17. Die Grundgleichung der Mechanik 1 von 14 Die Grundgleichung der Mechanik Xenia Rendtel, Hamburg Foto: Xenia Rendtel I/B Versuchsaufbau T H C I S N A R O V Die Grundgleichung der Mechanik F = m • a ist eine der wichtigsten Formeln der klassischen Mechanik. Besprechen Sie sie ausführlich, damit die Schüler ihre Bedeutung erfassen. Die experimentelle Herleitung dieser Gleichung ist nicht einfach. Mit herkömmlichen Mitteln wie Stoppuhr und Maßband muss man viele Messreihen unter gleichen Bedingungen aufnehmen, um verwertbare Daten zu erhalten. Hierbei schleichen sich erfahrungsgemäß so viele Fehler ein, dass man die erforderlichen Proportionalitäten kaum zeigen kann. Ein computergestütztes Messwerterfassungssystem erleichtert die Arbeit deutlich. Statt einzelner Messpunkte zeichnet das System komplette Kurven auf und unterstützt die Schüler bei der Auswertung. Das Experiment wird so schülertauglich. Die Grundgleichung der Mechanik – mit dem Computer erfasst! Der Beitrag im Überblick Klasse: 10 Inhalt: Dauer: –die Newton’sche Bewegungsgleichung 4–6 Unterrichtsstunden Ihr Plus: –mit Cassy arbeiten üoffene Unterrichtsform –Diagramme erstellen und lesen üSchüler denken sich selbst Aufgaben aus –sich die Theorie herleiten 26 RAAbits Physik Februar 2012 17. Die Grundgleichung der Mechanik 2 von 14 Fachliche und didaktisch-methodische Hinweise Fachlicher Hintergrund I/B Die Grundgleichung (oder Newton’sche Bewegungsgleichung; 2. New der Mechanik ton’sches Axiom) F = m • a wird am Beispiel eines Wagens hergeleitet, der durch die Gewichtskraft eines hängenden Massestückes beschleunigt wird. Abbildung 1 zeigt den Versuchsaufbau. Versuchsaufbau Die Gewichtskraft F des Massestücks m2 beschleunigt das Gesamtsystem, bestehend aus dem Massestück m2 selbst und der Masse m1 des Wagens. Vernachlässigt man die Masse des Fadens und die Reibung der Umlenkrolle, lässt sich die Bewegungsgleichung des Systems durch die folgenden Gleichungen m beschreiben. Dabei ist g = 9,81 2 die s Erdbeschleunigung. F = m2 • g F = (m1 + m2) • m2 ⇒ a= ⋅ m1 + m2 (1) a g (2) T H C Abb. 01 I S N (3) A R O Versuchsdurchführung Die Schüler führen das Experiment mit verschiedenen Werten von m1 und m2 durch und messen die resultierende Beschleunigung. Aus den Ergebnissen sollen sie die Grundgleichung der Mechanik ableiten. V In der Praxis stellt es sich als problematisch heraus, dass die Beschleunigung mit m1 und m2 von zwei Variablen abhängt. Verdoppelt man beispielsweise m2, so verdoppelt sich zwar die Gewichtskraft F , nicht jedoch die Beschleunigung a . Daher ist der rechnerische Zusammenhang für die Schüler nur schwer zu erkennen. Dieses Problem lässt sich durch eine geschickte Durchführung umgehen. 1. In der ersten Versuchsreihe wird der Wagen mit einigen Massestücken beschwert und die Beschleunigung gemessen. Anschließend werden die Massestücke vom Wagen genommen, an den Faden gehängt und es wird wieder die Beschleunigung bestimmt. Durch diese Vorgehensweise bleibt die Gesamtmasse des Systems konstant. Es ergibt sich eine einfache Proportionalität zwischen a und m2. a m2 (m1 + m2 = const.) (4) 2. In der zweiten Versuchsreihe wird die Masse des Wagens mit zusätzlichen Gewichten variiert, während m2 gleich bleibt. Hieraus ergibt sich, dass die Gesamtmasse des Systems antiproportional zur Beschleunigung ist. a 1 m1 + m2 (m2 = const.) (5) Beide Gleichungen zusammen ergeben mit dem Proportionalitätsfaktor g den gewünschten Zusammenhang. 26 RAAbits Physik Februar 2012 17. Die Grundgleichung der Mechanik 3 von 14 Hinweise zur Gestaltung des Unterrichts Voraussetzung für diese Unterrichtseinheit ist, dass die Schüler mit gleichförmig beschleunigten Bewegungen sowie den dazugehörenden Formeln vertraut sind. Die allgemeine Gleichung zur Beschreibung einer beschleunigten Bewegung lautet wie folgt: 1 2 (6) s( t) = a t + v 0 t + s0 2 I/B Der experimentelle Nachweis so einer Bewegungsgleichung ist schwierig. Da es sich um ein Polynom zweiten Grades handelt, müssen mindestens drei Stützstellen gemessen werden. Die Schüler könnten beispielsweise drei verschiedene Markierungen auf der Fahrbahn anbringen und jeweils messen, wie lange der Wagen von der Startposition bis zur Markierung braucht. Das funktioniert nur, wenn das Experiment mehrere Male unter exakt gleichen Bedingungen wiederholt werden kann. Cassy-Lab der Firma Leybold – ein computergestütztes Messwerterfassungssystem Wesentlich einfacher hat man es mit einem computergestützten Messwerterfassungssystem, das mehrere Datenpunkte für einen Lauf liefert und eine wesentlich höhere Genauigkeit als eine von Hand bediente Stoppuhr erreicht. Für die Durchführung werden nur eine einzelne Lichtschranke und eine Sprossenleiter benötigt, die auf dem Wagen befestigt ist. T H C s I S N A R O Sprossenabstand ∆s V Abb. 02: Auslösezeitpunkte der Lichtschranke t s-t-Diagramm Die Sprossen unterbrechen den Lichtstrahl in äquidistanten Abständen und der Computer protokolliert, zu welchen Zeitpunkten dies passiert. Das Ergebnis ist ein s-t-Diagramm der Bewegung (siehe Abbildung 2). Bauen Sie den Versuch zunächst als Lehrerexperiment auf, führen Sie ihn vor und besprechen Sie ihn. Wichtige Zwischenergebnisse an dieser Stelle sind, dass es sich um eine beschleunigte Bewegung handelt und was Ursache der Beschleunigung ist. Anschließend bauen die Schüler in Gruppen das Experiment nach und beginnen mit dem Aufnehmen von Messwerten; hierzu dienen M 1 und M 2. In der anschließenden Sicherungsphase tragen Sie die Daten zusammen und werten sie gemeinsam aus. Zur weiteren Vertiefung dient das Arbeitsblatt M 3, das den dynamischen Aspekt der Kraft an einer Reihe von Beispielen behandelt. Die Schüler können sich auch in Gruppen eigene Aufgaben ausdenken; Ideen dafür liefern die beiden Farbfolien M 4 und M 5. Beide Materialien dienen dazu, dass die Schüler sich selbst noch einmal intensiv mit der Grundgleichung befassen und sie mit ihrem bisherigen physikalischen Wissen verbinden. 26 RAAbits Physik Februar 2012 17. Die Grundgleichung der Mechanik M1 5 von 14 Die Bewegung eines Wagens durch die Gewichtskraft Schülerversuch · Vorbereitung: 10 min Durchführung: 30 min (pro Aufgabe von M 2) Geräte I/B rCassy-System rPC mit Software rSensor-Cassy rTimer-Box rGabellichtschranke rSprossenleiter rSprossenleiter.lab Mechanische Bauteile: rFahrbahn rMesswagen rUmlenkrolle rcirca 3 m Angelsehne rMassestücke rStativmaterial Versuchsaufbau T H C I S N Baue den Versuch wie in der Abbildung auf. Achte dabei darauf, dass die Lichtschranke nur durch die Sprossen ausgelöst wird. A R O Versuchsdurchführung Starte die Datei sprossenleiter.lab. Foto: Xenia Rendtel V Versuchsaufbau 26 RAAbits Physik Februar 2012 17. Die Grundgleichung der Mechanik 6 von 14 M2 So führst du den Schülerversuch schrittweise durch! Hier erhältst du eine schrittweise Anleitung, wie der Versuch aus M 1 durchzuführen ist. I/B Aufgabe 1 1. Lege eine Tabelle wie die folgende in deinem Heft an: Wagenmasse m1 [in kg] Gesamtmasse m = m1 + m2 [in kg] Hängende Masse m2 [in kg] Beschleunigung a m [in 2 ] s Kraft F = m2 ⋅ g kg · m [in N = ] s2 2. Lege einige Gewichte auf den Wagen. Miss die Masse des mit den Gewichten beschwerten Wagens m1 und trage sie in deine Tabelle ein. Hänge ein Gewicht an den Faden und notiere die Masse m2 des Gewichtes. T H C Messung mit CASSY 3. Halte den Wagen fest, starte in Cassy die Messung und lasse den Wagen kurz vor der Lichtschranke los. I S N 4. Bearbeite das 2. Diagramm mit der Bezeichnung „Geschwindigkeit“ in Cassy, indem du mit dem Mauszeiger in das Diagramm gehst und auf die rechte Maustaste drückst. Dort wählst du den Menüpunkt „Anpassung durchführen“, „Ausgleichsgerade“ aus. A R O Jetzt wähle mit gedrückter linker Maustaste Messwerte aus. Cassy zeigt unten links am Diagramm die Beschleunigung an („A=[...]m/s 2“). Notiere den angezeigten Wert in deiner Tabelle. V 5. Variiere nun die Massen, indem du Gewichte vom Wagen nimmst und mit an die Angelsehne hängst. Die Gesamtmasse darf sich dabei nicht verändern! Wiederhole die Messung und notiere für jeden Durchgang die jeweiligen Massen und die Beschleunigung in der Tabelle. 6. Erstelle in deinem Heft ein Diagramm, in dem du die Kraft gegen die Beschleunigung aufträgst. Was stellst du fest? Aufgabe 2 Lege eine zweite Tabelle mit denselben Spalten wie zuvor an. 1. Nimm alle Gewichte vom Wagen und hänge ein Gewicht an das Seil. Dieses Gewicht darf nicht mehr verändert werden. 2. Führe das Experiment wie unter 1. durch, variiere dabei aber nur die Masse des Wagens, indem du zusätzliche Gewichte auf den Wagen legst. 3. Trage in einem Diagramm die Gesamtmasse gegen den Kehrwert der Beschleunigung auf. Was stellst du fest? 26 RAAbits Physik Februar 2012 17. Die Grundgleichung der Mechanik M3 7 von 14 Die Grundgleichung der Mechanik – vermischte Aufgaben Aufgaben 1. Beim Kirschkernweitspucken katapultiert Jan den Kirschkern mit der Kraft 2,7 • 10 –3 N aus dem Mund. Der Kirschkern erfährt dabei eine Beschleunigung von 1,8 m/s2. Berechne die Masse des Kerns. I/B 2. Ein Auto der Masse 900 kg erfährt eine Beschleunigung a = 4,5 m/s2. Bestimme die Kraft, die von den Rädern auf das Auto übertragen wird. 3. Ein Auto der Masse 1000 kg wird in 8,2 s aus dem Stand auf 100 km/h beschleunigt. Berechne die erforderliche Kraft des Motors. 4. Ein Fahrzeug der Masse m wird durch die Kraft F beschleunigt. Erläutere, wie sich die Beschleunigung verändert, a) wenn bei gleichbleibender Masse die Kraft vervierfacht wird. b) wenn bei halber Masse die Kraft vervierfacht wird. T H C Erläutere, wie man die Kraft verändern muss, c) wenn das Fahrzeug bei achtfacher Masse nur halb so stark beschleunigt werden soll. d) wenn das Fahrzeug die gleiche Beschleunigung erhalten soll, seine Masse jedoch nur ein Viertel der Ausgangsmasse beträgt. I S N 5. Es ist das folgende Kraft-Beschleunigungs-Diagramm gegeben. F [in N] A R O V m a in 2 s a) Erläutere die Bedeutung der Steigungen der drei Geraden. b) Ermittle die Masse, mit der die Versuche jeweils durchgeführt wurden. 6. Eine U-Bahn, bestehend aus einem Triebwagen mit einer Masse von 17,0 t und vier angehängten Wagen mit je 14,0 t, verlässt den Haltestellenbereich gleichmäßig beschleunigt. a) Die Antriebskraft beträgt 70 kN. Berechne den Zeitpunkt, zu dem die Geschwindigkeit 50 km/h beträgt. b) Bestimme die notwendige Bremskraft, wenn die U-Bahn auf einer Strecke von 40 m zum Stehen kommen soll. 26 RAAbits Physik Februar 2012 17. Die Grundgleichung der Mechanik 8 von 14 M4 Beschleunigung braucht Kraft – finde selbst Aufgaben! Denke dir zu jeder Abbildung eine Aufgabe aus, in der die Grundgleichung der Mechanik vorkommt. 1 U 2 U 3 U 4 U T H C I S N A R O V 5 U 6 U Fotos: Wikimedia I/B 26 RAAbits Physik Februar 2012 17. Die Grundgleichung der Mechanik M5 9 von 14 Beschleunigung braucht Kraft – finde selbst Aufgaben! Denke dir zu jeder Abbildung eine Aufgabe aus, in der die Grundgleichung der Mechanik vorkommt. G U H U I U J U I/B T H C I S N A R O V L U Fotos: Wikimedia K U 26 RAAbits Physik Februar 2012 17. Die Grundgleichung der Mechanik 10 von 14 Die Sprossenleiter zum Cassy-Lab – eine Bastelvorlage I/B T H C I S N A R O M 6 V 26 RAAbits Physik Februar 2012 17. Die Grundgleichung der Mechanik 11 von 14 Erläuterungen und Lösungen M 1 Die Bewegung eines Wagens durch die Gewichtskraft Haben Sie für Cassy keine Sprossenleiter, so können Sie sich diese mit der vorgegebenen Schablone (M 6) selbst zusammenbauen. Dazu kopieren Sie einfach die Vorlage auf dickes Papier und schneiden sie aus. Sie falten und kleben sie, wie in der Falzanleitung gezeigt, zusammen. Dann kleben Sie noch eine Wäscheklammer auf die Rückseite, um die Leiter am Wagen befestigen zu können. I/B Falzanleitung T H C I S N A R O Befestigung am Wagen Foto: Xenia Rendtel V Die Wagen und Fahrbahnen sollten Sie vorab gut putzen und ölen, damit wenig Reibung auftritt. Ansonsten weisen die Messwerte zu starke Abweichungen auf. 26 RAAbits Physik Februar 2012 17. Die Grundgleichung der Mechanik 14 von 14 M 3 Die Grundgleichung der Mechanik – vermischte Aufgaben F 2, 7 ⋅ 10−3 kg m = 1,5 · 10−3 kg = 1,5 g = m 2 a 1,8 2 s s m 2 2. m = 900 kg und a = 4,5 m/s ⇒ F = m ⋅ a = 900 kg ⋅ 4,5 2 = 4050 N s 1. F = 2,7 · 10 –3 N und a = 1,8 m/s2 ⇒ m = I/B 3. m = 1000 kg , t = 8,2 s und v = 100 km/h = 100 ⋅ v = at ⇒ a = 1000 m = 27, 78 m/s 60 ⋅ 60 s m ⋅ v 1000 kg ⋅ 27, 78 m / s v = ⇒F = = 3387,53 N t t 8,2 s 4. Es gilt allgemein: F = m ⋅ a. a) a vervierfacht sich, da bei gleichbleibender Masse die Beschleunigung zur Kraft proportional ist. F 4 F1 F 1 b) m2 = m1 und F2 = 4 F1 ⇒ a2 = 2 = = 8 1 = 8 a1 1 m2 m1 2 m1 2 T H C c) m3 = 8 m1 und a3 = 0,5 a1 ⇒ F3 = m3 ⋅ a3 = 8 m1 ⋅ 0,5 a1 = 4 ⋅ m1 ⋅ a1 = 4 F1 d) a4 = a1 und m4 = I S N 1 1 1 1 m1 ⇒ F4 = a4 ⋅ m4 = a1 ⋅ m1 = a1 ⋅ m1 = F1 4 4 4 4 5. a) Die Steigung der Geraden entspricht der jeweiligen Gesamtmasse des Systems. Je steiler eine Gerade ist, desto größer ist die Masse. A R O b) Da es sich um Geraden handelt, kann man mithilfe eines Wertepaares über m = F / a die Gesamtmasse des Systems bestimmen. V i) m1 = F1 20 N = = 3, 3 kg a1 6 m/s2 ii) m2 = F2 40 N = = 8 kg a2 5 m/s2 6. m = 17 t + 4 · 14 t = 73 t = 73 · 103 kg und v = 50 km/h = iii) m3 = 50 m = 13,8 m/s 3,6 s a) F = 70 kN = 70 000 N . Es gilt für eine beschleunigte Bewegung: v = a· t ⇔ t = b) s = v ⋅ m 13,8 m / s ⋅ 73 ⋅ 103 kg v v = = = 14, 48 s = a F /m F 70 ⋅ 103 kg m / s2 1 2 at + v 0 t und v = at + v 0 2 Wenn die Bahn steht, ist v = 0 ⇒ s= m m ⇒ 0 = a ⋅ t + v0 ⇒ s s 2 v 1 v0 1 v 20 v 20 1 v 20 1 v 20 ⇒ a= − a − + v 0 − 0 = =− − a 2 a 2 a a 2 a 2 s ⇒ F=− 1 m v 20 1 73 ⋅ 103 kg ⋅ (13,8 m / s)2 =− ⋅ ≈ −176 kN 2 s 2 40 m 26 RAAbits Physik Februar 2012 F3 30 N = = 15 kg a3 2 m/s2 t=− v0 a