Ausgewählter Kongressbeitrag © Schattauer 2010 Schilddrüsenfunktionsstörungen beim Pferd G. F. Schusser; A. Uhlig; A. Spallek; St. Recknagel; J. Breuer; N. Gomaa; L. Locher; G. Köller Medizinische Tierklinik (Direktor: Prof. Dr. Dipl. ECEIM G. F. Schusser), Veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig Einleitung Die Schilddrüse, die palpabel, leicht verschieblich und sonographisch untersuchbar ist, befindet sich kaudal des Kehlkopfes und wird vom M. sternohyoideus bedeckt. Die Blutversorgung erfolgt durch die A. thyroidea cranialis et caudalis aus der A. carotis communis und der Abfluss durch die V. thyroidea cranialis sowie in das Lymphocentrum cervicale profundum. Die parasympathische Innervation übernimmt der N. vagus und sympathische Fasern stammen aus dem Ggl. cervicale craniale (4). Die Schilddrüsenfollikel, die von den Schilddrüsenepithelzellen umschlossen werden, beinhalten thyreoglobulinhaltiges Kolloid. Die entodermalen C-Zellen liegen parafollikulär. Die Schilddrüsenepithelzellen nehmen aus der Blutbahn Jodid mittels eines Natrium-Jodid-Symporters auf, verbinden es mit Thyreoglobulin (Tg), das mit Mono- und Dijodthyrosin zu Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) gekoppelt wird, und geben das jodierte Tg ins Kolloid ab. Durch Pinozytose wird das jodierte Tg von der Epithelzelle aufgenommen, in deren Lysosomen proteolytisch abgebaut und als T3 und T4 in die Blut- und Lymphbahn abgegeben. Der Transport erfolgt mit thyroxinbindendem Globulin (75%), Präalbumin (15%) und Albumin (10%). Nur je 0,3% des T3 und T4 zirkulieren als freies T3 und freies T4 in nicht eiweißgebundener Form. T3 trägt den Hauptanteil der peripheren Hormonwirkung, da die Körperzellen nur T3-Rezeptoren besitzen. Körperzellen sind jedoch in der Lage, eine T4/T3-Konversion herbeizuführen. Die Schilddrüsenhormone wirken auf Wärmeproduktion, Körperwachstum und Entwicklung, Nervensystem, Herz- und Skelettmuskulatur. Laut Literatur werden beim Menschen 70–80% des T4 zu T3 und reversem T3 (rT3) monodejodiert und der Rest wird über andere Stoffwechselwege metabolisiert. Die Diagnostik von Schilddrüsenfunktionsstörungen sollte nie mit der Durchführung von Laboruntersuchungen beginnen. Eine gezielte Anamnese inklusive verabreichter Medikamente und eine vollständige allgemeine Untersuchung können einerseits einen Hinweis auf eine Störung der Schilddrüsenfunktion geben und andererseits in Zusammenhang mit einem auffälligen Befund im Bereich der Schilddrüse eine Schilddrüsenerkrankung vermuten lassen. Die Diagnose einer pathologisch-anatomischen Schilddrüsenveränderung (Struma) und die daraus resultierende Funktionsstörung (Hyperthyreose, Hypothyreose) sollten getrennt beschrieben werden. Zu den Laboruntersuchungen in der Veterinärund Humanmedizin zählen die Bestimmung des thyreoideastimulierenden Hormons (TSH) im Blut und je nach Fragestellung die Messung von freiem und Gesamt-T3 und -T4, Thyreoglobulin, Antikörpern gegen die Membran der Schilddrüsenzellen (Thyreoditis) und die zytologische Untersuchung von Feinnadelbioptaten (5, 8). Szinti- und Sonographie stellen die wichtigsten bildgebenden diagnostischen Verfahren dar (8). Ziel dieser Arbeit war, die in der Literatur beschriebenen Funktionsanalysen der Schilddrüse beim Pferd zusammenzufassen und mit Befunden von Patienten zu vergleichen. Euthyreose Euthyreose ist die physiologische Schilddrüsenfunktion, bei der die Konzentrationen der peripheren Schilddrüsenhormone und des TSH im Serum im Referenzbereich liegen (씰Tab. 1). Stimulationstest mit thyreoideastimulierendem Hormon (TSH) oder ThyreotropinReleasing-Hormon (TRH) Eine Konzentrationsmessung von TT3, FT3, rT3, TT4 und FT4 stellt nur eine Momentanaufnahme der Sekretionsleistung der Schilddrüse dar und TSH reagiert sehr empfindlich auf einen Mangel oder Überschuss von T3 und T4. Daher werden die Feststellung der basalen TSH-Konzentration und die Stimulation mittels TRH, so wie in der Humanmedizin durchgeführt, zukünftig die wichtigsten labordiagnostischen Untersuchungen für die Beurteilung der Schilddrüsenfunktion sein. In 씰Tabelle 2 und 3 sind in der Literatur angegebene Funktionstests und die dazugehörigen Hormonkonzentrationen aufgelistet. Tierärztl Prax 2010; 38 (Suppl 1): S25–S29 Hyperthyreose Korrespondenzadresse Prof. Dr. Gerald Schusser Medizinische Tierklinik der Universität Leipzig An den Tierkliniken 11 04103 Leipzig E-Mail: [email protected] Eine übermäßige Sekretion der Schilddrüsenhormone wird als Hyperthyreose bezeichnet. Ältere Pferde (23 und 21 Jahre) zeigten Leistungsintoleranz, Gewichtsverlust, Polyphagie, Anhidrosis, Tachykardie und Widersetzlichkeit. Die innere Körpertemperatur war normal, doch bestanden in Ruhe eine erhöhte AtmungsTierärztliche Praxis Supplement 1/2010 Downloaded from www.tieraerztliche-praxis.de on 2017-10-21 | IP: 185.32.189.39 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. S25 S26 G. F. Schusser et al.: Schilddrüsenfunktionsstörungen beim Pferd Autor Testmethode TT3 (nmol/l) Breuhaus et al. (2) RIA Sommerdahl et al. (15) RIA TT4 (nmol/l) FT4 (pmol/l) 17,6–22,1 10,5–11,8 Ramirez et al. (12) RIA 8,8–35,2 8,8–30,4 Messer et al. (10) RIA 0,76 ± 0,52 19,9 ± 3,4 14,3 ± 1,1 Sojka et al. (14) RIA 0,57 ± 0,05 20,45 ± 2,5 2,1 ± 0,2 Frank et al. (6) TT3 RIA, TT4 chIA 0,8 ± 0,2 29,6 ± 8,5 Frank et al. (6) thyreoidektomierte Pferde TT3 RIA, TT4 chIA 0,15 ± 0,015 4 W. p. op. < 13 4 W. p. op. Vischer et al. (16) RIA 0,64 ± 0,18 28,8 ± 5,2 Vischer et al. (16) thyreoidektomierte Pferde RIA < 0,1 2 W. p. op. <3 2 W. p. op. Vischer et al. (16) Referenzbereich RIA 0,3–1,2 15,7–29,3 Kraft (8) Referenzbereich RIA 0,4–2,8 13–53 0,75 ± 0,07 FT3 (pmol/l) 0,77 ± 0,31 1,03 ± 0,53 rT3 (nmol/l) 0,74 ± 0,16 0,55 ± 0,07 (≥ 20/min) und Herzfrequenz (48–56/min). Die rechten Schilddrüsenlappen hatten die Maße 8 × 6 cm bzw. 9 × 12 cm. Die Blutbilder und blutchemischen Laborergebnisse ließen keine Abweichungen von den Referenzbereichen erkennen. Nur beim erstgenannten Pferd lag die Albuminkonzentration bei 23 g/l und die γ-GT-Aktivität bei 51 U/l. Die Schilddrüsenhormonkonzentrationen im Serum, gemessen mittels Radioimmunassay (RIA), betrugen 1,77 nmol/l Gesamt-T3 (TT3) und 59,84 nmol/l Gesamt-T4 (TT4) bzw. 12,4 nmol/l TT4 und > 126 pmol/l freies T4 (FT4). Nach der operativen Entfernung der vergrößerten Schilddrüsenlappen beider Pferde wurde histopathologisch die Diagnose Schilddrüsenadenom bzw. -adenokarzinom gestellt. Der TT4-Wert des ersten Pferdes fiel auf 0,9 nmol/l am 7. Tag post operationem (p. op.). Die Konzentrationen der peripheren Schilddrüsenhormone waren Tab. 1 Mittelwerte bzw. Messbereiche peripherer Schilddrüsenhormone im Serum von adulten euthyreoten und thyreoidektomierten Pferden nach Literaturangaben (chIA = Chemoluminiszenz-I mmunassay; W. p. op.= Wochen post operationem) beim ersten Pferd 35 Tage und beim zweiten 2 Wochen (TT4 20,1 nmol/l, FT4 35,9 pmol/l) und 6 Monate (TT4 15 nmol/l, FT4 18 pmol/l) nach der Operation wieder im Referenzbereich. Die Pferde zeigten nach der Operation eine Gewichtszunahme und waren leistungsfähiger und -williger (1, 12). Hypothyreose Eine verminderte Sekretionsleistung der Schilddrüsenhormone wird als Hypothyreose bezeichnet. Bei 14 Fohlen wurde ein Syndrom mit Schilddrüsenhyperplasie und muskuloskelettaler Missbildung, Hypothermie, Saugunlust und verminderter Aktivität festgestellt (9). Die Werte der peripheren, basalen Schilddrüsen- Tab. 2 TSH-Stimulationstest bei euthyreoten adulten Pferden und Werte von TT3, FT3, TT4 und FT4 im Serum (Messung mittels RIA) nach Literaturangaben (Zeitangabe = Stunden post applicationem) Autor TSH Testwerte TT3 (nmol/l) Vischer et al. (16) 5 IU i. v. Basalwerte Stimulationswerte 0,64 ± 0,18 3 h: 2,8 ± 0,9 Messer et al. (10) 5 IU i. m. Basalwerte Stimulationswerte 0,76 ± 0,52 6 h: 5,2 ± 0,5 Sojka et al. (14) 5 IU i. v. Basalwerte Stimulationswerte 0,6 ± 0,08 2 h: 4 ± 0,5 4 h: 2,5 ± 0,3 6 h: 1,6 ± 0,2 FT3 (pmol/l) TT4 (nmol/l) FT4 (pmol/l) 28,8 ± 5,2 4 h: 51,2 ± 7,6 1,03 ± 0,53 6 h: 4,02 ± 0,5 19,9 ± 3,4 6 h: 47,9 ± 3,4 14,3 ± 1,1 6 h: 30,3 ± 1,1 21,8 ± 2,5 2 h: 24,6 ± 4,4 4 h: 58,1 ± 3,3 6 h: 56,2 ± 5,4 3,3 ± 0,5 2 h:7,2 ± 0,8 4 h: 10,3 ± 0,9 6 h: 9,4 ± 0,8 Tierärztliche Praxis Supplement 1/2010 © Schattauer 2010 Downloaded from www.tieraerztliche-praxis.de on 2017-10-21 | IP: 185.32.189.39 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. G. F. Schusser et al.: Schilddrüsenfunktionsstörungen beim Pferd Tab. 3 TRH-Stimulationstest bei euthyreoten adulten Pferden und Werte von TSH, TT3, FT3, TT4 und FT4 im Serum (Messung mittels RIA) nach Literaturangaben (z. B. × erhöht = 3,6 ± 3fach erhöht; Zeitangabe = Stunden/Minuten post applicationem) Autor TRH Testwerte Breuhaus et al. (2) 1 mg i. v. Basalwerte 0,40 ± 0,2 Stimulationswerte 45 min: 0,78 ± 0,2 TSH (ng/ml) Sommerdahl 1,2 mg i. v. Basalwerte 0,1–0,6 et al. (15) Stimulationswerte 2 h: 3,6 ± 3× erhöht TT3 (nmol/l) FT3 (pmol/l) TT4 (nmol/l) FT4 (pmol/l) 0,99 ± 0,5 2–4 h: 2,2 ± 0,06 2,07 ± 1,1 2–4 h: 5,7 ± 1,9 12,9 ± 5,6 4–6 h: 36,8 ± 11,4 12,2 ± 3,5 4–6 h: 23,1 ± 5,9 0,75 ± 0,07 2 h: 2,2 ± 0,3× erhöht 0,77 ± 03 2 h: 2,9 ± 1,1× erhöht 24,4 ± 1,3 4 h: 1,6 ± 0,2× erhöht 19,5 ± 10,8 4 h: 1,4 ± 0,2× erhöht hormone TT3 und TT4 betrugen 0,7–3,3 bzw. 3,9–136,4 nmol/l, wobei Referenzwerte von 0,8–19 bzw. 24,8–464,3 nmol/l, gemessen mittels RIA, angegeben wurden. Ein TSH-Stimulationstest mit 15 IU intramuskulär ergab bei zwei Fohlen einen TT3- und TT4-Anstieg bis 11 bzw. 74,6 nmol/l nach 24 Stunden (9). Magenulzera und Stress wurden mit niedrigen Serumwerten der peripheren Schilddrüsenhormone (TT3, rT3, TT4) in Verbindung gebracht (7, 11). Bei adulten Pferden mit niedrigen Serumkonzentrationen der peripheren Schilddrüsenhormone umfassten die klinischen Symptome Mattigkeit, Leistungsintoleranz, Alopezie, Anhidrosis, episodische Myopathie, rekurrierende Hufrehe, reduzierte Fertilität und Agalaktie bei Stuten nach dem Abfohlen (2, 11). Thyreoidektomierte adulte Pferde zeigten Muskelzittern über 2 Tage p. op. und die innere Körpertemperatur fiel von 37,8 °C auf 36,6 °C in den folgenden 4 Wochen. Die Konzentrationen der Triglyzeride und des Cholesterols stiegen von 0,19 (Referenzbereich bis 0,6 mmol/l) auf 0,85 mmol/l bzw. von 2,6 (Referenzbereich 1,9–3,9 mmol/l) auf 2,9 mmol/l (6). In einer weiteren Studie entwickelten Pferde nach der Entfernung der Schilddrüse eine Bradykardie (25,2 ± 1,6/min) und erst nach Supplementierung mit 0,6 μg T3/kg KM/d und 2,5 μg T4/kg KM/d p. o. stieg die Herzfrequenz in den Referenzbereich (16). Die Konzentration der peripheren Schilddrüsenhormone, gemessen mittels RIA in verschiedenen Labors, von euthyreoten und thyreoidektomierten adulten Pferden sind in 씰Tabelle 1 aufgelistet. Bei thyreoidektomierten Pferden lagen die Konzentrationen von TT3 und TT4 stets sehr niedrig bzw. unterhalb der Nachweisgrenze. Beeinflussung der Serumkonzentration der peripheren Schilddrüsenhormone Einfluss von Medikamenten Phenylbutazon in einer Dosierung von 4,4 mg/kg KM/d i. v. über 7 Tage reduzierte die Konzentration von TT4 und FT4 signifikant (von 36,7 ± 4,4 auf 27 ± 3,9 nmol/l; von 4,7 ± 0,5 auf 3,8 ± 0,6 pmol/l) (15). Dexamethason in einer Dosierung von 0,04 mg/kg KM/d i. m. über 5 Tage erhöhte nur die Konzentration von rT3 und FT3 signifikant (von 0,55 ± 0,07 auf 1,17 ± 0,11 nmol/l; von 1,03 ± 0,53 auf 2,47 ± 0,19 pmol/l) (11). Einfluss von Krankheiten Operierte und konservativ behandelte Kolikpferde, Pferde mit Durchfall, Lungenkrankheit, Ösophagusobstipation, Ösophagusruptur, Milzruptur oder Nierenversagen hatten signifikant niedrigere TT4– und FT4-Konzentrationen im Vergleich zu gesunden Pferden (median 19 nmol/l, 11 pmol/l). Die Medianwerte von TT4 und FT4 der gestorbenen Pferde mit den oben genannten Krankheiten waren niedriger als die der überlebenden Tiere (3). Pferdepatienten der Medizinischen Tierklinik mit makroskopischer Vergrößerung der Schilddrüse Ein 14-jähriger Warmblutwallach zeigte über einen Zeitraum von 1,5 Jahren diskontinuierliche Kolikanfälle und eine zunehmende Schwellung in der oberen Halsgegend. Die Herz- und Atmungsfrequenz sowie die innere Körpertemperatur lagen im Normalbereich. Die obere Halsgegend präsentierte sich rechts vergrößert, weichelastisch und geringgradig schmerzhaft. Sonographisch ließen sich follikuläre, hypoechoische Areale unterschiedlicher Größe darstellen, die durch hyperechoische Septen begrenzt waren (씰Abb. 1). Diese follikulären Areale konnten sonographisch vom umliegenden Gewebe der rechten oberen Halsgegend nicht abgrenzt werden. Der linke Schilddrüsenlappen war verschieblich und nicht schmerzhaft und hatte im Ultraschallbild eine normale Ausdehnung (3 × 3 × 1,5 cm) und Echogenität. Die Parameter des Säure-Basen- und Wasserhaushalts sowie die Ergebnisse der blutchemischen Untersuchungen lagen im physiologischen Bereich. Die Leukozytenzahl betrug 5,6 G/l, das erweiterte Lymphozyten-Neutrophilen-Verhältnis 1 : 3,5 (normal 1 : 2,8). Die Punktion des follikulären Bereichs der rechten Schilddrüse ergab eine bernsteingelbe Flüssigkeit, in der 0,7 G Leukozyten/l und 53 g Gesamtprotein/l gemessen wurden. Die zytopathologische Untersuchung zeigte regelrecht differenzierte Thyreozyten mit einer Proliferationsrate von unter 1%, sodass ein malignes Adenom unwahrscheinlich war.1 Die Konzentrationen von TT3 (RIA) 1 Untersuchungsergebnis von Prof. Dr. A. Tannapfel, Institut für Pathologie, Medizinische Fakultät, Universität Leipzig © Schattauer 2010 Tierärztliche Praxis Supplement 1/2010 Downloaded from www.tieraerztliche-praxis.de on 2017-10-21 | IP: 185.32.189.39 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. S27 S28 G. F. Schusser et al.: Schilddrüsenfunktionsstörungen beim Pferd ämie (27,3 mmol/l; RB 3,1–5,3 mmol/l) mit Glukosurie, Triglyzerid- (13,1 mmol/l) und Cholesterolämie (6,8 mmol/l). Die Konzentrationen von TT3 (nicht nachweisbar) und TT4 (4,7 nmol/l) waren sehr niedrig und der Basalwert von TSH war nicht messbar. Da alle drei Hormone erniedrigte Werte aufwiesen, lag eine sekundäre Hypothyreose vor. Die Stute verstarb. Histologisch konnten ein Adenom in der Pars intermedia der Hypophyse und eine Struma nodosum in der rechten Schilddrüse nachgewiesen werden.2 Diskussion a) b) Abb. 1 14-jähriger Warmblutwallach: a) Ultraschallbild der rechten oberen Halsgegend mit hypoechoischen Arealen, durch hyperechoische Septen getrennt; b) linker Schilddrüsenlappen mit normaler Echogenität und Ausdehnung und TT4 (RIA) im Serum (1,3 und 37,3 nmol/l) sowie im Punktat (0,7 und 21,9 nmol) lagen im Referenzbereich (0,4–2,8 bzw. 13–53 nmol/l) (8). Aufgrund der klinischen Symptome, der zytopathologischen sowie sonographischen Befunde und der Konzentrationen von TT3 und TT4 wurde die Diagnose euthyreote Struma gestellt. Eine chirurgische Entfernung des rechten Schilddrüsengewebes war nicht indiziert. Im folgenden Jahr vergrößerte sich die Umfangsvermehrung in der rechten oberen Halsgegend nicht. Eine 19-jährige Warmblutstute mit Abmagerung hatte permanent eine erhöhte Herz- und Atmungsfrequenz (52 bzw. 24/min) und eine innere Körpertemperatur von 37,8 °C. Zudem fielen Polydipsie und Polyurie auf. Die Schilddrüse war rechts enteneigroß mit deutlichen follikulären Arealen im Ultraschallbild und links hühnereigroß mit normaler Struktur. Das Blutbild zeigte eine Anämie (Erythrozyten 6,25 T/l; Referenzbereich [RB] 6,8–12,9 T/l). Die Leukozytenzahl betrug 7,4 G/l mit einer Lymphopenie (0,74 G/l; RB 1,5–4 G/l). Es bestanden eine Hyperglyk- Fehlfunktionen der Schilddrüse haben Auswirkungen auf den gesamten Organismus (Wärmeproduktion, Körperwachstum und Entwicklung, Nervensystem, Herz- und Skelettmuskulatur), wobei Fehlfunktionen auf jedem Niveau der Hypothalamus-HypophysenSchilddrüsenachse liegen können, sodass diese dann als tertiäre, sekundäre und primäre Krankheit bezeichnet wird. Hypothalamus-, Hypophysen- und Schilddrüsentumoren oder angeborene Fehlfunktionen können als Ursachen gefunden werden. Eine Krankheit, gleich welchen Niveaus, führt zu einer Hypo- oder Hyperthyreose, die dann wieder den Gesamtorganismus beeinflussen (5). Beim Fohlen und adulten Pferd wurde am häufigsten die Hypothyreose beschrieben, wobei stets ein ungenügendes Angebot von T3 und T4 an die peripheren Körperzellen besteht (2). Die Ursache der Hypothyreose der 14 Fohlen könnte ein angeborener Fehler der Hormonsynthese gewesen sein, weil histologisch eine Hyperplasie mit kleinen, irregulären Follikeln (primäre Hypothyreose) festgestellt worden war (9). Zwei Formen der Hypothyreose beim Menschen ließen sich als Vergleich heranziehen: Die T4-Synthese ist zu gering infolge eines zu geringen Volumens funktionsfähigen Schilddrüsengewebes oder infolge eines kongenitalen Defekts im Natrium-JodidSymporter, in der Peroxidase oder in der thyreoidalen Dejodase (5). Die dritte Form der Hypothyreose wurde bei der 19-jährigen Stute nachgewiesen. Infolge des Tumors in der Pars intermedia der Hypophyse wurde die TSH-Produktion derart vermindert, dass keine normale T3- und T4-Synthese möglich war. Es entstand eine sekundäre Hypothyreose. Die Struma nodosum könnte durch Wachstumsfaktoren in den Follikelzellen ausgelöst worden sein. Die Triglyzeridund Cholesterolämie zeigten sich ähnlich wie bei Pferden mit Thyreoidektomie (6). Hyperglykämie, Glukosurie, Polydipsie und Polyurie waren Befunde des equinen Cushing-Syndroms. Die Hyperthyreose wurde hauptsächlich beim älteren Pferd als Folge von Schilddrüsenadenomen festgestellt (1, 12). In Anlehnung an die Humanmedizin wäre bei den genannten älteren Pferden (21 und 23 Jahre alt) die Knotenstruma mit Hyperthyreose infolge autonomer Follikel vergleichbar, denn die Basedow-Struma würde eine sich rasch entwickelnde Hyperthyreose nach sich ziehen (5). Die Knotenstruma verläuft zu Beginn euthyreotisch, wo- 2 Institut für Veterinärpathologie, Direktor Prof. Dr. HA. Schoon, Veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig Tierärztliche Praxis Supplement 1/2010 © Schattauer 2010 Downloaded from www.tieraerztliche-praxis.de on 2017-10-21 | IP: 185.32.189.39 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. G. F. Schusser et al.: Schilddrüsenfunktionsstörungen beim Pferd bei TSH die Schilddrüsenhormonproduktion in normalen Follikelepithelzellen stimuliert und sich die T3- und T4-Konzentrationen im Blut im Referenzbereich befinden. Der 14-jährige Wallach aus dem Patientengut der Medizinischen Tierklinik und die fünf Stuten (14–18 Jahre alt) aus der Kasuistik Scharner und Kappe (13) befanden sich noch in der euthyreotischen Phase, wobei die Follikel mit Kolloid oder inhomogen strukturiert sonographisch nachweisbar waren. Die Hyperthyreose infolge Knotenstruma entwickelt sich allmählich über Jahre, möglicherweise erst bei Pferden über 18 Jahre (1, 12). Thyreoglobulinkonzentrationen im Serum als Marker eines aktiv pathologischen Prozesses in der Schilddrüse wurden bei den vorhin genannten Pferden nach der Operation nicht untersucht (1, 5, 12, 13). Fazit Zur Schilddrüsendiagnostik gehören neben der ausführlichen Anamnese und vollständigen allgemeinen Untersuchung die Funktionsdiagnostik, histologische Gewebeuntersuchung und die Ultraschalluntersuchung. In Zukunft werden die Bestimmung der Thyreoglobinkonzentration und der Antikörper im Serum sowie die Szintigraphie die Diagnostik ergänzen. Die Funktionsdiagnostik umfasst in erster Linie den Nachweis des TSH-Basalwerts und danach die Messung von TT3, FT3, rT3, TT4 und FT4, weil die Werte der zirkulierenden Hormone TT3 und TT4 noch im Referenzbereich sein können, während ein supprimierter TSH-Wert schon eine Hyperthyreose und eine erhöhte TSH-Konzentration eine Hypothyreose ankündigen. Literatur 1. Alberts MK, McCann JP, Woods PR. Hemithyroidectomy in a horse with confirmed hyperthyroidism. JAVMA 2000; 217 (7): 1051–1054. 2. Breuhaus BA. Thyroid-stimulating hormone in adult euthyroid and hypothyroid horses. J Vet Intern Med 2002; 16: 109–115. 3. Breuhaus BA, Refsal KR, Beyerlein SL. Measurement of free thyroxine concentration in horses by equilibrium dialysis. J Vet Intern Med 2006; 20: 371–376. 4. Cerny H, Gille U. Endokrine Drüsen. In: Anatomie für die Tiermedizin. Salomon FV, Geyer H, Gille U, Hrsg. Stuttgart: Enke 2005; 622–632. 5. Gerber H, Studer H. Schilddrüse. In: Klinische Pathophysiologie. Siegenthaler W, Hrsg. 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