Algebra II

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Algebra II
Walter Gubler
14. September 2010
Vorwort
Dieses Skript wurde während meiner Vorlesung Algebra II im SS 10 an der Eberhard-KarlsUniverstität Tübingen von Christian Power erstellt, dem ich dafür vielmals danke. Das
Skript kann nur für die Hörer meiner Vorlesung von Nutzen sein. Wer sich sonst für Algebra
interessiert, der sei auf die Literaturliste am Ende verwiesen. In diesem Mitschrieb werden
wohl etliche Fehler versteckt sein und wir sind dem Leser dankbar, wenn er gefundene
Fehler an [email protected] meldet.
Walter Gubler
Notation
Mit N bezeichnen wir die natürlichen Zahlen ohne 0 und mit N0 die natürlichen Zahlen mit
0. Eine echte Inklusion von Mengen bezeichnen wir mit A ⊂ B, wenn Gleichheit zugelassen
ist, dann benützen wir A ⊆ B. Die Gruppe der invertierbaren Elemente eines Ringes R
bezeichnen wir mit R∗ . Alle Ringe haben ein Einselement.
iii
iv
Inhaltsverzeichnis
I. Modultheorie
1.
Links- und Rechtsmoduln . . . . . . . . . . . . . . .
2.
Direkte Summe und freie Moduln . . . . . . . . . .
3.
Artinsche und noethersche Moduln . . . . . . . . .
4.
Einfache und halbeinfache Moduln . . . . . . . . . .
5.
Unzerlegbare Moduln . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.
Freie Moduln über Hauptidealbereichen . . . . . .
7.
Endlich erzeugte Moduln über Hauptidealbereiche
8.
Einfache und halbeinfache Ringe . . . . . . . . . . .
9.
Tensorprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1
1
3
7
9
13
16
18
21
28
II. Darstellungstheorie
1.
Gruppenalgebra . . . . . . . . . . .
2.
Vollreduzibilität der Darstellungen
3.
Charaktertheorie . . . . . . . . . .
4.
Komplexe Darstellungen . . . . . .
5.
Produkte und Darstellungen . . .
6.
Beispiele . . . . . . . . . . . . . . .
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33
33
36
39
42
47
49
III. Kommutative Algebra
1.
Radikal . . . . . .
2.
Lokalisierung . .
3.
Ganze Elemente .
4.
Jacobson Radikal
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Index
75
Literatur
75
v
Inhaltsverzeichnis
vi
I
Kapitel I.
Modultheorie
1. Links- und Rechtsmoduln
In diesen Abschnitt ist R ein Ring. Wir erinnern daran, dass ein Ring immer eine 1 hat, aber
nicht notwendigerweise muss · kommutativ sein. Wir verallgemeinern in diesen Abschnitt
das Konzept eines Vektorraums, in dem wir Skalare aus dem Ring R zulassen. Wir erhalten
dann einen R-Modul. Die Grundbegriffe für R-Moduln werden analog zu K-Vektorräumen
definiert. Im ganzen ersten Kapitel erarbeiten wir die Gemeinsamkeiten und Unterschiede
zur Theorie der Vektorräume.
1.1 Definition. Ein R-Linksmodul M ist eine abelsche Gruppe (M, +) mit einer skalaren
Multiplikation R × M → M, (λ, a) 7→ λ · a, die folgenden Axiomen genügen sollen
(M1) λ( a + b) = λa + λb
(M2) (λ + µ) a = λa + µa
(M3) (λ · µ) · a = λ · (µ · a)
(M4) 1 · a = a
für alle λ, µ ∈ R und a, b ∈ M.
1.2 Beispiel. Wenn R ein Körper K ist, dann gilt R-Modul = K-Vektorraum.
1.3 Bemerkung. Analog kann man R-Rechtsmoduln definieren, d.h. M × R → R, ( a, λ) →
a · λ ist die skalare Multiplikation und die Axiome sind dann von rechts zu schreiben. Wenn
R nicht kommutativ ist, dann sind Linksmoduln wirklich verschieden von Rechtsmoduln
wegen (M3).
Nun verallgemeinern wir die Definition eines Unterraum.
1.4 Definition. Sei M ein R-Linksmodul. Eine Teilmenge N von M heißt Untermodul von
M :⇐⇒ N ist Untergruppe von ( M, +) so, dass λ · a ∈ N ∀λ ∈ R und a ∈ M.
Damit wird N zu einem R-Modul wie in der Linearen Algebra (. . .).
1.5 Beispiel. Man kann den Ring R selber als R-Linksmodul betrachten, in den man für
die skalare Multiplikation die Ringmultiplikation nimmt. Dann folgen (M1) - (M4) sofort
aus den Ringaxiomen. Ein Untermodul I von R als Linksmodul ist also eine abelsche
Untergruppe I von ( R, +) so, dass
λ · a ∈ I ∀λ ∈ R, a ∈ I.
(I.1)
So ein I nennt man Linksideal von R. Analog kann man R als R-Rechtsmodul betrachten
und seinen Untermodul nennt man dann R-Rechtsideal. Das sind also abelsche Untergruppen I von ( R, +) mit
a · λ ∈ I ∀λ ∈ R, a ∈ I.
(I.2)
Wenn R kommutativ ist, gilt
I Ideal (im Sinn der Algebra 1) ⇐⇒ I Linksideal ⇐⇒ I Rechtsideal.
1
KAPITEL I. MODULTHEORIE
Wenn R nicht kommutativ ist, dann sind (I.1) und (I.2) im Allgemeinen verschieden und
damit “Linksideal 6= Rechtsideal”.
1.6 Konvention. Ab jetzt werden wir in der Vorlesung, wenn nichts anderes gesagt wird,
nur R-Linksmoduln betrachten und sagen dafür kurz R-Moduln. Für R-Rechtsmoduln geht
alles analog.
1.7 Beispiel. Wir betrachten den Spezialfall R = Z. Wir behaupten, dass Z-Moduln dasselbe
sind wie abelsche Gruppen. Aus einem Z-Modul kann man eine abelsche Gruppe machen,
in dem man die skalare Multiplikation mit Z einfach “vergisst”. Die Äquivalenz der Begriffe
folgt daraus, dass die skalare Multiplikation mit Z durch + eindeutig bestimmt ist:
n · a = |a + a +
{z. . . + }a
n-mal
(−n) · a = (− a) + (− a) + . . . + (− a)
|
{z
}
(I.3)
n-mal
für n ∈ N und a ∈ M. Umgekehrt wird für eine abelsche Gruppe durch (I.3) ein Z-Modul
definiert.
Wir verallgemeinern nun lineare Abbildungen.
1.8 Definition. Eine Abbildung ϕ : M → M0 zwischen R-Moduln heißt R-Modulhomomorphismus (oder kurz: Homomorphismus) :⇐⇒ ∀ a, b ∈ M, λ ∈ R gilt
i) ϕ( a + b) = ϕ( a) + ϕ(b)
ii) ϕ(λ · a) = λ · ϕ( a).
Weiter heißt ϕ−1 (0) = { a ∈ M| ϕ( a) = 0} der Kern und wird mit ker( ϕ) bezeichnet. Es ist
leicht zu sehen, dass ker( ϕ) ein Untermodul von M ist.
1.9 Definition. Ein R-Modulhomomorphismus ϕ : M → M0 heißt R-Modulisomorphismus
(kurz: Isomorphismus) :⇐⇒ ∃ψ : M0 → M R-Modulhomomorphismus mit ϕ ◦ ψ = 1 M0
und ψ ◦ ϕ = 1 M .
1.10 Proposition. Voraussetzung: ϕ : M → M0 R-Modulhomomorphismus. Behauptung:
a) ϕ injektiv ⇐⇒ ker( ϕ) = 0
b) ϕ Isomorphismus ⇐⇒ ϕ bijektiv.
Beweis. a) Da ϕ einen Homomorphismus der unterliegenden abelschen Gruppe ( M, +)
und ( M0 , +) induziert, folgt a) aus der entsprechenden Eigenschaft von Gruppen aus der
Algebra 1. b) wird in Aufgabe 1.1 gemacht.
1.11 Sei N ein Untermodul des R-Modul M. Weil N damit eine Untergruppe der abelschen
Gruppe (M, +) ist und somit ein Normalteiler, ist die Faktorgruppe (M/N, +) definiert
als abelsche Gruppe. Wir definieren eine R-Modulstruktur auf M/N durch die skalare
Multiplikation
(λ, a + N ) 7→ λa + N.
Analog wie beim Quotientenraum zeigt man, dass M/N damit zu einem R-Modul wird.
Wir nennen M/N den Quotientenmodul und π = π M/N : M → M/N, a 7→ a + N den
Quotientenhomomorphismus. Aus den Definitionen folgt leicht, dass π M/N ein surjektiver
R-Modulhomomorphismus ist.
1.12 Proposition. Für den Quotientenmodul Q := M/N und den Quotientenhomomorphismus
πQ : M → Q gilt folgende universelle Eigenschaft: Für jeden R-Modulhomomorphismus ϕ : M →
2
2. DIREKTE SUMME UND FREIE MODULN
M0 mit N ⊆ ker( ϕ) gibt es genau einen R-Modulhomomorphismus ϕ : Q → M0 so, dass das
Diagram kommutiert, d.h. ϕ = ϕ ◦ π
/ M0
~>
~
~
~~
~~~
πQ
~
~~ ∃!ϕ
~
~~
~~
ϕ
M
Q
Beweis. Sei a + N ein beliebiges Element in Q. Dann existiert ein b ∈ M mit π (b) = a + N
(z.B. b = a). Wir wollen ϕ( a + N ) so definieren, dass ϕ(b) = ϕ ◦ πQ (b) = ϕ( a + N ) gilt. Es ist
also notwendig, dass wir ϕ( a + N ) := ϕ(b) setzen. Wir müssen zeigen, dass dies nicht von
der Wahl von b abhängt (damit ϕ wohldefiniert ist). Sei also c ∈ M mit π (c) = a + N. Dann
gilt π (c) = a + N = π (b), d.h. b − c ∈ ker(πQ ) = N =⇒ b − c ∈ ker( ϕ) =⇒ ϕ(b) = ϕ(c),
also ist ϕ( a + N ) = ϕ(b) = ϕ(c) wohldefiniert. Weil ϕ ein Homomorphismus ist, folgt
nach Konstruktion, dass auch ϕ ein Homomorphismus ist. Nach Konstruktion ist ϕ auch
eindeutig.
1.13 Bemerkung. Die universelle Eigenschaft charakterisiert in der Algebra ein Objekt bis
auf Isomorphie und benutzt selten die konkrete Konstruktion, sondern nur diese Eigenschaft.
Hier bedeutet das, wenn es einen weiteren R-Modul Q und einen R-Modulhomomorphismus
πQ : M → Q gibt mit N ⊆ ker(πQ ), der Proposition 1.12 erfüllt erfüllt, dann ∃! R-Modulisomorphismus ψ : M/N → Q so, dass das folgende Diagramm kommutiert.
M@
@@ π
xx
x
@@ Q
x
x
@@
x
@
x
x|
∼
/Q
M/N
π M/N
∃!ψ
Beweis.
MC
CC
{{
CC
{
{
CC
{
π M/N {{{
CC
π
CC
Q
{{
CC
{
{
CC
{{
CC
{
}{{
!
∃!ψ0
∃!ψ
/Q
/ M/N
M/N
|
{z
}
universel. Eig.
für M/N
|
{z
}
universel. Eig.
für Q
Beachte, dass damit ψ0 ◦ ψ ein R-Modulhomomorphismus ist mit ψ0 ◦ ψ ◦ π M/N = π M/N .
Aufgrund der universellen Eigenschaft für M/N und ϕ = π M/N gilt dann ψ0 ◦ ψ = 1 M/N .
Analog zeigt man ψ ◦ ψ0 = 1Q und damit folgt die Behauptung.
2. Direkte Summe und freie Moduln
In diesem Abschnitt werden wir die direkte Summe, Linearkombination und Basen verallgemeinern für R-Moduln. Im Gegensatz zum Fall eines Vektorraumes muss nicht jeder
R-Modul eine Basis haben. Wieder bezeichnet R einen Ring. Im zweiten Teil werden wir
annehmen, dass R 6= 0.
3
KAPITEL I. MODULTHEORIE
2.1 Seien M1 und M2 R-Moduln. Dann definieren wir auf M1 × M2 eine R-Modulstruktur
durch
( a1 , a2 ) + (b1 , b2 ) := ( a1 + b1 , a1 + b2 ), λ · ( a1 , a2 ) := (λa1 , λa2 )
für a1 , b1 ∈ M1 , a2 , b2 ∈ M2 , λ ∈ R. Der entstandene R-Modul heißt die direkte Summe von
M1 und M2 und wird mit M1 ⊕ M2 bezeichnet.
2.2 Wir wollen die obige Konstruktion auf mehrere Summanden verallgemeinern. Es sei
( M j ) j∈ J eine Familie von R-Moduln. Wir definieren auf ∏ j∈ J M j eine R-Modulstruktur durch
komponentenweise Addition und komponentenweise skalare Multiplikation. Wir nennen
den entstandenen R-Modul das direkte Produkt der Moduln ( M j ) j∈ J und bezeichnen es
mit ∏ j∈ J M j . Es ist leicht zu sehen, dass
M
M j := {( a j ) j∈ J ∈
∏ Mj | a j 6= 0 nur für endlich viele j ∈ J }
j∈ J
j∈ J
ein Untermodul ist von ∏ j∈ J M j ist. Wir nennen j∈ J M j die direkte Summe von ( M j ) j∈ J .
L
Wenn J endlich ist, dann gilt j∈ J M j = ∏ j∈ J M j . Falls J = {1, 2}, dann erhalten wir
Konstruktion 2.1.
L
2.3 Proposition. Sei ( Nj ) j∈ J eine Familie von Untermoduln eines gegebenen R-Moduls M.
a) Dann ist
∑ Nj := { ∑ a j | J0 ⊆ J,
j∈ J
| J0 | < ∞, a j ∈ Nj ∀ j ∈ J0 }
j∈ J0
ein Untermodul von M. Wir nennen ihn die Summe der ( Nj ) j∈ J .
b) Folgende Aussagen sind äquivalent:
b1) ϕ :
L
j∈ J
Nj → M, ( a j ) j∈ J 7→ ∑ j∈ J a j , ist ein R-Modulisomorphismus
b2) ∀ a ∈ M ∃! Darstellung a = ∑ j∈ J a j mit a j ∈ Nj und |{ j ∈ J | a j 6= 0}| < ∞.
Beweis. Aufgabe 1.2.
2.4 Definition. Wenn die Bedingung b1) in Proposition 2.3 erfüllt ist (und damit auch b2) ),
L
dann heißt M die innere direkte Summe der ( Nj ) j∈ J und schreiben M = j∈ J Nj .
2.5 Satz (Homomorphiesatz). Voraussetzung: ϕ : M → M0 R-Modulhomomorphismus, π :
M → M/ ker( ϕ) Quotientenhomomorphismus. Behauptung:
1. ∃! R-Modulhomomorphismus ϕ : M/ ker( ϕ) → M0 so, dass das Diagram kommutiert.
M
π
/ M0
w;
w
ww
ww
w
ww
w
ww ϕ
w
w
ww
ww
ϕ
M/ ker( ϕ)
∼
2. ϕ induziert einen Isomomorphismus M/ ker( ϕ) −→ ϕ( M ).
Beweis. Wir betrachten M und M0 als abelsche Gruppen. Dann ist ϕ ein Gruppenhomomorphismus und ker( ϕ) bleibt dasselbe. Nach dem Homomorphiesatz für abelsche Gruppen
4
2. DIREKTE SUMME UND FREIE MODULN
(Alg. I, Thm. 1.3.8) ∃!ϕ wie in a) als Gruppenhomomorphismus. Weil M/ ker( ϕ) als RModul dieselbe unterliegende Gruppe hat wie M/ ker( ϕ) als Gruppe, müssen wir nur
ϕ(λa) = λϕ( a) testen für λ ∈ R und a ∈ M/ ker( ϕ). Es gilt a = π ( a) mit a ∈ M und damit
ϕ(λa)
=
=
ϕ(λπ ( a))
=
ϕ(λa)
=
λϕ( a)
=
λϕ ◦ π ( a)
=
λϕ( a)
π Modulhom
Def. von ϕ
ϕ Modulhom
ϕ= ϕ◦π
ϕ(π (λa))
wie gewünscht =⇒ a).
∼
Nach dem Homomorphiesatz für Gruppen gilt M/ ker( ϕ) −→ ϕ( M) als Gruppen. Insbesondere ist die induzierte Abbildung bijektiv. Wir haben in a) bewiesen, dass sie auch
R-Modulhomomorphismus ist. Nach 1.10 ist die induzierte Abbildung somit ein Modulisomorphismus.
2.6 Satz (1.Isomorphiesatz). Voraussetzung: N und P Untermoduln von dem R-Modul M.
Behauptung:
∼
P/( P ∩ N ) −→ ( P + N )/N, a + ( P ∩ N ) 7→ a + N.
2.7 Satz (2.Isomorphiesatz). a) N/P ist Untermodul von M/P.
b)
∼
( M/P)/( N/P) −→ M/N, a + P 7→ a + N.
Die Beweise der beiden Isomorphiesätze sind analog zur Gruppentheorie, siehe Aufgabe
1.1.
Im Folgenden nehmen wir R 6= 0 an. Der Fall R = 0 ist trivial, weil wegen 0 = 1 jeder
R-Modul gleich 0 ist.
2.8 Sei a = ( a j ) j∈ J eine Familie aus dem R-Modul M. Eine R-Linearkombination aus a hat
die Form ∑ j∈ J λ J a j mit λ j ∈ R und |{ j ∈ J | λ j 6= 0}| < ∞. Wir definieren h ai als die Menge
der R-Linearkombination aus a. Wie in der linearen Algebra ist es leicht zu sehen, dass
h ai der kleinste Untermodul von M ist, der alle a j enthält. h ai heißt der von a erzeugte
Untermodul. Falls h ai = M gilt, dann heißt a Erzeugendensystem von M. Wenn es ein
endliches Erzeugendensystem gibt, dann heißt M endlich erzeugt.
• a heißt linear unabhängig genau dann, wenn aus ∑ j∈ J λ j a j = 0 für eine Linearkombination immer folgt, dass λ j = 0 ∀ j ∈ J.
• a heißt Basis von M :⇐⇒ a linear unabhängig und Erzeugendensystem.
Wir können diese Definition übertragen auf Teilmengen T ⊆ M (statt Familien a), in dem
wir zu T die Familie a := ( a) a∈T betrachten (“Menge=Familie ohne Wiederholungen”).
2.9 Bemerkung. Die Definitionen in 2.8 sind vollkommen analog zur linearen Algebra. Der
grundlegende Unterschied bei Moduln ist, dass nicht jeder R-Modul eine Basis haben muss!
Falls ein R-Modul M eine Basis hat, dann heißt M ein freier R-Modul.
2.10 Beispiel. M := Z/2Z ist ein Z-Modul. Jedes Element M ist Z-linear abhängig, weil
2 · a = 0. Also kann M als Z-Modul keine Basis haben. Wenn wir aber M als Z/2ZVektorraum betrachten, dann ist 1 eine Z/2Z-Basis.
5
KAPITEL I. MODULTHEORIE
2.11 Definition. Sei S eine Menge. Dann heißt
F (S) :=
M
R
s∈S
der freie Modul über S.
2.12 Die Elemente von F (S) haben die Form (λs )s∈S mit λs ∈ R und |{s ∈ S| λs 6= 0}| < ∞.
Wir definieren für ein festes s ∈ S ein Element es ∈ F (S) durch
(
1, falls t = s
es = (es )t∈S mit (es )t :=
0, falls t 6= s.
Offensichtlich bilden die Elemente (es )s∈S eine Basis von F (S) (analog zur Standardbasis
in Rn ). Wir betrachten die kanonische Abbildung j : S → F (S), j(s) := es . Weil 0 6= 1,
ist diese Abbildung injektiv und wir können S mit den Bild in F (S) identifizieren, d.h.
wir identifizieren s = es . Somit können wir jedes Element in F (S) eindeutig schreiben als
Linearkombination a = ∑s∈S λs s. Fazit: F (S) ist ein freier Modul mit kanonischer Basis S.
2.13 Proposition. Sei M ein R-Modul. Dann sind folgende Aussagen äquivalent:
i) M ist ein freier R-Modul;
ii) M ∼
= F (S) für eine geeignete Menge S.
Beweis. Aufgabe 2.3.
2.14 Proposition. Voraussetzung: R kommutativ und M ein endlich erzeugter freier R-Modul.
Behauptung: Jede Basis von M hat die gleiche Länge n < ∞. Wir nennen n den Rang von M.
Beweis. Seien ( ai )i∈ I und (b j ) j∈ J zwei R-Basen von M. Dann gilt
M
i∈ I
Rai = M =
M
Rb j .
(I.4)
j∈ J
Weil R kommutativ ist, hat R ein Maximalideal M (Algebra I, Lemma III.5.6). Somit ist
K := R/M ein Körper (Algebra I, Proposition II.5.12). Offensichtlich ist
MM := {λ1 c1 + . . . + λr cr | r ∈ N, λi ∈ M, ci ∈ M}
ein Untermodul von M und
M
i∈ I
Mai = MM =
M
Mb j
(I.5)
j∈ J
wegen (I.4). Bildet man den Quotienten von (I.4) mit (I.5), dann erhalten wir
M
i∈ I
( R/M) ai ∼
= M/(MM) ∼
=
M
( R/M)b j .
j∈ J
A priori ist dies eine Identität von R-Moduln, aber weil skalare Multiplikation mit jedem
λ ∈ M gleich Null ist in diesen Moduln, gilt die Identität auch als R/M-Moduln. Letztere
sind aber K-Vektorräume. Somit sind ( ai )i∈ I und (b j ) j∈ J K-Basen des endlich erzeugten KVektorraumes M/(MM). Die Behauptung folgt nun aus dem analogen Satz für Vektorräume
aus der linearen Algebra.
6
3. ARTINSCHE UND NOETHERSCHE MODULN
3. Artinsche und noethersche Moduln
Es sei R ein Ring. Wir haben gesehen, dass nicht jeder R- Modul eine Basis hat. In diesem
Abschnitt wollen wir das Konzept des endlich dimensionalen Vektorraumes verallgemeinern,
soweit das möglich ist. Wenn wir nur freie Moduln von endlichem Rang betrachten (d.h.
mit endlicher Basis), ist dies zu restriktiv für die Algebra. Es hat sich bewährt mit der Klasse
der noetherschen Moduln zu arbeiten. Parallel dazu betrachten wir artinsche Moduln, die
ähnlich definiert werden. Später werden diese beiden Begriffe zur Länge eines Moduls
führen, die die Dimension eines Vektorraums verallgemeinert.
3.1 Definition. Ein R- Modul M heißt noethersch, wenn jede echt aufsteigende Folge
N1 ⊂ N2 ⊂ N3 ⊂ . . . von Untermoduln endlich ist.
3.2 Definition. Ein R- Modul M heißt artinsch, wenn jede echt absteigende Folge N1 ⊃
N2 ⊃ . . . von Untermoduln endlich ist.
3.3 Beispiel. Wenn R = K ein Körper ist, dann gilt R- Moduln = K- Vektorräume und somit
folgt für einen K- Vektorraum:
M noethersch ⇐⇒ M artinsch ⇐⇒ M endlich dimensional.
p
Dies zeigt folgendes Argument:
• M sei endlich dimensional und N1 ⊂ N2 ⊂ . . . echt aufsteigende Folge von Unterräumen.
dim N1 < dim N2 < . . . ≤ dim M =: n
=⇒ Folge hat Länge ≤ n + 1. Analog für absteigend. =⇒ M noethersch und artinsch.
• dim M = ∞. =⇒ linear unabhängige Folge (bn )n∈N in M. N1 = hb1 i ⊂ N2 = hb1 , b2 i ⊂
. . . echt aufsteigende unendliche Folge von Unterräumen =⇒ nicht noethersch! N1 =
hb1 , b2 , . . .i ⊃ hb2 , b3 , . . .i ⊃ hb3 , . . .i ⊃ . . .. echt absteigende unendliche Folge von
Unterräumen. =⇒ nicht artinsch! y
3.4 Definition. Ein Ring Λ heißt linksnoethersch (bzw. linksartinsch), wenn er als ΛLinksmodul noethersch (bzw. artinsch) ist.
3.5 Beispiel. Wir nehmen Λ := Z. Dann ist Z (links-) noethersch. Um dies zu sehen,
betrachten wir eine echt aufsteigende Folge N1 ⊂ N2 ⊂ . . . von Untermoduln. In einem
kommutativen Ring gilt Untermoduln = Ideale. Weil Z ein Hauptidealbereich ist, gilt
Nj = h a j i mit a j ∈ Z. Wegen N1 ⊂ N2 folgt a2 | a1 und a2 6= ± a1 . Analog a3 | a2 und
a3 6= ± a2 , usw.. Weil a1 nur endlich viele Teiler hat, kann es nur endlich viele a j geben
und damit ist die Idealfolge endlich, d.h. Z noethersch. Aber Z ist nicht artinsch, denn
Z = 20 Z ⊃ 21 Z ⊃ 22 Z ⊃ . . . ist eine unendliche echt absteigende Folge von Idealen.
3.6 Proposition. Ein R- Modul ist genau dann noethersch, wenn jeder Untermodul von M endlich
erzeugt ist.
Beweis. “=⇒” Sei N ein Untermodul von M. Falls N = {0}, dann ist N erzeugt von 0
X. Falls N 6= 0, dann ∃ a1 ∈ N \ {0}. Wir setzen N1 := h a1 i = Ra1 . Es gilt N1 ⊆ N. Falls
N1 = N, dann wird N von a1 erzeugt X. Falls N1 6= N, dann ∃ a2 ∈ N \ N1 . Wir setzen
N2 := h a1 , a2 i = Ra1 + Ra2 . Es gilt N1 ⊂ N2 ⊆ N. Falls N2 = N, dann wird N von a1 , a2
erzeugt X. Wir führen diesen Algorithmus weiter. Falls er nach n Schritten abbricht, dann
gilt h a1 , . . . , an i = N X. Da N1 ⊂ N2 ⊂ . . . eine echt aufsteigende Folge von Untermoduln
von M ist und da M noethersch ist, muss der Algorithmus abbrechen.
“⇐=” Wir argumentieren indirekt, d.h. wir nehmen an, dass es eine unendliche Folge
7
KAPITEL I. MODULTHEORIE
N1 ⊂ N2 ⊂ . . . von Untermoduln gibt. Weil die Folge aufsteigend ist, muss N := ∞
j=1 Nj ein
Untermodul von M sein (analog zu Algebra I, Aufgabe 20). Nach Voraussetzung gilt N =
h a1 , . . . , an i. Wegen ak ∈ N, muss es ein jk ∈ N geben mit ak ∈ Njk . Sei j = max{ j1 , . . . , jn }.
Wegen Njk ⊆ Nj =⇒ a1 , . . . , an ∈ Nj . Also gilt
S
[
Ni = N = h a1 , . . . , an i
i ∈N
Es gilt überall “=”, d.h. Nj = Nj+1 = . . .
⊆
a1 ,...,an ∈ Nj
Nj ⊆
[
Ni = N.
i ∈N
3.7 Beispiel. Wir betrachten den Polynomring Λ := K [ x1 , x2 , x3 , . . .] in den unendlich vielen
Variablen ( xn )n∈N über dem Körper K (vgl. Aufgabe 25 in Algebra I). Wenn wir Λ als ΛLinksmodul betrachten, dann ist er endlich erzeugt, denn 1 erzeugt Λ (wie jeden anderen
Ring). Andererseits ist h x1 , x2 , . . .i ein Ideal, das nicht endlich erzeugt ist.
p Denn in endlich vielen Polynomen kommen nur endlich viele Variable vor.
y
3.8 Proposition. Voraussetzung: N Untermodul des R- Moduls M.
Behauptung: M noethersch (bzw. artinsch) ⇐⇒ N und M/N noethersch (bzw. artinsch).
Beweis. Analog zur entsprechenden Aussagen bei auflösbaren Gruppen (vgl. Algebra I,
Proposition IV.5.3). Das soll in Aufgabe 3.2 gemacht werden.
3.9 Proposition. Voraussetzung: R linksartinsch (bzw. linksnoethersch), M endlich erzeugter RModul. Behauptung: M artinsch (bzw. noethersch).
Beweis. Sei M erzeugt von S := { a1 , . . . , an }. Wir betrachten den freien Modul F (S) mit
Basis S. Dann gilt F (S) ∼
= Rn . Wir behaupten, dass F (S) artinsch (bzw. noethersch) ist.
p Wir beweisen dies mit Induktion nach dem Rang n. Wenn n = 1, dann gilt F ( S ) ∼ R und
=
dies ist nach Voraussetzung ein artinscher (bzw. noetherscher) Modul.
Nun sei n > 1: F (S) hat den Untermodul
N := R ⊕ 0 ⊕ . . . ⊕ 0 ⊆ F (S)
=
Identifiziere
. . ⊕ R} .
|R ⊕ .{z
n− mal
Da N ∼
= R =⇒ N artinsch (bzw. noethersch). Weiter gilt M/N ∼
= ( R/R) ⊕ ( R/0) ⊕ . . . ⊕
( R/0) ∼
= Rn−1 . Mit Induktion nach n können wir annehmen, dass M/N artinsch (bzw.
noethersch) ist. Aus Proposition 3.8 folgt M artinsch (bzw. noethersch).y
Mit der universellen Eigenschaft von F (S) gibt es genau einen R- Modulhomomorphismus
ϕ : F (S) → M mit ϕ( ai ) = ai ∈ M (siehe Aufgabe 2.2). Weil M = h a1 , . . . , an i, gilt
M ⊇ ϕ F (S) ⊇ h a1 , . . . , an i = M,
und somit ist ϕ surjektiv. Nach dem Homomorphiesatz gilt M ∼
= F (S)/ ker( ϕ). Nach
Proposition 3.8 folgt aus F (S) artinsch (bzw. noethersch), dass M artinsch (noethersch)
ist.
3.10 Lemma (Zassenhaus-Lemma). Voraussetzung: Seien P0 ⊆ P und N 0 ⊆ N Untermoduln
von M. Behauptung:
[( N ∩ P) + N 0 ]/[( N ∩ P0 ) + N 0 ] ∼
= [( P ∩ N ) + P0 ]/[( P ∩ N 0 ) + P0 ]
Beweis. Wir definieren den Modul auf der linken Seite der Behauptung als L. Betrachte den
R-Modulhomomorphismus
ϕ : N ∩ P → L, a 7→ a.
8
4. EINFACHE UND HALBEINFACHE MODULN
Man zeigt leicht
ker( ϕ) = ( N ∩ P0 ) + ( N 0 ∩ P).
Sei a ∈ L. Dann gilt a = b + c mit b ∈ N ∩ P und c ∈ N 0 . Wegen a = b ∈ L folgt ϕ(b) = a
und damit ist ϕ surjektiv. Nach dem Homomorphiesatz folgt
L∼
= ( N ∩ P)/[( N ∩ P0 ) + ( N 0 ∩ P)].
Weil die rechte Seite dieser Formel symmetrisch in N und P ist, muss sie analog isomorph
zur rechten Seite der Behauptung sein.
3.11 Definition. Eine Reihe von Untermoduln von M ist gegeben durch
0 = M0 ⊆ M1 ⊆ . . . Mm = M.
(I.6)
Dabei heißt m die Länge der Reihe und M j /M j−1 der j-te Faktor. Wir nennen eine Reihe
0 = N0 ⊆ N1 ⊆ . . . ⊆ Nn = M eine Verfeinerung von (I.6), wenn
0 = N0 ⊆ . . . ⊆ Nn1 = M1 ⊆ Nn1 +1 ⊆ . . . ⊆ Nn2 = M2 ⊆ . . . ⊆ Nnm = Mm = M.
Eine Reihe wie in (I.6) heißt Kompositionsreihe, wenn überall “6=” gilt und wenn keine
echte Verfeinerung möglich ist. Zwei Reihen heißen äquivalent, wenn sie dieselbe Länge n
haben und es eine Permutation π ∈ Sn gibt mit M j /M j−1 ∼
= Nπ ( j) /Nπ ( j)−1 ∀ j = 1, . . . , n.
3.12 Beispiel. {0} ⊂ Re1 ⊂ Re1 + Re2 ⊂ . . . ⊂ Re1 + . . . Ren = Rn ist eine Kompositionsreihe. Länge= Dimension= n.
3.13 Satz (Verfeinerungssatz von Schreier). Zwei Reihen 0 = N0 ⊂ N1 ⊂ . . . ⊂ Nn = M
und 0 = P0 ⊂ P1 ⊂ . . . ⊂ Pp = M von Untermoduln von M haben äquivalente Verfeinerungen.
Beweis. Setze
Njk := Nj ∩ Pk + Nj−1
|
{z
}
Verfeinerung der Länge von np von ( Nj )
, Pkj :=
Pk ∩ Nj + Pk−1
|
{z
}
für alle j ∈
Verfeinerung der Länge np von ( Pk )
{1, . . . , n}, k ∈ {1, . . . , p}. Nach dem Zassenhaus-Lemma gilt Nj,k /Nj,k−1 ∼
= Pk,j /Pk,j−1 und
deshalb sind die Verfeinerungen äquivalent.
3.14 Theorem (Jordan-Hölder Theorem). Alle Kompositionsreihen eines R-Moduls haben dieselbe Länge.
Beweis. Nach dem Verfeinerungssatz von Schreier haben zwei Reihen äquivalente Verfeinerungen. Wenn wir alle überflüssigen Untermoduln aus den Verfeinerungen weglassen
(d.h. wenn “=” auftritt), dann bleiben äquivalente Reihen übrig. Wenn wir mit 2 Kompositionsreihen beginnen, dann müssen die konstruierten äquivalenten Verfeinerungen gleich
den ursprünglichen Kompositionsreihen sein, da keine echten Verfeinerungen möglich sind.
Also sind die ursprünglichen Kompositionsreihen äquivalent.
4. Einfache und halbeinfache Moduln
In der Gruppentheorie spielen einfache Gruppen eine wichtige Rolle in der Klassifikation.
Der Begriff des einfachen Moduls hat eine ähnliche Bedeutung. Halbeinfache Moduln sind
diejenigen Moduln, die sich als direkte Summe von einfachen Moduln schreiben lassen.
Suggestiv spielen die einfachen Moduln die Rolle der Atome und die halbeinfachen Moduln
sind diejenigen, die sich in Atome zerlegen lassen. Wie immer sei R ein Ring.
4.1 Definition. Ein R- Modul M 6= 0 heißt einfach, wenn 0 und M die einzigen Untermoduln von M sind.
9
KAPITEL I. MODULTHEORIE
4.2 Beispiel. Wenn R = K, dann gilt M einfach ⇐⇒ dim( M ) = 1.
4.3 Proposition. Voraussetzung: N Untermodul eines R- Moduls M, N 6= M. Behauptung:
M/N einfach ⇐⇒ es gibt keinen Untermodul P von M mit N ⊂ P ⊂ M.
Beweis. Sei π : M → M/N der Quotientenhomomorphismus. Analog zu Aufgabe 1 in
Algebra I ergibt P 7→ π −1 ( P) eine Bijektion zwischen den Untermoduln von M/N und den
Untermoduln von M, die N enthalten. Die Umkehrabbildung dieser Bijektion ist gegeben
durch P 7→ π ( P). Unter dieser Bijektion entsprechen die echten Untermoduln von M/N
(d.h. 0 6= P 6= M/N) den Untermoduln P mit N ⊂ P ⊂ M. Dies zeigt die Behauptung.
4.4 Sei M ein einfacher R- Modul. Für alle a ∈ M \ {0} gilt h ai = M. Also ist der Modulhomomorphimus
ϕ : R → M, λ 7→ λ · a
surjektiv. Nach dem Homomorphiesatz gilt R/I ∼
= M für das Linksideal I := ker( ϕ). Nach
Proposition 4.3 ist I ein maximales Linksideal (6= R).
4.5 Beispiel. Sei jetzt R := Z. Dann gilt R- Moduln = abelsche Gruppen (siehe 1.7). Sei also
A abelsche Gruppe:
Alg.I
4.4
A einfach ⇐⇒ A ∼
= Z/m, m Maximalideal ⇐⇒ A ∼
= Z/pZ für p prim.
4.3
4.6 Lemma. Voraussetzung: I 6= R sei ein Linksideal. Behauptung: ∃ maximales Linksideal m
mit I ⊆ m ⊂ R.
Beweis. Analog zu Algebra I, Lemma III.5.6 folgt das aus dem Lemma von Zorn und wird
in Aufgabe 4.2 gemacht.
4.7 Definition. Es sei M ein R- Modul. Wir sagen, dass der Untermodul N einen Komplementmodul P besitzt, wenn P ein Untermodul ist mit M = N ⊕ P.
Wie in der linearen Algebra ist die Bedingung M = N ⊕ P äquivalent zu M = N + P und
N ∩ P = 0. Dies folgt leicht aus Proposition 2.3.
4.8 Lemma (Lemma von Schur). Jeder Homomorphismus zwischen einfachen Moduln ist entweder 0 oder ein Isomorphismus.
Beweis. Wir nehmen an, dass der Homomorphismus ϕ : M → N nicht die Nullabbildung
ist. Weil ϕ( M ) ein Untermodul 6= 0 von N ist und N einfach ist, folgt ϕ surjektiv. Weiter ist
ker( ϕ) ein Untermodul von M, der 6= M ist. Weil auch M einfach ist, folgt ker( ϕ) = 0 und
damit ist ϕ injektiv (Proposition 1.10 a). Als bijektiver Modulhomomorphismus ist ϕ ein
Isomorphismus (Proposition 1.10 b).
4.9 Lemma. Voraussetzung: M = ∑ j∈ J Nj für einfache Untermoduln Nj von M. Behauptung:
L
Für jeden Untermodul N von M existiert I ⊆ J so, dass M = N ⊕ i∈ I Ni .
Beweis. Wir setzen S := { I ⊆ J | N + ∑i∈ I Ni ist direkte Summe}. Weil ∅ ∈ S, folgt S 6= ∅.
Weiter ist S partiell geordnet durch ⊆. Wir behaupten, dass S den Voraussetzungen des
Zornschen Lemmas genügt (vgl. Algebra I, III.5.5). Wenn wir das vorerst annehmen, dann
folgt aus dem Zornschen Lemma, dass S ein maximales Element I besitzt. Wir wollen zeigen,
L
dass M = N ⊕ i∈ I Ni gilt. Nach Wahl von I ist die rechte Seite schon eine direkte Summe.
Sei j ∈ J. Falls
!
Nj ∩
N⊕
M
i∈ I
10
Ni
=0
4. EINFACHE UND HALBEINFACHE MODULN
gilt, dann ist ( N ⊕ i∈ I Ni ) ⊕ Nj eine direkte Summe und damit I ∪ { j} ∈ S. Dies widerspricht der Maximalität von I. Somit gilt
!
L
Nj ∩
N⊕
M
6= 0
Ni
i∈ I
für alle j ∈ J. Weil Nj einfach ist, muss Nj ∩ ( N ⊕
L
Nj ⊆ ( N ⊕ i∈ I Ni ). Insgesamt folgt
M=
∑ Nj ⊆ N ⊕
L
M
j∈ J
i∈ I
Ni ) = Nj gelten und damit folgt
Ni ⊆ M
i∈ I
und damit überall = wie gewünscht.
Es bleibt zu zeigen, dass S den Voraussetzungen des Zornschen Lemmas genügt, d.h. wir
müssen für jede total geordnete Teilmenge K von S eine obere Schranke in S finden. Als
obere Schranke bietet sich
[
I∞ :=
I
(I.7)
I ∈K
an. Dazu müssen wir I∞ ∈ S zeigen, d.h. wir müssen beweisen, dass
N+
∑
Ni
(I.8)
i ∈ I∞
eine direkte Summe ist. Nach Proposition 2.3 müssen wir zeigen, dass jedes Element
a ∈ N + ∑i∈ I∞ Ni genau eine Darstellung a = b + ∑i∈ I∞ ai hat mit b ∈ N und ai ∈ Ni . Nach
Definition der Summe existiert so eine Darstellung. Seien nun
a = b+
∑
ai = b 0 +
i ∈ I∞
∑
ai0
(I.9)
i ∈ I∞
zwei solche Darstellungen. Sei i ∈ I∞ mit ai 6= 0 oder ai0 6= 0. Für jedes solche i gibt es wegen
(I.7) ein Ii ∈ K mit i ∈ Ii . Weil es nur endlich viele solcher i gibt und weil K total geordnet
ist, gibt es ein grösstes Ii , das wir mit Imax bezeichnen. Dann finden die Darstellungen (I.9)
in
N + ∑ Ni
i ∈ Imax
statt. Weil Imax ∈ K ⊆ S, ist diese Summe direkt, dh.
N+
∑
M
Ni = N ⊕
i ∈ Imax
Ni .
i ∈ Imax
Es folgt b = b0 und ai = ai0 für alle i ∈ Imax . Weil aber ai = 0 = ai0 für alle i ∈ I∞ \ Imax nach
Konstruktion, muss die Darstellung (I.9) eindeutig sein. Somit ist (I.8) eine direkte Summe
und damit ist (I.7) eine obere Schranke von K in S.
4.10 Definition. Ein R- Modul M heißt halbeinfach :⇐⇒ M =
moduln M j von M.
L
j∈ J
M j für einfache Unter-
4.11 Beispiel. Wenn R = K Körper, dann ist jeder R- Modul ein K-Vektorraum und damit
immer halbeinfach: Wir wählen dazu eine Basis (e j ) j∈ J . Existiert immer nach dem Zornschen
Lemma, siehe Lineare Algebra. Dann gilt
M=
M
Ke j .
j∈ J
Weil die 1- dimensionalen Unterräume Ke j einfach sind nach Beispiel 4.2, folgt M halbeinfach.
11
KAPITEL I. MODULTHEORIE
4.12 Theorem. Für einen R- Modul M sind folgende Bedingungen äquivalent:
(a) M halbeinfach;
(b) M = ∑ j∈ J M j mit M j einfach;
(c) Jeder Untermodul von M besitzt einen Komplementmodul in M.
Beweis. “(a)=⇒(b)” trival. “(b)=⇒(a)”: Dies ist ein Spezialfall von Lemma 4.9, wenn wir
N = 0 wählen. “(b)=⇒(c)”: Es sei N ein Untermodul und wir müssen zeigen, dass N einen
Komplementmodul P in M hat. Wir wenden Lemma 4.9 an und erhalten den KomplementL
modul P := j∈ I Nj .
“(c)=⇒(b)”: Wir nehmen also an, dass jeder Untermodul M ein Komplementmodul in M
hat.
1.Schritt: Voraussetzung: P ⊆ N ⊆ M Untermoduln von M. Behauptung: P besitzt einen
Komplementmodul in N.
p Beweis.
Nach Voraussetzung hat P einen Komplementmodul Q in M, d.h. M = P ⊕ Q.
Setze Q0 := Q ∩ N. Wegen P ∩ Q = 0 =⇒ P ∩ Q0 = 0. Um zu zeigen, dass N = P ⊕ Q0 gilt,
bleibt zu prüfen, dass sich jedes a ∈ N als Summe von Elementen aus P und Q0 schreiben
lässt. Aus M = P ⊕ Q folgt, dass a = b + c mit b ∈ P, c ∈ Q. Es gilt c = a − b. Weil a ∈ N
und b ∈ P ⊆ N, gilt c ∈ N. Also gilt c ∈ Q ∩ N = Q0 X.y
2.Schritt: Voraussetzung: 0 6= N Untermodul von M. Behauptung: N besitzt einen einfachen
Untermodul.
p Beweis.
Wähle a ∈ N \ {0}. Wenn nun h ai = Ra einen einfachen Untermodul besitzt,
dann hat auch N diesen einfachen Untermodul wegen h ai ⊆ N. Also o.B.d.A. N = h ai.
Betrachte den surjektiven Homomorphismus ϕ : R → N, λ 7→ λ · a. Nach Lemma 4.6 gibt
es ein maximales Linksideal M mit I := ker( ϕ) ⊆ M ⊂ R. Dabei benutzen wir, dass I ein
Linksideal 6= R ist. Beachte, dass P := ϕ(M) ein Untermodul von N ist. Nach dem 1.Schritt
besitzt P einen Komplementmodul Q in N, d.h.
N = ϕ(M) ⊕ Q.
(I.10)
Mit (I.10) folgt
Q ∼
= N/ϕ(M)
(I.11)
(I.10)
Weil ϕ surjektiv ist, folgt mit den Homomorphiesatz
N∼
= R/ ker( ϕ) = R/I
(I.12)
Analog gilt
ϕ (M) ∼
=M/ ker( ϕ) ∩ M
=
M/I
I =ker( ϕ)⊆M
(I.13)
Aus (I.10)-(I.13) folgt
Q∼
=( R/I )/(M/I )
∼
=
R/M
(I.14)
2.Iso.satz
Weil M ein maximales Linksideal ist, muss R/M nach Proposition 4.3 einfach sein und mit
(I.14) ist auch Q einfach.y
12
5. UNZERLEGBARE MODULN
Sei J die Menge aller einfachen Untermoduln von M und N := ∑ P∈ J P. Zu zeigen: N = M.
Indirekt: Wenn N ⊂ M, dann hat N einen Komplementmodul Q 6= 0 in M, d.h. M = N ⊕ Q.
Nach dem 2.Schritt ∃ einfacher Untermodul Q0 von Q. Da N Summe von allen einfachen
Untermoduln ist =⇒ Q0 ⊆ N. =⇒ Q0 = Q0 ∩ N ⊆ Q ∩ N
= 0. Also gilt Q0 = 0. Da
kein einfacher Modul 0 sein darf =⇒
M= N ⊕Q
.
5. Unzerlegbare Moduln
Der Begriff des halbeinfachen Moduls aus Abschnitt 4 ist zu eingeschränkt für viele Anwendungen. Zum Beispiel ist eine endliche abelsche Gruppe genau dann halbeinfacher ZModul, wenn sie isomorph zu einem direkten Produkt von Gruppen der Form Z/pZ für
Primzahlen p ist (siehe Aufg. 4.4). Insbesondere sind alle Gruppen Z/pr Z, r ≥ 2, nicht
halbeinfach. Deshalb werden wir in diesem Abschnitt den Begriff des “Atoms” weiter fassen
und dafür unzerlegbare Moduln nehmen. Dann können wir zeigen, dass jeder artinsche
noethersche Modul direkte Summe von unzerlegbaren Moduln ist. Wie immer bezeichnet R
einen Ring.
5.1 Definition. Ein R- Modul M heißt zerlegbar :⇐⇒ ∃ Untermoduln M1 6= 0 und M2 6= 0
mit M = M1 ⊕ M2 . Sonst heißt M unzerlegbar.
5.2 Beispiel. Jeder einfache Modul ist unzerlegbar.
M2 = M oder umgekehrt folgen. y
p
Aus M = M1 ⊕ M2 würde M1 = 0,
5.3 Beispiel. Sei m ∈ N, m ≥ 2: Behauptung: Z/mZ unzerlegbar als Z- Modul ⇐⇒ m
Primzahlpotenz.
p “=⇒” Wir zeigen, dass wenn m keine Primzahlpotenz ist, dann muss Z/mZ zerlegbar
sein. Also sei m = k · l mit k, l 6= ±1, ggT(k, l ) = 1. Nach dem chinesischen Restsatz folgt
Z/mZ ∼
= Z/kZ × Z/lZ und somit ist Z/mZ zerlegbar.
“⇐=” Sei m = pr . Wir nehmen an, dass Z/pr Z = M1 ⊕ M2 für Untermoduln M1 , M2 .
Zu zeigen: M1 = 0 oder M2 = 0. Da Mi Untergruppe von Z/pr Z ist, muss Mi eine
zyklische Untergruppe der Ordnung psi sein mit 0 ≤ si ≤ r (Lagrange). Sei s := max(s1 , s2 ).
Dann gilt wegen Z/pr Z ∼
= Z/ps1 Z × Z/ps2 Z, dass ps a = 0 ∀ a ∈ Z/pr Z. Andererseits gilt
k
r
p · 1 6= 0 ∈ Z/p Z für k = 0, . . . , r − 1. =⇒ r = s. Also gilt s1 = r oder s2 = r. =⇒ s2 = 0
oder s1 = 0 (denn pr = Ord(Z/pr Z) = Ord(Z/ps1 Z) · Ord(Z/ps2 Z) = ps1 +s2 )y .
5.4 Lemma. Voraussetzung: M R- Modul. Behauptung: M zerlegbar ⇐⇒ ∃e ∈ End( M) \
{0, 1} mit e2 = e.
Beweis. “=⇒” Sei M = M1 ⊕ M2 mit M1 6= 0, M2 6= 0. Sei e die Projektion auf M1 , d.h.
a = a1 + a2 mit a1 ∈ M1 und a2 ∈ M2 bilden wir ab auf e( a) := a1 .
• e 6= 0, denn M1 6= 0 und e| M = 1 M1 ,
1
• e 6= 1, denn M2 6= 0 und e| M = 0,
2
• e2 = e, denn e( a) ∈ M1 für alle a ∈ M und mit dem ersten Punkt folgt e2 ( a) =
e(e( a)) = e( a).
“⇐=” Sei e wie in der Behauptung. Wir setzen M1 := e( M), M2 := (1 − e)( M). Wegen
e 6= 0, 1 =⇒ M1 6= 0, M2 6= 0. Wir wollen zeigen, dass M = M1 ⊕ M2 gilt. Offensichtlich gilt
M = M1 + M2 p denn sei a ∈ M =⇒ a = a1 + a2 mit ai = e( a) ∈ M1 , a2 := a − e( a) ∈ M2 y .
Wegen 4.8 genügt es, M1 ∩ M2 = 0 zu zeigen. Sei also a ∈ M1 ∩ M2 . =⇒ ∃b, c ∈ M mit
13
KAPITEL I. MODULTHEORIE
a = e ( b ) = c − e ( c ).
a∈ M1
a∈ M2
a = e(b) = e2 (b) = e(e(b)) = e(c − e(c)) = e(c) − e2 (c) = e(c) − e(c) = 0.
e2 = e
e2 = e
5.5 Wir betrachten ϕ ∈ End( M) für einen R- Modul M. Wendet man ϕ auf M ⊇ ϕ( M) an,
dann folgt ϕ( M) ⊇ ϕ2 ( M ). Durch Iteration erhalten wir eine absteigende Folge
M ⊇ ϕ ( M ) ⊇ ϕ2 ( M ) ⊇ . . .
(I.15)
von Untermoduln. Wenn M artinsch ist, dann stabilisiert sich die Kette, d.h. es gilt immer
Gleichheit nach endlich vielen Schritten. Analog erhält man eine aufsteigende Kette
0 ⊆ ker( ϕ) ⊆ ker( ϕ2 ) ⊆ . . .
(I.16)
die nach endlich vielen Schritten stabilisiert, wenn M noethersch ist.
5.6 Lemma (Fitting-Lemma). Voraussetzung: M artinscher und noetherscher R- Modul. BeT
S∞
∞
j
hauptung: ϕ∞ ( M) := ∞
j=1 ( M ) und ker( ϕ ) : =
j=1 ker( ϕ ) sind Untermoduln von M und es
gilt
M = ϕ∞ ( M ) ⊕ ker( ϕ∞ ).
Beachte, dass ϕ∞ nicht definiert ist und wir nur suggestiv ϕ∞ ( M ) und ker( ϕ∞ ) für die
oben definierten Mengen schreiben!
Beweis. Die Ketten (I.15) und (I.16) stabilisieren sich, d.h. ∃n ∈ N mit ϕm ( M) = ϕ∞ ( M)
und ker( ϕm ) = ker( ϕ∞ ) ∀m ≥ n. Insbesondere sind ϕ∞ ( M ) und ker( ϕ∞ ) Untermoduln.
Sei a ∈ ker( ϕ∞ ) ∩ ϕ∞ ( M). Wegen ϕ∞ ( M ) = ϕn ( M) gibt es b ∈ M mit a = ϕn (b). Aus
0
=
ϕn ( a) = ϕ2n (b) folgt b ∈ ker( ϕ2n ) = ker( ϕ∞ ) = ker( ϕn ). Also gilt a =
ker( ϕ∞ )=ker( ϕn )
n
ϕ (b) = 0 wie gewünscht.
Nach 4.8 bleibt zu zeigen, dass jedes a ∈ M eine Darstellung
a = b + c hat mit b ∈ ϕ∞ ( M) und c ∈ ker( ϕ∞ ). Es gilt ϕn ( a) ∈ ϕn ( M ) = ϕ∞ ( M ) = ϕ2n ( M)
und somit gibt es ein b0 ∈ M mit ϕn ( a) = ϕ2n (b0 ). Also ist b := ϕn (b0 ) ∈ ϕn ( M) = ϕ∞ ( M).
Wir setzen c := a − b. Wegen
ϕn (c) = ϕn ( a − b) = ϕn ( a) − ϕn (b) = ϕn ( a) − ϕ2n (b0 )
=
Konstr. von b0
0
folgt c ∈ ker( ϕn ) = ker( ϕ∞ ). Also ist a = b + c die gewünschte Zerlegung.
5.7 Wir erinnern daran, dass ein R- Modul M genau dann artinsch und noethersch ist, wenn
M eine Kompositionsreihe besitzt (Aufgabe 3.4). Nach dem Jordan- Hölder- Theorem ist
die Länge der Kompositionsreihe unabhängig von der Wahl der Kompositionsreihe. Wir
bezeichnen sie mit l ( M) und nennen sie die Länge von M. Für jeden Untermodul N von M
gilt nach Aufgabe 4.1
l ( M) = l ( N ) + l ( M/N )
(I.17)
5.8 Theorem. Jeder artinsche noethersche Modul M ist endliche direkte Summe von unzerlegbaren
Untermoduln.
Beweis. Mit Induktion nach l ( M ). Wenn l ( M) = 1 ist, dann ist M einfach und damit
unzerlegbar (Beispiel 5.2). Sei also l ( M) > 1. Wenn M unzerlegbar ist, dann sind wir fertig.
Also dürfen wir annehmen, dass M zerlegbar ist, d.h. M = M1 ⊕ M2 für Untermoduln
Mi 6= 0. Wegen (I.17) folgt l ( M ) = l ( M1 ) + l ( M2 ). Also gilt l ( Mi ) < l ( M) (wegen Mi 6= 0)
für i = 1, 2. Nach Induktionsvoraussetzung ist jedes Mi endliche direkte Summe von
unzerlegbaren Moduln und damit gilt dies auch für M.
14
5. UNZERLEGBARE MODULN
5.9 Ein 2-seitiges Ideal in einem Ring Λ ist ein Linksideal, das gleichzeitg auch Rechtsideal
ist. Ein Maximalideal in Λ ist ein maximales 2-seitiges Ideal I 6= R (bzgl. der partiellen
Ordnung ⊆).
5.10 Proposition. Voraussetzung: M unzerlegbarer artinscher noetherscher R- Modul. Behauptung:
a) Jeder Endomorphismus von M ist entweder nilpotent oder ein Automorphismus.
b) Die Menge der nilpotenten Endomorphismen bilden ein Maximalideal im Ring End( M).
Beweis. Dies folgt aus dem Fitting-Lemma und wird in Aufgabe 5.1 gezeigt.
5.11 Lemma. Voraussetzung: M, M0 R- Moduln, M 6= 0, M0 unzerlegbar, ϕ : M → M0
und ψ : M0 → M Homomorphismen. Behauptung: Falls ψ ◦ ϕ ∈ Aut( M), dann sind ϕ, ψ
Isomorphismen.
Beweis. Dies folgt aus 5.4 durch geschickte Betrachtung der Projektion e := ϕ ◦ (ψ ◦ ϕ)−1 ◦ ψ
von M0 (siehe [La, Lemma IV.9.6]).
5.12 Theorem (Krull-Schmidt-Theorem). Voraussetzung: M artinscher noetherscher R- MoL
L
dul, Mi , Nj unzerlegbare R- Moduln 6= 0 mit M ∼
= i ∈ I Mi ∼
= j∈ J Nj . Behauptung: ∃ Bijektion
f : I → J mit Mi ∼
= N f (i ) .
Beweis. Weil M noethersch ist, sind I und J endlich (sonst hätte man unendliche aufsteigende Kette 0 ⊂ M1 ⊂ M1 ⊕ M2 ⊂ . . .). O.B.d.A. I = {1, . . . , m}, J = {1, . . . , n}. Wir
argumentieren mit Induktion nach m. Wenn m = 1 =⇒ M ∼
= M1 unzerlegbar =⇒ n = 1
∼
und M ∼
M
N
.
Sei
nun
m
>
1
und
die
Behauptung
sei
richtig
für alle Moduln mit einer
= 1= 1
Zerlegung der Länge < m (Induktionsvoraussetzung). Falls n < m, dann wenden wir die
Induktionsvoraussetzung für n an und wir sind fertig. Also dürfen wir n ≥ m annehmen.
Wir dürfen annehmen, dass
M = M1 ⊕ . . . ⊕ Mm = N1 ⊕ . . . ⊕ Nn
innere direkte Summen sind. Sei ei (bzw. f j ) die Projektion auf Mi (bzw. Nj ). Für j ∈ J sei
ϕ j := e1 ◦ f j , ψj := f j ◦ e1 ∈ End( M ).
n
∑
j =1
ϕ j ◦ ψj | M1
f j2 = f j
=
n
n
∑ e1 ◦ f j | M1 = e1 ◦ ∑ f j | M1 = 1 M1 .
e1 | M1 =1 M1 j=1
j =1
Nach Proposition 5.10 ist ϕ j ◦ ψj | M1 entweder im Maximalideal von End( M1 ) oder ein
Automorphismus von M1 . Weil die Summe gleich 1 M1 ist, können nicht alle im Maximalideale liegen. Also gibt es ein j ∈ J so, das ϕ j ◦ ψj | M1 ein Automorphismus von M1 ist.
Durch Umnummerieren der Nj können wir j = 1 annehmen. Nach Lemma 5.11 sind die
f1
e
1
Abbildungen M1 → M1 und N1 →
M1 beide Isomorphismen. Wir behaupten
M = N1 ⊕ ( M2 ⊕ . . . ⊕ Mm )
Dann folgt
(I.18)
M2 ⊕ . . . ⊕ Mm ∼
= M/N1 ∼
= N2 ⊕ . . . ⊕ Nn
(I.18)
und die Behauptung folgt mit Induktion nach m. Um (I.18) zu beweisen, betrachten wir
a ∈ N1 ∩ ( M2 ⊕ . . . ⊕ Mm ) =⇒ e1 ( a) = 0
=⇒
a = 0.
e1 Iso. auf N1
=⇒ N1 ∩ ( M2 ⊕ . . . ⊕ Mm ) = 0
(I.19)
15
KAPITEL I. MODULTHEORIE
Sei a ∈ M. ∃ a1 ∈ N1 mit e1 ( a) = e1 ( a1 ) (da e1 Isomorphismus auf N1 ).
=⇒ a − a1 ∈ ker(e1 ) = M2 ⊕ . . . ⊕ Mm =⇒ M = N1 + ( M2 ⊕ . . . ⊕ Mm )
(I.20)
Aus (I.19) und (I.20) folgt (I.18).
Wir wollen noch folgenden Spezialfall des Krull- Schmidt Theorems erwähnen:
L
L
5.13 Theorem. Voraussetzung: M = i∈ I Mi = j∈ J Nj mit Mi , Nj alles einfache R- Moduln.
Behauptung: ∃ Bijektion f : I → J mit Mi ∼
= N f (i) ∀i ∈ I.
Beweis. Nur im Fall | I | < ∞, für den allgemeinen Fall verweisen wir auf [Ja, Theorem
3.14]. Jeder einfache Modul ist noethersch. Aus 3.8 folgt, dass eine direkte Summe von
noetherschen Moduln wieder noethersch ist (siehe Aufgabe 3.3). Weil I endlich ist, folgt
induktiv, dass M noethersch ist. Analog ist M artinsch. Damit folgt die Behauptung aus
Theorem 5.12.
6. Freie Moduln über Hauptidealbereichen
In diesem Abschnitt bezeichnet R einen Hauptidealbereich. Wir werden im nächsten Abschnitt die endlich erzeugten R- Moduln bis auf Isomorphie klassifizieren. In diesem
Abschnitt werden wir zeigen, dass jeder endliche erzeugte R- Modul direkte Summe ist von
einem freien R- Modul von endlichem Rang und einem Torsionsmodul.
6.1 Proposition. Es sei Λ beliebiger Ring und N ein Untermodul des Λ- Moduls M. Dann sind
folgende Bedingungen äquivalent:
∼
(a) Die Inklusion i : N → M kann zu einem Isomorphismus N ⊕ ( M/N ) → M fortgesetzt werden.
(b) N hat einen Komplementmodul in M.
(c) Der Inklusionshomomorphismus i : N → M hat ein Linksinverses.
(d) Der Quotientenhomomorphismus π : M → M/N hat ein Rechtsinverses.
Dabei heißt ψ : M → N Linksinverses von i : N → M :⇐⇒ ψ ◦ i = 1 N ; dabei heißt ϕ : M/N →
M Rechtsinverses von π : M → M/N :⇐⇒ π ◦ ϕ = 1 M/N .
Beweis. Aufgabe 5.2.
6.2 Korollar. Unter denselben Voraussetzungen wie in 6.1 soll zusätzlich gelten, dass M/N ein
freier Λ- Modul ist. Dann gilt M ∼
= N ⊕ ( M/N ).
Beweis. Nach Voraussetzung hat M/N eine Λ- Basis S. Weil der Quotientenhomomorphismus π : M → M/N surjektiv ist, gibt es für jedes s ∈ S ein f (s) ∈ M mit π ( f (s)) = s.
Aufgrund der universellen Eigenschaft von freien Moduln (siehe Aufgabe 2.2) ∃! Homomorphismus ψ : M/N → M mit ψ|S = f . Nach Konstruktion gilt
π ◦ ψ | S = π ◦ f = 1S .
Weil S eine Basis ist von M/N, folgt π ◦ ψ = 1 M/N . Also ist ψ ein Rechtsinverses von π.
Zusammen mit 6.1 folgt: M ∼
= N ⊕ ( M/N ).
6.3 Beispiel. Sei π : Z → Z/2Z Quotientenhomomorphismus. Dann hat π kein Rechtsinverses, weil jeder Homomorphismus ψ : Z/2Z → Z die Nullabbildung ist.
16
6. FREIE MODULN ÜBER HAUPTIDEALBEREICHEN
6.4 Definition. Es sei M ein beliebiger Λ- Modul . Für a ∈ M heißt
Ann( a) := {λ ∈ Λ| λ · a = 0},
der Annulator von a. Wir nennen a ∈ M ein Torsionselement von M :⇐⇒ Ann( a) 6= 0.
Die Menge der Torsionselemente wird mit T ( M ) bezeichnet. M heißt torsionsfrei :⇐⇒
T ( M) = 0. M heißt Torsionsmodul :⇐⇒ T ( M) = M.
Wir veranschaulichen das uns an folgenden Beispielen:
(
0
a 6= 0
• M = Z, Λ = Z: Ann( a) =
und T (Z) = 0, d.h. Z torsionsfrei.
Z a=0
• M = Z/10Z, Λ = Z: Ann( a) =
Torsionsmodul.
10
Z
ggT( a,10)
und T (Z/10Z) = Z/10Z, d.h. Z/10Z
6.5 Proposition. Voraussetzung: M Λ- Modul, a ∈ M. Behauptung:
(a) Ann( a) ist ein Linksideal in Λ.
(b) a = 0 ⇐⇒ Ann( a) = Λ.
Wenn Λ ein Integritätsbereich ist, gilt weiter:
(c) T ( M) ist ein Untermodul von M, der selber Torsionsmodul ist.
(d) M/T ( M) ist ein torsionsfreier R- Modul.
Beweis. Übung 5.3.
6.6 Bemerkung. Λ ist als Λ-Linksmodul genau dann torsionsfrei, wenn Λ keine Nullteiler
ungleich 0 hat. In diesem Fall ist auch jeder freie Λ- Modul torsionsfrei. Wir werden für
endlich erzeugte Moduln die Umkehrung beweisen, falls Λ = R ein Hauptidealbereich.
Endlich erzeugt ist dabei nötig, weil M = Q ein torsionsfreier Z- Modul ist, der nicht frei ist
(siehe Aufgabe 2.1).
Ab jetzt betrachten wir nur noch den Hauptidealbereich R. In Proposition 2.14 haben wir
gesehen, dass die Länge einer Basis von einem freien R- Modul M eindeutig bestimmt ist
durch M und wir nennen sie den Rang von M.
6.7 Satz. Voraussetzung: M freier R- Modul vom Rang n < ∞. Behauptung: Jeder Untermodul
N von M ist frei vom Rang ≤ n.
Beweis mit Induktion. Wenn n = 1, dann o.B.d.A. M = R. =⇒ N als Untermodul des
kommutativen Ringes ist ein Ideal. Weil R Hauptidealbereich =⇒ ∃ a ∈ R mit N = Ra. Falls
∼
a = 0 =⇒ N = 0 ist der freie Modul vom Rang 0. Falls a 6= 0, dann ist R → N, λ 7→ λa,
ein R- Modulisomorphismus (da R kommutativ ist und keine Nullteiler hat). =⇒ N frei
vom Rang 1. Nun sei n ≥ 2 und wir nehmen an, dass die Behauptung stimmt für alle freien
R- Moduln vom Rang n − 1 (Induktionsvoraussetzung). O.B.d.A. M = Rn . Es sei pn die
Projektion von M auf den letzten Faktor R und es sei e1 , . . . , en die Standardbasis von Rn .
Durch Einschränkung von pn auf N erhalten wir einen Homomorphismus ϕ : N → R.
=⇒ ker( ϕ) ⊆ Re1 ⊕ . . . ⊕ Ren−1 .
(I.21)
Es folgt mit Induktion, dass ker( ϕ) ein freier Modul vom Rang ≤ n − 1 ist. Weil im
Ring R die Untermoduln gleich den Idealen sind, muss ϕ( N ) ein Ideal sein. Weil R ein
Hauptidealbereich ist, gibt es ein µ ∈ R mit ϕ( N ) = Rµ.
1.Fall: µ = 0. =⇒ ϕ( N ) = 0 =⇒ ker( ϕ) = N ist freier Modul vom Rang ≤ n − 1. X
17
KAPITEL I. MODULTHEORIE
2.Fall: µ 6= 0. Wie im Induktionsanfang n = 1 folgt ϕ( N ) = Rµ ∼
= R. Nach dem
Homomorphiesatz =⇒ N/ ker( ϕ) ∼
= ϕ( N ) ∼
= R. Also ist N/ ker( ϕ) frei (vom Rang 1). Nach
Korollar 6.2 gilt N ∼
= ker( ϕ) ⊕ ( N/ ker( ϕ)) ∼
= ker( ϕ) ⊕ R. Weil ker( ϕ) ein freier Modul
vom Rang ≤ n − 1 ist, folgt N ist frei vom Rang ≤ n.
6.8 Theorem. Voraussetzung: M endlich erzeugter torsionsfreier R- Modul, erzeugt von m Elementen. Behauptung: M ist ein freier R- Modul vom Rang ≤ m.
Beweis. M = h a1 , . . . , am i. Es gibt eine maximale R- linear unabhängige Teilfamilie von
a1 , . . . , am . Durch Umnummerierung dürfen wir annehmen, dass a1 , . . . , an diese Teilfamilie
ist. ∀ j > n gibt es eine Linearkombination
λ j1 a1 + λ j2 a2 + . . . + λ jn an + λ j a j = 0
(I.22)
mit λ j 6= 0. Weil a1 , . . . , an linear unabhängig ist, muss F := h a1 , . . . , an i ein freier Untermodul von M sein vom Rang n. Wir setzen λ := λn+1 · · · λm . Falls n = m, dann setzen wir
λ := 1. Wegen (I.22) gilt λ · a j ∈ F ∀ j = 1, . . . , m. Weil a1 , . . . , am ein Erzeugendensystem von
M ist, folgt λ · a ∈ F ∀ a ∈ M. Deshalb können wir die Abbildung
ϕ : M → F, a 7→ λ · a
definieren. Weil R kommutativ ist, muss ϕ ein R- Modulhomomorphismus sein. Da M
torsionsfrei ist =⇒ ker( ϕ) = 0 =⇒ ϕ injektiv. Mit Hilfe des Homomorphiesatzes erhalten
wir M ∼
= M/ ker( ϕ) ∼
= ϕ( M). Nach Satz 6.7 ist ϕ( M) ein freier Modul vom Rang ≤ n und
damit gilt dies auch für M.
6.9 Theorem. Sei m ∈ N und M ein von m Elementen erzeugter R- Modul. Behauptung: ∃ freier
Untermodul F von M vom Rang ≤ m mit M = F ⊕ T ( M).
Beweis. Weil die Bilder eines Erzeugendensystem wieder ein Erzeugendensystem bilden,
folgt, dass M/T ( M ) ein von m Elementen erzeugter R- Modul ist. Nach Proposition 6.5 ist
M/T ( M ) ein torsionsfreier R- Modul. Aus Theorem 6.8 folgt, dass M/T ( M ) ein freier RModul vom Rang ≤ m ist. Nach Korollar 6.2 gilt M ∼
= T ( M) ⊕ ( M/T ( M)) und damit folgt
die Behauptung.
6.10 Bemerkung. Der freie Untermodul F in Theorem 6.9 ist nicht eindeutig bestimmt. Weil
er aber isomorph ist zu M/T ( M), muss F bis auf Isomorphie eindeutig sein und damit ist
der Rang von F unabhängig von der Wahl von F. Oft wird er als Rang von M bezeichnet,
obwohl M selber nicht frei ist!
7. Endlich erzeugte Moduln über Hauptidealbereiche
In diesem Abschnitt sei R ein Hauptidealbereich. Wir werden die endlich erzeugten RModuln bis auf Isomorphie klassifizieren. Als Anwendung erhalten wir die Klassifikation
der endlich erzeugten abelschen Gruppen.
7.1 Wir betrachten einen freien R- Modul F mit Basis e1 , . . . , en . Für a ∈ F sei
Ia := { f ( a)| f ∈ Hom( F, R)}.
Wir nennen Ia den Inhalt von a.
7.2 Proposition. Ia ist ein Ideal in R, das erzeugt wird vom ggT der Koordinaten von a.
18
7. ENDLICH ERZEUGTE MODULN ÜBER HAUPTIDEALBEREICHE
Beweis. Wir betrachten die Koordinaten α1 , . . . , αn von a, d.h. a = α1 e1 + . . . + αn en . Weil
jedes f ∈ Hom( F, R) die Form f ( x1 e1 + . . . + xn en ) = x1 f (e1 ) + . . . + xn f (en ) hat mit
beliebigen λi = f (ei ) ∈ R, folgt
Ia
=
=
=
=
Alg. I, 2.5.8
{ f ( a)| f ∈ Hom( F, R)}
{ α1 λ1 + . . . + α n λ n | λ1 , . . . , λ n ∈ R }
h α1 , . . . , α n i
hggT(α1 , . . . , αn )i.
7.3 Definition. Wir nennen a nicht dividierbar :⇐⇒ Ia = R.
Das bedeutet nach Proposition 7.2, dass der ggT der Koordinaten von a gleich 1 ist.
7.4 Lemma. Für a ∈ F sind folgende Bedingungen äquivalent:
(i) a nicht dividierbar;
(ii) ∃ f ∈ Hom( F, R) mit f ( a) = 1.
(iii) F = Ra ⊕ N für einen Untermodul N von F.
(iv) a ist Teil einer Basis von F.
Beweis. Es sei a nicht dividierbar, d.h. Ia = R. Aus der Definition von Ia folgt, dass es ein
f ∈ Hom( F, R) gibt mit f ( a) = 1. Damit folgt (ii).
Sei (ii) gegeben. Es gilt 1 ∈ Ia nach Voraussetzung (ii). Weil Ia ein Ideal ist nach Proposition 7.2, folgt: Ia = R. Also gilt (i).
Es sei f ∈ Hom( F, R) mit f ( a) = 1. Wir zeigen, dass F = Ra ⊕ ker( f ) gilt: Für b ∈ F gilt
b = f (b) · a + c, mit c := b − f (b) a.
(I.23)
Es gilt
f (c) = f (b − f (b) a)
=
f linear
f (b) − f (b) f ( a) = f (b) − f (b) · 1 = 0.
Also gilt c ∈ ker( f ) und mit (I.23) folgt F = Ra + ker( f ). Es bleibt zu zeigen, dass Ra ∩
ker( f ) = 0. Sei also x ∈ Ra ∩ ker( f ).
x = λa =⇒ 0 = f ( x ) = λ f ( a) = λ =⇒ x = 0,
wie gewünscht. Also folgt (iii).
Sei F = Ra ⊕ N. Wenn b1 , . . . , bm eine Basis von N ist, muss a, b1 , . . . , bm eine Basis von F
sein. Nach Satz 6.7 wissen wir, dass N als Untermodul des freien Moduls F eine Basis hat.
Also folgt (iv).
Es gelte (iv). Sei a, b1 , . . . , bn−1 eine Basis von F. Wir wählen als f die Linearform auf F,
die jedes Element x1 a + x2 b1 + . . . + xn bn−1 auf x1 abbildet (1. Koordinaten bzgl. der obiger
Basis). Dann gilt f ( a) = 1 und es folgt (ii).
7.5 Sei jetzt N ein Untermodul von F. Weil R als Hauptidealbereich noethersch ist (analog
zu Beispiel 3.5), gibt es ein b ∈ N so, dass der Inhalt Ib maximal ist unter allen Ia ∈ N.
7.6 Lemma. Voraussetzung: Sei β der ggT der Koordinaten des obigen Elements b und f ∈
Hom( F, R) mit f (b) = β (existiert nach Proposition 7.2). Weiter sei c das nicht dividierbare
Element aus F mit b = β · c. Behauptung:
a) F = Rc ⊕ ker( f );
19
KAPITEL I. MODULTHEORIE
b) N = Rb ⊕ (ker( f ) ∩ N );
c) ∀ g ∈ Hom( F, R) =⇒ g( N ) ⊆ Rβ = Ib .
Beweis. Es gilt f (c) = 1 und mit dem Beweis von Lemma 7.4(ii)=⇒(iii) folgt a). Für den
Beweis von b) und c) verweisen wir auf [Bo, Chapter VII,§4,No.2,Prop.3].
7.7 Satz (Elementarteilersatz). Voraussetzung: F freier R- Modul vom Rang n < ∞, N Untermodul von F. Behauptung: ∃ Basis e1 , . . . , en von F und λ1 |λ2 | . . . λr ∈ R so, dass λ1 e1 , . . . , λr er
eine Basis von N ist.
Behauptung: Wir werden später in Korollar 7.10 sehen, dass die Elementarteiler λ1 , . . . , λr
durch N und F eindeutig bestimmt werden bis auf Multiplikation mit Einheiten.
Beweis. Falls N = {0}, dann ist die Behauptung trivial (wähle r = 0 und eine beliebige
Basis). Also sei N 6= 0. Also wenden wir Lemma 7.6 an. mit diesen Bezeichnungen gibt es
einen Untermodul F1 := ker( f ), λ1 := β ∈ R \ 0 und e1 := c so, dass
F = Re1 ⊕ F1 , N = Rλ1 e1 ⊕ ( F1 ∩ N ), g( N ) ⊆ Rλ1 ∀ g ∈ Hom( F, R).
(I.24)
Wir argumentieren mit Induktion nach n =Rang(F). Wenn n = 0, folgt N = 0 und wir
sind fertig. Also sei n > 0 und die Behauptung sei bewiesen für freie Moduln vom Rang
n − 1. Es gilt Rang F1 = n − 1 und wir wenden die Induktionsvoraussetzung auf den
Untermodul F1 ∩ N von F1 an. Damit hat F1 eine Basis e2 , . . . , en und λ2 | . . . |λr ∈ R \ 0,
so, dass λ2 e2 , . . . , λr er eine Basis von F1 ∩ N ist. Offensichtlich ist e1 , . . . , en eine Basis von
F und λ1 e1 , . . . , λr er eine Basis von N (wegen (I.24)). Sei g ∈ Hom( F, R), definiert durch
g( x1 e1 + . . . + xn en ) = x2 . Dann gilt
(
g ( ei ) =
0,
1,
i 6= 2
.
i=2
Wegen λ2 e2 ∈ N folgt
λ2 = λ2 g(e2 ) = g(λ2 e2 ) ∈ Rλ1 .
(I.24)
Das zeigt λ1 |λ2 wie gewünscht.
7.8 Theorem. Voraussetzung:
M
endlich erzeugter
R- Modul. Behauptung: ∃λ1 | . . . |λm ∈
∗
∼
R \ R mit M = R/hλ1 i ⊕ . . . ⊕ R/hλm i .
Beweis. M = h a1 , . . . , an i. Nach der universellen Eigenschaft des freien Moduls gibt es
genau einen R- Modulhomomorphismus ϕ : Rn → M mit ϕ(ei ) = ai ∀i = 1, . . . , n, wobei
e1 , . . . , en die Standardbasis von Rn ist. Wir wenden den Elementarteilersatz 7.7 an für den
Untermodul N := ker( ϕ) von F. Es gibt also eine Basis b1 , . . . , bn von F und λ1 | . . . |λr ∈ R \ 0
so, dass λ1 b1 , . . . , λr br eine Basis von ker( ϕ) ist. Weil a1 , . . . , an ein Erzeugendensystem ist,
das im Bild von ϕ liegt, muss ϕ surjektiv sein. Aus dem Homomorphiesatz folgt
M = ϕ( F ) ∼
= F/ ker( ϕ) =
n
M
i =1
Rbi /
r
M
λ i bi ∼
= R/hλ1 i ⊕ . . . ⊕ R/hλr i ⊕ Rn−r .
i =1
Setzen wir λr+1 = . . . = λn = 0 und lassen dann alle Einheiten λi zu Beginn der Sequenz
weg, dann folgt die Behauptung.
7.9 Theorem. Voraussetzung: M endlich erzeugter R- Modul. Behauptung:
20
8. EINFACHE UND HALBEINFACHE RINGE
a) ∃ p1 , . . . , pr prim oder 0 in R, k1 , . . . , kr ∈ N, mit
k
M∼
= R/p11 R ⊕ . . . ⊕ R/prkr R .
(I.25)
b) (I.25) ist die Zerlegung von M in unzerlegbare Moduln.
Ls Lr lπ ( j)
kj
kj
li
∼
R
)
c)
R/p
=
i =1 R/qi R ) ⇐⇒ r = s und ∃ π ∈ Sr mit p j = qπ ( j) ∀ j = 1, . . . , r bis
j =1
j
auf Multiplikation mit Einheiten.
L
k
d) T ( M) ∼
= pi 6=0 R/pi i R, Rang M = |{ j| p j = 0}|.
Beweis. a) folgt aus dem chinesischen Restsatz (Alg I, Satz II.5.12) und Theorem 7.8. Weiter
L
L
k
ist klar, dass M = T ( M) ⊕ F mit T ( M ) ∼
= pi 6=0 R/pi i R und F ∼
= pi =0 R frei. Dies zeigt d).
Es gilt weiter
M unzerlegbar ⇐⇒ R/pk R für k ∈ N, p prim oder 0
folgt aus a). “⇐=” analog zu Beispiel 5.3.y Wenn pi 6= 0, dann ist R/piki R ein
artinscher Ring. Aus (d) und Aufgabe 3.3 folgt, dass T ( M) artinsch ist. Nach dem Theorem
von Krull-Schmidt 5.12 ist damit die Zerlegung von T ( M) in d) eindeutig bis auf Permutation
und Multiplikation mit Einheiten. Die Anzahl Summanden in (I.25) mit pi = 0 ist aber
gerade der Rang von M und damit folgen auch b) und c).
p “=⇒”
7.10 Korollar. Die Elementarteiler in 7.7 (bzw. 7.8) sind eindeutig bestimmt bis auf R∗ .
Beweis. Im Fall 7.7 folgt dies “leicht” aus Theorem 7.9 und wird nur an folgendem Beispiel
illustriert. Der Fall 7.8 ergibt sich aus 7.7, in dem man F/N betrachtet (...).
7.11 Beispiel. R = Z. M = (Z/4Z) × (Z/4Z) × (Z/2Z) × (Z/2×) × (Z/9Z) × (Z/3Z) ×
(Z/3Z) × Z. Gesucht: Darstellung aus Theorem 7.8 mit λ1 |λ2 . . .. Mit dem chinesischen
Restsatz folgt
M∼
= (Z/36Z) × (Z/12Z) × (Z/6Z) × (Z/2Z) × Z
und es ist leicht zu sehen, dass dies die einzige Möglichkeit ist.
8. Einfache und halbeinfache Ringe
Wir wenden die Theorie der halbeinfachen Moduln auf den Ring selber an, in dem wir
ihn als Linksmodul betrachten. Jeder halbeinfache Ring lässt sich dann als endliches direktes Produkt von einfachen Ringen schreiben. Wir werden sehen, dass diese einfache
Ringe isomorph zu Matrizenringe über Schiefkörpern sind. Weil jeder Modul über einem
halbeinfachen Ring automatisch halbeinfach ist, wird dieser Abschnitt wichtig für die
Darstellungstheorie endlicher Gruppen werden (siehe Kapitel II).
In diesem Abschnitt sei R wieder ein beliebiger Ring.
8.1 Definition. Ein Ring R heißt halbeinfach :⇐⇒ R ist als R- Linksmodul halbeinfach. Ein
Ring R heißt einfach :⇐⇒ 0 und R sind die einzigen 2-seitigen Ideale von R.
8.2 Bemerkung. Wenn R als R- Linksmodul einfach ist, dann sprechen wir von einem
linkseinfachen Ring. Jeder linkseinfache Ring hat nur 0 und R als Linksideale und damit
ist R auch ein einfacher Ring. Die Umkehrung muss aber im nicht kommutativen Fall nicht
gelten.
21
KAPITEL I. MODULTHEORIE
8.3 Beispiel. Sei D ein Schiefkörper, d.h. “ein Körper, bei dem die Multiplikation nicht
kommutativ sein muss” (vgl. Algebra I,§2.1). Als bekanntestes Beispiel erwähnen wir die
Quaternionen (siehe Algebra I,§3.1). Dann ist der Matrizenring Mn ( D ) ein einfacher Ring,
der linksartinsch und linksnoethersch ist (vgl. Aufgabe 6.4).
8.4 Proposition. Sei M ein einfacher R- Modul. Dann ist EndR ( M) ein Schiefkörper.
Beweis. EndR ( M ) := { f : M → M| f R-Modulhomomorphismus} ist zusammen mit ◦ ein
Ring. Wir müssen prüfen, dass jedes f ∈ EndR ( M ) \ 0 ein Inverses bzgl. ◦ hat. Nach dem
Lemma von Schur ist jeder Endomorphismus eines einfachen Moduls entweder 0 oder ein
Isomorphismus. Somit ist f ein Isomorphismus und damit nach Definition invertierbar bzgl.
◦.
8.5 Definition. Ein Linksideal I von R heißt einfach :⇐⇒ I ist als R-Linksmodul einfach.
Zwei Linksideale heißen isomorph genau dann, wenn sie als R-Linksmoduln isomorph
sind. Wenn I ein Linksideal von R ist und S ⊆ M für einen R- Modul M, dann definieren
wir
n
I · S := { ∑ λi ai | n ∈ N0 , λi ∈ I, ai ∈ S}.
i =1
Offensichtlich ist I · S der kleinste Untermodul von M, der alle Produkte von λ · a, λ ∈ I, a ∈
S, enthält.
p Wir prüfen, dass I · S ein Untermodul von M ist: 0 ∈ I · S. Es ist klar, dass I · S abgeschlossen
unter + ist. Sei nun λ ∈ R und ∑in=1 λi ai ∈ I · S. =⇒ λ · ∑in=1 λi ai = ∑in=1 λ · λi · ai ∈ I · S,
weil λ · λi ∈ I (Linksideal). Damit sind die Untermodulaxiome erfüllt. y
8.6 Lemma. Voraussetzung: I einfaches Linksideal von R und M sei ein einfacher R- Modul.
Behauptung: Falls I nicht isomorph ist zu M als Linksmodul, dann gilt I · M = 0.
Beweis. Wir haben oben gesehen, dass I · M ein Untermodul von M ist. Weil M einfach ist,
gilt entweder I · M = 0 oder I · M = M. Wir argumentieren indirekt und nehmen an, dass
I · M 6= 0 gilt. Nach Definition von I · M gibt es ein a ∈ M und ein λ ∈ I so, dass λ · a 6= 0.
Wir betrachten nun
I · a = { λ 0 · a | λ 0 ∈ I }.
Wegen λ · a 6= 0 ist I · a ein Untermodul von M mit I · a 6= 0. Weil M einfach =⇒ I · a = M.
Die Abbildung
ϕ : I → M, µ 7→ µ · a,
ist somit ein surjektiver R- Modulhomomorphismus. Weil I einfach ist und ϕ nicht die
Nullabbildung ist (da M 6= 0), muss ker( ϕ) = 0 gelten und damit ist ϕ injektiv. Nach 1.10
ist ϕ somit ein Isomorphismus . Also gilt I · M = 0.
8.7 Theorem. Voraussetzung: R halbeinfacher Ring.
a) Es gibt nur endlich viele einfache Linksideale I1 , . . . , Is in R, die paarweise nicht isomorph sind.
Im Folgenden gehen wir davon aus, dass die Liste I1 . . . , Is vollständig ist.
b) Für j = 1, . . . , s ist R j :=
∑
I ein 2-seitiges Ideal in R.
I Linksideal ∼
= Ij
c) R j ist ein Ring bzgl. den von R induzierten Operationen +, · und es gilt R = ∏sj=1 R j .
Beweis. Wir wählen eine Familie ( Ij ) j∈ J von einfachen Linksidealen, die paarweise nicht
isomorph sind und so, dass die Liste vollständig ist, d.h. jedes einfache Linksideal von R
ist isomorph zu einem Ij aus der Liste. Für j ∈ J definieren wir R j wie in b). Weil jedes
I ∼
= Ij in der definierenden Summe ein Linksideal ist, muss auch R j ein Linksideal sein.
22
8. EINFACHE UND HALBEINFACHE RINGE
Wir betrachten nun i 6= j in J. Für Linksideale I ∼
= Ii und I 0 ∼
= Ij gilt wegen I 6∼
= I 0 sofort
0
I · I = 0 nach Lemma 8.6. Weil Ri und R j die Summe von solchen Linksidealen sind, folgt
aufgrund der Linearität
Ri · R j = 0
∀i 6= j.
(I.26)
Weil R halbeinfach ist, muss R direkte Summe von einfachen Linksidealen sein. Aus der
Definition von R j ergibt sich
R=
∑ Rj
(I.27)
j∈ J
(jedes einfache Linksideal von R “steckt” in einem R j ). Wir erhalten
Ri
⊆
R i = R i ·1
Ri · R = Ri · ∑ R j
(I.27)
j∈ J
=
Bilinear
= Ri · Ri
∑ Ri · R j (I.26)
R
j∈ J
⊆
i
Linksideal
Ri .
Somit gilt überall Gleichheit und damit Ri = Ri · R. Also muss Ri ein Rechtsideal sein.
Insgesamt folgt, dass Ri ein 2-seitiges Ideal in R ist. Dies zeigt b).
Nach (I.27) gibt es e j ∈ R j mit e j = 0 bis auf endlich viele j ∈ J so, dass 1 = ∑ j∈ J e j . Nach
Umnummerierung von J dürfen wir annehnmen, dass e1 , . . . , es diejenigen e j 6= 0 sind und
damit gilt
1 = e1 + . . . + e s .
(I.28)
Für λ ∈ R gilt λ = ∑ j∈ J λ j mit λ j ∈ R j und λ j = 0 bis auf endlich viele (wieder aus (I.27)).
∀ j ∈ J folgt
(
e j · λ j falls j ∈ {1, . . . , s}
λ j = 1 · λ j = ( e1 + . . . + e s ) · λ j = e1 · λ j + . . . + e s · λ j =
.
(I.28)
(I.26)
0
falls j ∈
/ {1, . . . , s}
(I.29)
Dies zeigt J = {1, . . . , s}.
indirekt: Wäre J ⊃ {1, . . . , s}, dann wähle j ∈ J \ {1, . . . , s}. Dann ∃λ ∈ R j \ 0. Nach
(I.29) folgt aber mit λ = λ j , dass λ = 0 gilt .y
Weiter gilt
p Beweis
s
e j · λ = e j · ∑ λi =
(I.26)
i =1
s
= ej · λj = λj
∑ e j · λi (I.26)
(I.29)
(I.30)
i =1
und damit ist die Zerlegung von λ = ∑sj=1 λs eindeutig, d.h.
s
R=
∏ Rj
(I.31)
j =1
als innere direkte Summe von Moduln (vgl. Proposition 2.3). Weil J endlich ist, muss die
innere direkte Summe dasselbe sein wie das innere direkte Produkt der Moduln. Weiter gilt
für beliebiges λ j ∈ R j :
λ j · e j = λ j · e1 + . . . + λ j · e s = λ j ( e1 + . . . + e s ) = λ j · 1 = λ j
(I.26)
(I.28)
(I.32)
Wir wissen schon nach b), dass R j ein 2-seitiges Ideal ist. Um zu sehen, dass R j ein Ring ist,
müssen wir nur noch ein Einselement finden. Nach (I.30) und (I.32) ist e j das Einselement
von R j (aber nicht 1 aus R!).
23
KAPITEL I. MODULTHEORIE
Es bleibt zu sehen, dass (I.31) ein direktes Produkt von Ringen ist, d.h. dass die Multiplikation komponentenweise ausgeführt werden kann. Für λi , µi ∈ R folgt das aus
s
∑ λi
i =1
!
s
·
∑ µj
!
s
=
j =1
∑
s
∑ λi µi .
(I.26)
λi µ j =
i,j=1
i =1
8.8 Theorem. Jedes R j aus Theorem 8.7 ist ein einfacher Ring, der endliche direkte Summe von
einfachen Linksidealen ist, die alle isomorph zu Ij sind.
Beweis. O.B.d.A. R = R1 , j = 1. Alle Linksideale in R sind somit aufgrund der Definition
L
von R1 isomorph zu I1 . Weil R1 halbeinfach ist, muss R = k∈K Ik für einfache Linksideale
L
Ik sein. Es gilt 1 ∈ k∈K0 Ik für K0 ⊆ K endlich und damit folgt
M
Ik = R = R · 1 ⊆ R ·
k∈K
M
k ∈ K0
Ik
⊆
M
Linksideal k∈K
0
Ik ⊆
M
Ik .
k∈K
Also überall Gleichheit und damit K = K0 endlich. Aus folgendem Lemma folgt dann R j
einfach.
Wir hatten einen halbeinfachen Ring R betrachtet (in Theorem 8.8), bei dem alle einfachen
Linksideale isomorph zu I1 sind.
8.9 Lemma. Voraussetzung: I1 , I2 einfache Linksideale in einem solchen Ring R. Behauptung:
∃α ∈ R so, dass I1 α = I2 .
Beweis. Weil R halbeinfach ist, hat jeder Untermodul einen Komplementmodul (siehe
Theorem 4.12). Weil die Untermoduln von R gleich den Linksidealen sind, gibt es also ein
Linksideal I10 mit R = I1 ⊕ I10 . Sei p : R → I1 die erste Projektion bzgl. dieser Zerlegung.
∼
Nach Voraussetzung gibt es einen Isomorphismus σ : I1 → I2 . Dann betrachten wir den RModulhomomorphismus ϕ := σ ◦ p : R → I2 . Für α := ϕ(1) ∈ I2 und beliebiges λ1 ∈ I1 gilt
σ ( λ1 )
=
λ1 = p(λ1 )∈ I1
σ p ( λ1 ) = ϕ ( λ1 ) = ϕ ( λ1 1)
=
ϕ Modulhom.
λ1 ϕ(1) = λ1 α.
Damit erhalten wir
I2 = σ( I1 ) = {σ(λ1 )| λ1 ∈ I1 } = {λ1 · α| λ1 ∈ I1 } = I1 · α.
Wir wollen den Beweis von Theorem 8.8 beenden. Wir müssen unter obigen Voraussetzungen an R zeigen, dass R ein einfacher Ring R ist. Sei I ein 2-seitiges Ideal in R mit I 6= 0.
Weil R nach Voraussetzung Summe von einfachen Linksidealen ist, gibt es ein einfaches
Linksideal I1 mit I1 ∩ I 6= 0. Weil I1 einfaches Linksideal ist und I ∩ I1 ein Untermodul von
I1 ist, folgt I ∩ I1 = I1 , dh. I1 ⊆ I. Weil I auch ein Rechtsideal ist, gilt I1 α ⊆ I für alle α ∈ R.
Nach Lemma 8.9 muss jedes einfache Linksideal in I enthalten sein. Weil R die Summe
einfacher Linksideale ist, muss auch R ⊆ I gelten und damit R = I. Es folgt, dass R ein
einfacher Ring ist.
24
8. EINFACHE UND HALBEINFACHE RINGE
8.10 Beispiel. Sei R = Mn ( D ) für einen Schiefkörper D. Nach Beispiel 8.3 ist R ein einfacher
Ring. Wir betrachten die Elementarmatrizen

0 ···
 ..
.

Eij = 
0 · · ·
 ..
.
0 ···
0 ···
..
.
1 ···
..
.
0 ···

0
.. 
.

0

.. 
.
0
in Mn ( D ), wobei der Eintrag 1 in der i-ten Zeile und der j-ten Spalte sein soll. Für j ∈
{1, . . . , n} definieren wir
L j :=
n
M
D · Eij = { B ∈ Mn ( D )| alle Spalten sind null ausser der j-ten Spalte}.
i =1
Wir schreiben B ∈ L j in der Spaltenschreibweise als B = (0, . . . , 0, b j , 0, . . . , 0). Wir schreiben
 
a1
 .. 
A ∈ Mn ( D ) in der Zeilenschreibweise als A =  . . Dann gilt
an

0
 ..
A · B = . · · ·
0

0
.. 
.
0 a1 b j 0
..
..
..
.
.
. ···
0 an b j 0
(I.33)
0
in der Spaltenschreibweise und damit gilt A · B ∈ L j . Aus (I.33) folgt, dass L j ein Linksideal
in R = Mn ( D ) ist. Mit Hilfe von (I.33) stellt man leicht fest, dass L j ein einfaches Linksideal
ist. Wir erhalten die Zerlegung
Mn ( D ) = L 1 ⊕ L 2 ⊕ . . . ⊕ L n
in einfache Linksideale. Mit (I.33) folgt auch sofort, dass alle L j isomorph sind als R =
∼
Mn ( D )-Moduln und der Isomorphismus L j → Lk entsteht durch Vertauschen der j-ten
Spalte mit der k-ten Spalte. Dieses Beispiel illustriert Theorem 8.8.
Wir erinnern an Theorem 8.7. Es sei R ein halbeinfacher Ring. Dann gibt es eine vollständige Liste I1 , . . . , Is von paarweise nicht isomorphen einfachen Linksidealen. Weiter ist
s
R j := ∑ I ∼
= Ij I ein 2-seitiges Ideal und wir haben ein inneres direktes Produkt R = ∏ j=1 R j
von Ringen.
8.11 Theorem. Sei R wie oben und M ein R- Modul. Dann ist M halbeinfach und es gilt
M=
s
M
R j · M,
Rj · M =
j =1
∑
N,
(I.34)
N∼
= Ij
wobei N alle R-Untermoduln von M durchläuft mit N ∼
= Ij . Für eine geeignete Teilfamilie solcher
Untermoduln wird die rechte Summe in (I.34) direkt und die beiden Summen in (I.34) liefern
zusammen eine Zerlegung von M in einfache Untermoduln.
Beweis. Sei e j das Einselement von R j , dann gilt R =
Theorem 8.7). Sei x ∈ M. Dann gilt
Ls
j =1
Re j und R j = Re j = e j R (siehe
x = 1 · x = (e1 + . . . + es ) · x = e1 x + e2 x + . . . + es x.
25
KAPITEL I. MODULTHEORIE
Wegen e j x ∈ R j M liefert das eine Zerlegung von x wie gewünscht. Wir müssen noch
L
die Eindeutigkeit der Zerlegung zeigen um zu beweisen, dass M = sj=1 R j M gilt (siehe
Proposition 2.3). Sei also x = x1 + . . . + xs irgend eine Zerlegung mit x j ∈ R j · M. Wir haben
gesehen, dass Ri · R j = 0 für i 6= j. Also folgt
Ri · ( R j · M ) = ( Ri · R j ) · M = 0
für i 6= j. Für α j ∈ R j · M gilt
ej · αj = αj,
weil e j das Einselement von R j ist. Es folgt aus diesen Relationen
ei · x = ei · ( x1 + . . . + x s ) = ei · x1 + . . . + ei · x s = x i
und damit ist die Zerlegung von x eindeutig. Wir haben somit M = sj=1 R j · M bewiesen.
Sei a ∈ R j M \ 0. Wir nehmen ein einfaches Linksideal I ∼
= Ij . Dann ist
L
ϕ : I → I · a, λ 7→ λ · a,
ein surjektiver R- Modulhomomorphismus. Weil I einfach ist, muss ker( ϕ) = I oder
ker( ϕ) = 0 gelten. Es gilt also Ia = 0 oder ker( ϕ) = 0. Im letzteren Fall ist ϕ injektiv und
damit ein Isomorphismus. Also gilt Ia = 0 oder Ia ist ein einfacher Untermodul von M mit
Ia ∼
= Ij . Nach Definition ist R j Summe von allen einfachen Linksidealen I mit I ∼
= Ij . Es folgt
Rj M =
∑ IM = ∑
∑
∼
I∼
= Ij
Ia.
I = Ij a∈ M
Aus obigem folgt, dass R j M Summe von einfachen Moduln ∼
= I ist. Nach Lemma 4.9 folgt
Rj M ∼
=
M
Njk
jk
für eine geeignete Familie von einfachen Untermoduln mit Njk ∼
= Ij . Insbesondere ist M
halbeinfach.
Es bleibt zu zeigen, dass jeder Untermodul N ∼
= Ij enthalten ist in R j M. Für i ∈ 1, . . . , s
sei πik : M → Nik die Projektion. Falls πik ( N ) 6= 0, dann gilt πik ( N ) = Nik (da Nik einfach).
Weil N einfach ist, muss ker(πik ) = 0 gelten und damit induziert πik einen Isomorphismus
von N auf Nik . Weil N ∼
= Ij und Nik ∼
= Ii gilt, folgt i = j. Also gilt πik ( N ) = 0 für alle i 6= j
und damit N ⊆ R j M wie gewünscht.
8.12 Wir betrachten jetzt einen R- Modul M für einen beliebigen Ring R. Dann ist R0 :=
EndR ( M ) ein Ring. Wir können M auch als R0 - Modul betrachten durch
R0 × M → M, ( ϕ, a) 7→ ϕ( a).
Wir schenken uns die Modulaxiome (. . .). Wir wiederholen die Konstruktion für den R0 Modul M und erhalten M als R00 := EndR0 ( M )- Modul.
Für λ ∈ R sei θ (λ) die Skalarmultiplikation mit λ, dh.
θ (λ) : M → M, a 7→ λ · a.
Wir behaupten, dass θ (λ) ∈ EndR0 ( M) = R00 :
p
θ ( λ ) ( a + b ) = λ · ( a + b ) = λ · a + λ · b = θ ( λ ) ( a ) + θ ( λ ) ( b ),
für alle a, b ∈ M. Für ϕ ∈ R0 = EndR ( M) gilt
θ (λ) ( ϕ · a) = θ (λ) ϕ( a) = λ · ϕ( a) = ϕ(λ · a) = ϕ (θ (λ))( a) = ϕ · θ (λ)( a) .y
Wir erhalten eine Abbildung θ : R → R00 = EndR0 ( M ), λ 7→ θ (λ). Es folgt leicht, dass θ ein
Ringhomomorphismus ist.
26
8. EINFACHE UND HALBEINFACHE RINGE
8.13 Proposition. Voraussetzung: R einfacher Ring, I Linksideal von R mit I 6= 0, R0 := EndR ( I )
und R00 := EndR0 ( I ). Behauptung: θ : R → R00 ist ein Isomorphismus von Ringen.
Beweis. Da der Kern von θ ein zweiseitiges Ideal im einfachen Ring R ist und da θ (1) = 1
gilt, folgt ker( ϕ) = 0 und damit ist θ injektiv. Zu zeigen: θ surjektiv. Es ist leicht zu sehen,
dass I · R ein 2-seitiges Ideal in R ist. Da I ⊆ I · R und R einfach ist, muss I · R = R gelten.
Weil θ ein Ringhomomorphismus ist, folgt
θ ( I ) ◦ θ ( R ) = θ ( R ).
(I.35)
Seien f ∈ R00 und λ, µ ∈ I. Offensichtlich ist Rechtsmultiplikation ρ(µ) mit µ in R0 . Es folgt
f (λµ) = f (ρ(µ) · λ) = ρ(µ) · f (λ) = f (λ) · µ.
(I.36)
Aus (I.36) folgt, dass f ◦ θ (λ) = θ ( f (λ)) auf I gilt. Also folgt
f ◦ θ( I) ∈ θ( I)
und damit ist θ ( I ) ein Linksideal in R00 . Wenn wir dies in
R00
benutzen, folgt
=
1∈ θ ( R )
R00 ◦ θ ( R) = R00 ◦ θ ( I ) ◦ θ ( R)
(I.35)
R00 = θ ( I ) ◦ θ ( R) = θ ( R)
(I.35)
und dies zeigt die gewünschte Surjektivität.
8.14 Theorem. Für einen Ring R 6= 0 sind folgende Aussagen äquivalent:
(a) R einfacher Ring und linksartinsch;
(b) R ∼
= Mn ( D ) für einen Schiefkörper D in n ∈ N.
Beweis. Sei (a) gegeben. Weil R linksartinsch ist, muss es in R ein einfaches Linksideal I
geben:
p Nehme irgendein Linksideal I . Wenn I ein echtes Linksideal I 6 = 0 enthält, dann
2
1
1
ersetze I1 durch I2 usw. Damit erhalten wir eine echt absteigende Kette von Linksidealen
I1 ⊃ I2 ⊃ . . ., die wegen linksartinsch abbrechen muss in einem In . Dieses In ist dann
linkseinfach. y
Nach Proposition 8.13 gilt R ∼
= EndR0 ( I ). Nach Proposition 8.4 ist R0 =: D ein Schiefkörper.
Seien x1 , . . . , xn D- linear unabhängige Elemente in I. Betrachte das Linksideal
Ij := Ann( x1 , . . . , x j ) := {λ ∈ R| λx1 = . . . = λx j = 0},
von R. Wir erhalten eine absteigende Folge
I1 ⊇ I2 ⊇ . . . ⊇ In
(I.37)
von Linksidealen. Wie in der linearen Algebra findet man für jedes j < n ein ϕ ∈ EndD ( I )
mit ϕ( x1 ) = . . . = ϕ( x j ) = 0 und ϕ( x j+1 ) 6= 0. (Man setzt x1 , . . . , xn zu einer D- Basis von
I fort und darf dann die Bilder der Basis frei wählen). Nach Propositon 8.13 ∃λ ∈ R mit
θ (λ) = ϕ, dh. λx j+1 = ϕ( x j+1 ) 6= 0, aber λx1 = . . . = λx j = 0. =⇒ Kette in (I.37) ist echt
absteigend. Weil R linksartinsch ist, bricht das ab in einem n. Somit ist I ein n-dimensionaler
D-Vektorraum und R ∼
= EndR0 ( I ) = EndD ( I ) ∼
= Mn ( D ). Dies zeigt (b).
Sei nun (b) gegeben. Dann folgt (a) aus Beispiel 8.3.
27
KAPITEL I. MODULTHEORIE
9. Tensorprodukte
In diesem Abschnitt sei R ein kommutativer Ring. Das Tensorprodukt ist eine “bilineare
Konstruktion”, die zu zwei R- Moduln M und N einen neuen Modul M ⊗ R N konstruiert.
Neben der Algebra spielen Tensorprodukte in der Differentialgeometrie und sogar in der
theoretischen Physik eine Rolle. Wir werden hier das Tensorprodukt vom algebraischen
Standpunkt betrachten. Der Einfachheit halber beschränken wir uns auf den Fall eines
kommutativen Grundrings. Für nicht kommutative Ringe ist das Tensorprodukt zweier
Linksmoduln nicht notwendigerweise ein Linksmodul. Deshalb ist das Tensorprodukt dann
nur sinnvoll für Bimoduln (siehe [Ja, 3.7,3.8]).
9.1 Definition. Eine bilineare Abbildung f : M × N → P von R- Moduln erfüllt die Axiome:
i) f ( a + a0 , b) = f ( a, b) + f ( a0 , b),
ii) f ( a, b + b0 ) = f ( a, b) + f ( a, b0 ),
iii) f (λa, b) = f ( a, λb) = λ · f ( a, b)
für alle a, a0 ∈ M, b, b0 ∈ N und λ ∈ R.
9.2 Gegeben seien nun R- Moduln M und N. Wir konstruieren das Tensorprodukt M ⊗ R N
folgendermassen: Wir betrachten S := M × N als Menge und ignorieren die R- Modulstruktur auf S. Dann bilden wir den freien R- Modul F = F (S) über S, d.h. S ist eine kanonische
R- Basis in F. In F betrachten wir den Untermodul E, der erzeugt wird von allen Elementen
der Form
(∗1 ) ( a, b) + ( a0 , b) − ( a + a0 , b)
(∗2 ) ( a, b) + ( a, b0 ) − ( a, b + b0 )
(∗3 ) λ( a, b) − (λa, b)
(∗4 ) λ( a, b) − ( a, λb)
wobei a, a0 ∈ M, b, b0 ∈ N, λ ∈ R. Das Tensorprodukt von M und N wird definiert durch
M ⊗ R N := F/E.
Nach Konstruktion ist M ⊗ R N ein R- Modul. Das Bild von ( a, b) ∈ S = M × N ⊆ F unter
dem Quotientenhomomorphismus τ : F → F/E = M ⊗ R N wird mit a ⊗ b bezeichnet und
heißt das Tensorprodukt von a und b.
9.3 Proposition. Für a, a0 ∈ M b, b0 ∈ N und λ ∈ R gelten die Rechenregeln
1) ( a + a0 ) ⊗ b = a ⊗ b + a0 ⊗ b
2) a ⊗ (b + b0 ) = a ⊗ b + a ⊗ b0
3) λ( a ⊗ b) = (λa) ⊗ b
4) λ( a ⊗ b) = a ⊗ (λb)
Beweis. Exemplarisch beweisen wir 1): Wir bezeichnen den Quotientenhomomorphismus
mit τ : F → F/E. Es gilt ker(τ ) = E. Insbesondere gilt wegen (∗1 ), dass ( a, b) + ( a0 , b) −
( a + a0 , b) ∈ ker(τ ).
=⇒ ( a + a0 ) ⊗ b = τ ( a + a0 , b)
Defi.
= τ ( a + a0 , b) − ( a, b) − ( a0 , b) + τ ( a, b) + τ ( a0 , b)
=
28
a ⊗ b + a0 ⊗ b.
9. TENSORPRODUKTE
Die Abbildung τ : M × N → M ⊗ R N, ( a, b) 7→ a ⊗ b ist somit bilinear.
p Zwischenfrage: Lässt sich jedes Element in M ⊗ R N darstellen in der Form a ⊗ b mit
a ∈ M, b ∈ N. Anwort: Nein! Zur Erinnerung: M ⊗ R N = E/F und jedes Element in E hat
die Form ∑endl. λi ( ai , bi ) und damit kann man durch Anwendung von τ nur schliessen, dass
jedes Element in M ⊗ R N die Form ∑endl. λi ai ⊗ bi hat oder wegen Relation 9.3 mit ai0 = λi ai
auch die Form ∑endl. ai0 ⊗ bi .y
9.4 Proposition. Das Tensorprodukt M ⊗ R N erfüllt folgende universelle Eigenschaft.
a) Für jede bilineare Abbildung f : M × N → P von R- Moduln existiert genau ein R- Modulhomomorphismus ϕ : M ⊗ R N → P so, dass das Diagram kommutiert.
f
/
y< P
y
yy
yy
y
yy
τ
yy
y
y ∃!ϕ
y
yy
yy
M×N
M ⊗R N
b) Wenn τ 0 : M × N → T eine bilineare Abbildung von R- Moduln ist, die die universelle
Eigenschaft a) erfüllt (mit τ 0 statt τ), dann ∃! Modulisomorphismus θ : M ⊗ R N → T mit
τ 0 = θ ◦ τ.
Beweis. Dies folgt rasch aus der universellen Eigenschaft des freien Moduls F = F (S) und
soll in Aufgabe 7.1 gemacht werden.
9.5 Proposition. Voraussetzung: Für i = 1, 2 seien ϕi : Mi → Ni R- Modulhomomorphismen.
Behauptung: ∃! R- Modulhomomorphismus ϕ : M1 ⊗ R M2 → N1 ⊗ R N2 mit
ϕ ( a1 ⊗ a2 ) = ϕ1 ( a1 ) ⊗ ϕ2 ( a2 )
für alle ai ∈ Mi . Wir bezeichnen dieses ϕ mit ϕ1 ⊗ ϕ2 .
Beweis. Dies ist eine Anwendung der universellen Eigenschaft 9.4: Wir betrachten die
Abbildung
f : M1 × M2 → N1 ⊗ N2 , ( a1 , a2 ) 7→ ϕ1 ( a1 ) ⊗ ϕ2 ( a2 ).
Diese Abbildung f ist bilinear wegen den Rechenregeln 9.3 und weil die ϕi Modulhomomorphismen sind. Aus 9.4 folgt sofort die Existenz und die Eindeutigkeit von ϕ.
9.6 Proposition. Voraussetzung: M R- Modul. Behauptung: R ⊗ R M ∼
=M∼
= M ⊗ R R.
Beweis. Wir haben eine bilineare Abbildung f : R × M → M, (λ, a) 7→ λ · a. Nach der universellen Eigenschaft 9.4 gibt es genau einen R- Modulhomomorphismus ϕ : R ⊗ R M → M
mit ϕ(λ ⊗ a) = λ · a. Umgekehrt ist ψ : M → R ⊗ R M, a 7→ 1 ⊗ a ein R- Modulhomomorphismus aufgrund der Rechenregeln 9.3. Die Rechenregeln 9.3 zeigen auch sofort,
dass ψ die Umkehrabbildung von ϕ ist, also ist ϕ ein Isomorphismus. Analog zeigt man
M∼
= M ⊗ R R.
9.7 Proposition. Voraussetzung: ( Mi )i∈ I , ( Nj ) j∈ J seien Familien von R- Moduln. Behauptung:
Es gibt einen kanonischen Isomorphismus
M
M
M ∼
Mi ⊗
Nj −→
Mi ⊗ Nj ,
i∈ I
j∈ J
(i,j)∈ I × J
29
KAPITEL I. MODULTHEORIE
der eindeutig bestimmt wird durch
( ai )i∈ I ⊗ (b j ) j∈ J 7→ ( ai ⊗ b j )(i,j)∈ I × J .
Nj . Wir zeigen, dass T := (i,j)∈ I × J Mi ⊗ Nj zusam
men mit der bilinearen Abbildung τ 0 : M × N → T, ( ai )i∈ I , (b j ) j∈ J 7→ ( ai ⊗ b j )(i,j)∈ I × J die
Beweis. Sei M :=
L
i∈ I
Mi , N : =
L
L
j∈ J
universelle Eigenschaft von M ⊗ R N erfüllt.
f
/P
z=
z
zz
zz
z
zz
τ0
zz ϕ
z
z
z
zz
zz
M×N
T
Wir müssen also für eine bilineare Abbildung f : M × N → P zeigen, dass ∃! R- Modulhomomorphismus ϕ : T → P existiert so, dass das obige Diagramm kommutiert. Aufgrund
der universellen Eigenschaft 9.4 folgt dann sofort die Behauptung. Durch Einschränkung
von f auf die Untermoduln Mi von M und Nj von N erhalten wir eine bilineare Abbildung
f ij : Mi × Nj → P. Aufgrund der universellen Eigenschaft 9.4 ∃! R- Modulhomomorphismus
ϕij : Mi ⊗ R Nj → P so, dass das folgende Diagramm kommutiert.
f ij
/
z< P
z
zz
zz
z
zz
τij
zz
z
z ϕij
z
zz
zzz
Mi × Nj
T
Nach Konstruktion gilt ϕij ( ai ⊗ b j ) = f ij ( ai , b j ) . Aufgrund der universellen Eigenschaft
der direkten Summe (siehe Aufgabe 2.4) existiert genau ein R- Modulhomomorphismus
ϕ : T → P so, dass ϕ eingeschränkt auf den direkten Summanden Mi ⊗ Nj gleich ϕij ist.
Mit Linearitätsargumenten folgt leicht, dass ϕ das erste Diagram kommutativ macht und
eindeutig ist.
9.8 Beispiel. Wenn M ein freier Modul mit Basis (ei )i∈ I und N ein freier Modul mit Basis
( f j ) j∈ J ist, dann ist M ⊗ R N ein freier R- Modul mit Basis (ei ⊗ f j )(i,j)∈ I × J .
p Beweis.
M ⊗R N =
Basen
M
i∈ I
Rei
⊗
M
j∈ J
R fj
∼
=
9.7
M
(i,j)∈ I × J
Rei ⊗ R f j ∼
=
M
(i,j)∈ I × j
R⊗R ∼
=
9.6
M
R
(i,j)∈ I × J
Die rechte Seite ist offensichtlich ein freier R- Modul. Die Standardbasis der rechten Seite
entspricht unter dem Isomorphismus der Familie (ei ⊗ f j )(i,j)∈ I × J aus M ⊗ R N und damit
folgt die Behauptung. y
Insbesondere gilt für ein Körper K und K- Vektorräume V, W der Dimension m, n, dass
V ⊗K W ein Vektorraum der Dimension m · n ist.
30
9. TENSORPRODUKTE
9.9 Die folgende Konstruktion nennt man Basiswechsel und spielt eine wichtige Rolle in
der Algebra. Gegeben sei eine R- Algebra A, d.h. ein Ring A, der gleichzeitig auch ein RModul ist (bzgl. demselben +) so, dass das Produkt in A R- bilinear ist.
Für einen R- Modul M wird dann A ⊗ R M zu einen A- Linksmodul durch folgende skalare
Multiplikation (die Addition übernehmen wir von der R- Modulstruktur auf A ⊗ R M):
A × (A ⊗ R M) → A ⊗ R M, ( β, α ⊗ a) 7→ ( βα) ⊗ a.
Wie immer kann man mit den universellen Eigenschaften 9.4 begründen, dass die skalare
Multiplikation dadurch wohldefiniert und eindeutig ist. Mit den Rechenregeln 9.3 folgt
leicht, dass A ⊗ R M wirklich ein A- Modul ist.
Wenn ϕ : M → N ein R- Modulhomomorphismus (bzw. Isomorphismus) ist, dann folgt
aus den Definitionen, dass 1 A ⊗ ϕ : A ⊗ R M → A ⊗ R N ein A- Modulhomomorphismus
(bzw. A- Modulisomorphismus) ist.
9.10 Proposition. Voraussetzung: F R- Modul und ϕ : M → N R- Modulhomomorphismus.
Behauptung: ϕ surjektiv =⇒ 1F ⊗ ϕ : F ⊗ R M → F ⊗ R N surjektiv.
Beweis. Weil die Tensoren der Form c ⊗ b (c ∈ F, b ∈ N) das Tensorprodukt F ⊗ R N
erzeugen, genügt es zu zeigen, dass c ⊗ b im Bild von 1F ⊗ ϕ ist. Weil ϕ surjektiv ist
=⇒ ∃ a ∈ M mit ϕ( a) = b.
=⇒ (1F ⊗ ϕ)(c ⊗ a) = 1F (c) ⊗ ϕ( a) = c ⊗ b X.
Defi.
9.11 Bemerkung. Wenn ϕ bijektiv ist, dann ist auch 1F ⊗ ϕ : F ⊗ R M → F ⊗ R N bijektiv.
Dies ist klar, weil dann ϕ ein Isomorphismus ist und damit eine Inverse ψ hat. Also ist auch
1F ⊗ ϕ ein Isomorphismus mit Inverse 1F ⊗ ψ. Insbesondere ist 1F ⊗ ϕ bijektiv.
Wenn ϕ injektiv ist, dann muss 1F ⊗ ϕ nicht notwendigerweise injektiv sein. Das sehen wir
nun an:
9.12 Beispiel. R = Z, ϕ : Z → Z, n 7→ 2n, F := Z/2Z. Für 1F ⊗ ϕ : (Z/2Z) ⊗Z Z →
(Z/2Z) ⊗Z Z. und c ∈ Z/2Z, a ∈ Z gilt dann:
(1F ⊗ ϕ)(c ⊗ a) = c ⊗ ϕ( a) = c ⊗ (2a) = 2(c ⊗ a) = (2c) ⊗ a = 0 ⊗ a = 0.
9.3
9.3
Es folgt 1F ⊗ ϕ = 0. Andererseits ist (Z/2Z) ⊗Z Z ∼
= Z/2Z und damit (Z/2Z) ⊗Z Z 6= 0.
Also ist 1F ⊗ ϕ nicht injektiv, obwohl ϕ injektiv ist.
9.6
9.13 Definition. Ein R- Modul F heißt flach :⇐⇒ ∀ ϕ : M → N injektiver Modulhomomorphismus =⇒ 1F ⊗ ϕ : F ⊗ R M → F ⊗ R N injektiv.
Diese flachen Moduln spielen eine wichtige Rolle in der algebraischen Geometrie. In den
Übungen werden wir folgende Eigenschaften beweisen:
9.14 Proposition. a) Jeder freie R- Modul ist flach.
b) F flach ⇐⇒ ∀ endlich erzeugten Ideale I in R ist die natürliche Abbildung I ⊗ R F → F, λ ⊗ c 7→
λc, injektiv.
c) Falls R ein Hauptidealbereich, dann gilt: F flach ⇐⇒ F torsionsfrei.
Beweis. Aufgaben 7.3- 7.5.
31
KAPITEL I. MODULTHEORIE
32
II
Kapitel II.
Darstellungstheorie
Gruppen werden vollkommen abstrakt definiert. Oft kommen sie aber in einem geometrischen Zusammenhang vor, als Untergruppe der Gruppe der invertierbaren linearen
Abbildungen (siehe Beispiel 1.11). Eine solche Beschreibung einer abstrakten Gruppe nennt
man Darstellung der Gruppe. In diesem Kapitel werden wir die Darstellungen endlicher
Gruppen untersuchen als Anwendung der Modultheorie aus dem ersten Kapitel. Die
Darstellungstheorie hat viele Anwendungen in anderen Bereichen der Mathematik. Zum
Beispiel spielten Darstellungen von Galoisgruppen eine wichtige Rolle im Beweis von Wiles
der Fermatschen Vermutung. In der Analysis verallgemeinert man die Darstellungstheorie
auf (lokal) kompakte Gruppen. Vieles läuft dabei analog, wenn man endliche Summen
durch Integrale (bzgl. dem Haarmaß) ersetzt.
1. Gruppenalgebra
In diesem Abschnitt bezeichnet G eine Gruppe und K einen Körper. Wir werden zuerst die
Gruppenalgebra K [ G ] einführen und dann den Zusammenhang zwischen K [ G ]- Moduln
und Darstellungen untersuchen.
1.1 Wir betrachten den freien K- Vektorraum K [ G ] = F ( G ) über G, d.h. F ( G ) ist ein KVektorraum mit kanonischer Basis G. Jedes Element α ∈ K [ G ] kann damit eindeutig in der
Form
α = ∑ λg g
g∈ G
geschrieben werden mit λ g ∈ K und λ g = 0 bis auf endlich viele G. Wir definieren auf K [ G ]
eine Ringstruktur folgendermassen:


!


K [ G ] × K [ G ] → K [ G ], α = ∑ λ g g, β = ∑ µ g g 7→ ∑  ∑ λ g1 µ g2  g.
g∈ G
g∈ G
g∈ G
g1 ,g2 ∈ G
g = g1 g2
Weil es nur endlich viele g mit λ g 6= 0 oder µ g 6= 0 gibt, kann es auf der rechten Seite nur
endlich viele Koeffizienten ungleich 0 geben. Das Produkt kann man sich folgendermassen
merken: Für zwei Elemente g, h ∈ G, die ja auch Elemente der kanonischen Basis in K [ G ]
sind, stimmt das Produkt g · h in G und K [ G ] überein. Beliebige Elemente α, β aus K [ G ] sind
eindeutige Linearkombination aus G und das Produkt α · β wird bilinear aus den Produkten
g · h konstruiert.
Damit wird der K- Vektorraum K [ G ] zu einer K- Algebra. Die Axiome folgen sofort aus
der Assoziativität und dem Neutralelement von G. Zum Beispiel ist e ∈ G als Element
in K [ G ] das Einselement bzgl. der Multiplikation auf K [ G ]. Ab jetzt nennen wir K [ G ] die
Gruppenalgebra von G.
1.2 Bemerkung. Wir haben in 1.1 nur benutzt, dass G ein Monoid ist. Die Existenz von
Inversen spielte keine Rolle. Viele der folgenden Aussagen könnte man auch bei einem
Monoid G beweisen. Die Notation K [ G ] erklärt sich dadurch, dass K [ G ] als “verallgemeinerter Polynomring in den Variablen g ∈ G” angesehen werden kann. Insbesondere für
G kommutativ erhalten wir den Ring K [ G ] aus Aufgabe 25 der Algebra 1. Im Spezialfall
33
KAPITEL II. DARSTELLUNGSTHEORIE
G = N0n , haben wir dort gesehen, dass K [ G ] ∼
= K [ x1 , . . . , xn ] der Ring der Polynome in den
Variablen x1 , . . . , xn ist.
• Im Folgenden spielen K- Algebren eine wichtige Rolle. Das sind Ringe, die auch KVektorräume sind so, dass das Ringprodukt K- bilinear ist. Ein Homomorphismus
von K- Algebren ist ein K- linearer Ringhomomorphismus.
• Ein Monoidhomomorphismus ϕ : S1 → S2 erfüllt die Axiome ϕ(s · t) = ϕ(s) · ϕ(t)
für alle s, t ∈ S1 und ϕ(e1 ) = e2 für die Neutralelemente.
Im folgenden werden wir eine Algebra A oft als Monoid bzgl. der Multiplikation · betrachten.
1.3 Proposition. Die Gruppenalgebra K [ G ] erfüllt mit der kanonischen Inklusion i : G → K [ G ]
folgende universelle Eigenschaft:
a) Für jeden Monoidhomomorphismus f : G → A in eine K- Algebra A gibt es genau einen KAlgebrenhomomorphismus ϕ : K [ G ] → A mit f = ϕ ◦ i.
f
/A
>
|
||
|
|
|||
|
i
|
|| ∃!ϕ
|
|
||
G
K[G]
b) Falls die universelle Eigenschaft in a) gilt für eine K- Algebra B mit einem Monoidhomomorphismus j : G → B (statt A und i), dann gibt es genau einen K- Algebrenisomorphismus
ψ : K [ G ] → B so, dass das Diagramm kommutiert.
G
///
//
//
i ///j
//
//
/
∃!ψ
/B
K[G]
Beweis. Aufgabe 9.1.
1.4 Korollar. Für jeden Gruppenhomomorphismus f : G → G 0 gibt es genau einen K- Algebrenhomomorphismus ϕ : K [ G ] → K [ G 0 ] mit ϕ|G = f .
Beweis. Dies folgt aus der universellen Eigenschaft 1.3 a) für A = K [ G 0 ].
1.5 Definition. Eine Darstellung von G auf einem K- Vektorraum M ist ein Homomorphismus T : G → EndK ( M), g 7→ Tg , bezüglich der Multiplikation (d.h. ein Monoidhomomorphismus).
1.6 Wir schreiben also das Bild von g als Tg , weil Tg selber eine Abbildung Tg : M →
M, a 7→ Tg ( a) ist. Diese Notation ist im Einklang mit den Gruppenoperationen aus Algebra
1, §2.6.
Die Bedingung, dass T ein Homomorphismus ist, ist äquivalent zu
Tg ◦ Th = Tgh und Te = 1 M
für alle g, h ∈ G.
34
1. GRUPPENALGEBRA
1.7 Proposition. M sei ein K- Vektorraum. Dann gibt es eine Bijektion zwischen den Darstellungen
von G auf M und den K [ G ] Linksmodulstrukturen auf M, die die K- Vektorraumstruktur fortsetzen.
a) Falls T eine Darstellung ist, dann definieren wir die skalare Multiplikation von α := ∑ g∈G λ g g
mit a ∈ M durch
α · a := ∑ λ g Tg ( a).
g∈ G
b) Falls M ein solcher K [ G ]- Modul ist, dann definieren wir die entsprechende Darstellung T durch
Tg ( a) := g · a
( g ∈ G, a ∈ M).
Beweis. Sei eine Darstellung T gegeben. Wir betrachten A := EndK ( M) als K- Algebra.
Nach der universellen Eigenschaft 1.3 hat T genau eine Fortsetzung zu einem K- Algebrahomomorphismus ϕ : K [ G ] → A. Es gilt
ϕ(α)( a) =
∑ λg ϕ( g)(a) = ∑ λg Tg (a).
g∈ G
g∈ G
Weil ϕ ein Algebrahomomorphismus ist und ϕ(α) K-linear ist, folgen sofort die Linksmodulaxiome für die durch α · a := ϕ(α)( a) definierte skalare Multiplikation auf M.
Sei nun umgekehrt eine K [ G ]-Modulstruktur auf M gegeben. Es folgt sofort aus den Linksmodulaxiomen, dass Tg eine K- lineare Abbildung auf M ist und dass T eine Darstellung
ist.
Es ist offensichtlich, dass die Konstruktionen in a) und b) zueinander invers sind und
damit erhalten wir eine Bijektion.
1.8 Bemerkung. Bis jetzt haben wir in Abschnitt 1 noch nicht benutzt, dass jedes g ∈ G
eine Inverse hat. Dieses Axiom impliziert aber, dass jedes Tg ein Isomorphismus des K-Vektorraumes M ist, da Tg−1 eine Inverse von Tg ist.
1.9 Im Folgenden betrachten wir Darstellungen S : G → EndK ( M) und T : G → EndK ( N )
auf den K-Vektorräumen M und N.
a) Eine K-lineare Abbildung ϕ : M → N heißt G-äquivariant :⇐⇒ ϕ ◦ Sg = Tg ◦ ϕ ∀ g ∈ G.
b) S und T heißen äquivalent :⇐⇒ ∃ G-äquivarianter Isomorphismus ϕ : M → N von
K-Vektorräumen.
c) Ein Unterraum P von M heißt G-invariant :⇐⇒ Sg ( P) ⊆ P
∀ g ∈ G.
d) Die Darstellung S heißt irreduzibel :⇐⇒ 0 und M sind die einzigen G-invarianten
Unterräume von M.
e) Die direkte Summe S ⊕ T ist gegeben durch
(S ⊕ T ) g := Sg ⊕ Tg : M ⊕ N → M ⊕ N, ( a, b) 7→ Sg ( a), Tg (b) .
Dies ist eine Darstellung von G auf M ⊕ N. Analog für weitere Summanden.
f) Die Darstellung S heißt vollreduzibel :⇐⇒ S ist die direkte Summe von einer Familie
von irreduziblen Darstellungen.
Es gibt eine Bijektion zwischen Darstellungen von G auf M und K [ G ]-Modulstrukturen auf
M, die die Vektorraumstruktur fortsetzen (siehe Proposition 1.7). Das Rezept ist Sg ( a) =
g · a ( g ∈ G, a ∈ M).
35
KAPITEL II. DARSTELLUNGSTHEORIE
1.10 Proposition. Wir betrachten die von den Darstellungen S und T induzierten K [ G ]-Modulstrukturen auf M und N. Dann sind die Eigenschaften aus 1.9 äquivalent zu den folgenden entsprechenden
Eigenschaften:
a) ϕ : M → N K [ G ]-Modulhomomorphismus.
b) M ist isomorph zu N als K [ G ]-Moduln.
c) P ist K [ G ]-Untermodul von M.
d) M ist ein einfacher K [ G ]-Modul.
e) M ⊕ N als K [ G ]-Modul (entspricht der Darstellung S ⊕ T).
f) M ist ein halbeinfacher K [ G ]-Modul.
Beweis. Aufgaben 8.2 - 8.4.
1.11 Beispiel. In Aufgabe 2 der Algebra I haben wir die Diedergruppe D6 als Symmetriegruppe des regulären 6-Ecks eingeführt. Damit erhalten wir per definitionem eine
Darstellung von D6 auf R2 . Diese Darstellung ist offensichtlich irreduzibel, da es keine
D6 -invarianten 1 dimensionalen Unterräume gibt.
2. Vollreduzibilität der Darstellungen
Wir werden in diesem Abschnitt zeigen, dass alle Darstellungen einer endlichen Gruppe G
auf einem K-Vektorraum vollreduzibel sind, falls Char(K ) - Ord( G ). Wir werden dies und
einige andere Resultate aus der Theorie der halbeinfachen Moduln gewinnen. In diesem
Abschnitt bezeichnet G eine endliche Gruppe und K einen Körper.
2.1 Lemma (Lemma von Schur). Voraussetzung: S, T irreduzible Darstellungen von G auf den
K-Vektorräumen M und N. Behauptung: Jede G-äquivariante K-lineare Abbildung ϕ : M → N ist
entweder ein Isomorphismus oder 0.
Beweis. Nach Proposition 1.10 ist ϕ ein K [ G ]-Modulhomomorphismus von einfachen K [ G ]Moduln und damit folgt die Behauptung aus dem Lemma von Schur für K [ G ]-Moduln
(siehe I. 4.9).
2.2 Lemma. Voraussetzung: T : G → EndK ( M) irreduzible Darstellung von G auf dem K-Vektorraum M. Behauptung: dimK ( M ) < ∞.
Beweis. Dies folgt leicht aus der Voraussetzung, dass G endlich ist. Dies wird in Aufgabe
10.1 gemacht.
2.3 Korollar. Voraussetzung: Sei S eine irreduzible Darstellung von G auf einem K-Vektorraum
M. Wir nehmen an, dass K algebraisch abgeschlossen ist. Behauptung: Falls ϕ ∈ EndK ( M)
G-äquivariant ist, dann ∃λ ∈ K mit ϕ = λ · 1 M .
Beweis. Nach Lemma 2.2 ist M ein endlich dimensionaler K-Vektorraum. Aus der linearen
Algebra weiß man, dass jede Nullstelle λ des charakteristischen Polynoms von ϕ ein
Eigenwert von ϕ ist. Weil K algebraisch abgeschlossen ist, gibt es also so einen Eigenwert λ.
Damit ist λ · 1 M − ϕ eine G-äquivariante lineare Abbildung M → M. Die zu λ gehörigen
Eigenvektoren sind im Kern dieser linearen Abbildung und damit ist die nicht injektiv. Nach
dem Lemma von Schur 2.1 folgt ϕ = λ · 1 M .
2.4 Korollar. Voraussetzung: G abelsche Gruppe, K algebraisch abgeschlossen. Behauptung: Jede
irreduzible Darstelllung T von G auf einem K-Vektorraum M ist 1 dimensional, d.h. dimK ( M ) = 1.
36
2. VOLLREDUZIBILITÄT DER DARSTELLUNGEN
Beweis. Es sei h ∈ G und wir setzen ϕ := Th . Dann ist ϕ eine K-lineare Abbildung M → M
mit
Tg ◦ ϕ = Tg ◦ Th = Tgh
= Thg = Th ◦ Tg = ϕ ◦ Tg
G abelsch
für jedes g ∈ G. Somit ist ϕ G-äquivariant. Nach Korollar 2.3 ∃λh ∈ K mit Th = λh · 1 M . Dies
gilt für jedes h ∈ G und damit folgt Th ( N ) ⊆ N für jedes h ∈ G und jeden K-Unterraum
N von M. Also ist jeder K-Unterraum N G-invariant. Weil T irreduzibel ist, muss damit
dimK ( M) = 1 gelten.
2.5 Bemerkung. Der Beweis zeigt, dass die Darstellung T einen Homomorphismus χ : G →
K ∗ , h 7→ λh induziert.
Unabhängig von den Voraussetzungen des Korollars 2.4 ist klar, dass die 1 dimensionalen Darstellungen von G bis auf Äquivalenz den Gruppenhomomorphismen G → K ∗
entsprechen.
2.6 Bemerkung. Korollar 2.4 ist falsch, wenn K nicht algebraisch abgeschlossen ist. Als
Gegenbeispiel betrachten wir die zyklische Gruppe C4 der Ordnung 4, deren natürliche
Darstellung auf R2 irreduzibel ist (siehe Aufgabe 10.3).
2.7 Theorem (Theorem von Maschke). Voraussetzung: Char(K ) - Ord( G ). Behauptung:
Jede Darstellung von G auf einem Vektorraum ist vollreduzibel.
Beweis. Nach Proposition 1.10 müssen wir zeigen, dass jeder K [ G ]-Modul M halbeinfach
ist. Nach Theorem I. 4.12 genügt es zu zeigen, dass jeder K [ G ]-Untermodul N von M
einen Komplementmodul besitzt. Aus der linearen Algebra wissen wir, dass es einen
K-Untervektorraum U von M gibt so, dass M = N ⊕ U als innere direkte Summe von
Untervektorräumen. Natürlich muss U kein K [ G ]-Untermodul von M sein. Es sei π : M → N
die Projektion von M auf N bzgl. M = N ⊕ U, d.h. sie ist charakterisiert durch
a = π ( a) + b
(a ∈ M)
mit π ( a) ∈ N und b ∈ U. Leider ist π nur eine K-lineare Abbildung, aber nicht ein
K [ G ]-Modulhomomorphismus. Wir bemerken, dass π ( a) = a gilt für alle a ∈ N. Beachte,
dass n := Ord( G ) invertierbar ist in K, wegen Char(K ) - n. Hier benutzen wir statt n
das natürliche Bild in K, wobei wir Z ⊆ K im Fall Char(K ) = 0 und Z/pZ ⊆ K im Fall
Char(K ) = p > 0 haben. Somit können wir die Projektion π “mitteln” bzgl. G, d.h.
πG :=
1
n
∑ Th ◦ π ◦ Th− ,
1
h∈ G
wobei Th ∈ EndK ( M) wie immer Linksmultiplikation mit h ist. Offensichtlich ist πG eine
K-lineare Abbildung. Für a ∈ N gilt
TG ( a) =
1
n
1
1
1
∑ Th ◦ π ◦ Th− (a) = n ∑ h · π (h−1 a) N K[=
∑ h · h−1 a = n · n · a = a.
G ]-UM n
1
h∈ G
h∈ G
π | N =1 N
h∈ G
(II.1)
Für g ∈ G gilt:
Tg ◦ πG =
1
n
∑ Tg ◦ Th ◦ π ◦ Th−
1
h∈ G
=
1
n
∑ Tgh ◦ π ◦ Th− .
1
h∈ G
Offensichtlich ist h 7→ gh eine Bijektion von G und damit durchläuft h0 := gh auch die ganze
Gruppe G
=⇒ Tg ◦ πG 0 =
h = gh
1
n
∑
0
h ∈G
Th0 ◦ π ◦ T(h0 )−1 g =
1
n
∑ Th0 ◦ π ◦ T(h0 )−
1
◦ Tg = πG ◦ Tg .
h∈ G
37
KAPITEL II. DARSTELLUNGSTHEORIE
Also ist πG G-äquivariant, d.h. πG ist ein K [ G ]-Modulhomomorphismus πG : M → N mit
πG ( a) = a ∀ a ∈ N. Nach Proposition I. 6.1 c)=⇒d) hat N damit einen K [ G ]-Komplementmodul in M und damit folgt die Behauptung.
Wenn Char(K ) - Ord( G ), dann ist jede Darstellung der Gruppe G auf einem K-Vektorraum
vollreduzibel. In der Sprache der K [ G ]-Moduln bedeutet dies, dass jeder K [ G ]-Modul
halbeinfach ist. Wenn wir das auf die Gruppenalgebra K [ G ] selbst als K [ G ]-Untermodul
anwenden, dann sehen wir, dass K [ G ] ein halbeinfacher Ring ist. Also können wir für K [ G ]
die Resultate aus Abschnitt 8 anwenden und erhalten folgendes Resultat:
2.8 Theorem. Voraussetzung: Char(K ) - Ord( G ). Behauptung:
a) K [ G ] ist ein halbeinfacher Ring.
b) Es gibt zweiseitige Ideale R1 , . . . , Rr in K [ G ], die bzgl. der induzierten Multiplikation (aber mit
neuen Einselementen) selbst Ringe sind und folgende charakteristische Eigenschaft haben:
c) K [ G ] = ∏ri=1 Ri als inneres direktes Produkt von Ringen.
d) Jedes Ri ist ein einfacher Ring.
e) Jedes einfache Linksideal von K [ G ] ist enthalten in einem Ri .
f) Ri ist innere direkte Summe von einfachen Linksidealen.
g) Zwei Linksideale sind isomorph ⇐⇒ die Linksideale sind im gleichen Ri enthalten.
h) Jeder einfache K [ G ]-Modul ist isomorph zu einem (einfachen) Linksideal in K [ G ].
2.9 Bemerkung. 2.8 besagt, dass die ganzen Darstellungstheorie im K [ G ]-Linksmodul K [ G ]
steckt. Nach 1.10 gehört zu K [ G ] als Linksmodul eine Darstellung von G auf dem K-Vektorraum K [ G ]. Diese Darstellung heißt reguläre Darstellung. Nach 2.8 finden wir alle
irreduziblen Darstellungen von G bis auf Äquivalenz als direkte Summanden der regulären
Darstellung.
2.10 Theorem. Für jedes Ri aus 2.8 ∃ K-Algebra Di , dim( Di ) < ∞ und ∃ni ∈ N so, dass Di ein
Schiefkörper ist und Ri ∼
= Mni ( Di ). Weiter ∃ paarweise isomorphe Linksideale Li1 , . . . , Lini von R
mit Ri = Li1 ⊕ . . . ⊕ Lini .
Beweis. Nach Konstruktion ist K [ G ] ein K-Vektorraum der Dimension Ord( G ) < ∞. Weil
Ri ⊆ K [ G ] und damit Untervektorraum =⇒ dimK Ri ≤ dimK K [ G ] = Ord( G ) < ∞.
Insbesondere muss Ri linksartinsch sein, da jeder Untermodul auch Untervektorraum ist.
Nach Theorem I. 8.14 ∃ Schiefkörper Di mit Ri ∼
= Mni ( Di ). Nach dem dortigen Beweis
können wir Di = EndRi ( Ii ) wählen für ein einfaches Linksideal Ii ⊆ Ri . Wir zeigen jetzt,
dass Di eine K-Algebra ist. Klar ist, dass Di = EndRi ( Ii ) ein Ring ist (Multiplikation =
Verküpfung von Endomorphismen). Sei nun λ ∈ K. Wir definieren λ · ϕ auf die übliche
Art und Weise für jedes ϕ ∈ EndRi ( Ii ), d.h. λϕ : Ii → Ii , a 7→ λϕ( a). Es ist klar, dass λϕ
eine wohldefinierte K-lineare Abbildung ist. Wir müssen noch die R-Linearität prüfen: Wir
benutzen dabei
λ·α = α·λ
∀ α ∈ K [ G ].
Für α ∈ Ri ⊆ K [ G ] und β ∈ Ii ⊆ Ri gilt
(λϕ)(αβ) = λ · ϕ(αβ)
38
=
ϕ R-linear
λ · αϕ( β) = α · λϕ( β) = α(λϕ)( β).
(II.2)
(II.2)
3. CHARAKTERTHEORIE
Also gilt λϕ ∈ Di = EndRi ( Ii ). Damit folgt leicht, dass Di eine K-Algebra ist. Wegen
Ii ⊆ Ri gilt dimK ( Ii ) ≤ dimK ( Ri ) < ∞ und damit auch Di = EndRi ( Ii ) ⊆ EndK ( Ii ) endlich
dimensional. Die letzte Behauptung haben wir in Beispiel I. 8.10 für Mni ( Di ) eingesehen
und damit folgt sie auch für Ri .
2.11 Lemma. Voraussetzung: K algebraisch abgeschlossen, D endlich dimensionale K-Algebra.
Behauptung: Falls D Schiefkörper, dann gilt D = K.
Beweis. Dies beweist man analog zu der Tatsache, dass jede endlichdimensionale Körpererweiterung von K gleich K ist (siehe Algebra I). Die Behauptung wird in den Übungen in
Aufgabe 10.2 gemacht.
2.12 Korollar. Voraussetzung: K algebraisch abgeschlossen. Behauptung: Für die Ringe Ri aus
2.8 gilt, dass Ri ∼
= Mni (K ) und Ord( G ) = n21 + . . . + n2i
Beweis. Die erste Behauptung folgt direkt aus 2.10 und 2.11. Weil K [ G ] ein K-Vektorraum
mit Basis G und damit Dimension Ord( G ) hat, folgt die zweite Behauptung aus
r
r
∑ dimK ( Ri ) R ∼= M= (K) ∑ n2i .
2.8c)
Ord( G ) = dimK K [ G ] =
i =1
i
ni
i =1
3. Charaktertheorie
Wir betrachten in diesem Abschnitt immer endlich dimensionale Darstellungen der endlichen Gruppe G über einem Körper K der Charakteristik 0. Nach dem Satz von Maschke
zerfällt eine beliebige Darstellung in eine direkte Summe von irreduziblen Darstellungen
und letztere sind immer endlich dimensional. Deshalb steckt alle wesentliche Information
in den endlich dimensionalen Darstellungen. Ab jetzt nennen wir endlich dimensionale
Darstellungen einfach und kurz Darstellungen. Der Charakter einer Darstellung ist gleich der
Spur der Darstellungsabbildung. Wir werden sehen, dass der Charakter einer Darstellung
sie bis auf Äquivalenz charakterisiert. Man kann alle Darstellungen von G klassifizieren (bis
auf Äquivalenz), indem man die Charaktere aller irreduziblen Darstellungen von G findet.
3.1 Definition. Sei S : G → EndK ( M) eine Darstellung. Wir nennen
χ = χS : G → K, g 7→ Tr(Sg )
den Charakter der Darstellung S. Hier bezeichnet Tr(Sg ) die Spur des K-linearen Endomorphismus Sg . Da geht auch die Voraussetzung “endlich dimensional” ein.
Wenn ϕ ∈ EndK (V ) und ψ ∈ EndK (W ), dann haben wir mit ϕ ⊕ ψ die Abbildung
ϕ ⊕ ψ : V ⊕ W → V ⊕ W, (v, w) 7→ ϕ(v), ψ(w)
bezeichnet. Offensichtlich gilt ϕ ⊕ ψ ∈ End(V ⊕ W ).
3.2 Proposition. Voraussetzung: S : G → EndK ( M), T : G → EndK ( N ) Darstellungen.
Behauptung: χS⊕T = χS + χ T .
Beweis. Wir wählen Basen b1 , . . . , bm von M und b10 , . . . , bn0 von N. Für g ∈ G sei Sg (bzw.
Tg ) durch die Darstellungsmatrizen A g (bzw. Bg ) gegeben bzgl. diesen Basen. Dann ist
(S ⊕ T ) g = Sg ⊕ Tg gegeben durch die Darstellungsmatrix
Ag | 0
A g ⊕ Bg =
wobei A g eine m × m und Bg eine n × n Matrix ist
0 | Bg
39
KAPITEL II. DARSTELLUNGSTHEORIE
und es folgt
χS⊕T ( g) = Tr( A g ⊕ Bg ) = Tr( A g ) + Tr( Bg ) = χS ( g) + χ T ( g).
3.3 Proposition. Äquivalente Darstellungen haben diesselbe Spur.
Beweis. Seien S und T wie oben. Falls S und T äquivalent sind, dann sind die unterliegenden K [ G ]-Moduln M und N isomorph. Sei ϕ : M → N ein entsprechender K [ G ]-Modulisomorphismus. Wir wählen auf M eine Basis und nehmen auf N die Bildbasis unter ϕ. Damit
haben Sg und Tg die gleiche Darstellungsmatrix und es folgt die Behauptung.
3.4 Wieder betrachten wir die Gruppenalgebra K [ G ] als K [ G ]-Linksmodul. Die entsprechende Darstellung haben wir in 2.9 als reguläre Darstellung bezeichnet. Nach dem Theorem 2.8
und 2.10 haben wir ein kanonisches inneres direktes Produkt
K [ G ] = R1 × . . . × Rr
(II.3)
von einfachen Ringen Ri ∼
= Mni ( Di ), wobei Di ein Schiefkörper ist, der auch endlich
dimensionale K-Algebra ist. Mit dem Einselement ei aus Ri erhalten wir aus (II.3)
1 = e1 + . . . + er
(II.4)
und
(
ei e j = e j ei =
ei
0
falls i = j
.
falls i 6= j
(II.5)
Dies folgt daraus, dass ei im Produkt (II.3) die Form (0, . . . , 0, 1, 0, . . . , 0) (die 1 an der i-ten
Stelle) hat. Nach Theorem 2.10 gilt
Ri = Li1 ⊕ . . . ⊕ Lini
für einfache Linksideale Lik . Weiter gilt
Lik ∼
= L jk ⇐⇒ i = j,
und jeder einfache K [ G ]-Modul ist zu einem Lik isomorph (siehe Theorem 2.8). Nach
Proposition 3.3 sind die Charaktere der Darstellungen assoziiert zu Li1 , . . . , Lini alle gleich
und wir bezeichnen sie mit χi .
3.5 Wir können den Charakter χ einer Darstelllung T : G → EndK ( M) von G auf K [ G ]
fortsetzen, in dem wir für α ∈ K [ G ] die K-lineare Abbildung Sα : M → M, a 7→ α · a,
betrachten und
χ(α) = Tr(Sα )
setzen. Damit erhalten wir ein K-lineares Funktional χ : K [ G ] → K, das den ursprünglichen
Charakter fortsetzt.
Im Folgenden werden wir dies für den Charakter χi aus 3.4 benutzen.
3.6 Theorem. Zwei Darstellungen von G auf K-Vektorräumen sind genau dann äquivalent, wenn
ihre Charaktere gleich sind.
40
3. CHARAKTERTHEORIE
Beweis. “=⇒” Proposition 3.3.
p Erinnerung an 3.4. Wir haben ein inneres Produkt
K [ G ] = R1 × . . . × Rr
(II.6)
von einfachen Ringen Ri ∼
= Mni ( Di ) für einen Schiefkörper Di , der endlich dimensionale
K-Algebra ist. Für die Einselemente ei von Ri gilt
1 = e1 + . . . + er
(
ei falls i = j
ei e j =
0 falls i 6= j
(II.7)
Ri = Li1 ⊕ . . . ⊕ Lini
(II.9)
(II.8)
für einfache Linksideale Lij . Lij ∼
= L jk ⇐⇒ i = j und damit haben alle Li1 , . . . , Lini denselben
Charakter χi (d.h. die entsprechenden Darstellungen von G). Weiter ist jeder einfache
K [ G ]-Modul isomorph zu genau einem Li1 y .
“⇐=” Im Folgenden werden wir mehrmals die bijektive Korrespondenz zwischen Darstellungen von G und K [ G ]-Moduln benutzen. Insbesondere ist der Übersetzungschlüssel
aus Proposition 1.10 zu beachten! Es sei S : G → EndK ( M ) eine Darstellung mit Charakter
χ. Nach dem Theorem von Maschke ist M als K [ G ]-Modul halbeinfach und damit direkte
Summe von einfachen K [ G ]-Moduln. Nach 3.4 ist L1 := L11 , L2 := L21 , . . . , Lr := Lr1 eine
vollständige Liste von paarweise nicht isomorphen K [ G ]-Moduln.
m
=⇒ M ∼
= L1 1 ⊕ . . . ⊕ Lrmr
für geeignete mi ∈ N0
(II.10)
Nach Proposition 3.3 hat die Darstellung von G zu der rechten Seite von (II.10) auch den
Charakter χ. Aus (II.10) und Proposition 3.2
r
χ=
∑ mj χj.
(II.11)
j =1
Sei α ∈ K [ G ] und Tα | M sei die (Links-) Multiplikation mit α auf M. Dann hatten wir in 3.4 den
Charakter χ : G → K erweitert zu einem linearen Funktional χ : K [ g] → K, α 7→ Tr( Tα | M ).
Weil ein lineares Funktional durch die Werte auf einer Basis bestimmt ist und weil G eine
Basis von K [ G ] ist, muss (II.11) auch für die Fortsetzung auf K [ G ] gelten. Wegen (II.6)-(II.8)
und L j ⊆ R j folgt:
(
1 Li i = j
Tei | L j =
(II.12)
0
i 6= j
r
r
=⇒ χ(ei ) =
(II.11)
∑ m j χ j ( ei )
i =1
=
Def. von χ j
= mi Tr(1L ) = mi dimK ( Li )
∑ m j Tr(Te | L ) (II.12)
i
j
i
(II.13)
j =1
Aus (II.13) und Char(K ) = 0 folgt
mi =
χ ( ei )
∈ K.
dimK ( Li )
(II.14)
Wir nehmen nun an, dass S0 : G → EndK ( M0 ) eine weitere Darstellung ist mit demselben
Charakter χ. Dann ist M0 als K [ G ]-Modul isomorph zu M, weil wir analog zu (II.10)
0
0
m
m
M0 ∼
= L1 1 ⊕ . . . ⊕ Lr r
haben und wegen (II.14) gilt: mi0 = mi wieder benutzen wir Char(K ) = 0 . Also sind S und
S0 äquivalent.
41
KAPITEL II. DARSTELLUNGSTHEORIE
4. Komplexe Darstellungen
In diesem Abschnitt betrachten wir nur Darstellungen einer endliche Gruppe G auf endlich
dimensionalen komplexen Vektorräumen. Dies ist der wichtigste Fall für Anwendungen und
erlaubt es uns hermitesche Skalarprodukte zu benutzen, um die Darstellungen und ihre
Charaktere zu untersuchen.
4.1 Definition. Eine Darstellung S : G → EndC ( M) heißt unitär bzgl. einem hermitschen
Skalarprodukt h., .i auf M, wenn alle Abbildungen Sg (g ∈ G) Isometrien sind.
4.2 Satz. Für jede komplexe Darstellung S von G auf M gibt es ein hermitsches Skalarprodukt h., .i
so, dass S unitär bzgl. h., .i.
Beweis. Aufgabe 10.4.
4.3 Bemerkung. Für eine komplexe Darstellung können wir damit einen neuen Beweis
des Satzes von Maschke finden. Wir müssen beweisen, dass jeder C[ G ]-Untermodul des
C[ G ]-Moduls M einen Komplementmodul hat. Nach Satz 4.2 gibt es ein Skalarprodukt
h., .i auf M so, dass die entsprechende Darstellung S unitär ist bzgl. h., .i. Aus der linearen
Algebra wissen wir, dass für das Orthogonalkomplement N ⊥ von N gilt
N ⊕ N ⊥ = M,
als C-Vektorräume. Es genügt zu beweisen, dass N ⊥ ein C[ G ]-Modul ist. Weil S unitär ist
1
⊥
bzgl. h., .i gilt für die Adjungierte S∗g = S−
g , und somit für alle a ∈ N , b ∈ N
1
hSg ( a), bi = h a, S∗g (b)i = h a, S−
g ( b )i = h a, S g−1 ( b )i
=
N G-invariant
0.
Es folgt, dass N ⊥ G-invariant ist und damit ein C[ G ]-Untermodul.
4.4 Korollar. Sei χ der Charakter der komplexen Darstellung S. Dann gilt χ( g−1 ) = χ( g) für alle
g ∈ G.
Beweis. Nach Satz 4.2 ist S unitär bzgl. einem geeigneten hermitschen Skalarprodukt h., .i.
Nach Gram-Schmidt können wir eine orthonormale Basis von M wählen und erhalten
unitäre Darstellungsmatrizen A g für die unitären Abbildungen Sg , d.h.
t
1
A−
g = Ag .
Es folgt
t
χ( g−1 ) = Tr( A g−1 ) = Tr( A g ) = Tr( A g ) = χ( g).
4.5 Wenn wir C[ G ] als C[ G ]-Linksmodul betrachten, erhalten wir die reguläre Darstellung
von G (auf C[ G ]). Der zugehörige Charakter wird mit χreg bezeichnet und heißt regulärer
Charakter .
Wir erinnern nun an folgende Tatsache aus 3.4, die wir hier für K = C formulieren
C[ G ] = R1 × . . . × R n
(II.15)
Ri ∼
= Mn i ( C ) .
(II.16)
und es gilt wegen Korollar 2.12
42
4. KOMPLEXE DARSTELLUNGEN
Weiter hatten wir
Ri = Li1 ⊕ . . . ⊕ Lini
(II.17)
für einfache Linksideale Li1 , . . . , Lini . Wir setzen Li := Li1 und χi sei der Charakter der
zugehörigen Darstellung. Die Moduln L1 , . . . , Lr sind paarweise nicht isomorph und jeder
einfache C[ G ]-Modul ist isomorph zu genau einem Li . Damit ist χ1 , . . . , χr eine volle Liste
von Charakteren paarweise nicht äquivalenter irreduzibler Darstellungen. Es folgt
χreg = n1 χ1 + . . . + nr χr .
p C[ G ]
=
(II.15)
Lr
i =1
Ri =
Lr
(II.17)
i =1
L ni
j =1
(II.18)
L
n
Lij ∼
= ri=1 Li i und jetzt benutzen wir Proposition 3.2y
Weiter gilt
Ord( G ) = n21 + . . . + n2r
(II.19)
aus (II.15) und dim C[ G ] = Ord( G ), dim Ri = n2i . Weiter hat die Darstellung zu χi die
(II.16)
Dimension n, d.h.
dim( Li ) = ni .
p
(II.20)
Wegen Li ∼
= Lij für alle j = 1, . . . , ni folgt
n2i = dim Ri = dim Li1 + . . . + dim Lini = ni dim Li
und damit (II.20).y
4.6 Proposition.
(
χreg ( g) =
Ord( G ),
0,
falls g = e
.
falls g 6= e
Beweis. G ist eine Basis von C[ G ]. Wir stellen nun die reguläre Darstellung bzgl. dieser
kanonischen Basis dar und erhalten Darstellungsmatrizen A g . Für g = e gilt A g = n × n
Einheitsmatrix mit n := Ord( G ). =⇒ χ(e) = Tr( Ae ) = n. Für g 6= e permutiert die
Linksmultiplikation mit g die Basis, d.h. das Bild des Basisvektors h ∈ G ist gleich g · h. Weil
g · h 6= h, müssen alle Diagonaleinträge von A g gleich 0 sein. =⇒ χ( g) = Tr( A g ) = 0.
Wie in 3.4 erweitern wir einen Charakter χ einer Darstellung T zum C[ G ]-Modul M auf
die Gruppenalgebra C[ G ] durch
χ : C[ G ] → C, α 7→ Tr( Tα ),
wobei Tα = Linksmultiplikation mit α auf M ist.
4.7 Proposition. Es bezeichnet ei wieder das Einselement von Ri . Weil G eine Basis von C[ G ],
erhalten wir eine Darstellung ei = ∑ g∈G λ g g mit Koordinaten λ g ∈ C. Für diese Koordinaten gilt
λg =
1
ni
χreg (e, g−1 ) =
χ i ( g −1 ).
Ord( G )
Ord( G )
Beweis.
χreg (ei g−1 ) = χreg ( ∑ λh hg−1 ) =
h∈ G
= Ord( G ) · λ g
∑ λh χreg (hg−1 ) 4.6
r
∑ n j χ j ( e i g −1 ) T
(II.18)
χreg (ei g−1 ) =
j =1
(II.21)
h∈ G
r
=
e j | L j =1 L j
∑ n j χ j ( e i g −1 e j )
(II.22)
j =1
43
KAPITEL II. DARSTELLUNGSTHEORIE
Wegen (II.15) gilt
(
e i g −1 e j = g −1 e i e j =
g −1 ei
0
falls i = j
.
sonst
Damit ergibt sich aus (II.22)
χreg (ei g−1 ) = ni χi ( g−1 ei ) = ni χi (ei g−1 ).
(II.23)
Aus (II.21) und (II.23) folgt die Behauptung.
4.8 Wir betrachten die Menge der komplexwertigen Funktionen auf G und bezeichnen sie
mit CG := { f : G → C| f ist Funktion}. Offensichtlich ist CG ein komplexer Vektorraum,
der kanonisch isomorph zu C|G| ist. Das Standardskalarprodukt auf C|G| induziert ein
hermitesches Skalarprodukt auf CG durch
h f1, f2 i =
1
|G|
∑
f 1 ( g ) · f 2 ( g ),
g∈ G
das wir hier geeignet “normieren”.
4.9 Proposition (Orthogonalitätsrelationen). Voraussetzung: ρ, µ Charaktere von irreduziblen
komplexen Darstellungen von G. Behauptung:
(
1 falls die Darstellungen äquivalent sind
hρ, µi =
0 sonst
Beweis. Wir erinnern daran, dass wir ein inneres direktes Produkt
C[ G ] = R1 × . . . × Rr
von einfachen Ringen haben (siehe (II.15)) und dass ei das Einselement von Ri bezeichnet.
Weiter hatten wir mit χ1 , . . . , χr eine volle Liste von paarweise nicht äquivalenten irreduziblen Darstellungen und wir hatten gesehen, dass die Darstellung zu χi bzgl. einem
einfachen Linksideal Li ⊆ Ri definiert werden kann. Nach Proposition 4.7 gilt
ni
ei = ∑
χ i ( g −1 ) g
wobei Ri ∼
(II.24)
= Mn i ( C ) .
|G|
g∈ G
Weil die obige Liste voll ist, gilt ρ = χi , µ = χ j . Weil die Darstellungen bis auf Äquivalenz
durch ihre Charaktere bestimmt sind (Theorem 3.6), können wir annehmen, dass ρ = χi
durch die Darstellung zu Li und µ = χ j durch die Darstellung zu L j induziert wird. Falls
die Darstellungen nicht äquivalent sind, gilt χi 6= χ j nach Theorem 3.6 und damit i 6= j.
Jetzt betrachten wir die Linksmultiplikation Tei | L j mit ei auf L j . Wegen (II.12) und i 6= j folgt,
dass Tei | L j die Nullabbildung ist.
=⇒ 0 = Tr Tei | L j = χ j (ei )
(II.25)
Wenn die Darstellungen äquivalent sind, folgt analog i = j und Tei | Li = 1 Li
(II.20)
=⇒ ni = dim Li = Tr Tei | Li = χi (ei ).
(II.26)
Mit (II.24)-(II.26) und χ j ( g−1 ) = χ j ( g) (siehe Korollar 4.4) folgt die Behauptung.
p
(II.24)
χ j ( ei ) =
ni
|G|
∑ χ i ( g −1 ) χ j ( g ) = n i h χ j , χ i i.
g∈ G
Falls i 6= j, dann folgt aus (II.25), dass hχi , χ j i = hχ j , χi i = 0. Falls i 6= j, dann folgt aus
(II.26), dass ni = ni hχi , χi i und damit hχi , χi i = 1.y
44
4. KOMPLEXE DARSTELLUNGEN
4.10 Wir erinnern an folgende Definition aus der Algebra I, §I.6:
x, y heißt konjugiert ⇐⇒ y = gxg−1 für ein g ∈ G.
Das definiert eine Äquivalenzrelation auf G und somit ist G disjunkte Vereinigung von
Äquivalenzklassen, die wir hier Konjugationsklassen nennen. Wir nennen f ∈ CG eine
Klassenfunktion, wenn f konstant auf jeder Konjugationsklasse ist.
Wir betrachten die Darstellung S mit Charakter χ. Für y = gxg−1 ∈ G folgt
χ(y) = χ( gxg−1 ) = Tr(Sg ◦ Sx ◦ Sg−1 ) = Tr Sg ◦ Sx ◦ (Sg )−1 .
Aus der linearen Algebra weiß man, dass die Spur äquivalenter Matrizen gleich ist. =⇒
χ(y) = Tr(Sx ) = χ( x ), d.h. χ ist eine Klassenfunktion.
4.11 Theorem. Es seien χ1 , . . . , χr die Charaktere einer vollständigen Liste paarweise nicht äquivalenter irreduzibler Darstellungen von G. Dann bilden χ1 , . . . , χr eine Orthonormalbasis im Raum
der Klassenfunktion bzgl. dem in 4.8 definierten Skalarprodukt.
Beweis. Wir haben einen K-linearen Isomorphismus CG → C[ G ], f 7→ ∑ g∈G f ( g) g =: c f .
Wir betrachten das Zentrum
Z := {α ∈ C[ G ]| α · β = β · α ∀ β ∈ C[ G ]} = {α ∈ C[ G ]| α · g = g · α ∀ g ∈ G }
von C[ G ]. Das Zentrum Z ist eine komplexe Teilalgebra von C[ G ].
1.Schritt: Für f ∈ CG gilt: f Klassenfunktion ⇐⇒ c f ∈ Z.
p Für g ∈ G gilt
g
−1
cf g = g
Def.c f
−1
∑
x∈G
!
f (x)x
g=
∑
f ( x ) g−1 xg
x∈G
Also gilt c f ∈ Z ⇐⇒ g−1 c f g = c f ∀ g ∈ G
⇐⇒
=
x 0 := g−1 xg
Koeff. vgl. oben
∑
f ( gx 0 g−1 ) x 0 .
x∈G
f ( gxg−1 ) = f ( x ) ∀ g ∈ G ⇐⇒
f Klassenfunktion.y
2.Schritt: Die Einselemente e1 , . . . , er aus (II.15) bilden eine komplexe Basis von Z.
p Wenn Z das Zentrum des Ringes R bezeichnet, dann gilt wegen (II.15)
i
i
Z = Z1 × . . . × Zr ⊆ R1 × . . . × Rr = C[ G ]
(II.27)
Andererseits ist Ri ∼
= Mni (C). Aus der linearen Algebra weiß man, dass das Zentrum von
Mni (C) gleich dem Raum der Vielfachen der Einheitsmatrix 1ni ist. Also gilt Zi = C · ei und
wegen (II.27) folgt, dass e1 , . . . , en eine Basis von Z bilden.y
3.Schritt: Die Behauptung. Aufgrund der Orthogonalitätsrelationen und 4.10 bilden die
χ1 , . . . , χr eine orthonormale Familie im Raum der Klassenfunktionen. Insbesondere sind
sie linear unabhängig. Weil nach dem 1.Schritt der Raum der Klassenfunktionen isomorph
zu Z ist und damit nach dem 2.Schrittt r dimensional, muss χ1 , . . . , χr eine Basis sein.
4.12 Korollar. Die Anzahl paarweise nicht äquivalenter irreduzibler komplexer Darstellungen von
G ist gleich der Anzahl der Konjugationklassen in G.
Beweis. Seien C1 , . . . , Ck die Konjugationsklassen von G. Dann bilden die charakteristischen
Funktionen 1C1 , . . . , 1Ck eine komplexe Basis im Raum der Klassenfunktionen (offensichtlich).
Nach Theorem 4.11 folgt k = r.
45
KAPITEL II. DARSTELLUNGSTHEORIE
4.13 Es sei T1 , . . . , Tr eine vollständige Liste paarweise nicht äquivalenter irreduzibler Darstellungen von G mit zugehörigen Charakteren χ1 , . . . , χr . Für eine beliebige Darstellung S
von G mit Charakter χ nennen wir hχ, χ j i den j-ten Fourierkoeffizient von χ. Weil χ eine
Klassenfunktion ist und χ1 , . . . , χr eine orthonormale Basis im Raum der Klassenfunktionen
ist (Theorem 4.11), folgt
r
χ=
∑ hχ, χ j iχ j
(nach linearer Algebra)
(II.28)
j =1
4.14 Theorem. Die Fourierkoeffizienten hχ, χ j i sind in N0 und S ist äquivalent zu
T ⊕ . . . ⊕ T1 ⊕ . . . ⊕ Tr ⊕ . . . ⊕ Tr ,
|
{z
}
}
| 1 {z
mr mal
m1 mal
wobei die Multiplizität m j von Tj in S gleich hχ, χ j i ist.
Beweis. Nach dem Theorem von Maschke ist S äquivalent zu
T ⊕ . . . ⊕ T1 ⊕ . . . ⊕ Tr ⊕ . . . ⊕ Tr .
{z
}
|
| 1 {z
}
mr mal
m1 mal
Es gilt nach Proposition 3.2, dass die beiden Darstellungen denselben Charakter haben, d.h.
χ = m1 χ1 + . . . + mr χr .
3.2
Weil χ1 , . . . , χr ein orthonormale Basis ist, folgt aus (II.28), dass m j = hχ, χ j i und damit folgt
die Behauptung.
4.15 Bemerkung. Das Theorem 4.14 zeigt, dass man die Zerlegung von S in irreduzible
Darstellungen mit Hilfe der Fourierkoeffizienten finden kann. Man sieht daraus, wie wichtig
das Bestimmen der Charaktere χ1 , . . . , χr ist. Diesen Prozess nennt man Ausreduzierung
der Darstellung der S.
Wir hatten mit χ1 , . . . , χr eine vollständige Liste von Charakteren zu irreduziblen paarweise nicht äquivalenten komplexen Darstellungen bezeichnet. Wir hatten gesehen, dass
χ1 , . . . , χr eine Orthonormalbasis ist im Raum der Klassenfunktionen bzgl. einem kanonischen hermiteschen Skalarprodukt h., .i.
4.16 Satz. Voraussetzung: χ Charakter einer komplexen Darstellung S von G. Behauptung: S
irreduzibel ⇐⇒ hχ, χi = 1
Beweis. Sei c j := hχ, χ j i der j-te Fourierkoeffizient von χ, dann gilt χ = ∑rj=1 c j χ j . Also
folgt:
*
+
r
hχ, χi =
r
∑ ci χi , ∑ ci χi
i =1
i =1
r
=
∑
i,j=1
ONB
ci c j h χi , χ j i =
r
∑ | c j |2 .
i =1
Nach Theorem 4.14 ist ci die Muliplizität der Darstellung Ti in S, wobei Ti die irreduzible
Darstellung zum Charakter χi bezeichnet. Insbesondere gilt ci ∈ N0 . Es folgt: hχ, χi = 1 ⇐⇒
genau ein ci ist 1 und alle anderen ci sind 0 ⇐⇒ S ist äquivalent zu einem Ti ⇐⇒ S
irreduzibel.
4.17 Satz. Sei S eine irreduzible komplexe Darstellung von G auf M mit Charakter χ. Dann gilt
dimC ( M ) = hχreg , χi und dimC ( M) ist ein Teiler von Ord( G ).
46
5. PRODUKTE UND DARSTELLUNGEN
Beweis. Weil χ1 , . . . , χr eine vollständige Liste ist von irreduziblen paarweise nicht äquivalenten komplexen Darstellungen und weil die Charaktere von äquivalenten Darstelllungen gleich sind, folgt χ = χi für ein i ∈ {1, . . . , r }. Nach 4.6 gilt ni = dimC ( M) und
χreg = ∑rj=1 n j χ j . Andererseits gilt die Fourierentwicklung χreg = ∑rj=1 hχreg , χ j iχ j . Da die
χ1 , . . . , χr linear unabhängig sind (Orthogonalitätsrelation 4.9), folgt durch Vergleich, dass
n j = hχreg , χ j i und damit die erste Behauptung.
Die zweite Behauptung wird in Theorem III.3.8 bewiesen als Anwendung der Theorie der
ganzalgebraischen Zahlen.
5. Produkte und Darstellungen
Der Einfachheit halber betrachten wir in diesem Abschnitt nur endlich dimensionale komplexe
Darstellungen einer endlichen Gruppe.
Wir nennen diese kurz Darstellungen. Wir werden zuerst zeigen, wie man aus 2 Darstellungen von G mit dem Tensorprodukt eine neue Darstellung erhält. Am Schluss werden
wir eine ähnliche Konstruktion benutzen um aus zwei Darstellungen von verschiedenen
Gruppen G1 , G2 eine neue Darstellung von G1 × G2 zu konstruieren.
5.1 Seien S : G → EndC ( M ) und T : G → EndC ( N ) zwei Darstellungen. Nach Proposition I. 9.5 gibt es für g ∈ G genau ein Sg ⊗ Tg ∈ EndC ( M ⊗ N ) mit (Sg ⊗ Tg )( a ⊗ b) = Sg ( a) ⊗
Tg (b) für alle a ∈ M und b ∈ N. Wir erhalten eine Abbildung G → EndC ( M ⊗ N ), g 7→
Sg ⊗ Tg , die wir das Kroneckerprodukt der Darstellungen S und T nennen und die wir mit
S ⊗ T bezeichnen.
5.2 Proposition. Das Kroneckerprodukt S ⊗ T ist eine Darstellung von G mit Charakter χS⊗T =
χS χ T .
Beweis. Seien g, h ∈ G. Aufgrund der charakteristischen Eigenschaft des Tensorprodukts
von linearen Abbildungen (siehe oben) folgt
(Sg ◦ Sh ) ⊗ ( Tg ◦ Th ) = (Sg ⊗ Tg ) ◦ (Sh ⊗ Th )
und damit
(S ⊗ T ) gh = Sgh ⊗ Tgh
Def.
=
S,T Darst.
(Sg ◦ Sh ) ⊗ ( Tg ◦ Th )
= (Sg ⊗ Tg ) ◦ (Sh ⊗ Th ) = (S ⊗ T ) g ◦ (S ⊗ T )h .
Somit ist S ⊗ T eine Darstellung. Wir wählen Basen e1 , . . . , em von M und f 1 , . . . , f n von N.
( g)
( g)
Dann erhalten wir Darstellungsmatrizen A g = ( aij ) ∈ Mm (C) von Sg und Bg = (bij ) ∈
Mn (C). Nach Beispiel I. 9.8 ist
!
!
m
(S ⊗ T ) g (ei ⊗ f j ) = Sg (ei ) ⊗ Tg ( f j ) =
Def.
∑ aki
( g)
n
ek
∑ blj
⊗
k =1
( g)
fl
l =1
= ∑ aki blj ek ⊗ f l
( g) ( g)
k,l
und
m
χS⊗T ( g) = Tr (S ⊗ T ) g =
n
∑∑
i =1 j =1
( g) ( g)
aii b jj
m
=
∑
i =1
!
( g)
aii
n
·
∑
!
( g)
b jj
= χ S ( g ) · χ T ( g ).
j =1
5.3 Nun betrachten wir endliche Gruppen G1 , G2 mit Darstellungen Si : Gi → EndC ( Mi ) für
i = 1, 2. Ähnlich wie in 5.1 definieren wir die Abbildung S1 ⊗ S2 : G1 ⊗ G2 → EndC ( M1 ⊗
M2 ), ( g1 , g2 ) 7→ (S1 ) g1 ⊗ (S2 ) g2 . Analog zu Proposition 5.2 kann man folgendes beweisen.
47
KAPITEL II. DARSTELLUNGSTHEORIE
5.4 Proposition. S1 ⊗ S2 ist eine Darstellung von G1 × G2 auf M1 ⊗ M2 mit Charakter χS1 ⊗S2 so,
dass
χ S1 ⊗ S2 ( g 1 , g 2 ) = χ S1 ( g 1 ) χ S2 ( g 2 )
∀ g1 ∈ G1 , g2 ∈ G2 .
Beweis. Analog zu Beweis von 5.2.
5.5 Theorem. a) Für Darstellungen Si : Gi → EndC ( Mi ) (i = 1, 2) gilt: S1 und S2 sind
irreduzible Darstellungen ⇐⇒ S1 ⊗ S2 ist irreduzible Darstellung von G1 × G2 .
b) Jede irreduzible Darstellung von G1 × G2 ist äquivalent zu einer Darstellung wie in a).
Beweis. Zuerst betrachten wir Darstellungen S1 , T1 von G1 und S2 , T2 von G2 .
hχS1 ⊗S2 , χT1 ⊗T2 i =
1
| G1 × G2 | ( g
1
5.4 | G1 | | G2 |
(g
=
=
1
| G1 | | G2 |
∑
χS1 ⊗S2 ( g1 , g2 )χ T1 ⊗T2 ( g1 , g2 )
1 ,g2 )∈ G1 × G2
∑
χS1 ( g1 )χS2 ( g2 )χ T1 ( g1 )χ T2 ( g2 )
1 ,g2 )∈ G1 × G2
∑
χS1 ( g1 )χ T1 ( g1 )
g1 ∈ G1
∑
χS2 ( g2 )χ T2 ( g2 )
g2 ∈ G2
und somit folgt:
hχS1 ⊗S2 , χT1 ⊗T2 i = hχS1 , χT1 i · hχS2 , χT2 i
(II.29)
Wir beweisen jetzt a). Dazu setzen wir T1 := S1 und T2 := S2 in (II.29). Es folgt:
h χ S1 ⊗ S2 , χ S1 ⊗ S2 i = h χ S1 , χ S1 i · h χ S2 , χ S2 i
(II.30)
Nach Theorem 4.14 gilt hχSi , χSi i ∈ N0 . Also folgt
hχS1 ⊗S2 , χS1 ⊗S2 i = 1 ⇐⇒ hχS1 , χS1 i = 1 = hχS2 , χS2 i
Nach Satz 4.16 folgt a).
Wir beweisen jetzt b): Sei S1 , . . . , Sr eine vollständige Liste von paarweise nicht äquivalenten irreduziblen Darstellungen von G1 .
Sei T1 , . . . , Ts eine vollständige Liste von paarweise nicht äquivalenten irreduziblen Darstellungen von G2 .
Ziel: (Si ⊗ Tj )i=1,...,r ist eine vollständige Liste von paarweise nicht äquivalenten irreduj=1,...,s
ziblen Darstellungen von G1 × G2
Wir bezeichnen mit mi (bzw. n j ) die Dimension des Darstellungsraumes zu Si (bzw. Tj ).
Nach a) ist Si ⊗ Tj eine irreduzible Darstellung von G1 × G2 auf dem komplexen Vektorraum
Mi ⊗ Nj der Dimension mi n j (Beispiel I. 9.8).
Seien k ∈ {1, . . . , r }, l ∈ {1, . . . , s}, dann gilt
4.9
hχSi ⊗Tj , χSk ⊗Tl i = hχSi , χSk i · hχTj , χTl i = 0
und damit sind Si ⊗ Tj und Sk ⊗ Tl nicht äquivalent, falls (i, j) 6= (k, l ). Beachte, dass
Ord( G ) = Ord( G1 ) · Ord( G2 ) = (m21 + . . . + m2r ) · (n21 + . . . + n2s ) = ∑ri=1 ∑sj=1 (mi n j )2 . Somit
2.12
ist die Liste (Si ⊗ Tj )i=1,...,r schon vollständig, weil die Dimensionsquadrate schon die
j=1,...,s
Gruppenordnung von G1 × G2 ergeben.
Alternativ könnte man beweisen, dass die Anzahl Konjugationklassen von G1 × G2 gleich
dem Produkt der Anzahl Konjugationsklassen von G1 und G2 ist und dann folgt die
Behauptung aus Korollar 4.12.
48
6. BEISPIELE
6. Beispiele
In den vorherigen Abschnitten wurde klar, dass es wichtig ist, die Charaktere χ1 , . . . , χr
einer vollständigen Liste paarweise nicht äquivalenter irreduzibler komplexer Darstellungen
einer endlichen Gruppe G zu bestimmen. Wir werden diese Charaktere in Beispielen explizit
bestimmen und in eine Tabelle schreiben, die man Charaktertafel nennt.
6.1 G = Cn zyklische Gruppe der Ordnung n. Wir wählen einen Erzeuger g von Cn .
1.Schritt: Wir bestimmen die Konjugationsklassen in G: Weil G abelsch ist, bestehen die
Konjugationsklassen aus einem Element. Also gibt es insgesamt n Konjugationsklassen
in G = Cn . Nach Korollar 4.12 gibt es genau n paarweise nicht äquivalente irreduzible
komplexe Darstellungen.
2.Schritt: Bestimme die eindimensionalen Darstellungen. Es gilt EndC ( M) = C · 1 M ∼
=C
für jeden 1 dimensionale Vektorraum M. Also ist eine 1 dimensionale Darstellung dasselbe
wie ein Gruppenhomomorphismus χ : G → C∗ und χ ist gerade der Charakter der
entsprechenden Darstellung. Wegen gn = e folgt χ( g)n = χ( gn ) = χ(e) = 1. Also muss
der Wert von χ( g) eine n-te Einheitswurzel ζ ∈ C sein. Umgekehrt ist klar, dass jede
n-te Eineheitswurzel ζ einen Gruppenhomomorphismus χ : G → C∗ definiert durch
χ( gk ) := ζ k und damit erhalten wir eine 1 dimensionale komplexe Darstellung. Wir erhalten
verschiedene nicht äquivalente 1 dimensionale Darstellungen. Sie sind nicht äquivalent, weil
die Charaktere verschieden sind. Sie sind alle irreduzibel, weil 1 dimensionale Darstellungen
offensichtlich irreduzibel sind.
Wir betrachten die primitive n-te Einheitswurzel ζ n := e2πi/n und erhalten die Charaktertafel von Cn :
irred.Char.\ Konj.Kl.
χ1
χ2
e
1
1
g
1
ζ n1
g2
1
ζ n2
χ3
1
ζ n2
ζ n4
χ4
..
.
1
..
.
ζ n3
..
.
ζ n6
..
.
χn
1
ζ nn−1
( n −1)2
ζn
···
···
···
···
···
···
g n −1
1
n
ζ n −1
2( n −1)
ζn
3( n −1)
ζn
..
.
(n−1)(n−1)
ζn
Es ist nicht überraschend, dass wir damit schon eine volle Liste paarweise nicht äquivalenter
irreduzibler Darstellungen gefunden haben. Für eine abelsche Gruppe ist jede irreduzible
Darstellung nach Korollar 2.4 1-dimensional.
6.2 Beispiel. Nun betrachten wir die symmetrische Gruppe G = S3 auf 3 Elementen. G
ist die kleinste nicht abelsche Gruppe, deshalb erwarten wir auch höher dimensionale
irreduzible Darstellungen.
1.Schritt: Konjugationsklassen. Aus Algebra I, Proposition 1.5.4, wissen wir, dass 2 Permutationen genau dann äquivalent sind, wenn sie bei der Zyklenzerlegung gleich viele Zyklen
von jeder Länge haben. Zum Beispiel gilt (12) ∼ (57) in S7 , aber (12) 6∼ (34)(56).
Konjugationsklasse in S3
1
( ab)
( abc)
Anzahl Elemente in Klasse
1
3
2
Also müssen wir 3 Charaktere zu paarweise nicht äquivalenten irreduziblen Darstellungen
finden.
2.Schritt: 1 dimensionale Darstellungen. Wir müssen wie in Beispiel 6.1 die Homomorphismen χ : G → C∗ bestimmen. Wie immer gibt es den konstanten Homomorphismus χ1 ≡ 1.
49
KAPITEL II. DARSTELLUNGSTHEORIE
Als weiteren Homomorphismen haben wir χ2 := Sign : S3 → C∗ . Weitere 1 dimensionale
Darstellungen springen nicht ins Auge.
Nach jedem Schritt versuchen wir mit Hilfe der Arithmetik die Charaktertafel zu bestimmen. Sei ni die Dimension der zu χi gehörigen irreduziblen Darstellung. Also gilt
n1 = n2 = 1 und es bleibt n3 zu bestimmen. Aus 4.5 folgt
6 = Ord( G ) = n21 + . . . + n2r = 12 + 12 + n23
und damit folgt n3 = 2. Wir schreiben alle Informationen in die Charaktertafel.
[1] ( ab)
( abc)
χ1
1
1
1
χ2
1
−1
1
χ3
2
x
y
Beachte, das χi (1) = Tr(1 Mi ) = ni . Dies liefert χ3 (1) = 2. Um die fehlenden Einträge
zu finden, benutzen wir die Orthogonalitätsrelationen. Dabei müssen wir die Größe der
Konjugationsklassen als “Gewichte” benutzen.
1
= (2 + 3x + 2y)
6
1
1
0 = hχ3 , χ2 i = 6 (1 · 2 · 1 + 3 · x · −1 + 2 · y · 1) = (2 − 3x + 2y)
6
Das Gleichungssystem liefert die Lösungen x = 0 und y = −1. Damit ist die Charaktertafel
komplett.
Wir wollen aber noch einiges illustrieren: Es ist nicht schwer, die Darstellung zu χ3 zu
finden: Wir betrachten ein gleichseitiges Dreieck mit Zentrum 0. Analog zu Aufgabe 2 in
0 = h χ3 , χ1 i =
1
6 (1 · 2 · 1 + 3 ·
x · 1 + 2 · y · 1)
2
1
3
Abbildung II.1.: gleichseitiges Dreieck
Alegbra I betrachten wir die Gruppe der Kongruenzabbildungen, die das Dreieck auf sich
selbst abbildet. Diese Gruppe heißt Diedergruppe D3 und hat 6 Elemente. Wenn wir die
Ecken mit ¬,­,® nummerieren, erhalten wir ein Isomorphismus S3 ∼
= D3 . Die Transposition
entprechen den 3 Geradenspiegelungen und die Drehungen um 120◦ , 240◦ entsprechen
den Zyklen (123), (132). Damit erhalten wir eine natürliche 2 dimensionale Darstellung
auf R2 . Wenn wir dieselben Darstellungsmatrizen nehmen und sie als komplexe Matrizen
betrachten, erhalten wir eine natürliche Darstellung auf C2 . Offensichtlich gibt es keine
1 dimensionale Unterräume und deshalb ist diese Darstellung irreduzibel. Es sei χ3 der
zugehörige Charakter.
χ3 (1) = dim(C2 ) = 2.
Sei jetzt g = (23). Sie entspricht der Spiegelung an der x-Achse
1 0
=⇒ χ3 (12) = χ3 (23) = Tr
= 0.
0 −1
50
6. BEISPIELE
◦
Sei
jetzt g = (123). Das entspricht der Drehung um ϕ = 120 und hat die Matrix
cos( ϕ) − sin( ϕ)
.
sin( ϕ) cos( ϕ)
cos( ϕ) − sin( ϕ)
=⇒ χ3 ( g) = Tr
sin( ϕ) cos( ϕ)
= 2 cos( ϕ) = −1.
Das stimmt mit unserem obigen Resultat überein. Es gibt eine natürliche Darstellung von
S3 auf C3 durch Permutation der Standardvektoren. Für σ ∈ S3 gilt
Tσ (λ1 e1 + λ2 e2 + λ3 e3 ) = λ1 eσ(1) + λ2 eσ(2) + λ3 eσ(3) .
Es ist leicht nachzurechnen, dass T eine Darstellung ist. Offensichtlich gilt für den zugehörigen Charakter
χ(σ) = Tr( Tσ ) = Anzahl der Fixpunkte von χ.
0 1 0
Zum Beispiel hat τ = (12) die Matrix 1 0 0 und es gilt χ(τ ) = 1. Es folgt
001
χ(1) = 3, χ ( ab) = 1, χ ( abc) = 0.
Dieser Charakter kommt in der Tafel nicht vor und wird deshalb nicht irreduzibel sein.
Nach dem Satz von Maschke ist T äquivalent zu T1m1 ⊕ T2m2 ⊕ T3m3 , wobei Ti die irreduzible
Darstellung zu χi ist. Nach Theorem 3.6 gilt m j = hχ, χ j i. Wegen
hχ, χ1 i =
1
6 (1 · 3 · 1 + 3 · 1 · 1 + 2 · 0 · 1)
= 1,
hχ, χ2 i =
1
6 (1 · 3 · 1 + 3 · 1 · −1 + 2 · 0 · 1)
1
6 (1 · 3 · 2 + 3 · 1 · 0 + 2 · 0 · −1)
= 0,
hχ, χ3 i =
= 1,
folgt T ∼
= T1 ⊕ T3 .
6.3 Beispiel. G = S4 . Ord( G ) = 4! = 24
1.Schritt: Konjugationsklasse bestimmen.
Konjugationsklasse in S4
1
( ab)
( ab)(cd)
( abc)
( abcd)
Anzahl Elemente in Klasse
1
6
3
4·2 = 8
3! = 6
Also suchen wir χ1 , . . . , χ5 .
2.Schritt: 1 dimensionale Darstellungen. χ1 ≡ 1 und χ2 = Sign springen wieder ins Auge.
Arithmetik:
24 = Ord( G ) = n21 + n22 + n23 + n24 + n25 = 2 + n23 + n24 + n25 .
=⇒ 22 = n23 + n24 + n25 .
Bis auf Permutationen folgt n3 = 2, n4 = n5 = 3. Wir stellen auch ni |24 fest wie von Satz 4.17
vorausgesagt.
3.Schritt: Natürliche Darstellungen. Wir nehmen die Permutationsdarstellung T von S4 auf
C4 analog zu Beispiel 6.2. Wieder gilt χ(σ) = Anzahl der Fixpunkte von σ und damit
χ(1) = 4, χ ( ab) = 2, χ ( ab)(cd) = 0, χ ( abc) = 1, χ ( abcd) = 0.
51
KAPITEL II. DARSTELLUNGSTHEORIE
Nach dem 2.Schritt kann T nicht irreduzibel sein. Wir reduzieren aus:
hχ, χ1 i =
1
24 (1 · 4 · 1 + 6 · 2 · 1 + 3 · 0 · 1 + 8 · 1 · 1 + 6 · 0 · 1)
= 1,
hχ, χ2 i =
1
24 (1 · 4 · 1 + 6 · 2 · −1 + 3 · 0 · 1 + 8 · 1 · 1 + 6 · 0 · −1)
= 0.
(II.31)
Nach Theorem 4.14 gibt es also eine 3 dimensionale Darstellung T4 mit T ∼
= T1 ⊕ T4 . Der
Charakter von T4 ist gleich χ4 := χ − χ1 . Direktes Nachrechnen zeigt
hχ4 , χ4 i = 1.
Nach Satz 4.16 folgt, dass T4 irreduzibel ist.
Führen wir das Kroneckerprodukt T5 := T2 ⊗ T4 aus, dann erhalten wir als Charakter χ5 =
χ2 · χ4 nach Proposition 5.2. Weil χ5 und χ4 sich nur durch das Vorzeichen unterscheiden,
folgt ebenfalls hχ5 , χ5 i = 1 und damit ist auch T5 irreduzibel (Satz 4.16).
Bis jetzt haben wir folgende Einträge in der Charaktertafel gefunden:
Konj.kl.
irred. Char.
χ1
χ2
χ3
χ4
χ5
1 Element
[1]
1
1
2
3
3
6 Elemente
( ab)
1
−1
x1
1
−1
3 Elemente
( ab)(cd)
1
1
x2
−1
−1
8 Elemente
( abc)
1
1
x3
0
0
6 Elemente
( abcd)
1
−1
x4
−1
1
Wir können x1 , . . . , x4 mit Hilfe der Orthogonalitätsrelationen bestimmen. Das ergibt ein
lineares Gleichungssystem mit 4 Gleichungen und 4 Unbekannten. Wir schlagen hier einen
anderen Weg vor und hoffen, dass wir T3 als direkten Summanden im Kroneckerprodukt
T4 ⊗ T5 finden. Für χ := χ T4 ⊗T5 = χ4 χ5 gilt:
χ(1) = 3 · 3 = 9, χ ( ab) = 1 · (−1) = −1, χ ( ab)(cd) = (−1) · (−1) = 1,
χ ( abc) = 0 · 0 = 0, χ ( abcd) = (−1) · 1 = −1.
Wir bestimmen die Multiplizitäten von T1 , T2 , T4 , T5 in T4 ⊗ T5 durch Ausreduzieren (siehe
Theorem 4.14):
hχ, χ1 i =
hχ, χ2 i =
hχ, χ3 i =
hχ, χ4 i =
hχ, χ5 i =
1
24 (9 · 1 + 6 · (−1) · 1 + 3 · 1 · 1 + 8 · 0 · 1 + 6 · (−1) · 1)
...
...
...
...
=0
=1
=1
=1
=1
Also gibt es eine 2-dimensionale Darstellung T3 mit
T4 ⊕ T5
T ⊗T ∼
= T2 ⊕ T3 ⊕ |{z}
|{z}
| 4 {z }5 |{z}
9-dim.
1-dim
3-dim.
3-dim.
Hier bedeutet “∼
=”, dass die Darstellungen äquivalent sind. Der Charakter χ3 von T3 erfüllt
χ3 = χ − χ2 − χ4 − χ5 und damit gilt
χ3 (1) = 2, χ3 ( ab) = 0, χ3 ( ab)(cd) = 2, χ3 ( abc) = −1, χ3 ( abcd) = 0.
Wir rechnen einfach nach, dass hχ3 , χ3 i = 1 gilt und damit ist die Darstellung T3 tatsächlich
irreduzibel. Damit ist die Charaktertafel komplett.
52
6. BEISPIELE
• Man kann eine irreduzible 3-dimensionale Darstellung auch geometrisch finden als
Symmetriegruppe des Tetraeders. Diese Symmetriegruppe ist isomorph zur Permutationsgruppe der Ecken.
• Man kann die 2-dimensionale Darstellung T3 finden, in dem man den Normalteiler
N := {1} ∪ [( ab)(cd)] der Ordnung 6 betrachtet und die entsprechende 2-dimensionale Darstellung T30 von G/N ∼
= S3 aus Proposition 6.2 benutzt um T3 := T30 ◦ π zu
setzen für den Quotientenhomomorphismus π : G → G/N. (. . .)
6.4 Beispiel. G = A5 := {σ ∈ S5 | Sign(σ) = 1} alternierende Gruppe. Es gilt Ord( G ) =
60.
1.Schritt: Konjugationsklassen. Wir bestimmen zuerst die Konjugationsklassen von S5 nach
bewährtem Muster:
Konj.klasse von S5
[1] ( ab) ( ab)(cd)
(
abc
)
(abc)(de)
( abcd) ( abcde)
Anzahl Elemente
1
10
5 · 3 = 15
(52) · 2 = 20
20
5 · 3! = 30
4! = 24
Sign
1
−1
1
1
−1
−1
1
Es ist klar, dass nur die geraden Permutationen in A5 vorkommen. Allerdings kann es
passieren, dass σ, σ0 ∈ A5 konjugiert in S5 sind (d.h. ∃π ∈ S5 : σ0 = π ◦ σ ◦ π −1 ),
aber nicht konjugiert sind in A5 . Um dies zu untersuchen, betrachten wir zuerst den Fall
σ = (i1 · · · ik ), σ0 = ( j1 · · · jk ) zweier Zyklen. Aus der Algebra I, §1.5, wissen wir
π ( j1 ) · · · π ( jk ) = π ◦ ( j1 · · · jk ) ◦ π −1 .
Um ein π ∈ Sn zu wählen so, dass (i1 · · · ik ) = π ◦ ( j1 · · · jk ) ◦ π −1 gilt, dürfen wir
π ( j1 ) ∈ {i1 , . . . , ik } frei wählen und dann sind π ( j2 ), . . . , π ( jk ) eindeutig bestimmt (O.B.d.A.
π ( j1 ) = i1 =⇒ π ( j2 ) = i2 , . . .). Wenn also k gerade ist, dann können wir π durch
π 0 := (i1 · · · ik ) ◦ π ersetzen und es gilt Sign(π 0 ) = Sign (i1 · · · ik ) · Sign(π ) = − Sign(π ).
Wenn k ungerade ist, bringt das wegen Sign(i1 · · · ik ) = 1 nichts. Wenden wir diese Überlegungen auf beliebige σ, σ0 ∈ An an, die konjugiert sind in S5 , dann erhalten wir durch
Betrachtung ihrer Zyklenzerlegungen ziemlich leicht die Konjugationsklassen in A5 :
Konj.klasse in A5
[id] (ab)(cd)
( abc) (12345)
(12354)
Anzahl Elemente
1
15
20
12
12
Wir müssen also χ1 , . . . , χ5 finden.
2.Schritt: 1-dimensionale Darstellungen. Hier springt nur χ1 ≡ 1 ins Auge. Arithmetik:
60 = Ord( G ) = n21 + . . . + n25 =⇒ 59 = n22 + n23 + n24 + n25 .
Wir wissen, dass ni | Ord( G ) = 60 (Satz 4.17)
( und somit ni ∈ {2, 3, 4, 5, 6}. Weiter weiß man
0
(mod 4)
aus der elementaren Zahlentheorie n2i ≡
und somit ist genau ein ni gerade
1
(mod 4)
53
KAPITEL II. DARSTELLUNGSTHEORIE
Abbildung II.2.: ein Dodekaeder
und die anderen 3 sind ungerade. Eine Fallunterscheidung liefert leicht n2 = n3 = 3, n4 =
4, n5 = 5.
3.Schritt: Natürliche Darstellungen. Wir betrachten die Darstellungen T von A5 auf C5 ,
die durch Permutation der Standardbasis entsteht. Für den zugehörigen Charakter χ gilt
χ(σ) = Anzahl der Fixpunkte von σ und damit
χ(1) = 5, χ ( ab)(cd) = 1, χ ( abc) = 2, χ (12345) = χ (12354) = 0.
Wegen hχ, χi = 2 ist T nicht irreduzibel (Satz 4.16). Wegen hχ, χ1 i = 1 kommt die Darstellung T1 zu χ1 mit Multiplizität 1 in T vor, also gibt es eine 4-dimensionale Darstellung T4
mit T ∼
= T1 ⊕ T4 . Sei χ4 der zugehörige Charakter. Dann gilt
χ4 (1) = 4, χ4 ( ab)(cd) = 0, χ4 ( abc) = 1, χ4 ( abcde) = −1.
Wegen hχ4 , χ4 i = 1 folgt T4 irreduzibel. Wir probieren mit dem Kroneckerprodukt T4 ⊗ T4
neue irreduzible Darstellung zu finden und erhalten mit Ausreduzierung eine 11-dimensionale Darstellung T 0 so, dass gilt (. . .):
T4 ⊗ T4 ∼
= T1 ⊕ T4 ⊕ T 0 .
Das hilft leider nicht weiter um eine neue irreduzible Darstellung zu finden! Wir brauchen
eine weitere natürliche Darstellung, die wir diesmal aus der Geometrie erhalten.
6.5 Lemma. A5 ist isomorph zur Gruppe der gleichsinnigen Kongruenzabbildungen in R3 , die ein
reguläres Dodekaeder auf sich selbst abbilden. Wir nennen diese Gruppe auch die Drehgruppe des
Dodekaeders, weil darin nur Drehungen vorkommen (LinA).
Beweis. Wir nummerieren die Standfläche auf dem rechten Bild gleichsinnig mit 1, . . . , 5.
Wir erhalten eine eindeutige Nummerierung auf den Kanten des Dodekaeders, in dem
wir immer eine in ein schon nummeriertes Fünfeck einlaufende Kante mit der Nummer
der gegenüber liegenden Kante versehen. Wir stellen leicht fest, dass jedes Fünfeck im
Gegenuhrzeigersinn durch einen 5er-Zyklus von positiver Signatur beschriftet wird. Es
ist nun leicht zu zeigen, dass jede Symmetrie ϕ des Dodekaeders eine Permutation π ϕ
dieser Nummerierung induziert mit Sign(π ϕ ) = 1. Offensichtlich gilt π ϕ = 1 ⇐⇒ ϕ =
±1. Wenn wir uns auf die Drehgruppe D beschränken, erhalten wir einen injektiven
Gruppenhomomorphismus D → A5 , ϕ 7→ π ϕ . Die Drehgruppe des Dodekaeders beinhaltet.
• 1 mal 1
• 6 Drehungen um 72◦ mit Achsen durch gegenüberliegende Flächenmittelpunkte.
• 6 Drehungen um 144◦ mit Achsen durch gegenüberliegende Flächenmittelpunkte.
54
6. BEISPIELE
Abbildung II.3.: Nummeriertes Dodekaeder (von oben und unten)
1
2
4
3
5
3
5
2
1
4
Abbildung II.4.: Schema der Nummerierung
• 6 Drehungen um 216◦ mit Achsen durch gegenüberliegende Flächenmittelpunkte.
• 6 Drehungen um 288◦ mit Achsen durch gegenüberliegende Flächenmittelpunkte.
• 10 Drehungen um 120◦ mit Achsen durch gegenüberliegende Ecken.
• 10 Drehungen um 240◦ mit Achsen durch gegenüberliegende Ecken.
• 15 Drehungen um 180◦ mit Achsen durch gegenüberliegende Kantenmittelpunkte.
Weil Ord(A5 ) = 60, muss der injektive Homomorphismus ϕ 7→ π ϕ bijektiv sein und wir
haben auch alle Elemente der Drehgruppe gefunden.
6.6 Wir machen weiter mit der Charaktertafel von G = A5 . Das Lemma 6.5 liefert eine 3-dimensionale Darstellung von A5 auf R3 und damit auch auf C3 . Mit linearen Algebra kann
55
KAPITEL II. DARSTELLUNGSTHEORIE
man leicht die Spur der Drehungen ausrechnen und erhält die 2. Zeile der Charaktertafel:
Konj.kl.
irred. Char.
χ1
1 Element
[1]
1
6 Elemente
(12)(34)
1
3 Elemente
(123)
1
χ2
3
0
χ3
χ4
χ5
3
4
5
−1
−1
0
1
0
1
−1
8Elemente
(12345)
1√
6Elemente
(12354)
1√
−1
0
−1
0
1+ 5
2√
1− 5
2
1− 5
2√
1+ 5
2
Die 3-te Zeile erhält man durch Betrachtung der Konjugation mit τ = (45). Das ergibt
einen Automorphismus Φτ : A5 → A5 , σ 7→ τ ◦ σ ◦ τ −1 = τ ◦ σ ◦ τ und wir definieren
T3 := T2 ◦ Φτ . Durch Ausreduzieren von T2 ⊗ T3 erhalten wir leicht die 5. Zeile.
56
III
Kapitel III.
Kommutative Algebra
In der kommutative Algebra betrachtet man nur kommutative Ringe. Man interessiert sich
vorallem für die Theorie der Ideale und insbesondere der Primideale im Hinblick auf Anwendung in der algebraischen Geometrie. Der Stoff der füllt mindestens eine ganze Vorlesung
(siehe [Ba]). Hier in der Algebra II sollen nur einige Grundtechniken eingeführt werden und
dann Ergänzungen zu den ersten beiden Kapiteln gemacht werden. Weiterführendes findet
man in [Ja], [At] und [Ma].
1. Radikal
In diesem Abschnitt ist R ein kommutativer Ring. Wir beweisen einen bekannten Satz von
Krull über das Radikal eines Ideals. Wir erinnern an folgendes aus der Algebra I, 2.2.1.
1.1 Definition. Ein Ideal P von R heißt Primideal :⇐⇒ P 6= R und aus ab ∈ P folgt immer
a ∈ P oder b ∈ P.
1.2 Definition. Ein multiplikatives Submonoid S von R ist eine Teilmenge S von R mit
den Eigenschaften:
• 1 ∈ S,
• a, b ∈ S =⇒ a · b ∈ S.
1.3 Bemerkung. Für P E R gilt offensichtlich: P Primideal ⇐⇒ R \ P multiplikatives Submonoid.
1.4 Proposition. Es sei S ein multiplikatives Submonoid von R und I sei ein Ideal von R mit
I ∩ S = ∅. Weiter sei I maximal mit dieser Eigenschaft, d.h. wenn I 0 ein Ideal mit I 0 ∩ S = ∅ und
wenn I ⊆ I 0 , dann folgt I = I 0 . Dann ist I ein Primideal.
Beweis. Seien a, b ∈ R \ I. Zu zeigen ist ab ∈ R \ I (daraus folgt wie in 1.3, dass I ein
Primideal ist). Wegen
Ra + I % I,
Rb + I % I
folgt
( Ra + I ) ∩ S 6= ∅,
( Rb + I ) ∩ S 6= ∅.
Seien s1 = λ1 a + b1 , s2 = λ2 b + b2 mit λi ∈ R, bi ∈ I entsprechende Elemente aus ( Ra + I ) ∩
S und ( Rb + I ) ∩ S. Wegen S ∩ I = ∅ folgt S ⊆ R \ I. Also gilt
R \ I ⊇ S 3 s1 · s2 = (λ1 a + b1 )(λ2 b + b2 ) = λ1 λ2 ab + λ1 ab2 + λ2 bb1 + b1 b2 .
| {z } | {z } |{z}
∈I
∈I
∈I
Es folgt λ1 λ2 ab ∈
/ I. Also gilt ab ∈
/ I wie gewünscht.
1.5 Proposition. Voraussetzung: S multiplikatives Submonoid von R, I Ideal von R mit I ∩ S = ∅.
Behauptung: ∃ Primideal P von R mit I ⊆ P und P ∩ S = ∅.
Beweis. Es sei M := { J ⊆ R| J Ideal, J ∩ S = ∅}. Die Menge M ist partiell geordnet durch
⊆. Wir behauptung, dass M die Voraussetzung des Zornsches Lemmas erfüllt:
57
KAPITEL III. KOMMUTATIVE ALGEBRA
• p Da I ∈ M, folgt M 6= ∅ X.
• Sei K ein total geordnete Teilmenge von M, dann ist P := J ∈K J ein Ideal (analog zu
Algebra I, Aufgabe 20). Offenbar gilt P ∩ S = ∅ und damit ist P eine obere Schranke
von K in M. Xy
S
Nach dem Zornsches Lemma existiert ein maximales P ∈ M. Nach Proposition 1.4 ist P ein
Primideal.
√
1.6 Definition. Für ein Ideal I von R heißt I := { a ∈ R| ∃n ∈ N mit an ∈ I } das Radikal
von I.
1.7 Theorem (Krull). Wenn I ein Ideal ist von R, dann gilt
√
\
P.
I=
P⊇ I,
P Primideal
√
Beweis. “⊆” Es sei a ∈ I. Dann ∃n ∈ N mit an ∈ I. Für ein Primideal P ⊇ I von R müssen
wir zeigen, dass a ∈ P. Es gilt an ∈ I ⊆ P. Sei m die minimale Zahl aus N mit am ∈ P.
Wegen am−1 · a = am√∈ P und der Minimalität von m folgt a ∈ P (und damit gilt m = 1).
“⊇” Sei also a ∈
/ I und wir müssen zeigen, dass es ein Primideal P von R gibt mit I ⊆
P, a ∈
/ P. Betrachte S :=√{ an | n ∈ N0 }. Offensichtlich ist S ein multiplikatives Submonoid
von R. Weiter gilt a ∈
/ I, da I ∩ S = ∅. Nach Proposition 1.5 ∃ Primideal P von R mit
P ⊇ I und P ∩ S = ∅. Aus der letzen Bedingung folgt a ∈
/ P.
2. Lokalisierung
In der Algebra I haben wir die Konstruktion des Quotientenkörpers gesehen, die analog
zur Konstruktion der Brüche in der Schule verläuft. Hier werden wir diese Konstruktion
verallgemeinern für beliebige kommutative Ringe R, wobei wir als Nenner Elemente aus
einem gegebenen Submonoid von R zulassen. Die Existenz von Nullteilern schafft einige
technische Schwierigkeiten.
In diesem Abschnitt ist R ein kommutativer Ring und S ein multiplikatives Submonoid
von R.
2.1 Wir definieren auf R × S die Relation
( a1 , s1 ) ∼ ( a2 , s2 ) :⇐⇒ ∃s ∈ S mit s(s2 a1 − s1 a2 ) = 0.
(III.1)
In der Aufgabe 1 von Serie 12 werden wir sehen, dass ∼ eine Äquivalenzrelation auf R × S
ist. Wir bezeichnen die Äquivalenzklassen von ( a, s) ∈ R × S suggestiv mit as . Die Menge
der Äquivalenzklassen wird mit RS bezeichnet. Durch die Verknüpfung
a1
a2
s2 a1 + s1 a2
+
:=
s1
s2
s1 · s2
(III.2)
a1 a2
a1 · a2
·
:=
s1 s2
s1 · s2
(III.3)
und der Multiplikation
wird RS zu einem Ring. Dies wird in derselben Übungsaufgabe gezeigt. Wir nennen RS die
Lokalisierung von R in S. Es gibt einen kanonischen Ringhomomorphismus
λS : R → RS , a 7→
58
a
.
1
2. LOKALISIERUNG
2.2 Bemerkung. Wenn 0 ∈ S, dann sind alle Elemente aus R × S äquivalent und wir erhalten
RS = 0. Insbesondere ist λS in diesen Fall nicht injektiv!
2.3 Bemerkung. Wenn R ein Integritätsbereich ist und 0 ∈ S, dann ist die Relation (III.1)
äquivalent zur gewohnten Bruchrelation
( a1 , s1 ) ∼ ( a2 , s2 ) ⇐⇒ s2 a1 = s1 a2 .
Insbesondere sieht man dann, dass λS injektiv ist. Im Fall des multiplikativen Submonoids
S := R \ 0 erhält man für RS den Quotientenkörper von R (vgl. Algebra I, 2.1.8). Bei einem beliebigen Submonoid S kann man RS = { as | a ∈ R, s ∈ S} als Teilring des Quotientenkörpers
{ at | a ∈ R, t ∈ R \ 0} ansehen.
2.4 Wenn M ein R-Modul ist, dann definiert (III.1) analog eine Äquivalenzrelation ∼ auf
M × S und die Menge MS der Äquivalenzklassen heißt die Lokalisierung von M in S.
Wir definieren auf M × S die Relation
( a1 , s1 ) ∼ ( a2 , s2 ) :⇐⇒ ∃s ∈ S mit s(s2 a1 − s1 a2 ) = 0.
(III.4)
Wir bezeichnen die Äquivalenzklassen von ( a, s) ∈ M × S suggestiv mit as . Die Menge der
Äquivalenzklassen wird mit RS bezeichnet. Durch die Verknüpfung
a1
s2 a1 + s1 a2
a2
:=
+
s1
s2
s1 · s2
(III.5)
λ1 · a2
λ1 a2
·
:=
s1 s2
s1 · s2
(III.6)
und der skalaren Multiplikation
wird MS zu einem RS -Modul. Es gibt einen kanonischen R-Modulhomomorphismus
a
λ S : M → MS , a 7 → .
1
pM
s
ist auch ein R-Modul mit λ ·
a
s
:=
λa
s y
2.5 Wenn f : M → N ein R-Modulhomomorphismus ist, dann definieren wir
a
f ( a)
7→
.
s
s
Es ist leicht zu sehen, dass f S ein wohldefinierter RS -Modulhomomorphismus ist.
f S : MS → NS ,
2.6 Proposition. Die Abbildung MS → RS ⊗ R M,
a
s
7→
1
s
⊗ a ist ein RS -Modulisomorphismus.
Beweis. Wir zeigen zuerst, dass diese Abbildung ein wohldefinierter R-Modulhomomorphismus ist. Wir müssen zeigen, dass die Definition nicht abhängt von der Wahl des
Repräsentanten ( a, s). Sei also as11 = as22 . Also ∃s ∈ S mit s(s2 a1 − s1 a2 ) = 0. Es folgt
1
ss2
1
⊗ a2 =
⊗ a1 =
⊗ (ss2 a1 )
s1
ss2 s1
ss2 s1
1
ss1
1
⊗ (ss1 a2 ) =
⊗ a2 = ⊗ a2 .
ss2 s1
ss2 s1
s2
Also ist ϕ wohldefiniert und es ist leicht zu sehen, dass ϕ ein R-Modulhomomorphismus ist.
Die Abbildung Rs × MS , λs , a 7→ λa
s ist ebenfalls wohldefiniert und bilinear (leichte Übung).
Also gibt es genau einen R-Modulhomomorphismus ψ : RS ⊗ R M → MS mit ψ( λs ⊗ a) = λa
s .
Es ist leicht zu sehen, dass ϕ und ψ zueinander invers sind. Weil RS ⊗ R M aus M durch
Basiswechsel auf den Ring RS erhalten worden ist (siehe I. 9.9), kann man RS ⊗ R M als
RS -Modul betrachten und man sieht leicht, das ϕS sogar ein RS Modulhomomorphismus
und damit RS - Modulisomophismus ist.
oben
=
59
KAPITEL III. KOMMUTATIVE ALGEBRA
Letztes Mal haben wir die Lokalisierung eines kommutativen Ringes R in einem multiplikativen Submonoid S definiert als RS := { as | a ∈ R, s ∈ S}. p analog MS = { as | a ∈ M, s ∈ S}y
Wichtig ist die Regel
a2
a1
=
:⇐⇒ ∃s ∈ S mit s(s2 a1 − s1 a2 ) = 0.
s1
s2
Die Lokalisierung RS wird mit der üblichen Verknüpfung zu einem Ring. Die Elemente
sind alle invertierbar in RS (für alle s ∈ S) mit Inverse 1s .
s
1
2.7 Proposition. Sei N ein Untermodul des R-Moduls M.
a) NS ist ein Untermodul von MS .
b) Sei π : M → M/N der Quotientenhomomorphismus. Dann induziert πS einen Isomorphismus
∼
MS /NS → ( M/N )S .
Beweis. Nach Definition gilt
a
a
NS := { | a ∈ N, s ∈ S} ⊆ { | a ∈ M, s ∈ S}
s
s
und damit folgt a) leicht. Wir betrachten nun die Abbildung
πS : MS → ( M/N )S ,
a
π ( a)
7→
.
s
s
Nach 2.5 ist dies ein RS -Modulhomomorphismus. Wir zeigen, dass πS surjektiv ist. Sei
π ( a)
also y ∈ ( M/N )S , d.h. y = s für ein a ∈ M, s ∈ S (weil π surjektiv ist). Es folgt
πS ( as ) =
π ( a)
s
= y und damit ist πS surjektiv. Für
a
π ( a)
0
in ker(πS ) ⇐⇒
= in ( M/N )S
s
s
1
ker(π )= N
⇐⇒
a
s
∈ MS gilt:
Bruchrelation
⇐⇒
∃t ∈ S mit ta ∈ N
∃t in S mit t π ( a) = 0 ∈ M/N
Bruchrelation
⇐⇒
a
∈ NS .
s
a2
a
a
letzten Schritt: “=⇒” Sei ta ∈ N. =⇒ as = ta
ts ∈ NS . “⇐=” Sei s ∈ NS =⇒ s = s2 mit
a2 ∈ N, s2 ∈ S. ∃s3 ∈ S mit s3 (s2 a − sa2 ) = 0 =⇒ s3 s2 a = s3 sa2 ∈ N. Dann gilt t := s3 s2 ∈ S
und ta ∈ N Xy
Also gilt ker(πS ) = NS . Nach dem Homomorphiesatz folgt
p Zum
MS /NS = MS / ker(πS ) ∼
= πS ( MS ) = ( M/N )S .
2.8 Proposition. Es sei ϕ : N → M R-Modulhomomorphismus. Dann gilt:
a) ϕ injektiv =⇒ ϕS : NS → MS ,
a
s
7→
ϕ( a)
s ,
injektiv.
b) ϕ surjektiv =⇒ ϕS surjektiv.
c) ker( ϕS ) = ker( ϕ) S .
d) ϕ( N ) S = ϕS ( NS ).
Beweis. Ähnlich wie Proposition 2.7, siehe Serie 12, Aufgabe 2.
60
2. LOKALISIERUNG
2.9 Proposition. Die Abbildung
a
{ P Primideal in R| P ∩ S = ∅} → { P0 | Primideal in RS }, P 7→ PS = { ∈ RS | a ∈ P, s ∈ S}
s
ist bijektiv. Weiter gilt P ⊆ Q ⇐⇒ PS ⊆ QS für alle Primideale P, Q von R mit P ∩ S = ∅ =
Q ∩ S.
Beweis. Wir gehen zuerst ein bisschen allgemeiner vor und betrachten ein beliebiges
Ideal I
a
von R. Dann ist IS = { s | a ∈ I, s ∈ S} ein Ideal in RS siehe Proposition 2.7 a) . Umgekehrt
sei I 0 ein Ideal von RS . Dann definieren wir
j( I 0 ) := { a ∈ R|
a
∈ I 0 für ein s ∈ S}.
s
Es gilt für a ∈ R, s ∈ S :
a
a
∈ I 0 ⇐⇒ ∈ I 0
s
1
gilt as = 1s · 1a und weil 1s die Inverse von
Idealeigenschafty Es folgt aus (III.7)
p Es
s
1
j( I 0 ) = { a ∈ R|
(III.7)
ist, folgt die Behauptung sofort aus der
a
∈ I0}
1
(III.8)
Damit ist j( I 0 ) das Urbild von I 0 unter dem kanonischen Ringhomomorphismus λS : R →
RS , λ 7→ λ1 . Weil das Urbild eines Ideals unter einem Ringhomomorphismus wieder ein
Ideal ist, muss j( I 0 ) ein Ideal sein. Weiter gilt
j( I 0 )
S
a
a
a
a
a
= { ∈ RS | a ∈ j( I 0 )} = { ∈ RS | ∈ I 0 } = { ∈ RS | ∈ I 0 }.
s
1
s
(III.8) s
(III.7) s
und es folgt
j( I 0 )
S
= I0.
(III.9)
Es gilt für ein Ideal I 0 von RS
j( I 0 ) ∩ S 6= ∅ ⇐⇒ ∃s ∈ S mit
(III.8)
s
∈( RS )∗ 1
s
∈ I 0 1 ⇐⇒
∈ I 0 ⇐⇒ I 0 = RS
1
1
(III.10)
Nun sei P ein Primideal mit P ∩ S = ∅. Wir wollen für a ∈ R und s ∈ S folgendes zeigen:
a
∈ PS ⇐⇒ a ∈ P.
s
p “⇐=”
trivial. “=⇒” Sei
a
s
∈ PS . =⇒
a
s
=
b
t
(III.11)
Bruchrel.
für ein b ∈ P und t ∈ S. =⇒ ∃u ∈ S mit
u(ta − sb) = 0.
Wegen b ∈ P folgt uta = usb ∈ P. Weil ut ∈ S und P ∩ S = ∅, folgt a ∈ P, da P ein Primideal
ist.y
Folgendes zeigt, dass PS ein Primideal in RS ist:
p Es sei a · b ∈ P für a, b ∈ R, s, t ∈ S.
S
s t
a b
· ∈ PS ⇐⇒ ab ∈ P
s t
(III.11)
P Primideal
⇐⇒
(III.11)
a ∈ P oder b ∈ P ⇐⇒
a
b
∈ PS oder ∈ PS .
s
t
61
KAPITEL III. KOMMUTATIVE ALGEBRA
(III.11)
Wir hatten zu Beginn gesehen, dass PS ein Ideal ist. Weil 1 ∈
/ P =⇒ 11 ∈
/ PS , d.h. PS 6= RS .
Also ist PS ein Primideal.y
Als nächstes zeigen wir, dass j( P0 ) ein Primideal ist für jedes Primideal P0 von RS :
P0 Primideal
(III.8)
a
b
0
0
0
0
=⇒
∈ j( P0 ) =⇒ 1a · 1b ∈ P0
1 ∈ P oder 1 ∈ P =⇒ a ∈ j ( P ) oder b ∈ j ( P ).
0
0
Weiter hatten wir gesehen, dass j( P ) ein Ideal ist und wegen (III.10) folgt j( P ) 6= R, d.h.
j( P0 ) ist ein Primideal.y
Ebenso zeigt (III.10), dass j( P0 ) ∩ S = ∅. Wir können also die Abbildung j auf die
Primideale von RS einschränken und erhalten nach (III.9) ein Rechtsinverses zur Abbildung
P 7→ PS aus der Behauptung. Umgekehrt gilt
p ab
j( PS ) = { a ∈ R|
(III.8)
a
∈ PS } = P.
1
(III.11)
Somit induziert j auch ein Linksinverses. Also ist die Abbildung P 7→ PS bijektiv, weil
diese Abbildung wie auch ihre Inverse j inklusionserhaltend sind, folgt auch die letzte
Behauptung.
2.10 Beispiel. Wenn P ein Primideal in R ist, dann ist S : = R \ P ein multiplikatives
Submonoid von R (siehe 1.3). Dieser Fall ist in der algebraischen Geometrie zentral und
deshalb definieren wir R P := RS und nennen R P die Lokalisierung von R in P, obwohl
wir ja in S lokalisieren!
2.11 Definition. Ein kommutativer Ring R heißt lokaler Ring :⇐⇒ R hat genau ein Maximalideal m.
2.12 Lemma. Folgende Aussagen sind äquivalent für den kommutativen Ring R:
a) R ist ein lokaler Ring;
b) ∃ Ideal m 6= R so, dass R \ m ⊆ R∗ ;
c) ∃ Primideal P in einem kommutativen Ring Λ so, dass R ∼
= ΛP .
Beweis. a)=⇒b). Sei m das einzige Maximalideal des lokalen Rings R. Sei λ ∈ R \ m. Dann
gilt Rλ = R, sonst wäre das Ideal Rλ enthalten in einem Maximalideal (Algebra I, 3.5) und
damit in m . Also gibt es ein µ ∈ R mit µλ = 1, d.h. λ ∈ R∗ . Es folgt R \ m ⊆ R∗ und
damit b).
b)=⇒c) Wähle Λ = R und P = m. Wir zeigen, dass der kanonische Ringhomomorphismus
R → Rm , λ 7→ λ1 , ein Isomorphismus ist. Injektiv:
λ
Bruchrel.
s∈ R∗
= 0 ⇐⇒ ∃s ∈
/ m mit sλ = 0 ⇐⇒ λ = 0. X
1
Weiter sei λs ∈ Rm . Weil s ∈ R \ m nach Voraussetzung invertierbar ist in R =⇒ s−1 λ wird
−1
auf s 1 λ = λs abgebildet und damit ist der Homomorphismus auch surjektiv. Es folgt R ∼
= Rm
und damit c).
c)=⇒a) O.B.d.A. R = Λ p . Nach Proposition 2.8 gibt es eine bijektive Korrespondenz
zwischen den Primidealen Q0 von R = Λ p und den Primidealen Q von R mit Q ⊆ P. Weil
bei dieser Korrespondenz die Inklusionen erhalten bleiben, muss PP = PΛ P das einzige
Maximalideal von Λ P = R sein, d.h. R ist ein lokaler Ring. Das zeigt a).
62
3. GANZE ELEMENTE
3. Ganze Elemente
In Algebra I haben wir uns intensiv mit Elementen aus einer Körpererweiterung L/K befasst,
die algebraisch über K sind. (siehe Algebra I III.3) In diesem Abschnitt wollen wir die dort
gemachten Überlegungen auf die Situation von Ringen verallgemeinern. Es sei dezu E Ring
(kommutativ) und R ein Teilring von E (äquivalent dazu: E ist R-Algebra). Wir verlangen
ein Einselement, das bei E und R übereinstimmen muß.
3.1 Definition. α ∈ E heißt ganz über R :⇐⇒ ∃ normiertes Polynom f ( x ) ∈ R[ x ] mit
f (α) = 0.
3.2 Beispiel. Wenn E = L und R = K, dann ist α ganz über K ⇐⇒ α algebraisch über K.
3.3 Beispiel. Wenn E = Q und R = Z, dann ist α ganz über Z ⇐⇒ α ∈ Z.
p “⇐=”: x − α ∈ Z[ x ] X. “=⇒”: Es gilt f ( x ) = ( x − α ) · g ( x ) mit g ( x ) ∈ Q[ x ]. Nach einer
Folgerung aus dem Gauss-Lemma (Algebra I II.7.6) gilt x − α, g( x ) ∈ Z[ x ] also α ∈ Z.y
Wir in Algebra I (III.3.11) gibt es hier ein nützliches Kriterium:
3.4 Proposition. Sei α ∈ E. Dann sind äquivalent:
a) α ganz über R.
b) ∃ endlich erzeugten R-Untermodul M von E mit 1 ∈ M und αM ⊆ M.
Beweis. “=⇒” Sei α ganz über R. Dann existiert f ( x ) = x n + λn−1 x n−1 + . . . + λ0 ∈ R[ x ]
mit f (α) = 0, also
α n = − λ n −1 α n −1 − . . . − λ 0
(III.12)
Wir betrachten M := R · 1 + R · α + . . . + R · αn−1 . Wegen (III.12) folgt αM ⊆ M und damit
(b). (1 ∈ M X, endlich erzeugt X)
“⇐=” Sei M = R · β 1 + . . . + R · β n mit den Eigenschaften aus (b). Also gilt αβ i = ∑nj=1 aij β j
!
β1
.. :
mit aij ∈ R (weil αM ⊆ M). Sei A = ( aij ) ∈ Mn ( R). Dann gilt mit β =
.
βn
(α − A) · β = 0
(III.13)
Jetzt gilt für die adjungierte Matrix Adj(α − A) folgendes (siehe Algebra I, II.3.1)
Adj(α − A) · (α − A) = det(α − A) · 1n
(III.14)
Sei f ( x ) := det( x − A) ∈ R[ x ] das charakteristische Polynom von A. Wegen (III.14) und
(III.13) ist f ( x ) normiert und f (α) cot β i = 0 ∀i = 1, . . . , n. Weil β 1 , . . . , β n den Modul M
erzeugen, gilt f (α) · β = 0 ∀ β ∈ M. Aus 1 ∈ M folgt f (α) = 0, das heißt α ganz über R.
E
E
3.5 Theorem. Sei R := {α ∈ E| α ganz über R}. Dann ist R ein Teilring von E der R enthält.
Beweis. Dies folgt sofort aus Proposition 3.4 analog wie Theorem III.3.12 in Algebra I aus
dem Kriterium II.3.11 folgte.
E
3.6 Definition. R heißt der ganze Abschluss von R in E.
3.7 Theorem. Sei F eine E-Algebra. Dann gilt R
E
F
F
=R .
63
KAPITEL III. KOMMUTATIVE ALGEBRA
E
Beweis. “⊇” Xweil R ⊇ R.
E
“⊆” Sei γ ∈ F ganz über R (Ziel: ganz über R). Nach Proposition 3.4 genügt es zu zeigen,
dass γ in einen endlich erzeugten R-Modul M ⊆ F enthalten ist mit 1 ∈ M und γM ⊆ M.
E
E
Weil γ ganz über R ist, gibt es β d−1 , . . . , β 0 ∈ R mit
γ d + β d −1 γ d −1 + . . . + β 0 = 0
(III.15)
Für i = 0, . . . , d − 1 gibt es λij ∈ R mit
βdi i + λi(di −1) βdi −1 + . . . + λi0 = 0
(III.16)
E
da die β i ∈ · R , also ganz über R sind. Wir setzen
d −1 d −1 d i
M :=
∑∑ ∑
m =0 i =0 n i =0
n
d −1 m
Rβn0 0 · · · β d−
1γ
Dann ist M endlich erzeugt R-Untermodul von F mit 1 ∈ M. Um nun γM ⊆ M zu zeigen,
n d −1 m
genügt es γ · βn0 0 · · · β d−
1 γ ⊆ M zu beweisen. Das ist trivial für m < d − 1. Also o.B.d.A.
n d −1
m
m = d − 1. Dann folgt mit (III.15) das β i · βn0 0 · . . . · β d−
1 · γ ⊆ M für i = 0, . . . , d − 1 zu
zeigen ist. Dies folgt analog mit (III.16).
Wir wollen jetzt den Beweis des letzten Resultats aus II. 4.17 aus der Darstellungstheorie
nachholen.
3.8 Theorem. Sei T : G → EndC ( M ) eine irreduzible komplexe Darstellung der endlichen Gruppe
G auf den Vektorraum M. Dann gilt
dim( M ) | Ord( G )
Bemerkung: In Übungsaufgabe 10.1 haben wir dim( M) ≤ Ord( G ) gezeigt.
Beweis. Sei χ = Tr( T ) der Charakter von T. Wir beweisen zuerst das folgende Resultat, das
auch für nicht irreduzible Darstellungen gilt:
1.Schritt: χ( g) ist ganz über Z für alle g ∈ G.
p Die von g erzeugte Gruppe C : = h g i ist zyklisch und damit abelsch. Die Einschränkung
von T auf C liefert eine Darstellung von C auf M mit dem Charakter χ|C . Seien χ1 , . . . , χr
die Charakter einer vollständigen Liste von irreduziblen Darstellungen von C. Dann gilt
χ|C = ∑rj=1 m j χ j mit Multiplizitäten mi ∈ N0 siehe II. 4.13 (Existenz) und II. 4.14 (∈ N0 ) .
Weil C abelsch ist, muss χ j ein multiplikativer Homomorphismus sein. Es gilt gOrd( g) = e
und damit folgt:
χ j ( g)Ord( g) = χi ( gOrd( g) ) = χi (e) = 1.
Also sind χ j ( g) Einheitswurzeln in C und damit ganz über Z. y
Wir betrachten jetzt eine Klassenfunktion f : G → C und definieren wie im Beweis von
Theorem II. 4.11
c f := ∑ f ( g) · g ∈ C[ G ] und
g∈ G
Tc f :=
∑
f ( g) · Tg (Linksmultiplikation auf M mit c f ).
g∈ G
2.Schritt: Wenn T irreduzibel ist, dann ∃λ f ∈ C mit Tc f = λ f · id M .
p Die Abbildung f 7 → c ist ein additiver Isomorphismus von Raum der Klassenfunktionen
f
auf das Zentrum Z von C[ G ]. Für α ∈ C[ G ] und a ∈ M folgt also:
Tc f (αa) = c f · α · a = α · c f · a = αTc f ( a).
c f ∈Z
64
4. JACOBSON RADIKAL
Damit ist Tc f sogar ein C[ G ]-Modulhomomorphismen von M (mit II. 1.10a) ist Tc f also
G-äquivariant). Nach einer Folgerung aus dem Lemma von Schur (II. 2.3) folgt Tc f = λ f id M
für ein λ f ∈ C.y
3.Schritt: Die Abbildung c f 7→ λ f ist ein Homomorphismus vom Ring Z nach C.
p Sei c = c · c für alle a ∈ M:
g
h
f
λh · a = Tch ( a) = ch · a = c f · c g · a = Tc f Tcg ( a) = λ f · λ g · a
wie gewünscht. (Additiv X; 1 7→ 1 X) y
4.Schritt: Falls f : G → Z eine ganzzahlige Klassenfunktion, dann ist λ f ganz über Z.
p Offensichtlich ist c im Teilring R : = {
∈ Z} von Z. Weil R eine
∑ g∈ G n g · g ∈ Z | n g L
f
Untergruppe der endlich erzeugten abelschen Gruppe Z[ G ] = g∈G Zg bgzl. + ist, muss
( R, +) auch eine endlich erzeugte abelsche Grupppe sein (I. 3.6, I. 3.9). Nach dem 3.Schritt
ist R0 := {λ f ∈ C| c f ∈ R} ein Teilring von C und als Bild von R auch endlich erzeugt als
Z-Modul. Nach Proposition 3.4 ist λ f wie auch jedes andere Element aus R0 ganz über Z.y
5.Schritt: n := dim( M ) und χ der Charakter von T. Dann ist n1 ∑ g∈G f ( g)χ( g) ganz über Z.
p nλ = Tr( λ id ) = Tr( T ) =
∑ g∈G f ( g)χ( g) und mit Schritt 4 folgt die Behauptung.y
cf
M
f
f
1
6.Schritt: n ∑ g∈G χ( g)χ( g) ist ganz über Z.
p Es gilt:
1
1
χ( g)χ( g) =
χ( g)χ( g)
∑
∑
n g∈ G
n g∑
∈K
K⊆G
K Konj.Klass.
Weil nun χ eine Klassenfunktion ist (II. 4.10) kann man χ(K ) := χ( g) setzen. Für eine
charakteristische Funktion 1K wie K folgt:
1
n
1
∑ χ ( g ) χ ( g ) = ∑ χ ( K ) n ∑ χ ( g ) · 1K ( g )
g∈ G
g∈ G
K
Nach dem 5.Schritt ist ∑ g∈G χ( g) · 1K ( g) ganz über Z. Aus dem 1.Schritt folgt sofort, dass
C
χ( g) ganz über Z ist. Weil Z ein Ring ist, folgt der 6.Schritt.y
7.Schritt: n | Ord( G ) g
p
|G|
n
Weil
|G|
n
3.3
∈ Q =⇒
|G|
n
I I. 4.16
=
|G|
1
hχ, χi =
n
n
∑ χ ( g ) χ ( g ).
g∈ G
∈ Z.y
4. Jacobson Radikal
In diesem Abschnitt ist R ein Ring (mit Eins), der nicht notwendigerweise kommutativ
sein muss. Wir werden das Thema der halbeinfachen Ringe aus I. 8 wieder aufnehmen
und fortführen. Dazu definieren wir das Jacobson-Radikal. Im Fall von kommutativen
artinschen Ringen werden wir sehen, dass das Jacobson-Radikal mit dem Radikal aus III. 1
übereinstimmt. Im Allgemeinen sind die Begriffe jedoch verschieden.
4.1 Definition. Das Jacobson-Radikal von R ist definiert als
Rad( R) :=
\
L.
L max.
Linksid.
4.2 Definition. Für einen R-Modul M definieren wir den Annulator
Ann( M) = {λ ∈ R| λ · a = 0 ∀ a ∈ M }
65
KAPITEL III. KOMMUTATIVE ALGEBRA
Bemerkung: Es ist leicht zu sehen, dass Ann( M ) ein 2-seitiges Ideal ist.
4.3 Proposition.
Rad( R) =
\
Ann( M)
M einfacher
R-Modul
Beweis. Sei M ein einfacher R-Modul und a ∈ M \ {0}. Dann gilt: R · a = M (I. 4.4) und
aus dem Homomorphiesatz (I. 2.5) folgt:
M∼
= R/L
(III.17)
für ein Linksideal L von R. Weil M einfach ist, muss L ein maximales Linksideal sein.
(Proposition I. 4.3) Umgekehrt ist R/L für ein maximales Linksideal L von R einfach (I. 4.3)
=⇒
(III.17)
\
Ann( M) =
\
Ann(
L max.
Linksideal
M einfach
R/L
|{z}
Schiefkörper
also nullteilerfrei
)=
\
L
Def. 4.1
=
Rad( R)
L max.
Linksideal
4.4 Korollar. Rad( R) ist ein 2-seitiges Ideal
Beweis. Weil Ann( M) ein 2-seitiges Ideal ist und der Durchschnitt von 2-seitigen Idealen
wieder ein 2-seitiges Ideal ist, folgt mit Proposition 4.3 die Behauptung.
4.5 Proposition. Rad R/ Rad( R) = 0.
Beweis. Weil Rad( R) ein 2-seitiges Ideal ist, macht R := R/ Rad( R) als Ring einen Sinn
(Übung 1.4). Es gibt eine Bijektion
{ L Linksideal von R} ←→ { L Linksideal von R mit L ⊇ Rad( R)}
gegeben durch L 7→ π −1 ( L), wobei π : R → R der Quotientenhomomorphismus ist (siehe
Beweis Proposition I. 4.3). Die Umkehrabbildung ist L 7→ π ( L). Beachte das die Abbildungen
die Inklusion von Idealen erhält. Damit entsprechen die maximalen Linksideale von R unter
dieser Bijektion den maximalen Linksidealen L von R mit L ⊇ Rad( R). Nach Definition
von Rad( R) gilt aber L ⊇ Rad( R) für alle maximalen Linksideale L von R. Für jedes
maximales Linksideal L gilt somit, dass π ( L) ein maximales Linksideal von R ist und damit
π −1 π ( L) = L. Sei jetzt a ∈ Rad( R). Dann existiert a ∈ R mit a = π ( a). Für jedes maximale
Linksideal L von R folgt π ( a) ∈ π ( L). da π ( a) ∈ Rad( R) und π ( L) maximales Linksideal
=⇒ a ∈ π −1 π ( L) = L.
Also gilt a ∈
T
L max. Li.-Id.
L = Rad( R)
=⇒ a = π ( a) = 0, das heißt Rad( R) = 0.
4.6 Lemma (Lemma von Nakayama). Voraussetzung: M endlich erzeugter R-Modul mit
Rad( R) · M = M.
Behauptung: M = 0.
66
4. JACOBSON RADIKAL
Beweis(indirekt). Sei M 6= 0. Es gibt ein minimales m ∈ N so, dass M von m Elementen
x1 , . . . , xm erzeugt wird. Für jedes x ∈ M folgt wegen Rad( R) · M = M, dass λi ∈ Rad( R)
(i = 1, . . . , n) und ai ∈ M existieren mit x = λ1 a1 + . . . + λn an . Weiter gilt ai = ∑m
j=1 λij x j
(mit λij ∈ R) und damit:
!
n
x=
n
m
m
n
j =1
i =1
∑ λi ai = ∑ ∑ λi λij x j = ∑ ∑ λi λij
i =1
i =1 j =1
xj.
Weil Rad( R) ein 2-seitiges Ideal ist (siehe 4.4) folgt x ∈ Rad( R) x1 + . . . + Rad( R) xm . Wende
dieses nun für x = xm an. Dann gibt es µ1 , . . . , µm ∈ Rad( R) mit xm = µ1 x1 + . . . + µm xm
=⇒ (1 − µm ) xm = µ1 x1 + . . . + µm−1 xm−1 .
Aus dem folgenden Lemma folgt, dass 1 − µm invertierbar ist in R. Somit ist xm in Rx1 +
. . . + Rxm−1 enthalten. Im Widerspruch zur minimalen Wahl von m.
4.7 Lemma. Falls µ ∈ Rad( R), dann ist 1 − µ invertierbar in R.
Beweis. 1.Schritt: R(1 − µ) = R.
p Würde R (1 − µ ) $ R gelten, dann würde es ein maximales Linksideal L von R geben
mit R(1 − µ) ⊆ L (Lemma I. 4.6) =⇒ 1 = (1 − µ) + µ ∈ L + Rad( R) ⊆ L .
2.Schritt: Die Behauptung.
p Nach dem 1.Schritt ∃ λ ∈ R mit λ (1 − µ ) = 1 =⇒ ξ : = 1 − λ = − λµ ∈ Rad( R ). Wieder
nach den 1.Schritt ∃λ0 ∈ R mit 1 = λ0 (1 − ξ ) = λ0 · λ. Damit hat λ ein Linksinverses λ0 und
ein Rechtsinverses 1 − µ. Dann folgt 1 − µ = λ0 , weil
1 − µ = (λ0 λ)(1 − µ) = λ0 λ(1 − µ) = λ0
Also sind λ und 1 − µ invers zueinander.
4.8 Definition. Ein Linksideal I von R heißt nilpotent :⇐⇒ ∃n ∈ N : I n = 0.
4.9 Lemma. Sei I ein nilpotentes Linksideal von P. Dann gilt I ⊆ Rad( R).
Beweis(indirekt). Wenn I * Rad( R), dann gibt es ein maximales Linksideal L von R mit
I * L. Deshalb gilt L * I + L. Weil L maximal ist folgt I + L = R. Also existieren λ ∈ L und
µ ∈ I mit 1 = λ + µ. Weil I nilpotent ist ∃n ∈ N mit µn = 0. Nach der geometrischen Reihe
ist 1 − µ invertierbar mit Inverse 1 + µ + . . . + µn−1 .
=⇒ 1 = (1 − µ)−1 (1 − µ) = (1 − µ) · λ ∈ L .
4.10 Definition. Ein Ring heißt artinsch :⇐⇒ Jede echt absteigende Kette I1 % I2 $ . . . von
2-seitigen Idealen ist endlich.
4.11 Theorem. Falls R ein artinscher Ring ist, dann ist Rad( R) das größte zweiseitige nilpotente
Ideal.
Beweis. Wir erhalten eine absteigende Kette Rad( R) ⊇ Rad( R)2 ⊇ Rad( R)3 ⊇ . . . von
zweiseitigen Idealen. Weil aber R ein artinscher Ring ist bricht die Kette ab. Es existiert also
ein n ∈ N:
J := Rad( R)n = Rad( R)n+1 = . . .
(III.18)
Wir nehmen an, dass J 6= 0 und wollen ein Widerspruch.
67
KAPITEL III. KOMMUTATIVE ALGEBRA
Wegen J 6= 0 gibt es ein Linksideal L von R mit J · L 6= 0 (z.B. L = R). Weil R artinsch ist,
gibt es unter diesen Linksidealen ein minimales Element Lmin . Es gilt:
(III.18)
J · (Rad( R) · Lmin ) = J · Rad( R) · Lmin = J · Lmin 6= 0.
Aufgrund der Minimalität von Lmin und Rad( R) · Lmin ⊆ Lmin (Lmin Ideal) folgt
Rad( R) Lmin = Lmin .
Behauptung: Lmin endlich erzeugt.
p Annahme: ∃ x ∈ L
min mit J · x 6 = 0. Also folgt: J · R · x 6 = 0. Wegen R · x ⊆ Lmin folgt
R · x = Lmin . Wieder aufgrund der Minimalität von Lmin : Also ist Lmin von einen Element
erzeugt.y
Jetzt folgt mit dem Lemma von Nakayama Lmin = 0. Widerspruch zu J · Lmin 6= 0. Dies
zeigt, dass Rad( R) nilpotent ist.
Wegen Lemma 4.9 ist jedes nilpotente (zweiseitige) Ideal im Rad( R) enthalten und damit
folgt die Behauptung.
√
4.12 Korollar. Falls R ein kommutativer artinscher Ring ist, dann gilt Rad( R) = 0 = {λ ∈
R| λn = 0 für ein n ∈ N}.
√
Beweis. Nach Theorem 1.7 ist 0 ein Ideal. Jedes Element dieses Ideals
√ ist nilpotent und
damit können wir analog zum Beweis von Lemma 4.9 zeigen, dass 0 ⊆ Rad( R). Die
Umkehrung folgt aus Theorem 4.11.
4.13 Proposition. Voraussetzung: R = R1 × . . . × Rr . Behauptung: Rad( R) = Rad( R1 ) ×
. . . × Rad( Rr ).
Beweis. Für I ⊆ R gilt folgendes, weil die Operationen komponentenweise erfolgen:
I Linksideal in R ⇐⇒ ∃ Ij Linksideal in R j mit I = I1 × . . . × Ir .
Deshalb gilt:
I maximal Ideal ⇐⇒ I = R1 × . . . R j−1 × L j × R j+1 × . . . × Rr
mit L j maximal Linksideal von R j . Durch Bildung des Durchschnitts folgt sofort die Behauptung.
4.14 Theorem. Sei R ein beliebiger Ring. Dann ist R genau dann ein halbeinfacher Ring, wenn R
ein linksartinscher Ring ist mit Rad( R) = 0.
Beweis. “=⇒” Sei R halbeinfacher Ring. Nach Theorem I. 8.7 gilt
R = R1 × . . . × Rr
(III.19)
für einfache Ringe R j . Nach Theorem I. 8.8 ist R j direkte Summe von einfachen Linksidealen.
Da einfache Moduln artinsch sind und da die endlich direkte Summe von artinschen Moduln
wieder artinsch ist (Aufgabe 3.3), folgt damit, dass R linksartinsch ist. Weil Rad( R j ) ein
zweiseitiges Ideal von R j ist, das ungleich R j ist, und weil R j ein einfacher Ring ist, muss
Rad( R j ) = 0 gelten. Mit Proposition 4.13 folgt
Rad( R) = Rad( R1 ) × . . . × Rad( Rr ) = 0.
68
4. JACOBSON RADIKAL
“⇐=” Wir betrachten die Menge S := { L1 ∩ . . . ∩ Lr | r ∈ N, alle L j maximale Linksideale}.
Es gilt S 6= ∅, weil es maximale Linksideale gibt (Lemma 4.6). Weil wir R als linksartinsch
voraussetzen, muss S ein minimales Element L1 ∩ . . . ∩ Lr haben. Aus der Minimalität folgt
L ∩ L1 ∩ . . . ∩ Lr = L1 ∩ . . . ∩ Lr
für jedes maximale Linksideal L. Also gilt
L1 ∩ . . . ∩ Lr = Rad( R) = 0
nach unserer Voraussetzung Rad( R) = 0. Wir betrachten den Modulhomomorphismus
ϕ: R→
r
M
( R/L j ), a 7→ ( a mod L j ) j=1,...,r .
j =1
Es gilt ker( ϕ) = L1 ∩ . . . ∩ Lr = 0. Also ist ϕ injektiv und damit ist R als Linksmodul
L
isomorph zu einem Untermodul von rj=1 ( R/L j ). Nach Proposition I. 4.3 und weil L j ein
L
maximales Linksideal ist, muss R/L j ein einfacher R-Modul sein. Es folgt, dass rj=1 ( R/L j )
ein halbeinfacher Modul ist. Nach dem Theorem I. 4.12 und dem ersten Schritt in seinem
Beweis ist jeder Untermodul eines halbeinfachen Moduls wieder halbeinfach. Also ist R ein
halbeinfacher Ring.
4.15 Theorem. R linksartinsch =⇒ R linksnoethersch.
Beweis. Sei J := Rad( R). Nach Theorem 4.11 ∃n ∈ N mit J n = 0. Wir erhalten eine
absteigende Folge
R ⊃ J ⊃ J 2 ⊃ . . . ⊃ J n = 0,
(III.20)
von 2-seitigen Idealen. Wenn wir n minimal wählen, dann ist die Kette echt absteigend.
Wenn wir J 0 := R setzen, dann erhalten wir eine Folge Mi := J i /J i+1 (i = 0, . . . , n − 1) von
R-Linksmoduln. Offenbar gilt
J · Mi = 0
für alle i = 0, . . . , n − 1. Also kann man Mi auch als R := R/J-Modul betrachten. Wegen
Proposition 4.5 gilt
Rad( R) = Rad R/ Rad( R) = 0.
Nach Proposition I. 3.8 ist R auch linksartinsch. Aus Theorem 4.14 folgt, dass R ein halbeinfacher Ring ist. Mit Theorem I. 8.11 folgt, dass jeder R-Modul halbeinfach ist. Insbesondere
ist Mi halbeinfach. Nach Proposition I. 3.8 ist J 0 linksartinsch und damit auch Mi = J i /J i+1
(wieder Proposition I. 3.8). Als linksartinscher halbeinfacher R-Modul muss
Mi =
ni
M
N ij ,
j =1
gelten für einfache R-Moduln N ij . Also erhalten wir die Kompositionsreihe
Mi0 := Mi ⊃ Mi1 :=
ni
M
j =2
N ij ⊃ Mi2 :=
ni
M
N ij ⊃ . . . ⊃ Mi,ni −1 := N ini ⊃ Mini = 0 (III.21)
j =3
mit den Faktoren Mij /Mi,j+1 ∼
= N i,j+1 . Weil die Faktoren einfach sind, muss es eine Kompositionsreihe sein. Wenn wir die Urbilder der Kette (III.21) unter der Quotientenabbildung
πi : J i → Mi := J i /J i+1 betrachten, erhalten wir eine Kette
J 0 ⊃ Mi1 := πi−1 ( Mi1 ) ⊃ . . . ⊃ Mi,ni −1 := πi−1 ( Mi,ni −1 ) ⊃ Mi,ni = πi−1 (0) = J i+1 .
(III.22)
69
KAPITEL III. KOMMUTATIVE ALGEBRA
Nach dem 2.Isomorphiesatz gilt
Mij /Mi,j+1 ∼
= Ni,j+1 .
= Mij /Mi,j+1 ∼
Weil Ni,j+1 einfacher R-Modul ist, muss Ni,j+1 auch ein einfacher R-Modul sein (trivial).
Nach Proposition I. 4.3 kann (III.22) keine echte Verfeinerung als Idealkette haben. Durch
Einfügen von (III.22) in (III.20) erhalten wir eine Kompositionsreihe von R. Nach Aufgabe
3.4 ist R linksnoethersch.
4.16 Lemma. Sei R ein kommutativer Ring.
a) Für α ∈ R bezeichne Tα : R → R, λ 7→ α · λ, die Multiplikation mit α. Dann ist Tα ein
Endomorphismus von R als R-Modul.
b) Wir bezeichnen mit EndR ( R) den Ring der R-Modulendomorphismen von R. Dann ist die
Abbildung Φ : R → EndR ( R), α 7→ Tα , ein Ringisomorphismus.
Beweis. Der Beweis benutzt die Kommutativität und ist einfach (. . .).
4.17 Ein beliebiger Ring R heißt lokal, wenn R \ R∗ ein Maximalideal ist. Dies stimmt im
kommutativen Fall mit der alten Definition 2.10 überein (siehe Lemma 2.11).
4.18 Lemma. Sei R ein beliebiger Ring und M ein unzerlegbarer artinscher und noetherscher
R-Modul. Dann ist EndR ( M) ein lokaler Ring mit nilpotentem Maximalideal R \ R∗ .
Beweis. Folgt aus Proposition I. 5.10.
4.19 Theorem. Sei R ein kommmutativer artinscher Ring. Dann gibt es Ideale R1 , . . . , Rs von R,
die eindeutig bestimmt sind durch die beiden folgenden Eigenschaften:
a) Ri ist ein artinscher lokaler Ring bzgl. den von R induzierten +, · ∀i = 1, . . . , s.
b) R = R1 × . . . × Rs als inneres direktes Produkt von Ringen.
Beweis. Nach Theorem 4.15 ist R auch ein noetherscher Ring. Wir betrachten R als R-Linksmodul. Weil er artinsch und noethersch ist, hat er eine Zerlegung
R = R1 ⊕ . . . ⊕ R s
(III.23)
in unzerlegbare Untermoduln R1 , . . . , Rs nach Theorem I. 5.8. Die Multiplikation geschieht
dabei komponentenweise:
p Sei a = a + . . . + a und b = b + . . . + b mit a , b ∈ R . Für i 6 = j gilt R ∩ R = 0 und
s
s
1
1
i i
i
i
j
damit ai · b j ∈ Ri ∩ R j = 0. Also folgt
s
a·b =
∑
i,j=1
s
ai b j =
∑ ai bi .y
i =1
Sei 1 = e1 + . . . + es die Zerlegung von 1 in (III.23), d.h. ei ∈ Ri . Nach obigen gilt für ai ∈ Ri
a i = 1 · a i = ( e1 + . . . + e s ) a i = e1 a i + . . . + e s a i = e i a i .
Also ist Ri ein Ring mit Einselement ei . Dies beweist b). Als Ideal in einem artinschen Ring
muss Ri auch ein artinscher Ring sein. Nach Lemma 4.16 gilt
b)
Ri ∼
= EndRi ( Ri ) = EndR ( Ri ).
(III.24)
Wir haben schon gesehen, dass Ri ein unzerlegbarer artinscher und noetherscher R-Modul
ist. Nach Lemma 4.18 folgt, dass EndR ( Ri ) ein lokaler Ring ist mit nilpotentem Maximalideal.
Aus (III.24) folgt somit a).
Die Eindeutigkeit der Zerlegung ist nicht schwer (siehe [Ja, Beweis von Theorem 7.15]).
70
4. JACOBSON RADIKAL
4.20 Korollar. Sei R ein kommutativer Ring ohne nilpotente Elemente. Dann sind folgende Aussagen
äquivalent:
a) R ist ein artinscher Ring.
b) R ∼
= K1 × . . . Kr für Körper K1 , . . . , Kr .
Beweis. “=⇒” Nach Theorem 4.19 gilt R ∼
= R1 × . . . × Rr für artinsche lokale Ringe Ri mit
Maximalideal mi . Weil mi nilpotent ist (Theorem 4.11) =⇒ mi = 0. Mit 2.12 folgt, dass Ri ein
Körper ist.
“⇐=” Als Körper ist Ki ein artinscher Ring =⇒ Ki artinscher R-Modul. Mit Aufgabe 3.3.
folgt, dass R ∼
= K1 ⊕ . . . ⊕ Kr artinscher R-Modul ist. Wegen der Kommutativität ist R ein
artinscher Ring.
71
KAPITEL III. KOMMUTATIVE ALGEBRA
72
Index
G-äquivariant, 35
G-invariant, 35
R- Algebra, 31
äquivalent, 35
2-setitiges Ideal, 15
Algebra, 34
Gruppenalgebra, 33
alternierende Gruppe, 53
Annulator, 17, 65
artinsch, 7, 67
linksartinsch, 7
Basis, 5
Basiswechsel, 31
Charakter, 39
regulär, 42
Charaktertafel, 49
Darstellung, 34
direkte Summe, 35
regulär, 40
reguläre, 38
direkte Produkt, 4
direkte Summe, 4
Elementarteiler, 20
Elementarteilersatz, 20
Erzeugendensystem, 5
Faktor, 9
Fitting-Lemma, 14
Fourierkoeffizient, 46
ganz, 63
ganze Abschluss, 63
Homomorphiesatz, 4
Ideal
einfach, 22
isomorph, 22
Inhalt, 18
innere direkte Summe, 4
irreduzibel, 35
Isomorphiesätze
1.Isomorphiesatz, 5
2.Isomrophiesatz, 5
Jacobson-Radikal, 65
Jordan-Hölder Theorem, 9
Kern, 2
Klassenfunktion, 45
Komplementmodul, 10
Kompositionsreihe, 9
Konjugationsklasse, 45
konjugiert, 45
Kroneckerprodukt, 47
Krull, 58
Krull-Schmidt-Theorem, 15
Länge, 9
Lemma von Nakayama, 66
Lemma von Schur, 10, 36
linear unabhängig, 5
Linksideal, 1
Linksinverse, 16
lokaler Ring, 62
Lokalisierung, 58
Maximalideal, 15
Modul, 1
einfach, 9
flach, 31
frei, 6
halbeinfach, 11
Modulhomomorphismus, 2
Modulisomorphismus, 2
multiplikatives Submonoid, 57
nicht dividierbar, 19
nilpoten, 67
noethersch, 7
linksnoethersch, 7
Orthogonalitätsrelationen, 44
Primideal, 57
Quotientenmodul, 2
73
Index
R-Linearkombination, 5
R-Linksmodul, 1
R-Rechtsmodul, 1
Radikal, 58
Rang, 6, 17, 18
Rechtsideal, 1
Rechtsinverse, 16
Reihe, 9
Ring
einfach, 21
halbeinfach, 21
linkseinfach, 21
lokal, 70
Summe, 4
Tensorprodukt, 28
Theorem von Maschke, 37
Torsionselement, 17
Torsionsmodul, 17
unitär, 42
universelle Eigenschaft, 3
Untermodul, 1
Verfeinerung, 9
Verfeinerungssatz von Schreier, 9
vollreduzibel, 35
Zassenhaus-Lemma, 8
Zentrum, 45
zerlegbar, 13
unzerlegbar, 13
74
Literaturverzeichnis
[Ar] M. Artin: Algebra (aus dem Englischen übersetzt von Annette A’ Campo). Basel:
Birkhäuser (1998).
[Ba] V. Batyrev, Kommutative Algebra. Vorlesungsskript: Tübingen SS 2009.
[Bo] N. Bourbaki: Élements de Mathematique. Algebra. Hermann oder Springer.
[Cu] C. Curtis, I. Reiner: Representation theory of finite groups and associative algebras.
Reprint of the 1962 original. Providence, RI: AMS Chelsea Publishing (2006).
[Ja]
N. Jacobson: Basic Algebra II. 2. Auflage. New York: Freeman and Company (1989).
[La] S. Lang: Algebra. Graduate Texts in Mathematics 211. Springer (2002).
[Ma] H. Matsumura, Commutative Algebra. Benjamin (1970).
[Wu] G. Wüstholz: Algebra. Wiesbaden: Vieweg Studium (2004).
[At] M.F. Atiyah, I.G. Mac Donald, Introduction to Commutative Algebra. Addison–Wesley
(1969).
75
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