Wintersemester 2006/07 Physiologie ist als medizinisches Grundlagenfach in zahlreichen medizinischen Lehrbüchern umfassend dargestellt. Daher werden zu meinen Vorlesungteilen keine umfangreiche Skripte oder Foliensammlungen zur Verfügung gestellt. Außerdem sind Abbildungen aus Lehrbüchern durch das Copyright der Verlage geschützt und dürfen nicht verbreitet werden. Lernen und Gedächtnis — Kurze Zusammenfassung — Dies ist nur ein kurzer Abriss und Stichworte zu dem Thema Lernen und Gedächtnis. Ausführlich Darstellungen finden sich in (manchen) Lehrbüchern der Physiologie und in der psychologischen Literatur 1 Was ist Lernen? • Erfahrungsabhängige Veränderungen neuronaler Prozesse • Verhaltensänderungen • Bleibt über unterschiedliche Zeitdauer bestehen(zwischen Sekunden und Jahren); daraus resultiert die Unterscheidung von Ultrakurzzeit-, Kurzzeitund Langzeitgedächtnis • Nicht direkt beobachtbar, sondern muss aus Veränderungen des beobachtbaren Verhaltens bzw. der neuronalen Aktivität erschlossen werden 2 Entwicklung & Neuronale Plastizität Die Entwicklung des Nervensystems während der ersten Lebensmonate und –jahre kann auch als Lernprozess aufgefasst werden. Durch Erfahrung und Umweltreize bilden sich neue Synapsen aus bzw. werden synaptische Kontakte stabilisiert und effizienter. Der Begriff Neuronale Plastizität bezieht sich auf alle Veränderungen im Nervensystem, die eine physiologische und/oder neuroanatomische Basis haben. Beispiel: Im Embryonalstadium gibt es eine Überproduktion von Neuronen und Synapsen. Im Vorderhorn des Rückenmarks 5000-6000 Neurone bei einer Kaulquappe, später 1200 Neurone beim erwachsenen Krallenfrosch. c °W. Skrandies Vorlesung Physiologie Seite 1 Wintersemester 2006/07 2.1 Selektive Stabilisation von Synapsen • labiler, stabiler, regressiver Zustand • Vermehrung der Synapsen, Größenzunahme von Dendriten und dendritischen Dornen, Zunahme von Gliazellen und Kapillaren Die Reizung bewirkt Wachsen von Dendriten & Synapsenbildung 2.2 2.2.1 Klassisches und Operantes Konditionieren Klassische Konditionierung • Begründer: Iwan Pawlow • ein bestimmter Stimulus löst eine bestimmte Reaktion aus • Reflexe • Motorische Prozesse • Nahrungsmittelaversionen, Drogenabhängigkeit, Sucht 2.2.2 Operante Konditionierung • Begründer: Edward Thorndike; bekannt durch B. F. Skinner • Verhalten, welches zu gewollter Konsequenz führt, wird wiederholt, andere Verhalten werden unterlassen • Verhalten, Verhaltensänderungen • Pathologische Entwicklung (Phobien, Neurosen, etc.) 2.2.3 Das Grundprinzip des Klassischen Konditionierens Das Grundprinzip des Klassischen Konditionierens von ist das Paaren von Reizen. Gemeinsam auftretende Reize führen dazu, dass zunächst neutrale Reize eine Reaktion auslösen. Dabei handelt es sich um unbewusste, kaum kontrollierbare Reaktionen • Stimuli, die zuverlässig bestimmte Reaktionen auslösen = US (unconditioned stimulus) • Reaktion auf US = UR (unconditioned reaction) c °W. Skrandies Vorlesung Physiologie Seite 2 Wintersemester 2006/07 • CS (conditioned stimulus) = jeder Reiz, der ursprünglich keine Reaktion auslöst • Reaktion auf CS = CR 3 Lokalisation von Lern- und Gedächtnisprozessen • Motorisches Lernen: Neurone in Cerebellum und Basalganglien • Deklaratives Gedächtnis im Medialen Temporallappen (Speicherung, Fallbeispiel H.M.) • Läsion des Hippocampus führt zu anterograder Amnesie (neue Information kann nicht gespeichert werden). 4 Gedächtnisstörungen (Klinische Beispiele) • Korsakoff-Syndrom (1880): anterograde und retrograde Anmesie; Konfabulation. B1-Mangel (Thiamin) schädigt diencephale und limbische Strukturen (Hippocampus, Mammiliarkörper (Verbindungen zu Hippocampus), dorsomedialer Thalamus) • H.M. (1953): beide mediale Temporallappen entfernt. WEeil dabei der Hippocampus betroffen ist, führt dies zu Anterograder Amnesie (Speichern neuer Information) [IQ=118] • Alzheimer und andere degenerative Erkrankungen 5 Neuronale Grundlagen • Änderung von EEG und Arousal in Formatio reticularis • Kreisende Erregung (Kurzzeit: Minuten bis Stunden); dies kann durch Elektroschocks unterbrochen werden • Posttetanische Potentierung (überdauert Minuten bis Stunden). LTP = „Long term potentiation“ (Änderung der synaptischen Übertragung) – Viele Neurone des Hippocampus sind potentierbar c °W. Skrandies Vorlesung Physiologie Seite 3 Wintersemester 2006/07 – Mechanismen der Posttetanischen Potentierung: ∗ Eine größere Hyperpolarisation führt zu einer größeren Amplitude des AP ∗ Ein erhöhter Ca++ -Einstrom führt zu mehr Transmitterfreisetzung ∗ Die wiederholte Aktivierung ist gefolgt von vermehrter Bereitstellung von Transmitter • Strukturelle Änderungen von Synapsen durch Proteinsynthese (Beweis: Die Hemmung der Proteinsynthese hemmt die Speicherung neuer Information im Langzeitgedächtnis) Rückmeldung, Korrekturen und konstruktive Kritik bitte an: [email protected] c °W. Skrandies Vorlesung Physiologie Seite 4