Klinik und Poliklinik für Urologie, Uroonkologie und Kinderurologie

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Klinik und Poliklinik für Urologie, Uroonkologie und Kinderurologie
Direktor: Prof. Dr. med. Dr. h.c. H. Rübben
Ansprechpartner: Dr. med. C. Börgermann
Hufelandstraße 55
45122 Essen
Tel. 0201 723 3261
Fax 0201 723 5853
[email protected]
Verfahrensanleitungen zu den
Leitlinien der
Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU)
und der
Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU)
Prostatakarzinom 2007
Urologische Universitätsklinik Essen
Westdeutschen Tumorzentrum Essen e.V. (WTZE)
in Kooperation mit
Sektion Leitlinien des Arbeitskreises - Uroonkologie
Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Krefeld, Mönchengladbach,
Mülheim, Neuss, Oberhausen, Troisdorf, Velbert
Dr. med. Bröcheler
Dr. med. Buck
Prof. Dr. med. Fichtner
Prof. Dr. med. Goepel
Dr. med. Hautkappe
Prof. Dr. med. Höfner
Prof. Dr. med. Hutschenreiter
Prof. Dr. med. Jacobi
PD Dr. med. Krege
Dr. med. Krüger
PD Dr. med. Lümmen
Prof. Dr. med. Meyer-Schwickerath
PD Dr. med. Miller
Prof. Dr. med. Otto
Dr. med. Rabs
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Rübben
Prof. Dr. med. Schmid
PD Dr. med. Sperling
Dr. med. Stöblen
Prof. Dr. med. Stuschke
Prof. Dr. med. Wammack
Früherkennung
Einleitung
Populations basiertes Screening zur Detektion eines Prostatakarzinoms ist definiert als eine
Untersuchung asymptomatischer aber potenziell gefährdeter Männer. Dabei geht die Initiative
zur Untersuchung vom Untersucher selbst aus. Im Gegensatz dazu geht die Initiative zur
Früherkennung des Prostatakarzinoms, auch opportunistischen Screening genannt, vom
Patienten aus. Da Prostatakarzinome in Frühstadien asymptomatisch sind und erst spät durch
eine
klinische
Symptomatik
wie
Schmerzen,
Hämaturie,
Miktionsstörungen
oder
Rektuminfiltration evident werden, kann der Tumor nur durch eine solche Untersuchung in
einem noch heilbaren Stadium, d.h. organbegrenzt, entdeckt werden.
Die Effektivität des Screening beim Prostatakarzinom ist z.Zt. unbewiesen. Zur Evaluation
der Effektivität des Prostatakarzinom-Screenings werden zwei große randomisierte Studien
durchgeführt. In den USA die PLCO (Prostate, Lung, Colorectal and Ovary) und in Europa
die ERSPC (European Randomized Screening for Prostate Cancer) Studie. Ergebnisse dieser
beiden Studien bezüglich des Unterschiedes der Mortalitätsrate des Prostatakarzinoms
zwischen dem Screening- und Kontrollarm werden für 2008 erwartet. Dennoch besteht
heutzutage ein weitgehender Konsens, dass man Männern mit Wunsch nach Früherkennung
des Prostatakarzinoms mittels PSA-Test (Prostata-Spezifischen-Antigen) und digital-rektaler
Untersuchung diese, nach eingehender Aufklärung, nicht verweigern sollte.
Stand S3-Leitlinie 2002
Das Eintrittsalter in die jährliche Früherkennung liegt bei 50 Jahren und bei 45 Jahren, wenn
eine familiäre Belastung besteht. Eine letzte Früherkennung erfolgt mit 75 Jahren, bei
steigender Lebenserwartung auch später. Die digital-rektale Palpation allein ist keine
Früherkennungs-untersuchung, sie wird durch die Bestimmung des PSA-Wertes ergänzt. Vor
der ersten PSA-Bestimmung ist die Aufklärung über nachfolgend notwendig werdende
Maßnahmen wie Biopsie der Prostata, die Behandlung und deren Risiken notwendig. Ein
erhöhter PSA-Wert muß vor einer weiteren Diagnostik kontrolliert werden. Fehlerquellen in
der Präanalytik und Analytik sind zu beachten und auszuschließen. Der Schwellenwert von
4,0 ng/ml wird z.Zt. als Indikation zu einer Biopsie unter sonographischer Kontrolle und
Antibiotikaschutz gesehen. Stanzbiopsien werden in den bekannt häufigsten Tumorregionen,
vorwiegend also lateral, entnommen. Die Anzahl der Biopsien ist abhängig von dem durch
transrektale Sonographie ermittelten Volumen der Prostata, beträgt aber mindestens 6
2
Biopsien. Eine höhere Biopsiezahl verbessert
die Diagnose eines Karzinoms. Bei nicht
eindeutigem oder zweifelhaftem bioptischen Befund, fehlendem Karzinomnachweis bei
gleichbleibendem oder steigendem PSA-Wert, einer High Grade PIN (prostatische
intraepitheliale Neoplasie) oder einer ASAP (atypical small acinar proliferation), wird eine
Rebiopsie mit mindestens 6 Gewebeproben innerhalb von sechs Monaten nach Ausschluß
aller intra- und extraprostatischen Störfaktoren vorgenommen. Vor der erneuten Biopsie wird
2 Wochen lang ein Antibiotikum gegeben und dann eine erneute PSA-Bestimmung
durchgeführt, um eine entzündlich bedingte PSA-Erhöhung auszuschließen.
Zukunft der PSA-basierten Früherkennung
Die Leitlinie zur Früherkennung des Prostatakarzinoms wird z.Zt. neu entwickelt. Dabei
sollen die Hauptkritikpunkte an der PSA-basierten Früherkennung berücksichtigt werden:1.
Anzahl unnötiger PSA-Bestimmungen, 2. Anzahl unnötiger Biopsien, 3. Anzahl unnötiger
Behandlungen, da das Prostatakarzinom trotzdem progredient wird oder auch ohne
Behandlung stabil bleibt.
Die Anzahl unnötiger PSA-Bestimmungen könnte durch ein längeres Untersuchungsintervalls
gesenkt werden. Die gewonnene Zeit von dem Zeitpunkt eines positiven Tests bis zur ohne
Test zur erwartenden klinischen Diagnose heißt „Leadtime“. Prostatakarzinome haben eine
Leadtime von 5 bis 10 Jahren.
Im Rahmen der ERSPC Studie wurden 8350 Patienten in einer ersten Runde untersucht. Eine
Biopsie wurde ab einem Schwellenwert von 3ng/ml durchgeführt. Dabei wurden 412
Prostatakarzinome diagnostiziert. In einem Intervall von 48 Monaten fielen 18
Intervallkarzinome auf, die alle im Tumorstadium T1 bzw. T2 waren und damit kurativ
therapierbar. Ein optimales Intervall für die Früherkennung durch PSA-Test kann zum
jetzigen Zeitpunkt noch nicht festgelegt werden. Dennoch erscheint in Anbetracht der
Datenlage eine jährliche Untersuchung nicht mehr sinnvoll. Eine Verlängerung des Intervalls
würde über weniger durchgeführte PSA-Bestimmungen und Biopsien neben einer
Kosteneinsparung auch zur Vermeidung einer unnötigen Beeinträchtigung der Lebensqualität
führen.
Eine Studie zur Aktiven Beobachtung von Patienten mit stanzbioptisch nachgewiesenem
Prostatakarzinom zeigt mögliche Ansätze, um die Anzahl unnötiger Behandlungen und ggf.
auch unnötige Diagnostik zu reduzieren. Dabei wurden 299 Patienten mit gesicherter
Diagnose eines Prostatakarzinoms mit niedrigem Risiko nicht therapiert sondern aktiv
Beobachtet, d.h. wenn das Prostatakarzinom progredient wurde., wurden die Patienten zu
3
diesem Zeitpunkt in kurativer Intention therapiert. Die Patienten waren älter als 70 Jahre, das
PSA kleiner 15ng/ml, das klinische Tumorstadium maximal cT2b und der Gleason Score war
kleiner 7. Der Gleason-Score wurde in den 70er Jahren eingeführt. Er wird ausschließlich
verwendet, um die Aggressivität von Prostatakarzinomen zu bewerten. Hohe Gleason-Scores
zeigen stärker vom Normalen abweichende Gewebearten. Um ihn zu errechnen, bewertet man
die zwei am meisten vorkommenden Gewebemuster unter einem Mikroskop mit einer Zahl
zwischen 1 und 5 (und erzielt dann den Score zwischen 2 und 10).
Ein Progress wurde u.a. über einer PSA-Verdopplungszeit von weniger als zwei Jahren
definiert.
Nach
einer
mittleren
Beobachtungszeit
von
55
Monaten
betrug
das
krankheitsspezifische Überleben 99%. 60% der Patienten zeigten keinen Progress und wurden
weiter aktiv nachbeobachtet. Auf die Früherkennung angewandt könnte dementsprechend die
Dynamik des PSA-Wertes helfen Biopsien zu sparen und Lebensqualität zu verbessern. Die
o.g. 60% der Patienten, die in der Beobachtungsgruppe verblieben, hätten, wenn man als
Kriterium für die Stanzbiopsie eine PSA-Verdopplungszeit von weniger als zwei Jahren
fordern würde, keine Biopsie erhalten, würden deshalb Ihre Diagnose nicht kennen und damit
in der Lebensqualität profitieren.
Der Einsatz der PSA-Wertveränderung über die Zeit gibt einen Anhalt dafür wie aggressiv ein
Prostatakarzinom ist.
7
tPSA [ng/ml]
6
PCa Gruppe
gutartige Gruppe
5
4
3
2
1
0
Jahr 0 Jahr 2 Jahr 4 Jahr 6 Jahr 8 Jahr 10
PSA-Verlauf über 10 Jahre: Während bei Patienten ohne Tumornachweis der PSA-Wert fast konstant bleibt,
beobachtet man bei Karzinomträgern eine rasante Zunahme des PSA-Wertes über die Zeit.
Um die Dynamik rechtzeitig zu erfassen, ist eine Absenkung des Eintrittsalters in einem
Bereich mit minimalem Karzinomrisiko erforderlich. Ein intelligenter Einsatz könnte also
schon vor der invasiven Diagnostik helfen zwischen den Patienten zu unterscheiden, die
frühzeitig therapiert werden sollten bzw. denjenigen, die voraussichtlich ein klinisch
4
insignifikantes Karzinom aufweisen. Obwohl das Konzept der PSA-Anstiegsgeschwindigkeit
schon seit vielen Jahren verfolgt wird, ist es noch nicht möglich eine abschließende
Empfehlung zu geben.
Schlussfolgerung
Die PSA-basierte Früherkennung könnte in Zukunft wie folgt aussehen: Beginn mit 40 Jahren
und Ende bei einer Lebenserwartung von weniger als 10 Jahren. Zur Vermeidung unnötiger
Untersuchungen könnte das Untersuchungsintervall für Patienten mit einem PSA-Wert
kleiner als 2ng/ml auf 2 Jahre verlängert werden. Der starre Schwellenwert als
Biopsieindikation könnte einer dynamischen Betrachtung, z.B. einem Anstieg von
0,5ng/ml/Jahr, weichen.
Früherkennung des Prostatakarzinoms
Beginn
Heute
Mögliche Zukunft
50 Jahre
40 Jahre
Ende
Untersuchungsintervall*
Biopsieindikation
Lebenserwartung < 10 Jahre
Jährlich
Alle 2 Jahre
PSA ≥ 4ng/ml
PSA ≥ 0,5ng/ml/Jahr
* für PSA-Werte < 2ng/ml, ansonsten jährlich
5
Diagnostik und Staging
Digital rektale Untersuchung
Die digital-rektale Untersuchung (DRU) der Prostata ist ein grundlegendes und
kostengünstiges Untersuchungsverfahren in der Früherkennung des Prostatakarzinoms. Sie
wird seit Einführung der gesetzlichen Früherkennung in Deutschland 1971 empfohlen.
Allerdings muss die Leistungsfähigkeit der DRU kritisch hinterfragt werden. Es werden max.
10-15% der Prostatakarzinome mit einem PSA-Wert kleiner als 4ng/ml durch die DRU
entdeckt. Trotz der geringen Detektionsrate ist gerade für PSA-Werte kleiner als 4ng/ml der
positiv-prädiktive Wert ausreichend hoch, da diese Karzinome zum größten Teil die Kriterien
eines klinisch signifikanten Tumors erfüllen und ohne die digital-rektale Untersuchung
übersehen würden. Ein weiters Manko ist, dass bei suspekten Tastbefunden, unabhängig vom
PSA-Wert, bereits rund 40% - 70% der Karzinome die Organgrenze überschreiten und somit
potenziell nicht mehr kurativ therapierbar sind.
Transrektaler Ultraschall
Die Untersuchung der Prostata mit Hilfe des transrektalen Ultraschalls (TRUS) ist
aufwendiger und kostenintensiver im Vergleich zur DRU. Des Weiteren ist er nicht
flächendeckend verfügbar. Der Enthusiasmus, dass der der transrektale Ultraschall durch
Darstellung echoarmer Areale in der Prostata die Früherkennung des Prostatakarzinoms
verbessern kann, hat sich nicht bestätigt. Laut interdisziplinärem Konsens konnten in der
Vergangenheit mehrere Studien die Unfähigkeit des TRUS, lokalisierte Prostatakarzinome im
Rahmen der Früherkennung zu identifizieren, belegen. Mit der Weiterentwicklung des
Ultraschalls werden in jüngerer Vergangenheit Versuche unternommen die Sensitivität und
Spezifität des TRUS zu verbessern. Dazu gehören die farbkodierte Duplexsonographie, der
Power-Doppler, das Ultraschallkontrastmittel, die B-Bild-Harmonic Sonographie, die 3Dimensionale Darstellung und die Verwendung neuronaler Netzwerke (z.B. computed TRUS)
6
Nach den aktuellen Empfehlungen der American Cancer Society und der European
Association of Urology hat der TRUS in der Diagnostik des Prostatakarzinoms einen
gewissen Stellenwert. Die wichtigste Rolle kommt dem TRUS bei der Stanzbiopsie der
Prostata zu. Er ermöglicht zum einen eine systematische Entnahme der Stanzzylinder als auch
die Punktion suspekter Areale.
Stanzbiopsie der Prostata
Eine stanzbioptische Abklärung der Prostata ist nach den bestehenden Leitlinien bei
auffälliger DRU und / oder einer unklaren PSA-Erhöhung über 4ng/ml indiziert, insofern die
mögliche
Diagnosestellung
hinsichtlich
Lebenserwartung
und
Lebensqualität
zu
therapeutischen Konsequenzen führt.
Allgemeiner, international etablierter Standard, ist die Durchführung einer transrektalen,
ultraschallgesteuerten Stanzbiopsie der Prostata. Dabei werden in Abhängigkeit des
Organvolumens
mindestens
je
3
Biopsien
aus
verschiedenen
Stellen
beider
Prostataseitenlappen entnommen. Die Entnahme muss unter Antibiotikaschutz erfolgen,
bevorzugt mit einem Gyrasehemmer. Beschriebene Komplikationen stellen die Hämaturie
über mehr als drei Tage (22%), die Hämospermie (50 %), Fieber (3,5%) und uroseptische
Zustände, die eine Hospitalisierung erforderlich machen (0,5%) dar.
Prostataspezifisches Antigen
Das Prostataspezifische Antigen hat mit seiner routinemäßigen Einführung Ende der 80’er
Jahre die Früherkennung des Prostatakarzinoms revolutioniert. Die PSA-Bestimmung in der
Früherkennung führt zu einer Stadienverschiebung der entdeckten Karzinome. Vor
Einführung des PSA wurden 2/3 aller Karzinome im organüberschreitenden Stadium ohne
kurative Therapieoption entdeckt. Aktuell werden 2/3 der Tumore organbeschränkt
diagnostiziert. In den USA, dem ersten Land welches PSA-Tests in der Früherkennung
7
einsetzte, wurde eine Abnahme der Prostatakarzinom bedingten Mortalität seit 1991
beobachtet. Ob diese Mortalitätssenkung nur auf eine verbesserte Therapie oder tatsächlich
auf eine frühere Diagnose in organbegrenzten Stadien zurückzuführen ist,
ist bis zur Auswertung der großen Screeningstudien 2008 nicht zu entscheiden.
Der PSA-Wert ist ein organspezifischer und kein tumorspezifischer Marker. Neben dem
Malignom kann die PSA-Konzentration im Serum durch eine Vielzahl von Faktoren
beeinflusst werden: 1. pharmakologisch (Finasteride, LHRH-Analoga, Antiandrogene), 2.
prostatische
Erkrankungen
(akute/chronische
Prostatitis,
BPH,
Harnverhaltung),
3.
urologische Manipulation (Prostatastanzbiopsie, digital-rektale Untersuchung). 80-85% der
Patienten weisen in großen untersuchten Kollektiven einen PSA-Wert unter 4 ng/ml auf, 1015 % zwischen 4-10 ng/ml und 2-5% über 10 ng/ml (Abbildung 2). Die Karzinomfindung
liegt bei Werten unter 4 ng/ml bei bis zu 15%, zwischen 4 und 10 ng/ml bei 25% und über
10ng/ml steigt dieser Wert parallel zur Organüberschreitung auf über 50% an (Tabelle 1).
Tab. 1. Karzinomfindungsrate in Abhängigkeit des PSA-Wertes
PSA [ng/ml]
Karzinomfindungsrate [%]
< 0,5
6,6
0,6 - 1,0
10,1
1,1 - 2,0
17,0
2,1 – 3,0
23,9
3,1 – 4,0
26,9
4,0 – 9,9
27,9
> 10,0
57,6
(Thompson 2003 & ERSPC Rotterdam)
Die Tabelle 2 zeigt den Anteil der organbegrenzten und damit kurativ therapierbaren
Tumoren in Abhängigkeit des PSA-Wertes.
8
Tab. 2. PSA und Tumorstadium
PSA [ng/ml]
Anteil ≤ pT2 [%]
2,5 – 4,0
78 – 83
4,1 – 6,0
74 – 81
6,1 – 8,0
71 – 78
8,1 – 10,0
67 – 75
> 10,0
49 - 57
Anteil der organbegrenzten Prostatakarzinome in den jeweiligen PSA-Bereichen (Carter 1999)
Zur Verbesserung der diagnostischen Wertigkeit werden PSA-Isoformen wie die f/tPSARatio und das cPSA sowie PSA-Normierungen auf Alter bzw. Prostatavolumen untersucht.
Trotz einer deutlichen Reduktion an Biopsien haben sich diese bis heute nicht in den
routinemäßigen Einsatz der Prostatakarzinomdiagnostik etabliert.
Die PSA-basierte Früherkennung wird z.Zt. kontrovers diskutiert. In den USA sterben jährlich
von 100.000 Männern über 65 Jahre etwa 226 an einem Prostatakarzinom. Aus
Obduktionsserien ist aber bekannt, dass bis zu 80% der 70 jährigen ein latentes
Prostatakarzinom aufweisen, also nie an ihrem Tumor versterben werden. Es wird daher
befürchtet, dass mit dem Einsatz des PSA zunehmend klinisch insignifikanter Karzinome
diagnostiziert werden . Das Dilemma der Früherkennung ist nun, dass gerade kleine,
organbegrenzte Tumoren gefunden werden müssen, um den Patienten einer kurativen
Therapie zuführen zu können. Andererseits zeigt eine Skandinavische Studie, dass nach 10
Jahren etwa 15% aller radikal prostatektomierten und etwa 25% aller untherapierten Patienten
eine Fernmetastasierung aufweisen. Das bedeutet, dass fast 75% der ausschließlich
beobachteten Patienten nach 10 Jahren noch keinen systemischen Progress ihres
Prostatakarzinoms erlitten haben und damit nur 10% häufiger als in der Gruppe der Patienten
mit radikaler Prostatektomie. Dies untermauert auf der einen Seite die Befürchtung, dass viele
insignifikante Karzinome gefunden und auch therapiert werden, auf der anderen Seite
9
profitieren aber eben doch 85% der Patienten von der Therapie, also 10% mehr als in der
Beobachtungsgruppe.
Kombination von DRU, TRUS und PSA
Der positiv prädiktive Wert der unterschiedlichen Kombinationen von DRU, TRUS und PSA
liegt zwischen 20 und 80%. Ist eine der Untersuchungen suspekt werden in 6 bis 25% positive
Biopsien gefunden, bei zwei suspekten Befunden in 18 bis 60% und wenn alle drei
Untersuchungen auffällig sind erhöht sich die Findungsrate auf 56 bis 72%.
Bildgebung
Bildgebende Diagnostik durch computertomographische, magnetresonanztomographische
oder nuklearmedizinische Verfahren kann bis heute nicht mit ausreichender Sicherheit die
Diagnose eines Karzinoms vorhersagen. Auch das Cholin-PET-CT hat z.Zt. keinen
Stellenwert in der Früherkennung. Daher ist eine Anwendung in der primären Diagnostik des
Prostatakarzinoms nicht gerechtfertigt.
Staging
Nach bioptischer Sicherung eines Prostatakarzinoms erfolgt die Ausbreitungsdiagnostik. Für
die Therapiewahl sind Alter, Allgemeinzustand, Begleiterkrankungen des Patienten sowie die
Ausprägung des Tumors (TNM, PSA-Wert, das histologische Ergebnis der Prostatabiopsien,
einschließlich Gleason Score und Grading) hilfreich. Nomogramme, die auf der Auswertung
von PSA, klinischem Stadium und Gleason-Score der Biopsie basieren, können in die
Entscheidung für eine Therapie einfließen (Partin Tables).
Molekularbiologische Faktoren sind derzeit für eine Festlegung des Krankheitsstadiums nicht
zusätzlich hilfreich.
10
TNM-Klassifikation und Stadiengruppierung beim Adenokarzinom der Prostata (UICC, 6.
Auflage 2002)
___________________________________________________________________________
TPrimärtumor
TX
T0
T1
T1a
T1b
T1c
T2
T2a
T2b
T2c
T3
T3a
T3b
T4
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
Kein Anhalt auf Primärtumor
Tumor weder tastbar noch in bildgebenden Verfahren sichtbar
Zufälliger Befund, ≤5% des resezierten Gewebes
Zufälliger Befund, ≥5% des resezierten Gewebes
Diagnose durch Nadelbiopsie
Tumor begrenzt auf Prostata
Tumor begrenzt auf < ½ eines Seitenlappens
Tumor begrenzt auf > ½ eines Seitenlappens
Tumor befällt beide Seitenlappen
Extrakapsuläre Ausbreitung
Tumor extrakapsulär, Samenblasen tumorfrei
Samenblase(n) befallen
Infiltration von Blasenhals, Sphinkter externus, Rektum, Levatormuskel oder Fixation an der
Beckenwand
___________________________________________________________________________
NRegionäre Lymphknoten
NX
N0
N1
Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
Keine regionären Lymphknotenmetastasen
regionären Lymphknotenmetastasen
___________________________________________________________________________
M - Fernmetastasen
MX
M0
M1
M1a
M1b
M1c
Fernmetastasen können nicht beurteilt werden
keine Fernmetastasen
Fernmetastasen
Nicht regionäre Lymphknoten
Knochen
Andere Lokalisation(en)
T-Staging
Die Festlegung der T-Kategorie basiert auf der digital-rektalen Untersuchung (DRU). Es wird
das Prostatakarzinom der peripheren Zone ermittelt, das der transitionalen Zone wird nicht
erfasst. Zur pathologisch ermittelten pT-Kategorie besteht in 61% Übereinstimmung. Die
DRU erfasst definitionsgemäß nicht T1-Stadien; sie dient dem Ausschluss einer
periprostatischen Infiltration sowie dem Nachweis eines einseitigen oder beidseitigen
Lappenbefalls.
Der PSA-Serumwert steigt mit zunehmender Tumorlast der Prostata. Die alleinige
Bestimmung des PSA zur Festlegung des pathologischen Stadiums ist nicht zuverlässig.
Durch kombinierte Anwendung von PSA, klinischem Stadium und Gleason-Score der Biopsie
können durch Nomogramme Risikogruppen bezüglich Kapselinfiltration, periprostatischem
Wachstum, Lymphknotenbefall und Rezidivrisiko gebildet werden.
11
Die transrektale Ultraschalluntersuchung der Prostata korreliert in 37 – 58% mit der pT4Kategorie. Ihre Wertigkeit ist hinsichtlich der Tumorerkennung mit der DRU zu vergleichen;
sie verbessert die Erkennung einer Samenblaseninfiltration, die ggf. bioptisch gesichert
werden kann. Als notwendige Untersuchung zur Ausbreitungsdiagnostik wird sie z.Zt. nicht
empfohlen. Ungefähr 60% der pT3-Tumoren werden im Vorfeld durch den transrektalen
Ultraschall nicht als solche entdeckt. Die TRUS kann zur Bestimmung der Größe der Prostata
und damit zur Operationsplanung von Nutzen sein.
Bei Nachweis einer Mikro-/Makrohämaturie empfiehlt sich ein Ausscheidungsurogramm
sowie eine Zystoskopie. Die lokale Tumorinvasion kann durch Computertomographie oder
Magnetresonanztomographie nicht mit einer ausreichenden Güte beurteilt werden. Diese
Untersuchungen sind daher entbehrlich. Die Sonographie des Abdomens schließt
Harnstauungsnieren als Hinweis auf ein fortgeschrittenes Tumorwachstum aus.
N-Staging
Die Ausbreitungsdiagnostik der Lymphknotenmetastasen ist sinnvoll, wenn eine
Therapieentscheidung hierdurch beeinflusst wird. Die pelvine Lymphadenektomie ist vor
Operation und Radiotherapie zur Beurteilung des regionären Lymphknotenstatus nützlich.
Offene und laparoskopische Operationstechniken sind hinsichtlich der diagnostischen
Sicherheit gleichwertig. Die Lymphadenektomie umfaßt das Gebiet der A. iliaca ext., der
Fossa obturatoria und fakultativ der A. iliaca int., sowie der Präsakralregion und entlang der
A. iliaca com. In der Ausbreitungsdiagnostik einer Lymphknotenbeteiligung sind
Computertomographie und Magnetresonanztomographie im Regelfall entbehrlich. Mit Hilfe
von Nomogrammen kann in bestimmten Fällen auf eine operative Lymphknotenfreilegung in
diagnostischer Absicht verzichtet werden. Beispielsweise ist für das T1C –Karzinom bei
PSA-Werten < 10 ng/ml und einem Gleason Score ≤ 6 (ohne Gleason 4-Anteile) eine
Lymphknotenmetastasierung in < 1% der Fälle zu erwarten.
M- Staging
Die Suche nach hämatogenen Metastasen ist bei PSA-Werten < 10 ng/ml nicht erforderlich.
Ausgenommen sind Tumore, die in allen 6 Stanzbiopsien nachweisbar sind und deren
Gleason-Score ≥ 9 ist. Bei PSA-Werten über 20 ng/ml sollte eine Skelettszintigraphie
durchgeführt werden. Bei positiver Skelettszintigraphie kann die Metastasensuche durch eine
Sonographie der Leber und eine Röntgenuntersuchung des Thorax ergänzt werden.
12
Die alkalischen Phosphatase im Serum ist bei 70% der Patienten mit Knochenmetastasen
erhöht. Sie ist jedoch nicht sensitiv genug und ersetzt die Szintigraphie nicht.
Zusammenfassung
1. Ein suspekter Befund der DRU oder ein erhöhter PSA-Wert kann ein
Prostatakarzinom anzeigen. Ein genauer Grenzwert für ein „normales“ PSA
existiert nicht.
2. Das Prostatakarzinom bedarf der histopathologischen Sicherung. Eine Biopsie ist
nur dann indiziert, wenn sich daraus therapeutische Konsequenzen für den
Patienten ergeben.
3. Es werden systematische, ultraschallgesteuerte, transrektale Biopsien der Prostata
empfohlen. Dabei müssen mindestens 6 – 8 Zylinder aus den lateralen Bereichen
der Prostata gewonnen werden, bei großen Drüsen auch mehr.
-
Transitional Zonen Biopsien werden bei der ersten Biopsie auf Grund der
niedrigen Fallfindungsrate nicht empfohlen
-
Die Rebiopsie wird für die Fälle mit persistierender Indikation gefordert
(suspekte DRU, erhöhter PSA, auffällige Histologie in der Erstbiopsie)
-
Empfehlung für weitere (dritt oder mehr) Biopsien können nicht gegeben
werden
4. Transrektale periprostatische Infiltration mit Lokalanästhetika gewährleistet eine
effektive Analgesie bei der Biopsie.
5. Das lokale Staging (T) basiert auf der DRU und möglicherweise auf der MRT.
Weitere Informationen liefert die Anzahl und Lokalisation positiver
Biopsiezylinder, Tumorgrad und PSA-Wert.
6. Lymphknoten Staging (N) ist nur für Patienten mit kurativen Therapieansatz
sinnvoll. Patienten mit einem Tumorstadium von T2 oder weniger, PSA<20ng/ml
und einem Gleason Score≤6 haben in weniger als 10% Lymphknotenmetastasen
und bedürfen möglicherweise nicht der Lymphadenektomie. Ein akkurates
Lymphknoten Staging ist nur operativ möglich.
7. Skelett Metastasen (M) werden am Besten durch ein Skelettszintigramm erfasst.
Dieses ist unnötig für asymptomatische Patienten mit PSA-Werten von weniger als
20ng/ml bei gut oder mittelgradig differenzierten Tumoren.
13
Therapie
Lokal begrenztes Prostatakarzinom
Akzeptiertes Verfahren ist die radikale Prostatovesikulektomie. Die Indikation ist vom
Tumorstadium abhängig. Entsprechend dem biologischen Verhalten des Tumors sollte die
Lebenserwartung mehr als 10 Jahre betragen, um mit der Operation einen Nutzen für den
Patienten zu erzielen.
Patienten mit einem T1a- und Grad 1-Tumor (Gleason score < 7) und einem Tumorvolumen
unter 0,3 cm3 haben einen insignifikanten Tumor. Bei fehlender Komorbidität haben die
Patienten auch mit Tumor eine 15jährige Lebenserwartung. Zur Beurteilung der
Tumorbiologie sind ggf. Re-Biopsien zu empfehlen.
Zugangswege sind retropubisch, perineal und laparoskopisch. Das retropubische und
laparoskopische
Vorgehen
bietet
den
Vorteil,
dass
gleichzeitig
eine
pelvine
Lymphadenektomie durchgeführt werden kann. In jüngerer Vergangenheit gewinnt
zunehmend die Roboter assistierte radikale Prostatektomie an Bedeutung. Hierbei handelt es
sich um die konsequente Weiterentwicklung der laparoskopischen Technik.
Postoperative Komplikationen der radikalen Prostatektomie sind:
Mortalität 0–1,5 %
Inkontinenz bis zu 15 % (Notwendigkeit eines artefiziellen Sphinkters 2 %)
Behandlungsbedürftige Lymphozele 1-3 %
Anastomosenstriktur 0,5-15 %
Häufige Nebenwirkung der radikalen Prostatektomie ohne Nerverhalt ist die erektile
Dysfunktion, die bei über 90% der Patienten auftritt. Die nerverhaltende Prostatektomie
ermöglicht bei gegebener Indikatioin bei bis zu 60 % der Patienten einen Erhalt der erektilen
Funktion - in Abhängigkeit vom Alter, der Tumorausdehnung und der präoperativen
Funktion. Die potenzschonende nerverhaltende radikale Prostatektomie ist bisher den frühen
Tumorstadien mit nur einseitig positiver Biopsie vorbehalten gewesen, weil man mit
vermehrten lokalen Rezidiven gerechnet hatte. Diese Empfehlung wird nach neuerer
Datenlage kontrovers diskutiert. Bei beidseitiger Nerverhaltung sind die positiven
Absetzungsränder nicht erhöht. Die Selektion von Patienten für eine Schonung des
neurovaskulären Bündels wurde bisher von der First International Consultation on Prostate
Cancer wie folgt festgelegt:
präoperative Potenz bei Patienten mit intensivem Wunsch nach deren Erhaltung
14
prä- und intraoperativ nicht zu palpierender Tumor auf der Seite der
Nervenschonung
kein nennenswerter G3-Anteil in der Biopsie
kein palpabler Tumor im Apexbereich
bioptischer Nachweis im Apexbereich wird unterschiedlich beurteilt
T1a, N0, M0
Findet sich im Operationspräparat nach TUR oder offener Adenomektomie in < 5% ein gut
differenziertes Karzinom, ergeben sich folgende Therapieoptionen: „wait-and-see“, radikale
Prostatektomie oder Strahlentherapie. Betrachtet man Nachsorgezeiträume unter 5 Jahren,
zeigen sich vergleichbar günstige Überlebensraten. Unterschiede zugunsten der Operation
finden sich nach 10 Jahren. Bei einer Progressionswahrscheinlichkeit von 50% ohne Therapie
nach 15 Jahren ist bei Patienten mit einer Lebenserwartung von mehr als 15 Jahren die
Indikation zur radikalen Prostatektomie individuell zu stellen. Altersabhängig kann bei gut
differenzierten Tumoren (GI, Gleason < 7) eine Nachresektion oder alleinige PSAkontrollierte Nachbeobachtung diskutiert werden.
T1c N0 M0
Obwohl diese Tumoren nicht palpabel sind und nur durch erhöhtes PSA auffallen, haben sie
in 90% der Fälle ein klinisch relevantes Tumorvolumen. Wie die T2-Tumoren sind sie eine
Indikation zur radikalen Prostatektomie oder Strahlentherapie.
T1b- und T2 N0 M0
Das organbegrenzte PCA ist die klassische Indikation zur radikalen Prostatektomie.
Alternativ ist die Strahlentherapie unter kurativer Zielsetzung möglich. Die progressionsfreien
Überlebensraten nach 10 Jahren liegen zwischen 67 und 90%. Im Vergleich ist ein Vorteil der
Operation gegenüber der Bestrahlung nach 7-10 Jahren in einigen Studien zu erkennen. Ein
direkter Vergleich zwischen Prostatektomie und definitiver hochdosierter 3D-konformaler
Strahlentherapie in einer größeren randomisierten Studie von guter Qualität steht aus.
Retrospektive Studien lassen nur geringere Unterschiede erwarten, wobei jedoch Subgruppen
durchaus von der radikalen Prostatektomie profitieren können. Eine Strahlentherapie bei
PSA-Rezidiv ist dann als zweite lokale Option im Rezidivfall möglich. Die 3D-konformale
Strahlentherapie
hat
deutlich
weniger
Nebenwirkungen,
Strahlentherapie.
15
als
eine
konventionelle
Bei Risikofaktoren PSA > 10 ng/ml oder Gleason ≥ 7 kann die Effektivität der
Strahlentherapie durch eine Erhöhung der Gesamtdosis auf >70 Gy weiter gesteigert werden.
Eine dosisgesteigerte Strahlentherapie sollte nur angeboten werden, wenn im Einzelfall
normales niedriges Nebenwirkungsrisiko in Aussicht gestellt werden kann.
Die lokale Rezidivrate ist nach radikaler Prostatektomie im Vergleich zur hochdosierten
perkutanen Strahlentherapie oder zur kombinierten Afterloadingtherapie niedriger.
Eine randomisierte skandinavische Studie zeigt einen Vorteil für die radikale Prostatektomie
des Prostatakarzinoms gegenüber der kontrollierten Beobachtung: Nach 10 Jahren ist die
Fernmetastasierungsrate in der Gruppe der nicht operierten um 50% höher. Deshalb sollte bei
Patienten mit einer Lebenserwartung von mindestens 10 Jahren eine definitive Therapie
angestrebt werden. Für die Strahlentherapien fehlen randomisierte Studien.
Lokal fortgeschrittenes Prostatakarzinom
T3 N0 M0
Orientiert man sich bei der Therapieplanung nicht an bekannten Risikofaktoren, so hat die
Hälfte der klinisch als T2 klassifizierten Tumoren das Organ überschritten (pT3). Die
Prognose dieser Patienten verschlechtert sich durch das organüberschreitende Wachstum
(lokales Rezidiv) und durch die in vielen Fällen bereits entstehende Mikrometastasierung
(systemischer Progress). Unabhängig von der lokalen Therapie wiesen verschiedene
Untersucher nach 5 Jahren einen PSA-Anstieg als Zeichen des lokalen und/oder systemischen
Progresses bei 35 bis 75% der Patienten nach: 40% der klinisch unauffälligen Patienten haben
nach Operation eines pT3-Tumors ein durch Stanzbiopsie aus dem Anastomosenbereich
nachweisbares Lokalrezidiv.
Der mit unterschiedlicher Verlaufszeit dem klinischen Progress vorausgehenden PSA-Anstieg
weist allerdings darauf hin, daß eine lokale Therapie bei der Mehrzahl der Patienten nicht
kurativ ist. Verschiedene adjuvante Therapieformen werden bei dieser Patientengruppe
diskutiert: Die sofortige Hormontherapie, deren Vorteil gegenüber einer Einleitung erst bei
nachgewiesenem Progress nicht bewiesen ist. Die adjuvante Strahlentherapie, die die lokale
Tumorkontrollrate verbessern kann. Ein Vergleich zur alleinigen endokrinen Therapie fehlt,
ebenso Daten zur verzögerten Behandlung. Ein Einfluss auf das Überleben ist nicht gesichert.
Auch nach hochdosierter konformaler Bestrahlung von T3-Tumoren mit kurativem Ziel
werden nach 10 Jahren lokale Kontrollraten von 70 bis 75% angegeben. Eine
Langzeithormonablation zusätzlich zur Strahlentherapie kann das rezidivfreie und
Gesamtüberleben in diesem Stadium im Vergleich zur alleinigen Strahlentherapie verbessern.
16
Patienten mit einem Prostata-Ca. mit einem Gleasonscore ≤ 6 profitieren auch von einer
Kurzzeithormonablation zusätzlich zur Strahlentherapie. Letztere wurde in der RTOG 8610
Studie zwei Monate vor und während der Strahlentherapie durchgeführt. In jüngeren
Behandlungsserien wird zunehmend auf die Beckenbestrahlung bis zu einer Dosis von 50 Gy
in konventioneller Fraktionierung zugunsten einer konformalen Strahlentherapie der
Prostataregion beim lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinom verzichtet. Bei Patienten mit
einem lokalisierten Prostatakarzinom und einem erwarteten Risiko eines Lymphknotenbefalls
von 15% wurde in einer randomisierten Studie der RTOG die Beckenbestrahlung gefolgt von
einem konformalen Prostataboost mit einer alleinigen konformalen Strahlentherapie der
Prostataregion verglichen. Dabei zeigte sich in der Gruppe mit Beckenbestrahlung bezüglich
des progressionsfreien Überlebens ein Vorteil, nicht aber bezüglich des Gesamtüberlebens
[37]. In dieser Studie wurde eine Kurzzeithormonablation über 4 Monate entweder als
neoadjuvante
oder
als
adjuvante
Hormonablation
durchgeführt.
Bei
Langzeitandrogensuppression ist die Nützlichkeit der Beckenbestrahlung beim lokal
fortgeschrittenen Prostatakarzinom nicht nachgewiesen.
Besondere Situationen in der Behandlung des lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinoms
Die extrakapsuläre Ausbreitung des Tumors verschlechtert bei der radikalen Prostatektomie
die Prognose. Positive Schnittränder nehmen mit der Größe des Tumorvolumens zu [7]. Für
diese Situation existieren keine geprüften Therapiekonzepte. Ein Vorteil der postoperativen
Strahlen-, Chemo- oder Hormontherapie ist im Rahmen prospektiv randomisierter Studien
nicht eindeutig gesichert. In einer randomisierten Studie zeigt die sofortige Hormontherapie
nach Operation eine Verlängerung des progressionsfreien Intervalls im Vergleich zur
verzögert eingesetzten Therapie [31, 32]. Andere Studien bestätigen dies nicht [33, 34]. In
Anbetracht der Nebenwirkungen bei langer Anwendung ist bei nicht gesichertem Vorteil die
Lebensqualität des Patienten entscheidend.
Die alleinige endokrine Therapie des lokal
fortgeschrittenen PCa's stellt kein kuratives Behandlungskonzept dar.
Neue Entwicklung in der Strahlentherapie
Eine weitere Möglichkeit zur Dosiserhöhung stellt die Hochdosis Brachytherapie in
Verbindung mit einer perkutanen Stahlentherapie dar. Insbesondere die Kombination aus
Brachytherapie und perkutaner Strahlentherapie zeigt bei Re-Biopsien nach 1 1/2 bis 2 Jahren
eine niedrige Tumorpersistenz und könnte bei lokal fortgeschrittenem PCA an Bedeutung
zunehmen. Eine abschließende Bewertung dieses Therapiekonzepts steht aus.
17
Die alleinige permanente, interstitielle Niedrigdosis Brachytherapie bei lokal begrenztem
Prostatakarzinom sollte nur bei Patienten mit einem Tumorstadium T2a, d.h. einseitiger
Tumorbefall, oder kleiner, einem Gleason-Score unter 7, einem PSA unter 10 ng/ml und
einem Volumen der Prostata von ca. 50 ml diskutiert werden.
Karzinom mit regionären Lymphknotenmetastasen
Die Inzidenz von Lymphknotenmetastasen korreliert mit der T-Kategorie und dem PSA-Wert.
Bei PSA < 10 ng/ml, Gleason < 7 und einem nicht palpablen Tumor kann unter diagnostischer
Zielsetzung auf eine Lymphadenektomie verzichtet werden. Der therapeutische Wert der
lokalen Therapie bei positiven Lymphknoten ist fraglich. Zwar konnten durch Kombination
mit sofortiger Hormontherapie tumorspezifische 10-Jahresüberlebensraten für pT3 pN0-1Tumoren von 80% erzielt werden, jedoch bleibt unklar, ob solche Ergebnisse nicht auch mit
alleiniger Hormontherapie zu erreichen sind. Die Rolle der Hormontherapie bei dieser
Patientengruppe wird derzeit in einer prospektiven Studie untersucht (EORTC 30846).
Mit der Strahlentherapie werden in Verbindung mit einer antiandrogenen Therapie ähnlich
hohe lokale Kontrollraten wie mit der radikalen Prostatektomie und zusätzlicher
antiandrogener Therapie erzielt. Zur abschließenden Klärung dieser Frage ist eine längere
Nachkontrolle erforderlich. Die Wirksamkeit der Bestrahlung der Lymphabflusswege ist
unklar.
Die
RTOG
85-31
Studie
schloss
Patienten
mit
nachgewiesenen
Lymphknotenmetastasen ein. Eine Strahlentherapie des Becken gefolgt von einem Boost auf
die Prostata gefolgt von einer Langzeitandrogensuppression war effektiver als die alleinige
Strahlentherapie [36]. Ob die kombinierte Strahlen- und Homonentzugstherapie effektiver als
die Hormonablation alleine ist, ist durch randomisierte Studien bisher nicht belegt. Die
kombinierte Strahlentherapie des Beckens gefolgt von einem Prostataboost kann bei
gleichzeitiger
Langzeithormonablation
als
Einzelfallentscheidung
bei
großem
Behandlungswunsch des Patienten in diesem Stadium angeboten werden.
Die akzeptierte Behandlung ist der Behandlung der Patienten mit Fernmetastasen
vergleichbar.
Metastasiertes Prostatakarzinom
Die Androgendeprivation ist die akzeptierte primäre Behandlung bei Fernmetastasen. Bislang
steht der Beweis aus, dass die endokrine Therapie das Leben der Patienten verlängern kann
oder ob sie lediglich die Lebensqualität verbessert. Wegen des fehlenden Nachweises einer
Lebensverlängerung durch eine androgendeprivative Therapie ist der Beginn der Therapie bis
18
heute nicht geklärt. Eine frühe Androgendeprivation beim asymptomatischen Patienten zeigt
ein längeres progressionsfreies Intervall, ohne Einfluss auf das Gesamtüberleben zu nehmen.
Das Therapiekonzept einer verzögerten Androgendeprivation, d.h. bei exponentiell
ansteigendem PSA-Verlauf oder Auftreten von tumorspezifischen Symptomen, führt in bis zu
40% der Fälle dazu, dass die Patienten keine Androgendeprivation benötigen, da sie bereits
vor Auftreten der Progression an anderen Erkrankungen verstorben sind. Bisher wurde nur in
einer Studie der Vorteil einer früh-einsetzenden gegenüber einer verzögert-einsetzenden
Androgendeprivation gezeigt. In dieser Studie sind die Patienten mit verzögert einsetzender
Androgendeprivation allerdings nicht PSA-gesteuert nachuntersucht worden, so dass mehrere
Patienten gar keine Androgendeprivation erhalten haben. Eine operative oder medikamentöse
Androgen-Blockade führt bei Patienten mit Knochenmetastasen zu einer medianen
progressionsfreien Überlebenszeit von 12 bis 33 Monaten und zu einer medianen
Gesamtüberlebenszeit von 23-37 Monaten.
LH-RH/GnRH-Analoga
Durch die Gabe von synthetischen Analoga des natürlichen luteotropen Releasinghormons
(LH-RH-Analoga, GnRH-Analoga) wird innerhalb von 3-4 Wochen der Testosteronspiegel
bis in den Kastrationsbereich gesenkt. Aufgrund eines initialen Testosteronanstiegs im Serum
sollte eine initial dreitägige Gabe eines Antiandrogens vor LH-RH-Therapie und 2 Wochen
danach zur Vermeidung des sogenannte „flare-up“ Phänomens gegeben werden.
Antiandrogene
Antiandrogene sind Endorganantagonisten und werden klassifiziert nach ihrer chemischen
Struktur in steroidale Antiandrogene (z.B. Cyproteronacetat oder Medroxiprogesteronacetat)
oder nicht-steroidale Antiandrogene, sog. reine Antiandrogene wie Flutamid, Nilutamid und
Bicalutamid. Der unter ihrer Gabe steigende Testosteronspiegel führt durch gleichzeitige
Blockierung der prostatischen Androgenrezeptoren zu keinen negativen Auswirkungen. Bei
einem Vergleich von Östrogenen und Antiandrogenen ist der hormonelle Wirkmechanismus
unterschiedlich, der antineoplastische Effekt gleich. Antiandrogene sind weniger toxisch. Der
Orchiektomie unterlegen ist die Gabe von täglich 50mg Bicalutamid. Im Rahmen einer
randomisierten Studie, die den Einsatz von Cyproteronacetat mit Östrogenen verglich, zeigte
sich sowohl bei lokal fortgeschrittenen als auch metastasierten Patienten mit Prostatakarzinom
kein Unterschied bezüglich der Zeit bis zur Tumorprogression sowie dem Gesamtüberleben
der Patienten.
19
Die Monotherapie mit Antiandrogenen wird kontrovers diskutiert. Im Rahmen einer
randomisierten Phase-III-Untersuchung zeigte die Gabe von Flutamid im Vergleich zu DES
keinen signifikanten Unterschied. Im Gegensatz dazu ermittelte die Arbeitsgruppe um Chang
einen Überlebensvorteil für östrogenbehandelte Patienten im Vergleich zur FlutamidMonotherapie . Die Antiandrogen-Monotherapie stellt derzeit keine Standardbehandlung des
metastasierten PCA's dar. Ausnahmen sind ggf. junge Patienten mit lokal fortgeschrittenem
oder geringvolumig metastasiertem Prostatakarzinom (PSA-Spiegel <100 ng/ml) unter der
Vorstellung einer verbesserten Lebensqualität und Aufrechterhaltung der sexuellen Funktion.
Östrogene
Östrogene supprimieren die Produktion des luteotropen Hormons. Hohe Dosierung (> 1
mg/Tag) und orale Darreichungsform führten zu erhöhten kardiovaskulären Komplikationen
und zu einer Ablehnung dieser Therapieform. Im Rahmen randomisierter Untersuchungen
zeigten Östrogene keinen Vorteil im Vergleich zu Orchiektomie (VACURG 1),
Antiandrogenen (Cyproteronacetat, EORTC 30761), Estramustinphosphat (EORTC 30762)
oder Flutamid. Östrogene führen allerdings im Gegensatz zur Orchiektomie bzw. zu LHRHAgonisten zu einer Osteoporoseprotektion der Patienten. Es sind Studien zur Wertigkeit der
Östrogene in der Therapie des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms notwendig.
Komplette Androgendeprivation
Eine Indikation zur primären kompletten Androgendeprivation, d.h. der Kombination von
LH-RH-Analoga oder Orchiektomie mit der Gabe von Antiandrogenen, besteht nicht. Die
zusätzliche Gabe von Antiandrogenen zur LH-RH-Therapie gegen hormonbedingte
Nebenwirkungen (Hitzewallungen) ist in ausgewählten Fällen sinnvoll.
Intermittierende Androgen-Blockade
Präliminäre Daten zeigen, dass die intermittierende Androgen-Blockade durchführbar ist und
die Lebensqualität der Patienten mit hormonsensitiven Tumoren erhöht. Die Ergebnisse der
randomisierten klinischen Studien müssen abgewartet werden, inwieweit die intermittierende
Androgen-Blockade einen Einfluss auf das Überleben der Patienten nimmt.
Hormoninsensitives Prostatakarzinom
Das
Prostatakarzinom
entwickelt
unter
einer
antihormonellen
Therapie
eine
Hormoninsensitivität bei noch hormonabhängigen Tumorwachstum. In diesem Stadium ist
20
der Tumor noch hormonell manipulierbar. Eine einfache Androgenblockade wird in eine
komplette Androgenblockade (Kombination von LH-RH-Analoga oder Orchiektomie mit der
Gabe von Antiandrogenen) überführt. Kommt es darunter erneut zu einem Progress der
Erkrankung, so kann durch Absetzen des Antiandrogens das Antiandrogen-Entzugssyndrom
induziert werden.
Antiandrogen-Entzugssyndrom
Beim Antiandrongen-Entzugssyndrom kommt es zu einem Abfall des Serum-PSA-Wertes
zwischen 37 und 89% nach dem Absetzen einer antiandrogenen Therapie für maximal 3-6
Monate. Als Ursache dieses Effekts werden z.B. Mutationen am Androgenrezeptor diskutiert.
Insbesondere bei Studien mit dem Endpunkt "PSA-Abfall" muss das AntiandrogenEntzugssyndrom berücksichtigt werden. Als Empfehlung kann derzeit gelten, dass bei einem
hormon-unempfindlich gewordenen PCA der Versuch unternommen werden kann, die
antiandrogene Therapie vor der Gabe toxischer Substanzen abzusetzen.
Hormonrefraktäres Prostatakarzinom
Spricht der Tumor nicht bzw. nicht mehr auf eine Hormondeprivation an, wird er als
hormonrefraktär (hormonresistent) bezeichnet. Das Vorliegen eines hormonresistenten
Karzinoms impliziert eine suffiziente Kastration: Der Serum-Testosteronwert sollte bestimmt
werden und im Kastrationsbereich liegen, bevor die Progression als hormonrefraktär
bezeichnet wird. Aufgrund fehlender prospektiver Studien zum Absetzen der antihormonellen
Therapie bei hormonresistenten Prostatakarzinomen sollte die Hormonentzugstherapie als
Monotherapie, ggf. intermittierend oder serumtestosterongesteuert, fortgesetzt werden.
Nach unterschiedlich langer Zeit des Hormonentzugs kommt es zum PSA-Anstieg bzw. zu
den klinischen Zeichen einer Progredienz der Erkrankung. Eine Beeinflussung der
Überlebenszeit ist in diesem Krankheitsstadium nicht zu erwarten; im Vordergrund stehen die
Lebensqualität des Patienten und die Kontrolle von Knochenschmerzen, Lymphödem der
unteren Extremitäten, Harnstauungsnieren und subvesikale Obstruktion.
Chemotherapie
Eine subjektive Besserung durch Chemotherapie lässt sich bei der Mehrzahl der Patienten
erzielen. Allerdings müssen altersentsprechend (Niere, Lunge) und bei ausgedehnten
Knochenmetastasen (Knochenmark) die eingeschränkten Organreserven beachtet werden.
Aufgrund
der
fehlenden
kurativen
Wirkung
21
sollten
sich
Chemotherapie
oder
chemohormonale Kombinationsbehandlung ausschließlich am symptomatischen Progress
orientieren. Ein kurativer Effekt der Chemotherapie ist nicht zu erwarten. Untersuchungen zur
Monochemotherapie des hormonrefraktären PCA's bestätigen diese Hypothese.
Palliative Strahlentherapie
In der palliativen Strahlentherapie steht die symptomatische Therapie der häufig multipel
auftretenden und diffus im gesamten Skelettsystem verteilten Knochenmetastasen im
Vordergrund. Rein osteolytische Knochenmetastasen sind selten, wesentlich häufiger sind
gemischt osteolytisch-osteoblastische Metastasen. Die Indikation zur Strahlentherapie wird
bei stark schmerzhaften Knochenmetastasen oder Frakturgefahr gestellt. 70-90% der
Patienten sprechen auf die Strahlentherapie mit einer deutlichen Schmerzreduktion bis zur
Schmerzfreiheit an, die in ca. 50% der Fälle bis zum Lebensende anhält. Die Fraktionierung
der Bestrahlung wird sehr unterschiedlich gewählt. Je nach Sitz des Tumors kommen
Schemata mit einmal 8 Gy bis zu 10mal 3 Gy oder 18-20mal 2 Gy bei je fünf Bestrahlungen
pro Woche zur Anwendung. Der schmerzlindernde Effekt tritt bei höheren Einzeldosen
schneller ein, er bleibt bei Dosen von 30-40 Gy länger erhalten. Die strahlenbedingte
Rekalzifizierung verläuft langsam. Erst nach zwei bis drei Monaten ist ein klinisch relevanter
Stabilisierungseffekt zu erwarten. Da eine Rekalzifizierung nur über eine Reduktion der
Tumorzellen erreicht werden kann, ist das Ergebnis der Rekalzifizierung auch abhängig von
der Höhe der Gesamtdosis. Es sollten hier Dosen von 30-40 Gy zur Anwendung kommen.
Von
besonderer
Bedeutung
ist
die
Strahlentherapie
bei
frisch
auftretendem
Querschnittsyndrom durch Metastasen: Eine schnelle Einleitung der Strahlentherapie stellt bei
gleichzeitiger hochdosierter Kortisongabe in etwa 30% der Fälle die Gehfähigkeit
paraparetischer Patienten wieder her [86]. Der Einsatz der Strahlentherapie bei
symptomatischen Hirnmetastasen (Klinik: Kopfschmerzen, Hirndruckzeichen) und fehlender
Operabilität solitärer Metastasen ist effektiv und dient der Palliation von Symptomen.
Appliziert werden in der Regel 30-40 Gy in 10-20 Fraktionen, deren Effektivität durch große
randomisierte Studien belegt ist. Die Bestrahlung wird in Verbindung mit einer
Kortikosteroidtherapie durchgeführt.
Palliative interstitielle Strahlentherapie (Isotope)
Ein Schmerzrückgang bei bis zu 80% der Patienten kann durch 89Sr erzielt werden. Patienten
mit einem Karnofsky-Index < 60 profitieren nicht. Weiterhin muss bei der Therapie auf die
Myelosuppression geachtet werden.
22
Nachsorge
Nachsorge nach Therapie mit kurativer Intention
Amerikanische Studien belegen eine PSA-Progression innerhalb von 10 Jahren von ca. 30%,
während andere Gruppen über eine biochemische Progressionsrate innerhalb von 5 Jahren
von 39% im Stadium T1 bis T2 Prostatakarzinom berichten. Aus europäischen Zentren sind
vergleichbare Daten bekannt. Da beim Prostatakarzinom auch Spät-Rezidive 5 Jahre nach
Primärtherapie auftreten können, sollte eine Nachsorge über diesen Zeitraum hinaus bis zu 15
Jahren durchgeführt werde.
Die Nachsorge besteht aus einer krankheitsspezifischen Anamnese, der Befragung von
tumorspezifischen Symptomen und möglichen therapiebezogenen Komplikationen. Ein
wesentlicher Faktor in der Nachsorge von Patienten mit Prostatakarzinom stellt die
regelmäßige Bestimmung des prostataspezifischen Antigens (PSA) dar. Empfohlen wird bei
einer PSA-Erhöhung, diese zu kontrollieren, bevor eine Therapieänderung eingeleitet wird.
PSA-Bestimmung nach radikaler Prostatektomie
Das PSA sollte bei einer Halbwertzeit von ca. 1,7 Tagen 3 Wochen nach radikaler
Prostatektomie unterhalb der Nachweisgrenze abfallen. Ein PSA-Rezidiv beinhaltet einen
konsekutiven PSA-Anstieg in drei aufeinanderfolgenden Messungen, die mindestens 1 Monat
auseinander liegen. Ein rascher PSA-Anstieg postoperativ (hohe PSA-Geschwindigkeit, kurze
PSA-Verdopplungszeit) ist ein Hinweis auf das Vorhandensein von Fernmetastasen, während
ein langsamer und späterer Anstieg des PSA häufig mit einem Lokalrezidiv vergesellschaftet
ist. Die Zeit des PSA-Anstiegs sowie die Tumordifferenzierung sind ebenfalls wichtige
Vorhersagewerte und ermöglichen die Unterscheidung zwischen einem Lokal- und
systemischen Rezidiv.
PSA-Bestimmung nach Strahlentherapie
Im Vergleich zur radikalen Prostatektomie fällt der PSA-Wert nach der Strahlentherapie
deutlich langsamer ab. Dabei ist das Erreichen eines PSA-Nadirs unter 1 ng/ml innerhalb der
ersten 3-5 Jahre nach erfolgter Bestrahlung mit einem günstigen Verlauf vergesellschaftet.
Bei Werten unter 0,5 ng/ml zeigen lediglich 4% der Patienten ein Therapieversagen 40
Monate nach Strahlentherapie. Allerdings beträgt das Intervall bis zum Erreichen des PSANadirs zum Teil bis zu 3 oder mehr Jahre. Die amerikanische Gesellschaft für
23
Strahlentherapie definiert ein Therapieversagen nach Strahlentherapie bei 3 aufeinander
folgenden PSA-Anstiegen unabhängig von dem erreichten Nadir-Wert.
Digital-rektale Untersuchung, transrektale Sonographie, Knochenszintigraphie
Die digital-rektale Untersuchung sollte als Nachsorgeuntersuchung durchgeführt werden um
einen Anhalt für ein Lokalrezidiv zu erlangen.
Die transrektale Sonographie ist sinnvoll in Kombination mit einer geplanten Biopsie bei V.a.
ein Lokalrezidiv. Die Suche nach einem Lokalrezidiv nach radikaler Prostatektomie in der
Absicht eine kurative Strahlentherapie einzuleiten ist nur sinnvoll bei PSA-Werten unter 1
ng/ml.
Eine Knochenszintigraphie ist als Routinenachsorgeuntersuchung bei asymptomatischen
Patienten nicht sinnvoll. Darüber hinaus ist bei Patienten mit Skelettbeschwerden unabhängig
vom PSA-Anstieg eine Knochenszintigraphie indiziert. Ein Knochenszintigramm ist bei PSAWerten unter 40 ng/ml selten positiv und daher bei diesen Patienten in der Regel entbehrlich.
Häufigkeit der Nachsorge
Die
erste
PSA-Bestimmung,
krankheitsspezifische
Anamnese
und
digital-rektale
Untersuchung wird 3 bis 6 Monate nach definitiver Therapie empfohlen, danach wird sie alle
3 bis 6 Monate durchgeführt.
Nachsorge unter Hormontherapie
Die Hauptaspekte der Nachsorge unter Hormontherapie beziehen sich auf das Ansprechen der
Therapie, das Erfassen von Komplikationen und der Tumorprogression.
Die PSA-Wert-Bestimmung stellt die Basis einer Nachsorge unter Hormontherapie dar. Der
PSA-Wert nach 3 und 6 Monaten unter Hormontherapie korreliert mit der Prognose des
Patienten. Die Patienten-Subgruppe mit „normalen“ oder nicht messbaren PSA-Werten nach
3 und 6 monatiger Hormontherapie zeigte die längste Ansprechdauer.
Unter einer antihormonellen Therapie entwickeln die Patienten in Abhängigkeit vom
Ausgangsbefund (z.B. lokal begrenztes Karzinom im hohen Alter, PSA-Redzidiv nach
Operation, asymptomatisches, ossär metastasiertes Karzinom, symptomatischer Patient mit
Metastasen) in durchschnittlich 60, 48, 24, respektive 15 Monaten eine Tumorprogression.
Ein PSA-Anstieg geht
in der Regel mehrere Monate dem Auftreten von klinischen
Symptomen voraus.
24
Der Nachweis einer Nierenbeckenektasie in der Abdominal-Sonographie und die
Bestimmung des Kreatininwertes geben Anhalt auf eine beginnende Niereninsuffizienz bei
Obstruktion der ableitenden Harnwege durch das Prostatakarzinom.
Die Nachsorgetermine nach eingeleiteter Hormontherapie sollten alle 3 Monate erfolgen.
Bei Patienten mit hormonrefraktärem Tumor ist ein individualisiertes Nachsorgekonzept unter
Berücksichtigung der Lebensqualität des Patienten durchzuführen. Therapiebedingte
Komplikationen sind zu beachten und entsprechend zu therapieren.
25
Weiterführende Literatur
Leitlinien der AWMF: http://www.uni-duesseldorf.de/awmf/ll/ll_043.htm
Leitlinien der EAU: European Association of Urology, Guidlines 2007
Leitlinien der AUA: http://www.auanet.org/guidelines/main_reports/proscan07/content.pdf
H. Rübben, Uroonkologie, Springer Verlag
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