Zielgerichtete Therapie – die sogenannte targeted therapy Operation, Strahlen- und Chemotherapie können – wie schon erwähnt – neben dem Tumor auch gesunde Zellen und Organe im Körper angreifen. Daher ist es der Wunsch von Ärzten wie auch Patienten, eine zielgerichtete Therapie zur Verfügung zu haben, die ausschließlich gegen Krebszellen wirkt. Obwohl das Ziel noch nicht erreicht ist, hat die Forschung der letzten Jahre die Krebstherapie auf diesem Weg ein ganzes Stück voran gebracht. Mit steigendem Verständnis für die Stoffwechselvorgänge in Krebszellen und ihren Unterschieden zu normalen Zellen gelang es, erste Substanzen zu entwickeln, die als Medikamente gezielt gegen Krebszellen eingesetzt werden können. Sie blockieren beispielsweise bestimmte Stoffwechsel- und Wachstumsvorgänge in der Krebszelle oder verhindern das Auswandern von Krebszellen aus dem Tumorknoten in das gesunde Gewebe (Metastasierung). Die hierfür eingesetzten Substanzen sind sehr unterschiedlich. Zum Teil handelt es sich um »kleine Moleküle« (small molecules), die in die Krebszelle eindringen und dort den geregelten »Kommunikationsablauf« im Zellinneren blockieren. Andere Substanzen aktivieren dagegen Stoffwechselschritte in der Krebszelle, die dann zu deren programmiertem Zelltod (Apoptose) führen. Zu den größeren Molekülen gehören Antikörper (s. Abschnitt »Antikörpertherapie«, S. 11), die Rezeptoren auf der Krebszelle oder bestimmte Signalmoleküle im Blut blockieren. Ein weiteres Beispiel für zielgerichtete Substanzen sind auch die Medikamente zur Unterdrückung der Gefäßneubildung in Tumoren (s. Abschnitt »Hemmung der Blutversorgung des Tumors«, S. 12). Alle diese Therapieansätze beruhen aber darauf, dass sich Krebszellen von normalen Zellen durch die Aktivierung beziehungsweise Inaktivierung bestimmter Signalwege in der Zelle unterscheiden. Diese Signalwege regulieren das Zellwachstum und die Zellteilung, fördern aber auch das Tumorwachstum und die Ausbreitung von Tumorzellen. Obwohl die zielgerichteten Medikamente relativ spezifisch Stoffwechselvorgänge in den Krebszellen angreifen, haben die bisherigen Ergebnisse gezeigt, dass diese Stoffwechselvorgänge in gesunden Zellen ebenfalls vorkommen und somit auch bei dieser Therapie Nebenwirkungen auftreten können. 10 Hübner, Diagnose Krebs = Herst.: Frau Gnädig – Druckdaten: 01.06.2011 Antikörpertherapie Antikörper werden vom gesunden Organismus für die Abwehr von Krankheitserregern oder »Fremdstoffen« benötigt und in speziellen Zellen des Abwehrsystems – den sog. B-Lymphozyten – gebildet. Da sich Krebszellen aus gesunden Zellen entwickeln, ist es für unser Immunsystem schwierig, zwischen gesund und krank zu unterscheiden. Daher versuchen Wissenschaftler seit einigen Jahren Antikörper gentechnisch so herzustellen, dass diese – möglichst maßgeschneidert – bestimmte Merkmale von Krebszellen erkennen. Mittlerweile sind einige dieser Antikörper so weit entwickelt, dass sie bereits in der Therapie beim Patienten eingesetzt werden. Antikörper sind komplizierte Eiweißmoleküle, die wie ein Y geformt sind. Die beiden kurzen Arme des Y dienen dazu, eine bestimmte Zielstruktur z.B. auf der Oberfläche eines Krankheitserregers zu erkennen, der lange Arm dient unter anderem als Erkennungssignal für körpereigene Abwehrzellen, die den so markierten Eindringling dadurch gezielt angreifen können. Wie kann man sich das vorstellen? Wie bei einer Abwehrreaktion gegen einen Krankheitserreger bindet sich der Antikörper in diesem Fall an spezielle Strukturen auf der Oberfläche der Krebszelle. Da der gebundene Antikörper eine Sig- Die bisher entwickelten Antikörper erkennen auf den Krebszellen Oberflächenstrukturen, die auch auf gesunden Zellen nalwirkung auf das Immunsystem ausübt, kann die körpereigene Abwehr die so kenntlich gemachte Krebszelle gezielt angreifen und abtöten. Dies geschieht über spezielle Eiweißstoffe, sogenannte Komplementfaktoren, und besondere Abwehrzellen (z.B. Killerzellen). Antikörper können sich jedoch auch an Rezeptoren von Wachstumsfaktoren binden und damit beispielsweise einen Wachstumsreiz unterbinden. Einige neue Antikörper lösen vermutlich auch direkt ein »Selbstmordprogramm« (Apoptose) in den Krebszellen aus, das zum Absterben der Zellen führt. 11 Hübner, Diagnose Krebs = Herst.: Frau Gnädig – Druckdaten: 01.06.2011