D-MATH/D-PHYS Prof. G. Felder Funktionentheorie HS 2007 Lösung 10 1. Berechne das Integral Z 0 ∞ x2 dx x4 + 6x2 + 13 Die Nullstellen des Nenners sind einfache Nullstellen, es sind die Quadratwurzeln √ aus −3 ± 2i. Bezeichnet den Hauptzweig der Quadratwurzel, so überlegt man √ −3 + 2i sich geometrisch, dass von diesen Nullstellen genau die Zahlen z := 0 √ und z1 := − −3 − 2i in der oberen Halbebene liegen. Die dortigen Residuen der Funktion f (z) = z 2 /(z 4 + 6z 2 + 13) berechnen sich zu √ z −3 ± 2i z2 . = = Reszn (f ) = 3 4z + 12z z=zn 4(z 2 + 3) z=zn 8i Da f (z) meromorph mit endlich vielen Singularitäten in CrR ist, und lim|z|→∞ z· f (z) = 0 ist, erhalten wir mit Freitag/Busam, Anwendungen des Residuensatzes, Typ II, Satz 7.10 (bzw. Jänich, Kapitel 7, Anwendung 1) Z ∞ Z x2 1 ∞ x2 I := dx = dx x4 + 6x2 + 13 2 −∞ x4 + 6x2 + 13 0 2πi = (Resz (f ) + Resz1 (f )) 2 √ 0 √ −3 + 2i − −3 − 2i = πi + 8i −8i √ π √ · ( −3 + 2i + −3 − 2i) = 8 √ (∗) π = · Re( −3 + 2i) 4 √ Begründen wir die Gleichung (∗): Da I reell ist, muss gelten Im( −3 + 2i) = √ − Im( −3 − 2i). Ausserdem gilt √ √ √ √ Re( −3 + 2i)2 − Im( −3 + 2i)2 = −3 = Re( −3 − 2i)2 − Im( −3 − 2i)2 √ √ = Re( −3 − 2i)2 − Im( −3 + 2i)2 , √ √ √ und√somit Re( −3 + 2i)2 = Re( −3 − 2i)2 . Da I 6= 0 ist, folgt Re( −3 + 2i) = Re( −3 − 2i). Bitte wenden! √ Bestimmen wir nun noch Re( −3 + 2i) als reellen Ausdruck. Wir machen den √ Ansatz −3 + 2i = a + bi, mit a, b ∈ R und b > 0. Dann gilt −3 + 2i = (a2 − b2 ) + (2abi), √ also folgt a = 1/b und a2 − a−2 = −3. Wir erhalten a2 = −3+2 13 , das positive q√ Vorzeichen da a = 1/b > 0 ist. Somit gilt a = ( 13 − 3)/2, und schlussendlich: √ π · Re( −3 + 2i) 4 s √ 13 − 3 π · = 4 2 q √ π · 2 13 − 6 = 8 I = 2. Berechne für a > 0 das Integral Z 0 Wir haben Z 0 ∞ ∞ cos(x) dx x 2 + a2 cos(x) 1 dx = 2 2 x +a 2 Z ∞ −∞ eiz dz , z 2 + a2 was nach Freitag/Busam, Anwendungen des Residuensatzes, Typ II, Satz 7.11 (bzw. Jänich, Kapitel 7, Anwendung 2) übereinstimmt mit eiz 2πi π e−a · Resai = = πi · 2 2 2 z +a 2ai 2aea 3. Berechne für ganze Zahlen m, n mit n − 2 ≥ m ≥ 0 das Integral Z ∞ xm dx 1 + xn 0 Hinweis: Integriere über den Rand des Kreissektors mit Mittelpunkt 0 und Ecken R und R exp(2πi/n). Es sei ζ := exp(πi/n). Sei α der Teilweg von R nach Rζ 2 . Dann gilt m Z R Z Rζ 2 Z ! zm z ζm −2πiζ m+1 − + dz = 2πi·Res = 2πi· = . ζ 1 + zn 1 + zn nζ n−1 n 0 0 α Siehe nächstes Blatt! Ferner gelten Z Rζ 2 0 zm dz = 1 + zn Z R (ζ 2 t)m 2 · ζ dt = ζ 2+2m · 1 + tn 0 Z 0 R xm dt 1 + xn und Z 2πi/n Z Z 2πi/n m m R Rm z ≤ · R dϕ ≤ · R dϕ −→ 0 dz 1 + zn |1 + Rn exp(iϕ)| Rn − 1 0 0 α für R → ∞. Insgesamt erhalten wir also Z ∞ xm −2πiζ m+1 2+2m (1 − ζ )· dx = − 1 + xn n 0 und daraus Z 0 ∞ xm π/n 2πi . dx = m+1 = n 1+x sin(π(m + 1)/n) ) n(ζ m+1 − ζ 4. Berechne das Integral Z 0 ∞ sin(x) dx x(1 + x2 ) Hinweis: Integriere die Funktion f (z) := exp(iz)/(z(1 + z 2 )). Verwende für Parameter N > ε > 0 die folgenden Wege mit der genannten Orientierung: α sei die Strecke von −N bis −ε, β der obere Halbkreis um 0 von −ε nach ε, γ die Strecke von ε nach N , und δ bestehe aus den drei Teilstrecken von N nach N + iN , von N + iN nach −N + iN , und von −N + iN nach −N . iz e Die Funktion f (z) := z(1+z 2 ) hat (für N > 1) den Pol z = i im Innern des Wegs α + β + γ + δ. Wir wollen den Residuensatz anwenden, und dann ε → 0 und N → ∞ streben lassen. Für den Teilweg α + γ erhalten wir Z N Z −N Z Z N iz Z N eiz e − e−iz sin(t) f (z)dz = − dz = dz = 2i· dt. 2 2 z(1 + z ) z(1 + z ) t(1 + t2 ) α+γ ε −ε ε ε Für den Teilweg β verwenden wir die Parametrisierung −β : [0, π] 3 ϕ 7→ ε · eiϕ und errechnen Z Z π Z π iϕ ei z eiεe εieiϕ lim dz = − lim iϕ dϕ = − idϕ = −πi. iϕ 2 ε→0+ β z(1 + z 2 ) 0 ε→0+ εe (1 + (εe ) ) 0 Bitte wenden! Als Nächstes wollen wir zeigen, dass das Integral entlang δ für N → ∞ gegen Null strebt. Sei δ1 : [0, N ] 3 t 7→ N + it die Strecke von N nach N + iN . Für z = δ(t) gilt |z| = |N + it| ≥ N und somit (falls N > 1) auch |1 + z 2 | ≥ |z|2 − 1 ≥ N 2 − 1. Es folgt dass Z N Z |e−t+iN | 1 − e−N eiz ≤ dz dt = →0 2 N · (N 2 − 1) N (N 2 − 1) 0 δ1 z(1 + z ) strebt für N → ∞. Eine symmetrische Aussage liefert dieselbe Aussage für die Strecke δ3 von −N + iN nach −N . Für die Teilstrecke δ2 von N nach −N wählen wir die Parametrisierung −δ2 : [−N, N ] 3 t 7→ t + iN . Wieder gilt |z| ≥ N und |1 + z 2 | ≥ N 2 − 1 entlang dieser Strecke falls N > 1 ist, und wir erhalten für N → ∞ Z N Z iz e−N +it 2e−N e ≤ dz dt = → 0. 2 2 N2 − 1 −N N · (N − 1) δ2 z(1 + z ) Nun wenden wir den Residuensatz an, wobei I das in der Aufgabe gesuchte Integral bezeichnet: Z eiz e−1 −iπ f (z)dz = 2πi · Resi 2i · I − πi ←− = 2πi · = . z(1 + z 2 ) i · 2i e α+β+γ+δ Und daraus folgt schliesslich I = π2 (1 − 1e ).