Gezielt Risiken vorbeugen und Arzneimittelnebenwirkungen

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Gezielt Risiken vorbeugen und Arzneimittelnebenwirkungen
vermeiden
Empfehlungen zur Prävention*
Die Empfehlungen zur Prävention haben das Ziel, einen Beitrag zur gesundheitlichen
Lebensqualität, Krankheitsrisikovorsorge und Vermeidung von
Arzneimittelnebenwirkungen zu leisten. Diagnostische und prädiktive Tests sollen
Angaben des Evidenzgrades entsprechend der Klassifizierung der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses sowie Handlungsoptionen für
ärztliche Vorsorge und Behandlung sowie für den persönlichen Lebensstil enthalten.
Der Hinweis auf gesundheitliche Risiken soll als Motivationsmotor zur
Bewusstseinsbildung wirken und zu einer lebensbejahenden Vorsorgekultur
beitragen. Die in Krankheitsrisiko-orientierte Tests und in Genotyp-basierte
Phänotyp-adjustierte Diagnostik gegliederten beispielhaften Empfehlungen werden
halbjährlich aktualisiert.
Tests haben einen hohen gesundheitlichen Nutzen, können aber auch schaden.
Deshalb erfolgt laborärztliche Diagnostik in einer Qualitätspartnerschaft mit den
vertragsärztlichen Haus- und Fachärzten. Die Qualitätssicherung der Vorsorge und
Früherkennung muss die Befähigung des Bürgers zu einem gesunden Lebensstil
einschließen. Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung kann ein
gutes Präventionsmanagement für die drei häufigsten Erkrankungen Herzschwäche,
Depression und Bluthochdruck 2.2 Milliarden Euro pro Jahr bei der
Krankenbehandlung einsparen. Der Nutzen Genotyp-basierter Phänotyp-adjustierter
Diagnostik liegt in der gezielten Auswahl des geeigneten Arzneimittels mit rascher
und sicherer Wirksamkeit bei weniger Nebenwirkungen für den individuellen
Patienten.
Der Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der gesundheitlichen Prävention wurde am
20. März 2013 vom Bundeskabinett beschlossen. Das Artikelgesetz enthält das
Präventionsgesetz, das Gesetz über die Stiftung Prävention und Gesundheitsförderung und das Gesetz über die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
Es sind gemeinsame verbindliche Gesundheitsförderungs- und Präventionsziele,
sowie Vorsorgeleistungen, eine präventionsorientierte Fortentwicklung der
Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten bei Kindern, Jugendlichen und
Erwachsenen, die Finanzierung von Leistungen zur Prävention und die
Sicherstellung der Qualität von Prävention und Gesundheitsförderung vorgesehen.
* Stand 22. März 2013. Die Auswahl der Tests erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.
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Krankheitsrisiko-orientierte Tests
Frauengesundheit
HPV (Humanes Papillomavirus)-Test
Zellabstrichtest am Gebärmutterhals
CE-Kennzeichnung und FDA-Zulassung
Blutbasierter Test, dezentrale Messung
Patentgeschützt, www.qiagen.com
Es gibt mehrere HPV-Testverfahren
Nachweis viralen Erbguts zur Risikobestimmung für den bösartigen Tumor des
Gebärmutterhalses
Der Test zeigt an, ob bei einer Frau ein Niedrigrisiko- oder Hochrisikovirus
nachweisbar ist. Zur krankheitsspezifischen Mortalität und zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität liegen bisher keine belastbaren Studien vor.
In Deutschland erkranken etwa 5000 Frauen jährlich an Gebärmutterhalskrebs.
Krebserkrankungen im Frühstadium, ohne Befall des umliegenden Gewebes, heilen
mit bis zu 40% von selbst wieder aus. Bis zu 15% entwickeln einen fortgeschrittenen
Gebärmutterhalskrebs. Die Häufigkeit von HPV-infektionen ist altersabhängig. Die
höchsten Erkrankungsraten weisen sexuell aktive junge Frauen bis zum 30.
Lebensjahr auf.
Es sind über 100 verschiedene HP-Viren bekannt. Etwa 40 Typen betreffen
Infektionen im Genitalbereich und sind sexuell übertragbar. Nach Schätzungen
Infizieren sich bis zu 90% der sexuell aktiven Frauen im Laufe ihres Lebens mit
einem HP-Virus. Bei den meisten Frauen werden die HP-Viren folgenlos von der
körpereigenen Abwehr wieder beseitigt. Die Hochrisiko-Virentypen hrHPV 16 und 18
sind mit etwa 70% an der Entstehung des Gebärmutterhalskrebs beteiligt.
Handlungsoptionen
Es sollte beachtet werden, dass sich ein großer Anteil der Krebsvorstufen von selbst
ausheilt. Die ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut empfiehlt allen
Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren eine Impfung gegen HPV. Für Mädchen und
Frauen sind zur Erstinformation die Merkblätter der Gesundheitsinformation.de zu
empfehlen.
Männergesundheit
Progensa™PCA3-Test
Urinbasierter Test, dezentrale Messung
Patentgeschützt, www.gen-probe.com
Prostatakrebs ist in Deutschland die häufigste diagnostizierte Krebserkrankung des
Mannes.
PCA3 bezeichnet einen Biomarker für das Prostatakarzinom. Der Progensa™PCA3Test ist ein molekulargenetischer Test mit einer sehr guten Spezifität, bei dem
Prostatazellen aus einer Urinprobe analysiert werden.
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Nach einer ärztlichen Tastuntersuchung der Prostata werden Prostata-Zellen
einschließlich eventuell vorhandener Krebszellen in den Urin freigesetzt.
Handlungsoptionen
Der Biomarker PCA3 findet als Entscheidungsgrundlage für eine Biopsie
Verwendung.
Endokrine und Stoffwechselstörungen
Diagnostische Gentests
„Eine diagnostische genetische Untersuchung darf nur durch Ärztinnen oder Ärzte
....vorgenommen werden.“ (§7 Abs.1 GenDG vom 31. Juli 2009)
Gentest bei erblicher Hämochromatose
Blutbasierter Test, dezentrale Messung
In Deutschland leben etwa 200000 Menschen mit einer Hämochromatose Eisenspeicherkrankheit. Männer sind wesentlich häufiger betroffen als Frauen. Die
Erkrankung kann bei frühzeitiger Diagnose erfolgreich behandelt werden. Die
häufigsten Symptome sind eine Lebervergrößerung, Diabetes mellitus und eine
dunkle Hautpigmentierung. Bei der Erkrankung kommt es zu einer erhöhten
Aufnahme von Eisen im oberen Dünndarm. Der Gesamtkörpereisengehalt steigt
dadurch vom Normwert 2-6 g auf bis zu 80 g. Diese Überladung führt zu
Organschäden insbesondere der Leber, aber auch der Bauchspeicheldrüse, Herz,
Gelenken, Milz, Hirnanhangdrüse, Schilddrüse und Haut. Mehr als die Hälfte der
Patienten weisen bei der Diagnose bereits eine Leberzirrhose auf.
Anlassbezogen sollte deshalb frühzeitig eine Ferritin-Bestimmung oder eine
Bestimmung der Transferrin-Sättigung im Blut durchgeführt werden. Auffällige
Befunde können dann weiter abgeklärt werden.
Die erbliche Hämochromatose wird autosomal-rezessiv vererbt. Überwiegend wird
sie durch eine Punktmutation im HFE-Gen verursacht. Insgesamt sind fünf
verschiedene Gene bekannt, deren Defekte zu einer erblichen Hämochromatose
führen können.
Typ1: HFE (Chromosom 6 Genlocus p21.3), Genprodukt: Erbliches
Hämochromatose-Protein als häufigste Mutation.
Typ2A: HJV (Chromosom 1 Genlocus q21), Genprodukt Hämojuvelin
Typ2B: HAMP (Chromosom 19 Genlocus q13.1, Genprodukt Hepeidin
Typ3: TFR2 (Chromosom 7 Genlocus q22), Genprodukt Transferrin-Rezeptor 2
Typ4: SLC11A3 (Chromosom 2 Genlocus q32, Genprodukt Ferroportin
Die Typen 1-3 werden jeweils autosomal-rezessiv, Typ 4 wird autosomal-dominant
vererbt.
Handlungsoptionen
Behandlung entsprechend dem diagnostisch gesicherten Krankheitsstand durch
einen internistischen Facharzt für Hepatologie.
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Gentest bei familiärer Hypercholesterinämie
Blutbasierter Test, dezentrale Messung
Die familiäre Hypercholesterinämie ist unterdiagnostiziert und unterbehandelt,
insbesondere bei Kindern. Es wird geschätzt, das nur 20% der Erkrankungen
diagnostiziert werden.(European Heart Journal (2013) 34, 962-971). Personen mit
familiärer Hypercholesterinämie haben ein 20 Mal höheres Risiko für kardiovaskuläre
Erkrankungen als die Normalbevölkerung. Es gibt keine international belastbaren
Leitlinien für die Diagnose.
Empfohlen wird zunächst eine Cholesterin Bestimmung im Blut und Bewertung des
Ergebnisses in Zusammenhang mit dem Alter und der familiären Belastung naher
Angehöriger durch kardiovaskuläre Erkrankungen. Gemäß Empfehlungen der
MEDPET (Make Early Diagnosis to Prevent early Death) in den USA, UK (Simone
Broome) und Dutch Lipid Clinic. Bei auffälligen Befunden kann eine genetische
Abklärung durchgeführt werden.
Das National Institute of Clinical Excellence (NICE) empfiehlt den Gentest als klinisch
valide und Kosten-effektiv.
Drei molekulare Pathways verursachen die familiäre Hypercholesterinämie., die
Mutation des LDL-Rezeptors (Low-density-lipoprotein rezeptor) Gens auf dem kurzen
Arm des Chromosom 19, die Mutation des ApoB-100 Gens auf dem Chromosom
2p24-p23 und die Mutationen auf dem PCSK 9 (Pro-Protein Convertase
Subtilisin/Kexin) Gens. Als Folge der Mutationen LDL-Rezeptor entfernt die Leber
weniger LDL-Cholesterin aus dem Blut, der Cholesterinspiegel steigt und damit das
Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen .
Die heterozygote familiäre Hypercholesterinämie-heFH-(Vererbung durch einen
Elternteil) betrifft etwa 1 von 500 Menschen, die homozygote familiäre
Hypercholesterinämie-hoFH- (Vererbung durch beide Elternteile) etwa 1 von 1 Million
Menschen.
Es werden die polygene und die monogene familiäre Hypercholesterinämie
unterschieden. Bei der polygenen Form sind neben der genetischen Ursache der
persönliche Lebensstil und die Ernährung wichtige krankheitsverstärkende Faktoren.
Die Cholesterinwerte im Blut betragen meist zwischen 250 und 350 Milligramm pro
Deziliter beziehungsweise 6,4 und 9 Millimol pro Liter bei einem Normwert von unter
200 mg/dl beziehungsweise 5,2 mmol/l.
Die monogene familiäre Hypercholestereinämie ist heterozygot (Vererbung durch
einen Elternteil) oder homozygot (Vererbung durch beide Elternteile) verursacht. Die
Mutation betrifft das Gen, das die Andockstelle (Rezeptor) der Leberzellen für LDLCholesterin steuert. Bei der heterozygoten Hypercholesterinämie ist nur ein Teil der
Rezeptoren betroffen , bei der homozygoten Form stehen keine funktionstüchtigen
Rezeptoren für das LDL-Cholesterin bereit.
Handlungsoptionen
Lipidsenkende Arzneimitteltherapie. Erst-Linientherapie für Erwachsene mit heFH
sind Statine.
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Gentest bei Kleinwuchs
Blut-basierter Test, zentrale Messung
Menschen mit einer klinisch definierten reduzierten Körpergröße können aus
verschiedenen Gründen kleinwüchsig sein. Kleinwuchs kann auf Mutationen
bestimmter Gene zurückgeführt werden. Ernährung, Hormonmangel und
psychosoziale Bedingungen können ebenfalls die Körpergröße beeinflussen.
Handlungsoptionen
Der Gentest ist die Voraussetzung für die Entscheidung einer geeigneten Therapie
Erkrankungen des Blutes
Gentest Faktor V Leiden/Prothrombin (Faktor II) Mutation (G20210A)Blutgerinnungsstörungen
Blutbasierter Test, dezentrale Messung
Als Präventionsparameter gibt es bisher keine belastbare Evidenz. Die Bestimmung
kann aber vor der Verordnung von Kontrazeptiva bei positiver Familieanamnese
sinnvoll sein, um Risikopatienten zu erkennen. Nach stadtgehabter Thrombose kann
die Bestimmung erblicher Risikofatoren einer Blutgerinnungsstörung diagnostisch
sinnvoll sein.
Die genetischen Tests Faktor-V-Leiden-Mutation und Prothrombin (Faktor II) Mutation (G20210A) sollen nur einmal im Leben durchgeführt werden, da sie sich
nicht verändern.
Die Faktor-V-Leiden-Mutation (FVL) wird autosomal-dominant vererbt. FVL ist die
häufigste thombophile Gerinnungsstörung. In Europa sind etwa 5% der Bevölkerung
heterozygote (Vererbung durch einen Elternteil) Träger der FVL-Mutation, 0,05 bis
0,5% sind homozygote Träger, die je ein mutiertes Allel von Vater und Mutter geerbt
haben.
Anstelle des direkten Nachweises des Faktor-V-Leiden erfolgt teilweise eine
funktionelle Untersuchung der aktivierten Protein-C (APC)-Resistenz. In etwa 95%
der Fälle von APC-Resistenz liegt auch eine Mutation des Faktor-V-Leiden vor. Bei
einer auffälligen APC-Resistenz muss geklärt werden, ob eine heterozygote oder
homozygote Mutation vorliegt.
Prothrombin ist die Vorstufe des aktiven Gerinnungsenzyms Thrombin, das eine
Schlüsselrolle bei der Regulation der Blutgerinnung spielt. Die Prothrombin Mutation
im Faktor V-Gen von Guanin (G) zu Adenin (A) wird durch DNA-Sequenzierung
nachgewiesen. Sie ist verbunden mit einer erhöhten Aktivität von Faktor II im
Blutplasma.
Handlungsempfehlung
Ärztliche Behandlung der Blutgerinnungsstörung
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Früherkennung von Krebs
Das am 31. Januar vom Deutschen Bundestag und am 1. März 2013 vom Deutschen
Bundesrat verabschiedete Gesetz zur Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung
und zur Qualitätssicherung durch klinische Krebsregister (Krebsfrüherkennungs- und
-registergesetz) soll die Strukturen, Reichweite, Wirksamkeit und Qualität der
bestehenden Krebsfrüherkennungsangebote verbessern. Die Krankenkassen
werden ihre Versicherten künftig regelmäßig anschreiben und zu Brustkrebs-,
Darmkrebs- sowie Gebärmutterhalskrebsfrüherkennung einladen. Neben dem bereits
eingeführten Mammographie-Screening wird der Gemeinsame Bundesauschuss
innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten des Krebsfrüherkennungs- und -registergesetzes die inhaltliche und organisatorische Ausgestaltung der Früherkennungsprogramme für Gebärmutterhalskrebs und Darmkrebs beschließen.
Früherkennung von Darmkrebs
Methylierter Septin9 DNA Biomarker-Test
Epi ProColon® 2.0 CE Test
Blut-basierter Test, dezentrale Messung
Patentgeschützt, www.epiprocolon.com
Der Septin9 Bluttest ermöglicht den Nachweis des Biomarkers Sept9 in Blutplasma.
Dieser Biomarker tritt spezifisch bei Darmkrebs auf. Es handelt sich um das
epigenetisch methylierte Gen Septin9, das bei Darmkrebs vorkommt, im gesunden
Darm nicht. Der Sept9 Biomarker weist eine Gesamt-Sensitivität für Darmkrebs von 70% bei einer Spezifität von -90% auf.
Die Bestimmung der Tumor-M2-Pyruvatkinase im Stuhl sowie die immunologische
Bestimmung des Hämoglobins und des Hämoglobin/Haptoglobin-Komplexes sind
Tests, für die gleichfalls falsch-positive Testergebnisse in Kauf genommen werden
müssen.
Handlungsoptionen
Vorstellung in einem zertifizierten Darmkrebszentrum
BRCA-Test für erblichen Brustkrebs
Blut-basierter Test, dezentrale Messung
Bei etwa 5% der an Brustkrebs erkrankten Patientinnen liegen erbliche Mutationen
der Gene BRCA1 und BRCA2 vor. Für Trägerinnen einer pathogenen BRCAMutation erhöht sich das Erkrankungsrisiko für Brustkrebs von ca. 10% auf etwa
80%. Der durch BRCA-Mutationen disponierte familiäre Brustkrebs zählt zu den
häufigsten vererbten Erkrankungen. Nach genetischer Beratung kann eine
Gendiagnostik durchgeführt werden.
Die gezielte Mutationsanalyse bei bekannter familiärer Mutation erfolgt in etwa 14
Tagen. Wenn eine familiäre Mutation nicht bekannt ist, erfolgt eine abgestufte
Sequenzierung aller kodierenden und deren flankierenden nichtkodierenden
Bereiche der Gene BRCA1, BRCA2 in Abhängigkeit von ethnischer Zugehörigkeit,
Rezeptorstatus des Primärtumors und Familienanamnese der Erkrankten. Bei
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Unauffälligkeit der Sequenzierung wird eine Deletions/Duplikationsanalyse
durchgeführt.
Handlungsoptionen
Vorstellung der Hochrisikopatienten in einem zertifizierten Darmkrebszentrum.
Laborärztliche Basistests zur Früherkennung von Krankheiten
Versicherte, die das 35. Lebensjahr vollendet haben, haben nach § 25 SGB V jedes
zweite Jahr Anspruch auf eine ärztliche Gesundheitsuntersuchung zur
Früherkennung von Krankheiten, insbesondere zur Früherkennung von HerzKreislauf und Nierenerkrankungen sowie der Zuckerkrankheit. Aktuell sind
laborärztliche Untersuchungen des Gesamtcholesterins und der Glukose nach den
Gesundheitsuntersuchungs-Richtlinien in der Fassung vom 16. Dezember 2012
vorgesehen. Für den Check 35 liegt bisher keine Evidenzbasierung vor.
Während der Schwangerschaft sind für Versicherte ein Glukose-Toleranztest sowie
ein Hepatitis B Test und ein HIV-Antikörpertest zur Früherkennung einer Infektion im
GKV-Leistungskatalog vorgesehen.
Über die gesetzlichen Leistungen hinaus gehende Vorsorgeuntersuchungen sind
vertrauensvoll mit dem behandelnden Arzt oder der Krankenkasse zu besprechen.
Es kommen beispielsweise folgende Untersuchungen infrage:
- Kleines Blutbild (Ausschluss Blutarmut, Ausschluss Erkrankungen des blutbildenden Systems)
- Kreatinin und berechnete GFR (Ausschluss von Nierenfunktionsstörungen)
- ALT, gamma-GT, Bilirubin (Ausschluss von Leberschädigung)
- TSH (Ausschluss von Erkrankungen der Schilddrüse)
- Cholesterin, LDL-, HDL-Cholesterin, Triglyceride (Fettstoffwechselstörung)
- HbA1c (Ausschluss Zuckerkrankheit)
Ziel ist die frühzeitige Entdeckung häufiger und gut therapierbarer Erkrankungen
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Genotyp-basierte Phänotyp-adjustierte Diagnostik
Genotypbasierte Arzneitherapie beim behandelnden Arzt ist eine gendiagnostische
Methode zur Beurteilung der Response, des Ansprechens auf die Behandlung mit
einem spezifischen Arzneimittel bei einem individuellen Patienten, zur Beurteilung
der zu erwartenden Arzneimittel-Metabolisierung, zur Bestimmung des DosisWirkungsverhältnisses und zur Bestimmung der zu erwartenden Nebenwirkungen.
Bei der Genotypisierung wird an einem Genort untersucht, ob Homo- oder
Heterozygotie vorliegt. Vererbte Eigenschaften von Enzymen, Transportproteinen,
Rezeptoren etc. werden hinsichtlich der Optimierung einer Arzneimitteltherapie
einmalig festgestellt und sind prinzipiell unveränderlich. Allerdings können trotz
unveränderter Erbanlage Enzyme, Transportproteine, Rezeptoren etc. auch durch
eine Erkrankung, Nahrungsmittel, eingenommenen Medikamente usw. in ihrer
Aktivität verändert sein. Dieses nach außen wirkende Erscheinungsbild nennt sich
Phänotyp und ist veränderlich. Der Genotyp legt also eine prinzipielle Veranlagung
fest, dessen Ausprägung der Phänotyp angibt. Bei einigen arzneimittelverstoffwechselnden Enzymen ist bekannt, dass diese in der Bevölkerung bis zu 4
unterschiedliche Phänotypen der Aktivität aufweisen (von keiner bis zu deutlich
gesteigerter Aktivität).
Für die Anwendung und Dosierung von Arzneimitteln, die von Mensch zu Mensch
unterschiedliche Wirkungen und Nebenwirkungen haben, sind Leitlinien zur
individualisierten Anwendung wünschenswert. Die wissenschaftlich begutachteten
Leitlinien des 2009 gegründeten CPIC – Clinical Pharmacogenetics Implementation
Consortium, einem gemeinsamen Projekt des PharmGKB und des
Pharmacogenomics Research Network haben das Ziel, pharmakogenetische Tests
in die ärztliche Praxis einzuführen (http://www.pharmgkb.org).
Arzneimittel, vor deren Verordnung auf Grund des Wirkungs- und Nebenwirkungsprofils eine Genotypisierung empfohlen wird.
Depression
-Bei Antidepressiva verschiedener Substanzklassen (selektive SerotoninRückaufnahme-Inhibitoren Citalopram und Fluoxetin (CPIC Guideline CYP2D6SSRIs underway), selektive Serotonin-Noradrenalin-Rückaufnahme-Inhibitor
Venlafaxin und trizyklische Antidepressiva (nichtselektiver
Monoaminrückaufnahmehemmer), z. B. Amitripilin (CPIC Guideline CYP2D6,
CYP2C19 genotypes and dosing of tricyclic antidepressants TCAs) wird eine
CYP2D6 Genotypisierung empfohlen.
Metabolisches Syndrom
-Hochdosierte Einnahme des Lipidsenkers Simvastatin ist bei einer bestimmten
genetischen Ausstattung (SLCO1B1, rs4149056) mit gehäuftem Auftreten von
Muskelschmerzen assoziiert (http://www.ncbi.nim.nih.gov/pubmed/22617227).
Die Ergebnisse der Heart Protection Study haben eine erhebliche Reduktion des
vaskulären Risikos durch die Einnahme von Simvastatin unabhängig vom
individuellen Genotyp ergeben (European Heart Journal (2013) 34, 982-992).
8
Erkrankungen des Blutes
-Bei Clopidogrel, einem die Blutgerinnung hemmenden Medikament
(http://www.ncbi.nim.nih.gov/pubmed/21716271) wird die CYP2C19 Genotypisierung
empfohlen.
-Die Wirkung des Blutgerinnungs-hemmenden Medikaments Phenprocoumon
(Marcumar®) wird durch eine Erbanlage im VKORC1-Gen beeinflusst.
Prä- und postmenopausaler Brustkrebs
Ziel der CYP2D6 Genotypisierung ist die Prognose des Rückfallrisikos durch
Bestimmung der Relevanz zur endokrinen Brustkrebstherapie.
Tamoxifen senkt die Brustkrebs-Wiederentstehung um 50 % und die Sterblichkeit um
30 % (The PharmGKB-Blog, 21. Januar 2013, Daniel Klein)
Auf Grund des unterschiedlichen, genetisch determinierten Stoffwechsels von
Tamoxifen bietet sich auch eine Blutspiegel-Bestimmung an. So kann kontrolliert
werden, ob ausreichend aktive Substanz durch CYP2D6 gebildet wird. Auch ohne
genetischen Enzymeffekt können zahlreiche Arzneimittel (z.B. Antidepressiva) eine
CYP2D6 Hemmung bewirken. In diesen Fällen ermöglicht erst die BlutspiegelBestimmung eine genaue Dosis-Anpassung. Bei Patienten, die keine hemmenden
Arzneimittel einnehmen, ermöglicht die Bestimmung der Tamoxifen-StoffwechselProdukte Rückschlüsse auf den CYP2D6 Genotyp.
Tests bei Patientinnen mit postmenopausalen Brustkrebs haben keine Evidenz
Autoimmunerkrankungen
HIV
-Genetische Varianten im HLA-System müssen vor Gabe des HIV-Therapeutikums
Abacavir ausgeschlossen sein, um schwere Nebenwirkungen zu vermeiden (HLAB*5701).
-Eine Genotypisierung des HIV-Virus eines Patienten ermöglicht die Auswahl von
geeigneten antiviralen Medikamenten und schließt ein Therapieversagen aufgrund
von vorbestehenden Resistenzen des HI-Virus aus.
Knochenmark-Toxizität
-Das Medikament Azathioprin wird v.a. bei zahlreichen Autoimmunerkrankungen zur
Vermeidung oder Verringerung einer Kortisontherapie eingesetzt. Allerdings kann die
genetische Defizienz des TPMT-Enzyms zu schwerwiegenden Nebenwirkungen
einer Azathioprin-Therapie führen (sog. Knochenmark-Toxizität).
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Hautkrankheiten
Stevens-Jonson-Syndrom
-Varianten im HLA-System sind für ein gesteigertes Risiko verantwortlich, schwerste
Formen von Hautausschlägen (sog. Stevens-Jonson-Syndrom (SJS) zu erleiden.
Urologie
Hyperurikämie
-Varianten im HLA-System sind für ein gesteigertes Risiko verantwortlich, toxisch
epidermale Nekrolyse (TEN) unter der Therapie mit Allopurinol (HLA-B*5801,
Harnsäure-senkendes Medikament) zu erleiden.
Epilepsie
-Varianten im HLA-System sind für ein gesteigertes Risiko bei der Anwendung von
Carbamazepin (HLA-A*3101) verantwortlich,
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Genotypbasierte Arzneimitteltherapie der Depression*
1. Epidemiologie der Depression
Depressionen sind nach der Weltgesundheitsorganisation - WHO - noch vor Diabetes
mellitus, koronarer Herzerkrankung und Herzinsuffizienz als die gesellschaftlich belastendste
Krankheitsgruppe einzuordnen. Im Zeitraum von einem Jahr leiden 12% der Bevölkerung im
Alter von 18 bis 65 Jahren (6 Millionen Personen) unter einer affektiven Störung (12-MonatsPrävalenz).Die Lebenszeitprävalenz liegt bei 19%, bei Frauen bei 25%, Männer bei 12%.
Frauen sind in allen Altersgruppen doppelt so häufig betroffen wie Männer. Das
Erkrankungsrisiko liegt bei Kindern und Jugendlichen bis zum 14. Lebensjahr mit 2 bis 3%
niedrig.
Depressionen haben bei 60 bis 75% einen rezidivierenden Verlauf. Häufige
Begleiterkrankungen sind Angststörungen und Suchterkrankungen. Depressionen
verursachen eine erhebliche Beeinträchtigung der gesundheits-bezogenen Lebensqualität.
Typische Symptome sind niedergedrückte Stimmung, Freud-, Interesse- und
Antriebslosigkeit sowie chronische Unentschlossenheit (Abulie). Auch körperliche
Beschwerden wie Schmerzen oder Müdigkeit können auftreten. Weitere Symptome der
Depression sind ein vermindertes Selbstwertgefühl, Appetit- und Schlafstörungen sowie
unbegründete Selbstvorwürfe oder unangemessene Schuldgefühle.
Auch sind Depressionen die häufigste Ursache für eine Selbsttötung. Etwa 15% der
Patienten mit einer affektiven Störung suizidieren sich im Krankheitsverlauf. Es wird
angenommen, dass etwa 50% der Suizide auf depressive Erkrankungen zurückzuführen
sind. Weltweit tötet sich ein Mensch alle 40 Sekunden selbst. In der Altersgruppe der
Fünfzehn- bis Vierundvierzigjährigen ist der Suizid inzwischen eine der drei häufigsten
Todesursachen, bei den Zehn- bis Vierundzwanzigjährigen sogar die zweithäufigste
Todesursache. Der größte Teil der Menschen mit vorsätzlicher Selbsttötung ist jedoch 50
Jahre und älter. In der Europäischen Union werden 21.9% der Suizide von Menschen im
Alter von über 65 Jahren verzeichnet. In Deutschland wurden 2010 10021 Suizide registriert,
davon 7465 männliche und 2556 weibliche vorsätzliche Selbsttötungen.
Die direkten Behandlungskosten pro depressiver Patient werden auf bis zu 2073 €/Jahr, die
indirekten Kosten auf Grund von Morbidität und Mortalität auf bis zu 3800€ geschätzt (IQWiG
Auftrag G09-01 vom 9.5.2011 S. 7f.).
*Plattform Personalisierte Medizin; Professorin Dr. med. Isabella Heuser, Berlin und Dr. med.
Francesca Regen, Berlin, Dr. phil. Karl-Gustav Werner, Düsseldorf
11
2. Genotyp-basierte Arzneimitteltherapie der Depression
Ziel einer Genotyp-basierten Phänotyp-adjustierte Arzneimitteltherapie ist es, bei einem
individuellen Patienten das Ansprechen auf die Behandlung mit einem spezifischen
Arzneimittel, das Dosis-Wirkungsverhältnis, die individuell zu erwartende Arzneimittelverstoffwechselung sowie mögliche Nebenwirkungen vorherzusagen. Damit soll eine individuell
maßgeschneiderte Behandlung mit einer optimalen Arzneimittelwirkung unter Vermeidung
von Nebenwirkungen erreicht werden.
Die individuell unterschiedlichen Wirkungen und Nebenwirkungen von Arzneimitteln werden
durch die Zielstrukturen, an denen ein Medikament wirkt, durch die Dosis sowie durch die
Verstoffwechselung eines Arzneimittels durch zum Beispiel arzneimittel-metabolisierende
Enzyme bedingt. Daneben spielen auch Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln, das
Lebensalter oder Lebensgewohnheiten (zum Beispiel Rauchen) eine Rolle.
In der medikamentösen Behandlung der Depression stehen unterschiedliche Substanzen zur
Verfügung, die durch ihre chemische Struktur oder durch ihr pharmakologisches Wirkprofil in
unterschiedliche Klassen eingeteilt werden. Die Wahl einer geeigneten Behandlungsstrategie
der Depression erfolgt im Einzelfall unter Berücksichtigung zwar verschiedenster individueller
Faktoren wie beispielsweise dem Nebenwirkungsprofil einer Substanz, vorliegenden
Komorbiditäten und Komedikationen oder dem Ansprechen in einer früheren
Krankheitsepisode.
Bis heute ist es jedoch keine ärztliche Praxis, bei einem Patienten einen individuellen
Therapieerfolg mit einem bestimmten Antidepressivum vorherzusagen. Dabei zeigen etwa
60% der Patienten bei einem ersten Therapieversuch von 8 Wochen mit einem
Antidepressivum keine ausreichende Besserung im Sinne einer Remission, das heißt sie
erreichen das Therapieziel einer Symptomfreiheit sowie einer vollständigen
Wiederherstellung des ursprünglichen Funktionszustands nicht. Oftmals ist es also
notwendig, verschiedene Medikamente der gleichen oder einer unterschiedlichen Klasse
allein oder in Kombination zu versuchen, bevor das Therapieziel einer Remission erreicht
wird.
Ziel einer Genotyp-basierten Phänotyp-adjustierten Therapie der Depression ist, bei einem
individuellen Patienten das Ansprechen auf ein bestimmtes Antidepressivum sowie mögliche
Nebenwirkungen sicher vorherzusagen und auf Grund der individuellen genetischen
Ausstattung eine optimale Behandlungsstrategie zu wählen. Auch wenn in der Behandlung
von Depressionen zur Zeit noch keine diagnostische Einordnung oder eine Voraussage des
individuellen Therapieerfolgs mit einem bestimmten Medikament durch eine Genotypisierung
ärztlicher Behandlungsstandard ist, so kann doch durch die Kenntnis und die
Berücksichtigung von genetischen Varianten mit Einfluss auf den Metabolismus von
Antidepressiva ein Beitrag zu einer personalisierten Behandlung geleistet werden.
Bei der Verstoffwechselung von Arzneimitteln besitzt eine Enzymfamilie, das Cytochrom
P450-System (CYP), eine wesentliche Bedeutung für den Metabolismus von Arzneimitteln in
der Leber. Die 59 Gene, von denen sich die Enzyme für das Cytochrom P450-System
ableiten, können von Individuum zu Individuum in unterschiedlichen Varianten auftreten.
Kommen genetische Varianten in einer Häufigkeit von mindestens 1% in der Population vor,
spricht man von einem genetischen Polymorphismus. Für einige CYP-Enzyme ergeben sich
aufgrund von solchen Polymorphismen genetisch bedingte Unterschiede in der Aktivität, die
für Wirkung und Nebenwirkungen der durch sie verstoffwechselten Arzneimittel bedeutsam
12
sein können. So können Polymorphismen arzneimittelverstoff-wechselnder Enzyme zu
unterschiedlichen Plasmakonzentrationen einiger Antidepressiva beitragen, die in zum Teil
beträchtlichen Unterschieden in der individuellen klinischen Wirksamkeit und Verträglichkeit
zum Ausdruck kommen können.
Die Aktivitätsunterschiede von CYP-Enzymen (Phänotyp) aufgrund von genetischen
Polymorphismen (Genotyp) lassen sich wie folgt einteilen:
Einteilung der Metabolisierungs-Phänotypen nach Enzymaktivität
Phänotyp
Molekularer Mechanismus
Abkürzung
Langsamer
Metabolisierer
Keine Enzymaktivität, kein WildtypAllel vorhanden, homozygote Mutation
Intermediärer
Metabolisierer
Verminderte Enzymaktivität, ein Wildtyp-IM
Allel und ein mutantes Allel vorhanden intermediate
Heterozygote Mutation
metabolizer
Extensiver
Normale Enzymaktivität, zwei Wildtyp-
EM
Metabolisierer
Allele vorhanden, normale Allelform
extensive
metabolizer
Ultraschneller
Metabolisierer
Sehr hohe Enzymaktivität, Duplikation
eines Wildtyp-Allels
UM
ultrarapid
metabolizer
PM
poor metabolizer
Langsame Metabolisierer (PM) für das Enzym CYP2D6 beispielsweise sind etwa 6-10
Prozent, ultraschnelle Metabolisierer (UM) für CYP2D6 sind etwa 3 Prozent der deutschen
Bevölkerung.
Eine erhöhte Enzymaktivität beim ultraschnellen Metabolisierer setzt die Wirkung eines
Arzneimittels im Allgemeinen herab; um den gewünschten Therapieerfolg zu erzielen, muss
eine höhere Dosierung des Arzneimittels gewählt werden. Potentielle Therapieversager
könnten demnach vor allem durch die Erfassung von ultraschnellen Metabolisierern erfasst
werden. Die verringerte Enzymaktivität beim langsamen oder intermediären Metabolisierer
hingegen führt im Allgemeinen zu einer Anreicherung des Wirkstoffes im Blut und damit zu
einem erhöhten Risiko von Nebenwirkungen. Ausnahmen von dieser Regel bilden
Medikamente, bei denen erst ein Abbauprodukt die eigentliche Wirksamkeit zeigt
(sogenannte „Prodrugs“); hier zeigt sich ein gegenteiliger Zusammenhang (fehlende
Wirksamkeit bei langsamer Metabolisierung).
Ob sich ein Abweichen der Aktivität eines abbauenden Enzyms in einer bedeutsamen
Änderung der Wirkstoffkonzentrationen eines Medikamentes auswirkt, ist abhängig davon,
welcher Anteil einer Dosis über das betroffene abbauende Enzym verstoffwechselt wird.
Dabei wird eine Metabolisierung von mindestens 30% einer Dosis über ein bestimmtes
Enzym als klinisch relevant angesehen. Von besonderer Bedeutung ist eine genetische
Variante eines arzneimittelmetaboli-sierenden Enzyms dann, wenn diese ein abbauendes
Enzym eines Medikaments mit einer engen therapeutischen Breite betrifft. Hier kann ein
Abweichen der Wirkstoffkonzentration vom therapeutischen Bereich erhebliche klinische
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Konsequenzen (mangelnde Wirksamkeit bzw. ausgeprägte, möglicherweise
schwerwiegende Nebenwirkungen) mit sich bringen.
Die meisten gebräuchlichen Antidepressiva werden über Isoenzyme des Cytochrom P450System metabolisiert. Beteiligt sind hier vor allem die Isoenzyme CYP2D6, CYP3A4,
CYP2C19 und CYP1A2 sowie zu einem geringeren Anteil CYP2C9 und CYP2B6 oder
andere Enzyme.
Genotypisierungstests können die frühzeitige Identifizierung von Risikopatienten, bei denen
durch ein Arzneimittel mit fehlender oder unzureichender Wirksamkeit oder schwerwiegenden Nebenwirkungen zu rechnen ist, ermöglichen. Der Nutzen der Genotypisierungstests als therapiebegleitendes Standardverfahren ist durch klinische Studien nachzuweisen.
Die wissenschaftlich begutachteten Leitlinien des 2009 CPIC – Clinical Pharmacogenetis
Implementation Consortium, einem gemeinsamen Projekt des PharmGKB und des
Pharmacogenomics Research Network haben das Ziel, pharmakogenetische Tests in die
ärztliche Praxis einzuführen. Für die selektiven Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren ist die
CPIC Guideline CYP2D6 – SSRI, für die trizyklischen Antidepressiva die CPIC Guideline
CYP2D6, CYP2C19 – TCA veröffentlicht. (www.pharmgkb.org)
Genotypisierungstests können PCR-basiert mit sofortiger Verfügbarkeit wohnortnah durch
laborärztliche Diagnostiker durchgeführt werden.
Abb.: Prozentuale Dosisanpassung von Psychopharmaka in Abhängigkeit vom
CYP2D6 und CYP2C19 Phänotyp
Aus Stingl JC, Brockmöller J, Viviani R, Genetic variability of drug-metabolizing enzymes: the dual
impact on psychiatric therapy and regulation of brain function, Molecular Psychiatry (2012), 1-15,
www.nature.com/Molecular Psychiatry
In der Arzneimitteltherapie der Depression verordnete Medikamente
1. Tri- und tetrazyklische Antidepressiva (TZA) – nicht selektive Monoamin-Rückaufnahme.
Inhibitoren(NSMRI) (insbesondere Amitriptylin, Amitriptylinoxyd, Clomipramin, Desipramin,
Doxepin, Imipramin, Maprotilin, Nortriptylin, Trimipramin)
14
2. Selektive Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI) (insbesondere Citalopram,
Escitalopram, Fluoxitin, Föuvoxamin, Paroxetin, Sertralin)
3. Monoaminoxidase (MAO)-Inhibitoren (insbesondere Moclobemid, Tranylcypromin)
4. Selektive Serotonin-Noradrenalin-Rückaufnahme-inhibitoren (SNRI) (Venlafaxin,
Duloxetin)
5. Selektive Noradrenalin-Rückaufnahme Inhibitoren (Reboxetin)
6. Alpha2-Rezeptor-Antagonisten (Mirtazapin)
7. Selektiver Noradrenalin- und Dopamin-Rückaufnahme-Hemmer (Bupropion)
8. Melatonin-Rezeptor-Agonist und Seratonin-5-HT2C-Rezeptor-Antagonist (Agomelatin)
9. Atypische Antipsychotika zur Augmentation (Quetiapin, Olanzapin, Aripiprazol)
Arzneimittel zur Behandlung der Depression
Gruppe/
Wirkstoff
TZA
Amitriptylin
Bewertung
Darreichungsform
psychotrope Substanz mit ausgeprägter Tabletten
sedierender Wirkung
Injektion
Amitriptylinoxyd
psychotrope Substanz mit geringer
sedierender Wirkung
Tabletten
Clomipramin
psychotrope Substanz mit geringer
sedierender Wirkung
Tabletten
Injektion
Doxepin
psychotrope Substanz mit ausgeprägter Tabletten
sedierender Wirkung
Injektion
Imipramin
psychotrope Substanz mit geringer
sedierender Wirkung
Maprotilin
Psychotrope Substanz mit ausgeprägter Tabletten
sedierender Wirkung
Nortriptylin
Psychotrope Substanz mit geringer
sedierender Wirkung
Tabletten
Trimipramin
Psychotrope Substanz mit ausgeprägter
sedierender Wirkung
Tabletten
Tropfen
Psychotrope Substanz, nicht sedierend,
keine Gewichtszunahme, in Kombination
mit Olanzapin positive Effekte bei
Therapieresistenz
Tabletten
SSRI
Fluoxetin
Tabletten
Dragees
15
Paroxetin
Nicht sedierend, breites Indikationsspektrum, ungünstige Nutzen-RisikoRelation
Tabletten
Suspension
Escitalopram
Nicht sedierend, breites IndikationsSpektrum, sehr gute Verträglichkeit
Tabletten
Tropfen
Citalopram
Nicht sedierend, breites Indikationsspektrum, sehr gute Verträglichkeit
Tabletten
Infusion
Kurz wirksam, nicht sedierend, gute
Verträglichkeit
Tabletten
Nicht sedierend, geringe therapeutische
Breite
Tabletten
Nicht sedierend, breites IndikationsSpektrum, gute Verträglichkeit
Hartkapseln
retardiert
Duloxetin
Nicht sedierend, gute Verträgichkeit
Hartkapseln
Reboxetin
Nur ausnahmsweise in medizinisch gut
Tabletten
begründeten Einzelfällen verordnungsfähig
Nicht sedierend, Miktionsbeschwerden und
Harnverhalt bei Männern
Mirtazapin
Schlafinduzierende Wirkung, geringe
sexuelle Funktionsstörungen
Bupropion
Entwöhnungshilfe bei Nikotinabhängigkeit Tabletten
Risiko von Tachykardie und Blutdruckerhöhung
Agomelatin
Risiko einer Hepatotoxität, regelmässige
Leberfunktionstests empfohlen
MAO
Moclobemid
Tranylcypromin
SNRI
Venlafaxin
Lösung
Tabletten
Atypische Antipsychotika
Zur Augmentation
Quetiapin
Antipsychotikum bei schweren depressiven Tabletten
Episoden und zur Rezidivprophylaxe,
retard
Risiko für metabolisches Syndrom
Olanzapin
Antipsychotikum, sedierend, Risiko für
Metabolisches Syndrom
Tabletten
Aripiprazol
Atypisches Antipychotikum, Anwendung
Tabletten
bei Manie, Prävention manischer Episoden Lösung
16
3. Nebenwirkungen der Arzneimitteltherapie
Nebenwirkungen sind bei Arzneimitteln, die zur Anwendung beim Menschen bestimmt sind,
schädliche und unbeabsichtigte Reaktionen auf das Arzneimittel.
Schwerwiegende Nebenwirkungen sind Nebenwirkungen, die tödlich oder
lebensbedrohend sind, eine stationäre Behandlung oder Verlängerung einer stationären
Behandlung erforderlich machen, zu bleibender oder schwerwiegender Behinderung,
Invalidität, kongenitalen Anomalien oder Geburtsfehlern führen.
Unerwartete Nebenwirkungen sind Nebenwirkungen , deren Art, Ausmaß oder Ergebnis
von der Fachinformation des Arzneimittels abweichen.
Die Packungsbeilage enthält eine Beschreibung der Nebenwirkungen, die bei
bestimmungsgemäßem Gebrauch des Arzneimittels eintreten können; bei Nebenwirkungen
zu ergreifende Gegenmaßnahmen, soweit dies nach dem jeweiligen Stand der
wissenschaftlichen Erkenntnis erforderlich ist; bei allen Arzneimitteln, die zur Anwendung bei
Menschen bestimmt sind, ist zusätzlich ein Standardtext aufzunehmen, durch den die
Patienten ausdrücklich aufgefordert werden, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung ihren
Ärzten, Apothekern, Angehörigen von Gesundheitsberufen oder unmittelbar der zuständigen
Bundesoberbehörde zu melden, wobei die Meldung in jeder Form, insbesondere auch
elektronisch, erfolgen kann.
Das für die Öffentlichkeit allgemein zugängliche Internetportal des Deutschen Instituts für
Medizinische Dokumentation (www.dimdi.de) des Informationssystems für Arzneimittel
enthält Daten über Produktmerkmale von Arzneimitteln sowie Informationen, die mit
Arzneimitteln oder deren Inverkehrbringen in Zusammenhang stehen. Hierzu zählen
insbesondere Angaben über den Zulassungsstatus, die Packungsbeilage und die
Fachinformation und den öffentlichen Beurteilungsbericht.
Die Häufigkeiten der Nebenwirkungen sind wie folgt definiert:
Sehr häufig (>10 %)
Häufig (>1 %, ≤10 %)
Gelegentlich (>0,1 %, ≤1 %)
Selten (>0,01 %, ≤0,1 %).
Potentiell schwerwiegende Nebenwirkungen beim individuellen
Genotyp/Phänotyp
Das Ziel einer personalisierten nebenwirkungsarmen wirksameren medikamentösen
Behandlung der Depression wird durch die individuelle Genotypisierung und
Bestimmung des Phänotyps angestrebt. Die Kenntnis der Metabolisierung der
Wirkstoffe in der Leber, der Darmmukosa oder im Gehirn ist eine Grundlage für das
Management von Nebenwirkungen. Kenntnis und Management der
Nebenwirkungen werden künftig für die optimale Behandlung der Patienten von
entscheidender Bedeutung sein.
Vgl. zur humanen Cytochrom P-450 Familie mit zugehörigen Substraten Christof Hiemke, Pierre
Baumann, Julia Stingl: Pharmakokinetik, Pharmakogenetik und therapeutisches Drug Monitoring, in
Gerhard Gründer, Otto Benkert (Hrsg.): Handbuch der Psychopharmako-therapie, Berlin, Heidelberg
2012 S.453
17
Metabolisierendes
Enzym
Wirkstoff
Potentielle
schwerwiegende
Nebenwirkung
Enzymgruppen CYP2C19 und CYP2D6
CYP2C19
Clomipramin
Diazepam
Escitalopram
Moclobemid
Nordazepan
Omeprazol
Pantoprazol
Perazin
Warfarin
CYP2C19/
CYP2D6
Citalopram
Doxepin
Trimipramin
CYP2C19/
CYP2B6
CYP2C19/
CYP2D6/
CYP3A4
Sertralin
CYP2D6
Chlorpromazin
Desipramin
Donepazil
Fluvoxamin
Mianserin
Nortriptylin
Paroxetin
Perphenazin
Risperidon
Sertindol
Tamoxifen
Thioridazin
Torasemid
Trimipramin
Venlafaxin
Ziprasidon
Zuclopenthiol
Kardiologische Erkrankungen
Tachykardie, Herzrhythmusstörungen
Bluthochdruck
Urogenitale Erkrankungen
Miktionsstörungen, sexuelle
Funktionsstörungen
Psychiatrische Erkrankungen
Innere Unruhe, Verwirrtheit
Fluoxetin
CYP2D6/
CYP3A4
Imipramin
Mirtazapin
Clomipramin
Clozapin
Haloperidol
CYPD6/
Amitriltylin
Kardiologische Erkrankungen
Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck
Urogenitale Erkrankungen
Sexuelle Funktionsstörungen
18
CYPC19/
CYP1A6
CYP3A4
Enzymgruppen CYP3A4, CYP1A2, CYP2B6 und CYP2C9
CYP3A4
Alprazolam
Buprenorphhin
Carbamazepin
Ciclosporin
Diazepin
Östrodiol
Levomethadon
Nordazepam
Paroxetin
Perazin
Quetiapin
Reboxetin
Risperidon
Saquinavir
Sibutramin
Sildenafil
Tadalafil
Venlafaxin
Zyprasidon
Zolpidem
Zotepin
CYP3A4/
CYP2B6
Buprion
CYP1A2
Agomelatin
Asenapin
Chlorpromazin
Clozapin
Duloxetin
Östradiol
Fluvoxamin
Imipramin
Koffein
Melatonin
Olanzapin
Propranolol
Rasagilin
Ropinirol
Thioridazin
Zotepin
CYP2B6
Kardiologische Erkrankungen
Tachykardie, Herzrhythmusstörungen,
Bluthochdruck
Urogenitale Erkrankungen
Miktionsstörugen, sexuelle
Funktionsstörungen
Psychiatrische Erkrankungen
Innere Unruhe , Verwirrtheit
Psychiatrische Erkrankungen
Angst, Agitiertheit
Urogenitale Erkrankungen
Sexuelle Funktionsstörungen
Disulfiram
Methadon
Selegelin
19
CYP2C9
Cannabinol
Mephenytoin
Perazin
Phenytoin
Neurologische Erkrankungen
Schlafstörungen
4. GKV – Gesetzliche Krankenversicherung
Wirkstoff Reboxetin nicht mehr zu Lasten der GKV verordnungsfähig.
Arzneimittelrichtlinie (AM-RL) Anlage III – Übersicht über Verordnungseinschränkungen undausschlüsse Reboxetin vom 16. September 2010
www.g-ba.de
Modellprojekt Verfahren zur verbesserten Versorgungsorientierung am Beispielthema
Depression
Abschlussbericht AG Versorgungsorientierung/Priorisierung vom 17.2.2011
www.g-ba.de
Die Tür zur guten Therapie – Versorgungsanalyse Depression, 4.11 2011
www.g-ba.de
Bupropion, Mirtazapin und Reboxetin bei der Behandlung der Depression
IQWIG Abschlussbericht Stand 30.5. 2011
www.iqwig.de
Selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) bei Patienten mit
Depression.
IQWIG Abschlussbericht Stand 18.8. 2010
www.iqwig.de
Leitliniensynopse zum Thema Depression
Letzte Aktualisierung 26.1.2012
www.iqwig.de
Kosten-Nutzen-Bewertung von Venlafaxin, Duloxetin, Bopropion und Mirtazepin im Vergleich
zu weiteren verordnungsfähigen medikamentösen Behandlungen.
Vorbericht 9. 11. 2012
www.iqwig.de
Rote Hand Brief vom 31. Oktober 2011
Zusammenhang von Cipramil® (Citalopramhydrobromid/Citalopramhydrochlorid) mit
dosisabhängiger QT-Intervall-Verlängerung
www.bfarm.de
Bescheid des BfArM vom 15. März 2012
Abwehr von Gefahren durch Arzneimittel, Stufe II
Citalopram (oder dessen Derivate) und dosisabhängige QT-Intervall-Verlängerung:
Änderungen und Ergänzungen in den Produktinformationen,
Negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis der 60mg-Stärke
www.bfarm.de
20
5. Leitlinien, Studien und Expertisen
Gerhard Gründer, Otto Benkert (Hrsg), Handbuch der Psychopharmakotherapie,
Springer, Berlin, Heidelberg 2012
Otto Benkert, Hanns Hippius, Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie,
9. Aufl., Springer, Heidelberg 2013
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde,
Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Arbeitsgemeinschaft der
Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, Arzneimittelkommission der
deutschen Ärzteschaft, Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker et al.
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Pharmacogenomics Knowledge for Personalized Medicine
Clinical Pharmacology & Therapeutics, Vol 92, No 4, October 2012
7. Kompetenzzentren
7.1 Kompetenzzentren für Diagnostik und Behandlung
Professorin Dr. med. Diplom-Psychologin Isabella Heuser
Direktorin
OÄ Dr. med. Francesca Regen
Universitätsklinik und Hochschulambulanz für Psychiatrie und Psychotherapie
Charité-Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin
Eschenallee 3, 14050 Berlin
Professor Dr. med. Ulrich Hegerl
Direktor Klinik und Poliklinik für Psychiatrie
Universitätsklinik Leipzig
Semmelweisstraße 10, 03103 Leipzig
Professor Dr. mult. Florian Holsboer
Direktor
Max-Planck-Institut für Psychiatrie
Kraepelinstraße 2-20, 89804 München
22
7.2 Kompetenzzentren für Pharmakologie
Professor Dr. med. Matthias Schwab
Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Facharzt für Klinische Pharmakologie
Lehrstuhlinhaber für Klinische Pharmakologie der Universität Tübingen
Leiter des Dr. Margarete Fischer-Bosch Instituts für Klinische Pharmakologie,
Auerbachstraße 12, 70376 Stuttgart
Professorin Dr.med. Julia C. Stingl
Professorin für translationale Pharmakologie
Komm. Leiterin der Abteilung Forschung des Bundesinstituts für Arzneimittel und
Medizinprodukte
Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3, 53175 Bonn
23
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