wie kann dieser
Einfluss beschrieben werden, d.h. anhand welcher Mechanismen entfaltet sich die
Wirkung auf die Innovationsfähigkeit. Bisher wurde der Einfluss der strategischen
Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit selten konkret beschrieben. Die meisten Autoren formulieren eher vage und allgemeine Zusammenhänge, die keinen
Aufschluss auf die Wirkungsweise zulassen. Einzig Rohrbeck hat bisher einen konkreten Wertbeitrag der strategischen Frühaufklärung identifiziert, indem er die vier
Elemente (1) Unsicherheitsreduktion, (2) Maßnahmeninitiierung, (3) Auswirkung
auf Dritte und (4) sekundäre Vorteile aus seiner empirischen Untersuchung ableitet.988 Analog zu Rohrbeck wurden in der vorliegenden Fallstudienuntersuchung die
drei Faktoren (1) Unsicherheitsreduktion, (2) Alarmfunktion und (3) Initiator im
Innovationsmanagement identifiziert. Diese Faktoren beziehen sich ausschließlich
auf die im Innovationsmanagement wahrgenommenen Einflüsse und konkretisieren
damit die von Rohrbeck vorgenommene Einteilung. Sie zeichnen sich durch einen
direkten Einfluss auf die Innovationsfähigkeit aus und helfen dem Verständnis, auf
welche Art und Weise die Innovationsfähigkeit beeinflusst wird. Diese Faktoren
werden in den folgenden Kapiteln 6.2.3.2; 6.2.3.3 und 6.2.3.4 eingehend anhand der
einzelnen Elemente und ihrer Bedeutung beschrieben. Darüber hinaus wird dort
erläutert, welche Aktivitäten im Unternehmen die beschriebene Funktion erfüllen.
In Kapitel 6.2.3.6 wird anschließend der Bezug zur Innovationsfähigkeit und den
988
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 88ff.
273
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Mechanismen Exploitation und Exploration hergestellt. In diesem Zusammenhang
wird der indirekte Einfluss thematisiert.
6.2.3.2 Reduktion der Unsicherheit
Die Reduktion der Unsicherheit stellt einen ersten wesentlichen Faktor dar, der im
Innovationsmanagement wirkt. Diese Funktion beschreibt, inwiefern strategische
Frühaufklärung dazu beiträgt, die Unsicherheiten in Bezug auf das laufende und
kommende Produktgeschäft zu reduzieren. Die zwei identifizierten Elemente, die
der Reduktion der Unsicherheit dienen, sind die Rechtfertigung sowie Bestätigung
des eingeschlagenen Innovationsweges und die Unterstützung der Entscheidungsfindung. Wie auch schon bei Rohrbeck führt keines der beschriebenen Elemente
direkt zu einer Handlung, sondern rechtfertigt lediglich bestehende Innovationswege oder neuartige Ideen. 989 Die Elemente werden zusammenfassend in Tab. 6-36
beschrieben.
989
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 90.
274
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Element
Beschreibung
Beispiel
Rechtfertigung und
Bestätigung für
bestehende Produkte
Lieferung von Informationen,
die je nach Information sowohl bestehende Innovationsstrategien und Produkte bestätigen als auch neuartige
Innovationsideen rechtfertigen
„Ich brauche sie aber, um zu wissen, dass nichts anderes am Horizont droht, warum ich vielleicht
die inkrementelle Entwicklung
jetzt nicht machen sollte und
stattdessen was ganz anderes machen sollte (…), d.h. so eine Bestätigung, dass ich vielleicht mit
inkrementell weitermache und
jetzt noch nicht alles auf irgendwas anderes werfe.“
Entscheidungsunterstützung
Unterstützung der Entscheidungsprozesse durch vielfältige Informationen über die
Umfeldentwicklung
„Hauptzweck ist natürlich, eine
Einschätzung zu geben oder Material für die Entscheidungsfindung zu geben hinsichtlich der
Produktentwicklungen, künftiger
Produktentwicklungen, wo bauen
sich demnächst Geschäftsmöglichkeiten auf (…).“
Tab. 6-36: Elemente und Beschreibung des Faktors Reduktion der Unsicherheit (Quelle: Eigene Darstellung)
Frühaufklärung führt beim ersten Element zu einer Rechtfertigung sowohl für bestehende Produkte als auch für neuartige Innovationsideen. Indem die strategische
Frühaufklärung Informationen über Markt- und Technologietrends liefert, bietet sie
eine weitreichende Rechtfertigung für die getätigten oder sich anbahnenden Entscheidungen. Stehen größere Veränderungen an, kann strategische Frühaufklärung
den nötigen Input liefern, um diesen Veränderungsbedarf auch in den Unternehmensteilen zu kommunizieren, die diesen Bedarf noch nicht erkannt haben. Gerade
in Hinblick auf das beobachtete Beharrungsvermögen im Unternehmen hilft strategische Frühaufklärung dabei, radikale Innovationsideen zu untermauern und deren
Potenziale aufzuzeigen. Gleichzeitig berichten viele Interviewpartner, dass strategische Frühaufklärung dazu dient, die bestehenden Innovationsentscheidungen zu
rechtfertigen, vor allem, wenn nur inkrementelle Innovationen auf den Markt gebracht werden. Die mit Hilfe der Frühaufklärung gewonnenen Informationen bestätigen die bisherigen Produkte und führen zu einer Fortführung der eingeschlagenen
Innovationsstrategie. Vor allem die umfassenden Szenarioprojekte liefern die nötige
Bestätigung. So gaben viele Unternehmen an, dass keine Portfoliolücken gefunden
wurden, sondern nur Zuspruch für den bestehenden Innovationsweg. Insgesamt
275
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
werden damit die bestehenden inkrementellen Innovationen bestätigt. In diesem
Zusammenhang hilft strategische Frühaufklärung dabei, das Timing für bestimmte
Innovationen und vor allem für radikale Innovationen zu verbessern. Solange noch
Informationen vorliegen, die inkrementelle Innovationen bestätigen, liegt kein Bedarf für radikale Innovationen vor. Erst wenn schwache Signale für disruptive Veränderungen auftreten, wird damit der Veränderungsdruck im Unternehmen größer.
Folglich werden die bestehenden radikalen Innovationsideen weiter verfolgt oder
neue radikale Innovationsprojekte initiiert.
Eine weitere Funktion stellt die Entscheidungsunterstützung dar. Wie auch Rohrbeck erkannt hat, unterstützt strategische Frühaufklärung das Management dabei
innovationsbezogene Entscheidungen zu treffen.990 Die gesammelten Informationen
zu Trends und Umweltentwicklungen fundieren den Entscheidungsprozess und führen zu einer besseren Qualität der Entscheidungen, vor allem in Hinblick auf die
Berücksichtigung langfristiger Entwicklungen.
6.2.3.3 Widersacher
Die Funktion des Widersachers beschreibt, in welchem Ausmaß die einzelnen Geschäftsbereiche und Abteilungen durch die strategische Frühaufklärung mit der Zukunftssicht konfrontiert werden, um Handlungsbedarf aufzuzeigen und Maßnahmen
einzuleiten.991 In der bestehenden Literatur findet diese Funktion bisweilen wenig
Beachtung und wird nur stellenweise erwähnt. Einzig Rohrbeck hat die Funktion
des Opponenten in einem Best Practice Beispiel bereits ableiten können, allerdings
sieht er diese Funktion im Rahmen einer kontinuierlichen Dienstleistung, die auch
die Aktualität von laufenden Innovationsprojekten überprüft. 992 Diese umfangreiche
Gestaltung kann durch die vorliegende Arbeit nicht bestätigt werden. Daher wird
sich auf die Tätigkeit des Herausforderns der bisherigen Geschäfts-annahmen beschränkt. Die wichtigsten Informationen zum Faktor sind in Tab. 6-37 zu finden.
990
Rohrbeck (2010), S. 94f.
Siehe dazu auch Rohrbeck (2010), S. 187.
992
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 187.
991
276
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Element
Beschreibung
Beispiel
Herausfordern von
Abteilungen oder
Bereichen mit zukünftigen Risiken
Frühaufklärung deckt
Entwicklungen auf, auf
die sich das Unternehmen bisher nicht einstellt. In diesem Zusammenhang wird der
Veränderungsbedarf
aufgezeigt und werden
die Bereiche herausgefordert, welche Antworten sie auf die Veränderungen haben.
„Ja, wir müssen immer auffordern,
Dinge, die die letzten zehn Jahre auch
nachweislich sehr erfolgreich sind,
dann klarzumachen, das ist nicht automatisch so, dass sie die nächsten
zehn Jahre damit auch erfolgreich sind.
D.h. die Leute werden häufig aus ihrer
Komfortzone herausgerissen.“
Tab. 6-37: Bestandteile und Beschreibung des Faktors Widersacher (Quelle:
Eigene Darstellung)
Die Funktion wird ausgeführt, indem die Frühaufklärung eine Systematik liefert,
die erklärt, wie die Zukunft bestritten werden kann. Vor allem deckt sie Handlungsbedarf auf, wenn das Unternehmen bisher Zukunftsthemen nicht verfolgt hat. Ein
Interviewpartner hat darauf verwiesen, dass daher die Geschäftsbereiche aus „ihrer
Komfortzone“ herausgerissen werden sollen. Im Ergebnis steigt der Handlungsdruck und Handlungen können einfacher eingeleitet werden. Diese Funktion wird
oftmals von bereichsübergreifenden Abteilungen oder den eigenen Innovationsabteilungen durchgeführt. Indem diese vom Tagesgeschäft losgelöst agieren, beurteilen sie die aktuelle Position objektiver. Sie können die Herausforderungen der Zukunft mit den gegenwärtigen Entwicklungen abgleichen und den Bereichen Handlungs-empfehlungen geben. Die Bereiche werden anschließend mit der Zukunftssicht konfrontiert und können konkret abschätzen, wie die Produkte in 10 Jahren
aussehen müssen, um noch erfolgreich am Markt zu agieren.
Wo strategische Frühaufklärung bei dem Faktor Reduktion der Unsicherheit vorhandene Entscheidungen zusätzlich bestätigen musste, geht es hier vielmehr um die
Kommunikation der Erkenntnisse, um eine Handlung einzuleiten. Indem die Zukunftssicht und das nötige Handlungspotenzial kommuniziert werden, werden die
Themen der Zukunft und der Handlungsbedarf deutlicher.
277
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
6.2.3.4 Initiieren von Aktionen im Innovationsmanagement
Der beschriebene Faktor verdeutlicht, in welchem Umfang und in welcher Form
Aktionen im Innovationsmanagement direkt durch strategische Frühaufklärung ausgelöst werden. Das Initiieren von Aktionen im Innovationsmanagement stellt im
Untersuchungssample den umfangreichsten Faktor dar und wurde nahezu in allen
Interviews erwähnt. Damit erfolgt ein unmittelbarer Einfluss im Innovationsmanagement. Da diese Handlungen von zentraler Bedeutung im Innovationsprozess
sind, wird auch die Innovationsfähigkeit beeinflusst. Der Faktor bestätigt damit die
vorliegenden Erkenntnisse aus der Literatur zur strategischen Frühaufklärung und
deren Funktion im Innovationsmanagement, wenngleich nicht derart umfassend
Aktionen identifiziert wurden.993 In diesem Zusammenhang hat Becker in seiner
empirischen Studie allenfalls vage die Funktion zur Stimulation und Unterstützung
im Innovationsprozess beschrieben. 994 Rohrbeck identifiziert die folgenden durch
Frühaufklärung ausgelösten Aktivitäten: Portfolioänderungen, F&E Projekte und
Ausweitung der Geschäftsentwicklung.995 Diese werden hier bestätigt und durch
weitere Elemente ergänzt. Alle Faktoren sind in Tab. 6-38 abgebildet und werden
im Folgenden näher erläutert.
Element
Unterstützung bei der Bildung der Innovationsstrategiefindung
Beschreibung
Die Erkenntnisse über
die Umwelt des Unternehmens tragen dazu
bei, eine Innovationsstrategie für Zukunft
zu bilden und zu bestimmen, welche Innovationsfelder mit
welchen Produkten
bearbeitet werden. In
diesem Zusammenhang wird auch das
Portfolio des Unternehmens erarbeitet.
993
Beispiel
„Und das ist auch ein ganz wesentlicher Eckpfeiler für den
Foresight-Prozess, für die Zukunftsforschung, weil wir daraus
dann eben auch unsere Strategien dann ableiten“
„Also, das sind dann durchaus
jetzt Folgen, die dazu führen,
dass wir eben unser Produktportfolio mittelfristig anders aufbauen werden“
Vgl. Becker (2002), S. 9; Müller & Müller-Stewens (2009), S. 7; Tyssen (2012), S. 243.
Vgl. Becker (2002), S. 9.
995
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 88ff.
994
278
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Element
Beschreibung
Beispiel
Generieren von
Innovationsideen
Durch die Trends und
Entwicklung in Märkten,
Technologien, Kundenbedürfnissen werden
konkrete Innovationsideen abgeleitet, die in
den Innovationstunnel
einfließen
„Dann kommen da ja bestimmte Maßnahmen raus, und die sind keine Selbstläufer, die haben wir Initiativen genannt. Diese Maßnahmen müssen erstmal, ja weiter ausgearbeitet werden (…)
und gereviewt werden, indem man versucht, diese Maßnahmen operative umzusetzen.“
Bewertung von
Ideen
Innovationsideen werden „Aber bei der Auswertung dieser Idee
durch Trends und Szena- haben wir auch geschaut, inwieweit
rios bewertet
trifft denn eigentliches dieses Produkt
die Trends. Und wir haben die Idee hergenommen und gesagt, jetzt schauen
wir die Megatrends an und überlegt,
was bedeutet eigentlich dieser Megatrend in Bezug auf das Produkt.“
Initiieren von Vor- Durch Frühaufklärung
feldprojekten/
werden neue Technologien entdeckt, die in
F&E-Projekten
Projekten weiter erforscht und auf Anwendbarkeit überprüft
werden
„Aber wenn da jetzt ein neuer Trend
aufkäme, wie z.B. Funk als Kommunikationsmedium, dann ist das für uns ja
eine disruptive Technik und die wird
natürlich bei uns ausprobiert.“
Business Development
„Der Funk als solcher ist natürlich nicht
neu gewesen, aber das für die Industrie
einzusetzen, das war neu.“
Frühaufklärung trägt
dazu bei, neue Anwendungen zu finden, indem
vorhandene technische
Lösungen in einem neuen Kontext angewendet
werden oder neue Märkte für bestehende Produkte identifiziert werden
Tab. 6-38: Bestandteile und Beschreibung des Faktors Initiieren von Aktionen
im Innovationsmanagement (Quelle: Eigene Darstellung)
Laut Interviewpartner dienen die Erkenntnisse der strategischen Frühaufklärung zur
Strategiebildung, vor allem im Rahmen der Innovationsstrategie. Die Strategie bildet den Rahmen für zukünftiges Handeln und muss daher fortlaufend an die exter279
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
nen Entwicklungen angepasst werden. Die Gesamtstrategie lenkt sowohl die Suchfelder als auch die Portfolioentscheidungen und hat damit großen Einfluss auf die
Innovationsfähigkeit. Innovationssuchfelder dienen in diesem Zusammenhang dazu,
interessante Umweltbereiche oder Funktionalitäten zu untersuchen und dafür entsprechende Innovationsideen zu finden. Gleichzeitig werden darauf aufbauend Portfolioänderungen vorgenommen, die bestimmte Suchfelder und deren Innovationsprojekte abbilden.
Ein weiteres wichtiges Element ist in der Ideengenerierung zu sehen. Diese wird auf
unterschiedliche Weise angeregt. Durch das systematische Abgleichen von Marktund Technologietrends werden Portfoliolücken identifiziert. Um diese Portfoliolücken zu schließen, werden neue Produkte erstellt, die teilweise nicht am Markt vorhanden sind. Somit sind die Portfolioanpassungen direkt mit der Ideengenerierung
in Verbindung zu bringen. Darüber hinaus zeigen die Trends auch Bedarf für Verbesserungsinnovationen, die auch wiederum direkt in inkrementelle Innovationsideen münden. Desweiteren werden Ideen generiert, indem Technologietrends zu
neuen Features oder neuen Anwendungen führen, die bisher nicht vorhanden waren.
Die Falluntersuchung hat in diesem Zusammenhang gezeigt, dass die Ideen aus der
strategischen Frühaufklärung oftmals in die Geschäftsbereiche getragen und durch
Business Cases oder Open Innovation Projekte spezifiziert werden.
Interviewpartner gaben neben der Ideengenerierung an, dass strategische Frühaufklärung zur Ideenbewertung führt. In diesem Fall werden bestehende Innovationsideen mit langfristigen Entwicklungen abgeglichen. Die vorliegenden Frühaufklärungsinformationen dienen dazu, dass Potenzial der Innovationsidee aufzudecken
und den Einklang mit Strategie sowie Portfolio zu überprüfen.
Zudem dient strategische Frühaufklärung der Ableitung von F&E- und Vorfeldprojekten. Vor allem durch technologische Frühaufklärung werden neue Technologien aufgespürt und ggf. akquiriert oder im Unternehmen aufgebaut. In diesem Zusammenhang entstehen viele Vorfeldprojekte, um eine sehr neuartige Technologie
zu erproben. Im zweiten Schritt mündet diese Erprobung in Produkte, die einen
neuartigen Nutzen für Kunden versprechen.
Ein weiteres Element der Nutzung der Frühaufklärung ist die Funktion des Business
Developments, die gleichzeitig Berührungspunkte zum Innovationsmanagement
hegt. Durch strategische Frühaufklärung können für bestehende Produkte und
Technologien neue Anwendungsfelder gefunden werden, indem neue Regionen,
Märkte und Kundengruppen als Zielgruppe aufgenommen werden. Damit erhöhen
sich das Geschäftspotenzial und die Marktdurchdringung des Produktes. Darüber
hinaus entstehen Innovationen im Fall von neu angewendeten Technologien, die
teilweise neue Anwendungsmöglichkeiten mit sich bringen.
280
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
6.2.3.5 Wirkung in Abhängigkeit der Form der strategischen Frühaufklärung
Die beschriebenen Rollen werden nicht von allen Arten und Abteilungen der strategischen Frühaufklärung gleichermaßen unterstützt. Vielmehr ist zu beobachten,
dass bestimmte durchgeführte Frühaufklärungsaktivitäten nur wenige Rollen wahrnehmen und entsprechend der Rollen Einfluss auf die Innovationsfähigkeit ausüben.
Wie bereits in Abschnitt 6.2.2 beschrieben, wird Frühaufklärung mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Ausprägungen in den Strategie-, F&E-Abteilungen, Produktmanagement sowie in den Innovations- und Portfolioabteilungen durchgeführt.
Zusammenfassend sind die Wirkungsweisen der einzelnen Unternehmensbereiche,
in denen strategische Frühaufklärung mit unterschiedlichem Schwerpunkt durchgeführt wird, in Abb. 6-4 verdeutlicht. Im Anschluss an die Abbildung erfolgt eine
ausführliche Beschreibung nach jeweiligem Unternehmensbereich.
Direkte Wirkungsweise
Unternehmensbereich
Reduktion der
Unsicherheit
Widersacher
Initiieren von
Handlungen
Strategieabteilung
F&E-Abteilung
Produktmanagement
Innovationsabteilung
Hoher Wirkungsgrad in der Funktion
Kein Wirkungsgrad in der Funktion
Abb. 6-4:
Grad der Wirkung nach Faktoren der einzelnen Unternehmensbereiche (Quelle: Eigene Darstellung)
Strategieabteilungen
Die in den Strategieabteilungen durchgeführte Frühaufklärung hat meist durch die
regelmäßigen Szenarioprojekte einen sehr umfassenden Charakter und bezieht mehrere Umfeldbereiche und einen langen Zeithorizont des Unternehmens ein. Daher
ist es nicht verwunderlich, dass viele Rollen wahrgenommen werden und letztlich
281
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
alle identifizierten Wirkweisen zumindest teilweise zum Tragen kommen. Der
Schwerpunkt liegt jedoch eindeutig in der Reduktion der Unsicherheit und der Opponentenrolle. Durch die umfassenden und jedoch weniger spezifischen Szenarioprojekte kann die bisher verfolgte Innovationsstrategie und Portfolioauslastung
überprüft werden. Dabei werden eben vor allem die bisherige Produktstrategie und
die laufenden Innovationsprojekte bestätigt. Demzufolge haben die Geschäftsbereiche meist erkannt, wie sich die Umwelt entwickelt und entsprechend dieser Entwicklung Projekte in Gang gesetzt. Wird festgestellt, dass wichtige Felder nicht abgedeckt werden, kommt die Wirkung als Opponent zum Tragen, indem der Geschäftsbereich auf mögliche Fehlentwicklungen hingewiesen wird. Das Wirken als
Initiator ist eingeschränkt zu sehen. Frühaufklärung dient zwar als Strategieinstrument und nimmt damit Einfluss auf die Strategieformulierung, wenngleich werden
nur teilweise Vorfeld- und Innovationsprojekte abgeleitet. Gründe sind darin zu sehen, dass die geschäftsübergreifenden Strategieabteilungen die zu bearbeitenden
Themen in die Geschäftsbereiche geben, aber nicht selbst an der Ideengenerierung
beteiligt sind. Oftmals werden, im Anschluss an Szenarioprojekte, direkt in den Geschäftsbereichen Ideenworkshops durchgeführt. Teilweise definieren die geschäftsübergreifenden Abteilungen Maßnahmen, meist ist die anschließende Umsetzung
mangelhaft. In diesem Zusammenhang scheitern Projekte oft, weil die Einbindung
der Geschäftsbereiche nicht ausreichend war oder fehlende Ressourcen, Veränderungsbereitschaft oder Akzeptanz des Managements vorliegen. Insgesamt haben die
Aktivitäten der Strategieabteilungen damit durchaus auch Potenzial Handlungen zu
initiieren, dennoch wird dieses aufgrund vielfacher Einflussfaktoren nicht vollends
ausgeschöpft. Diese Einflussfaktoren werden ausführlich in Kapitel 6.2.4 behandelt.
Klassische F&E Abteilungen
Mit F&E Abteilungen sind hier die klassischen Aufgaben gemeint. Bereiche der
F&E, die sich ausschließlich mit strategischen Aspekten des Technologiemanagements beschäftigen, werden im Abschnitt zu den Innovations- und Portfolio-abteilungen behandelt. Die klassischen F&E Abteilungen generieren hauptsächlich Frühaufklärungsinformationen mit technischem Fokus über technologische
Entwicklungen, aber auch Wettbewerbsinformationen. Daher kann nur in Hinblick
auf diese Entscheidungsbereiche Einfluss genommen werden. Die Wirkung der in
der F&E Abteilung gewonnenen Einblicke ist hauptsächlich in der Reduktion der
Unsicherheit und dem Initiieren von F&E nahen Handlungen zu sehen. Die Informationen bestätigen die ausgewählten Innovations- und Entwicklungsprojekte und
unterstützen zudem auch die auf Technologien bezogene Entscheidungsfindung.
Die Opponentenwirkung kommt laut Fallstudienergebnisse weniger zum Tragen.
Dies liegt auch daran, dass die F&E Abteilung nach technologischen Konzepten
und Lösungen sucht und sich nicht selbst in Frage stellt. Insgesamt liegt der
282
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Schwerpunkt auf dem Initiieren von F&E Projekten. Sobald neue Anwendungen
entdeckt werden, erforscht man diese in Entwicklungsprojekten und überprüft Nutzungsmöglichkeiten innerhalb des Produktspektrums.
Produktmanagement
Ähnlich wie die F&E Abteilung hat auch das Produktmanagement einen eher engen
Fokus auf allgemeine markt- und produktbezogene Entwicklungen mit kürzerem
Zeithorizont. Daher ist vor allem die Funktion zur Reduktion der Unsicherheit ausgeprägt. Meist sind Ideen für Produkte bereits vorhanden und müssen durch Marktentwicklungen Bestätigung finden. Dementsprechend ist auch der kurze Zeithorizont zu rechtfertigen. Das Initiieren von Handlungen wird teilweise wahrgenommen. In diesem Zusammenhang wird durch die Aktivitäten vor allem die Strategieentwicklung beeinflusst. Darüber hinaus wird die Geschäftsentwicklung vorangetrieben, indem bestehende Produkte in neue Märkte gebracht oder die technologischen Anwendungen in neue Produkte umgesetzt werden. Insgesamt werden damit
aber hauptsächlich Verbesserungsinnovationen initiiert.
Innovations- und Portfolioabteilungen
Die Aktivitäten in den Innovations- und Portfolioabteilungen sind ähnlich umfangreich wie die der Strategieabteilungen, zumal meist ein reger Austausch an Frühaufklärungsinformationen herrscht. In Summe besteht jedoch der Vorteil, dass die
Ergebnisse konkretisiert werden und durch die unmittelbare Arbeit im Geschäftsbereich selbst, also in den wesentlichen Abstimmungsrunden, zum Einsatz kommen.
Dementsprechend werden alle Wirkungsweisen erfüllt und damit alle Rollen eingenommen. Die Ergebnisse dienen zur Reduktion der Unsicherheit, indem sie, wie
beschrieben, bestehende Produktideen bestätigen sollen und die Entscheidungsfindung mit Hilfe von geeigneten Analysen unterstützen. Da die Umfeldentwicklungen
kontinuierlich mit dem bestehenden Portfolio abgeglichen werden, führen sie ebenfalls die Funktion als Opponent aus, für den Fall, dass abweichende Ereignisse eintreten. Insofern erhöhen sie dadurch den Handlungsdruck im Geschäftsbereich. Es
werden sehr viele diverse Handlungen ausgelöst. In enger Zusammenarbeit mit der
F&E Abteilung und dem Produktmanagement wird die Innovationsstrategie bestimmt und Portfolioanpassungen vorgenommen. Sowohl F&E- als auch Innovationsprojekte werden auf Grund der vorliegenden Informationen veranlasst. Darüber
hinaus findet auch die Ideenbewertung statt, um die internen Innovationsideen mit
den aktuellen Trends und Szenarios abzugleichen.
283
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
6.2.3.6 Einfluss auf die Innovationsfähigkeit
Die Wirkung der strategischen Frühaufklärung lässt sich anhand der vorangegangenen Diskussion in Abhängigkeit der vorab beschriebenen Mechanismen zur Unsicherheitsreduktion, Widersacher- und Initiatorrolle beschreiben. Darüber hinaus
lassen sich mit Hilfe der vorgenommenen Typen der strategischen Frühaufklärung
in Abhängigkeit vom Ausmaß ebenfalls Ursache-Wirkungszusammenhänge herleiten und feststellen. Diese Zusammenhänge werden im Folgenden dargelegt.
Einfluss nach direkter Wirkungsweise
Als direkte Einflussnahme der Frühaufklärung sind drei direkte Wirkungen, wie
vorab beschrieben, identifizierbar: die Reduktion der Unsicherheit, der Widersacher
und das Initiieren von Handlungen im Innovationsmanagement. Diese bewirken
eine unterschiedliche Beeinflussung der Innovationsfähigkeit, mit deren beiden
Hauptmechanismen Exploration und Exploitation. Zusammenfassend sind die Wirkungen in Abb. 6-6 dargestellt.
Direkte Wirkung
Reduktion der Unsicherheit
Wirkung(-spotenzial)
Innovationsfähigkeit
• Moderierend auf Exploitation
und Exploration
• Exploration
Widersacher
Initiator im Innovationsmanagement
Abb. 6-5:
• Exploitation
• Exploration
Einflussnahme nach direkter Wirkweise (Quelle: Eigene Darstellung)
Der erste direkte Einfluss der strategischen Frühaufklärung wirkt sich nur indirekt
auf Exploitation und Exploration aus. Die Reduktion der Unsicherheit als Bestätigung für neue sowie bestehende Produkte und als Unterstützung der Entscheidungsfindung übt eine Moderatoren-/Mediatorenrolle aus. Die bestehenden Innovationsideen, die sowohl Exploitation als auch Exploration fördern können, werden durch
das Informationsinstrument Frühaufklärung validiert und bestärkt. Dienen die Informationen der Unterstützung des bisher eingeschlagenen Innovationsweges und
284
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
liegen keine Informationen über disruptive Veränderungen vor, wird Exploitation
gefördert. Demnach liefert Frühaufklärung Informationen, dass Trends für bestehende Produkte weiterbestehen und es erfolgt eine kontinuierliche Reinvestition in
bestehende Fähigkeiten und Kompetenzen. Liegen bereits erste Ideen für radikale
Produkte vor, prüft man deren Geschäftspotenzial und Timing mit Hilfe von Frühaufklärungsinformationen. Liefern diese wiederum Bestätigung, erfolgt die Investition in neue Fähigkeiten, die anschließend Exploration begünstigen. Generell wirkt
die strategische Frühaufklärung indirekt als Entscheidungsunterstützung, um die
Exploration und Exploitation betreffenden Entscheidungen zu fundieren.
Die Funktion des Widersachers hat ganz klar zum Ziel, ausschließlich Exploration
zu fördern, indem das Unternehmen mit Veränderungsbedarf konfrontiert wird.
Trends und das bestehende Portfolio werden abgeglichen und Portfoliolücken identifiziert. Diese Lücken zu füllen, bedeutet den Aufbau und die Investition in neue
Fähigkeiten, wodurch wiederum Exploration gefördert wird. Wie beschrieben haben
vor allem bereichsübergreifende Tätigkeiten diese Wirkung auf die Geschäftsbereiche. Nichtsdestotrotz konnte anhand der Falluntersuchungen nicht eindeutig belegt
werden, dass die Innovationsfähigkeit in der Realität beeinflusst wird. Die Interviews machten zwar deutlich, dass radikale Innovationsideen aus der Frühaufklärung identifiziert und weiter verfolgt werden, es ist aber nicht immer klar, ob das
Ausmaß ausreicht. Das Potenzial dazu besteht zweifelsohne, jedoch ließen sich radikale Innovationsprojekte selten eindeutig auf die Initiativen der Funktion des Widersachers zurückverfolgen. Darüber hinaus hindern die vielen Einflussfaktoren, die
in 6.2.4 beschrieben werden, die Umsetzung der radikalen Innovationsideen. Insgesamt kann damit nicht klar das Ausmaß der Beeinflussung bestimmt werden, wenngleich die Möglichkeiten zur radikalen Veränderung vorhanden sind.
Am direktesten ist der Einfluss der strategischen Frühaufklärung durch das Initiieren von Handlungen auszumachen. In diesem Zusammenhang dient die mit Hilfe
der Frühaufklärung erarbeitete Innovationsstrategie zum allgemeinen Festlegen des
Rahmens für Exploitation und Exploration. Je nachdem, welcher Fokus dabei gelegt
wird, können somit beide Mechanismen gefördert werden, aber nur wenn die Einflussfaktoren vorteilig ausfallen (siehe dazu auch 6.2.4) Die Innovationsstrategie
entscheidet zwar noch nicht direkt über den Aufbau von neuen oder die Rechtfertigung von alten Fähigkeiten, legt aber Bereiche fest, die die Ideengenerierung anleiten oder Ideen bewerten. Die identifizierten Ideen, die durch die Frühaufklärung
entstehen, fördern ebenso je nach Neuartigkeit einen der beiden Mechanismen.
Werden vollkommen neue Kundenbedürfnisse oder Technologien entdeckt, handelt
es sich um eine radikale Idee, die meist mit neuen Fähigkeiten im Unternehmen
verbunden ist. Bei Trends, die bestehende Fähigkeiten verstärken, wird Exploitation
positiv beeinflusst. Die Bewertung von Innovationsideen mit Hilfe der Frühaufklärungsinformationen wirkt ähnlich wie die Funktion zur Reduktion der Unsicherheit
285
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
nur indirekt. Je nach Art der Innovationsidee und Bewertungsschema dient die
Frühaufklärung zur Bestärkung oder Ablehnung der Idee. Bei Bestärkung der Idee
wird ggf. Exploitation oder Exploration ausgelöst. Ebenso fördert das Initiieren von
Vorfeld- und F&E-Projekten je nach Art des Projektes sowohl Exploitation und Exploration. Vorfeldprojekte sind ja Projekte, die noch in der Anfangsphase einer
Technologie sind. Bei erfolgreicher Erprobung entstehen somit eher Technologien
und Anwendungen, die radikaler Natur sind. Gleichzeitig werden Technologien erforscht, die weniger neu sind und meist nur einzelne neue Details enthalten, weshalb auch hier auf bestehende Technologiekompetenzen aufgebaut wird. Dementsprechend wird Exploitation gefördert. Geschäftsausweitung bzw. -entwicklung
führt tendenziell zur Exploitation, weil bestehende Anwendungen nur in einem neuen Kontext genutzt werden.
Insgesamt lassen sich, beruhend auf diesen Ausführungen, zwei Hypothesen ableiten, die die Wirkungsweise konkretisieren.
H1:
H2:
Strategische Frühaufklärung beeinflusst Exploitation und Exploration
positiv.
Bei vorhandenen Innovationsideen wirkt strategische Frühaufklärung
als Moderator.
Wie schon bereits in den aufgestellten Thesen aus Kapitel 4 vermutet, bewirkt strategische Frühaufklärung damit eine positive Beeinflussung der Innovationsfähigkeit
mit den Mechanismen Exploitation und Exploration, wenngleich die Einflussfaktoren so ausfallen müssen, dass dies möglich ist (siehe 2.2.4). Frühaufklärungsaktivitäten helfen dabei Potenzial für radikale und inkrementelle Innovationsideen zu finden und damit Investitionen in die bestehenden oder neuen Innovationskompetenzen zu fördern. Anders als mit den Thesen erwartet, kann aber nicht bestätigt werden, dass es generell zu mehr Exploration kommt. Auch wenn die Funktion des Widersachers so ausgelegt ist, dass mehr Exploration gefördert wird, können die Ergebnisse diesen Zusammenhang nicht zweifelsfrei nachweisen. Das liegt vor allem
daran, dass diese Rolle durch bereichsübergreifende Tätigkeiten ausgeübt wird und
damit die Ergebnisse zunächst in einzelne Geschäftsbereiche transferiert und akzeptiert werden müssen. Dieser Zusammenhang wird nochmal ausführlich in Kapitel
6.2.4 dargestellt.
Neu ist in diesem Zusammenhang die identifizierte Moderatorenrolle. Somit dient
die strategische Frühaufklärung in verschiedenen Rollen als Validierung für vorab
generierte Ideen und hilft somit zu bestimmen, ob die Idee zu den Entwicklungen in
der Unternehmensumwelt passend ist.
286
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Einfluss nach Typisierung des Ausmaßes der Frühaufklärung
Neben den direkten Faktoren der Einflussnahme kann die Wirkung der strategischen Frühaufklärung auch in Abhängigkeit des Ausmaßes dargestellt werden. Das
Ausmaß der Frühaufklärung wird, wie bereits geschildert, durch die Typen beschränkter Frühaufklärer, Front-End Frühaufklärer und den traditionellen Frühaufklärer beschrieben. Abb. 6-6 fasst die Ergebnisse hierzu zusammen.
Typen der
Frühaufklärung
nach Ausmaß
Umsetzungspotenzial
Tatsächliches Ergebnis
Exploitation Exploration
Exploitation Exploration
Traditionalist
Front-End
Frühaufklärer
Eingeschränkter
Frühaufklärer
Barrieren
Abb. 6-6:
• Innovationskultur
• Entscheidungsprozesse
• Schnittstelle
• Ressourcen
Einfluss der Frühaufklärung auf das Potenzial und tatsächliche
Ergebnis (Quelle: Eigene Darstellung)
Beim traditionellen Frühaufklärer führen die Ergebnisse der strategischen Frühaufklärung insgesamt zu mehr Exploitation. Durch das gewählte Ausmaß der strategischen Frühaufklärung werden hier mehr inkrementelle Innovationslösungen gefunden, die auf bestehende Innovationsfähigkeiten aufbauen. Aufgrund der Einschränkungen, die in Hinblick auf Informationsgenerierung und Organisation vorgenommen werden, besteht insgesamt die Gefahr, dass Zeichen für radikale Innovationen
übersehen werden.
Der Front-End Frühaufklärer verfügt über das größte Potenzial, die Ergebnisse der
Frühaufklärung zu nutzen. Die Systeme der Frühaufklärung sind sowohl in Hinblick
auf die Informationsgenerierung als auch Organisation am umfassendsten ausgeprägt. Daher werden viele inkrementelle und radikale Innovationsimpulse aufgespürt. Da die bereichsübergreifenden Themen integriert werden, können radikale
Ideen besser zum Tragen kommen. Insgesamt lässt sich jedoch keine Aussage tref287
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
fen, inwiefern beim Front-End Frühaufklärer mehr Exploration bewirkt wird. Zwar
wird der Bedarf für radikale Innovationen deutlicher herausgestellt, jedoch kam es
in den Fällen nicht zu deutlich mehr radikalen Innovationsprojekten, allein das radikale Innovations-potenzial wird verbessert. Wie bei allen Formen wird auch hier
wieder Exploitation gefördert. Angemerkt sollte dazu werden, dass durch Frühaufklärung vor allem auch der Zeitpunkt für Innovationen verbessert wird. In diesem
Zusammenhang kann es vorkommen, dass zwar radikale Innovationsideen gefunden
werden, diese aber noch nicht an den Markt gebracht werden, weil der Markt noch
nicht vollends entwickelt wurde und noch inkrementelle Innovationen eingeführt
werden können.
Der beschränkte Frühaufklärer führt naturgemäß wenig Frühaufklärung durch.
Demzufolge ist der Einfluss der Frühaufklärung auf Exploitation und Exploration
entsprechend gering. Die begrenzte Durchführung der technologieorientierten Frühaufklärung wirkt sich vor allem auf die Exploitation aus. Es wird angegeben, dass
die bestehenden Innovationskompetenzen für das neue Umfeld genutzt wurden und
weiter ausgebaut werden. Dies liegt auch nahe, denn der beschränkte Frühaufklärer
ist in den Fällen eingesetzt, wo ein neuer Unternehmensbereich gegründet wurde
und das Umfeld durch eine hohe Dynamik geprägt ist. Bei der Gründung werden
die bestehenden Innovationskompetenzen des Unternehmens genutzt und in dem
neuen Umfeld angewendet. Da die Neugründung ohnehin mit vielen Risiken behaftet ist und der Bereich sich zudem erst beweisen muss, wird der Fokus per se auf
Exploitation gelegt. Daher werden die anderen Funktionen der Frühaufklärung hier
auch nicht ausgeführt.
Anhand der Falluntersuchung wird insgesamt deutlich, dass eine Unterscheidung
des Grades der Beeinflussung zwischen Umsetzungspotenzial und tatsächlicher Beeinflussung besteht. Das Umsetzungspotenzial ist bei dem Front-End-Frühaufklärer
am größten. In der Realität lässt sich die größte Beeinflussung in Abhängigkeit der
Typen nicht eindeutig bestimmen, da das Wirkungsgefüge zu groß ist. Die identifizierten Barrieren haben demnach vor allem radikale Innovationsideen verhindert.
Damit ist der Einfluss auf die Exploration weitaus geringer als erwartet. Das Unternehmen neigt insgesamt vielmehr dazu, die aufgegriffenen Trends zu einer verstärkten Exploitation zu benutzen als neue Wege zu beschreiten. Nichtsdestotrotz kommt
ein Interviewpartner zum Schluss, dass die wenigen radikalen Innovations-projekte,
die durchgesetzt werden, ausreichend sind. Es geht dabei nicht darum, dass Exploitation und Exploration in gleichem Maße durchgeführt werden, sondern dass die
radikalen Veränderungen bei ausgesuchten Projekten notwendig sind. Nicht alle
radikalen Änderungen sind immer auf Frühaufklärung zurückzuführen, teilweise
bestätigt sie aber die radikalen Innovationsideen. Strategische Frühaufklärung hilft
vor allem das Timing zu verbessern. So wird oft genannt, dass man noch weiter inkrementell verbessern kann, ohne radikale Innovationen hervorzubringen. D.h. der
288
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Zeitpunkt der Exploration oder Exploitation wird besser bestimmt und das Unternehmen verpasst, zumindest rein theoretisch, den Zeitpunkt der Innovation nicht.
Vor allem wird auch der Handlungsdruck deutlich erhöht und damit eine Entscheidung hinsichtlich der Veränderungen durch Exploration beschleunigt.
Aus der Analyse zur Wirkung der strategischen Frühaufklärung in Abhängigkeit des
durchgeführten Ausmaßes lässt sich damit die folgende Hypothese ableiten:
H3:
Je kleiner das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung, desto mehr
Exploitation wird gefördert.
Im Umkehrschluss bedeutet dies zugleich, dass je größer das Ausmaß der Frühaufklärung, desto mehr Potenzial für Exploration besteht. Wie schon bereits darauf
hingewiesen, besteht nur mehr Potenzial. Dieses Potenzial wird nur bei der Gestaltung des kompletten Wirkungsgefüges der Frühaufklärung bestmöglich genutzt.
6.2.4 Einflussfaktoren auf die Wirkung der strategischen Frühaufklärung
6.2.4.1 Überblick über die Einflussfaktoren
Aus der fallübergreifenden Analyse gehen Einflussfaktoren hervor, welche die Wirkung der strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit beeinflussen.
Diese Faktoren werden analog zur Vorgehensweise in 3.2.5 in kontextuelle, strukturelle und prozessuale Einflussfaktoren unterteilt. Als kontextuelle Faktoren wurden
die Top-Management-Unterstützung und kulturelle Aspekte identifiziert. Strukturelle Faktoren beinhalten die Dominanz des Tagesgeschäftes, Ressourcen, Entscheidungsprozesse sowie die Schnittstelle zwischen strategischer Frühaufklärung und
Innovationsmanagement. Abschließend werden unter prozessualen Einflussfaktoren die Operationalisierbarkeit und die Erfassung sowie Bewertung zusammengefasst. In Abb. 6-7 sind die häufigsten Einflussfaktoren nach Kategorie und
Anzahl der Nennung im Untersuchungssample veranschaulicht.
289
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
Ressourcen Entschei- Manage- Beste- Dominanz Innova- OperaBeste- Wirtschaftdungs- menthender Tagestionstionalisier- hende lichkeit
prozesse Attention Erfolg geschäft manager barkeit der KompeErgebnisse tenzen
Filterung &
Bewertung
von Informationen
Abb. 6-7: Einflussfaktoren und deren Häufigkeiten der Nennung im Überblick
(Quelle: Eigene Darstellung)
Die Beeinflussung der kontextuellen, strukturellen und prozessualen Faktoren erfolgt auf unterschiedliche Weise und lässt eine weitere Einteilung der Faktoren nach
Art der Wirkungsweise zu: (1) Faktoren, die Implementierungsbarrieren für die
strategische Frühaufklärung darstellen, (2) Faktoren, die nur auf die Qualität der
Durchführung der strategischen Frühaufklärung und damit indirekt auf die Innovationsfähigkeit wirken und abschließend (3) Faktoren, die direkt auf die Wirkung der
strategischen Frühaufklärung auf Exploitation und Exploration wirken. Die beobachteten Wirkungszusammenhänge sind in Abb. 6-8 dargestellt und werden in den
folgenden Kapiteln nach der Einteilung in kontextuelle, strukturelle und kontextuelle Faktoren separat erläutert, um die unterschiedlichen Wirkungs-zusammenhänge
darzustellen.
290
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
TopManagementAttention
Dominanz
operatives
Tagesgeschäft
Kultur des
Geschäftsbereiches
•Risikobereitschaft
•Entscheidungsfreude
•Veränderungsbereitschaft
Exploitation
Strategische
Frühaufklärung
•Operationalisierbarkeit
•Filterung und Bewertung
Exploration
Ressourcen
Schnittstelle
Frühaufklärung –
Innovationsmanagement
Entscheidungsprozesse
Abb. 6-8: Einflussfaktoren im Wirkungsmodell (Quelle: Eigene Darstellung)
6.2.4.2 Kontextuelle Faktoren
Die kontextuellen Faktoren stellen metakonzeptionelle Faktoren dar, die sowohl die
strategische Frühaufklärung als auch deren Wirkung auf die Innovationsfähigkeit
beeinflussen.996 Wie bereits beschrieben, konnten die Faktoren Top-ManagementUnterstützung und kulturelle Prägung identifiziert werden.
(1) Top-Management-Unterstützung
Die Befragten gaben vermehrt an, dass die Unterstützung des Top-Managements
die Umsetzung der strategischen Frühaufklärung verbessert. Die Unterstützung des
Top-Managements sagt aus, inwiefern strategische Frühaufklärung durch das Top-
996
Die kontextuellen Faktoren, die im Rahmen des Kapitels dargestellt werden, sind nicht zu verwechseln mit den Kontextfaktoren, die im Analyserahmen der Einzelfalluntersuchung aufgestellt
werden. Hier geht es nur um die Faktoren, die eine Durchführung der Frühaufklärung beeinflussen.
291
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Management gefördert wird und deren Ergebnisse in der Entscheidungsfindung
einbezogen werden. So gaben einige Interviewpartner an, dass strategische Frühaufklärung auf Initiativen des Top-Managements beruht. Vor allem die umfangreichen Szenarioprojekte, die enorme Ressourcen benötigen, werden dort eingeordnet.
Da letztlich das Top-Management Budgetentscheidungen trifft, wird hierdurch bestimmt, in welchem Umfang eine strategische Frühaufklärung durchgeführt wird.
Damit bestätigen die vorliegenden Ergebnisse die Arbeit von Nick, der als Determinante der Wirksamkeit die Unterstützung des Top-Managements aufgestellt hat.
Nach seiner Aufstellung ist es förderlich, wenn der strategischen Frühaufklärung
eine Priorität eingeräumt wird und damit die Zukunftssicht im Unternehmen zunehmende Bedeutung erfährt. In diesem Zusammenhang gibt Nick an, dass die TopManagement-Unterstützung die Dominanz des operativen Managements abbaut.997
Gleichzeitig kann das Top-Management die Aktivitäten der strategischen Frühaufklärung direkt über die Kommunikation der Relevanz, die Veränderung der Anreizsysteme und die Machtpromotion unterstützen.998 Insgesamt lässt sich damit
folgender Zusammenhang identifizieren:
H4:
Die Top-Management-Unterstützung wirkt sich positiv auf die Umsetzung der strategischen Frühaufklärung aus.
Darüber hinaus kann das Top-Management über die aufgeworfenen Implikationen
entscheiden und beeinflusst somit direkt die Wirkung auf Exploitation und Exploration. Da die Wirkungsweise aber maßgeblich von der im Management und Unternehmen verankerten Einstellung sowie kulturellen Prägung abhängt, werden diese
Wirkungsmechanismen nicht der Unterstützung des Top-Managements zugeschrieben, sondern im Folgenden als Einflussfaktor zur Kultur des Geschäftsbereiches
beschrieben. Die Unterstützung des Top-Managements ist insgesamt damit kein
Garant für die Nutzung im Innovationsmanagement. So gaben einige Befragte an,
dass Unterstützung seitens des Managements vorhanden ist, jedoch weitere Faktoren einschränkend wirken.
(2) Einstellung/Kultur des Geschäftsbereiches
Die Befragungen zeigten deutlich, dass bestimmte Aspekte der Unternehmenskultur
Einfluss auf die Wirkung der strategischen Frühaufklärung im Kontext des Innovationsmanagements besitzen. Diese kulturellen Aspekte beschreiben den Umgang
997
998
Vgl. Nick (2008), S. 195.
Vgl. Nick (2008), S. 197; siehe auch Davis (2008), S. 181.
292
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
des Unternehmens mit neuartigen Ideen und Innovationen, die durch Frühaufklärung aufgezeigt wurden. In der Fallstudienerhebung wurden von den Interviewpartnern dazu die Eigenschaften Risikobereitschaft, Veränderungsbereitschaft und Entscheidungsfreude benannt und deren Wirkung beschrieben.
Die Risikobereitschaft gibt in diesem Kontext an, inwiefern ein Unternehmen bereit
ist, unsichere Innovationsideen mit schwer vorhersagbaren Ergebnissen zu verfolgen und an den Markt zu bringen. Diese unsicheren Innovationsideen besitzen radikalen Charakter. Dementsprechend werden bei geringer Risikobereitschaft vornehmlich inkrementelle Innovationen durchgeführt, deren Umsatzerwartungen absehbar sind. Die Interviewpartner haben selten explizit die mangelnde Risikobereitschaft genannt, sondern sind auf Faktoren wie den Druck der Wirtschaftlichkeit und
den bestehenden Erfolg als Hemmnis eingegangen. Der Druck der Wirtschaftlichkeit beschreibt, dass die von der strategischen Frühaufklärung aufgeworfenen radikalen Ideen nicht aufgegriffen werden, weil sichere Umsätze generiert werden müssen. Ebenso verhält es sich mit dem Erfolg des bestehenden Geschäftes als Hemmnis. Bei erfolgreichem Produktgeschäft wird erwartet, dass das Unternehmen weiter
Umsätze ausbaut, ohne Risiken einzugehen. Die beschriebenen Faktoren gehen
deutlich mit mangelnder Risikobereitschaft einher. Insgesamt führte die mangelnde
Risikobereitschaft in den Fallbeschreibungen zu einer Verstärkung des positiven
Einflusses auf die Exploitation und einer Verringerung des positiven Einflusses auf
die Exploration.
Darüber hinaus wird die Entscheidungsfreude als Eigenschaft explizit benannt. Entscheidungsfreude verdeutlicht die Bereitschaft des Unternehmens effizient und zügig Entscheidungen zu treffen. Interviewpartner gaben an, dass die mangelnde Entscheidungsbereitschaft Entscheidungen verzögert und die Möglichkeiten der strategischen Frühaufklärung ungenutzt lässt. Maßnahmen werden so teilweise zu spät
oder gar nicht umgesetzt. Der Zeitvorteil, den die strategische Frühaufklärung ermöglicht, wird somit untergraben. Erst wenn die Konkurrenz Produkte an den
Markt gebracht hatte, wurde gehandelt. Insgesamt werden durch die fehlende Entscheidungsfreude weniger Projekte durchgeführt, die zu einer Ausweitung und Anpassung der Innovationsfähigkeit führen. Damit führt mangelnde Entscheidungsfreude zu einer Verringerung des positiven Einflusses der strategischen Frühaufklärung auf Exploitation und Exploration.
Darüber hinaus wird von den Interviewpartnern ein gewisses Beharrungsvermögen
einhergehend mit mangelnder Veränderungsbereitschaft beschrieben. Die beschriebenen Unternehmensbereiche verfolgen zum größten Teil inkrementelle Innovationen. Werden radikale Innovationsideen durch die Frühaufklärung aufgeworfen, die
bestehende Produkte kannibalisieren und deren Existenz überflüssig machen, neigen die Bereiche dazu, die Innovationsidee nicht anzunehmen. Sie wählen demzufolge eher Ideen aus, die das bestehende Produkt bestätigen und die Marktposition
293
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
ausbauen. Das liegt einerseits an der mangelnden Risikobereitschaft sowie andererseits an der Fähigkeit des Unternehmens sich kontinuierlich, aber nicht nur inkrementell, zu verändern. Gleichzeitig wurde beschrieben, dass bei nicht vorhandenen
Produkten, Unternehmen sehr wohl bereit sind, auch radikale Produkte auf den
Markt zu bringen. Auch wenn das Unternehmen bei Portfolioausweitungen Exploration vorantreibt, müssen die Ausweitungen einen strategischen, kulturellen und
technologischen Fit ergeben. Ein Interviewpartner meinte dazu, dass sich das Unternehmen „comfortable“ mit der Veränderung fühlen muss.
Damit werden auch einzelne Aspekte aus der bestehenden Literatur bestätigt. In der
Literatur werden einzelne kulturelle Aspekte beschrieben, jedoch nicht die moderierende Rolle auf den Einfluss auf die Innovationsfähigkeit modelliert. Rohrbeck hat
eine eigene Komponente für die Frühaufklärungskultur in seinem Reifegradmodell
berücksichtigt, bei der er die Eigenschaft „Willingness to test and challenge basic
assumptions“ aufzählt. Bei vorhandenem Beharrungsvermögen oder mangelnder
Veränderungsbereitschaft ist die Bereitschaft bestehende Annahmen zu hinterfragen
auch eher gering.999 Ähnlich berücksichtigt Nick unter dem Punkt „Unternehmenskultur“ die Offenheit der Unternehmenskultur und vor allem darunter den Umgang
mit Veränderungen.1000 Bei einigen Autoren wird das beschriebene Beharrungsvermögen als personelle Implementierungsbarriere der Frühaufklärung angesehen.
Krystek & Müller-Stewens nennen in diesem Zusammenhang Willensbarrieren.1001
Diese Barrieren betreffen die Veränderungsbereitschaft der einzelnen Mitarbeiter.
Anders als bei den Autoren dargelegt, treten diese hier nicht bei der Durchführung
der strategischen Frühaufklärung auf, sondern nur bei der Umsetzung der aufgezeigten Ideen. Darüber hinaus wird hier nicht der Argumentation von Krystek &
Müller-Stewens gefolgt, dass es sich ausschließlich um personelle Faktoren handelt,
die einzelne Mitarbeiter beschreibt, sondern um eine unternehmensweite Einstellung zu Veränderungen. Ähnlich wie die von Krystek & Müller-Stewens dargestellten Barrieren, sind auch die von Ansoff entwickelten Filter zu sehen.1002 Sein FilterModell müsste nach den vorliegenden Ergebnissen um einen weiteren Filter ergänzt
werden, nämlich den Handlungsfilter, der die Handlungsimplikationen der strategischen Frühaufklärung behindert.
Zusammenfassend lassen sich die Wirkungen der kulturellen Aspekte folgendermaßen beschreiben:
999
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 88.
Vgl. Nick (2008), S. 197.
1001
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 269.
1002
Vgl. Ansoff (1984), S. 335.
1000
294
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
H 5:
Bei nicht vorhandener Risikofreude (a) verstärkt sich der positive Einfluss der strategischen Frühaufklärung auf Exploitation und (b) verringert sich der positive Einfluss auf Exploration.
H 6:
Ein Mangel an Entscheidungsfreude verringert den positiven Einfluss
der strategischen Frühaufklärung sowohl (a) auf Exploitation als auch
(b) auf Exploration.
H 7:
Bei starkem Beharrungsvermögen (a) verstärkt sich der positive Einfluss der strategischen Frühaufklärung auf die Exploitation und (b)
verringert sich der Einfluss auf Exploration.
Zweifelsohne wirken sich auch andere kulturelle Aspekte aus, jedoch konnten diese
nicht in dem Material bestätigt werden und finden hier keine nähere Betrachtung.
(3) Dominanz des operativen Tagesgeschäftes
Die Dominanz des operativen Tagesgeschäfts ist eine grundsätzliche weitere Herausforderung im Rahmen der Umsetzung der strategischen Frühaufklärung. 1003 Der
Faktor beschreibt, inwiefern die Kurzfristigkeit des Unternehmens verhindert, dass
die Zukunftssicht etabliert werden kann. Damit stellt die Dominanz des Tagesgeschäftes in der vorliegenden Analyse eine Implementierungsbarriere der Frühaufklärung dar. Interviewpartner gaben vermehrt an, dass sich innovationsbeteiligte
Manager zunächst operativen Aufgaben widmen. Oft bleibt anschließend keine Zeit
für die Zukunftsarbeit. Damit bestätigen sich erneut die Ergebnisse von Nick und
Müller-Stewens & Lechner, die bereits die Spannungen zwischen einer Zukunftssicht, die den langfristigen Erfolg des Unternehmens sichert, und den heutigen Aufgaben, die zeitnah bearbeitet werden müssen, beschrieben haben. 1004 Eng verknüpft
ist die Dominanz des Tagesgeschäftes mit der Unterstützung des Top-Managements
und einer geeigneten Schnittstelle zwischen strategischer Frühaufklärung und Innovationsmanagement. Neben der Unterstützung des Top-Managements, wie eingangs
beschrieben, kann auch eine eigene Innovations- oder Portfolioabteilung die Dominanz des Tagesgeschäftes verringern. Die Vorteile dieser Organisationsform werden
unter 6.2.4.3 ausführlich beschrieben.
1003
1004
Vgl. Nick (2008), S. 193; Müller-Stewens & Lechner (2011), S. 193.
Vgl. Nick (2008), S. 193; Müller-Stewens & Lechner (2011), S. 193.
295
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
H8:
Die Dominanz des Tagesgeschäftes hindert die Durchführung einer
strategischen Frühaufklärung.
6.2.4.3 Strukturelle Einflussfaktoren
Die hier beschriebenen strukturellen Einflussfaktoren geben Aufschluss über die
Organisation, Struktur und Ausstattung der strategischen Frühaufklärung und den
daraus gewonnenen Handlungsimplikationen. Interviewpartner konnten die Schnittstelle zwischen Frühaufklärung und Innovationsmanagement, die Ressourcenausstattung und die Entscheidungsprozesse als bedeutende Faktoren nennen.
(1) Schnittstelle strategische Frühaufklärung zum Innovationsmanagement
Um einen optimalen Einfluss der strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit zu gewährleisten, muss eine geeignete organisatorische Schnittstelle,
fernab des Tagesgeschäftes, existieren. Die Interviewpartner betonten in diesem
Zusammenhang, dass eine eigene Innovations- oder Portfolioabteilung oder ein einzelner Innovationsmanager von Vorteil ist. Mit dieser Organisationsform ist es
möglich, die Informationen aus verschiedenen Frühaufklärungsaktivitäten sowohl
bereichsintern als auch -übergreifend zu sammeln und erste Implikationen daraus
abzuleiten. Die oft sehr vielfältigen Informationen aus verschiedenen Abteilungen
innerhalb eines Bereiches werden von einer Stelle zusammengetragen, wodurch
gewährleistet wird, dass keine wichtigen Informationen verloren gehen. Zudem
werden die Informationen aus bereichsübergreifenden Initiativen integriert. Darüber
hinaus dient die Abteilung als Ansprechpartner für die bereichsübergreifenden Abteilungen, was sowohl die Zusammenarbeit und Unterstützung dieser Bereiche verbessert als auch die Verfolgung der Handlungsimplikationen. Die Innovationsabteilung kann sich diesen Informationen und deren Handlungsimplikationen losgelöst
von operativen Aufgaben widmen. Damit wird die beschriebene Dominanz des Tagesgeschäftes umgangen. Es wird aus den Informationen Handlungsbedarf aufgezeigt und der Druck zur Veränderung erhöht. Insgesamt wird sie zu einem Sprachrohr für Portfoliolücken und Ideen, die durch strategische Frühaufklärung aufgedeckt wurden. Als Ergebnis wird eine ideale Schnittstelle zu den Entscheidungsträgern geschaffen, die alle wichtigen Informationen aus einer Hand erfahren können.
Bereits Baisch hat festgestellt, dass die Erkenntnisse einer Frühaufklärung nur dann
zu Veränderungen führen, wenn sinnvolle Schnittstellen zu anderen Management-
296
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
systemen existieren.1005 Die Handlungsanweisungen einer Frühaufklärung müssen
den Managementsystemen zugeführt werden, um letztlich Handlungen auszulösen.
Sollte dies nicht der Fall sein, nützt Frühaufklärung dem Unternehmen nichts. Wie
auch eingehend in dieser Analyse beschrieben, führt auch er an, dass dadurch Doppelarbeiten vermieden werden, indem nicht nur Informationen selbst gesammelt
werden, sondern auch aus anderen Bereichen aufgenommen werden.1006 Rohrbeck
gibt auch an, dass ein Bestandteil die Integration in andere Prozesse sowie die formelle und informelle Verbreitung der Ergebnisse ist.1007 Dies wird durch eine sinnvolle organisatorische Anbindung garantiert. Zusammenfassend kann demnach
festgestellt werden, dass die organisatorische Anbindung der strategischen Frühaufklärung die Nutzung der Ergebnisse im Innovationsmanagement vereinfacht und
damit den positiven Einfluss auf die Innovationsfähigkeit verbessert.
H 9: Die organisatorische Anbindung der strategischen Frühaufklärung in
Form einer eigenen Innovationsabteilung oder –manager steigert die
positive Wirkung auf Exploitation und Exploration.
(2) Ressourcen
Das Vorhandensein von Ressourcen wirkt sich sowohl auf die Durchführung der
strategischen Frühaufklärung als auch auf die Wirkung auf die Innovationsfähigkeit
aus. Ein Mangel an Ressourcen, finanziell wie personell, stellt laut der Untersuchung eine der größten Barrieren dar. Mangelnde Ressourcen beschränken eine umfassende Durchführung der strategischen Frühaufklärung. Diesen Zusammenhang
hat bereits Davis aufgeführt, die finanzielle, personelle und zeitliche Ressourcenmängel als Hindernis ansieht.1008 Die Wirkung der strategischen Frühaufklärung auf
die Innovationsfähigkeit wird auch eingeschränkt, indem identifizierte Maßnahmen,
die Exploitation oder Exploration beeinflussen, nicht durchgeführt werden können.
Wie bereits in der Analyse der Einflussfaktoren auf die Innovationsfähigkeit in Kapitel 2.2.3.4 dargelegt, werden in der bestehenden Literatur Ressourcen als entscheidende Faktoren charakterisiert.1009 Dies ist nicht nur auf einen mangelnden
vorhandenen Mitarbeiterstab, der die Projekte initiieren kann, zurückzuführen.
Teilweise kann die bestehende Belegschaft die neuartigen Ideen schlichtweg auf-
1005
Vgl. Baisch (2000), S. 152.
Vgl. Baisch (2000), S. 152.
1007
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 115; 119.
1008
Vgl. Davis (2008), S. 187f.
1009
Siehe dazu auch Kapitel 2.2.3.4; Vgl. dazu auch Paladino (2007); Furman et al. (2002); Oltra &
Flor (2003); Yam et al. (2004).
1006
297
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
grund fehlender Fähigkeiten nicht umsetzen. Neue Mitarbeiter können aufgrund der
fehlenden Ressourcen nicht eingestellt werden, vor allem weil die bestehende Belegschaft nicht einfach ausgetauscht werden kann. Damit führt der beschriebene
Ressourcenmangel zu einer Verstärkung der von Krystek & Müller-Stewens dargelegten Fähigkeitsbarrieren der Mitarbeiter. 1010 Vor allem die Veränderung der bestehenden Innovationsfähigkeiten in Hinblick auf Exploration ist damit nicht möglich.
H 10: Ein Mangel an Ressourcen verringert die Durchführung der strategischen Frühaufklärung.
H 11: Ein Mangel an Ressourcen verringert den positiven Effekt der strategischen Frühaufklärung auf die Exploitation und die Exploration.
(3) Entscheidungsprozesse
Die Struktur der Entscheidungsprozesse ist ein weiterer Faktor, der das Wirken im
Innovationsmanagement behindert. Entscheidungsprozesse im Unternehmen laufen
nach einem geregelten Planungsprozess ab und können nicht bei Aufkommen eines
Themas bearbeitet werden. Damit verzögern sich die Handlungsmaßnahmen einer
strategischen Frühaufklärung. Müller-Stewens & Lechner haben die Struktur vieler
Planungsprozesse als einen erschwerenden Faktor der Implementierung der Frühaufklärung identifiziert. 1011 Feste Planungsprozesse behindern Reaktionen, die auf
„spontan auftretenden schwachen Signalen“1012 beruhen.1013 Damit wird die positive
Beeinflussung der Innovationsfähigkeit verringert.
H 12: Lange Entscheidungsprozesse verringern die positive Wirkung der
strategischen Frühaufklärung auf die Exploitation und Exploration.
6.2.4.4 Prozessuale Faktoren
Die aufgeführten Kriterien verbessern den eigentlichen Prozess der strategischen
Frühaufklärung und seine Ergebnisse. Damit beziehen sich die folgenden Faktoren
eher auf einzelne Schritte oder Kriterien, die eine Qualität der Frühaufklärung verbessern. Grundgedanke ist hierbei, dass je besser die Frühaufklärung durchgeführt
1010
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (1993).
Vgl. Müller-Stewens & Lechner (2011), S. 193.
1012
Müller-Stewens & Lechner (2011), S. 193.
1013
Vgl. Müller-Stewens & Lechner (2011), S. 193.
1011
298
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
wird, desto besser können die Ergebnisse für die Innovationsfähigkeit genutzt werden. Es wird dementsprechend Auskunft über Faktoren des Konstruktes der strategischen Frühaufklärung gegeben und eine Ableitung von Wirkungszusammenhängen zwischen diesen Faktoren und der Innovationsfähigkeit ist nicht weiter notwendig. Die aufgeführten Faktoren sind die Operationalisierbarkeit und eine strukturierte Erfassung sowie Bewertung von Informationen.
(1) Operationalisierbarkeit
Die Operationalisierbarkeit beschreibt das Ausmaß der Konkretheit der Ergebnisse
der strategischen Frühaufklärung. Je nach Kontext müssen die Auswirkungen der
Umfeldveränderungen klar aufgezeigt werden, so z.B. im Bereich des Innovationsmanagements anhand der Aufdeckung der Portfoliolücken und der Konsequenzen
einzelner Entwicklungen für die Produktgruppen. Selten wurde bisher in der Literatur direkt die Operationalisierbarkeit der Ergebnisse der strategischen Frühaufklärung als Erfolgsfaktor benannt. Nick verweist lediglich im Rahmen seiner Analyse
darauf, dass die Ergebnisse der Frühaufklärung zielgruppenspezifisch kommuniziert
werden müssen und die Relevanz eines Issues für das Unternehmen verdeutlicht
werden muss.1014 Dies ist nur möglich, wenn die Beteiligten die möglichen Auswirkungen verstehen können.
Je besser die Ergebnisse der strategischen Frühaufklärung im Rahmen des Innovationsmanagements operationalisiert werden, desto größer ist der Einfluss auf Exploitation und Exploration.
(2) Erfassung und Bewertung von Informationen
Die Interviewpartner gaben in diesem Zusammenhang an, dass eine strukturierte
Erfassung, Filterung und Bewertung von Informationen vorgenommen werden
muss. Um die Informationsflut beherrschen zu können, ist es vor allem entscheidend, nur ausgewählte Informationen einzubeziehen. Die von den Interviewpartnern
genannten Kriterien entsprechen den in der Literatur benannten zentralen Eigenschaften der strategischen Frühaufklärung. Demnach gehen eine Vielzahl an Autoren auf die zentralen Schritte der Erfassung, Filterung und Bewertung der Informationen ein.1015
Dementsprechend ist eine technisch saubere Durchführung dieses Schrittes Voraussetzung für die Nutzung und damit dessen Einfluss auf die Innovationsfähigkeit.
1014
Vgl. Nick (2008), S. 199.
Vgl. Krystek & Müller-Stewens (1993), S. 175; Loew (1999), S. 41; Hazebrouck (1998), S. 72;
Roll (2004), S. 223; Konrad (1991), S. 50ff.
1015
299
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
6.3 Fazit der empirischen Untersuchung
Ausgangspunkt des Kapitels war die Frage, welche Wirkung die strategische Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit ausübt. Diese Frage wurde durch die Darstellung der Einzelfallanalyse und der fallübergreifenden Analyse weitestgehend
beantwortet.
Mit Hilfe der Einzelfallanalyse war es dementsprechend möglich, alle Fälle anhand
der vorab definierten Dimensionen darzustellen, um in der fallübergreifenden Analyse Muster und Wirkungszusammenhänge zu entwickeln.
In der fallübergreifenden Analyse konnte klar herausgestellt werden, dass strategische Frühaufklärung längst in der Unternehmenspraxis mit teilweise lang existierenden Methoden eingesetzt wird. In diesem Zusammenhang wurden jedoch einige
Besonderheiten und Unzulänglichkeiten in der Nutzung offenkundig, die in der bisherigen Literatur selten adressiert wurden.
Grundsätzlich ist das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung in den bereichsübergreifenden Abteilungen deutlich höher als in den Unternehmensbereichen. Vor
allem werden durch die durchgeführten Aktivitäten wirklich disruptive Entwicklungen verfolgt, die eine Reaktion mit radikalen Produkten möglich machen. Trotzdem
ist die Wirkung dieser Initiativen nicht unbedingt größer. Zwar werden erste Ideen
ausgearbeitet, die Wirkung in den Unternehmensbereichen hängt dennoch stark von
der Einbindung dieser Ergebnisse ab. Klar herausgestellt hat sich zudem, dass strategische Frühaufklärung selten nur in einem Bereich des Unternehmens durchgeführt wird. Es wurden die Bereiche F&E, Strategie, Produktmanagement und Innovation/Technologie identifiziert, immer in Verbindung mit bereichsübergreifenden
Aktivitäten, die meist umfassender das Umfeld abdecken. Alle diese Bereiche führen die Frühaufklärung mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Intensitäten durch
und erhalten dadurch meist unterschiedliche Ergebnisse. Erst durch Austausch und
Bündelung dieser Ergebnisse kann die strategische Frühaufklärung ihr Potenzial
entfalten und wirkliche Disruptionen erkennen. Auch hier gilt, dass mehr Frühaufklärung nicht zwangsweise den Einfluss auf Exploration und Exploitation vergrößert. Vielmehr sind teilweise andere Auswirkungen erkennbar oder eben Faktoren,
die eine Nutzung behindern. In jedem Fall sind sich die Interviewpartner einig, dass
Frühaufklärung grundsätzlich Input für die Förderung von Exploitation und Exploration liefert. Nur scheint, dass die Umsetzung in Exploration oftmals Schwierigkeiten bereitet. Daher wurden aus den Interviewaussagen Einflussfaktoren abgeleitet.
Aus den Ergebnissen der fallübergreifenden Analyse wurden insgesamt 12 Hypothesen abgeleitet, die die Wirkungsweise der strategischen Frühaufklärung in einem
300
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Gefüge von Faktoren veranschaulichen und die komplexen Abläufe deutlich machen. Dieses Wirkungsgefüge wird in Abb. 6-9 dargestellt.
TopManagementAttention
Kultur des Geschäftsbereiches
Dominanz
operatives
Tagesgeschäft
H4
H8
(+)
(-)
Mangel
Risikofreude
Mangel
Entscheidungsfreude
H6
H5
(+)
Beharrungsvermögen
(-)
H3
(-)
H7
(-)
(+)
(-)
Exploitation
(+)
Strategische
Frühaufklärung
H1, H2
(+)
Exploration
(+)
(-)
H9
H10
(+)
(-)
(-)
Organisatorische
Anbindung der
Frühaufklärung
Mangel an
Ressourcen
(-)
(-)
H12
Lange
Entscheidungsprozesse
H11
Abb. 6-9: Das vollständige Wirkungsmodell (Quelle: Eigene Darstellung)
Die entwickelten Hypothesen sind zur Vervollständigung der Wirkungsmodells zusammenfassend in Tab. 6-39 veranschaulicht.
301
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
Nummer Hypothese
1
Strategische Frühaufklärung beeinflusst Exploitation und Exploration
positiv.
2
Bei vorhandenen Innovationsideen wirkt strategische Frühaufklärung als
Moderator.
3
Je kleiner das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung, desto mehr
Exploitation wird gefördert.
4
Die Top-Management-Unterstützung wirkt sich positiv auf die Umsetzung der strategischen Frühaufklärung aus.
5
Bei nicht vorhandener Risikofreude (a) verstärkt sich der positive Einfluss der strategischen Frühaufklärung auf Exploitation und (b) verringert sich der positive Einfluss auf Exploration.
6
Ein Mangel an Entscheidungsfreude verringert den positiven Einfluss
der strategischen Frühaufklärung sowohl (a) auf Exploitation als auch
(b) auf Exploration.
7
Bei starkem Beharrungsvermögen (a) verstärkt sich der positive Einfluss
der strategischen Frühaufklärung auf die Exploitation und (b) verringert
sich der Einfluss auf Exploration.
8
Die Dominanz des Tagesgeschäftes hindert die Durchführung einer strategischen Frühaufklärung.
9
Die organisatorische Anbindung der strategischen Frühaufklärung in
Form einer eigenen Innovationsabteilung oder –manager steigert die
positive Wirkung auf Exploitation und Exploration.
10
Ein Mangel an Ressourcen verringert die Durchführung der strategischen Frühaufklärung.
11
Ein Mangel an Ressourcen verringert den positiven Effekt der strategischen Frühaufklärung auf die Exploitation und die Exploration.
12
Lange Entscheidungsprozesse verringern die positive Wirkung der strategischen Frühaufklärung auf die Exploitation und Exploration.
Tab. 6-39: Die Hypothesen im Überblick (Quelle: Eigene Darstellung)
Anhand des Wirkungsgefüges wird erkennbar, wie komplex im Kontext des Innovationsmanagement agiert wird. Die Ergebnisse stellen klar heraus, dass strategische Frühaufklärung zwar sehr wohl in der Lage ist, die Innovationsfähigkeit des
Unternehmens zu verbessern und vor allem den richtigen Zeitpunkt für großangelegte Veränderungen abzupassen, jedoch wird dieser Einfluss durch eine Fülle von
Faktoren geschwächt oder gestärkt. Diese Faktoren sind teilweise auch in der Inno-
302
Ergebnisse der Forschungsfallstudie
vationsforschung vielfach beschrieben, was die hier gefundenen Ergebnisse unterstützt.1016
Insgesamt besteht der Erkenntnisgewinn aus der Fallstudienuntersuchung somit
zum einen in der strukturellen Beschreibung der Organisation der strategischen
Frühaufklärung in Großunternehmen und die zugrunde liegende Aufgabenteilung
und Fokussierung einzelner Bereiche auf einzelne Aspekte des Umfeldscannings.
So werden mit Hilfe der Ergebnisse die Treiber der strategischen Frühaufklärung,
die Aufteilung der Aufgaben und der allgemeine Status Quo zur Verwendung von
Frühaufklärung im Unternehmen deutlich. Darüber hinaus wird erstmalig das Wirkungsgefüge der strategischen Frühaufklärung im Zusammenhang mit der Innovationsfähigkeit dargestellt und aufgedeckt. Damit wird der bisherige Forschungsstand
zu den Rollen im Innovationsmanagement konkretisiert und die allgemeine positive
Wirkung sowohl auf Exploitation und Exploration anhand der zugeschriebenen Rollen aufgezeigt. 1017 Die Black Box der Beeinflussung der Innovationsfähigkeit kann
somit erstmals anhand der verdeutlichten Mechanismen beschrieben werden. Darüber hinaus werden in diesem Zusammenhang vor allem Einflussfaktoren oder Barrieren, die eine Wirkung der strategischen Frühaufklärung behindern, ausgemacht
und präzisiert, um vor allem der unternehmerischen Praxis Ansatzpunkte zur Verbesserung der Ausgestaltung von Frühaufklärungssystemen zu geben.
1016
1017
Einen Überblick dazu liefert Ernst (2002b) in seiner Arbeit.
Vgl. Rohrbeck et al. (2007), S. 182.
303
Hinweise für das Management der strategischen Frühaufklärung
7
Hinweise für das Management der strategischen Frühaufklärung
Auf Basis der Erkenntnisse aus den theoretischen Überlegungen und der empirischen Erhebung werden in diesem Kapitel Hinweise für das Management strategischer Frühaufklärung im Rahmen des Innovationsmanagements gegeben. Diese
Hinweise beziehen sich auf den Analyserahmen der strategischen Frühaufklärung,
die Innovationsfähigkeit, die Diversität der Frühaufklärung, den Nutzen und die
Wirkung der Frühaufklärung, Treibern für die Wirkung der strategischen Frühaufklärung im Innovationsmanagement sowie den Einfluss des Branchen- und Unternehmens-kontextes auf die abgeleiteten Hinweise. Anschließend erfolgt die Beschreibung der Erkenntnisse nach Themenbereich.
Analyserahmen der strategischen Frühaufklärung
Der Analyserahmen bestehend aus kontextuellen Faktoren, dem Ausmaß der Frühaufklärung, der Innovationsfähigkeit und der Wirkungsweise auf die Innovationsfähigkeit hat sich prinzipiell als angemessen erwiesen. Besonders die Kriterien Informationssammlung, Organisation und Netzwerke eignen sich, um das Ausmaß der
strategischen Frühaufklärung zu beschreiben und decken somit zentrale Bereiche
ab. Gleichwohl lassen sich einige Ergänzungen aus der vorgenommenen Untersuchung ableiten, die für eine ganzheitliche Betrachtung unerlässlich sind.
Zunächst hat sich gezeigt, dass in Hinblick auf kontextuelle Faktoren, die sich auf
das Unternehmen beziehen, auch die Ressourcenausstattung und die Beachtung des
Top-Managements auf die Ausgestaltung der strategischen Frühaufklärung wirken.
Beide Faktoren beeinflussen allgemein den Umfang der Aktivitäten. Stehen demnach nur wenige personelle wie finanzielle Ressourcen für die Frühaufklärung bereit, kann auch nur beschränkt Frühaufklärung durchgeführt werden. Darüber hinaus wird insgesamt auch der Einfluss auf die Innovationsfähigkeit und die Innovationsfähigkeit selbst behindert. Nur wenn Mittel zur Implementierung der identifizierten Ideen vorhanden sind, kann die Frühaufklärung eine Verbesserung der Innovationsfähigkeit bringen. In diesem Zusammenhang sollten Ressourcen als ein
wichtiger Faktor der kontextuellen Kriterien hinzugezogen werden, vor allem, um
sich des möglichen Rahmens der Frühaufklärung bewusst zu werden. Bei beschränkten Ressourcen ließe sich eine derartige Frühaufklärung auf bestimmte Bereiche fokussieren und reduzieren, um vor allem auch kleinen und mittelständischen
Unternehmen die Möglichkeit zu geben, nur sinnvolle Teilsysteme einzuführen.
Ähnlich ist auch die Beachtung des Top-Managements zu betrachten. Wird Frühaufklärung durch das Top-Management als bedeutend angesehen, wird deren Umsetzung umfangreicher ausfallen und ggf. umfangreiche Szenarioprojekte initiiert.
304
Hinweise für das Management der strategischen Frühaufklärung
Zudem wurden Faktoren identifiziert, die die Organisation der Frühaufklärung betreffen. Als ein erster Faktor wird der Ort der Frühaufklärung angesehen. Die Falluntersuchung identifiziert verschiedene Unternehmensbereiche, die Frühaufklärung
mit unterschiedlichen Schwerpunkt und Umfang durchführen. Folglich ist es für das
gesamte Wirkmodell von Bedeutung, diese Information zusätzlich zu erhalten, um
Rückschlüsse auf die ausgeführten Tätigkeiten und die direkte Wirkungsweise zu
bekommen. Wie auch schon in zahlreichen Arbeiten aufgezeigt, ist zu einem detaillierten Verständnis der Frühaufklärung die Methodennutzung nicht unerheblich. 1018
Die Auswahl und der Einsatz der Methoden verdeutlichen in diesem Zusammenhang die Güte der Durchführung, aber auch wiederum den durchgeführten Umfang.
Einige Methoden sind somit von vornherein mit einem großem Ausmaß an Frühaufklärung verbunden, wie z.B. die Szenariomethode. Auch wenn die Methodennutzung in der vorliegenden Arbeit nicht den Schwerpunkt bildet, ist sie für ein
ganzheitliches Abbild der Frühaufklärung unerlässlich. Darüber hinaus kommt der
Schnittstelle zwischen Frühaufklärung und den anderen Managementsystemen eine
große Bedeutung in dem Wirkungsmodell zu. Dazu reicht der einfache Verweis auf
die Integration in andere Prozesse nicht aus, sondern vielmehr muss deutlich werden, wie die Schnittstelle organisiert wird. Im Rahmen dieser Arbeit hat sich beispielsweise das Vorhandensein eines Innovationsmanagers oder einer Innovationsabteilung als vorteilig erwiesen, um die Ergebnisse im Innovationsmanagement zu
nutzen.
Die beschriebenen Ergänzungen des Analyserahmens sind in Abb. 7-1 verdeutlicht.
1018
Vgl. Müller & Müller-Stewens (2009); Daheim & Uerz (2008); Gordon (1994); Cuhls (2008);
Cuhls & Johnston (2008); Mietzner & Reger (2009), S. 287.
305
Hinweise für das Management der strategischen Frühaufklärung
Kontextfaktoren
Größe
Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
Unternehmenskontext
Strategie
Kultur
Organisation
Informations
-sammlung
•Reichweite
•Tiefe
•Zeithorizont
•Quellen
Netzwerke
•Interne Netzwerke
•Externe Netzwerke
Branchenkontext
Bezeichnung
Abb. 7-1:
Komplexität
Form/Prozess
Art der Durchführung
Integration in andere Prozesse
Kommunikation
• Ort der Frühaufklärung
• Art der Schnittstelle zu
anderen Managementsystemen
Ressourcen
TopManagementUnterstützung
•
•
•
•
Methodeneinsatz
•Auswahl der Methoden
•Art der Methode
Ergänzung im
Analyserahmen
Dynamik
Analyserahmen der strategischen Frühaufklärung mit vorgenommenen Ergänzungen (Quelle: Eigene Darstellung)
Insgesamt hat sich gezeigt, dass die Faktoren sinnvoll aufeinander abgestimmt werden müssen, um eine effektive Wirkung der Frühaufklärung zu erzielen. Hier zeigt
sich in der praktischen Umsetzung der größte Verbesserungsbedarf. So wurden diese Rahmenbedingungen in der Praxis wenig beachtet, was zu einer mangelhaften
Durchführung oder Nutzung führt. Meist wurden die Frühaufklärungssysteme nicht
den Ansprüchen gerecht. Beispielsweise erfordert die Pionierstrategie im Innovationsmanagement ausgeprägte Frühaufklärungssysteme, um einen erheblichen Zeitvorteil zu erwirken.1019 In der Realität wurden derartige Zusammenhänge nicht beachtet. Demnach sollen die kontextuellen Faktoren als Ausgangspunkt der Gestaltung dienen, die anschließend die weiteren Faktoren bedingen. In diesem Gestal-
1019
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 127.
306
Hinweise für das Management der strategischen Frühaufklärung
tungsprozess müssen darüber hinaus klare Zielvorgaben entwickelt werden, um die
weiteren Faktoren des Ausmaßes abzuleiten.
Wenngleich strategische Frühaufklärung als ein eigenständiges Konzept angesehen
wird, ist es doch immer noch fraglich, inwiefern eine eindeutige Trennung vom Innovationsmanagement möglich ist.1020 Natürlich versucht man bereits innerhalb des
Innovationsmanagements Trends und mögliche Disruptionen zu identifizieren, um
Suchfelder zu identifizieren oder gar Ideen zu generieren.1021 Die strategische Frühaufklärung beansprucht diese Tätigkeit als zum Konzept gehörend, das Innovationsmanagement wiederum als Teil des Innovationsprozesses. Das Zusammenspiel
dieser beiden Teilelemente wird bei der Konzeption der Innovationsfähigkeit im
folgenden Abschnitt deutlich.
Innovationsfähigkeit als Zusammenspiel von Exploitation und Exploration
Die vorliegende Analyse hat verdeutlicht, dass Innovationen auf Grundlage von
Exploitation sowie Exploration im Unternehmen entstehen und der hergestellte Zusammenhang mit inkrementellen und radikalen Innovationen in der Realität zu beobachten ist. Allerdings konnten ergänzende Aspekte aufgedeckt werden, die teilweise in Einklang mit der bisherigen Innovationsforschung liegen und diese damit
weiter validieren.
Die Konzeption der Metafähigkeit mit den zwei Mechanismen Exploitation und
Exploration muss an bestimmte Bedingungen geknüpft werden, um den eigentlichen Mechanismus in Gang zu setzen. Wie teilweise aus der Untersuchung hervorgegangen ist, kommt es innerhalb der Innovationsfähigkeit zu einem dreistufigen
Prozess: (1) Signale aus der Umwelt werden aufgenommen und verarbeitet, (2) die
gewonnenen Handlungsimplikationen werden umgesetzt und (3) die eigentliche
Konfiguration oder Anpassung im Sinne von Exploitation und Exploration, die
letztlich den Vollzug der Handlung wiedergibt, wird vollzogen. Teece (2007) stellt
analog in seiner Beschreibung der dynamischen Fähigkeit bereits fest, dass diese
drei Elemente von Bedeutung sind, die entsprechend den Beschreibungen in den
vorangegangenen Kapiteln für die Innovationsfähigkeit eine Rolle spielen. 1022 Dazu
gehört zum einem das Element „Sensing and Shaping“, was durch strategische
Frühaufklärung verbessert wird und neben „Seizing Opportunities“ auch die Rekonfiguration sowie das Managen von Gefahren, sprich letztlich die Handlungsauslö-
1020
So wird Frühaufklärung teilweise als Fähigkeit definiert, Disruptionen aufzuspüren (siehe
Slaughter (1998), S. 382), was jedoch eine Grundvoraussetzung für die Anpassung der Ressourcenund Kompetenzbasis im Sinne der Innovationsfähigkeit darstellt (siehe Teece (2007), S. 1322).
1021
Vgl. Cooper (2008), S. 215.
1022
Vgl. Teece (2007), S. 1319.
307
Hinweise für das Management der strategischen Frühaufklärung
sung. 1023 Dieses letzte Teilelement, das Zusammenspiel von Exploitation und Exploration, ist in der Untersuchung sehr gut zu beobachten. Ebenso zeigt sich, dass
die strategische Frühaufklärung positiv die Wahrnehmung der Signale aus der Umwelt beeinflusst bzw. diese sogar selbst darstellt. Damit schafft die strategische
Frühaufklärung die Grundlage für das tatsächliche Anpassen sowie Auslösen sowohl von Exploitation als auch Exploration. Nichtsdestotrotz ist die eigentliche
Umsetzung der Handlung, eben diese weitere Komponente notwendig, die scheinbar nur schwer von der strategischen Frühaufklärung beeinflusst wird. Damit wird
deutlich, dass Exploration und Exploitation nur beeinflusst werden, wenn alle diese
Teilelemente ausgeprägt sind. Das erklärt auch, warum bei den Ergebnissen der
Falldarstellung explizit darauf hingewiesen wurde, dass strategische Frühaufklärung
vor allem das Potenzial zur Exploitation sowie Exploration verbessert. Andere Faktoren müssen allerdings auch ausgeprägt sein, damit eine tatsächliche Beeinflussung
stattfindet. Diese Zusammenhänge sind in Abb. 7-2 dargestellt.
Innovationsfähigkeit
Innovationsergebnis
Entscheidungs- &
Umsetzungsfähigkeit
Exploitation
Inkrementelle
Innovationen
Exploration
Radikale
Innovationen
Wahrnehmung
der Umwelt
• Innovationskultur
• Entscheidungsprozesse
• Schnittstelle
• Ressourcen
Abb. 7-2: Anpassung der Innovationsfähigkeit (Quelle: Eigene Darstellung)
Als bedeutendes Element, um diese Umsetzungsfähigkeit in Gang zu setzen, ist die
Unternehmenskultur anzusehen. Diese hat maßgeblichen Einfluss auf die Bereitschaft Exploitation und Exploration zu beeinflussen. In diesem Zusammenhang
1023
Vgl. Teece (2007), S. 1334.
308
Hinweise für das Management der strategischen Frühaufklärung
können auch Parallelen zu den „Core Capabilities“ und „Core Rigitidies“ geknüpft
werden. Einerseits bilden kulturelle Faktoren und einzelne Strukturen einen Bestandteil der Kernfähigkeiten, andererseits behindern genau diese Faktoren die Unternehmensentwicklung bei veränderten Rahmenbedingungen.
Insgesamt lässt sich damit zusammenfassend feststellen, dass es nicht ausreichend
erscheint, die Innovationsfähigkeit als Metafähigkeit mit den Elementen Exploitation und Exploration darzustellen, sondern einzelne Faktoren, die vor diesen beiden
Elementen zum Tragen kommen, Berücksichtigung finden müssen. Exploitation
und Exploration spiegeln nur den eigentlichen Prozess der Nutzung bzw. Rekonfiguration der einzelnen Ressourcen und Fähigkeiten wider. Deutlich wird anhand der
Ergebnisse, dass vorab Chancen und Risiken wahrgenommen werden müssen, was
bei Teece als „Sensing und Shaping“ behandelt wird.1024 Darüber hinaus muss die
Bereitschaft zur Umsetzung vorhanden sein, so dass es letztendlich wirklich zur
Exploitation oder Exploration kommt.
Diversität der Frühaufklärung
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Organisation der strategischen Frühaufklärung deutlich komplexer ist als bisher in der theoretischen Diskussion offenbart.
Anhand der Falluntersuchung konnte gezeigt werden, dass es nicht nur ein Frühaufklärungssystem im Unternehmen gibt, sondern gleichzeitig viele verschiedene Initiativen der einzelnen Abteilungen. Wie in 6.2.3.5 diskutiert wurde, verfolgen diese
zudem unterschiedliche Schwerpunkte und variieren in der Wirkung. Je größer das
Unternehmen, umso komplexer werden diese Systeme, da in bereichsübergreifenden Bereichen wiederum weitere Systeme eingeführt werden. Obwohl
diese Erkenntnisse nahe liegen, wurden die Zusammenhänge bisweilen, trotz der
vielfältigen Betrachtungen in der Frühaufklärungsliteratur, nicht beachtet und ziehen zwei Implikationen nach sich.1025 Eine volle Wirkung auf die Innovationsfähigkeit kann nur entfaltet werden, wenn diverse Aktivitäten mit unterschiedlichem Fokus durchgeführt werden. Dazu können entweder die Ergebnisse der einzelnen Abteilungen genutzt werden oder vollständige Frühaufklärungseinheiten etabliert werden, die Informationen an die Abteilungen liefern. Nur eine umfassendere Etablierung verschiedener Aktivitäten kann gewährleisten, dass wirklich Beobachtungsbereiche genutzt werden, die disruptive Entwicklungen aufspüren und damit Potenzial
für radikale Ideen bergen. Wird dahingegen nur vereinzelt gescannt, besteht die Gefahr, nur inkrementelle Verbesserungen wahrzunehmen und die eigentliche Funktion der Frühaufklärung nicht auszuführen. Darüber hinaus wird wiederum die Bedeutung der Integration aller Frühaufklärungsergebnisse offensichtlich. Nur so kön1024
1025
Vgl. Teece (2007), S. 1322.
Vgl. Becker (2002); Daheim & Uerz (2008); Müller-Stewens & Müller (2009).
309
Hinweise für das Management der strategischen Frühaufklärung
nen die durchgeführten Aktivitäten eine Wirkung auf die Innovationsfähigkeit entwickeln. Diese Zusammenhänge werden im Abschnitt zu den Treibern der Wirkung
der strategischen Frühaufklärung beleuchtet.
Nutzen und Wirkung der strategischen Frühaufklärung
Der Nutzen und die Wirkung der strategischen Frühaufklärung wurden bisher kaum
in empirischen Untersuchungen nachgewiesen.1026 Die Ergebnisse der vorliegenden
Untersuchung sind damit als Novum zu betrachten, weil sie nicht nur allgemein den
Nutzen verdeutlichen, sondern auch der Wirkungsweise nachgehen. Die vorliegende Analyse unterstreicht eindeutig die innovationsfördernde Wirkung der strategischen Frühaufklärung in Hinblick auf direkt wahrnehmbare Effekte wie die Reduktion der Unsicherheit, das Aufzeigen von Veränderungsbedarf und das direkte Initiieren von Handlungen im Innovationsmanagement und in Zusammenhang mit Exploitation und Exploration. Gleichwohl müssen die Ergebnisse unter Berücksichtigung des gesamten Wirkungsgefüges differenziert betrachtet werden.
Demnach konnte zunächst gezeigt werden, dass die verschiedenen Aktivitäten der
Frühaufklärung drei verschiedene direkte Wirkungen verursachen, die wiederum
eine unterschiedliche Wirkung auf Exploitation und Exploration ausüben. Die Unsicherheitsreduktion konnte nicht direkt auf die Innovationsfähigkeit wirken, sondern
hat nur einen moderierenden Einfluss. Die Widersacherfunktion fördert ausschließlich die Exploration, wohingegen das Initiieren von Handlungen die Exploitation
und Exploration verbessert. Zusammenfassend besteht damit durch die Frühaufklärung grundsätzlich das Potenzial, Exploitation und Exploration voranzutreiben. Jedoch weichen Potenzial und tatsächliche Realität deutlich voneinander ab, da oftmals deutlich weniger, vor allem in Zusammenhang mit Exploration, umgesetzt
wird. Es lässt sich zwar immer noch generell ableiten, dass sowohl der Einfluss auf
Exploitation und Exploration vorhanden ist, aber Exploitation wird deutlich einfacher verbessert. Hier ist zwar nicht eindeutig zu belegen, dass es nicht ohnehin zu
Exploitation gekommen wäre, jedoch führt Frühaufklärung meist dazu, dass erkannt
wird, dass einige inkrementelle Innovationen noch vorgenommen werden können,
d.h. noch keine disruptiven Veränderungen wahrgenommen wurden, die das bestehende Verhalten in Frage stellen. Gleichzeitig kann demnach das Timing von Innovationsprojekten verbessert werden, was einen nicht zu unterschätzenden Faktor in
der Gestaltung von Exploitation und Exploration ausmacht. Nichtsdestotrotz zielen
vor allem großangelegte Projekte auf das Verbessern der Exploration ab, um dem
Unternehmen neue Pfade aufzuzeigen und von der bestehenden Entwicklung abzurücken. Die anschließende Umsetzung scheitert dann oftmals aber an dem gesamten
1026
Vgl. Müller & Müller-Stewens (2009), S. 7; Burmeister et al. (2004), S. 119; Rohrbeck (2010),
S. 182.
310
Hinweise für das Management der strategischen Frühaufklärung
Wirkungsgefüge, in dem sich die strategische Frühaufklärung befindet. Daher sollten Unternehmen die Ziele von umfassend angelegten Projekten deutlich festlegen
und anschließend die Zielerreichung überprüfen. In diesem Zusammenhang muss
Frühaufklärung in Abhängigkeit des ganzen Unternehmenskontextes konzipiert
werden. Einige Hinweise werden hierzu unter den Treibern der strategischen Frühaufklärung im folgenden Abschnitt gegeben.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Nutzen in der vorliegenden Untersuchung eindeutig erkennbar ist, jedoch das Management zum sinnvollen Einsatz
der Frühaufklärung viele Faktoren zu berücksichtigen hat. Die Ergebnisse sprechen
dafür, dass Frühaufklärung über ein enormes Potenzial verfügt, die Innovationsfähigkeit des Unternehmens zu verbessern, jedoch eben die Rahmenfaktoren nicht
beachtet werden. Daher bleibt vor allem radikales Innovationspotenzial zur Einleitung von Exploration unberührt.
Treiber für die Wirkung der strategischen Frühaufklärung im Innovationsmanagement
Wie bereits in den vorangegangenen Beschreibungen deutlich wurde, können auf
Basis der Fallstudie allgemeine Treiber für eine wirksame strategische Frühaufklärung identifiziert werden. Diese waren teilweise bereits Gegenstand existierender
Frühaufklärungsliteratur. 1027 Anders jedoch als bisher, wird der Fokus ganz klar auf
den Zusammenhang mit dem Innovationsmanagement gelegt. Dadurch ergeben sich
neben bekannten Treibern neue Ansätze. Identifiziert wurden insgesamt drei treibende Faktoren, die im Zusammenhang mit Frühaufklärung notwendig sind. Ein
erster Überblick ist in Abb. 7-3 zu finden. Im Anschluss werden die Faktoren kurz
beschrieben und erste Vorschläge zur Ausgestaltung im Unternehmen gemacht.
1027
Vgl. Baisch (2000), S. 161ff.; Nick (2008), S. 114.
311
Hinweise für das Management der strategischen Frühaufklärung
Treiber
Ziele
Maßnahmen
• Verbesserung der
Schnittstellen
• Innovationsabteilung/
Innovationsmanager
• Involvieren von
Entscheidungsträgern
Unternehmenskultur
• Aufbrechen und
Vermindern der
kulturellen
Barrikaden
• Langfristig:
Innovationskultur
verbessern
• Kurzfristig:
Experimentierfonds
Ideenwettbewerbe
Projektkreise
Kommunikation
des Nutzens
• Kommunikation
der Notwendigkeit
• Quantifizierung
des Nutzens
• Erarbeiten und
Hinterlegen von
Kennzahlen
• Einführung und
Vergleich mit
Umsetzungsquote
Schnittstelle
Abb. 7-3:
Überblick über die Ziele und Maßnahmen der identifizierten
Treiber der strategischen Frühaufklärung (Quelle: Eigene Darstellung)
(1) Schnittstelle zwischen strategischer Frühaufklärung und Innovationsmanagement
In der Falluntersuchung wurde vor allem der Austausch zwischen der Frühaufklärungseinheit und dem Innovationsmanagement als Schnittstelle identifiziert. Eine
gute Schnittstelle führt unweigerlich zu einer Verbesserung der Nutzung der Frühaufklärungsinformationen und damit zu einem Einfluss auf die Innovationsfähigkeit. Werden die Ergebnisse nicht ausgetauscht, fehlt die Grundlage, um Reaktionen
auszulösen. Wie in vielen Fällen deutlich wurde, ist die Schnittstelle zwischen den
Systemen selten wirklich gut ausgeprägt. Ein regelmäßiger Austausch zwischen den
Abteilungen in Form von Meetings und Workshops reicht nicht aus, um die Ergebnisse der Frühaufklärung entsprechend ihrer Bedeutung zu beachten. Damit kongruieren die Feststellungen in dieser Arbeit mit den bisherigen Erkenntnissen zu der
Wirksamkeit der strategischen Frühaufklärung. 1028 In diesem Zusammenhang ist
1028
Vgl. Baisch (2000); Nick (2008); Davis (2008); Rohrbeck (2010); Roll (2004); Lasinger
(2011).
312
Hinweise für das Management der strategischen Frühaufklärung
hervorgehoben worden, dass die Schnittstelle zu anderen Managementsystemen
gepflegt werden muss, damit Frühaufklärung einen Nutzen hervorbringen kann. 1029
Insgesamt lassen sich aus den Ergebnissen der Falluntersuchung und aus eigenen
Überlegungen zwei Praktiken ableiten, die eine bessere Anbindung der Frühaufklärung ermöglichen.
Als eine erste vorteilige Praktik hat sich das Vorhandensein eines Innovationsmanagers oder einer Innovationsabteilung herausgestellt. Auf diese Weise konnten
verschiedene Barrieren sinnvoll abgebaut werden und die strategische Frühaufklärung besser ihre Wirkung entfalten. Innerhalb einer Innovationsabteilung oder mit
einem Innovationsmanager kann die Dominanz des Tagesgeschäftes abgebaut werden, weil man dort besser die Sammlung von Frühaufklärungsinformationen und
das Ableiten von Reaktionen vornehmen kann. Geschäftsübergreifende Abteilungen
haben einen zentralen Anlaufpunkt in dem Geschäftsbereich, wodurch Themen
wiederum eine bessere Nutzung erfahren. Darüber hinaus hat die Untersuchung ergeben, dass in den Innovationsabteilungen durch das Zusammenführen verschiedener Aktivitäten ein größeres Ausmaß an Frühaufklärung durchgeführt wird, was
wiederum zur Folge hat, dass ein größerer Wirkungsgrad erreicht wird, sowohl was
direkte Wirkungen als auch Wirkungen auf Exploitation und Exploration angeht.
Insgesamt zeigt sich damit, dass das Potenzial für radikale und inkrementelle Innovationen deutlich größer ist. Die Innovationsabteilung fungiert zudem als Inkubator
für neue Themen und Innovationsprojekte und erhöht auf diese Weise den Innovationsdruck im bestehenden Geschäft.
Als eine weitere Praktik, die Anbindung der Frühaufklärung zu verbessern, bietet
sich das Involvieren von Entscheidungsträgern aus den Unternehmensbereichen an.
Einige Fallbeispiele haben vor allem Entscheidungsträger in den bereichsübergreifenden Tätigkeiten eingebunden, um sicher zu gehen, dass deren Einstellung zur
Frühaufklärung und die Nutzung der Ergebnisse verbessert werden. Dabei müssen
gezielt Entscheidungsträger ausgewählt werden, die aus verschiedenen Abteilungen
des Geschäftsbereiches stammen. Nur so kann der Nutzen der Frühaufklärung in
allen Bereichen kommuniziert werden und die Wirkung in verschiedenen entscheidungsrelevanten Bereichen eintreten. In diesem Zusammenhang bietet es sich an,
Entscheidungsträger als Mentoren für bestimmte Innovationsprojekte zu verpflichten. Damit sind sie direkt für die identifizierten Projekte verantwortlich und wären
zur Nutzung der Frühaufklärungsinformation gezwungen.
Zusammenfassend sind die Vor- und Nachteile der identifizierten Methoden in Tab.
7-1 aufgelistet.

1029
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 47.
313
Hinweise für das Management der strategischen Frühaufklärung
Methode
Vorteile
 Konzentration auf Trends
und Entwicklungen
Innovationsabteilung
 Abbau der Dominanz des
Tagesgeschäftes
 Zusammenführen von verschiedenen Initiativen der
Frühaufklärung
 Inkubator für neue Themen
Involvieren der
Entscheidungsträger
Tab. 7-1:
 Kommunikation der Ergebnisse in die Geschäftsbereiche
 Verbesserung der Nutzung
der Frühaufklärung
Nachteile
 Ressourcenaufwand
 Akzeptanz im Unternehmen muss
geschaffen werden
 Ggf. notwendige Prozessanpassungen
 Ressourcenengpässe bei den Entscheidungsträgern (durch andere
operative Tätigkeiten)
 Setzt Bereitschaft zur Mitarbeit
voraus
Vor- und Nachteile der Methoden zur Verbesserung der Schnittstelle (Quelle: Eigene Darstellung)
(2) Kultur als zentraler Treiber der Frühaufklärung und der Innovationsfähigkeit
Bereits in der theoretischen Aufarbeitung der Innovations- und Frühaufklärungsliteratur wurde immer wieder die zentrale Rolle der Kultur hervorgehoben. 1030 Dies
konnte im Rahmen der Falluntersuchung bestätigt werden. Die kulturellen Bedingungen spielen eine zentrale Rolle in der Nutzung der strategischen Frühaufklärung
im Innovationsmanagement. Folglich ging eindeutig hervor, dass die geprüften
Elemente Risikobereitschaft, Entscheidungsfreude und Offenheit gegenüber Neuem
oftmals radikale Innovationsideen blockieren. Die fehlende Ausprägung führt zu
einer Bevorzugung von inkrementellen Innovationsprojekten und zu einer Verbesserung der Exploitation, ohne jedoch Markterfordernisse zu respektieren. Letztendlich wird damit die Unternehmenskultur zu dem größten Hindernis, um die durch
strategische Frühaufklärung identifizierten radikalen Änderungen im Unternehmen
umzusetzen. Wenngleich die Unternehmenskultur ein komplexes Gefüge ist, das
nicht problemlos wandel- und veränderbar ist, kann das Top-Management bei langfristiger Planung eine innovationsfreundlichere Kultur etablieren.1031 Erste Erkenntnisse finden sich dabei bei Ernst, der dazu eine Typologie von Unternehmenskulturen entwickelt hat und erste Maßnahmen definiert.1032 Nichtsdestotrotz lassen sich
1030
Siehe dazu auch 2.2.3.4 sowie 3.2.6.
Vgl. Ernst (2002a), S. 28–34.
1032
Vgl. Ernst (2002a), S. 28–34; siehe dazu auch Schreyögg & Conrad (2006), S. 165.
1031
314
Hinweise für das Management der strategischen Frühaufklärung
kurzfristig weitere Maßnahmen ergreifen, mit denen die Kulturbarrikaden umgangen werden. Sie wirken demnach nicht unmittelbar auf die Innovationskultur, sondern versuchen die Barrieren zu umgehen und abzumildern. Auf Basis eigener
Überlegungen und ersten Ansätzen in den Fallbeispielen wurden dazu die Methode
Experimentierfonds, interne Wettbewerbe und Projektkreise identifiziert. Diese
werden im Folgenden kurz umrissen.
Die sogenannten Experimentierfonds werden eingerichtet, um ausschließlich radikale Innovationsideen zu erforschen. Von dem jährlichen F&E Budget wird ein fester einstelliger Prozentsatz an diesen Experimentierfonds übermittelt, der dann zur
freien Verfügung steht, aber grundsätzlich nur für radikale Ansätze genutzt werden
kann. Damit könnten die radikalen Innovationsideen, die durch die Frühaufklärungsarbeit gefunden wurden, in den Experimentierfonds weiter bearbeitet werden
und hinsichtlich Marktattraktivität und Machbarkeit bewertet werden. Anstatt die
neuartigen Ideen also gleich abzulehnen, werden sie auf diese Weise weiter ausgearbeitet. Durch die weitere Bearbeitung wird die Unsicherheit durch Klärung wichtiger Aspekte reduziert und damit auch das Risiko handhabbar. Dadurch dass bestimmte radikale Ideen aufgrund kultureller Barrieren nicht einfach verworfen werden, nimmt deren Abstraktionsniveau ab. Mit sinkendem Abstraktionsniveau wird
das Potenzial des Projektes deutlicher. Entscheidungsträger können anschließend
besser überzeugt werden.
Ideenwettbewerbe erfahren innerhalb des Innovationsmanagements im Rahmen von
Open Innovation große Beliebtheit. 1033 In diesem Zusammenhang wird der Ideenwettbewerb aber nicht nur zur ausschließlichen Generierung von Ideen, sondern
vielmehr zur besseren Konzeptionalisierung der radikalen Ideen herangezogen.
Zentraler Bestandteil ist der Wettbewerb zwischen den einzelnen Abteilungen eines
Geschäftsbereiches oder verschiedener Geschäftsbereiche, die in Form von Bonus
oder Sonderbudget bei Gewinn des internen Wettbewerbes honoriert werden. Die
Informationen aus den Frühaufklärungsaktivitäten werden zusammen getragen und
den Abteilungen in den Geschäftsbereichen oder verschiedenen Geschäftsbereichen
übergeben. Darauf aufbauend findet dort die Ideengenerierung statt, die wiederum
auf radikale Projekte beschränkt wird. Nach einem ersten Auswahlprozess wird sich
auf die vielversprechendsten Projekte beschränkt und ein Business Case erarbeitet,
der wiederum Marktattraktivität und Ressourcenstärke behandelt. 1034 Nach einer
weiteren Abstimmungsrunde werden einzelne Projekte auf Machbarkeit geprüft und
ggf. ein Prototyp erstellt. Hierbei wird das beste Produkt als Gewinner prämiert. Bei
1033
Vgl. Reichwald & Piller (2009), S. 172ff.
Je nach Einstufung der Neuartigkeit muss beim Business Case unterschieden werden: So ist es
im Falle von radikalen Produktideen schwer möglich einen vollständigen Business Case abzuliefern. Dieser muss in diesem Zusammenhang den Erfordernissen angepasst werden.
1034
315
Hinweise für das Management der strategischen Frühaufklärung
erfolgreichen Tests werden die Projekte für die Markteinführung vorbereitet. Anders als bei den Experimentierfonds muss man bei den internen Wettbewerben auf
die Beteiligung der Abteilungen und Geschäftsbereiche hoffen und dementsprechend interessante Prämien zur Wahl stellen. Durch die gezielte Prämierung von
radikalen Ideen werden zumindest die Barrieren zur Bearbeitung abgesetzt. Zwingende Voraussetzung hierfür ist jedoch die Unterstützung des Top-Managements
und die Bereitschaft, gute Produkte am Markt einzuführen. Eine Übersicht zum Ablauf des internen Ideenwettbewerbes ist in Abb. 7-4 dargestellt.
Strategische
Frühaufklärung
Abstimmung
Initiierung
Ideenwettbewerb
Phase 1
Abstimmung
Business Case
bilden
Phase 2
Abstimmung
Umsetzungsvorbereitung
Gewinner
Markteinführung
Phase 3
Abb. 7-4: Ablauf des internen Ideenwettbewerbes (Quelle: Eigene Darstellung)
Eine weitere Möglichkeit zur Verbesserung des Umsetzungspotenzials von radikalen Produkten besteht in wechselnden Projektkreisen. Es werden abteilungsübergreifende temporäre Projektteams einberufen, die wiederum, ähnlich wie bei den
internen Wettbewerben, die Aufgabe erhalten, anhand von radikalen Frühaufklärungsideen, konkrete Umsetzungspläne für die Innovation zu erarbeiten. Die Mitarbeiter können aus Traineeprogrammen und Nachwuchsförderkreisen stammen. Dies
birgt den Vorteil, dass die Strukturen und die Kultur noch nicht vollends übernommen wurden und neue Sichtweisen auf Problemstellungen möglich sind.
Mentoren dienen im Unternehmen dazu, als Schirmherren für identifizierte radikale
Innovationsprojekte zu fungieren. Nach Generierung der radikalen Idee wird sie
einem unternehmensinternen Mentor, meist aus dem mittleren bis gehobenen Management aus F&E oder Produktmanagement, zugeteilt. Dieser hat im Anschluss
die Aufgabe, die weitere Ausarbeitung der Idee voranzutreiben und das Projekt zu
finalisieren.
In allen Fällen wird die Kulturbarriere mit Hilfe zunehmender Konkretisierung und
damit abnehmenden Risiken abgebaut. Insgesamt ist bei allen Varianten aber zu
beachten, dass eine Durchführung ohne Ausstattung mit Ressourcen und TopManagement-Akzeptanz sowie -Förderung nicht möglich ist. Zusammenfassend
sind die Vor- und Nachteile der einzelnen Methoden in Tab. 7-2 gegenübergestellt.
316
Hinweise für das Management der strategischen Frühaufklärung
Methode
Experimentierfonds
Vorteile
Nachteile
 Vorantreiben ausschließlich  Ressourcen müssen zur Verradikaler Ideen
fügung gestellt werden
 Zwang zur Ausarbeitung
 Reduktion der Unsicherheit
der Ideen
Interne Ideenwettbewerbe
Projektkreise
 Konzeptionalisierung radikaler Ideen
 Reduktion der Unsicherheit
 Aufbrechen alter Strukturen
und Denkmuster
 Konzeptionalisierung radikaler Ideen
Mentoren
 Ideen werden durch die
Mentoren vorangetrieben
 Verbreitung und Kommunikation des Nutzens der
Frühaufklärung
 Bereitschaft an Wettbewerb
teilzunehmen
 Organisation aufwendig
 Gewinn muss bereitgestellt
werden
 Organisation mit erheblichen
Mehraufwand für Mitglieder
verbunden
 Bereitschaft der Mentoren
notwendig
Tab. 7-2: Vor- und Nachteile zur Verringerung des kulturellen Einflusses
(Quelle: Eigene Darstellung)
(3) Nutzen kommunizieren/quantifizieren
Wie teilweise angemerkt wurde, ist der Wertbeitrag der strategischen Frühaufklärung nicht eindeutig bestimmt und damit nicht kommunizierbar. In der Praxis wurde vielfach versäumt, Beteiligte von dem Wertbeitrag zu überzeugen, wodurch die
Akzeptanz und anschließend die Wirkungskraft sanken. Wie auch schon in vorangegangenen Arbeiten wird hier wieder bestätigt, dass eine quantitative Bewertung
der strategischen Frühaufklärung auch im Rahmen des Innovationsmanagements
schwierig und in der Praxis nicht etabliert ist.1035 Gleichwohl sollte in Hinblick auf
Transparenz und unternehmensinterne Kommunikationsgründe der konkrete Nutzen
verdeutlicht werden.1036
Ansatzpunkte zur Verbesserung der quantitativen Bewertung stellen z.B. die Anzahl
an inkrementellen und radikalen Innovationsideen dar, die innerhalb von Szenari1035
1036
Vgl. Nick (2008), S. 188; Müller-Stewens & Lechner (2011), S. 193; Baisch (2000), S. 157.
Vgl. Nick (2008), S. 188; Baisch (2000), S. 157.
317
Hinweise für das Management der strategischen Frühaufklärung
oprojekten identifiziert wurden. Trotz ihrer potentiellen Wirksamkeit ist das Misstrauen gegenüber diesen Projekten besonders groß. Wenngleich der Nutzen schwer
quantifizierbar ist, können konkrete Erfolgsprojekte kommuniziert werden, die aus
den Aktivitäten, vor allem aus den großangelegten Szenarioprojekten, hervorgehen.
Wird diese Kennziffer um eine Umsetzungsquote ergänzt, wird nicht nur der Nutzen, sondern auch das Verbesserungspotenzial deutlich. Bei geringer Umsetzungsquote kann im Unternehmen zusätzlich Druck entstehen, mehr Ideen zu realisieren.
Darüber hinaus könnte eine Kennziffer für die identifizierten Chancen und Bedrohungen entwickelt werden, die wiederum an eine Umsetzungsquote gekoppelt wird.
Diese sagt aus, welche Projekte z.B. nicht realisiert wurden, weil disruptive Veränderungen aufgezeigt wurden. Ein Überblick über mögliche Kennzahlen in Abhängigkeit der Wirkung der Frühaufklärung ist in Abb. 7-5 wiedergegeben.
Bewertungsmöglichkeiten
Reduktion der
Unsicherheit
Bewertung oder
Quantifizierung
schwer möglich
Strategische
Frühaufklärung
Widersacher
• Anzahl der
Portfoliolücken
• Anzahl
potentieller
Gefährdungen
• Abbruchquote
von Projekten
aufgrund von
Frühaufklärung
Initiieren von
Handlungen
• Anzahl der
radikalen
Innovationsideen
• Anzahl der
inkrementellen
Innovationsideen
• Identifizierte
Suchfelder
• Anzahl der
strategisch
bedeutsamen
Technologien
Umsetzungsquote als Parameter hinzufügen
Abb. 7-5: Möglichkeiten der Bewertung der strategischen Frühaufklärung
(Quelle: Eigene Darstellung)
Einfluss des Unternehmens- und Branchenkontextes auf die Hinweise für das
Management der strategischen Frühaufklärung
Der Analyserahmen der strategischen Frühaufklärung und die Erkenntnisse zur
Konzeption der Innovationsfähigkeit sind unabhängig der gewählten Unternehmens- und Branchenfaktoren. Grundsätzlich deckt der Analyserahmen alle wichtigen Faktoren zu Bestimmung der Güte der strategischen Frühaufklärung ab. Unter318
Hinweise für das Management der strategischen Frühaufklärung
nehmens- und Branchenkontext werden wie veranschaulicht immer übernommen
und helfen lediglich einer geeigneten Interpretation des Ausmaßes der strategischen
Frühaufklärung anhand der Organisation, Informationssammlung, Netzwerke und
des Methodeneinsatzes. Dies bedeutet beispielsweise, dass kleinere Unternehmen
durchaus andere Organisationsansätze verfolgen können als Großunternehmen und
trotzdem über ausgereifte Frühaufklärungssysteme verfügen. Ähnlich sind auch die
Ergebnisse zur Diversität der Frühaufklärung sowie dem Nutzen und der Wirkung
kontextunabhängig. Der Nutzen wird dabei über die Ausgestaltung der Frühaufklärungssysteme beeinflusst. Wenn dabei das Umgehen kultureller Faktoren beachtet
wird, können auch diese unternehmensindividuellen Einflüsse minimiert werden.
Analog dazu, ist dementsprechend die Ausführung zur Innovationsfähigkeit nicht
betroffen, weil das Konzept nicht von einzelnen Rahmenbedingungen des Unternehmens abhängt, sondern allgemeine Gültigkeit hat.
Die Ergebnisse zu den Treibern der strategischen Frühaufklärung müssen insgesamt
jedoch im Unternehmens- und Branchenkontext gesehen werden, da hier keine allgemeine Gültigkeit festzustellen ist. Die Schnittstelle zwischen strategischer Frühaufklärung und Innovationsmanagement hängt maßgeblich von der Unternehmensgröße ab. Für mittelständische und Kleinunternehmer kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine eigene Innovationsabteilung und/oder –manager notwendig
sind. In diesem Unternehmen ist der Austausch zwischen Wissens- und Entscheidungsträgern ohnehin deutlich einfacher, was eigene Abteilungen zu dem Thema
überflüssig macht. Ein erfolgreicher Treiber unter diesen Rahmenbedingungen ist
daher hier ausschließlich die Kommunikation der Ergebnisse. Die Unternehmenskultur als ein Kontextfaktor wirkt bedeutend auf die Wirkung der strategischen
Frühaufklärung. Auch hier gilt, wenn wir ein ähnliches Umfeld wie in den untersuchten Fällen finden, d.h. eine konservative, risikoscheue Unternehmenskultur,
sind die aufgeführten Hinweise anzuwenden. Eine innovationsfreundliche Unternehmenskultur kann grundsätzlich die Ergebnisse einer strategischen Frühaufklärung deutlich besser nutzen, da ohnehin die Bereitschaft besteht, neue Ideen und
Konzepte auszutesten. Damit entfallen die Schritte zur langfristigen Entwicklung
der Innovationskultur und den kurzfristigen Lösungen mit Experimentierfonds,
Ideenwettbewerbe und Projektkreisen.
Abschließend lässt sich zusammenfassend feststellen, dass das Management strategischer Frühaufklärung in Hinblick auf die Verbesserung der Innovationsfähigkeit
ein durchaus komplexes Gefüge darstellt. Das Management muss zur erfolgreichen
Konzeption alle Einflussfaktoren überblicken und gestalten, um letztlich die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Ein ganzheitlicher Ansatz hilft dabei, alle Aspekte zu beachten und die Umsetzung kontinuierlich zu überprüfen.
319
Schlussbetrachtung
8
Schlussbetrachtung
8.1 Zentrale Ergebnisse
Der Ausgangspunkt der Betrachtung war die Frage, inwiefern die strategische Frühaufklärung zu einer Verbesserung der Innovationsfähigkeit beiträgt. In vielen Unternehmen wird strategische Frühaufklärung durchgeführt, um frühzeitig Veränderungen und Trends des Unternehmensumfeldes aufzuspüren und in innovative Produkte umzusetzen. Eine umfassende Analyse der Merkmale der Innovationsfähigkeit mit Ausgangspunkt der Ressourcentheorie sowie eine Analyse der strategischen
Frühaufklärung dienten als Grundlage für die Untersuchung. Die Erkenntnisse wurden in der explorativen Fallstudie genutzt.
Insgesamt liefert die Arbeit einige Erkenntnisse für die Beantwortung der eingangs
formulierten Forschungsfragen und Forschungsziele.
Zunächst hat sich anhand der Literaturanalyse und der Falluntersuchung gezeigt,
dass die Innovationsfähigkeit ein komplexes Gefüge darstellt, welches sich aber
durch die Mechanismen Exploitation und Exploration abbilden lässt. Daher erscheint es zweckmäßig, nicht auf alle einzelnen, durchaus diversen, Kompetenzen
eines Unternehmens einzugehen, sondern nur diese beiden Grundmechanismen zu
nutzen. Nichtsdestotrotz wurde mit Hilfe der qualitativen Untersuchung deutlich,
dass nicht nur diese beiden Mechanismen eine Rolle spielen, sondern auch die Umsetzungsbereitschaft im Unternehmen. Diese wird vor allem durch die Unternehmenskultur geprägt.
Im Zusammenhang mit der strategischen Frühaufklärung lassen sich verschiedene
Erkenntnisse feststellen. Die Mutmaßung und bisherige Annahme in der Forschung,
dass sowohl branchen- und unternehmensinterne Faktoren maßgeblich das Ausmaß
der Frühaufklärung beeinflussen, kann nur bedingt unterstützt werden.1037 In der
Untersuchung haben Unterschiede in der Branche und in Komplexität sowie der
Dynamik wenige Veränderungen im Ausmaß der strategischen Frühaufklärung aufgezeigt. Vor allem die Kontextfaktoren des Unternehmens selbst machen einen großen Unterschied in der Nutzung und dem Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
aus. Besonders die bisher nicht zum Tragen gekommenen Ressourcen und die Unterstützung des Top-Managements wirken sich hierauf aus. Bei vorhandenen Ressourcen und der Akzeptanz des Top-Managements werden auch umfangreichere
Frühaufklärungssysteme implementiert. Ein Zusammenhang zwischen Innovations-
1037
Vgl. Rohrbeck (2010), S. 127.
320
Schlussbetrachtung
strategie und Ausmaß der Frühaufklärung wäre wünschenswert gewesen, lässt sich
aber nicht aufzeigen. Egal ob Innovationsführer oder Fast Follower, das Ausmaß
verändert sich nicht signifikant. Weiterhin wurde die Frühaufklärung in Abhängigkeit von der Art bzw. des Ortes charakterisiert. Das Ausmaß konnte anhand der vier
verschiedenen Abteilungen spezifiziert werden. Die vier Abteilungen sind F&E,
Produktmanagement, Strategie- sowie die Innovationsabteilungen, in denen vor allem die Informationssammlung und die Organisation entsprechend der thematischen
Fragestellungen variiert. Auf Grundlage der vorhandenen Aufgabenverteilung in
den Abteilungen und den unterschiedlichen Intensitäten wurden drei Typen der
Frühaufklärung identifiziert, der traditionelle Frühaufklärer, der Front-EndFrühaufklärer und der eingeschränkte Frühaufklärer.
Der zentrale Untersuchungsgegenstand ist in der Wirkung der strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit zu sehen. Hierzu wurden wiederum Ergebnisse erzeugt.
Die Funktionsweise der strategischen Frühaufklärung kann in direkte und indirekte
Wirkungen differenziert werden. Die direkte Einflussnahme verdeutlicht hierzu, wie
genau die Veränderungen der Innovationsfähigkeit zu erklären sind. Es konnten in
diesem Zusammenhang drei direkte Wirkungen identifiziert werden, die auch auf
die Innovationsfähigkeit wirken: die Reduktion der Unsicherheit, die Widersacherfunktion und die Initiatorrolle. In Abhängigkeit von diesen direkten Wirkungen,
aber auch in Abhängigkeit von der vorab beschriebenen Art der Frühaufklärung und
dem damit variierenden Ausmaß lassen sich unterschiedliche Beeinflussungen der
Frühaufklärung identifizieren. Die Reduktion der Unsicherheit als direkter Einfluss
wirkt moderierend auf die Innovationsfähigkeit und stärkt oder schwächt bereits
vorhandene Innovationsideen und damit den Veränderungsprozess. Die Widersacherfunktion hat ausschließlich die Beeinflussung der Exploration zum Ziel, wohingegen die Initiatorfunktion sowohl Exploitation als Exploration fördert. Da nicht
alle Abteilungen gleiche direkte Wirkungen auslösen, ist auch ihr Potenzial zur Beeinflussung der Innovationsfähigkeit insgesamt unterschiedlich. Zusammenfassend
kann aber immer nur das Potenzial zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit beurteilt werden. Der tatsächliche Einfluss hängt von vielen anderen Einflussfaktoren
ab, die eine abschließende Betrachtung erschweren. Diese Faktoren führen auch
letztlich dazu, dass im Ergebnis hauptsächlich Exploitation gefördert wird und daher inkrementelle Innovationen entstehen.
Auf Basis der Falluntersuchung werden schließlich Hypothesen für das Wirkungsgefüge der strategischen Frühaufklärung in Hinblick auf die Innovationsfähigkeit
abgeleitet, die die Grundlage für eine quantitative empirische Untersuchung sein
könnten. Diese Hypothesen fassen nochmals die Wirkungszusammenhänge zusammen und decken die Einflussfaktoren und die Art der Einflussnahme ab. Die Hypothesen sind zusammenfassend in Tab. 8-1 dargestellt.
321
Schlussbetrachtung
Nummer
Hypothese
1
Strategische Frühaufklärung beeinflusst Exploitation und Exploration positiv.
2
Bei vorhandenen Innovationsideen wirkt strategische Frühaufklärung als
Moderator.
3
Je kleiner das Ausmaß der strategischen Frühaufklärung, desto mehr Exploitation wird gefördert.
4
Die Top-Management-Unterstützung wirkt sich positiv auf die Umsetzung
der strategischen Frühaufklärung aus.
5
Bei nicht vorhandener Risikofreude (a) verstärkt sich der positive Einfluss
der strategischen Frühaufklärung auf Exploitation und (b) verringert sich
der positive Einfluss auf Exploration.
6
Ein Mangel an Entscheidungsfreude verringert den positiven Einfluss der
strategischen Frühaufklärung sowohl (a) auf Exploitation als auch (b) auf
Exploration.
7
Bei starkem Beharrungsvermögen (a) verstärkt sich der positive Einfluss der
strategischen Frühaufklärung auf die Exploitation und (b) verringert sich der
Einfluss auf Exploration.
8
Die Dominanz des Tagesgeschäftes hindert die Durchführung einer strategischen Frühaufklärung.
9
Die organisatorische Anbindung der strategischen Frühaufklärung in Form
einer eigenen Innovationsabteilung oder –manager steigert die positive Wirkung auf Exploitation und Exploration.
10
Ein Mangel an Ressourcen verringert die Durchführung der strategischen
Frühaufklärung.
11
Ein Mangel an Ressourcen verringert den positiven Effekt der strategischen
Frühaufklärung auf die Exploitation und die Exploration.
12
Lange Entscheidungsprozesse verringern die positive Wirkung der strategischen Frühaufklärung auf die Exploitation und Exploration.
Tab. 8-1: Die generierten Hypothesen (Quelle: Eigene Darstellung)
Die zentralen Ergebnisse stehen im engen Zusammenhang mit dem Mehrwert der
Arbeit. Dieser lässt sich anhand der Neuartigkeit und Bedeutung der Ergebnisse
ableiten. Zum besseren Verständnis dieser Zusammenhänge sind Ergebnisse und
Mehrwert in folgender Tabelle abschließend veranschaulicht.
322
Schlussbetrachtung
Ergebnis
Mehrwert/Nutzen
Innovationsfähigkeit
Integration der Ergebnisse
RBV und der Studien zu den
Einflussfaktoren zur Innovationsfähigkeit
Beide Ansätze stehen in der Wissenschaftstheorie
nicht mehr nebeneinander, sondern Gemeinsamkeiten
können als Ausgangsbasis zur weiteren Betrachtung
genutzt werden.
Hervorheben der Bedeutung
der Unternehmenskultur
Innovationsfähigkeit sollte nicht ohne Einschätzung
der Unternehmenskultur betrachtet werden.
Strategische Frühaufklärung
Ergänzung des Analyserahmens
Strategische Frühaufklärung kann sowohl in der Theorie als auch in der Praxis ganzheitlich betrachtet werden, ohne zentrale Elemente zu vernachlässigen.
Spezifizierung der Durchführung der strategischen Frühaufklärung mit Praktiken in
Abteilungen, Aufgabenteilung
und Typen
Implementierung der Frühaufklärung im Unternehmen
weiter verdeutlicht. Neue Ansätze zur Beurteilung der
Unternehmenspraxis daraus erkennbar.
Mangelnde Abstimmung kontextueller Faktoren und Ausmaß der Frühaufklärung
Dadurch tiefere Einblicke in die eigentliche Implementierung im Unternehmen möglich. Zwar wurde Abstimmung beider Faktoren als Empfehlung gegeben,
aber wird in Praxis nicht berücksichtigt.
Wirkung der strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit
Direkte Wirkung
Nicht nur die allgemeine Wirkung auf die Innovationsfähigkeit erklärt, sondern auch die Art und Weise hervorgehoben. Damit lässt sich die Einflussnahme besser
einordnen und gestalten.
Einflussnahme auf Exploitation Erstmalige Klärung des Zusammenhanges, was strateund Exploration
gische Frühaufklärung als Instrument zur Verbesserung identifiziert. Das gesamte Wirkungsgefüge veranschaulicht hierbei Erfolgsfaktoren. Ableitung von 12
Hypothesen, die Wirkungsbeziehungen verdeutlichen.
Typen der Frühaufklärung lassen auf Umsetzungspotenzial
und tatsächliche Umsetzung
schließen
Aus der Organisation anhand der Typen lässt sich direkt die potenzielle Einflussnahme auf Innovationsfähigkeit ableiten. Unternehmen können Organisationstyp ändern und damit verbesserte Wirkung erzielen.
Tab. 8-2: Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse und des Mehrwertes
der Untersuchung (Quelle: Eigene Darstellung)
323
Schlussbetrachtung
8.2 Implikationen für die Forschung
Die vorliegende Untersuchung leistet einen signifikanten Beitrag in verschiedenen
Forschungsfeldern mit Bezug zur Innovationsfähigkeit und strategischen Frühaufklärung und bietet Grundlagen für weitere Implikationen in der Forschung.
Zunächst liefert diese Arbeit wichtige Hinweise zum Konstrukt der Innovationsfähigkeit. Die Innovationsfähigkeit wurde erstmalig in einer umfassenden Literaturanalyse untersucht und der bisherige Stand der Literatur kritisch diskutiert. Mit Hilfe der Integration des Innovations- und Ressourcenbegriffs wurden darauf aufbauend die zwei zentralen Mechanismen Exploitation und Exploration modelliert. Diese helfen die ‚Black Box’ der Innovationsprozesse und der Kompetenzanpassungen
zu verstehen und direkt einen Zusammenhang zu dem Innovationsergebnis mit inkrementellen und radikalen Innovationen herzustellen. Damit bietet das Modell eine
zuverlässige Grundlage für weitere Untersuchungen zur Innovationsfähigkeit. Es
bietet einen einheitlichen Rahmen für kommende Arbeiten und ermöglicht zudem
die Integration von Untersuchungen, die einzelne Kompetenzarten innerhalb dieser
Metafähigkeit untersuchen.
Die aus der fallübergreifenden Analyse stammenden Hypothesen verbessern das
Verständnis zur Eignung der strategischen Frühaufklärung zur Verbesserung und
zur Beeinflussung der Innovationsfähigkeit. Demnach kann zukünftige Forschung
weitere Gestaltungshinweise für eine strategische Frühaufklärung untersuchen und
andere Instrumente auf deren Einflussnahme hin untersuchen. Weiterhin unterstreichen die Ergebnisse die allgemeinen Aussagen zur Ambidextrie und deren Bedeutung für die Überlebensfähigkeit eines Unternehmens. In diesem Zusammenhang
profitieren auch die Forschungsfelder zum Veränderungsmanagement und langfristigen Erfolg von Unternehmen von dieser Arbeit.
Insgesamt wird in der Untersuchung die Bedeutung der Unternehmenskultur in
Hinblick auf strategische Frühaufklärung und auf die Innovationsfähigkeit deutlich.
Die Unternehmenskultur gehört zu den wichtigsten Rahmenbedingungen für Innovationen und Veränderungsprozessen in Zeiten von disruptiven Entwicklungen und
bedarf einer weiteren Untersuchung. Vor allem die Frage, wie die Unternehmenskultur langfristig verändert werden kann, um überlebensfähig zu bleiben, drängt
sich auf.
Die Hypothesen unterstützen zudem den Nutzen der strategischen Frühaufklärung.
Zugleich sollten aber immer noch Controlling- und Finanzierungsinstrumente entwickelt werden, die eine Kontrolle über verschiedene Aktivitäten leisten. Die verschiedenen Orte und Aktivitäten der strategischen Frühaufklärung offenbaren zudem, dass strategische Frühaufklärung nicht immer als ein neues Konstrukt anzusehen ist, sondern schon lange in einzelnen Bereichen des Unternehmens zum Alltag
324
Schlussbetrachtung
gehört. Nur großangelegte Projekte und teilweise die Zusammenführung von Informationen in den Innovationsabteilungen zur frühzeitigen Identifikation von schwachen Signalen sind neu.
Zusammenfassend können das Forschungsmodell und die aufgestellten Hypothesen
als Ausgangspunkt für großangelegte quantitative empirische Untersuchungen angesehen werden, um diese Annahmen zu validieren.
8.3 Implikationen für die Praxis
Die Betrachtung der strategischen Frühaufklärung im Zusammenhang zur Innovationsfähigkeit lässt die Ableitung weiterer Implikationen für die Praxis zu.
Als eine erste wichtige Erkenntnis für Unternehmen stellt sich heraus, dass es nicht
ausreichend ist, Systeme zur Wahrnehmung von schwachen Signalen einzuführen,
sondern dass das Unternehmen bereit sein muss, Erkenntnisse nutzen zu wollen. In
diesem Zusammenhang haben sich vor allem die Entscheidungsprozesse und die
Unternehmenskultur als hinderlich erwiesen, demnach Faktoren, die das Unternehmen selbst betreffen. In Unternehmen werden zwar einerseits Systeme eingeführt,
um frühzeitig Veränderungen aufzuspüren, anderseits verpassen sie es aber auf diese Veränderungen, aufgrund zu langer Entscheidungsprozesse und der Abneigung
gegenüber wirklich Neuem, zu reagieren. Um dem zu entgehen, werden bereits erste Hinweise für die Verbesserung dieser Situation gegeben und Maßnahmen vorgeschlagen, die sowohl kurzfristig als auch langfristig dem entgegenwirken und demnach die Wirkung der Frühaufklärung verbessern.
Darüber hinaus zeigt sich, dass Kontextfaktoren bei der Gestaltung der Frühaufklärung mangelhafte Berücksichtigung finden. Der Umfang der Frühaufklärung sollte
nach den Erfordernissen des Unternehmens und der Branche gewählt werden. Ressourcen, Strategien und die Brancheneigenschaften wirken sich auf den Umfang
aus, werden aber in der Realität oft nicht gelebt. Systeme müssen so konzipiert
werden, dass sie auch den Erfordernissen des Unternehmens Rechnung tragen. Insgesamt müssen daher ganzheitliche Systeme geschaffen werden. Dies zeigt sich
auch bei der Wirkung der strategischen Frühaufklärung, die eine enge Zusammenarbeit verschiedener Abteilungen benötigt. Da einzelne Bereiche teilweise nicht
ausreichend miteinander kommunizieren oder doppelt Arbeit ausführen, kann sich
die Wirkung der Frühaufklärung nicht vollends entfalten. Da das Zukunftsbild nicht
unternehmensweit kommuniziert wird, wird das Potenzial der Mitarbeiter nicht genutzt.
Für die Konzeption der strategischen Frühaufklärung muss zudem beachtet werden,
dass unterschiedliche Maßnahmen und Aktivitäten notwendig sind, um die Innova325
Schlussbetrachtung
tionsfähigkeit ganzheitlich zu beeinflussen. Um die vollständige Wirkung zu entfalten, müssen demnach verschiedene Ansätze genutzt werden. Hier zeigt sich wieder,
dass ein Controlling für Frühaufklärungsprojekte essentiell ist, um Kosten und Nutzen abzuwägen. Vor allem gilt dies für großangelegte Szenarioprojekte, die viele
Ressourcen verschlingen.
8.4 Weiterer Forschungsbedarf
Wenngleich die Untersuchung einen enormen Beitrag zur Wirkungsweise der strategischen Frühaufklärung geleistet hat, ergeben sich für die weitere Forschung
Empfehlungen.
Die erste Empfehlung spricht für eine grundsätzliche Ausweitung des Untersuchungssamples. Da in diesem Fall das Sample auf bestimmte Brancheneigenschaften beschränkt wurde, lassen sich die Ergebnisse zunächst nur in diesem Branchenumfeld berücksichtigen. Innovationen sind in den gewählten Branchen hauptsächlich technologiegetrieben, dementsprechend wäre eine Untersuchung in anderen
Bereichen wie Konsumgütern oder Geschäftsmodellinnovationen von Vorteil. Darüber hinaus müssen in diesem Zusammenhang die allgemeinen Wirkungszusammenhänge in einer quantitativen Untersuchung validiert werden. Nur wenn sich die
Ergebnisse bestätigen lassen, kann von einer allgemeinen Gültigkeit ausgegangen
werden.
Zugleich erscheint es sinnvoll, die Untersuchung, neben der Gestaltung der strategischen Frühaufklärung, auch auf das Krisenmanagement auszuweiten. Da strategische Frühaufklärung nicht alle Diskontinuitäten erkennen kann, muss auch die
Konzeption des Krisenmanagements eine kurzfristige Anpassung der Innovationsfähigkeit zulassen. Dementsprechend müssen bestimmte Rahmenbedingungen und
Gestaltungshinweise untersucht werden.
Weiterhin muss in künftigen Arbeiten beachtet werden, dass Frühaufklärung erst
zeitversetzt, also später, wirkt. Um sicherzugehen, dass die beobachteten Wirkungen wirklich der Frühaufklärung zuzuordnen sind, müssen einzelne Projekte intensiv beobachtet werden.
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XXXVII
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XXXVIII
Anhang
Anhang
Anhang A: Interviewleitfaden
Interview-Geber
Unternehmensbereich
(Abteilung)
Art des Interviews
Telefonisch [ ]
Persönlich [ ]
Schriftlich [ ]
Tonaufnahme [ ]
Ort
Interview-Leiter
Art des Protokolls
Datum
Uhrzeit
Frage
Kommentare
Themenkomplex 1: Einführung / Hintergrund des Interviewten
Welche Position und Aufgabe besitzen Sie
im Unternehmen?
Welche Rolle nehmen Sie in der strategischen Frühaufklärung ein?
Aufgabenbereich
Managementebene
Unterscheidung zwischen Kunde der strategischen Frühaufklärung oder Frühaufklärungsteam
Welche Rolle nehmen Sie im Innovati- Aktiv oder passiv
onsmanagement ein?
Themenkomplex 2: Ausmaß der strategischen Frühaufklärung
Gibt es eine strategische Frühaufklärung?
Vorhandensein eines formalen Prozesses
In welcher Form?
Wie ist Ihr Bezug zur strategischen Früh- Siehe Frage Einleitung
aufklärung?
Welche Umweltbereiche werden unter- Makro- vs. Mikroumwelt
sucht?
Wie intensiv werden die Umfeldbereiche Scanning nur in bisherigen oder angrengescannt?
zenden Geschäftsfeldern oder sog. „Weißen
Feldern“
XXXIX
Anhang A: Interviewleitfaden
Frage
Kommentare
Welchen Zeithorizont untersuchen Sie?
Kurz-, mittel- oder langfristiger Zeithorizont
Wie werden die Ergebnisse kommuni- Wie? Dokumente etc?
ziert?
An wen? Personenkreis im Unternehmen
Welche Aktivitäten werden im Rahmen Ausmaß der Durchführung der Prozessphader Frühaufklärung durchgeführt?
sen
• Reine Informationsgenerierung
• Analyse
• Bewertung
• Ableitung von Strategien und
Handlungen
Zu welchem primären Zweck werden z.B. Unsicherheit reduzieren, Zeit gewinTrends genutzt?
nen, Chancen wahrnehmen, Überraschungen verhindern
Wo ist die strategische Frühaufklärung in Gesamtgeschäftsbereichsebene,
Projektder Geschäftseinheit angesiedelt?
ebene
Wie wird die strategische Frühaufklärung z.B. in das Innovationsmanagement
in bestehende Managementsysteme integriert?
Themenkomplex 3: Innovationsfähigkeit
Wie würden Sie Ihre Innovationsfähigkeit
bewerten?
Wie sieht Ihr Innovationsmanagement
aus?
Erfolgreicher Innovator? (z.B. Anzahl der
Innovationen, Neuartigkeit, Patente)
Vorhandensein eines Prozesses, IManagers?
Ziel des Innovationsprozesses (Produktinnovation, Technologie)
Welche Rolle spielen zukunftsorientierte Beispiele zukunftsorientierter InformatioInformationen (Frühaufklärung) im Inno- nen:
vationsmanagement?
• Megatrends
• Entwicklungen in gesellschaftlichen,
politischen Umfeld
Unterscheiden der Rollen
 Impulsgeber
 Strategieinstrument
 kontinuierliche DL
Inwiefern trägt die strategische FrühaufBsp.
klärung dazu bei, neue Ressourcen, Kom• Produktentwicklungsfertigkeiten (Propetenzen und Technologien zu akquirieren
duktdesign etc.), die neu in der Branche
oder aufzubauen?
• Neue Management o. organisationale
Fertigkeit
XL
Anhang A: Interviewleitfaden
Frage
Kommentare
Falls sie nicht dazu beiträgt, wie werden
diese Entscheidungen getroffen?
Hilft die strategische Frühaufklärung inkrementelle und radikale Innovationen
hervorzubringen?
In welchen Phasen/zu welchem Zeitpunkt
des Innovationsprozesses wird Frühaufklärung genutzt?
Wenn Sie an die letzten 2 Innovationsprojekte denken – welche Funktion nahm die
Frühaufklärung je nach Projektzeitpunkt
ein?
Faktoren, die Entscheidung beeinflussen
Verhältnis?
Unterscheidung nach Phase, Ergebnis (Art
der I.)
Vor der Innovation: Auslöser?
Während des Projektes: Wurden SF-Infos
genutzt?
Themenkomplex 5: Einflussfaktoren auf die Wirkung der Strategischen Frühaufklärung
Gibt es Faktoren, die eine Nutzung der Voraussetzungen oder Treiber, damit SF im
strategischen Frühaufklärung im Innovati- Innovationsmanagement genutzt wird
onsmanagement vereinfachen oder ermög(im Sinne von Moderatoren)
lichen?
Bewerten Sie folgende Einflussfaktoren
nach Ihrer Relevanz:
• Bereits bestehende Kompetenzen oder Wissen
• Bereitgestellte Ressourcen (finanzielle, personelle)
• Einstellung gegenüber strategischer
Frühaufklärung
• Vorhandene Erfahrung mit SF
• Unterstützung durch das TopManagement
• Integration in das Innovationsmanagement
Fallen Ihnen weitere Faktoren ein?
Gibt es ebenso Faktoren, die eine Nutzung Barrieren, die Nutzung im Innovationsmaerschweren (vergleiche auch mit oben nagement erschweren
stehenden Einflussfaktoren)?
Woran liegt es, dass strategische Frühaufklärung im Innovationsmanagement nicht
genutzt wird?
XLI
Anhang B: Ergänzung zum Interviewleitfaden: Unternehmenskontext
Anhang B: Ergänzung zum Interviewleitfaden: Unternehmenskontext
Allgemeine Angaben
1 Geschäftsbereich/Abteilung
2 Position im Unternehmen
3 Branche
4 Umsatz des Geschäftsbereichs
[ ]
[ ]
[ ]
> 10 Mio
>100 Mio
> 1 Mrd
5 Mitarbeiter
[ ]
[ ]
[ ]
[ ]
> 5.000
5-25.000
25-50.000
50100.000
6 Größe der F&E Abteilung
[ ]
[ ]
[ ]
7 Größe der Frühaufklärung
[ ]
[ ]
[ ]
>2
>5
>20
Branchenkomplexität
1 Branchenstruktur
Wenige, einfach zu identifizierbare Wettbewerber
2 Marktstruktur
Feste Grenzen und einfache
Segmentierung
3 Anzahl der Technologien
Wenige, reife Technologien
4 Regulierungen (Staat)
Wenige und stabile
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] Viele Wettbewerber
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] Fließende Übergänge
und komplexe Segmentierung
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] Viele konvergierende
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] Viele und oft verändernde
5 Abhängigkeit von globalen Entwicklungen
Gering: hauptsächlich von
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] Hoch: abhängig von
heimischen Entwicklungen
globalen Entwicklungen
XLII
Anhang B: Ergänzung zum Interviewleitfaden: Unternehmenskontext
Branchendynamik
1 Schnelligkeit der Einführung radikaler Produkte/Prozesse
Wenige radikale Änderun- [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7]
gen, nur inkrementeller Wandel
2 Kontinuität des Technologiewandels
Feste Grenzen und einfache [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7]
Segmentierung
3 Kontinuität des Kundenwandels
Stabile Entwicklung der Kun- [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7]
denbedürfnisse
4 Vorhersagbarkeit des Wandels
Gut
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7]
5 Verhalten des Wettbewerbs
Vorhersagbar
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7]
Viele radikale Produkteinführungen
Schnelles Aufkommen neuer Schlüsseltechnologien
Viele neue Kundenbedürfnisse
Schlecht
Überhaupt nicht vorhersagbar
Strategie
1 Quelle des Wettbewerbsvorteils
[ ] Technologieorientierung
[ ] Kundenorientierung
2 Wettbewerbsstrategie
[ ] Differenzierung
[ ] Kostenführer
[ ] Nischenstrategie
3 Innovationsstrategie
[ ] Pionierstrategie
[ ] Früher Folger
[ ] Später Folger
4 Unternehmenskultur
Risikobereitschaft
niedrig
Entscheidungsfreude
niedrig
Offenheit
ggü.
Neuem
niedrig
Verantwortungsbereitschaft
niedrig
[1]
[1]
[1]
[1]
[2]
[2]
[2]
[2]
[3]
[3]
[3]
[3]
XLIII
[4]
[4]
[4]
[4]
[5]
[5]
[5]
[5]
[6]
[6]
[6]
[6]
[7]
[7]
[7]
[7]
Hoch
Hoch
Hoch
Hoch
Die Innovationsfähigkeit von Unternehmen stellt einen zentralen
Erfolgsfaktor dar, die vor allem durch das frühzeitige Aufspüren
und Nutzen von Innovationspotential geprägt ist. Nichtsdestotrotz
erschweren zunehmende Komplexität und Dynamik des Unternehmensumfeldes ein rechtzeitiges Agieren. Bekannte Unternehmensbeispiele wie Nokia und Kodak zeigen, dass Unternehmen häufig
Produktwandel und damit neue Anforderungen an Innovationen
verschlafen. Vor diesem Hintergrund wird die Nutzung einer strategischen Frühaufklärung diskutiert, die frühzeitig Trends und Entwicklungen aus dem Unternehmensumfeld identifiziert und geeignete
Maßnahmen ableitet und damit auch in der Lage ist, die Innovationsfähigkeit von Unternehmen zu verbessern. Trotz der hohen wissenschaftlichen und praktischen Relevanz ist es bisher nicht gelungen,
den Einfluss einer strategischen Frühaufklärung auf die Innovationsfähigkeit wissenschaftlich zu fundieren, um diesen Zusammenhang
abschließend zu bewerten. Diese Forschungslücke wird anhand einer
multiplen Fallstudienuntersuchung in internationalen Unternehmen
geschlossen. Indem alle relevanten Entscheidungsträger im Prozess
befragt werden, wird der Wirkungsmechanismus auf die Innovationsfähigkeit identifiziert und analysiert. Darüber hinaus werden Faktoren identifiziert, die ein Wirken der strategischen Frühaufklärung
ermöglichen und verbessern. Im Ergebnis entsteht ein umfassendes
Bild über das Wirken der Frühaufklärung und dessen Anwendung im
Innovationsmanagement.
eISBN 978-3-86309-251-1
www.uni-bamberg.de/ubp/
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