Neuropsychologische Defizite schizoaffektiver Patienten im Stadium

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Diskussion
5.1
Interpretation der Ergebnisse im Literaturvergleich
Die vorliegende Arbeit will unter Bezugnahme auf die aktuelle Diskussion über die
Rolle der schizoaffektiven Störung zum einen allgemeine Erkenntnisse über die
neurokognitive Leistungsfähigkeit dieser Patientengruppe in der alltagsrelevanten
Phase der Remission gewinnen, zum anderen klären, ob die Abgrenzbarkeit
insbesondere zu anderen Erkrankungen des psychotischen Kontinuums überhaupt
gegeben ist. Ferner sollten Aussagen über das Funktionieren im Alltag und der
Gesellschaft anhand der Testergebnisse möglich sein.
In der vorliegenden Studie wiesen die getesteten schizoaffektiven Patienten im
remittierten Zustand deutliche kognitive Defizite in sämtlichen
kognitionspsychologisch relevanten Teilbereichen auf.
Der Intelligenzquotient, welcher über den MWT-B ermittelt wurde, wies keine
signifikanten Differenzen im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe (repräsentativ für
die Allgemeinbevölkerung) auf. Anzumerken ist, dass der in der vorliegenden
Untersuchung verwandte IQ-Test den Intelligenzquotienten ausschließlich über den
Wortschatz ermittelt, wobei teils recht antiquierte Vokabeln abgefragt werden. Da die
Wortlisten von 1956 stammen, hatten Probanden mit Migrationshintergrund sowie
jüngere Testpersonen deutliche Schwierigkeiten bei der Beurteilung einiger
Aufgaben, zumal die Normierung des Tests an deutschen Probanden vorgenommen
worden war. Somit ist die statistisch nicht signifikant abweichende Leistung beim
MWT-B tendenziell stärker einzuschätzen als tatsächlich ausgefallen.
Bei der Auswertung des VLMT fielen in Bezug auf alle Teilaspekte des Tests
(Gesamtlernleistung, Abrufleistung, Verlust nach zeitlicher Verzögerung, korrigierte
Wiedererkennensleistung) deutlich ausgeprägte Einschränkungen der
schizoaffektiven Patienten im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe auf. Da der
VLMT einen spezifischen Bereich des Gedächtnisses, nämlich das verbale,
deklarative episodische Gedächtnis erfasst, ist ein Defizit in diesem Test besonders
alltagsrelevant für den Probanden, da das aktive Teilnehmen am Tagesgeschehen
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das kurz- und mittelfristige Behalten von Informationen von geringer bis mittlerer
Komplexität (z. B. im Rahmen einer Unterhaltung) erfordert. Im wesentlichen lässt
sich der VLMT in drei getestete Faktoren zerlegen: Das Lernen bzw. die
Datenakquisition, die Konsolidierung des Lernstoffes ins Langzeitgedächtnis sowie
die Wiedererkennensleistung. Die getesteten schizoaffektiven Probanden schnitten
in allen drei Einzelschritten der Faktorenanalyse signifikant schlechter ab als die
gematchte Kontrollgruppe. Dennoch sollte eine klinische Interpretation mit Vorsicht
geschehen, da die Herausgeber auf voreilige Überinterpretationen des VLMT in
Bezug auf Alltagssituationen im WMS-R-Manual hinweisen (Härting et al., 2000). Am
ehesten kann das schlechte Abschneiden der Probanden wohl durch eine allgemein
geringere verbale mnestische Kapazität und Lernfähigkeit schizoaffektiver Patienten
erklärt werden – interessant wären hier weiterführende bildgebende Untersuchungen
der entsprechenden zentralnervösen Strukturen sowie ein Vergleich mit nicht
remittierten Probanden, auch in Hinblick auf die Medikation zum Testzeitpunkt.
Im Trail Making Test, welcher Aussagekraft betreffs das visuelle Suchen, das
Beurteilen, die Bearbeitungsgeschwindigkeit sowie die kognitive Flexibilität und auch
über exekutive Funktionen besitzt (Tombaugh, 2004), fielen deutlich schwächere
Leistungen der getesteten remittierten schizoaffektiven Probanden im Vergleich zur
gematchten Kontrollgruppe auf, ebenso wie beim d2-AufmerksamkeitsBelastungstest, welcher in punkto Konzentration und Arbeitssorgfalt massive Defizite
nahezu aller Testpersonen offenbarte. Auch war die Mehrzahl (68,75%) der
Testungen auf Proaktive Interferenz ebenso pathologisch wie das Neutrale
Gedächtnis. Wie sind nun diese auffälligen Schwächen zu erklären? Es stellt sich die
Frage nach dem morphologischen Korrelat, die existentielle Frage der Diagnose
„schizoaffektiv“. Gehört die Krankheit in den Umkreis der Schizophrenie, worauf die
Ähnlichkeit der kognitiven Defizite hindeutet, da mit ihrem Nachweis schizophrene
Kernkriterien als hinreichend erfüllt gelten, so stellt sich die Frage der besonderen
Verquickung mit dem anderen Pol, dem Affekt. Hierzu vorliegende Studien winden
sich um dieselbe Frage und suchen Antwortmöglichkeiten in iatrogen induzierten
Bedingungen wie der Medikation, familiären Häufungen oder in der Problematik der
starren Klassifikationen medizinischer Codierungssysteme (Evans et al., 1999;
Kendler et al., 1995).
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Doch weist die Literatur verschiedene Ansätze auf: Glahn et al. sehen Möglichkeiten
zur Differenzierung anhand verschiedener neuropsychologischer Profile und zeigen
qualitative und quantitative Unterschiede z. B. betreffs des Arbeitsgedächtnisses
zwischen bipolaren und schizoaffektiven bzw. schizophrenen Patienten auf (Glahn et
al, 2006). Aufgrund des kontrovers diskutierten diagnostischen Status der
schizoaffektiven Störung kann dies – wie auch die vorliegende Arbeit zeigt – ein
wichtiges diagnostisches Utensil darstellen. Gerade die Abgrenzung zur bipolaren
Erkrankung, zu dessen neuropsychologischem Charakter bereits Metaanalysen
vorliegen (Robinson et al., 2006), kann hierdurch erleichtert werden.
Zum anderen, vermeintlich näheren Pol, der Schizophrenie hin, ist in einer aktuellen
Untersuchung die schizoaffektive Störung bereits unscharf abgrenzbar. Heinrichs et
al. wiesen nach, dass schizophrene im Gegensatz zu schizoaffektiven Patienten eine
klare neuropsychologische Profilierung aufweisen (Heinrichs et al., 2007) Letztere
konnten nur zu einem Drittel eindeutig klassifiziert werden – ein weiterer Beleg für die
breit facettierte neurokognitive Ausprägung dieses Krankheitsbildes.
Soweit nun zu den Defiziten, doch fielen in zwei Untersuchungen kaum Unterschiede
zur gesunden Kontrollgruppe auf: Das auditive und visuelle Kurzzeitgedächtnis
(Zahlen- bzw. Blockspanne) sowie das Emotionale Gedächtnis (Calabrese-Inventar)
waren bei den schizoaffektiven Probanden nicht signifikant beeinträchtigt.
Offensichtlich bleiben Kurzzeitgedächtnis und emotionales Gedächtnis also von den
Einschränkungen, welche sich bis hierher weitgehend mit schizophrenen Symptomen
decken, weitgehend verschont. Eine mögliche Erklärung für letzteres ist in einer
engen Verschränkung zwischen Affekt bzw. emotionaler Lage und kognitivmnestischer Leistung zu sehen. Die paradigmatischen Grenzen zwischen Kognition
und Emotion verschwimmen angesichts der Tatsache, dass mit Gefühlen verknüpfte
Inhalte stets besser memoriert werden; dies ist vor dem eher funktionellneuroanatomischen Hintergrund des limbischen Systems paradox, sind Emotion und
Kognition doch per se gar keine getrennten Entitäten (Markowitsch 1994; LeDoux,
1994).
Mögliche morphologische Korrelate sind in Fehlfunktionen insbesondere des
anterioren Cingulums als Teil des limbischen Systems sowie des präfrontalen Kortex
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zu suchen, da diese Hirnregionen nach heutigem Kenntnisstand am ehesten die
getesteten Funktionen steuern.
Auffällig war in der vorliegenden Studie vor allem ein Detail: Stellenweise waren
Probanden, welche in der Vorgeschichte Cannabis konsumiert hatten, in einigen
Teilen der Testbatterie, insbesondere den VLMT betreffend, signifikant
leistungsfähiger im Vergleich zu den anderen schizoaffektiven Probanden, jedoch
nicht über dem Niveau der gesunden Kontrollgruppe. Dies korrelierte nicht mit dem
Bildungsgrad.
Dass Cannabiskonsumenten in Bezug auf Merkfähigkeit bzw. in
neuropsychologischen Tests besser abschneiden, führt eine hierzu an
schizophrenen Patienten durchgeführte Studie auf verbesserte kognitive Funktionen
bei Cannabiskonsum zurück (Coulston et al., 2007). Andere Ergebnisse sprechen für
gemischte Effekte; teils bessere, teils aber auch deutlich schwächere Leistungen
durch Einflüsse u. a. auf den Cortex cingularis anterior und den Hippocampus
(Solowij et al., 2007). Somit spricht die in der vorliegenden Studie gezeigte
Leistungsverbesserung im Anteil der Cannabiskonsumenten für eine grössere Nähe
der schizoaffektiven Erkrankung zum schizophrenen Spektrum.
Fraglich ist jedoch, ob Unbedenklichkeit bezüglich der kognitiven Leistungen
schizoaffektiver Patienten bei Konsum dieser Droge angebracht ist; ist Cannabis
doch mehr als verdächtig, Auslöser bzw. Triggerfaktor mannigfaltiger schizophrener
Erkrankungsbilder zu sein (Berhardson et al., 1972; Thacore et al., 1976; Rottanburg
et al., 1982; Andreasson et al., 1987).
- 44 -
5.2
Vergleich mit bipolaren und schizophrenen Patienten
Zum Vergleich kognitiver Leistungen mit bipolaren und schizophrenen Patienten
liegen zu schizoaffektiven Patienten einige Studien vor; die angewandte Testbatterie
variiert hierbei. Goldstein et al. (2004) beschreiben schizoaffektive Patienten als
neuropsychologisch sehr heterogene Gruppe; im Vergleich mit an Schizophrenie
leidenden Patienten schneidet die schizoaffektive Gruppe geringfügig besser,
insbesondere beim TMT-B ab, dennoch weit schwächer als die nicht erkrankte
Kontrollgruppe. Eingeräumt wird jedoch, dass letztere jünger ist und einen höheren
Bildungsgrad besitze. Auch befanden sich die Probanden nicht im Stadium
kompletter Remission.
Die Studienlage weist darauf hin, dass die neuropsychologische Leistungsfähigkeit
der schizoaffektiven Probanden zwischen der bipolarer und schizophrener Patienten
anzusiedeln ist; Schizophreniepatienten weisen die ausgeprägtesten Defizite in
Hinblick auf Konzentration und Aufmerksamheit auf, während schizoaffektive
Probanden zwar merklich in sämtlichen neuropsychologischen Qualitäten,
insbesondere in den Exekutivfunktionen, beeinträchtigt sind, sich aber dennoch
merklich von der Leistung Schizophreniekranker abheben (Heinrichs et al., 2008;
Röttig, 2007; Bühler et al., 1991; Reichenberg et al., 2009). Röttig (2007) faßt hierbei
schizoaffektive und bipolare Patienten noch als eine Entität zusammen, bei
Reichenberg et al. (2009) wird diesbezüglich differenziert.
Im Vergleich mit bipolaren Patienten zeigt sich, dass hier die schizoaffektiven
Probanden merklich unterlegen sind; bei Torrent et al. (2007) imponieren
schizoaffektive Probanden gerade in Bezug auf das verbale Gedächtnis, die
Aufmerksamkeit und besonders die Exekutivfunktionen mit signifikant schwächeren
Leistungen als bipolare und nicht erkrankte Probanden.
- 45 -
5.3
Probleme und Einschränkungen
Mögliche statistisch wertvolle Einflußgrößen wie Geschlecht oder Dauer der
psychiatrischen Anamnese lieferten widersprüchliche Resultate ohne
richtungsweisende Auffälligkeiten. Hierbei ist das relativ kleine statistisch relevante
Kollektiv der vorliegenden Studie zu berücksichtigen; in weiteren Studien mit höheren
Probandenzahlen sollten gerade jene Einflußfaktoren, welche beeinflußbar sind,
exakter untersucht werden.
Die antipsychotische bzw. stimmungsbeeinflussende Medikation, unter der die große
Mehrheit der Probanden zum Testzeitpunkt stand, wurde nicht differenziert, sondern
lediglich nach dem klinischen Bild entschieden. Dabei kann die längerzeitige
Pharmakotherapie mit Antipsychotika auch im remittierten Zustand je nach Präparat
signifikant leistungsverbessernde oder aber -verschlechternde Auswirkungen auf die
kognitiven Leistungsfähigkeiten haben (Houthoofd et al., 2008; Elie et al., 2009).
Zudem ist die Fassade vieler psychiatrisch zum Testzeitpunkt nicht auffälliger, also
klinisch remittierter Patienten sehr gut, so dass eine klinisch diskret ausgeprägte
hypomanische bzw. dysthyme Stimmungslage zum Testzeitpunkt die gängigen
Ausschlußkriterien unterlaufen und somit die Leistungsfähigkeit der Probanden
beeinflussen würde. Dass das tägliche gesellschaftliche Miteinander von der
schizoaffektiven Erkrankung auch außerhalb einer akuten Exazerbation beeinflußt
wird, fiel einer Arbeitsgruppe um Twamley auf; aus neuropsychologischen Defiziten
wurden alltagsrelevante Lern- und Fähigkeitsdefizite abgeleitet (Twamley et al.,
2008).
Ferner fehlt eine aktuelle neurologische Bildgebung bei den Probanden, so dass
nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen wurde, dass zum Testzeitpunkt die
kognitive Leistungsfähigkeit gravierend beeinträchtigende Komorbiditäten
(Bunevicius et al., 2008) wie beispielsweise eine mögliche intrazerebrale Neoplasie
das Testergebnis verfälschten.
- 46 -
5.4
Überprüfung der Hypothesen
Ad Hypothese 1)
Unsere erste, vordergründige Hypothese, dass schizoaffektive Patienten im
remittierten Stadium im Hinblick auf Aufmerksamkeit, Gedächtnis und
Exekutivfunktionen weiterhin beeinträchtigt seien, konnte durch die erzielten
Testergebnisse eindeutig gesichert werden und wird nach der aktuell vorliegenden
Studienlage durchgehend auch in anderen neuropsychologischen
Testbatteriezusammensetzungen bestätigt. Im gesamten neuropsychologisch
getesteten Spektrum fielen teils signifikant, teils hochsignifikant schwächere Werte
auf als bei gesunden Probanden.
Dazu lässt sich klar konstatieren, dass die schizoaffektive Störung eine Erkrankung
ist, welche die betroffenen Patienten auch im Stadium der klinischen Remission
deutlichen kognitiven Einschränkungen unterwirft.
Ad Hypothese 2)
Diese Hypothese konnte nicht abschließend geklärt, jedoch untermauert werden.
Hier imponierten Diskrepanzen zu Studien sowohl an remittierten schizophrenen als
auch an remittierten bipolaren Patienten auf. Gemeinsam ist sämtlichen
Erkrankungen eine insgesamt schwächere kognitive Leistungsfähigkeit, wobei die
Leistungen schizoaffektiver Patienten unter denen bipolarer (Torrent et al., 2007;
Studentkowski, 2008), jedoch über jenen schizophrener (Heinrichs et al., 2008)
Patienten anzusiedeln sind. Dies spricht für den vermuteten „mittleren“ Platz der
schizoaffektiven Störungen im psychotischen Kontinuum; die Existenz eines
unverwechselbar klaren kognitionspsychologischen Profils gelang zwar in der
vorliegenden Studie nicht, dennoch ist eine – wenn auch bisher unscharfe –
Abgrenzung zu anderen schizophrenen wie auch biopolaren Entitäten erkennbar.
Somit liegt nahe, dass die psychotische Komponente an der schizoaffektiven Störung
die neuropsychologischen Leistungen am ehesten schmälert; nur so ist zu erklären,
dass bipolare Patienten ohne psychotische Symptome bessere Leistungen,
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ausschließlich schizophrene Patienten aber schlechtere Leistungen als
schizoaffektive Patienten erbringen.
Damit ist aus neuropsychologischer Sicht der Beweis für die eigene nosologische
Entität „schizoaffektiv“ erbracht, wenn auch – besonders in Hinblick auf viele,
unterschiedlich facettierte, mögliche Arrangiermöglichkeiten von Testassessments –
die praktische Abgrenzbarkeit der Entität im klinischen Alltag weiterhin schwierig
bleibt.
- 48 -
5.5
Ausblick
Das zurzeit vorliegende angewendete neuropsychologische Testinventar erlaubt
immer exaktere Einordnungen von psychiatrisch auffälligen Patienten in
diagnostische Gruppen.
Aufgrund der klinischen Ähnlichkeit der Symptomatik wird zudem eine gemeinsame
biologische Basis der Syndrome des bipolaren/schizophrenen Kontinuums in
genetischer, anatomischer wie auch neurochemischer Hinsicht angenommen; die
Rolle der Genetik wird in der Psychiatrie gewichtiger werden. Die Ergebnisse von
Familien-, Zwillings- und Adoptionsstudien sprechen für gemeinsame genetische
Faktoren bei beiden Erkrankungen. Mittlerweile konnten durch systematische
Kopplungsuntersuchungen verschiedene chromosomale Loci identifiziert werden, in
denen Dispositions- oder Suszeptibilitätsgene liegen, welche sowohl bei bipolaren
als auch bei Erkrankungen des schizophrenen Formenkreises eine wichtige Rolle zu
spielen scheinen. Diese Ergebnisse sprechen für eine genetische Prädisposition
beider Erkrankungen. Noch erscheinen die Möglichkeiten vage, familiäre Faktoren
und Neuropsychologie synergistisch zur exakten psychiatrischen Diagnosefindung zu
nutzen (Antila et al., 2009). Jedoch konnten mit modernen bildgebenden Verfahren
ähnliche strukturelle Veränderungen im Gehirn von Patienten mit bipolarer und
schizophrener Erkrankung festgestellt werden (Chang et al., 2004). Bei beiden
Patientengruppen zeigten sich eine Abnahme der grauen Substanz sowie eine
Überaktivität des limbischen Systems. Überdies fielen Veränderungen der
dopaminergen Neurotransmission auf, welche ebenfalls typisch für beide
Erkrankungen sind; in PET-Untersuchungen zeigte sich eine wesentlich höhere
Dopamin-D²-Rezeptorendichte sowie eine reduzierte Aktivität der
Glutamatdecarboxylase 67 als Schlüsselenzym für die Synthese des
Neurotransmitters GABA (Pearlson et al., 1995). Auf der molekularbiologischen
Ebene sind in den kommenden Jahren weitere Fortschritte bei der Identifizierung
verantwortlicher Neurotransmitter und/oder pathognomonischer Vorgänge in
bestimmten neuroanatomischen Strukturen zu erwarten.
Die künftige Bedeutung der Neuropsychologie, insbesondere der
kognitionspsychologischen Testverfahren, könnte noch mehr diagnostische Relevanz
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bekommen als bisher und somit z. B. auch Einfluss auf die medikamentöse Säule der
zumeist multimodalen Therapie der schizoaffektiven Erkrankung gewinnen. Die
interdisziplinäre Zusammenarbeit von Psychiatern, Neurologen und Psychologen auf
diesem Feld wird in naher Zukunft durch die individuelle Profilgebung des
psychiatrischen Patienten mithilfe neuropsychologischen Testinventars intensiviert
und erleichtert werden, insbesondere wird sich die Diagnostik auf die Differenzierung
der schizoaffektiven von der bipolaren Störung erweitern und größere Konsequenzen
für die Pharmakotherapie nach sich ziehen. Auch könnte die Neuropsychologie im
Falle größer angelegter Studien Schlüssel zur Frage der grundsätzlichen
Positionierung der schizoaffektiven Störung im psychotischen Kontinuum sein.
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