Medikamentöse Therapie des Darmkrebs

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Medikamentöse Behandlung des Darmkrebses
Dr. med. Thomas von Briel
Swiss Tumor Institut – Onkozentrum Hirslanden
Vortrag vom 07.11.2009
Im Laufe der vergangenen 20 Jahre haben sich die Möglichkeiten der medikamentösen Behandlung
des Dickdarmkrebses dramatisch verbessert. Heute verfügen wir über mehrere klassische
Chemotherapiemittel (Zytostatika) und über moderne gezielte Behandlungsstrategien ("Biologics")
Während klassische Chemotherapiemittel (Zytostatika) in die Zellteilung eingreifen und damit auch
normale Körperzellen bei der Teilung stören nutzen die moderneren gezielten Behandlungen die
neuen Erkenntnisse der Krebsforschung und greifen an spezifischen Eigenschaften der Krebszellen
an. Damit man die Krebsbehandlung versteht, muss man wissen, was die Krebskrankheit ist.
Was ist Krebs: In unserem Körper finden ununterbrochen Zellteilungen statt. Diese Zellteilungen sind
nötig, damit unsere Organe sich immer wieder erneuern können. Bei jeder Zellteilung muss das
gesamte Erbgut verdoppelt werden. Das Erbgut wiederum steuert die Lebensvorgänge der Zelle.
Dank dem Erbgut „weiss“ die Zelle, was sie zu tun hat und wann sie „zu sterben“ hat. Schleichen sich
Fehler bei der Zellteilung ein, entstehen bösartige Zellen. Bösartige Zellen zeichnen sich durch ein
ungebremstes Wachstum aus. Zudem besitzen sie die Fähigkeit, den Zellverband zu verlassen, in
Gefässe einzubrechen und somit im Körper verschleppt zu werden. An anderen Orten können sie
somit wiederum über Zellteilung resp. Vermehrung Kolonien aufbauen (=Metastasen).
Wie funktionieren die Medikamente: Die klassischen Zytostatika blockieren die Zellteilung und
treffen damit besonders die „kranken“ Krebszellen. Allerdings werden auch andere Gewebe, welche
sich rasch erneuern müssen, stärker betroffen. Deswegen sind typische Chemotherapienebenwirkungen Schleimhautprobleme, Verminderung der weissen Blutkörperchen und
Blutplättchen (ebenfalls Zellen, die rasch ersetzt werden) und Haarausfall. Zu Beginn der 90er Jahre
verfügten wir lediglich über ein wichtiges Zytostatikum gegen Dickdarmkrebs. Dieses Medikament
heisst Fluorouracil und ist ein Buchstabe des Erbgutes, welcher von der Zelle bei der Zellteilung ins
Erbgut eingebaut wird, was zum Abbruch der Verdopplung und somit letztendlich zum Tod der Zelle
führt. Bis in die 90er Jahre waren wir mit diesem Medikament alleine nur mässig erfolgreich. Wir
konnten bestenfalls etwa bei der Hälfte der Patienten damit die Krankheit stabilisieren und nur bei
einem kleinen Teil zurückdrängen. Im Laufe der folgenden 10 Jahre kamen 2 ganz wichtige neue
Chemotherapeutika auf den Markt. Es handelt sich um Oxaliplatin und Irinotecan. Beide
Medikamente werden in komplexen Schemen mit Fluorouracil kombiniert. Heute ist es so, dass die
Mehrheit der Patienten von den herkömmlichen Chemotherapiekombinationen profitieren. Es ist
eher selten, dass eine Krankheit nicht auf diese Behandlungen anspricht.
Während den letzten 10 Jahren entwickelte sich die "targeted therapy". Target heisst auf Englisch
Ziel. Es ist die Umsetzung der Grundlagenforschung in Therapiestrategien. Seitdem wir mehr über die
Krebszellen und Krebsentwicklung wissen, ist es möglich geworden, die Tumorzellen direkter
anzugreifen.
Die beim Dickdarmkrebs am Erfolgreichsten angewendete Strategie wird über Antikörper vermittelt.
Antikörper sind Eiweisse, welche von unserem Abwehrsystem gegen Eindringlinge wie Viren und
Bakterien hergestellt werden und diese gezielt angreifen. Inzwischen können wir gegen Ziele in der
Krebsentwicklung ebenfalls Antikörper herstellen, welche dem Patienten infundiert werden. Im
breiten Stil bereits angewendet werden Antikörper welche gegen eine Oberflächeneigenschaft der
Krebszellen, nämlich den EGF-Rezeptor gerichtet sind. Sie helfen damit, zusammen mit der
Chemotherapie, diese Krebszelle zu zerstören.
Eine weitere und sehr wichtige und oft erfolgreiche Strategie ist die Blockade der Gefässneubildung.
Eine Metastase kann nur wachsen, wenn sie dafür sorgt, dass sie auch von neuen Gefässen versorgt
wird. Dies bedeutet, dass neue kleine Gefässe aussprossen müssen. Dies wiederum wird über
Wachstumsfaktoren vermittelt. Blockiert man diese Wachstumsfaktoren blockiert man damit die
Gefässneubildung und verhindert auf diesem Weg die Metastasenbildung. Das beim Dickdarmkrebs
wirksame Medikament heisst Bevacizumab, ein Antikörper, der diese Wachstumsfaktoren abfängt.
Gründe für eine Chemotherapie: Die Heilung einer bestehenden Krebskrankheit ist mit
Medikamenten alleine nicht möglich.
Eine bereits metastasierende Dickdarmkrebskrankheit ist, abgesehen von wenigen Situationen
(beispielsweise 1 bis 4 günstig liegende Lebermetastasen, welche vom Chirurgen entfernt werden
können) ebenfalls nicht heilbar. Allerdings können wir auch in einer unheilbaren Situation mit Hilfe
der Medikamente die Krankheit über längere Zeit zurückdrängen und damit dem Patienten
Beschwerden wegnehmen sowie auch seine Lebenszeit verlängern. Seit Beginn der 90er Jahre konnte
die durchschnittliche Überlebenszeit etwa verdreifacht werden.
Eine zweite wichtige Einsatzmöglichkeit der Medikamente ist die sogenannte adjuvante Therapie.
Wenn ein Chirurg den Krebs entfernt hat, ist nie sicher, ob nicht doch schon einzelne Zellen im
Körper verschleppt sind. Diese Zellen sind wie eine Saat und im Laufe von Monaten bis Jahren
können daraus Metastasen entstehen. Somit macht man oft, vom Rückfallrisiko abhängig, im
Anschluss an die Operation eine sechs monatige Chemotherapie, um diese Saat vorzeitig zu
zerstören. Damit gelingt es einen beachtlichen Teil der Rezidive zu verhindern.
Zürich, 07.11.2009
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