Deflationsbekämpfung: Mario Draghis Medizin

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Wirtschaft aktuell im Unterricht vom 07.03.2016
Deflationsbekämpfung: Mario Draghis Medizin
1. Kompetenzen
Die Schülerinnen und Schüler sollen ...
1. sich die Stellung und Aufgaben der Europäischen Zentralbank (EZB)
erschließen.
2. die derzeit von ihr zu bewältigenden Herausforderungen sowie die zur
Verfügung stehenden Instrumente analysieren.
3. exemplarisch die Interdependenz der Handlungen der Akteure im
Wirtschaftsgeschehen erläutern.
2. Aufgaben
1.
Beschreiben Sie die Stellung und zentralen Aufgaben der Europäischen Zentralbank (EZB).
2.
Erklären Sie, was generell unter einer Inflation bzw. Deflation verstanden
wird. Erläutern Sie die volkswirtschaftliche Notwendigkeit ihrer Kontrolle.
3.
Erschließen Sie sich die derzeit konkret von der EZB zu bewältigenden Herausforderungen.
4.
Arbeiten Sie die hierzu im Wesentlichen zur Verfügung stehenden Instrumente
heraus. Analysieren Sie diese (ggf. arbeitsteilig) und arbeiten Sie ihre jeweiligen Ansatzpunkte, Potenziale und Grenzen heraus.
5.
Erörtern Sie anhand des vorliegenden Beispiels, was unter der Interdependenz der Handlungen der Akteure im Wirtschaftsgeschehen verstanden wird.
Überprüfen Sie hierzu u. a., wie sich ein Erfolg bzw. Misserfolg der EZB in
der derzeitigen Situation für deutsche Unternehmen und Private Haushalte
auswirken könnte.
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Wirtschaft aktuell im Unterricht vom 07.03.2016
Deflationsbekämpfung: Mario Draghis Medizin
Der EZB-Chef steht vor der Ratssitzung am Donnerstag unter Druck. Was kann die
Notenbank noch tun, um für mehr Inflation zu sorgen?
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Für die Märkte ist die Sache klar: Dieses Mal muss Mario Draghi liefern. Schließlich
hat der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) schon im Dezember die
Erwartungen der Investoren enttäuscht, die auf eine deutlichere Lockerung der
Geldpolitik gesetzt hatten. "Wir können uns keine weitere Enttäuschung leisten", sagt
Janet Henry, Chefvolkswirtin der britischen Großbank HSBC und Mitglied des
Expertengremiums EZB-Schattenrat. Allerdings wachsen die Zweifel, ob die Mittel
der Notenbank noch viel bewirken können. "Weitere Zinssenkungen oder
Ausweitungen der Zentralbankbilanz beeinflussen zwar die Vermögenspreise", sagt
Willem Buiter, Chefvolkswirt der Citigroup. Dies schlage sich wegen der exzessiven
Verschuldung des öffentlichen und privaten Sektors aber kaum in der Realwirtschaft
nieder. Und der Deutschlandchef des Großinvestors Pimco, Andrew Bosomworth,
warnt: Der Nutzen der geldpolitischen Instrumente nimmt ab. Auch viele Banken
klagen ,dass die Niedrigzinsen ihre Erträge belasten.
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Seit einem Jahr kauft die EZB massiv Wertpapiere auf. Doch noch immer krankt die
Euro-Zone an einer zu niedrigen Inflation. Was viele Bürger freut, ist für die
Notenbank ein Problem. Denn es droht eine Abwärtsspirale aus sinkenden Preisen und
wirtschaftlichem Niedergang. Im Februar fielen die Preise im Euro-Raum im
Jahresvergleich um 0,2 Prozent. So stark abwärts ging es seit einem Jahr nicht mehr.
Das liegt vor allem am Ölpreisverfall und den Problemen in China und anderen
Schwellenländern. Die neuen Inflationsprognosen, die die EZB auf ihrer Ratssitzung
am Donnerstag vorlegt, dürften deshalb deutlich unter dem Niveau im Dezember
liegen. Damit rechnen auch die Mitglieder des vom Handelsblatt initiierten EZBSchattenrats (siehe Grafik). Damit rückt das EZB-Ziel einer Preissteigerung von
mittelfristig knapp zwei Prozent pro Jahr in immer größere Ferne. Eine weitere
geldpolitische Lockerung gilt daher als wahrscheinlich. Fünf Pillen hat die Notenbank
noch im Medizinschrank:
1. Den Einlagezinssatz senken
Schon jetzt liegt der Einlagezins im Euro-Raum bei minus 0,3 Prozent. Das heißt:
Banken, die über Nacht Geld bei der EZB parken, zahlen dafür eine Strafe. Damit will
die Notenbank die Geldhäuser dazu animieren, mehr Kredite zu vergeben, statt
überschüssige Liquidität bei ihr zu horten. Je höher die Strafe, desto stärker der
Anreiz, so das Kalkül. Die Märkte gehen davon aus, dass die EZB den Einlagesatz auf
minus 0,4 bis minus 0,5 Prozent senkt. Allerdings würde dies den labilen
Bankensektor belasten. Denkbar wäre auch eine Staffelung des Einlagezinses, ähnlich
wie in der Schweiz. Dort greift der Strafzins erst, wenn die bei der Notenbank
geparkte Liquidität einer Bank eine Obergrenze überschreitet. Vorher gilt ein
Freibetrag mit geringerem Zinssatz. Die Staffelung des Einlagezinses würde die
Banken schonen. Sie hätten aber auch weniger Anreiz zur Kreditvergabe. Am
stärksten würde sich die Medizin auf den Euro auswirken: Dessen Kurs dürfte weiter
nachgeben. Dazu reicht es, dass ein Teil der überschüssigen Liquidität der Banken mit
einem Strafzins belastet wird. Dass sich die Notenbanker darauf einigen, den
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Einlagezins zu senken, gilt als wahrscheinlich. Die Lösung ist am wenigsten
umstritten. Für die Bundesbank etwa, die eine weitere Lockerung der Geldpolitik
skeptisch sieht, wäre diese Pille leichter zu schlucken als andere Maßnahmen.
2. Die Dosis der Anleihekäufe erhöhen
Derzeit kauft die EZB jeden Monat Wertpapiere für 60 Milliarden Euro, darunter
hauptsächlich Staatsanleihen der Euro-Länder. Dieses Volumen könnte sie zum
Beispiel auf 80 Milliarden Euro ausweiten. Doch viele Ratmitglieder sehen den Schritt
kritisch, er gilt deshalb noch längst nicht als ausgemacht. Zudem könnte die EZB
dabei an Grenzen stoßen: Ihren selbst auferlegten Regeln zufolge darf sie keine Bonds
kaufen, deren Zinsen unter dem Einlagesatz liegen (derzeit minus 0,3 Prozent). Und
sie darf auch nicht mehr als 33 Prozent der ausstehenden Anleiheschulden eines
Landes erwerben. Durch eine Ausweitung der Käufe würden diese Limits schneller
erreicht. Bei deutschen Bundesanleihen könnte die Grenze beispielsweise noch vor
dem geplanten Ende der Anleihekäufe im März 2017 geknackt werden. Deshalb wäre
es möglich, dass die EZB das Kaufvolumen zunächst nur vorübergehend aufstockt,
etwa für die nächsten sechs Monate. Das wäre im Rat wohl leichter durchzusetzen,
außerdem würden die Bonds nicht so schnell knapp.
3. Mehr Flexibilität bei Bondkäufen wagen
Um Knappheit zu verhindern, könnte die EZB außerdem die Auswahl der von ihr
gekauften Anleihen erhöhen. Im Dezember hat sie das Sortiment bereits um Anleihen
von Regionen und Kommunen im Euro-Raum erweitert. Möglich wäre nun, dass sie
auch Unternehmensanleihen kauft. Ein noch weitergehender Schritt wäre, dass sie die
Anleihekäufe nicht mehr nach ihrem Kapitalschlüssel ausrichtet. Aktuell kauft sie am
meisten Bundesanleihen, weil Deutschland den größten Anteil am EZB-Kapital hat.
Da die Zinsen hier aber schon sehr niedrig sind, gibt es weniger Spielraum nach unten
als in Ländern mit höheren Anleihezinsen wie etwa Italien. Ein solcher Schritt gilt
politisch allerdings schwer durchzusetzen und wäre rechtlich heikel.
4. Mehr Zeit zur Wirkung lassen
Als die EZB ihr Anleihekaufprogramm im März 2015 startete, hätte es bis September
dieses Jahres laufen sollen. Im Dezember haben die Notenbanker das Programm bis
März 2017 verlängert. Nun ist eine weitere Verlängerung möglich. Allerdings: "Eine
Ausweitung über März 2017 hinaus macht wenig Sinn, da dieser Zeitpunkt noch weit
entfernt liegt", schreibt Commerzbank-Analyst Michael Schubert in einer Analyse.
Zudem habe die Verlängerung im Dezember kaum einen Effekt gehabt.
5. Banken mit billigen Krediten päppeln
Die EZB könnte außerdem ihr Programm ausweiten, mit dem sie Banken zu sehr
günstigen Konditionen langfristig Geld leiht, wenn sie mehr Kredite vergeben. Sie
könnte den Banken etwa die Möglichkeit bieten, sich bei ihr Geld für drei oder vier
Jahre zum aktuellen Leitzins von 0,05 Prozent zu leihen. Der Effekt wäre aber
begrenzt. Viele Banken brauchen gar nicht mehr Liquidität. Dies würde also nur
einigen angeschlagenen Instituten helfen.
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Quelle: Mallien, J./Cermak, C., Handelsblatt, Nr. 046, 07.03.2016, 30
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