Expertise Diskursräume öffnen Potentiale und Probleme der Einrichtung islamischen Religionsunterrichts am Beispiel des „Erlanger Modells“ Autor: Dr. Martin Engelbrecht Nürnberg 2007 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis ....................................................................................................................................................................... 2 Danksagungen ............................................................................................................................................................................ 4 1 2 Einleitung.......................................................................................................................................................................... 5 1.1 Problemskizze ......................................................................................................................................................... 5 1.2 Perspektive, Arbeitsweise und Grundlagen der Expertise....................................................................................... 7 Problemkontexte rund um die Frage eines islamischen Religionsunterrichts ................................................................. 10 2.1 Das „korporatistische Modell“ der Zusammenarbeit von Staat und Religionen.................................................... 10 2.2 Die Muslime als ‚Quereinsteiger’ in das korporatistische Modell......................................................................... 13 2.2.1 Die sich wandelnde Rolle des Islam in der Türkei ........................................................................................... 14 2.2.2 Die türkischstämmigen Muslime in Deutschland ............................................................................................. 16 2.2.2.1 Überblick über Geschichte und Struktur................................................................................................. 16 2.2.2.2 Das Meinungsspektrum zu Fragen der Religion und der Nationalität .................................................... 19 2.2.3 2.2.3.1 Der traditionalistische Bezugspunkt der Identitätskonstruktion.............................................................. 24 2.2.3.2 Der universalistisch verstandene Islam als Bezugspunkt der Identitätskonstruktion .............................. 26 2.2.3.3 Der nationalistische Bezugspunkt der Identitätskonstruktion ................................................................. 30 2.2.3.4 Individualisierte islamische Identitätskonstruktionen ............................................................................. 32 2.2.3.5 Muslime ‚jenseits’ des Islam und die Frage eines offenen Diskurses ..................................................... 33 2.2.4 Die muslimischen Verbände............................................................................................................................. 35 2.2.4.1 DITIB (Diyanet Đşleri Türk Islam Birliği) .............................................................................................. 37 2.2.4.2 IGMG (Islamische Gemeinschaft Milli Görüş) ...................................................................................... 39 2.2.4.3 ZMD (Zentralrat der Muslime in Deutschland) ...................................................................................... 41 2.2.4.4 Schura Niedersachsen............................................................................................................................. 42 2.3 3 Dimensionen der muslimischen Pluralisierung ................................................................................................ 22 Zwischenfazit ........................................................................................................................................................ 45 Das ‚Erlanger Modell’ als Beispiel einer erfolgreichen Co-Konstruktion von Muslimen, akademischem und behördlichen Diskurs................................................................................................................................................................ 47 3.1 Überblick über die aktuellen Anstrengungen bezüglich islamischen Religionsunterrichts in den einzelnen Bundesländern ..................................................................................................................................................................... 47 3.2 Probleme und Potentiale des islamischen Religionsunterrichts am Beispiel des Erlanger Modells ...................... 52 3.2.1 Überblick über Entwicklung und Struktur........................................................................................................ 52 3.2.2 Diskursfelder, Potentiale und Probleme ........................................................................................................... 54 3.2.2.1 Die islamische Religionslehrerausbildung als Diskursraum ................................................................... 54 Seite 2 von 76 3.3 3.2.2.2 Der islamische Religionsunterricht als Diskursraum .............................................................................. 57 3.2.2.3 Die Diskursräume der muslimischen Eltern............................................................................................ 59 3.2.2.4 Die Moscheen und Verbände als Diskursraum ....................................................................................... 63 Fazit: Die Notwendigkeit einer staatlichen aktiven Moderation des islamischen Religionsunterrichts für einen Übergangszeitraum .............................................................................................................................................................. 65 4 Literatur .......................................................................................................................................................................... 69 Seite 3 von 76 Danksagungen Eine ganze Reihe von Institutionen und Personen hat die vorliegende Expertise möglich gemacht. Die Initiative dazu ging von Professor Dr. Johannes Lähnemann aus. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat diese Initiative bereitwillig aufgegriffen und die Erarbeitung finanziell ermöglicht. Stellvertretend für alle beteiligten Mitarbeiter des Bundesamtes sei hier PD Dr. Peter Schimany, Herrn Wolf Walther und Herrn Mark Chalil Bodenstein M.A. gedankt. Eine Reihe von Forschungsarbeiten des Autors, die einen Hintergrund der Arbeit bilden, wurden im Rahmen des von Prof. Dr. Michael v. Engelhardt geführten Projekts „Fremdsicht und Eigensicht im interreligiösen Alltag“ (1996-99) durchgeführt, das am Institut für Soziologie der Universität Erlangen-Nürnberg angesiedelt war und von der Volkswagenstiftung finanziert wurde. Neben dem Autor war Herr Andreas Sontheimer M.A. an diesen Arbeiten beteiligt. Eine ganze Reihe von Gesprächspartnern stellten vor und während der Durchführung der Expertise substanzielle Informationen zur Verfügung: Prof. Dr. Harun Behr, Prof. Dr. Hartmut Bobzin, Prof. Dr. Johannes Lähnemann und Prof. Dr. Mathias Rohe vom Interdisziplinären Institut für Islamische Religionslehre (IZIR) der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, Frau Heidemarie Ballasch vom niedersächsischen Kultusministerium, Frau Lamya Kaddor M.A. vom Lehrstuhl für Religion des Islam des Centrums für Religiöse Studien in Münster, Frau Anne Kleinschnieder vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz, PD Dr. Martin Laube von der Evangelischen Akademie Loccum, Frau Dr. Martina Sauer vom Zentrum für Türkeistudien und Dr. Hansjörg Schmid von der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Ihnen allen sei herzlich für die freundliche Unterstützung gedankt. Überdies sei Herrn Remzi Güneysu, Vorsitzender der Islamischen Religionsgemeinschaft Erlangen, sowie einer Reihe von Studierenden der islamischen Religionslehre und etlichen Mitarbeitern aus dem Bereich der Schulen und der kommunalen und staatlichen Schulverwaltung im Raum Nürnberg ganz herzlich für ihre freundliche Mitarbeit gedankt. Seite 4 von 76 1 1.1 Einleitung Problemskizze Die folgende Studie hat die Aufgabe, den von Erlanger Muslimen und Vertretern der FriedrichAlexander Universität Erlangen-Nürnberg in Zusammenarbeit mit den bayerischen Schulbehörden und dem bayerischen Kultusministerium entwickelten und gestalteten Modellversuch für Islamischen Religionsunterricht und Islamische Religionslehrerausbildung – das sogenannte „Erlanger Modell“ – auf seine Potentiale hinsichtlich des langfristigen Ziels der flächigen Einführung eines islamischen Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen zu untersuchen. Dabei steht im Mittelpunkt die Leistungsfähigkeit des Modells bezüglich der Integration der Muslime und der islamischen Religion in die deutsche Gesamtgesellschaft. Will man eine begründete Einschätzung der Potentiale dieses lokalen Modellversuchs geben, so ist es nicht damit getan, Konzept, Entwicklung und aktuelle Struktur gleichsam im Stil einer Monographie zu portraitieren. Das ‚Erlanger Modell’ ist – wie die parallel verlaufenden Anstrengungen zur Entwicklung eines islamischen Religionsunterrichts in den anderen Bundesländern auch – an einem zentralen Knotenpunkt eines vieldimensionalen Netzwerks von Problemen angesiedelt. Nur wenn diese komplexen Problemkontexte zumindest ansatzweise ausgeleuchtet sind, wird verständlich, welche z.T. deutlich über die fachlichen und sozialen Anforderungen eines ‚normalen’ Lehrfachs hinausgehenden Aufgaben auf den islamischen Religionsunterricht und seine Lehrkräfte und damit gleichzeitig auch auf deren akademische Ausbildungsgänge warten. Darüber hinaus stellt die flächige Einführung eines islamischen Religionsunterrichts in mehrfacher Hinsicht einen entscheidenden Schritt in der Geschichte des Zusammenwachsens von Islam und deutscher Gesellschaft dar. Es ist davon auszugehen, dass dieser Unterricht das Gesicht des Islam in Deutschland ebenso verändern wird wie das Selbstverständnis der deutschen Gesellschaft. Es handelt sich also nicht nur um ein Spezialproblem der Einrichtung einer punktuellen fachlichen Kooperation zwischen muslimischen Vereinen und den Kultusbehörden der Länder, sondern um ein entscheidendes Projekt zur Gestaltung der gemeinsamen Zukunft der Muslime und dem Land, in dem sie auf Dauer ihren Lebensmittelpunkt angesiedelt haben, dessen Teil sie sind und dauerhaft sein werden. Dementsprechend kann es nicht verwundern, dass an sich diesem, an sich schon seit Ende der siebziger Jahre verhandelten Problemkomplex1 nicht nur Missverständnisse und strukturelle Probleme entzünden, sondern dass hier auch handfeste Interessenkonflikte konstruktiven und von allen Seiten mitgetragenen Lösungen zugeführt werden müssen. Folgende Ebenen greifen dabei in komplexer Weise ineinander: 1 Vgl. u.a. Lähnemann 2004. Seite 5 von 76 Gleichsam den Ausgangspunkt bildet der rechtliche Rahmen der deutschen Gesetzgebung zur Zusammenarbeit zwischen Staat und Religionen, der der Analyse von Mathias König folgend im weiteren als „korporatistisches Modell“2 analysiert werden soll. (Abschnitt 2.1). In diese Situation kamen die deutschen Muslime quasi als ‚Quereinsteiger’ (Abschnitt 2.2). Die den deutschen Islam entscheidend prägenden türkischstämmigen Muslime, die als massenhaft angeworbene „Gastarbeiter“ nach Deutschland kamen und von der deutschen Öffentlichkeit lange Zeit überhaupt nicht als ‚religiöse’ Größe wahrgenommen wurden, brachten islamischen Traditionen und Strukturen mit, die in der Türkei durch den kemalistischen Staat in eine spezifische Form gebracht worden waren (Abschnitt 2.2.1). Diese Strukturen ‚folgten’ den Migranten in Gestalt einer religiösen Vereinslandschaft, die sich bis heute im wesentlichen an den Verwerfungen der türkischen Innenpolitik orientiert und die etwas erzeugte, das mit Bernhard Trautner als „transstaatlicher Raum“3 bezeichnet werden kann (Abschnitt 2.2.4). Gleichzeitig brachte jeder der Migranten naturgemäß ein komplexes Paket von handlungsleitenden Wissensbeständen mit, in dem emotionale und familiäre Bindung an das Herkunftsland, Sprache, Religion, lokale Traditionen und nicht selten ein massiver türkischer Nationalismus in enger und komplexer Verbindung existierten und bis heute existieren. Die Frage, was davon für das Leben in Deutschland sinnvoll, was gar notwendig und was überflüssig oder u.U. sogar hinderlich ist, bestimmt einen zentralen Punkt der Auseinandersetzung innerhalb der Migrantencommunity und wird aufgrund der zahlenmäßigen Dominanz der türkischstämmigen Muslime auch für die muslimischen Diskussionen insgesamt zu einer zentralen und substanziellen Herausforderung. Dabei entwickelt sich im islamischen Diskursfeld eine zunehmende Pluralität (Abschnitt 2.2.3). In die vielschichtigen und verwickelten Diskurse zwischen Einheitsansprüchen und realer Vielfalt hinein stößt nun mit zunehmender Dringlichkeit der Impuls der sich mittelfristig abzeichnenden Etablierung eines islamischen Religionsunterrichts. Es ist abzusehen, dass ein solcher Unterricht eine prägende Wirkung auf die Inhalte und Gestalt des islamischen Diskursfeldes ausüben wird. In den Diskussionen um die Einführung des Unterrichts, seine Lehrpläne, die Auswahl der Lehrer und vor allem die Bestimmung einer ‚Religionsgemeinschaft’ als verantwortlichem Ansprechpartner fließen die skizzierten Problemlinien zusammen. Das „Erlanger Modell“ wurde von den beteiligten Muslimen, sowie universitären, kommunalen und staatlichen Gesprächspartnern in einem langjährigen Prozess der Kooperation entwickelt, um Antworten auf diese vielschichtigen Problemlinien zu geben und ein Modell für einen konsensfähigen Religionsunterricht zu schaffen. Die Analyse des Modells vor dem Hintergrund der skizzierten Problemfelder bildet den zweiten Teil des vorliegenden Textes. (Abschnitt 3). Es sei schon an dieser frühen Stelle deutlich gesagt, dass es in keiner Weise Ziel dieser Arbeit sein kann und will, ein wie 2 3 König 2005. Vgl. Trautner 2000. Seite 6 von 76 auch immer geartetes ‚Ranking’ der Projekte und Ansätze zum islamischem Religionsunterricht in Bayern und den anderen Bundesländern durchzuführen. Vielmehr geht es darum, inhaltliche Problemfelder zu identifizieren und konkrete Lösungsansätze zu beschreiben. In dieser Hinsicht ist die konzeptionelle Vielfalt im aktuellen Feld auch mittelfristig sehr zu begrüßen. Vor dem Einstieg in die Diskussion der den islamischen Religionsunterricht bestimmenden Problemfelder sei jetzt noch kurz die wissenschaftliche Perspektive und die Datenbasis der folgenden Argumentation skizziert. 1.2 Perspektive, Arbeitsweise und Grundlagen der Expertise Die Perspektive der folgenden Argumentationen versteht sich als rein soziologisch, und zwar präziser als wissenssoziologisch. Die soziale Größe, die im Zentrum der Betrachtung steht, sind die in Deutschland lebenden Muslime, wobei unter Muslim grundsätzlich jeder Mensch verstanden werden soll, der sich selbst als Muslim versteht. Die Muslime sind in vielfältiger Weise sozial miteinander vernetzt und stehen in einer Fülle von diskursiven Zusammenhängen, von denen der für die vorliegende Fragestellung entscheidende das Diskursfeld ist, das ‚den Islam’ konstituiert.4 Neben diesem innermuslimischen Diskursfeld gibt es noch eine Reihe weiterer Diskursfelder innerhalb der deutschen Gesellschaft, die sich mit ‚dem Islam’ auseinandersetzen, z.B. juristische, sozialwissenschaftliche (inklusive der vorliegenden Argumentation), massenmediale und so weiter. Im Kontext dieser Innen- und Außenperspektiven auf das Diskursfeld Islam werden von allen Seiten vielfältige Typen von Definitionen und Zuordnungen vorgenommen, von denen vor allem zwei für das Thema von zentralem Belang sind: die Frage, was ‚den Islam’ ausmacht und die damit in engem Zusammenhang stehende Frage, wer Moslem ist und deshalb im Diskurs gehört werden muss, bzw. wer unter welchen Vorgaben ausgeschlossen wird. Die Frage, was ‚den Islam’ denn nun ‚in Wahrheit’ ausmacht, ist eine ebenso häufig gestellte wie aus eine ganzen Reihe von Gründen nie je endgültig zu klärende Frage. Gestellt wird sie sowohl von innerhalb als auch von außerhalb der muslimischen Diskurse, wobei sich in vielen Fällen hinter dieser Frage nicht das Interesse an religiösem Erkenntniszuwachs verbirgt, sondern das Bestreben, das ‚eigentliche’ politische Gesicht unterschiedlicher muslimischer Akteure endgültig festzulegen. Als illustratives Beispiel referiert z.B. Jürgen Gottschlich einen Diskussionsbeitrag im Anschluss an eine Podiumsdiskussion bezüglich der Ziele der AKP:5 „Was die AKP betreibt, sei doch Takkiye. Takkiye ist ein arabischer Begriff aus dem Koran, der dem Gläubigen in Notsituationen erlaubt, einen Ungläubigen zu täuschen. Insgeheim habe die Partei 4 Die hier skizzierte Sichtweise lässt sich keineswegs nur auf ‚den Islam’ anwenden. Sie ist eine allgemeine wissenssoziologische Perspektive, mit deren Hilfe diskursive Zusammenhänge in ihrem sozialen Konstruktionscharakter sichtbar gemacht werden können. Eine genauere Darstellung würde den vorliegenden Rahmen sprengen (vgl. dazu vertieft Engelbrecht 2006a, Hitzler et al. 1999 und Keller 2005. Für die Anwendung wissenssoziologischer Perspektiven auf Phänomene der Integration vgl. z.B. Soeffner und Zifonun 2005). 5 Die derzeitige Regierungspartei der Türkei unter Ministerpräsident Erdoğan. Seite 7 von 76 natürlich das Ziel, die Türkei in einen Gottesstaat umzuwandeln“.6 Argumentation wie diese sollen – nicht selten unter Bezug auf auch innermuslimisch hochumstrittene theologische Themen – belegen, dass ‚der Islam’ einen unterschiedlich bezeichneten ‚wahren Kern’ habe, der unabhängig von Zeit, Akteuren und Umständen letztlich immer für eine bestimmte Richtung sorgt, die die Muslime einschlagen werden, egal was sonst noch an Positionen vertreten wird. Das Argument lässt sich in beide Richtungen führen, dahingehend, dass das kriegerische Gesicht ‚des Islam’, das ‚eigentliche’ hinter dem vorläufigen und falschen Eindruck des friedlichen sei, genauso wie umgekehrt. Hinter dieser Art von Fragen und Argumentationen steht eine verdinglichende Sichtweise religiöser Konzepte und Diskurse. Sie ist allgegenwärtig, z.B. in zahlreichen Einführungen zum Islam. So wirft der scheinbar einfache Satz „Ein frommer Muslim betet fünf mal am Tag“ tatsächlich eine Fülle von Fragen auf: Will dieser Satz sagen, ein frommer Muslim solle fünf mal am Tag beten? Meint er als soziologische Beobachtung, dass Muslime, die sich selbst als fromm verstehen, mehrheitlich fünf mal am Tag beten, oder gar als Allaussage, dass nur der, der fünf Mal am Tag betet, ein frommer Muslim ist? Wenn letzteres der Fall ist, stellt sich sofort die Anschlussfrage, ob damit das Frommsein von Muslimen ein für alle Mal definiert ist, und natürlich von wem und so fort. Gerade im Kontext eines von kollidierenden Interessen und emotional geführten öffentlichen Debatten bestimmten Feldes7 wie dem hier zu diskutierenden sollte versucht werden, einen anderen Weg zu gehen. Für die vorliegende Argumentation sollen die von je unterschiedlichen Akteuren vorgetragenen Versionen dessen, was Islam ‚eigentlich’ ist, als ideenpolitische Programme in einem offenen Diskursfeld betrachtet werden, innerhalb dessen sie je nach den Umständen und der Position der Akteure mehr oder weniger starke soziale Prägekraft entfalten. In dieselbe Richtung argumentiert Hans Kippenberg, wenn er sagt: „Derartige Herangehensweisen bewähren sich zunehmend in der Kulturwissenschaft, zumal in Deutschland, wo die Kulturwissenschaft mehr als anderswo von einer verdinglichten Vorstellung von Identität geplagt wird“.8 Dementsprechend werden auch die andere Diskurse, die sich mit ‚dem Islam’ befassen in ihrer jeweiligen Perspektivität beschrieben. So kann der vorliegende Text beispielsweise nicht selbst juristisch argumentieren, sondern lediglich versuchen, die juristischen Rahmenbedingungen und Argumentationen in ihrer sozialen und diskursiven Prägekraft für das islamische Diskursfeld zu skizzieren. Eng mit der Frage, was ‚der Islam’ denn ‚eigentlich’ sei, ist eine weitere hochbrisante Frage verknüpft. Von einem verdinglichten Konzept ‚des Islams’ und vor allem einem Kriterienkatalog dessen, was ein Muslim’ zu glauben und zu tun habe aus wird nicht selten sowohl von islamischer wie von 6 Gottschlich 2006: 51. Vgl. z.B. den kürzlich erschienen SPIEGEL Artikel von Bartsch et al. 2007. 8 Kippenberg 2002: 23. 7 Seite 8 von 76 nichtislamischer Seite zu bestimmen versucht, wer innerhalb des Diskursfelds Islam als diskursfähiges Mitglied anzuerkennen ist und wer unter welchen Umständen ausgeschlossen wird. Das von einer Reihe von muslimischen Akteuren vorgetragene Anliegen, nur „religiös orientierte“ Muslime zu islamischen Fragen sprechen zu lassen und nicht „Kultur-Muslime“, oder „diejenigen, die nur noch nominell Muslime sind“9 nimmt eine solche Trennung in einer Weise vor, die für die aktuelle Entwicklung muslimischer Diskurse in Deutschland typisch ist und die eine Reihe von Problemen aufwirft (vgl. u.a. Abschnitt 2.2.3.5). Vom Material her stützt sich die Argumentation auf drei Quellen. Zum einen wird im folgenden extensiv auf die aktuelle wissenschaftliche Literatur zum islamischen Religionsunterricht und zu den Muslimen in Deutschland Bezug genommen. Speziell bezüglich des „Erlanger Modells“ wurden zusätzlich Experteninterviews mit insgesamt acht Akteuren aus dem Feld durchgeführt, und zwar mit Vertretern der Universität, mit Studierenden, sowie mit Repräsentanten der „Islamischen Religionsgemeinschaft Erlangen“ und einer Schule, die sich derzeit um die Einführung des Modellversuchs bemüht. Die dritte Quelle, auf die sich die Expertise stützt, besteht in den Ergebnissen eines Forschungsprojekts, das von 1996-99 am Institut für Soziologie der Universität ErlangenNürnberg zum interreligiösen Dialog – u.a. zwischen Christen und Muslimen – im Großraum Nürnberg/Fürth/Erlangen durchgeführt wurde.10 Um die vorliegende Argumentation nicht zu überfrachten, sollen die besonderen Problemlagen zweier Gruppen ausgeblendet bleiben: Die ca. 400 000 Aleviten und die etwa 125 000 Personen zählenden Schiiten.11 Während die Aleviten12 sich in Deutschland zunehmend als eine eigene Glaubensgemeinschaft konstituieren und sich dementsprechend um einen eigenen Unterricht bemühen13, ist die Lage bei den Schiiten komplizierter, kann aber hier nicht weiter verfolgt werden. Eine letzte einleitende Anmerkung ist noch zu machen. Ähnlich wie in Deutschland zumindest in den alten Bundesländern die Großkirchen für die Mehrzahl der Christen bildet der Islam für die große Mehrzahl der Muslime in Deutschland als kollektive religiöse Deutungswelt den selbstverständlichen ersten Bezugs-, Ausgangs- und natürlich auch Reibungs- und Distanzierungspunkt für jede Form religiöser biographischer und sozialer Konstruktion. Dieser Bezugspunkt darf nicht schon allein deshalb als problematisch eingeordnet werden, weil er sich in einer westlichen Gesellschaft nicht von selbst auflöst. Dass dies keineswegs so selbstverständlich ist wie es sich anhört, zeigt sich, wenn von deutscher Seite aus – und das gar nicht so selten – eine fortgesetzte muslimische Religiosität an sich bereits als erklärungsbedürftiges Phänomen angesprochen wird, wie z.B. in folgender Äußerung: 9 Pinn 2006: 5. Vgl. u.a. Engelbrecht 1998, 2006. 11 Die Zahlen nennen Kiefer und Reichmuth 2006: 8. 12 Vgl. zu den Aleviten vertieft z.B. Vorhoff 1995. 13 Vgl. Kaplan 2006. In Berlin wird seit 2002 (vgl. Kiefer 2006: 18), in Baden-Württemberg seit 2006 (vgl. Kultusministerium von Baden-Württemberg 2006) alevitischer Religionsunterricht angeboten. 10 Seite 9 von 76 „Mehr denn je scheint zu gelten, dass die mitgebrachte Religion für viele Eingewanderte einen Hort der Sicherheit und des inneren Halts in einer neuen, wenn auch fremden Heimat bietet. Es ist aber durchaus eine Hinwendung der zweiten und dritten Einwanderergeneration zu im Herkunftsland der Eltern dominierenden Religion zu beobachten. Hier helfen eindimensionale Erklärungen nicht, die Analyse für diese Trends muss genauer durchgeführt werden“ .14 Äußerungen wie der zitierten liegt die implizite Annahme eines automatischen Bedeutungsverlusts von Religion in der Moderne zugrunde, die mittlerweile freilich auch für westliche Gesellschaften wieder zunehmend umstritten ist.15 Sie soll in der folgenden Argumentation deshalb außen vor gelassen werden. Die Wandlungsvorgänge innerhalb der muslimischen Diskurse werden stattdessen als aktive Neukonstruktion der individuellen und kollektiven Akteure im Rahmen eines kontinuierlichen Wandels betrachtet, der nicht von vornherein in Kategorien steigender oder sinkender Bedeutung von Religion einzuordnen ist. 2 Problemkontexte rund um die Frage eines islamischen Religionsunterrichts 2.1 Das „korporatistische Modell“ der Zusammenarbeit von Staat und Religionen „Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist Religionsfreiheit im Artikel 4 und im Artikel 140, der die entsprechenden Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung (WRV) übernommen hat, aufgenommen. (...). 1. Artikel 4 des GG bestimmt: (1) >Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.< (2) >Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.< 2. Artikel 7 des GG führt zum Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen aus: (3) >... Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechts wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt...< 3. Artikel 140 GG in Verbindung mit Artikel 137 WRV stellt fest: (1) >Es besteht keine Staatskirche.< (2) >Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgemeinschaften wird gewährleistet...< (3) >Jede Religionsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes...< (4) >Religionsgemeinschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes<. 14 15 Haußmann 2005: 68. Vgl. z.B. Casanova 1994 oder Davie 2000. Seite 10 von 76 (5) >Die Religionsgemeinschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgemeinschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten...<16 Die aufgelisteten Grundgesetzartikel bilden die rechtliche Grundlage für die Bestimmung des Verhältnisses zwischen dem deutschen Staat und den auf seinem Gebiet lebenden Religionsgemeinschaften. Entgegen der verbreiteten Vorstellung, mit dem Grundgesetz sei ein grundsätzlicher Bruch zur früheren Gesetzgebung vollzogen worden, hat es auf dem Feld zwischen Staat und Religionen in Deutschland „keine echten Brüche“, sondern vielmehr ein „hohes und erstaunliches Maß an Beständigkeit“ gegeben.17 Christian Walter listet drei Faktoren dieser Entwicklung auf. Neben der „Landeszuständigkeit“ ist dies vor allem das Kriterium der „sozialen Nützlichkeit“ der „Religionsgesellschaften“.18 Abgeleitet aus den Bestimmungen des preußischen Landrechts bezeichnet er als prägend für das deutsche Rechtsdenken, „dass es für die Zuerkennung des Status einer >aufgenommenen< Religionsgesellschaft nicht mehr auf eine Auseinandersetzung um religiöse Wahrheit ankam; entscheidend waren vielmehr >Herkommen und Staatsräson, die Nützlichkeit der Religion für den Staat<“.19 Der dritte entscheidende Aspekt bestand im Körperschaftsstatus, dessen, so Walter, „schillernder Charakter“ zwischen Quasi-Behörde und privatrechtlichen Vereinigungsformen praktische Schwierigkeiten verursacht, die sich „bis heute“ fortsetzen.20 Für die vergleichende Erschließung der soziologischen Implikationen dieses Rahmens ordnet Mathias König die „institutionelle (...) Logik der Religionspolitik“21 in Europa drei Typen zu: Während im „etatistisch-republikanischen“ Modell französischer Prägung Einzelpersonen „ohne Berücksichtigung ihrer zivilgesellschaftlichen Bindungen in die öffentliche Ordnung integriert“22 werden und staatliche Religionspolitik sich ihre institutionellen religiösen Ansprechpartner primär zur Aufrechterhaltung von Laizität und „zur Garantie der freien Religionsausübung“23 sucht, bzw. im Falle des Islam auch zu schaffen versucht, fokussiert sich das „liberale Modell“ (Vereinigtes Königreich) ebenfalls auf „freie und gleiche Individuen“.24 Religionspolitik ist hier jedoch „weniger eine Domäne staatlicher Politik, sondern vielmehr ein dezentraler, zivilgesellschaftlicher Prozess“.25 Demgegenüber stehen „korporatistische Modell(e)“ wie das in Deutschland praktizierte, „nach dem Individuen vermittelt über korporative Einheiten integriert werden“.26 Der Staat bietet dabei „den Religionsgemeinschaften 16 Zinser 2002: 71f Walter 2005: 34. 18 A.a.O.: 34f. 19 A.a.O.: 35 in Zitation von Korioth (o.A.). 20 A.a.O.: 37. 21 König 2005: 19. 22 A.a.O.: 26. 23 A.a.O. 24 A.a.O.: 28. 25 A.a.O. 26 A.a.O.: 21. 17 Seite 11 von 76 Kooperationsmöglichkeiten in etlichen Handlungsfeldern, insbesondere auch im Bildungssektor“ an.27 Königs Schema ist für die folgende Argumentation besonders fruchtbar, weil es auf eine entscheidende soziale Ambivalenz des deutschen Modells hinweist: Es bietet zwar – wie gerade am Beispiel des islamischen Religionsunterrichts noch zu zeigen sein wird – Potentiale zur integrativen Koevolution von religiösen Gruppen, fokussiert sich dabei aber unter Schwächung der politischen Position religiöser Einzelpersonen auf die Ebene der religiösen Korporationen. Wie oben bereits angesprochen, ist diese Politik kein Zufall, sondern erwächst aus der bis in das 19te Jahrhundert zurückreichenden dynamischen Beziehung zwischen dem Staat und den beiden großen Kirchen, die in dieses Modell gleichsam ‚hineingewachsen’ sind, bzw. es sogar aktiv kirchen- und verbandspolitisch co-konstruiert haben. Dabei entwickelten die Kirchen eine Reihe von entscheidenden strukturellen Eigenschaften: • Spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg erarbeiteten sich die im akademischen Bereich über ihre theologischen Lehrstühle, Institute und Fakultäten institutionell wie diskursiv fest verankerten Kirchen eine enorme Professionalisierung ihrer sozialen (Krabbelgruppe, Kindergarten, Sozialstationen, Altenheime etc.) und Bildungsangebote. Bei aller Eigenständigkeit sind die Kirchen und ihre Einrichtungen so fest in eine Fülle von gesamtgesellschaftlichen Diskursen eingebunden. • Gleichzeitig ist der parochiale Aufbau der Kirchen analog zu den Gebietskörperschaften der Kommunen und Länder strukturiert und ermöglicht durch so vereindeutigte örtliche Zuständigkeiten auch auf diesen Ebenen einen institutionalisierten Diskurs und eine Partnerschaft in der Bearbeitung lokaler Probleme. • In diesem Rahmen lässt sich in Deutschland von einem eindeutigen Bewusstsein der Großkirchen sprechen, die Gesamtgesellschaft wohl von den eigenen Werten ausgehend mit zu gestalten, Gesellschaft und Staat aber als ein dauerhaft offenes, nicht auf irgendeine Religion hin aufzulösendes System zu verstehen. Parallel dazu hat sich auch das Selbstbild der Kirchen von einem ‚pfarrherrlichen’ Konzept zur Vorstellung einer Dienstleistungskirche gewandelt. • Das System der individuellen Kirchenzugehörigkeit, das das christliche Taufritual auch zu einem bürokratischen Akt der Aufnahme in eine konkrete Kirche macht, trägt dabei in mehrfacher Weise zur Stabilisierung dieser Beziehungen bei. Neben der relativen finanziellen Stabilität stellt diese in der Praxis ‚meinungsunabhängige’ Form der Zugehörigkeit auch sicher, dass der Einzelne die Beziehung zu seiner Kirche in einer hohen individuellen Freiheit gestalten kann, ohne einen Ausschluss befürchten zu müssen. Gleichzeitig signalisiert er über die kontinuierliche Zugehörigkeit die Bereitschaft, die Kirche – und sei es nur in ihrer gesellschaftlichen Funktion – mitzutragen. Daneben ist aber festzuhalten, dass (völlig in Übereinstimmung mit vielen 27 A.a.O. Seite 12 von 76 Selbstbeschreibungen der islamischen Verbände) viele gemeindliche und/oder überörtliche Dienstleistungen der Kirche mit wenigen gottesdienstlich-rituellen Ausnahmen ohne Ansehen der Konfession, ja sogar der Religion angeboten werden. Die ausführliche Skizze der Breite, Tiefe und gesamtgesellschaftlichen (Selbst-)verankerung der Kirchen im Rahmen des deutschen „korporatistischen Modells“ war notwendig, um zu zeigen, welche praktische Reichweite und Verbindlichkeit des gesamtgesellschaftlichen Engagements notwendig ist, um als große religiöse Gruppe das Kooperationsangebot des Staates langfristig konstruktiv aufnehmen zu können. Dass der Körperschaftsstatus auch von einer Reihe kleinerer Gruppen rechtlich angenommen, bzw. angestrebt wird, kann dabei nicht als Gegenargument gelten.28 Freilich ist auch im Bereich der Kirchen damit keine dauernde Stabilität gesichert. Die gesamtgesellschaftlichen Vorgänge der Pluralisierung und Individualisierung, sowie eine niedrige, aber doch konstante Austrittsrate sind als Zeichen von Wandlungsvorgängen zu interpretieren, auf die die Kirchen selbst mit eigener Weiterentwicklung reagieren.29 Ungeachtet dessen sind beide Partner, Staat und Kirchen, in Deutschland so fest miteinander verzahnt, dass davon auszugehen ist, dass die gesamtgesellschaftlich verantwortliche Positionen der Kirchen auch langfristig nicht durch einen sozialen oder theologischen Partikularismus substanziell unterlaufen werden wird. 2.2 Die Muslime als ‚Quereinsteiger’ in das korporatistische Modell Die Frage, in welcher Gestalt die Muslime das „korporatistische Angebot“ des deutschen Staates aufnehmen sollen, wird derzeit in erster Linie auf juristischer Ebene diskutiert.30 Dabei entsteht vor allem in der Öffentlichkeit nicht selten der Eindruck, es gehe nur darum, irgendeine „einheitliche Vertretung der Muslime in Deutschland“ zu bilden. Ebenso wichtig, ja sogar noch deutlich wichtiger ist jedoch die Frage, wie sich eine eventuelle einheitliche islamische Vertretung gegenüber ihrer deutschen Lebenswelt positioniert, und welche Haltung sie gegenüber der realen Pluralität und Überzeugungsvielfalt der Muslime in Deutschland einnimmt.31 Diese Frage gewinnt gerade angesichts der Etablierung des islamischen Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach eine Schlüsselbedeutung und eine neue Dringlichkeit sowohl für die Muslime selbst als auch für die deutsche Gesellschaft insgesamt. 28 Die Argumentationen von Baumann 2002 bezüglich der deutschen Buddhisten und Rink 2002 bezüglich der Zeugen Jehovas demonstrieren, dass auch in diesen Fällen ein langer, unabgeschlossener und die Religionsgemeinschaft substanziell prägender Vorgang der Co-Konstruktion einer neuen institutionellen Identität vorliegt. 29 Dieser komplexe Vorgang kann hier nicht vertieft diskutiert werden. Vgl. dazu z.B. Gabriel 1992 und Schloz et al. 2003. 30 Vgl. dazu u.a. die breit angelegten Untersuchungen von Dietrich 2006 und Stock 2003, sowie Campenhausen 2005, Graulich 2006, Heimann 2003, Korioth 1997, Kraft 2006, Langenfeld 2005, Oebbecke 2005, Schaible 2003, Schneider 2005, sowie für die Lage in Berlin Feldmann, Giese und Schlink (alle 2000). 31 „Zum andern ist danach zu fragen, wie die muslimischen Organisationen sich selbst innerhalb der deutschen Gesellschaft positionieren. Wie gehen sie mit dem religiösen Pluralismus inner- und außerhalb der muslimischen Gemeinschaft um? Wie bestimmen sie neuerdings ihr Verhältnis zu Staat und Gesellschaft?“ (Lemmen, 2005: 183). Seite 13 von 76 Für ein adäquates Verständnis dieser Frage ist ein mehrdimensionaler Zugang notwendig. Im folgenden wird deshalb zunächst in einer kurzen Skizze der sich wandelnden Rolle des Islam in der Türkei dargestellt (2.2.1). Sie ist von Bedeutung, da die türkisch-islamische Migrantencommunity, die die islamischen Diskurse in Deutschland entscheidend prägt, in ihrer Struktur (2.2.2.1) und in ihrem Meinungsspektrum (2.2.2.2) nur vor diesem Hintergrund verstehbar wird. Aus ihm erklären sich auch die wichtigsten Identitätsmodelle (2.2.3) der sich rapide pluralisierenden muslimischen Landschaft in Deutschland. Im Anschluss an diese skizzenhafte Beschreibung der muslimischen Diskurse auf der Ebene der individuellen Akteure folgt eine Einschätzung der Frage, inwieweit die islamischen Verbände diese Landschaft tatsächlich repräsentieren können (2.2.4). 2.2.1 Die sich wandelnde Rolle des Islam in der Türkei Einer der entscheidenden Faktoren für das Verständnis der Muslime in Deutschland ist die prägende Wirkung, die von den innenpolitischen Verhältnissen in der Türkei – vermittelt über die Dominanz der türkischstämmigen Migranten – auf die muslimischen Diskurse ausgeübt wird. Dazu sollen hier einige relevante Aspekte skizziert werden.32 Will man die sich wandelnde Rolle des Islam in der Türkei verstehen, so muss man beim osmanischen Reich beginnen. Ähnlich wie viele europäische Monarchien war es ein Vielvölkerstaat, dessen staatliche Einheit von einem doppelten Band dynastischer und religiöser Legitimation gesichert wurde. Im Zuge seines langsamen politischen Niedergangs begann ein obrigkeitlich initiierter Prozess der Übernahme europäischer wissenschaftlicher und bürokratisch-rechtlicher Strukturen,33 der freilich die endgültige Auflösung des Staates am Ende des ersten Weltkriegs nicht aufhalten konnte. In dieser Situation der existenziellen Krise gelang es der von Atatürk angeführten Bewegung reformorientierter Kräfte in einem kombinierten militärischen, außenpolitischen und innenpolitischen Kraftakt den Staat ‚Türkei’ zu formen. Dabei sind vor allem zwei – wiederum in der „Tradition der Osmanen, Reformen von oben und autoritär durchzusetzen“34 durchgeführte politische Programme für die hier zur Debatte stehenden Fragen von grundlegender Bedeutung: Zunächst das Konzept einer türkischen Nation als einigendes Prinzip, das die außenpolitische Legitimation und Achtung des Staates sicherte.35 Freilich waren auch die Gebiete, die seit dem Vertrag von Lausanne (1923) den Kernbestand der neuen Türkei bildeten, ethnisch und sprachlich alles andere als homogen,36 so dass die neue nationale Identität dem Staatsvolk erst einmal beigebracht werden musste. Dabei spielte die zweite und ebenso entscheidende Reform eine Schlüsselrolle, und zwar die konsequente Einführung des Laizismus, der die dynastisch- 32 Vgl. für die folgende Argumentation die knappe und äußerst treffende Skizze von Schiffauer 2000: 41-47, sowie Haustein et al. 2006, Hütteroth und Höhfeld 2002, Seufert 1997, Seufert und Kubaseck 2006, Steinbach 2003, Zentrum für Türkeistudien 1998. 33 Vgl. Seufert und Kubaseck 2006: 68-81. 34 A.a.O.: 81. 35 A.a.O.: 83f. 36 Vgl. Zentrum für Türkeistudien 1998. Seite 14 von 76 religiöse Legitimation des Staates durch eine rein innerweltliche Grundlegung ersetzte.37 Eine Reihe von tiefgehenden kulturellen Neuerungen wie Einführung der lateinischen Schrift,38 des europäischen Kalenders39, des Schweizer Zivilrechts mit der Einehe40 und einer Fülle anderer politischer Innovationen sollte eine neue, sich an europäischen Strukturen orientierende Gesellschaft befördern.41 Der türkische Islam wurde durch diese Reformen zwar nicht aufgelöst, aber in mehrfacher Weise grundlegend verändert: Er wurde politisch privatisiert, rechtlich unter die weitgehende Kontrolle des laisierten Staates gestellt42 und erhielt ideenpolitisch den Nimbus einer Gegenkraft zur Modernisierung der türkischen Gesellschaft, eine Rolle, die er für viele Akteure in Zustimmung wie Distanzierung heute noch spielt. In Reaktion auf diese Reformen formierten sich fast sofort eine Reihe islamischer Gegenbewegungen, z.B. die von Süleyman Hilmi Tunahan gegründete private Korankursbewegung, die als „Süleymancı-Bewegung“ bekannt ist.43 Einer der Faktoren, die den Islam wieder zurück auf die Bühnen der türkischen Innenpolitik und der türkischen Gesellschaft führen sollte, war die allmähliche, vom Staat nicht nur geduldete, sondern mit der Zeit aktiv geförderte Etablierung des Bildes eines „türkischsprachigen, sunnitisch-hanefitischen“44 türkischen ‚Normalbürgers’45, der in erster Linie als staatlich-kulturelles Einheitsideal ethnischen, sprachlichen und/oder religiösen Minderheitsidentitäten wie der alevitischen und der kurdischen46 gegenübergestellt wurde. Ideologisch überhöht wurde dieses Bild in der „Türkisch-islamischen Synthese“.47 Die hinter diesem Begriff stehende Ideologie besagt, dass Muslim sein und Türke sein gleichsam zwei Seiten einer Münze seien, es gebe nicht das eine ohne das andere. Hier wird also ein religiöses Identitätskonzept mit einem nationalistischen verschmolzen (vgl. zu dazu Abschnitt 2.2.3.3). Wie stark die Vorstellung, Muslim zu sein heiße automatisch auch Türke zu sein auch bei den türkischstämmigen Migranten ungebrochen vorherrscht, zeigt sich an zahllosen Stellen muslimischen Alltagslebens in Deutschland. Hier sei nur eine illustrierende Episode wiedergegeben. Beispiele der 37 Schiffauer 2000: 43f. A.a.O.: 45f. 39 Steinbach 2003: 31ff. 40 Seufert und Kubaseck 2006: 89. 41 Zafer Şenocak kommentiert diesen Vorgang treffend: 38 „In der Türkei haben wir uns nach wie vor mit den Folgen einer Kulturrevolution auseinanderzusetzen, die wie jede Kulturrevolution den Anspruch hatte, einen neuen Menschen zu schaffen. Und wie jede Kulturrevolution musst auch diese scheitern. Was nicht bedeutet, dass dieser Versuch, einen neuen Menschen zu schaffen, nicht enorm viel in der Gesellschaft und in den Köpfen der Menschen bewegt hat“ (Seufert und Şenocak 2006: 32). 42 „Die Prediger wurden dem neu geschaffenen >Präsidium für religiöse Angelegenheiten< (Diyanet Işleri Reisliği) unterstellt, >der Islam wurde damit zu einem Ressort des Staates; und die Geistlichen (ulema) zu niederen Beamten“ (Schiffauer 2000: 44 in Zitation von Berhard Lewis 1986). 43 Zentrum für Türkeistudien 1997: 134f. 44 Hütteroth und Höhfeld 2002: 182. 45 Die verwickelte politische Geschichte dieses Konzepts im Detail zu schildern, würde den Rahmen dieses Textes sprengen. Siehe dazu unter den zuletzt genannten Quellen v.a. Seufert 1997. 46 Vgl. zum politischen Schicksal dieser Gruppen in der Türkei z.B. Seufert und Kubaseck 2003: 141-165 47 Seufert 1997: 83ff. Seite 15 von 76 reflexartigen Gleichsetzung der Nationalität mit den Grenzen der Religion sind an vielen Stellen zu finden.48 „Ein Bekannter durfte einen Aushilfsjob bei einem türkischen Metzger machen, (...) die haben nur hallal Fleisch verkauft, also korrekt geschächtetes Fleisch (...) er ist Marokkaner muss man dazu sagen (...) und dann sind türkische Kunden gekommen und haben ihn auf türkisch angesprochen und er sagte, er kann kein türkisch. >Wie, sind Sie kein Türke?<, meinte er: >Nein, aber der Besitzer ist ein Türke und das ist alles hallal Fleisch und ich bin Araber<. Und dann hieß es, >Ja, nee dann kaufen wir nicht<. und dann sind sie raus gegangen und das ist nicht nur einmal passiert sondern er hat gemeint, es ist wirklich jeden Tag mindestens ein bis zweimal passiert“.49 Einen weiteren Faktor für das Wiedererstarken des Islam als politisch relevanter Kraft in der Türkei bildete ohne Zweifel die iranische Revolution, die weltweit das Thema des Islam als einer politischen Größe wieder auf die Tagesordnung gesetzt hat. Sie verlieh auch der Diskussion über den Islam in der Türkei in Ablehnung wie Zustimmung neue Schärfe.50 Auf welchem Weg die Türkei aktuell ist, ist – speziell in Hinsicht auf den Islam – eine unter den Kommentatoren umstrittene Frage.51 2.2.2 Die türkischstämmigen Muslime in Deutschland 2.2.2.1 Überblick über Geschichte und Struktur Als Beginn der Geschichte des Islam in Deutschland verweisen zwar nicht wenige Autoren gerne auf die türkischen Gardesoldaten Wilhelms des Ersten von Preußen52, am Anfang des Islam als einer ‚Großreligion’ in Deutschland steht jedoch eine Arbeitsmigration: „Die meisten der türkischen Arbeitskräfte in der Bundesrepublik Deutschland stammten ursprünglich aus dem Süden und Osten der Türkei. Diese Region gilt heute wie damals als extrem unterentwickelt. ... Darüber hinaus beherrschten Großgrundbesitzer weite Teile des Südostens der Türkei. Deren Macht erstreckte sich bei weitem nicht auf rein wirtschaftliche Angelegenheiten, sondern ähnelte in elementaren Strukturen dem mittelalterlichen Feudalsystem in Europa“53. Diese Lebensumstände lösten zunächst eine Binnenwanderung innerhalb der Türkei von Ost nach West aus, die sich dann, meist über die großen Städte des türkischen Westens als Zwischenstation 48 So beschreibt z.B. Heidemarie Ballasch einen wichtigen Effekt des Schulversuchs „Islamischer Religionsunterricht“ in Niedersachsen: „Eine Schulleiterin berichtet, dass die türkischen Schüler durch den Religionsunterricht zum ersten Mal wahrgenommen hätten, dass es auch andere muslimische Nationalitäten gäbe“ (Ballasch 2006: 39). 49 Interview mit einem Studierenden der islamischen Religionspädagogik, Abs. 281-287. Zur Zitierweise der Interviews: Die Entfernung von Zwischenbemerkungen des Interviewers, sowie unter den Datenschutz fallende Namens- und Ortsangaben werden durch (...) markiert. Drei Punkte ohne Klammern markieren Sprechpausen. Zur besseren Lesbarkeit wurden die Gesprächsbeiträge sprachlich geglättet. 50 Vgl. Dink 2006: 23f. 51 Vgl. z.B. die Diskussionen in Haustein et al. (Hg.) 2006. 52 Vgl. z.B. Dietrich 2006 oder Abdullah 1981. 53 Goldberg, Halm und Şen 2004:7. Seite 16 von 76 nach Deutschland fortsetzte54. Die mit dem Anwerbeabkommen von 196155 nach Deutschland kommenden Migranten wurden von der deutschen Öffentlichkeit über Jahrzehnte überhaupt nicht als eine ‚religiöse’ Integrationsfrage, sondern primär als ‚Gastarbeiterproblem’ verhandelt, ein Begriff, der die bis in jüngste Zeit aufrechterhaltene politische Idee der deutschen Zuwanderungsgesellschaft reflektiert, der Aufenthalt der Muslime sei nur vorübergehender Natur – eine Vorstellung, die von den Migranten freilich vielfach geteilt wurde: „Die türkischen Arbeitsmigranten sahen im allgemeinen ihren Aufenthalt – ebenso wie die deutsche Bevölkerung – als vorübergehend an. Diese Einstellung hatte zur Folge, dass sich >Gäste< und >Gastgeber< im allgemeinen nicht sehr umeinander bemühten, sondern eher in der eigenen Gemeinschaft verblieben, so daß eine Annäherung beider Seiten kaum stattfand. Erst durch die zunehmende Verweildauer vieler Türken in Deutschland traten Probleme, z.B. im Schul- und Ausbildungsbereich auf, die deutlich machten, daß man diesbezüglich unvorbereitet war und daß Strukturen geschaffen werden mussten, die der Dauerpräsenz von Ausländern in Deutschland Rechnung trugen“.56 Die sich bereits mit den angesprochenen Problemen „im Schul- und Ausbildungsbereich“ abzeichnenden Veränderungen ergaben sich zwangsläufig, als die zweite Generation der ‚Gastarbeiter’ heranwuchs, die Generation, die die Hauptlast des Übergangs zwischen Herkunftsland und Zuwanderungsland zu tragen hatte und hat: „Zum Großteil hier geboren, überwiegend in traditionellen türkischen Familienzusammenhängen großgeworden, besuchen sie deutsche Bildungseinrichtungen, leben mit und in der modernen Jugendkultur, bestimmt von Medien- und Konsumorientierung. Die türkische Heimat der Eltern ist für sie praktisch meist nur Urlaubsland, während andererseits die türkischen Traditionen und Werte, zumindest in der Familie, offenbar auch als internalisierte Werte und/oder identitätssichernde Orientierungen lebendig zu sein scheinen ... . Einer kleineren Schicht von Migrationsgewinnern steht eine größere Schicht von sozial benachteiligten Einwanderern gegenüber, die von einer strukturellen Integration noch weit entfernt sind ...“.57 Wie sich an den aktuellen Zahlen der Bundesregierung ablesen lässt, liegen die türkischstämmigen Migranten bezüglich der Bildungs-58, der beruflichen59 und der Wohnsituation60 in der Tat nach wie vor im allgemeinen Trend aller Zuwanderer in Deutschland. Angesichts der Herkunft der großen Mehrzahl der türkischstämmigen Migranten aus bäuerlich-traditionellen Milieus mit sehr niedrigen Bildungsstandards ist die eben zitierte Bewertung, einer kleinen Gruppe von „Migrationsgewinnern“ stehe eine größere Gruppe von „sozial benachteiligten Einwanderern“ gegenüber, zumindest zu 54 A.a.O.: 10. A.a.O.: 4. 56 Zentrum für Türkeistudien, 1997: 63. 57 Kelek 2002: 19. 58 Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (Hg.) 2005b:37-72. 59 A.a.O.: 73-112. 60 A.a.O.: 113-173. 55 Seite 17 von 76 differenzieren. Die derzeit in einer zunehmenden öffentlichen Präsenz türkischstämmiger Intellektueller in vielen wissenschaftlichen, politischen und kulturellen Bereichen Ausdruck findende Etablierung einer ‚türkischstämmigen Mittelschicht’ darf nicht ausschließlich als Indiz integrationspolitischer Defizite gewertet werden, sondern mindestens ebenso als Zeichen einer offenbar auch möglichen vertikalen sozialen Mobilität einer sich primär aus bildungsfernen Schichten rekrutierenden Migrantengruppe. Und in der Tat verweisen neuere Veröffentlichungen auf eine beruflich-ökonomische Pluralisierung der Zuwanderer, die nicht zuletzt auch wirtschaftliche Impulse in der deutschen Gesellschaft setzen.61 Dennoch bleibt als Befund, dass 33 Prozent der türkischstämmigen Jugendlichen zwischen 18 und 30 Jahren keine berufliche Ausbildung besitzen62: „Eine plausible Erklärung für die recht gleichförmige Wahl von wenig weiter qualifizierenden Ausbildungsplätzen bzw. den vollständigen Verzicht auf Ausbildung der Mehrheit der gering qualifizierten jungen Türken liegt in der Bedeutung ethnischer Communities: Sozialisationsbedingungen in segregierten Stadtteilen niedriger Wohnqualität sind mit spezifischen, zumeist geringen Bildungschancen verbunden“.63 Zwar ist Duran Akbulut und anderen Autoren zuzustimmen, wenn sie auf die schwierigen Startbedingungen hinweisen, denen Migrantenfamilien gegenüberstehen, wenn sie ihren Kindern den notwendigen Zugang zu den Sprach- und Bildungskompetenzen ermöglichen wollen, der die Vorbedingung für einen beruflichen Aufstieg in der Zuwanderungsgesellschaft darstellt.64 Allerdings kommt zu diesen objektiven Faktoren ein subjektiver Faktor, der offensichtlich innerhalb der türkischen Migrantencommunity von den Eltern sehr unterschiedlich gehandhabt wird. Denn den Kindern den notwendigen Zugang zu den Bildungsinstitutionen nachhaltig zu ermöglichen, bedeutet auch – und zwar umso mehr, je geringer die eigenen sprachlichen und sonstigen Bildungskompetenzen sind – die Kinder aus der eigenen Reichweite in die der Zuwanderungsgesellschaft zu übergeben: „In modernen Gesellschaften wird ein großer Teil der erzieherischen Beeinflussung der Kinder von den Bildungsinstitutionen übernommen, die sozialintegrativ wirken und neben kulturtechnischen Kenntnissen und Wissen auch die herrschenden gesellschaftlichen Normen und Werte vermitteln. Ein Teil des erzieherischen Einflusses geht in der Wahrnehmung der türkischen Familien verlustig, was zu Widerständen führen kann. Eltern können vor diesem Hintergrund ein ambivalentes Verhältnis zum deutschen Bildungssystem und zur Höherqualifizierung ihrer Kinder entwickeln“.65 Auf der Basis von Diagnosen wie dieser kann gesagt werden, dass sich die schon von ihrer Herkunftssituation her hochgradig heterogenen türkischstämmigen Migranten sowohl von ihrer beruflichen, wie auch von ihrer kulturell-gesellschaftlichen Integration her gesehen noch weiter pluralisiert haben, so dass ihre ohnehin schon inadäquate öffentliche Wahrnehmung als einheitliche 61 Goldberg, Halm und Şen: 2004: 33-41. A.a.O.: 31f. 63 A.a.O.: 32. 64 Vgl. Akbulut 2003. 65 A.a.O.: 31. 62 Seite 18 von 76 Gruppe noch unangemessener wurde. Vereinfacht formuliert existiert ein breites Spektrum von Lebenskonzepten und Alltagspraktiken zwischen den Polen eines aktiv gestaltenden Engagements inmitten der deutschen Gesellschaft und dem Weg in die Sackgasse einer Parallelgesellschaft. Nun hat sich das Bild der Migranten in der deutschen Öffentlichkeit zwar gewandelt, aber weniger in Richtung einer Differenzierung als vielmehr in Richtung der Problemdefinition: „Während die Gruppe der Gastarbeiter in den 60er Jahren des 20. Jh.s noch weitgehend unter dem ethnischen Aspekt in der Bundesrepublik wahrgenommen wurde, überwiegt heute die Subsumierung unter die religiöse Kategorie der >Muslime< – egal ... ob es sich (um) bekennende oder gläubige Muslime handelt oder um Menschen aus muslimisch geprägten Staaten, die anderen Religionen anhängen oder säkular orientiert sind und eventuell gerade wegen ihrer atheistischen Einstellung ihr Heimatland verlassen mussten“.66 2.2.2.2 Das Meinungsspektrum zu Fragen der Religion und der Nationalität Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, wie das Wertespektrum der türkischstämmigen Migranten in Deutschland aktuell aussieht.67 Zur Beantwortung sollen aktuelle Umfragen des Zentrums für Türkeistudien herangezogen werden. Die erste dieser Umfragen aus dem Jahr 2005 greift auf im Jahr 2000 erhobene Vergleichsdaten zurück, und kann so auch Hinweise auf Veränderungen in Folge des 11. September 2001 geben.68 Als erstes relevantes Ergebnis der Studie kann gelten, dass die ausgewählten Gesprächspartner sich in 86 % der Fälle für die türkische Sprache als Interviewsprache entschieden. Dass sich in komplexeren Kommunikationszusammenhängen ein so hoher Prozentsatz der Zuwanderer nach wie vor in der türkischen Sprache wohler fühlt, kann als eindeutiger Hinweis dafür gewertet werden, dass es zur sprachlichen Integration noch ein weiter Weg ist. Auf die allgemeine Frage nach der subjektiven Selbsteinschätzung bezüglich der Stärke der eigenen Religiosität ergab sich 2000 und 2005 folgendes Meinungsspektrum: Tabelle 1: Selbsteinschätzung der individuellen Religiosität: 69 Jahr Sehr religiös Eher religiös Eher nicht rel. 2000 7,6 64,6 24,5 2005 28,1 55,2 11 Gar nicht rel. 3,3 5,8 Die Stärke der subjektiv empfundenen eigenen Religiosität ist demzufolge seit 2000 gestiegen und hat sich tendenziell polarisiert. Sie differenziert sich nach Geschlecht und Alter: Frauen verstehen sich 66 Schneider 2005: 67. Dieser Frage haben sich eine ganze Reihe von Untersuchungen zugewandt, vgl. den Überblick bei Worbs und Heckmann 2006. 68 Zentrum für Türkeistudien 2005. 69 A.a.O.:20 67 Seite 19 von 76 häufiger, die jüngeren Befragten seltener als religiös.70 Der angegebene Grad der religiösen Orthopraxie steigt mit der subjektiv eingeschätzten Frömmigkeit71 und hat auch zwischen 2000 und 2005 in allen Sparten zugenommen, wobei in beiden Befragungen weit mehr Interviewte angaben, Geld zu spenden72 und am Fasten teilzunehmen73, als beispielsweise die täglichen Gebete zu verrichten.74 Auch die Häufigkeit des Moscheebesuchs hat zugenommen, wobei hier nach wie vor die Mehrheit der Befragten angibt, nicht häufiger als „mehrmals im Jahr“75 zu gehen. Die Moscheen werden in erster Linie für unterschiedliche religiöse Zwecke aufgesucht76, das am stärksten genannte nichtreligiöse Motiv ist „Freizeitgestaltung/Sport“.77 (Zur Haltung der Befragten zu den islamischen Verbänden vgl. 2.2.4). Zur Erhebung des Meinungsspektrums wurden eine Reihe von „kontroversen religiösen Themen“ abgefragt: Tabelle 2: Einstellung zu kontroversen religiösen Themen 2005 (Prozentwerte) 78 Muslimische Frauen sollten in der Öffentlichkeit generell ein Kopftuch tragen Es würde mir keine Probleme bereiten, wenn mein Sohn eine Nichtmuslimin heiraten würde Es würde mir keine Probleme bereiten, wenn meine Tochter einen Nichtmuslimen heiraten würde Ich finde, am Sportunterricht oder an Klassenfahrten sollten Mädchen und Jungen nicht gemeinsam teilnehmen Ich finde es wichtig, dass Religion und Staat getrennt sind Stimme voll zu Stimme eher zu Stimme eher nicht zu Stimme gar nicht Keine Angabe zu 33,8 12,8 13,6 29,7 10,1 28,7 10,1 8,7 48,3 4,2 26,3 8,1 8 53,3 4,2 21,3 8,7 3,6 65,1 1,3 62,9 8,2 3,6 18,2 7,1 Bereits an dieser Stelle illustrieren die Zustimmungs- bzw. Ablehnungsraten, dass die sich als mehr oder weniger stark religiös verstehenden Muslime ein breites Meinungsspektrum vertreten, das „jedoch im Vergleich zum Jahr 2000 stärker in konservative Richtung“79 tendiert. Die Haltung zu diesen Problemen wurde sowohl mit der persönlichen Einschätzung der eigenen Religiosität korreliert als auch mit der Zugehörigkeit zu den Moscheeverbänden. Die Autoren summieren: „Nicht überraschend ist, dass religiöse Muslime insgesamt eine deutlich konservativere Haltung aufweisen als nicht Religiöse. Besonders stark sind die Differenzen bei den nichtmuslimischen Schwiegerkindern, weniger deutlich unterscheiden sich religiöse und nicht religiöse Muslime in der Frage des gemeinsamen Sportunterrichts. Die Mitglieder von Moscheevereinen sind erwartungsgemäß konservativer als Nichtmitglieder. Doch erweisen sich VIKZ-Mitglieder am konservativsten, gefolgt 70 A.a.O. A.a.O.: 24. 72 2000 59,3%, 2005 77,4% (a.a.O.). 73 2000 62,2%, 2005 74,3% (a.a.O.). 74 2000 23,5%, 2005 34,9% (a.a.O.). 75 2000 68,4%, 2005 58,4% (a.a.O.: 28). 76 In erster Linie Korankurse und „Religiöse Betreuung“: 2000 70,9%, 2005 62,9% (Mehrfachnennung möglich, a.a.O. 31). 77 2000 18,3%, 2005 26,2% (Mehrfachnennung möglich, a.a.O.). 78 A.a.O.: 62, bzw. für die letzte Frage 59. Die Fragen wurden in einem Block gestellt (vgl. A.a.O.: 88). 79 A.a.O.: 62. 71 Seite 20 von 76 von IGMG-Mitgliedern. Beide Gruppen befürworten alle das Kopftuchtragen und lehnen den gemeinsamen Sportunterricht überdurchschnittlich häufig ab. Mit Abstand folgen Mitglieder von DITIB“.80 Parallel dazu kommt eine weitere Umfrage des Zentrums für Türkeistudien, die bezüglich des Verhältnisses zwischen Migranten und Zuwanderungsgesellschaft zusätzliche 81 Selbsteinschätzung unter dem leitenden Begriffspaar ‚türkisch-deutsch’ gestellt hat, Fragen zur zu folgenden Ergebnissen bezüglich des Verhältnisses zu Deutschland, bzw. zur Selbsteinschätzung bezüglich der eigenen Identität ‚als Türke’: Tabelle 4: Zustimmung bzw. Ablehnung zu Items mit der Beschreibung kultureller Zugehörigkeit und Marginalisierung (Zeilenprozent)82 Ich fühle mich in Deutschland zuhause Ich fühle mich manchmal hin- und hergerissen zwischen der Türkei und Deutschland Manchmal fühle ich mich heimatlos und weiß nicht, wohin ich gehöre Eigentlich fühle ich mich weder in Deutschland noch in der Türkei richtig zu Hause Ich finde es eigentlich einfach, die deutsche und die türkische Lebensweise zusammenzubringen Ich fühle mich den Deutschen ziemlich nahe Wir Türken müssen aufpassen, dass wir nicht allmählich zu Deutschen werden Wir Türken müssen unter uns bleiben, um unsere türkische Lebensart nicht zu verlieren Wir Türken sollen möglichst nur unter uns heiraten Stimme zu Teils/teils Stimme nicht zu 56,9 46,7 41,1 30,0 27,3 12,2 47,3 15,4 17,4 21,2 19,1 13,6 17,8 19,5 17,2 15,3 8,9 10,1 21,9 34,1 45,3 52,3 53,2 70,6 37,4 75,5 72,5 Das Resümee der Studie bezüglich der Daten ist eindeutig: „Somit fühlen sich die meisten türkischstämmigen Migranten zwar in Deutschland zuhause, aber den Deutschen nicht nahe und somit – so ist zu vermuten – bezieht sich das Heimatgefühl auf die türkische Community und auf das engere (türkische?) Umfeld“.83 Und bezüglich des Zusammenhangs zwischen Religion und Marginalisierung fügen die Autoren hinzu: „Der Grad der Religiosität wirkt sich ganz eindeutig auf das Zugehörigkeitsgefühl aus: Je (muslimisch-)religiöser die Befragten sind, desto weniger fühlen sie sich der christlich geprägten, bundesdeutschen Gesellschaft zugehörig“.84 Erkennbar ist ein großer Teil der Muslime ihrer Religion verbunden. Gleichzeitig existiert ein breites Meinungsspektrum dazu, wie diese Religiosität konkret in der deutschen Gesellschaft zu leben ist, das vor allen von der Frage geprägt zu sein scheint, inwieweit das jeweils ‚Eigene’ – das nach wie vor aus einer Gemengelage aus ‚türkisch sein’ und ‚muslimisch sein’ besteht – durch das sich Einlassen auf die Zuwanderungsgesellschaft gefährdet ist. So bestätigt sich das im vorigen Abschnitt skizzierte breite Spektrum zwischen einem Pol von Menschen, die aktive Gestalter der deutschen Gesellschaft 80 A.a.O.: 64. Zentrum für Türkeistudien 2004, die Daten dieser Umfrage stammen aus dem Jahr 2001. 82 A.a.O.: 37, bzw. 39. 83 A.a.O. 84 A.a.O. 81 Seite 21 von 76 geworden sind, dem Gegenpol von Menschen, die in eine Parallelgesellschaft zurückgewichen sind und – so ist hinzuzufügen – einer Gruppe dazwischen, die zwischen beiden Polen navigiert, ohne ein recht klares Ziel zu haben, wohin es gehen soll. Gleichzeitig scheinen die Daten auch der einfachen Formel recht zu geben, eine niedrige Religiosität sei eine Voraussetzung für gelingende Integration. 2.2.3 Dimensionen der muslimischen Pluralisierung Es ist aus einer ganzen Reihe von Gründen davon auszugehen, dass diese eindimensionale Sicht inadäquat ist, und der entscheidende ist der bereits mehrfach angesprochene, dass ‚der Islam’ für die türkischstämmigen Migranten ja nur ein Element eines pluralen Komplexes aus traditionellen, nationalen, regional-familiären und religiösen Wertebeständen darstellt. Doch selbst wenn die Formel zutrifft, hat sie als zentraler Beleg für die Notwendigkeit eines islamischen Religionsunterrichts zu gelten, denn die zwangsläufig anschließende Frage ist, wohin sich die muslimischen Diskurse entwickeln, und was die deutsche Gesellschaft und ihre Institutionen dazu tun können, bzw. müssen, damit das nach wie vor fragile Verhältnis zwischen ihnen und den Zuwanderern sich festigt. Die Frage nach dem Weg, den die muslimischen Diskurse in Zukunft nehmen, ist ohne Zweifel der umstrittenste und meistdiskutierte Themenkomplex im hier zu analysierenden Feld. Die Fülle der Literatur und der Positionen in diesem Bereich auch nur ansatzweise zu diskutieren, würde den vorliegenden Rahmen sprengen.85 Deswegen sollen im folgenden nur eine Reihe von Schlaglichtern bezüglich des deutschen Diskursfeldes skizziert werden. Dem Unternehmen, Strukturen innerhalb eines Pluralisierungsvorgangs zu identifizieren, haftet stets etwas paradoxes an. Bedeutet doch Pluralisierung, dass Menschen sich von vorgegebenen Mustern lösen, um neuen, individuell zusammengestellten Verbindungen von Mustern zu folgen – eine adäquate Beschreibung des Vorgangs, der derzeit unter den muslimischen Migranten in Deutschland abläuft. Am ehesten kann man diesem Paradox entkommen, indem man versucht, Bezugspunkte zu beschreiben, auf die sich die je individuellen Konstruktionen bevorzugt stützen. Fünf solcher Bezugspunkte lassen sich in diesem Feld identifizieren86: Die Herkunftsnationalität, die Herkunftstradition, der Islam aufgefasst als transnationale, universelle Heilsreligion, eine aus unterschiedlichen Quellen schöpfende individualisierte islamische Religiosität und zuletzt die von den sich als religiös verstehenden Muslimen mehrheitlich nicht als Bestandteil ihrer Diskurse akzeptierte muslimische Islamkritik. Zwischen diesen Feldern gibt es eine überraschende Fülle von Kombinationsmöglichkeiten, wobei freilich nicht alle Bezugspunkte in gleichem Maße kompatibel 85 Der Themenkomplex wird zum einen unter der Leitidee der Auseinandersetzung mit der Moderne diskutiert, vgl. aus der unübersehbaren Fülle der Literatur z.B. Abou El Fadl 2003, Al-Azm 1993, Göle und Ammann (Hg.) 2004, Heller und Mosbahi (Hg.) 1998, Mernissi 1996, Stauth (Hg.) 1998, Tibi 1991, Trautner 1999 u.v.a.; zum anderen unter dem Leitbegriff des ‚Fundamentalismus, vgl. für dieses ebenfalls enorm breite Feld an Veröffentlichungen den paradigmatischen Band von Meyer 1991, sowie u.a. Armstrong 2004, Riesebrodt 2000, Schieder 2001. 86 Die hier entwickelten Kategorien bauen auf einem Schema von Bernhard Giesen (1999) auf, erweitern und modifizieren es jedoch. Seite 22 von 76 sind. Im folgenden sollen die Bezugspunkte in ihren wichtigsten Bedeutungsdimensionen beschrieben werden, sowie typische vorfindbare Verbindungen. An den Anfang müssen allerdings noch einige Vorbemerkungen gestellt werden. Die Frage, wer sich aus welchen Gründen für welche Form von Religiosität entscheidet, kann allein aus dem, was auf den folgenden Seiten beschrieben wird, nicht erklärt werden. Zu viele andere Faktoren aus der Lebenswelt der Migranten spielen dabei eine Rolle: Wie stark ist die Einstellung der Eltern ausgeprägt? Wie ist das Lebensumfeld der Eltern, leben sie nur unter Migranten, haben sie Kontakte zu Deutschen und welche Qualität besitzen die Kontakte? Wie sieht das soziale Netzwerk der Person selbst aus? Woher stammt der Ehepartner und welche Position nimmt er ein? Und natürlich als entscheidender Faktor: Wie gebildet ist der oder die Betreffende – speziell in sprachlicher Hinsicht? Mit anderen Worten: Das gesamte soziale Umfeld und die Biographie des einzelnen Menschen gehört ebenfalls zu den Faktoren, aus denen heraus er seine religiöse Position konstruiert. Diese Seite kann im folgenden nicht analysiert werden. Es wäre aber genauso verfehlt, das soziale und kulturelle Umfeld als den allein bestimmenden Faktor für die religiöse Überzeugung der Migranten zu betrachten. Religiöse Entscheidungen werden auch in entscheidendem Maße nach inhaltlichen Kriterien getroffen und es ist diese Ebene, die im folgenden skizziert werden soll. Je wichtiger dabei für einen Menschen die Rolle der eigenen Religiosität im Leben ist, desto stärker sieht er sich in die Diskussionen der Inhalte involviert. Dabei finden sich unter den Migranten – genauso wie unter den Kirchenmitgliedern in Deutschland – sowohl eine Menge von Menschen, für die die eigene Religiosität der Lebensmittelpunkt oder zumindest ein entscheidender Lebensfaktor ist (mit Max Weber sollen diese Personen im folgenden als religiöse „Virtuosen“ angesprochen werden87), als auch eine Fülle von Menschen, vermutlich auch unter den Migranten die Mehrheit, die zwar der Religion positiv gegenüberstehen und die in ihrem Leben religiöse Elemente aufweisen, für die aber die Religion letztlich keinen zentralen Lebensfaktor darstellt (im folgenden als ‚Nichtvirtuosen’ angesprochen).88 In der Außenperspektive erwecken Muslime oft den Eindruck, durchwegs religiöse Virtuosen zu sein, ein Eindruck, den religiös virtuose Muslime nicht selten voll Enthusiasmus bestätigen und verstärken. Er entsteht teilweise durch die spezielle Struktur von Begegnungssituationen, wie z.B. Besuchen in Moscheen, in denen sich bevorzugt religiöse Virtuosen aufhalten, während man über die nichtvirtuose Religiosität in der Fläche kaum Bilder hat. Weitreichender noch als solche Eindrücke jedoch wirken 87 Weber 1980: 327f. Während Weber jedoch die Virtuosen durchwegs einem gesonderten religiösen Stand zuordnet, wird sein Konzept hier weiter gefasst und davon ausgegangen, dass es auch unter nicht theologisch gebildeten Laien solche religiöse Virtuosen gibt. 88 Die in Tabelle 1 im vorigen Abschnitt wiedergegebenen Umfrageergebnisse lassen sich auch in dieser Richtung interpretieren. Fasst man die beiden Mittelkategorien „Eher religiös“ und „Eher nicht religiös“ zusammen, dann könnte man 66,2% der Migranten als religiöse Nichtvirtuosen verstehen, neben 28,1% religiösen Virtuosen und 5,8% Areligiösen. Das ist ein Profil, das vom Spektrum christlicher Religiosität in den Großkirchen gar nicht so weit entfernt ist (vgl. z.B. Kirchenamt der EKD 2003). Seite 23 von 76 bestimmte, auch durch die Massenmedien verstärkte Bilder der Orthopraxie, sprich einer Reihe von rituellen Vollzügen, wie dem Gebet, dem Fasten, aber auch dem Tragen des Kopftuchs bei den Frauen. Diese Vollzüge – die wie die im vorigen Abschnitt wiedergegebenen Zahlen belegen, selbst nur von einem Teil der Muslime regelmäßig ausgeführt werden – werden jedoch aus völlig unterschiedlichen Gründen praktiziert, so dass man auch mit voller Berechtigung von einer Pluralisierung hinter der Orthopraxie sprechen kann.89 Ein weiterer Grund für die Verstärkung der ‚Einheitsvermutung’ liegt darin, dass sie für viele Muslime selbst ein zentrales Ideal darstellt, und daher von ihnen aktiv gefördert wird. Das Leitbild des Islam als einer einfachen, einheitlichen Religion der Solidarität besitzt einen emotional hoch aufgeladenen symbolischen Wert, den es mit einigen anderen Symbolen teilt, so z.B. dem Koran und dem Propheten Mohammed. Der hohe Wert, den diese Größen darstellen, äußert sich darin, dass kritische Diskussionen, die es ja innerhalb des muslimischen Diskursfelds in Fülle gibt, sozusagen stets ‚unterhalb’ dieser gemeinsamen Symbole der Einigkeit bleiben. Die verbindenden Symbole bleiben als Grundwerte unberührt, wer sie direkt und/oder gar öffentlich kritisch diskutiert, riskiert mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit, sich damit auf eine hochprekäre Außenseiterposition zu stellen. Im folgenden werden nun die oben angesprochenen fünf Bezugspunkte der Identitätsstiftung vertieft erläutert. Schon aus Platzgründen können dabei jeweils nur schlaglichtartig einige wichtige Aspekte dargestellt werden. 2.2.3.1 Der traditionalistische Bezugspunkt der Identitätskonstruktion Als die türkischstämmigen Migranten nach Deutschland kamen, hatten sie die kulturellen, religiösen und sozialen Selbstverständlichkeiten und unhinterfragbaren Denk- und Handlungsmuster ihrer Herkunftskultur gleichsam ‚im Gepäck’. Diese Selbstverständlichkeiten erweisen sich als ein Gemisch aus Familientraditionen, lokalen Bräuchen, regionalen islamischen Traditionen, einem mehr oder weniger kompetenten Grundwissen über den Islam und noch einer Reihe weiterer Elemente. Zwar waren sich die meisten Migranten diffus der Tatsache bewusst, in Deutschland auf eine völlig andere Kultur zu treffen, aber welchen Mustern der neuen Lebenswelt man sich anpassen musste und welche eigenen Muster man beibehalten sollte, konnte oder wollte, wurde zu einer der schwierigsten Fragen ihrer neuen Existenz. Im Zuge dieser Auseinandersetzung kann der Bezug zur eigenen mitgebrachten Tradition in eine ‚traditionalistische’ Identitätskonstruktion umgeformt werden. Im Kontext einer Lebenssituation von Migranten ist damit eine Haltung gemeint, die die jeweils historisch gewachsenen Selbstverständlichkeiten des Herkunftslandes als unveränderliche und auch unter sich wandelnden äußeren und inneren Bedingungen statisch einzuhaltende Idealformen des Denkens und Handelns überhöht. Es muss hier betont werden, dass nicht der Traditionsbezug als solcher das Kennzeichen 89 So schreibt Yasemin Karakaşoğlu-Aydın treffend, dass „eine Kategorisierung der Religiosität entsprechend der nach außen sichtbaren religiösen Orientierung ebenso wenig über die tatsächliche religiöse Orientierung aussagt, wie die Zuordnung aufgrund der ansozialisierten Religion“ (Karakaşoğlu-Aydın 2000: 413). Seite 24 von 76 traditionalistischer Identitätskonstruktionen ist – auch alle anderen Positionen stützen sich intensiv auf die Tradition und schöpfen aus ihr – sondern die Behauptung, die eigene Praxis der Ausübung von Traditionen und Bräuchen bilde auch für die eigenen Nachkommen ungeachtet ihrer völlig anderen Lebenssituation die einzig wählbare verbindliche Wahrheit. Die Haltung kann sogar noch deutlich weiter gehen, und die je eigenen Überzeugungen und/oder Idealvorstellungen generell als überzeitliche und überkontextuelle Wahrheiten verfechten. Traditionalistische Argumentationen bezüglich des Islam beharren auf dem von ihnen gewählten historischen Bezugspunkt als dem Punkt idealer, ‚wahrer’ Religion und lehnen Neuinterpretationen der eigenen Glaubensgrundlagen über diesen Stand hinaus als zwangsläufige Verfälschungen ab: „Der islamische Glaube braucht keine Reformen, Veränderungen und Erneuerungen. ... Die Thesen einiger Radikaler, Konvertiten und Reformer sind komplett falsch. Im Islam gibt es keine Reformen. ... Reformen und Veränderungen können nur in verdorbenen Religionen, in menschlichen Ideologien und Lehren durchgeführt werden“.90 Der historische ‚Nullpunkt’, also anders gesagt, der Ort in der Geschichte, an der nach der eigenen Überzeugung der ‚wahre’ Islam optimal verwirklicht wurde, kann dabei recht unterschiedlich gewählt werden. Nicht selten bildet das osmanische Reich diesen idealen Bezugspunkt, weil sich hier für türkischstämmige Migranten traditionalistische und nationalistische Identitätskonstruktionen optimal verschmelzen lassen. Dementsprechend finden sich bezüglich der Frage der Kontrolle individueller Religiosität und ethischer Alltagspraxis bei Traditionalisten starke Sympathien für politische Ideen, die staatliche Legitimation und Politik von einem diffus an ein türkisch-kulturelles Element gebundenen Islam herleiten. Auf der Ebene der Kontrolle der individuellen religiösen und ethischmoralischen Alltagspraxis, die in den Herkunftsregionen traditionell in den Händen der Familien und der lokalen Community lag,91 wird die Kontrolle diesen Instanzen gegen die sich wandelnden Wertund Sozialbezüge weiterhin zugeschrieben und es wird als überlebensnotwendig für Religion und Gemeinschaft postuliert, dass das Gefüge der traditionellen sozialen Regelungen auch in der neuen Lebenswelt unverändert aufrechterhalten wird. Traditionalistische Identitätskonstruktionen finden sich natürlich nicht selten als Verteidigungsstrategie zwischen den Generationen in einer Migrationssituation. Je stärker sie in der zweiten Generation als verbindlicher Maßstab erhalten bleiben, desto mehr steigt zwangsläufig die Wahrscheinlichkeit der Bildung einer Parallelgesellschaft, da Bräuche und Denkweisen der Herkunftsgesellschaft nur in einem von der Zuwanderungsgesellschaft sozial abgeschirmten Schutzraum gleichsam ‚museal’ aufrechterhalten werden können.92 90 Aus der der IGMG nahestehenden Zeitung „Milli Gazete“ vom 9. September 2005, S.4, zitiert nach Bundesministerium des Innern 2006a: 218. 91 Vgl. z.B. Ausländerbeauftragte des Senats von Berlin (Hg.) 1997. 92 Sauer und Şen beschreiben diesen Vorgang als „Segregation“ (vgl. dies. 2006). Die Meinungen gehen in der Forschung und in der öffentlichen Diskussion auseinander, wie stark der Einfluss solcher Räume tatsächlich ist. Seite 25 von 76 Doch zuviel hat sich in der Lebenssituation der jüngeren Generationen verändert, als dass die Lebensmodelle der Älteren mehrheitlich ungebrochen übernommen werden könnten.93 Damit wird eine Fülle von Überzeugungen und Lebensgewohnheiten, die in der Generation der Migranten noch den Status unhinterfragter und unhinterfragbarer Selbstverständlichkeiten besaßen, nun zum Diskussionsgegenstand unter den Jüngeren.94 Eine Reihe von Untersuchungen belegen in detaillierten Schilderungen eindrucksvoll die pluralen Glaubenskonstruktionen junger Muslimas und Muslime und die hochindividualisierten Positionsbestimmungen zwischen den Eltern, der Migrantencommunity (deren Erwartungen sich ebenfalls nach Generationen differenziert), sowie den Anforderungsfeldern der Zuwanderungsgesellschaft.95 Ein entscheidende, aber von der Forschung noch völlig asymmetrisch angegangene Frage ist dabei die Genderproblematik: Während die Dynamik zwischen dem ‚neuen Islam der Frauen’ und traditionalistischen Vorstellungen breit dokumentiert ist,96 gibt es so gut wie keine entsprechenden Untersuchungen für die muslimischen Männer.97 2.2.3.2 Der universalistisch verstandene Islam als Bezugspunkt der Identitätskonstruktion Für eine große Zahl religiös virtuoser junger Muslimas und Muslime in Deutschland ist der von ihnen bevorzugte alternative Bezugspunkt zum traditionellen und/oder traditionalistischen Islam der Generation ihrer Eltern ein Konzept des Islam als universalistischer Religion: Wie das Christentum auch besitzt der Islam die Idee, jenseits kultureller und nationaler Traditionen eine Religion für alle Menschen zu sein. Es ist die Vorstellung einer universellen Heilsreligion, die diese Gruppe inspiriert, Gerade wissenschaftliche oder journalistische Arbeiten die aus diesen Räumen berichten, tragen viel zur Polarisierung der Debatten über die Integrationsfähigkeit türkischstämmiger Migranten oder ‚des Islam’ überhaupt bei. Auf Seiten der deutschen Öffentlichkeit werden entsprechende Berichte nicht selten zum ‚wahren Gesicht’ der Migranten oder ‚des Islam’ hochstilisiert. Gleichzeitig werden sie – von allem wenn sie von ‚Kulturmuslimen’ kommen – von nicht wenigen muslimischen Vertretern als ‚Nestbeschmutzung’ abgewehrt. Dennoch sind Arbeiten wie z.B. Gür 1993 oder Kelek 2006 als kritische Beschreibungen bestimmter Migranten‚Milieus’ ernst zu nehmen und müssen in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden. 93 Vgl. u.a. Şen 1996. 94 Hier muss eine Ungleichzeitigkeit konstatiert werden. Vor allem durch den Nachzug von Familienmitgliedern und (künftigen) Ehepartnern (vgl. Beauftragte der Bundesregierung 2005: 358-378, Goldberg, Halm und Şen 2004: 15-18, Sauer und Şen 2006) treten immer wieder neue Protagonisten aus den Herkunftsländern mit ihren mitgebrachten Selbstverständlichkeiten in die Diskurse ein, freilich schon aus zeitgeschichtlichen Gründen nicht mehr dieselben Selbstverständlichkeiten wie die der Migranten älterer Jahrgänge. 95 Vgl. u.a. Klinkhammer 2000, Karakaşoğlu-Aydın 2000, Kelek 2002, Tietze 2001. 96 Eine Fülle von Veröffentlichungen dokumentiert die grundlegende Dynamik der weiblichen Diskurse für die Weiterentwicklung der islamischen Diskurse insgesamt (vgl. dazu u.a. die Überblicksbände von Klein-Hessling et al. (Hg.) 1999 und Saliba et al. (Hg.) 2002). Diese Entwicklung findet auch in der Gründung eigener Netzwerke ihren Ausdruck, wie Gritt Klinkhammer skizziert: „Die zunehmende Differenzierung in der zweiten Generation bezieht sich auch auf die Fraueninitiativen. ... Ihr stärkstes Interesse gilt dabei der Erziehungs- und Bildungsarbeit ... . Mit der Fokussierung auf den Bereich Bildung und Erziehung treiben derzeit besonders die muslimischen Frauen eine Intellektualisierung des Islam voran, die damit das Ziel der Institutionalisierung eines eigenständigen Islam in Deutschland anzustreben scheinen...“ Klinkhammer 2000: 103. Bereits 1996 erschien z.B. ein erster von Muslimas erstellter „Muslimischer Frauen-Almanach“ (vgl. Huda – Netzwerk für muslimische Frauen e.V. 1996). 97 Freilich gibt es zahlreiche Hinweise auf massive Probleme männlicher Muslime bezüglich der von unterschiedlichen Seiten an sie herangetragenen Erwartungen der „gender performance“ (Buchbinder 1994) in der deutschen Lebenswelt (vgl. z.B. Tietze 2001 und Kelek 2002). Als ein erster programmatischer Text in diese Richtung kann Kelek 2006 gelten. Seite 26 von 76 an den Traditionen vorbei ‚ad fontes’ zu gehen und so von den Gründungsdokumenten her den ‚wahren’ Islam zu finden, bzw. wiederherzustellen.98 Die Gegensatzbildung zwischen einem „wahren“ und einem „traditionellen“ Islam99 wird bevorzugt von der jüngeren Generation formuliert: „Ich könnte dir jetzt kein konkretes Beispiel nennen, das ist eine hauchfeine Linie zwischen Tradition und Islam. Alles das, was nicht Koran ist, das ist halt Tradition. Viele Traditionen können natürlich gut sein. Nicht alle Traditionen werden vom Islam abgelehnt. Aber es ist so, wenn etwas wirklich ganz eindeutig gegen des Islam steht, dann hat man das zu vermeiden, für sich selber schon“.100 Mit der Benutzung des Begriffs „wahr“ für die je eigene Überzeugung wird dreierlei ausgedrückt: Zum einen wird eine Distanz zu Termini wie ‚modern’ oder ‚aufgeklärt’ genommen, was einerseits den Vorteil hat, dass man in Diskussionen selbst nicht in den Sog dieser ‚westlichen’ Begriffe kommt, was andererseits aber auch die eigene kritische Distanz zu einer als säkularisiert aufgefassten Zuwanderungsgesellschaft zum Ausdruck bringt. Gleichzeitig erlaubt der Begriff ‚wahr’ eine Kritik an überkommenen Praktiken der Familie und der Community im Namen des Islam als gemeinsamer idealer Wertegrundlage. So formulierte der Gründer und Mentor eines unabhängigen Vereins von Muslimen aus der jüngeren Generation den Gegensatz zwischen der mitgebrachten ‚Kultur’ und der mitgebrachten ‚Religion’ programmatisch: „Heute ist unsere Arbeit (...) diese Kultur von diesem Islam zu trennen.“101 Zum dritten ermöglicht die Vorstellung eines ‚wahren Islam’ einen eigenständigen Zugang zur Zuwanderergesellschaft auf der Basis eines von ihr zunächst einmal unabhängigen Wertesystems. Dies ist nicht nur als eine individuelle Alltagsstrategie zu verstehen, sondern auch als eine kollektive diskursive Position, die zunehmend häufiger in der Gründung eigener Netzwerke organisatorische Gestalt annimmt.102 Dies steht auch damit in Zusammenhang, „...dass sich junge Muslime enttäuscht von den herkömmlichen Verbänden abwenden, weil sie von ihnen keine ausreichenden Lösungen ihrer Fragen und Probleme erwarten können. Daher zeichnet sich eine – von den Verbänden misstrauisch beobachtete – Herausbildung neuer Strukturen muslimischen Vereinslebens ab. Die neu gegründeten Vereine sind häufig lokal begrenzt, verfolgen sehr konkrete Absichten ihrer Mitglieder und betonen ihre Unabhängigkeit von den großen Verbänden“.103 Die individuelle Suche nach islamischen Quellen, die es den Muslimen erlauben, eigenständige Interpretationen des Islam zu formulieren, ist dabei freilich in entscheidender Weise von der je persönlichen Sprachkompetenz und Bildung abhängig. Die Zahl der islamischen Verlage und die 98 Es ist kein Zufall, dass diese Form der Identitätskonstruktion sich am stärksten dem Anliegen widmet, außerhalb der Migrantencommunity ‚Da’wa’ zu betreiben, sprich Menschen aktiv und werbend für den Islam zu gewinnen (vgl. z.B. Haus des Islam 1983 oder die Autobiographie von Kandemir, die sich als islamische ‚Erweckungsbiographie’ lesen lässt (Kandemir 2005). 99 Vgl. auch beispielsweise Tietze 2001: 130. 100 Interviewzitat aus: Klinkhammer 2000: 170. 101 Engelbrecht 2006a: 256. 102 A.a.O. Vgl. auch Klinkhammer 2000: 103. 103 Lemmen 2005: 185. Zu einer Skizze eines solchen Vereins im Großraum Nürnberg vgl. Engelbrecht 2006a. Seite 27 von 76 Menge von islamischer theologischer Literatur in deutscher Sprache nimmt zwar zu104 ihre Nutzung hängt aber in entscheidender Weise davon ab, dass die Muslime in der Lage sind, die Barriere zu durchbrechen, die eine lediglich ‚alltagstaugliche’ Sprachkompetenz für eine intensive Nutzung dieser wachsenden Infrastruktur bedeutet. Mit anderen Worten: All diejenigen Migranten, deren deutsche Sprachkenntnisse unter diesem Level liegen, bleiben schon aus Sprachgründen auf die türkischislamischen Vereine und ihre Theologie angewiesen. Damit steigt auch zwangsläufig die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich den dort primär vertretenen traditionalistischen und nationalistischen Identitätskonstruktionen anschließen. Gerade was den Durchbruch der Muslime in Deutschland durch die ‚Sprachmauer’ betrifft, ist die wichtige Rolle zu konstatieren, die in diesem Zusammenhang den deutschen Konvertiten zum Islam und einer beträchtlichen Anzahl höher qualifizierter Zuwanderer aus anderen islamischen Ländern zukommt. Sie haben über die Jahre eine Fülle von Organisationen gegründet, theologische Arbeit in deutscher Sprache geleistet und eine weit über ihre Anzahl hinaus bedeutende Funktion als Vermittler und Übersetzer ausgeübt.105 Der Löwenanteil der Etablierung eines islamischen Diskurses in deutscher Sprache wurde von dieser Gruppe geleistet. Allerdings scheitert auch sie nicht selten an der Sprachbarriere, diesmal in die umgekehrte Richtung. Allein schon die Tatsache, dass in praktisch allen von türkisch-islamischen Verbänden geleiteten Moscheen die Umgangssprache weiterhin ungebrochen Türkisch ist, setzt der Reichweite der deutschsprachigen Netzwerke enge Grenzen. Was die Frage der Kontrolle individuellen Handelns auf religiöser wie auf alltagspraktischer und politischer Ebene betrifft, gibt es in den universalistischen Diskursen zwei Schwerpunkte. Die entscheidende Trennungslinie zwischen beiden betrifft das Staats- und Politikverständnis und verläuft zwischen zwei Positionen, die ganz gewiss nicht zufällig grundsätzliche Parallelen zu der Unterscheidung Max Webers zwischen Verantwortungs- und Gesinnungsethik aufweisen.106 Vertreter der ersten, im Weberschen Sinne verantwortungsethischen Position fordern angesichts der Tatsache, dass die je eigene Religion – selbst in einer Mehrheitssituation – Gesellschaft stets nur im Prozess der beständigen demokratischen Aushandlung von Kompromissen gestalten kann, dass sich auch Muslime auf Dauer als partikulare Kraft in einem demokratischen, nicht von den Werten einer einzelnen Religion dominierten Gefüge verstehen müssen.107 Die andere Position ist die gesinnungsethische Überzeugung, eine schnelle oder auch allmähliche Auflösung des pluralen demokratischen Prozesses hin auf eine wie auch immer geartete in der je eigenen religiösen Überzeugung gegründete Gesellschaftsform würde eine bessere Gesellschaft schaffen, als die, die Demokratien hervorzubringen in der Lage sind.108 Die Vorstellung einer friedlichen, ja u.U. sogar einer ‚demokratischen’ 104 Klinkhammer 2000: 103. Vgl. als einige Beispiele aus einer ganzen Fülle Hofmann 1995 oder Aries 1992, 1995. 106 Vgl. Weber 1997: 328. 107 Vgl. dazu z.B. Abou el Fadl 2001, Heller und Mosbahi 1998 u.a. 108 Vgl. dazu Graulich 2005: 87 Abschnitt 3.3. 105 Seite 28 von 76 Herbeiführung einer ‚Theokratie’ ist eine unter Vertretern dieser Position weit verbreitete Vision, doch gerade an dieser Stelle beginnt auch die Diskussion um die Frage der Erlaubtheit oder gar Gebotenheit von Gewaltanwendung.109 Im übrigen ist theokratischen Vorstellungen aus soziologischer Sicht die treffende Bemerkung des muslimischen Exegeten Nasr Hamid Abu Zaid entgegenzuhalten, dass stets „die Herrschaft Gottes nur bedeutet, daß diejenigen herrschen, die in seinem Namen sprechen“.110 In ähnlicher Weise verläuft auch die Diskussion für die Frage der Verantwortung und der Kontrolle der individuellen religiösen Praxis und des ethischen Verhaltens im Alltag zwischen Verfechtern einer sozialen Kontrolle, diesmal aber nicht von Familie und sozialem Umfeld, sondern von der in direkter Absetzung zu traditionalistischen Vorstellungen formulierten religiösen Gemeinschaft der Gläubigen einerseits und den Verfechtern einer individuellen Verantwortlichkeit vor Gott andererseits.111 Die letzte Position sei anhand einer programmatischen Äußerung aus einer aktuellen religiösen Autobiographie illustriert. Die Autorin plädiert für die regelmäßige Ausübung des Gebets und trägt selbst ein Kopftuch112: „Ich versuchte während des Betens, nicht an tausend andere Dinge zu denken und war in diesen Minuten wirklich weg. Diese Erfahrung der Hingabe und der Versenkung färbte auch auf andere Lebensbereiche ab. So versuche ich seit dieser Zeit alles, was ich tue, mit vollem Bewusstsein zu verrichten, nicht nur das Gebet. Nur so entwickelt das Handeln seine volle Wirkung. Das ist auch der Grund dafür, warum im Glauben nichts gewaltsam oder durch bloße Vorschriften erzwungen werden kann, wie das auch im Koran steht. >Kein Zwang im Glauben!<, heißt es in Sure 2:256. Wenn Menschen gezwungen werden, zu beten, einen Glauben zu praktizieren oder ein Kopftuch zu tragen, dann bringt das nichts. Dann passiert das nicht durch eigenen Willen und daher auch ohne Bewusstsein. In diesem Zusammenhang muss die islamische Welt noch sehr viel lernen, den in vielen so genannte islamischen Regimes denken die Herrschenden offensichtlich, durch Zwangsmaßnahmen den wahren Islam verbreiten zu können – welch tragischer Irrtum!“113 Äußerungen wie die genannte können als paradigmatisch für die Position einer zahlenmäßig nicht kleinen Gruppe junger, religiös virtuoser Muslime betrachtet werden, die einen hohen Wert auf die Orthopraxie legen, sie jedoch in einen völlig neuen Kontext stellen. Statt sie als religiösen Standard zu etablieren, deuten sie sie als eine individuell verantwortete, aber nichtsdestotrotz auch sozial ausstrahlende spirituelle Praxis.114 Die zunehmende Attraktivität universalistischer Positionen unter 109 Vgl. dazu z.B. für die Diskussion im ägyptischen Raum Humeid 2005. Abu Zaid 2001: 44. 111 Vgl. dazu u.a. Gerlach 2006. 112 Die Debatte um ‚das Kopftuch’ auch nur in Ansätzen zu führen, würde den Rahmen dieser Darstellung sprengen. Sie kann deshalb hier nur allgemein im Rahmen der Frage der Orthopraxie und ihrer theologischen Verankerung aufgegriffen werden. Vgl. zur ‚Kopftuchfrage’ aus der Fülle der Veröffentlichungen vertieft u.a. Akkent und Franger 1987, Besier und Seiwert 2004, Frauen in der Einen Welt (Hg.) 1999, Karakaşoğlu-Aydın 2002, Mernissi 1992 , von Braun und Mathes 2007. 113 Kandemir 2005: 176. 114 Zwar finden sich vergleichbare Deutungen der religiösen Praxis in den islamischen Traditionen schon seit langem, vor allem in der islamischen Mystik (vgl. dazu z.B. Schimmel 1990), allerdings darf Sufismus angesichts der enormen Breite dieser Bewegungen nicht vorschnell als ‚modernekompatible’ Richtung etikettiert 110 Seite 29 von 76 religiös virtuosen jungen Muslimen und Muslimas liegt daran, dass es vor allem diese Art der Identitätskonstruktion ist, die diesen Menschen die Option einer „doppelten Distanzierung“ 115 von den Eltern und von der Zuwanderungsgesellschaft erlaubt, die aber auch gleichzeitig die Option einer doppelten Zuwendung aus einer eigenständigen Position heraus sein kann. 2.2.3.3 Der nationalistische Bezugspunkt der Identitätskonstruktion Gleichsam quer zu der beschriebenen Auseinandersetzung liegt der nächste Bezugspunkt der Identitätskonstruktion, der nationalistische. Diese Form der Identitätskonstruktion ist – teils als überzeugt laizistische, teils in Verschmelzung mit einer traditionell religiösen Einstellung (ideologisch überhöht in der ‚Türkisch-islamische Synthese’ vgl. Abschnitt 2.2.1) – mit der wichtigste Bezugspunkt der Identitätskonstruktion in der ersten und der zweiten Generation der türkischstämmigen Zuwanderer, ein Bezugspunkt, der in seiner hochprekären Problematik in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch fast völlig hinter der ‚Islamismusdebatte’ verschwindet. Auch hier muss einer Reihe von weitverbreiteten Fehldeutungen vorgebeugt werden. Es ist nicht nationalistisch im hier gemeinten Sinne, eine lebenslange intensive Beziehung zum Herkunftsland zu haben und es ist ebenfalls nicht nationalistisch, sich selbst sowohl als Teil der Herkunftskultur als auch der Zuwanderungskultur zu fühlen.116 Eine nationalistische Identitätskonstruktion liegt dann vor, wenn eine konstruktive Zuwendung zur Zuwanderungsgesellschaft als Verrat an einer schicksalhaften Bestimmung zur Herkunftskultur gesehen wird, oder wenn mit anderen Worten die Integration in Deutschland als Schwächung einer statisch konzipierten nationalistisch überhöhten Identitätskonstruktion verstanden und Herkunftskultur und Zuwanderungskultur so gegeneinander ausgespielt werden. In diesem Zusammenhang darf allerdings der Faktor der besonderen sozialen Lage der Migranten als nach wie vor von der Zuwanderungsgesellschaft nicht voll akzeptierter Gruppe nicht ignoriert werden. ‚Türkentum’ und ‚Türke Sein’ als ideologische Überhöhungen sind, so ist sich die wissenschaftliche Literatur in großer Mehrheit einig, in starkem Maße auch Gegenbegriffe zur Abgrenzung gegen eine deutsche Zuwanderungsgesellschaft, die es nicht verstanden hat, die türkischstämmigen Migranten aktiv einzubeziehen. Das führte nicht selten dazu, dass die aus der Herkunftsgesellschaft mitgebrachten nationalen Deutungsmuster in einen rückwärts gewandten Nationalismus umgeformt wurden. ‚Türke sein’, egal ob in einer religiösen oder einer areligiösen Variante, wurde so zu einer stützenden Gegenidentität, die nicht zuletzt auch dazu beiträgt, Diskriminierungserfahrungen zu werden (vgl. z.B. Frembgen 1993). Von Sufi-Orden inspirierte Bewegungen unter den türkisch-islamischen Verbänden sind z.B. VIKZ und die Nurculuk Bewegung (vgl. Schiffauer 1997: 190-220), es existiert aber auch eine große Zahl von kleineren Vereinen großer religiöser und politischer Bandbreite (vgl. z.B. Engelbrecht 1998: 45, 59, 68 und 114ff). 115 Klinkhammer 2000: 247 in Zitation von Werner Schiffauer. 116 Diese Haltung wird von Sauer und Şen als „Mehrfachintegration“ bezeichnet (vgl. dies. 2006). Seite 30 von 76 kompensieren.117 Wie tiefgehend diese Identitätskonstruktion prägen und wie sie sich emotional gegen das Zuwanderungsland richten kann, fasst der Vorsitzende der ‚Islamischen Religionsgemeinschaft Erlangen’ an einem Beispiel zusammen, das sowohl die Zerrissenheit vieler Migranten beispielhaft illustriert, als auch zeigt, dass dieses Problem auch innerhalb der Migrantencommunity durchaus als Problem wahrgenommen und diskutiert wird: „Wenn die Türkei gegen Deutschland Fußball spielt und die Türken unterstützen die Türkei hab ich dafür vollkommen Verständnis. Egal ob sie einen deutschen Pass haben oder nicht. Aber wenn Peru gegen Deutschland Fußball spielt und die Türken unterstützen Peru, das kann ich nicht verstehen. Da ist ein gewisser Hass, sie wollen, dass Deutschland nicht gewinnt. Und darum sage ich den Politikern, sie sollen sie umarmen und sagen: Mensch, ihr seid unsere Bürger.“118 Freilich pluralisiert sich auch der nationalistische Bezugspunkt in der zweiten Generation. So beschreiben diverse Untersuchungen Identitätskonstruktionen, in denen nationalistische Attitüden auch bei Muslimen zu finden sind, die versuchen, sich beruflich und sozial in der Zuwanderungsgesellschaft zu verankern.119 Dennoch spricht Nicola Tietze zu Recht von der „Ambivalenz“120 solcher Konstruktionen. Sie können nur bestehen, wenn vermittelnde Größen zwischen der nationalistischen Überhöhung des Herkunfts- und der Abwertung des Zuwanderungslandes zwischengeschaltet werden – nicht selten sind dies islamische Überzeugungen der einen oder anderen Form. Was die Frage des Staatskonzepts und der sozialen Kontrolle religiösen und ethischen Alltagshandelns betrifft, so gibt es dazu auch innerhalb der nationalistischen Diskurse unterschiedliche Positionen. Ein Schwerpunkt wird von einer Kombination von Nationalismus, Laizismus und einer Tendenz zur Zurückweisung der sozialen Kontrolle der eigenen Religiosität gebildet. Es sind vor allem Verfechter dieser weit verbreiteten Einstellung, die den Verband DITIB als Repräsentanten der eigenen Position verstehen, weil der Verband in der Überzeugung dieser Gruppe für den Erfolg des „Modells Türkei“ steht, das allein einen Islam ohne theokratische ‚hidden agenda’ sicherstellen kann (vgl. Abschnitt 2.2.4). In Fragen des Staatsverständnisses – insbesondere in seinem Verhältnis zur Religion existiert unter den Nationalisten ein breites Spektrum an Mischformen, dessen einer politischer Pol von der eben skizzierten Haltung gebildet wird. Am anderen Ende stehen die Verfechter der „Türkisch- 117 Nach Sauer und Şen kann die „... Ethnisierung durch die Aufnahmegesellschaft in eine Selbst- oder Re-Ethnisierung der Migranten umgedeutet werden ... Re-Ethnisierung oder Segmentation als betonte Identifikation mit dem Minoritätenstatus zur selbstgewählten Abgrenzung gegenüber einer Gesellschaft, die die Minorität als Andere bezeichnet und sie deshalb ausschließt, zielt darauf ab, den scheinbaren Makel und die zugeschriebene diskriminierende Identität in eine positive Identifikationsbasis umzumünzen und so Selbstbewusstsein und Selbstbestimmtheit und letztendlich Anerkennung in der Aufnahmegesellschaft zu erreichen.“ (dies. 2006). Vgl. dazu auch z.B. Goldberg, Halm und Şen 2004: 4-6, Kelek 2002: 146-154, und Tietze 2001: 42 als Beispiel der Konstruktion einer solchen Gegenidentität. 118 Interview mit dem Vorsitzenden der Islamischen Religionsgemeinschaft Erlangen, Abs. 91. 119 Vgl. die Positionen der Gesprächspartner zum Thema Nationalität bei Tietze 2001 und Klinkhammer 2000. 120 Tietze 2001. Seite 31 von 76 islamischen Synthese“121, die – wenn die nationalistische Seite dominiert z.T. bei DITIB, z.T. aber auch bei ADÜTDF122 und verwandten Organisationen ihren Platz suchen. Positionen, bei denen der traditionalistisch-religiöse Identitätsanteil den nationalistischen überwiegt, finden sich hingegen in fast allen türkisch-islamischen Verbänden. Politisch wählen sie in Diskussionen statt der Republik Türkei gerne das osmanische Reich als idealen Bezugspunkt (vgl. Abschnitt 2.2.3.1). Was die sozial-religiöse Kontrolle des Alltagslebens angeht, beginnt das Spektrum auf der religiös-nationalistischen Seite mit den in Abschnitt 2.2.3.1 skizzierten traditionalistischen Haltungen, die bei anderen Laizisten pragmatischeren und offeneren Haltungen weicht, die in Einzelfällen bis hin zu den in Abschnitt 2.2.3.4 skizzierten religiösen Identitätskonstruktionen reichen kann. 2.2.3.4 Individualisierte islamische Identitätskonstruktionen Unter den universalistischen und laizistisch-nationalistischen Identitätskonstruktionen gibt es eine Variante, die als eigener Schwerpunkt zu werten ist. Die Betreffenden unterscheiden sich inhaltlich von den skizzierten Grundhaltungen häufig nur in Nuancen, die entscheidende Differenz liegt in der Verhältnisbestimmung zwischen dem Individuum und der religiösen Gemeinschaft. Mit großer Eindeutigkeit vertreten diese Menschen die Überzeugung, dass die Einschätzung der Frömmigkeit des Individuums ungeachtet der religiöse Praxis nur in der Beziehung zwischen dem Individuum und Gott selbst geklärt werden kann, und dass ethisch-moralische Entscheidungen vor Gott und nicht vor einer – egal ob traditionalistisch oder universalistisch verstandenen – religiösen Gemeinschaft zu verantworten sind. Gritt Klinkhammer beschreibt beispielsweise eine junge Muslima, die sich als „Osmanin“123 versteht, dies aber nicht als politische Option, sondern als Aufforderung zur „Umsetzung von >Nächstenliebe<“ deutet.124 Wie gar nicht so selten unter Muslimen sieht sie den Islam mehr als eine Aufhebung der Gegensätze zwischen den monotheistischen Traditionen und als deren Versöhnung, denn als eine Gegenkraft zu Christentum und Judentum: „Man sollte versuchen, nicht zu sagen, das ist ihr Christentum und das ist der Islam. Es geht um einen Gott und um einen Glauben ..., daß es keine Unterschiede gibt, daß man versuchen sollte, Gemeinsamkeiten zu finden in den Religionen. Ich glaube daran, daß der Islam so eine Vollendung ist.“125 Ihre Überzeugung, dass ihre religiöse Verantwortung allein in ihrer Gottesbeziehung ruht und nicht in einem Anspruch der Gemeinschaft an sie, liegt freilich nicht daran, dass sie den Bezug und die Eingebundenheit in eine Community (die gar nicht religiös sein muss) nicht zu schätzen weiß. Sie entwirft ihre persönliche Utopie der Verbindung zwischen ‚türkischer’ Solidarität und ‚deutschem’ 121 Vgl. Seufert 1997: 83ff. Vgl. Zentrum für Türkeistudien 1997: 150-154. 123 Klinkhammer 2000: 190. 124 A.a.O.: 187. 125 A.a.O.: 188. 122 Seite 32 von 76 Respekt vor dem Individuum: „...was ich einfach negativ finde an der türkische Gesellschaft, auf jeden Fall negativ finde, daß wenig Respekt vor der persönlichen Freiheit des einzelnen in der ersten Gesellschaft [erste Generation der türkischen Migranten] da ist. Ja? Also daß man nicht sagt >OK, das ist dein Leben, du hast zu entscheiden<, ich denk’ so die Mitte zwischen der deutschen und der türkischen Gesellschaft in dem Punkt, wenn man die finden könnte, das wäre ideal“.126 In dem Feld dieser Identitätskonstruktion (sozusagen ein Pluralismus innerhalb des Pluralismus) stößt man auch auf Muslime, die bezüglich der Quellen, die sie im Raum ihrer individuellen Beziehung zu Gott für sich nutzen, auch über die Grenzen islamischer Traditionen hinausgehen, ohne deshalb ihr Selbstverständnis als Muslime aufzugeben. Hilal Sezgin zeichnet in ihrem journalistischen Streifzug durch die Lebenswelt von türkischstämmigen Zuwanderinnen eine Reihe von solchen Frauen, die sich als Muslime verstehen, ihre Frömmigkeit aber in einer hochindividuellen, eigenständigen Weise praktizieren und entwickeln.127 Sie zitiert eine ihrer Gesprächspartnerinnen bezüglich ihrer spirituellen Quellen: „Ich sag immer: Sandmännchen, Pippi Langstrumpf, Herrmann Hesse, Annemarie Schimmel, Mevlana und Kafka“.128 Mehr als auf jede andere Form der Identitätskonstruktion trifft auf diese die Bezeichnung ‚unsichtbare Muslime’ zu, denn Migranten mit solchen Spiritualitätsvorstellungen sind nicht nur kaum erforscht, sie stehen auch praktisch nicht in Verbindung zu religiösen Vereinen. Die zahlenmäßige Stärke von Menschen mit vergleichbaren Haltungen und Überzeugungen ist noch schwerer einzuschätzen als die der anderen skizzierten Identitätskonstruktionen. Doch religiöse Glaubensgemeinschaft verweigern, über ihre Frömmigkeit mitzubestimmen Menschen, 129 die 130 und ‚Bastler’ es der die sich ihre Religiosität aus den unterschiedlichsten Quellen zusammenstellen, gibt es natürlich auch in großer Zahl unter den Muslimen, auch wenn sie sich nicht gerne ihrer eigenen Community offenbaren. 2.2.3.5 Muslime ‚jenseits’ des Islam und die Frage eines offenen Diskurses Noch weit problematischer als für dieses Profil ist die Beziehung zwischen Muslimen, die eine andere Religion wählen oder solchen, die sich generell von der Religion abwenden, und den muslimischen Diskursfeldern. Die Spannungen zwischen beiden Haltungen entzündeten sich u.a. auch an der Besetzung der jüngst vom Bundesinnenministerium einberufenen Islamkonferenz am 27. September 2006 in Berlin. Irmgard Pinn monierte beispielsweise, die Veranstalter hätten eine Reihe von Personen eingeladen, die „nur noch nominell Muslime sind und entsprechend wenig Interesse an religiösen Belangen haben (bzw. im Gegenteil das Interesse, die Position religiöser Muslime und ihrer 126 A.a.O.: 191. Vgl. Sezgin 2006. 128 A.a.O.: 118. 129 Vgl. Engelbrecht 2006a und b. 130 Vgl. zum Begriff Hitzler 1999b. 127 Seite 33 von 76 Vertretungen zu schwächen).“131 Nun ist zu konstatieren, dass auch eine christliche Kirche es ohne Zweifel kaum akzeptieren würde, wenn ein Mensch, der die Zugehörigkeit zu ihr aufgekündigt hat, beansprucht, in ihrem Namen zu sprechen. Macht es also vor diesem Hintergrund überhaupt Sinn, die „Kultur-Muslime“132, wie diese weite und in sich selbst überaus plurale Gruppe zunehmend etikettiert wird, als eine Form muslimischer Identitätskonstruktion zu betrachten? Betrachtet man die Muslime in Deutschland als eine ‚Religionsgemeinschaft’ im Sinne des der Rechtsprechung zugrundeliegenden Begriffs, dann ist es ohne Zweifel nicht sinnvoll, diese Gruppe noch als Teil des muslimischen Diskursfelds anzusprechen. Dass diese Sichtweise jedoch nicht die ganze Komplexität der Wirklichkeit erfasst, beschreibt Yasemin Karakaşoğlu-Aydın am Beispiel von ihr befragter Studentinnen, die der islamischen Religion innerlich den Rücken zugewendet haben: „Der Bezug zum Islam wird zumindest nominell zur Fortführung eines Kontakts zur Familie beibehalten, auch wenn die eigene innere Einstellung sich atheistischen Vorstellungen angenähert hat. Eine offene Ablehnung des Bekenntnisses zum Islam wird ... aus Furcht vor Entsolidarisierung in Familie und ethnischer Community nicht riskiert. Dabei wird auf den Grundsatz des ‚religiösen Bekenntnisses als Privatsache’ rekurriert, was dann ebenfalls für das ‚nicht-Bekenntnis’ zu gelten habe. Dies verweist auf die Dominanz des Islam als gemeinschaftsstärkende, aber auch auf die Gemeinschaft verpflichtende Kraft für Migranten und Migrantinnen aus traditionellen Familien“.133 Jenseits der in den grundgesetzlichen Regelungen wurzelnden Vorstellung einer individuellen Religionszugehörigkeit, die mit einem Akt des Austritts endet (und auf die Muslime interessanter Weise implizit Bezug nehmen, wenn sie kritisieren, dass solche Personen von Seiten der deutschen Behörden als ‚muslimische Ansprechpartner’ apostrophiert werden), ist ein sich nicht mehr als gläubig verstehender Muslim weiterhin einem religiös-sozialen Kraftfeld ausgesetzt, dem er sich nur durch einen Rückzug von der Migrantencommunity – und damit u.U. von seiner eigenen Familie – entziehen kann. Die beträchtliche persönliche und biographische Problematik der Personen, die von ihrem muslimischen Umfeld in irgendeiner Weise als ‚Apostaten’ gedeutet werden, belegt auch ein Abschnitt der islamischen Charta des Zentralrats der Muslime in Deutschland, ein Dokument, das in gleicher Weise als Signal an die deutsche Öffentlichkeit wie an die Muslime in Deutschland gelesen werden muss. In Abschnitt 11. wird über die Pflichten von Muslimen im Geltungsbereich des Grundgesetzes explizit formuliert: „Daher akzeptieren sie auch das Recht, die Religion zu wechseln, eine andere oder gar keine Religion zu haben“.134 Mit den nicht mehr gläubigen Muslimen und darüber hinaus auch mit dem Islamkritikern mit muslimischem Hintergrund in einen offenen und konstruktiven Dialog zu treten, stellt in mehrfacher 131 Pinn 2006: 6. A.a.O. 133 Karakaşoğlu-Aydın 2000: 415. 134 Zentralrat der Muslime in Deutschland 2006: 3 132 Seite 34 von 76 Hinsicht eine Nagelprobe für die muslimischen Diskurse dahingehend dar, ob sie bereit sind, sich wirklich als konstruktiver Teil einer auf Dauer nichtmuslimischen, pluralistischen Demokratie zu verstehen. Dahinter steht allerdings auch, was der deutsche Muslim Wolf Aries weitsichtig als die eigentliche Herausforderung für die muslimischen Diskurse formuliert hat: „Als erstes muß sich die >umma< der Tatsache stellen, dass sie ihren Widerspruch, die >moslemischen Atheisten< selbst produziert.“135 Vor diesem Hintergrund machen auch die Einladungen des Bundesinnenministeriums Sinn: Sie sind nicht zu verstehen als der Versuch, den muslimischen Diskursen eine bestimmte Religionsdefinition aufzunötigen, sondern sie geben dem Anliegen Ausdruck, innerhalb der muslimischen Diskursfelder auch den von diesen Feldern ‚Betroffenen’, die sich selbst nicht (mehr) unbedingt als Gläubige verstehen, Stimme zu verleihen. 2.2.4 Die muslimischen Verbände Im folgenden wird nun versucht, für die Frage der potentiellen Repräsentanz der muslimischen Verbände für die Vielfalt der muslimischen Diskurse in Deutschland empirische Befunde anzuführen, die eine Klärung erlauben. Am Anfang stehen ein Überblick und aktuelle Mitgliedschaftszahlen, sowie Zahlen zu der Frage, wie viele Muslime sich selbst durch die Verbände repräsentiert sehen. Anschließend werden eine Reihe von Verbänden in Kurzportraits mit ihrem jeweiligen diskursiven Spektrum vorgestellt. Angesichts der mittlerweile fast unübersehbaren Vielfalt islamischer Organisationen beschränkt sich die Darstellung dabei auf vier relevante Beispielfälle (2.2.4.1-2.2.4.4). Als die muslimischen Zuwanderer nach Deutschland einreisten, betraten sie – anders als beispielsweise katholische Arbeitsmigranten – bezüglich ihrer Religion einen Leerraum. Ein schmaler, bildungsferner Ausschnitt aus dem gesamttürkischen religiösen Diskurs war plötzlich zum Aufbau einer eigenen Infrastruktur genötigt. Relativ schnell entstanden die ersten Gebetsräume und Moscheevereine durch Eigeninitiative religiöser Migranten, die die Vorbeter aus ihren eigenen Reihen rekrutierten.136 Bereits wenige Jahre später begann ein komplexer und längst nicht immer konfliktfreier Prozess 137 Moscheeverbände, des Anschlusses dieser lokalen Einrichtungen an entstehende die jeweils ihren Ausgangspunkt in der Türkei haben und bis heute in enger Verbindung zur Türkei stehen und von dort theologische und politische Impulse empfangen.138 Diese Verbände stellen für die Migranten eine Reihe von wichtigen religiösen und sozialen Dienstleistungen bereit, unter anderem bringen sie Geistliche aus der Türkei nach Deutschland. Allerdings kann nicht davon gesprochen werden, dass mit der Etablierung der Verbände ein eigenständiger islamischer Einwandererdiskurs ‚vervollständigt’ wurde. Vielmehr gilt, was ein Funktionär eines Vereins aus dem 135 Aries 1992: 224. Goldberg, Halm und Sen 2004: 103. 137 Vgl. beispielsweise für die Geschichte der Etablierung der Verbände in Augsburg Schiffauer 1997: 190-211. 138 Vgl. z.B. Dietrich 2006, Gür 1993, Heitmeyer et al. (Hg.) 1996, Heitmeyer et al. 1997, Lemmen 2005, Schiffauer 1997 und 2000, Zentrum für Türkeistudien 1997. 136 Seite 35 von 76 Nürnberger Raum unverblümt formulierte: „Der Verband ist unsere Brücke zur Türkei“.139 Die Diskurse der Migranten wurden über die türkisch-islamischen Verbände für mehrere Dekaden intensiv an die innertürkischen Diskurse rückgebunden. Mittlerweile weisen eine ganze Reihe von Autoren darauf hin, dass die Verbände im Laufe der Zeit doch zu einer zunehmend stärkeren Hinwendung zur deutschen Gesellschaft gefunden haben,140 wobei sich die Frage stellt, ob sie damit nicht einfach den Bedürfnissen ihrer Mitglieder nachgeben. Denn mit der Zeit kamen natürlich auch die Funktionäre der Verbände nicht darum herum zu erkennen, dass die Probleme und Herausforderungen der Migranten zunehmend von denen der Muslime im Herkunftsland abweichen. Die starken Bindungen an das Herkunftsland, die anfangs die Basis der Dienstleistungen und der Attraktivität der Verbände ausmachten, erweisen sich nun als zunehmend ambivalent. Das Zentrum für Türkeistudien resümiert: „Tatsache ist, daß die türkisch-islamischen Organisationen durch den Aufbau und stetigen Ausbau einer religiös-sozialen Infrastruktur einem von Seiten der Mehrheitsgesellschaft nicht beachteten Bedürfnis eines wachsenden Teils der muslimischen Minderheit, ihre Religion zu praktizieren, nachkommen. Sie haben sich als Anbieter sozialer und religiöser Infrastruktur etabliert. Freilich unterhalten sie nach wie vor mehrheitlich Verbindungen zu konservativen bzw. nationalistischen bis islamistischen Parteien in der Türkei. Dies erweist sich als dem von ihnen angestrebten Imagewandel von einer extremistischen Exil-/Außenstelle einer türkischen Partei oder Bewegung zu einer Migranten-Selbstorganisation nach wie vor als abträglich“.141 Neben den großen türkisch-islamischen Verbänden etablierten sich zahlreiche kleine Vereine, die von deutschen Muslimen oder Migranten aus anderen Ländern gegründet wurden. Mit dem „Zentralrat der Muslime“ und dem „Islamrat“ wurden zwei Versuche unternommen, für die Vielzahl der Organisationen ein gemeinsames Dach zu bilden. In neuerer Zeit entstand, angestoßen von der Herausforderung des islamischen Religionsunterrichts, eine neue Form von Dachverbänden auf Länderebene. Nach der bereits in Abschnitt 2.2.2.2 ausführlich zitierten Umfrage des Zentrums für Türkeistudien gaben im Jahr 2005 23,3% der Befragten an, selbst einem der Verbände anzugehören, weitere 21,5% gaben an, ein Familienmitglied gehöre einem Verband an.142 Von diesen beiden Gruppen sind ihrerseits 76,8 % bei DITIB organisiert, 7% bei IGMG und 4,2 % bei VIKZ.143 Kein anderer Verband zählt ansonsten mehr als 2% der organisierten Muslime zu seinen Mitgliedern. Auf die absoluten Zahlen der türkischen Migranten umgerechnet sind damit 34% der Muslime selbst oder über ein Familienmitglied bei DITIB organisiert, 3% bei IGMG und 2% bei VIKZ. Beschränkt man sich auf die tatsächlich eingetragenen Mitglieder, dann sinken die Zahlen weiter: 17% der Muslime sind bei DITIB, 2% bei IGMG und 1% bei VIKZ organisiert. Alle andere Vereine liegen zahlenmäßig 139 Engelbrecht 1998: 92. Vgl. z.B. Dietrich 2006: 163 für DITIB. 141 Zentrum für Türkeistudien 1997: 114f. 142 Zentrum für Türkeistudien 2005: 35. 143 A.a.O.: 36. 140 Seite 36 von 76 darunter. Regelmäßig wird von Verbandsseite das Argument vorgebracht, dass „eine formale Mitgliedschaft nicht der islamischen Tradition entspricht“,144 deshalb sei im folgenden auch kurz wiedergegeben, in welchem Ausmaß sich die Befragten von den Dachverbänden repräsentiert fühlen, unabhängig davon, ob sie selbst Mitglieder sind oder nicht. Hier zeigt sich ein noch deutlicheres Profil: 51,5% fühlen sich von DITIB repräsentiert (2000 = 57,9%), gefolgt von einer Gruppe von 24,3% die sich mit keinem der Verbände identifizieren (2000 = 16,6%). 3 % nannten IGMG (2000 = 6%) als den Verband, der am ehesten für ihre Einstellung steht.145 Betrachtet man ausschließlich die nicht Organisierten, dann wird der Gegensatz noch schärfer: 46,1% fühlen sich von DITIB vertreten, 29,8% von gar keinem Verband. Kein weiterer muslimischer Verband kommt auf mehr als 2% Zustimmung.146 ZMD, Islamrat oder einer der jüngeren länderbezogenen Vereinigungen tauchen in den Tabellen gar nicht auf, spielen also für die türkischstämmigen Muslime offenbar keine Rolle, weder als Mitgliedsorganisation (als die sie sich ja selbst fast ausnahmslos nicht verstehen) noch als Repräsentant der Einstellung. Das Zentrum für Türkeistudien billigt DITIB eine ganz eindeutig dominierende Position zu, summiert aber lapidar: „Somit kann kein Verband für sich in Anspruch nehmen, die Muslime in Deutschland zu vertreten“.147 Angesichts der Vielzahl der Vereine und Verbände sollen im folgenden nur vier exemplarisch näher behandelt werden und zwar DITIB, IGMG, ZMD und Schura Niedersachsen, da sie für relevante Typen islamischer Organisationen in Deutschland stehen.148 2.2.4.1 DITIB (Diyanet Đşleri Türk Islam Birliği) Mit der Gründung von DITIB „reagierte der türkische Staat auf die Situation, dass sich in der Bundesrepublik zahlreiche religiöse Vereine, z.T. mit Unterstützung radikaler Gruppen aus der Türkei, um die religiösen Belange der Türken kümmerten und dabei auch antilaizistische und antikemalistische Haltungen vertraten. Dem sollte ein Riegel vorgeschoben werden“.149 DITIB ist, darin sind sich die wissenschaftlichen Beobachter ungeachtet der von Seiten des Verbandes vorgebrachten Relativierungen150 einig, eine nach wie vor vom türkischen Staat in Gestalt seines Ministeriums für Religiöse Angelegenheiten151 geleitete und geprägte Organisation.152 DITIB 144 A.a.O.: 39. A.a.O.: 39f. 146 A.a.O. 40f. 147 A.a.O.: 41. 148 Vgl. zu rechtlichen und Satzungsfragen bezüglich dieser Verbände Dietrich 2006. 149 Goldberg, Halm und Şen 2004: 103. 150 Vgl. z.B. Alboğa 2005. 151 Zur Funktion und gesetzlichen Fundierung dieser Einrichtung schreibt Gür: „Das Ministerium für Religiöse Angelegenheiten wurde am 3. März 1924 in Ankara aufgrund des Gesetzes Nr. 429 als dem Ministerpräsidenten unterstellte Institution geschaffen, >die über die Lehre der islamischen Religion und ihren Kultus entscheiden, die diesbezüglichen Amtsgeschäfte versehen und religiöse Einrichtungen führen< sollte. In Artikel 136 der neuen, 1982 verabschiedeten Verfassung heißt es ergänzend zu den Zielen der Institution: >Das Ministerium für Religiöse Angelegenheiten versieht seine Aufgaben jenseits irgendeines politischen Denkens auf Grundlage des laizistischen Prinzips im Dienste des Zusammenhalts und der Einheit der Nation<“. Gür 1993: 18. 145 Seite 37 von 76 etablierte sich erst Anfang der 80er Jahre – also vergleichsweise spät – in Deutschland, erreichte aber schnell seine starke Stellung unter den islamischen Verbänden und hält sie bis heute. Das erzeugt eine in mehrfacher Hinsicht paradoxe Situation. Schon aus den oben genannten Zahlen wird deutlich, dass von allen islamischen Verbänden in Deutschland allein DITIB beanspruchen kann, mehr als nur einen kleinen Bruchteil der deutschen Muslime organisiert zu haben. Es gibt allerdings eine Reihe von Gründen, die dafür sprechen, dass der Erfolg von DITIB sich genau der Verbindung verdankt, die der Verband in der deutschen Öffentlichkeit gerne herunterspielt, nämlich seiner Verankerung im Ministerium für Religiöse Angelegenheiten der Türkei (DIYANET). Zu Recht erwähnt das Zentrum für Türkeistudien „das hohe Vertrauen, das das >türkische Modell< mit der staatlichen Verwaltung der religiösen Infrastruktur“153 unter den türkischstämmigen Migranten genießt. Mit anderen Worten, eine vergleichsweise große Zahl der türkischstämmigen Muslime favorisiert DITIB, weil er für die Form eines staatlich kontrollierten Islam steht, die sie kennen und der sie vertrauen. In dieselbe Richtung weist ein weiteres Resultat der bereits mehrfach zitierten Umfrage: In Antwort auf die Frage „Wer sollte für den Inhalt des Islamunterrichts verantwortlich sein?“154 befürworteten 50,5% der Befragten „die Einsetzung einer Kommission aus Vertretern der deutschen Schulbehörden, islamischer Organisationen und des türkischen Staates, auch wenn ein solches Modell realistisch nicht eingesetzt werden kann“.155 Dazu meint das Zentrum für Türkeistudien: „Offensichtlich glaubt man durch diese Dreier-Kommission am ehesten den wahren Islam, der aber zugleich frei von fundamentalistischen Strömungen ist, zu garantieren“.156 Doch die Stärke von DITIB – seine Verbindung zum laizistischen türkischen Staat – ist auch seine Schwäche. Die Abhängigkeit von den aus der Türkei entsandten Imamen im türkischen Staatsdienst157 festigt auf Dauer die Bindung an die andere Säule des staatlich-türkischen Selbstverständnisses, nämlich den Nationalismus, der auch in den z.B. in Bayern verwendeten Lehrplänen des „Ministeriums für religiöse Angelegenheiten“ deutlichen Ausdruck findet.158 Damit verbunden ist ein Alleinvertretungsanspruch, der in vielerlei Form zum Ausdruck kommt.159 Es ist schon deshalb als 152 Vgl. weiterhin z.B. Dietrich 2006: 154f, Engelbrecht 1998: 103ff, Lemmen 2005: 186 oder Beobachtungen, wie beispielsweise, dass DITIB beim runden Tisch der Niedersächsischen Landesregierung zum Thema „islamischer Religionsunterricht“ von Beamten des türkischen Konsulats vertreten wurde (Kiefer und Reichmuth 2006: Endnote 8). 153 Zentrum für Türkeistudien 2005: 59. 154 A.a.O.: 87. 155 A.a.O.: 54. 156 A.a.O. 157 Goldberg, Halm und Şen 2004: 104. 158 Vgl. Kiefer 2006: 16. „In den einschlägigen Richtlinien findet sich für die Jahrgangsstufen 1 bis 3 die Aussage, wonach die Religion die Forderung >Wir lieben unser Vaterland< an einen Muslim stelle. Für die Jahrgangsstufen 4 und 5 ist als Unterrichtseinheit IV >Liebe zum Vaterland< vorgesehen. Um welches Vaterland es sich handelt, zeigt die Ausführung: >Auch im Ausland denken wir an unsere Heimat<“ (Rohe 2001: 156, in Zitation des Amtsblattes des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus). 159 Vgl. Dahling-Sander 2005 Seite 38 von 76 überaus unwahrscheinlich einzuschätzen, dass DITIB tatsächlich bereit ist, mit anderen Verbänden eine Verbindung einzugehen, die mehr als strategischer Natur ist und die tatsächlich die grundgesetzliche Verpflichtung einer „Gewähr der Dauer“ erfüllt. Was das oben skizzierte Spektrum an muslimischen Identitätskonstruktionen betrifft, so finden sich bei DITIB zunächst einmal die überzeugten Laizisten unter den türkischstämmigen Muslimen. Neben ihnen ist aber auch ein guter Teil von Anhängern einer laizistisch gewendeten „türkisch-islamischen Synthese dort vertreten. Hier schlägt sich die eben skizzierte Verklammerung des türkischen Laizismus mit dem türkischen Nationalismus nieder. Aufgrund der de facto Abhängigkeit des Verbands vom türkischen Staat sind freilich die nationalistischen Wertbestände so tief in die Struktur von DITIB eingewoben, dass der integrative Wert, den die laizistische Position aus der Perspektive der Zuwanderungsgesellschaft ohne Zweifel besitzt, dadurch praktisch aufgewogen wird. Dies ist ein zentrales Problem im Kontext der muslimischen Diskurse in Deutschland, das durch die öffentliche Fokussierung auf die ‚Islamismusdebatte’ aus dem Blick zu geraten droht. Ein aus Sicht der Zuwanderungsgesellschaft noch so wünschenswerter Laizismus kann wenig zur Integration beitragen, wenn er um den Preis einer nachhaltigen und im Fall von DITIB strukturell praktisch unauflöslich verankerten türkisch-nationalistischen Identitätskonstruktion in dem in Abschnitt 2.2.3.3 definierten Sinne erkauft wird. 2.2.4.2 IGMG (Islamische Gemeinschaft Milli Görüş) Neben DITIB als quasi ‚halbstaatlichem’ Verband existiert in Deutschland eine ganze Reihe von privater Seite initiierten und geführten türkisch-islamischen Verbänden. Angesichts der Tatsache, dass diese Verbände in der Literatur über die letzten Dekaden breit und ausführlich dokumentiert wurden,160 soll hier exemplarisch nur die „Islamische Gemeinschaft Milli Görüş“ portraitiert werden, da sie der größte von ihnen ist. In mehrfacher Hinsicht ist die IGMG, bekannter als „Milli Görüş“ (nationale Sicht) die schillerndste Organisation der hier zu skizzierenden. 1976 gegründet161 steht sie nach übereinstimmender Aussage der beobachtenden Wissenschaftler in einer engen Verbindung zu Necmettin Erbakan und den von ihm gegründeten und geleiteten Parteien.162 Es wurde die „Sympathie seitens des Verbandes nie bestritten, wohl aber eine organisatorische Verflechtung. Zur jetzigen türkischen Regierungspartei hat Milli Görüş ebenfalls enge Verbindungen“.163 Die IGMG ist die einzige größere türkisch-islamische Organisation, die unter kontinuierlicher Beobachtung des Verfassungsschutzes steht.164 Bezüglich des 160 Vgl. z.B. Binswanger und Sipahioğlu 1988, Dietrich 2006, Goldberg, Halm und Şen 2004, Gür 1993, Heitmeyer et al. (Hg.) 1996, Heitmeyer et al. 1997, Lemmen 2000 und 2005, Schiffauer 1997 und 2000, Zentrum für Türkeistudien 1997 u.a. 161 Goldberg, Halm und Şen 2004: 105. 162 Vgl. z.B. Heitmeyer et al. 1997. 163 Goldberg, Halm und Şen 2004: 105. 164 Vgl. Bundesministerium des Innern (Hg.) 2006a: 215-222. Seite 39 von 76 Themas ‚islamischer Religionsunterricht’ kam die IGMG in die Schlagzeilen, denn die „Islamische Föderation“, die seit 2001 für die Erteilung des islamischen Religionsunterrichts im Bundesland Berlin zuständig ist, „gilt als verknüpft mit Milli Görüş und wird als fundamentalistisch eingestuft und vom Verfassungsschutz beobachtet“.165 Die IGMG ist Mitglied des „Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland“, des zweiten Dachverbands neben dem ZMD, den sie nicht nur „vor der Bedeutungslosigkeit“ 166 bewahrt hat, sondern den sie auch als dessen mit Abstand größter Verband nachhaltig prägt.167 Weiterhin ist die IGMG eng mit der Zeitung „Milli Gazete“ verbunden.168 Inhaltlich kommt der Verfassungsschutzbericht zu dem Schluss, dass die von Milli Görüş vertretenden Überzeugungen „die islamische Zivilisation in einem unüberbrückbaren Gegensatz zu den westlichen Gesellschaftssystemen sieht“.169 Gleichwohl bescheinigen eine Reihe von Autoren, dass innerhalb der Vereine der IGMG eine größere Bandbreite an Meinungen und Positionen existiert und auch eine – zumindest gewisse – Distanz zu den Überzeugungen des Verbandes durchaus möglich ist.170 Bezogen auf die oben skizzierten Identitätskonstruktionen lässt sich dieser Befund in gewisser Weise bestätigen. Es finden sich hier sowohl traditionalistisch-nationalistische als auch universalistische Positionen in großer Breite. Was sie verbindet, ist jedoch eine eindeutige Sympathie für eine Auflösung der Trennung zwischen Religion und Politik, sowohl in der Türkei als auch in Deutschland. Dies summiert ein junger Muslim pointiert so: „Also die Diyanet-Moschee ist gut für die Alten, die wegen Atatürk nicht mehr gläubig waren. Sie gehen dorthin. Das ist gut für sie. Aber das ist zu weich, ein zu softer Islam. Bei Milli Görüş ist es besser. Die sagen ehrlich, was sie denken. Sie wissen auch, daß man Politik und Religion nicht trennen kann“.171 Schon aus historischen Gründen (vgl. Abschnitt 2.2.1) ist die Wiederverbindung von Politik und Religion ein entscheidender Faktor im Selbstverständnis der meisten großen ‚privaten’ türkischislamischen Verbände. Wie sie vollzogen werden soll und welche institutionelle Gestalt sie annehmen soll, ist dabei der entscheidende Gegenstand intensiver Auseinandersetzungen, die von einer Reihe von Autoren zumindest als offen eingestuft werden.172 Freilich haben sich die meisten der Verbände – z.T. vielfach – zur Einhaltung der deutschen Gesetze bekannt und ihre Bereitschaft zum Dialog und 165 Zft Aktuell 107/2005: 10f. Vergleiche dazu auch Dantschke 2006, sowie Busch (Hg.) 2000. Dietrich 2006: 171. 167 A.a.O. 168 Vgl. Bundesministerium des Innern (Hg.) 2006a: A.a.O. 169 A.a.O.: 221. Auch das Zentrum für Türkeistudien kommt zu dem Fazit dass das in den Publikationen der IGMG vermittelte Weltbild „stark dichotomisch geprägt ist. Auf der einen Seite steht der Westen bzw. Europa, auf der anderen Seite stehen die Muslime“ (Zentrum für Türkeistudien 1997: 129). Selbst jüngste Veröffentlichungen stellen fest, dass die Ziele des Verbandes „eher ein Nebeneinander als eine Verschmelzung der Kulturen“ repräsentieren (Goldberg, Halm und Şen 2004: 106). 170 Vgl. z.B. die Portraits zweier junger Männer, die Mitglieder eines Jugendclubs von IGMG sind, bei Tietze 2001: 56-63. Ähnlich auch Dietrich 2006: 156. 171 Interview mit einem jungen türkischstämmigen Muslim, vgl. Tietze 2001: 166. 172 Vgl. u.a. Vgl. z.B. Binswanger und Sipahioğlu 1988, Heitmeyer et al. (Hg.) 1996, Heitmeyer et al. 1997, Schiffauer 1997 und 2000. 166 Seite 40 von 76 zur Zuwendung zur deutschen Gesellschaft auch z.T. in langjähriger, zumindest lokaler Kooperation unter Beweis gestellt. So ist Mathias Rohe Recht zu geben, der konstatiert, eine Zusammenarbeit im Rahmen des korporatistischen Modells sei in jedem Fall abzulehnen, „wenn die Religionsgemeinschaft auf die Verwirklichung einer theokratischen Herrschaft hinwirkt“,173 dann aber ergänzt: „Maßstab ist bei all diesen Voraussetzungen nicht der Glauben, sondern das Verhalten der Religionsgemeinschaft“.174 2.2.4.3 ZMD (Zentralrat der Muslime in Deutschland) Anders als die türkisch-islamischen Verbände versteht sich der ZMD als ein Dachverband, der von den Herkunftsländern seiner Mitglieder unabhängig die Aktivitäten der Muslime in Deutschland bündeln will. Hervorgegangen ist er aus dem 1986 gegründeten Islamischen Arbeitskreis,175 in dem tatsächlich einige Jahre die größten Verbände vereinigt waren. Freilich wurde die Reichweite des Dachverbandes durch die Austritte von IGMG (1993), DITIB (1994) und VIKZ (2000) stark geschwächt, so dass der Verband nun nur noch für eine minimale Zahl tatsächlicher Mitglieder sprechen kann. Der ZMD kann als typisch für Versuche gelten, in Deutschland über die Grenzen zwischen den türkisch-islamischen Verbänden hinweg eine gemeinsame Interessenvertretung zu begründen und gleichzeitig die Bedenken der Zuwanderergesellschaft gegen die Demokratiefähigkeit der Muslime auszuräumen, so z.B. durch die von ihm verabschiedete „Islamische Charta“.176 Dabei wirkt es nur auf den ersten Blick paradox, dass sowohl der frühere als auch der jetzige Vorsitzende die Chancen der Formung eines einheitlichen islamischen Verbandes in Deutschland überaus skeptisch beurteilen. So meint Nadeem Elyas, ehemaliger Vorsitzender zu den Chancen, DITIB und IGMG zurück in den ZMD zu bringen: „Das Wiedergewinnen der beiden Organisationen für den ZMD ist genauso unrealistisch wie das Einbringen aller islamischen Organisationen unter das Dach irgendeiner sonstigen vorhandenen Struktur“.177 Personell rekrutieren sich die Funktionäre der Dachverbände aus der relativ kleinen Gruppe von deutschen, nichttürkischen und – zumindest in jüngerer Zeit – auch zunehmend türkischstämmigen Muslimen, die einen deutschsprachigen islamischen Diskurs befürworten und durch z.T. langjährige Arbeit mit hohem persönlichen Einsatz fördern. Schon der Kontext legt nahe, dass türkisch173 Rohe 2001: 203. A.a.O. 175 Elias 2005: 14. 176 http://www.zentralrat.de/3035.php 177 Elyas 2005: 14. An dieser Stelle schildert Elyas auch neuere Bemühungen des ZMD um eine Organisation der deutschen Muslime. Der jetzige ZMD Vorstand Axel Ayyub Köhler wird in seiner Kritik der türkischislamischen Verbände noch deutlicher: „Selbst konstruktive Kritik an den Maßnahmen, den Finanzen und den Umgangsformen der Funktionäre gilt als Verrat am Islam – so predigen es die Funktionäre schon seit Generationen und haben sich damit unangreifbar gemacht ... In den meisten Gruppierungen ist die Kontrolle durch die Gemeinschaft von den Funktionären tabuisiert“. (Köhler 1997, zitiert nach Dantschke 2006: 119). Freilich finden sich „undurchsichtige Strukturen“ (Dietrich 2006: 150) zumindest in organisatorischer Hinsicht auch bei den Mitgliedseinrichtungen des ZMD und des Islamrats (a.a.O.: 150ff). 174 Seite 41 von 76 nationalistische Identitätskonstruktionen hier kaum zu finden sind, allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass solche Überzeugungen – insofern sie in zahlenmäßig großen Mitgliederorganisationen vertreten werden – auch auf die Diskussionen im Dachverband durchschlagen. Ansonsten dominieren hier die skizzierten universalistischen Identitätskonstruktionen in der ganzen Bandbreite dieses Spektrums. Verglichen mit den türkisch-islamischen Verbänden liegen die Stärken des ZMD, des Islamrats und des ganzen Spektrums der von deutschen und nichttürkischen Muslimen betriebenen Einrichtungen in ihrer relativen Unabhängigkeit178 und in ihrer vergleichsweise hohen Kompetenz im Umgang mit der deutschen Öffentlichkeit. Ungeachtet dessen weisen sie die Schwäche aller von den türkischislamischen Verbänden losgelösten Organisationen und Initiativen auf: Sie genießen zwar durch ihre Übersetzer- und Vermittlerrolle eine vergleichsweise starke öffentliche Präsenz,179 können aber reale Politik nicht an den türkisch-islamischen Verbänden vorbei betreiben, deren Positionen damit die gesamte Landschaft nach wie vor entscheidend prägen. 2.2.4.4 Schura Niedersachsen Die Schura Niedersachsen steht exemplarisch für eine neue Generation von muslimischen Organisationen in Deutschland, die versuchen, den Strukturwandel (mit)zugestalten, der mit der flächendeckenden Einführung eines islamischen Religionsunterrichts auf die muslimischen Diskursfelder in Deutschland zukommen wird.180 Anders als bei den vorher skizzierten Organisationen gibt es zu dieser neuen Gruppe von Verbänden noch vergleichsweise wenige analytische Darstellungen.181 Bis auf die „Islamische Religionsgemeinschaft Hessen e.V.“, die als einzige ausschließlich natürliche Personen (also keine Verbände oder Vereine) als Mitglieder zulässt, folgen jedoch auch diese Verbände dem üblichen Muster, sich als Dachorganisationen zu organisieren, nun jedoch erkennbar mit dem zentralen Ziel, für die Kultusbehörden der Bundesländer den religiösen Ansprechpartner für den islamischen Religionsunterricht in deutscher Sprache zu bilden. Schura Niedersachen e.V.182 wurde 2002 „als Landesverband der Muslime in Niedersachsen gegründet“183 und beanspruchte nach der Gründung „ca. 90 Prozent der Muslime in unserem Bundesland über ihre 178 Allerdings weist z.B. Dietrich darauf hin, dass auch eine ganze Reihe nicht türkisch-islamischer Organisationen Verbindungen „zu ausländischen Staaten und Organisationen“ aufweisen (Dietrich 2006: 154.). 179 Vgl. dazu vertieft Engelbrecht 2006a. 180 „Die bedeutendsten Zusammenschlüsse sind: Islamische Religionsgemeinschaft Schleswig-Holstein (2000 gegründet; 13 Mitglieder); SCHURA – Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg e.V. (1999 gegründet; 37 Mitglieder); SCHURA Niedersachsen – Landesverband der Muslime in Niedersachsen e.V. (2002 gegründet); Islamische Religionsgemeinschaft Hessen e.V. [IRH] (1997 gegründet 11 000 natürliche Personen); Zentralrat der Muslime in Baden-Württemberg e.V. (1994 gegründet; 60 Mitglieder); Islamische Religionsgemeinschaft in Bayern e.V.) (2001 gegründet; 19 Mitglieder). In der Islamischen Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg e.V. (IGBW) haben sich neuerdings die drei Antragsteller für die Einführung islamischen Religionsunterrichts in Baden-Württemberg (Institut für Islamische Erziehung e.V.; Islamische Gemeinde in Baden-Württemberg e.V.; Zentralrat der Muslime in Baden-Württemberg e.V.) zusammengeschlossen. (Lemmen 2005: 185). 181 Eine eingehendere Darstellung einer Reihe dieser Verbände liefert z.B. Dietrich 2006. 182 „Schura, ein arabisches Wort aus dem Quran, heißt soviel wie Beratung oder Ratsversammlung“ (Dogramaci 2003: 19). 183 A.a.O. Seite 42 von 76 mitwirkenden Moscheegemeinden erfasst“184 zu haben. Wird DITIB 2003 noch als „assoziiert“ geführt185 so wird aus neueren Äußerungen deutlich, dass die Verbindung mittlerweile nicht mehr existiert.186 Die Spektrum der inhaltlichen Diskurse innerhalb dieser Verbände ist derzeit noch schwer auszumachen. Die Tatsache allerdings, dass sie selbst wiederum Dachverbandscharakter aufweisen, legt die Vermutung nahe, dass die jeweils in den zahlenmäßig stärksten Mitgliederverbänden vertretenen Positionen auch die Position des Dachverbandes prägen. Insofern lässt sich davon ausgehen, dass – wenn deutsch und nichttürkisch geführte Einrichtungen überwiegen – universalistische Positionen und eher traditionalistische Positionen aus den anderen muslimischen Herkunftsländern vorherrschen. Sobald türkisch-islamische Vereine hinzukommen, treten türkischtraditionalistische und nationalistische Konstruktionen zumindest neben sie. Dass die Fragen des Politikverständnisses und der sozialen Kontrolle individueller Frömmigkeit auch in diesen Verbänden heftig diskutiert werden, wird an vielen Stellen deutlich. So schloss ein Funktionär der Schura Niedersachsen einen Beitrag zum Modellversuch für islamischen Religionsunterricht in Niedersachsen mit einem Aufruf ab, der die Vielschichtigkeit des Problems dokumentiert: „Wir wollen dann gern in den Predigten zum Freitagsgebet in den Moscheen den Gläubigen sagen können: bitte schickt die Kinder in diesen Unterricht. Es ist ursprünglicher Islam, kein verschnittener Euro-Islam, ihr könnt euch auf die Lehrer und Lehrerinnen als Vorbilder im Glauben verlassen.“187 In der Tat ist die Frage des Vertrauens der Eltern in die Lehrer des islamischen Religionsunterrichts eine der wichtigsten und zumindest in der Einrichtungsphase auch umstrittensten Fragen des Problems. Die polemische Gegensatzbildung zwischen einem „ursprünglichen“ und einem „verschnittenen Euro-Islam“ zeigt aber auch die ungebrochene Schärfe der Diskussion um die Fragen des Politikverständnisses und der Frage der sozialen Kontrolle der individuellen Frömmigkeit. Doch auch die neue Generation der auf die Bundesländer bezogenen Dachverbände hat das Grundproblem nicht zu lösen vermocht, dass sie zwar für die Anbieterseite der muslimischen Infrastruktur in Gestalt von Moscheen und Sondervereinigungen sprechen können, dass sich daraus jedoch keineswegs zwangsläufig ableiten lässt, sie könnten damit auch für die muslimischen Nutzer dieser Einrichtungen sprechen, von den Nichtnutzern ganz zu schweigen. Noch immer stehen die Verbände – speziell dann, wenn DITIB wie meist einen eigenen Weg geht – nur für einen sich im einstelligen Prozentbereich bewegenden Bruchteil der Muslime in Deutschland. Die jüngsten Anstrengungen, eine einheitliche Struktur zu schaffen, haben – diesmal unter zumindest vorläufiger Einbeziehung von DITIB – zur Gründung einer Koordinierungsstelle geführt.188 Der Dialogbeauftragte 184 A.a.O. Dogramaci 2003: 20. 186 Altiner 2005: 43. 187 Dogramaci 2003: 26. 188 „Für einen richtigen Dachverband hat es am Ende allerdings nicht gereicht, nur für einen losen 185 Seite 43 von 76 von DITIB wird mit den Worten zitiert: „Wir sind stolz darauf, eine pluralistische Theologie zu vertreten ... Nach islamischer Auffassung existieren mehrere Wahrheiten nebeneinander.“189 Der derzeitige Vorsitzende des ZMD, Axel Ayyub Köhler, kommentiert: „Es hat sich gezeigt, dass ein Alleinvertretungsanspruch nicht möglich ist“.190 Ein von der sich abzeichnenden flächendeckenden Einführung des islamischen Religionsunterrichts forcierter Zusammenschluss der Verbände scheint also kurz- und mindestens mittelfristig nicht möglich zu sein, oder dürfte – falls er wider Erwarten doch gelingt – in erster Linie als politisches Zweckbündnis zu bewerten sein und kaum „die Gewähr der Dauer“191 bieten, die die grundgesetzlichen Bestimmungen verlangen. Freilich scheint ein forcierter Zusammenschluss der Verbände weder ratsam noch notwendig. Geht man von dem in Abschnitt 2.2 skizzierten Pluralismus auf der Ebene der einzelnen Gläubigen und von dem von den Vertretern selbst dokumentierten religiösen Pluralismus auf Verbandsebene aus, dann weisen die muslimischen Diskurse auf der Ebene der Einrichtungen und religiösen Angebote eine deutliche Marktstruktur auf. Der sich daraus fast zwangsläufig ableitenden Strategie, auf diesem Markt um feste Verbandsmitglieder zu konkurrieren, entziehen sich die Verbände mit der durchgängigen Argumentation, eine feste Mitgliedschaft entspräche nicht dem ‚Wesen’ des Islam. So meint beispielsweise ein Vertreter der Schura Niedersachsen in paradigmatischer Weise: „Jedoch hat sich der Islam von Anfang an, weltweit und so auch in Deutschland ohne kirchenartige Strukturen und mithin ohne Mitgliedschaft, etwa durch Taufe, entwickelt. Dies ist für ihn wesenstypisch. Eine Verkirchlichung aus Verwaltungszwängen wird es keinesfalls geben; ihre Herbeiführung als Voraussetzung für den IRU wäre wohl kaum von der Religionsfreiheit nach Art. 4 GG gedeckt“.192 Diese Argumentation ist in mehrfacher Hinsicht zu hinterfragen. Zunächst ist sie als ein typisches Beispiel für die von Hans Kippenberg beklagte „Verdinglichung“193 des Identitätsbegriffs zu sehen, eine Verdinglichung sozial im Kern fließender Formen, die nicht selten von wissenschaftlicher Seite übernommen wird. Dem hält Irene Schneider entgegen: „Eine einzig gültige, essentialistisch zeitlich und regional unveränderliche Form des Islam gibt es nicht“.194 Zwar ist dem Zentrum für Türkeistudien Recht zu geben, wenn es darauf hinweist, dass die Moscheevereine „sich eher in der Tradition der islamischen Stiftungen“195 sehen; eine organisatorische Anpassung an andere Umstände jedoch aus einem statischen ‚Wesensbegriff’ abzulehnen, muss als Kooperationsverbund von vier großen Organisationen“ (Driessen 2007, gemeint sind: DITIB, ZMD, Islamrat und VIKZ, A.a.O.). 189 A.a.O. 190 A.a.O. 191 3. Artikel 140 GG in Verbindung mit Artikel 137 WRV zitiert nach Zinser 2002: 71f. 192 Vladi 2003: 71. Vgl. auch Altiner 2005: 45. 193 Kippenberg 2002: 23. 194 Schneider 2005: 61. 195 Zentrum für Türkeistudien 1997: 107. Seite 44 von 76 Argument von deutscher Seite nicht akzeptiert werden. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass hinter der stereotypen Argumentation mehrere ganz konkrete Schwierigkeiten stecken. Zunächst würde der Versuch vor allem kleinerer Verbände oder gar einzelner Moschevereine, flächige Mitgliederwerbung und –betreuung zu betreiben, um damit die behauptete Stärke zahlenmäßig zu erhärten, eine völlige logistische, finanzielle und personelle Überforderung darstellen. Zum zweiten ist aber auch damit zu rechnen, dass solche Initiativen selbst bei intensivem Aufwand nur spärliche Früchte tragen. Dies liegt daran, dass viele Muslime die Einrichtungen islamischer Verbände zwar nutzen und speziell die von ihnen persönlich besuchten Einrichtungen auch z.T. mit nicht unbeträchtlichen Spenden zu unterstützen bereit sind, aber mit der Verbandspolitik und/oder Theologie keineswegs so stark übereinstimmen, dass sie zu einem für sie selbst verbindlichen Beitritt bereit wären. Um die am Anfang des Abschnitts wiedergegebenen Zahlen noch einmal ins Gedächtnis zu rufen: Bei der 2005 vom Zentrum für Türkeistudien gestellten Frage nach der Zustimmung zu den von den Verbänden vertretenen Positionen kam – selbst unter Einbeziehung der bereits verbandlich organisierten Muslime – nur DITIB mit 51,5% auf eine bedeutende Zustimmungsrate.196 24,3% der Muslime fühlten sich inhaltlich von gar keinem Verband repräsentiert und keiner der kleineren Verbände kam auf eine Zustimmung von über 3%. Die Zurückhaltung gegenüber der Anforderung von deutscher Seite, die Verbände sollten sich schon wenigstens aus Gründen der Planungssicherheit197 um feste, flächendeckende Mitgliedschaften bemühen, wird vor dem Hintergrund dieser Sachverhalte besser verständlich. 2.3 Zwischenfazit Der Überblick über die historischen Hintergründe, die Strukturen und das Meinungs- und Glaubensspektrum der Muslime in Deutschland macht trotz seiner Kürze und Skizzenhaftigkeit eines deutlich: Die muslimischen Diskurse und die muslimische Verbandslandschaft in Deutschland sind in unablässiger, sich weit mehr pluralisierender als vereinheitlichender Bewegung. Gleichzeitig wurde auch die Bedeutung der islamischen Verbände in diesem Kontext beschrieben: In ihrer Funktion als Anbieter religiöse Infrastruktur haben sie einen festen und dauerhaften Platz in der Landschaft der deutschen Muslime. Freilich sind die Mehrzahl von ihnen nach wie vor weit eher religiös-kulturellnational ausgerichtete landsmannschaftliche Organisationen, was schon darin seinen Ausdruck findet, dass die Sprache des Herkunftslandes – also in den meisten Fällen türkisch – nach wie vor die Verkehrssprache in den Moscheen ist. Thomas Lemmen fasst diese entscheidenden, aber in der öffentlichen ‚Islamismusdebatte’ meist untergehenden Aspekte zusammen: „In türkische Moscheen gehen zumeist nur türkische Muslime; Vertreter anderer Nationalitäten sind selten dort anzutreffen. Die Gründe sind zum einen darin zu sehen, dass die Moscheen nach wie vor 196 Zentrum für Türkeistudien 2005: 39f. „Ferner haben die Muslime einen formalen Bekenntnisnachweis zu entwickeln, der das Land in die Lage versetzt, Planungssicherheiten in Bezug auf die personellen Ressourcen sowie inhaltlichen Vorgaben für einen solchen Unterricht zu schaffen und für die Schulen herzustellen.“ (Erpenbeck und Windolph 2005: 52). 197 Seite 45 von 76 die Funktion von Heimat- oder Kulturvereinen erfüllen ... Die verschiedenen Verbände sind als Ableger entsprechender Mutterorganisationen in den Heimatländern der ursprünglich zugewanderten Muslime zu betrachten. Dies gilt sowohl für die großen türkischen als auch für die Verbände anderer Nationalitäten“.198 DITIB, der einzige Verband, der tatsächlich beanspruchen kann, einen relevanten Teil der Muslime in Deutschland zu repräsentieren, ist de facto vom türkischen Religionsministerium gelenkt. Er verdankt die flächige Zustimmung, die ihm zuteil wird, in erster Linie dieser Verbindung und dem Vertrauen, das die Mehrzahl der türkischstämmigen Muslime in Deutschland dem türkischen Modell „mit der staatlichen Verwaltung der religiösen Infrastruktur“199 entgegen bringt. Gerade diese Verflechtung mit dem türkischen Staat lässt ihn aber als Kandidat für die Trägerschaft eines grundgesetzgemäßen islamischen Religionsunterrichts ausscheiden. Rolf Bade stellt völlig zu Recht fest, dass es nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist, „wenn ausländische staatliche Stellen den konfessionellen Religionsunterricht durch mit ihnen organisatorisch verbundene Vereinigungen in Deutschland inhaltlich mitgestalten wollen“.200 Die älteren und neueren Dachverbände auf Bundes- und Landesebene versuchen – in der Regel geleitet und theologisch inspiriert von deutschen Konvertiten oder religiös virtuosen Migranten aus anderen Herkunftsländern – verbandliche Infrastrukturen aufzubauen, die die Anforderungen des „korporatistischen Angebots“201 besser erfüllen als die viel größeren und in der muslimischen Community einflussreicheren türkisch-islamischen Verbände. Die Rolle von Verbänden wie dem ZMD als Ansprechpartner, Übersetzer und Vermittler gibt ihnen zwar einen deutlich über ihre Größe hinausgehende öffentliche Bedeutung, sie stehen selbst aber nur für einen winzigen Teil des muslimischen Diskursfeldes. Jenseits der Organisationen breitet sich dieses Feld muslimischer Überzeugungen unterschiedlichster Art aus, in dem jedoch die Probleme der türkisch-islamischen Migrantencommunity mit den religiösen Fragen ein eng verfilztes und in ständiger Bewegung befindliches Problemgemenge ergeben. Vor allem die Frage der türkisch-nationalistischen Identitätskonstruktionen unter den Migranten wird dabei in ihrer Bedeutung häufig unterschätzt. Aber auch auf der ‚rein’ religiösen Ebene ist viel in Bewegung, vor allem unter der zweiten Generation der muslimischen Zuwanderer. Der Islam als grundlegende religiöse Lebensorientierung bildet dabei für viele einen zentralen Bezugspunkt, um zwischen den Anforderungen der Zuwanderungsgesellschaft, der eigenen Familie und der Migrantencommunity einen eigenständigen Weg zu finden. Welchen Weg sich die Muslime der jüngeren Generationen dabei suchen, hängt jedoch auch in entscheidender Weise von der Sprachkompetenz und der Bildung ab. 198 Lemmen: 2005: 184. Vgl. Zentrum für Türkeistudien 2005: 59. 200 Bade 2006: 30. 201 König 2005. 199 Seite 46 von 76 3 Das ‚Erlanger Modell’ als Beispiel einer erfolgreichen Co-Konstruktion von Muslimen, akademischem und behördlichen Diskurs In dieser Situation kommt der Größe ‚islamischer Religionsunterricht’ in Zukunft in vielfacher Hinsicht eine richtungsweisende Funktion zu. Neben dem Raum der Familie und der Migrantencommunity und neben dem Raum der Moschee eröffnet sich mit dem Religionsunterricht nicht einfach nur eine weitere Säule islamischer Diskurse, sondern zum ersten Mal ein völlig neuer Raum islamischen Denkens und Lernens für die jüngeren Generationen. Nicht wenige von den Kindern machen in diesem Raum zum ersten Mal die Erfahrung, dass es möglich ist, ‚Islam’ in deutscher Sprache zu denken und deutsch über Islam zu reden. Sie finden mit dem Religionslehrer oder der Religionslehrerin einen neuen Ansprechpartner, der ihnen eine zusätzliche Perspektive auf das eigene Lebensumfeld ermöglicht und dies auf der Basis eines mit den Eltern geteilten Wertesystems. Diese Linie setzt sich mit dem Studium islamischer Religionslehre fort. In konstantem Dialog mit anderen Fächern – z.B. den Islamwissenschaften, der christlichen Religionspädagogik etc. – bietet sich den Studierenden hier ein Diskursraum, der zum ersten mal losgelöst ist von den Diskursräumen der Migrantencommunity, in dem aber auch die Möglichkeit besteht, die eigene religiöse Tradition professionell und theologisch kompetent zu erschließen. 3.1 Überblick über die aktuellen Anstrengungen bezüglich islamischen Religionsunterrichts in den einzelnen Bundesländern Um das Erlanger Modell und die allgemeinen Problematiken, die sich im Rahmen der Einrichtung dieses Faches ergeben, besser in die aktuellen Bemühungen um einen ‚konfessionellen’ islamischen Religionsunterricht in den verschiedenen Bundesländern einordnen zu können, soll zunächst ein Überblick über die Modelle in den verschiedenen Bundesländern gegeben werden. Dabei folgt die Darstellung im wesentlichen einer Zusammenfassung von Michael Kiefer202, die punktuell ergänzt wird. Die erste große Gruppe der Unterrichtsformen wird von den muttersprachlichen Angeboten gebildet. Die älteste Form ist der „Konsularunterricht“203, der in der Verantwortung der diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Herkunftsländer steht und an nichtöffentlichen Schulen in der Herkunftssprache erteilt wird.204 Anders als dieser Unterricht, auf den die jeweiligen Bundesländer keinerlei Einfluss haben, wird die „Religiöse Unterweisung für muslimische Schülerinnen und Schüler im Rahmen des muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts“ in der Verantwortung der Bundesländer durchgeführt.205 Beide gelten nach Kiefer als überholt, da sie zum einen in der Sprache der 202 Kiefer 2006. A.a.O.: 15. 204 A.a.O.: 16. Unterrichtsformen dieser Art werden z.B. in Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Berlin und im Saarland erteilt (a.a.O.: 15). 205 Sie wird derzeit in Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz erteilt (a.a.O.). 203 Seite 47 von 76 Herkunftsländer und zum anderen unter der inhaltlichen Prämisse der „Rückkehrorientierung“ durchgeführt werden.206 In Bayern existiert ein ähnliches Modell, die „Religiöse Unterweisung türkischer Schüler islamischen Glaubens“, das ebenfalls in türkischer Sprache angeboten wird und dessen Lehrpläne und Schulbücher sich an Vorgaben des Ministeriums für nationale Erziehung der Türkei orientieren.207 Auch dieser Schulversuch gilt, so Kiefer, aus „integrationspolitischer Sicht als problematisch“.208 In Bayern gibt es noch ein parallel angelegtes Angebot in deutscher Sprache, das als Modellprojekt an 14 Schulen durchgeführt wird.209 Dieses ist bereits zum zweiten Typ zu rechnen, den islamkundlichen Unterrichtsformen in Deutsch. Neben einem kleineren Schulversuch in Bremen210 ist hier vor allem die „Islamkunde in deutscher Sprache“ des Landes Nordrhein-Westfalen zu nennen.211 Sie ist der bislang größte Versuch eines deutschsprachigen Angebots für Muslime in Deutschland und wurde von Michael Kiefer in einer Studie ausgiebig evaluiert212 – speziell auch unter dem Gesichtspunkt der Haltungen der Eltern zum Unterricht, weswegen die wichtigsten Ergebnisse hier kurz wiedergegeben werden. Die „Islamkunde in deutscher Sprache“ in Nordrhein-Westfalen ist „religionskundlich konzipiert, also kein >ordentlicher Religionsunterricht< gemäß Artikel 7,3 des Grundgesetzes“.213 Sie wurde im Jahr 2005 an ca. 110 Schulen erteilt und erreichte 9000 Schülerinnen und Schüler von ca. 100 000 möglichen Schülern in Nordrhein-Westfalen. Die Anmeldungsquote lag im Schuljahr 1999/2000 unter den türkischstämmigen Muslimen bei 84 %, bezogen auf sämtliche Muslime bei 73,2%.214 Anders als in anderen Bundesländern haben in Nordrhein-Westfalen die Kultusbehörden bei der Lehrplanentwicklung aufgrund der gesetzlichen Regelungen eine sehr starke Stellung: Sie entwickeln den Lehrplan selbst – ggf. bezogen auf eine Vorlage der Religionsgemeinschaft. Der Lehrplan wird dann zwar der Religionsgemeinschaft zur Genehmigung vorgelegt, diese bezieht sich aber nur auf die „Aussagen zur Glaubens- und Sittenlehre der Religionsgemeinschaft, nicht jedoch auf Inhalte, die der staatliche Religionsunterricht aus staatlicher Sicht darüber hinaus für notwendig hält.“215 Die Ergebnisse der von Michael Kiefer durchgeführten Befragung von 153 muslimischen Eltern,216 deren Kinder an der Islamkunde in Nordrhein-Westfalen teilnehmen stimmen weitgehend mit in den Abschnitten 2.2.2.2 und 2.2.4 skizzierten Ergebnissen überein, vertiefen sie aber noch in wichtigen 206 A.a.O. A.a.O., vgl. auch Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung 2000: 34. 208 Kiefer 2006: 16. 209 A.a.O.: 17, auch Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung 2000: 34f. 210 Kiefer 2006: 17. 211 A.a.O. 212 Kiefer 2005. 213 Gebauer 2006: 25. Vgl. zum Unterschied zwischen beiden Unterrichtsformen Abschnitt 3.2.2.2. 214 Kiefer 2005: 176. 215 Gebauer 2006: 33. Vgl. zur Entstehungsgeschichte der Islamkunde in NRW auch Schiffauer 1997: 50-70. 216 A.a.O.: 196. 207 Seite 48 von 76 Aspekten. Wie zu erwarten bildeten mit 87,6% türkischstämmige Migranten die große Mehrzahl der Befragten, von denen wiederum 82,3% bereits länger als 10 Jahre in Deutschland leben.217 Lediglich 17,3% von ihnen besitzen jedoch einen deutschen Pass.218 Gefragt nach der Häufigkeit des Moscheebesuchs als Index für die persönliche religiöse Haltung gaben 65 % an, Moscheen „gelegentlich“ oder seltener aufzusuchen.219 Von den Kindern, die den Unterricht besuchen, nehmen 58,2 % gleichzeitig am Koranunterricht in einer Moschee teil.220 Die Frage, ob sie mit der Durchführung der „Islamischen Unterweisung“221 in deutscher Sprache einverstanden seien, beantworteten 61,4 % der Eltern mit ‚Ja’. Von denen, die die deutsche Sprache ablehnten, votierten 95% für türkisch als Unterrichtssprache.222 Interessanter Weise gaben 51% der Eltern an, den Unterschied zwischen „Islamischer Unterweisung“ und islamischem Religionsunterricht nicht zu kennen.223 Kiefer führt dies auf mangelnde Information von Seiten der Lehrerschaft zurück,224 es stellt sich aber auch die Frage, ob dieser Unterschied den Eltern nicht u.U. weniger bedeutsam erscheint als den Fachleuten und den Verbandsfunktionären. Grundsätzlich wünschte sich die Hälfte der Befragten in Zukunft eine Beteiligung der Islamischen Verbände225 und favorisierte dabei wiederum DITIB (42,7% der Befragten, die eine Beteiligung wünschten).226 Die Befunde belegen zunächst die große Akzeptanz der Islamkunde unter den Muslimen, wobei auch deutlich wird, dass die Feinheiten der Unterscheidung zwischen dieser Form und einem ‚richtigen’ Religionsunterricht an der Mehrzahl der Eltern vorbeigegangen sind. Allerdings identifiziert sich nur die Hälfte der Eltern mit der deutschen Unterrichtssprache. Dies führt Kiefer vermutlich zu Recht auch auf den Einfluss des Verbandes DITIB zurück, der bis zur Ministervereinbarung vom 11. Februar 2002227 die Überzeugung propagierte „der türkische Islam sei nur in türkischer Sprache zu vermitteln“.228 Auch hier stößt man also wieder auf die enge Verschränkung von nationalistischen und religiösen Argumentationen und Positionen, aber auch auf die Angst der ersten Generation, die zweite Generation könne jenseits der ‚Sprachmauer’ unkontrollierbaren Einflüssen ausgesetzt sein.229 Die dritte Variante von Unterrichtsangeboten neben islamkundlichem Unterricht in der Herkunftssprache oder in Deutsch wird von den Modellversuchen zu einem grundgesetzgemäßen 217 A.a.O.: 197. A.a.O. 219 A.a.O.: 199. 220 A.a.O.: 201. 221 Die Umbenennung in „Islamkunde“ erfolgte erst 2005 (Gebauer 2006: 27). 222 Kiefer 2005: 201. 223 A.a.O. 224 A.a.O. 225 A.a.O. 226 A.a.O.: 202. 227 A.a.O.: 211. 228 A.a.O. 229 Vgl. a.a.O. 218 Seite 49 von 76 islamischen Religionsunterricht gebildet. Da ist zunächst der umstrittene „Sonderfall Berlin“230 Aufgrund der sogenannten „Bremer Klausel“ gilt in Berlin der Artikel 7 Abs. 3 nicht: „Sofern an Berliner Schulen Religionsunterricht angeboten wird, liegt dieser in der alleinigen Verantwortung der Religionsgemeinschaften. Es handelt sich faktisch um einen freiwilligen Privatunterricht an öffentlichen Schulen ... In einem jahrelangen Rechtstreit gelang es der Islamischen Föderation in Berlin e.V. (IFB), die wegen ihrer Nähe zur islamistisch orientierten Milli Görüş sehr umstritten ist, im Jahr 1998 ihren Anspruch auf Erteilung von Religionsunterricht durchzusetzen.“231 Eine soziologische und/oder pädagogische empirische Evaluation des Berliner Unterrichts lag zum Zeitpunkt der Abfassung des vorliegenden Textes noch nicht vor, weshalb dieser an sich für die vorliegende Fragestellung hochinteressante Fall nicht weiter vertieft wird.232 Ansonsten gibt es insgesamt vier Modellversuche für islamischen Religionsunterricht. In Rheinland-Pfalz wird seit dem Schuljahr 2004/5 ein lokaler Schulversuch an der Grundschule Ludwigshafen-Pfingstheide durchgeführt.233 Der Lehrplan wurde ohne Beteiligung einer islamischen Organisation erarbeitet234, der Schulversuch wird vom Christlich-Islamischen Gesprächskreis Ludwigshafen und der türkischen Frauenbildungsstätte IGRA unterstützt.235 In Baden-Württemberg gibt es seit dem Schuljahr 2005/6 einen Schulversuch für sunnitischen islamischen Religionsunterricht an zehn Grundschulen.236 Der Schulversuch in Niedersachsen wird seit dem Schuljahr 2003/4 an acht Grundschulen durchgeführt.237 Zu diesem Schulversuch gibt es bereits einige erste Erfahrungsberichte und eine Fülle von Stellungnahmen auf die weiter oben bereits mehrfach Bezug genommen wurde.238 Parallel zu den Schulversuchen gibt es mittlerweile an vier Stellen Bemühungen zur Etablierung akademischer Studiengänge im Bereich islamischer Theologie und Religionspädagogik.239 Neben dem IZIR Erlangen, das im folgenden skizziert wird, existiert in Frankfurt/Main seit 2003 eine „vom türkischen Präsidium für Religionsangelegenheiten gestiftete Professur für >Islamische Religion<, die der Evangelisch-Theologischen Fakultät zugeordnet ist. Sie ist derzeit mit dem türkischen Religionssoziologen Mehmet Emin Köktasch besetzt“.240 Diese Professur signalisiert die sich in jüngerer Zeit entwickelnde Bereitschaft der türkischen Regierungseinrichtungen, die sich verändernden Rahmenbedingungen anzuerkennen. Sie ist aber auch als Zeichen dafür zu werten, dass 230 Kiefer 2006: 18. A.a.O. 232 Zu den Hintergründen und zu einer vertieften Diskussion siehe Busch (Hg.) 2000 und Dantschke 2006. 233 Kiefer 2006: 19. Vgl. auch Größchen et al. 2004. 234 „Die Gespräche der rheinland-pfälzischen Landesverbände wurden nach vielversprechenden Anfängen von den Verbänden selbst abgebrochen. Deshalb entschied sich die Landesregierung mit einer Erprobung an einem geeigneten Standort für einen pragmatischen Weg“ (a.a.O.: 2). 235 A.a.O. 236 Vgl. Kultusministerium von Baden-Württemberg 2006. 237 Kiefer 2006: 20. 238 Vgl. z.B. Anhelm und Dressler (Hg.) 2003, Altiner 2005, Ballasch 2005 und 2006, Erpenbeck 2005, Mohagheghi und Vladi 2006, Väth 2006. 239 Vgl. zu diesem Bereich auch Bodenstein 2006 und Kaddor 2006. 240 Schmid 2005: 242. 231 Seite 50 von 76 die türkischen Behörden ein ungebrochenes Interesse daran haben, auf die islamischen Diskurse in Deutschland prägenden Einfluss zu nehmen. In Münster existiert seit 2002 das interdisziplinäre „Centrum für Religiöse Studien“ (CSR), „an dem Theologen, Judaisten, Religions- und Islamwissenschaftler beteiligt sind.241 Seit Juli 2004 bekleidet dort Muhammad Kalisch die erste ordentliche Professur für islamische Theologie in Deutschland.“242 In Osnabrück existiert schließlich seit 2004 ein „Weiterbildungsstudiengang für >Islamische Religion in deutscher Sprache<.243 Abgesehen vom Berliner Modell, das erst noch evaluiert werden muss, kann konstatiert werden, dass alle genannten Bemühungen auf schulischer, schulamtlicher, kultusministerialer und akademischer Ebene als wichtige Schritte auf dem Weg zur Etablierung eines Fachs zu gelten haben, dessen Potential für die Integration der muslimischen Migranten in Deutschland gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Insofern ist die folgende vertiefte Diskussion des „Erlanger Modells“ in keiner Weise als ‚Ranking’ all dieser Unternehmungen konzipiert und könnte das auch gar nicht leisten. Johannes Lähnemann weist völlig zu Recht darauf hin, dass die Anstrengungen in den einzelnen Bundesländern „letztlich nur kooperativ weiter“ führen.244 Dass bezüglich der Einführung eines grundgesetzgemäßen islamischen Religionsunterrichts ein breiter Basiskonsens auf Seiten der behördlichen und akademischen Träger besteht, und dass hier Austausch- und Vernetzungsvorgänge in vollem Gange sind, bestätigte sich auch auf der dazu veranstalteten Fachtagung, die im März 2007 in Stuttgart-Hohenheim stattfand.245 Ziel der folgenden Erörterung ist es in erster Linie, einige Grundprobleme aufzuzeigen, die die nähere Zukunft aller Modelle bestimmen, und auf Lösungsansätze hinzuweisen. Es sei noch einmal daran erinnert, dass die vorliegende Analyse eine soziologische ist und sich auf die Ebene der CoKonstruktion dieses Modells durch die muslimischen und nichtmuslimische Akteure und des dadurch erreichten Integrationspotentials konzentriert. Die meisten inhaltlichen Argumentationen werden Religionspädagogen und –didaktikern kaum neues sagen. Sie sind auch nicht als der zwangsläufig laienhafte Versuch gedacht, religionspädagogisch246 zu argumentieren, sondern sind als wissenssoziologische Formulierungen zu den Potentialen der Diskursöffnung zu verstehen, die sich am „Erlanger Modell“ zeigen lassen und im wesentlichen so auch in den oben skizzierten anderen Modellen angelegt sind. 241 Vgl. auch Bauer 2006. A.a.O. 243 A.a.O. Vgl. auch Graf 2005. 244 Interview mit Prof. Dr. Johannes Lähnemann: Abs. 138. 245 Die Tagung „Auf dem Weg zum Islamischen Religionsunterricht in Deutschland II. Zum fachlichen Profil muslimischer Religionslehrerinnen und –lehrer“ fand von 19.-21. März 2007 in den Räumen der Akademie der Erzdiözese Rottenburg-Stuttgart statt. Sie wurde gefördert von der Robert Bosch Stiftung. Veranstalter waren die Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg (vertreten durch Prof. Mathias Rohe und Prof. Harry Harun Behr) und die Akademie der Erzdiözese Rottenburg-Stuttgart (vertreten durch Dr. Hansjörg Schmid). 246 Bezüglich der religionspädagogischen ‚Seite’ dieser Argumentation sei auf die im Literaturverzeichnis genannten entsprechenden Veröffentlichungen verwiesen. 242 Seite 51 von 76 3.2 Probleme und Potentiale des islamischen Religionsunterrichts am Beispiel des Erlanger Modells 3.2.1 Überblick über Entwicklung und Struktur Angestoßen von den Erfahrungen einer in Erlangen durchgeführten Podiumsdiskussion am 26. März 1996 zum Thema „Islam und Christentum“247 wurde im gleichen Jahr am selben Ort eine mit Vertretern der Universität, der Kommune, der Kirchen und der Erlanger Muslime besetzte „ChristlichIslamische Arbeitsgemeinschaft“ gegründet, mit dem Ziel „ein Forum einzurichten, auf dem Probleme der islamischen Bürger Erlangens diskutiert und gelöst werden können.“248 Als deutlich wurde, dass ein zentrales Anliegen der muslimischen Vertreter die Einrichtung eines islamischen Religionsunterrichts an den örtlichen Schulen war, gingen von diesem Arbeitkreis aus Impulse in unterschiedliche Richtungen. Auf der akademischen Ebene wurde von dem Islamwissenschaftler Hartmut Bobzin249, dem Religionspädagogen Johannes Lähnemann250 und dem Juristen und Islamfachmann Mathias Rohe251 das „Interdisziplinäre Zentrum für Islamische Religionslehre“ (IZIR)252 gegründet, das als institutionelle Basis für einen Studiengang „Islamische Religionslehre“ dienen sollte. Mehr oder weniger gleichzeitig wurde vom bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus in Kooperation mit dem Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung253 eine Kommission zur Lehrplanentwicklung einberufen, an der die muslimische Seite von Anfang an prägend beteiligt war: „Auch diese Lehrplankommission war plural zusammengesetzt von Vertretern der Schulverwaltung (...) hier aus Nürnberg, von Vertretern des Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung. Die Richtlinienarbeit leitete Wolfgang Ambros als der dort für den Bereich Realschulen zuständige Referent. Die muslimische Seite war im ersten Durchgang beratend dabei. im zweiten Durchgang sind sie dann ordnungsgemäße Mitglieder gewesen.“254 Im Zuge dieser Entwicklung wurde in Erlangen die „Islamische Religionsgemeinschaft Erlangen“ (IRE) gegründet und stellte den „Antrag auf Einrichtung eines Schulversuchs zum islamischen Religionsunterricht an Erlanger Schulen mit hohem muslimischen Schüleranteil“.255 Der Verein, der nur natürliche Personen muslimischer Religion als Mitglieder zulässt,256 ist satzungsgemäß ausschließlich auf den Raum Erlangen bezogen. 247 Protokoll M. Engelbrecht aus dem Projekt „Fremdsicht und Eigensicht im interreligiösen Alltag“. Protokoll A. Sontheimer aus dem Projekt „Fremdsicht und Eigensicht im interreligiösen Alltag“. 249 Vgl. u.a. Bobzin 2000 und 2001. 250 Vgl. u.a. Lähnemann 1977, 1997 und 2005. 251 Vgl. u.a. Rohe 2001 und 2006. 252 Interview mit Prof. Dr. Johannes Lähnemann: Abs. 9. Vgl. u.a. Interdisziplinäres Zentrum für Islamische Religionslehre (Hg.) 2006. 253 Vgl. Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung 2000. 254 Interview mit Prof. Dr. Johannes Lähnemann: Abs. 4. 255 Güneysu 2005: 62. 256 Vgl. die Mustersatzung in: Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. (Hg.) 2007. 248 Seite 52 von 76 Auf Seiten der Muslime wurde im Laufe dieser Entwicklung versucht, im Kontext eines vom bayerischen Kultusministerium initiierten ‚runden Tisches’ einen muslimischen Ansprechpartner auf Landesebene ins Leben zu rufen. Zwar wurde die „Islamische Religionsgemeinschaft Bayern“ gegründet, vom Kultusministerium jedoch nicht als Gesprächspartner anerkannt.257 „Deshalb wurde der Weg beschritten, zunächst in lokalen Modellen bei günstigen Voraussetzungen auszuloten, inwieweit ein islamischer bekenntnisorientierter Religionsunterricht begonnen und weiterentwickelt werden kann.“258 Der Unterricht wurde als Modellversuch ab dem Schuljahr 2003/4 an der Erlanger Grundschule „Brucker Lache“ in allen vier Jahrgangsstufen eingerichtet259: „Er ist zunächst lokal begrenzt, kann aber vom Konzept her auf andere Standorte ausgedehnt werden, falls dort vergleichbare Bedingungen vorliegen“.260 Als erster ‚Synergieeffekt’ der engen Kooperationsstrukturen zwischen Behörden, IZIR und IRE ergab sich, dass Schulversuch und Religionslehrerausbildung verzahnt werden konnten, indem die Schule an der der Modellversuch stattfindet gleichzeitig zur Praktikumsschule für die Studierenden der islamischen Religionslehre wurde: „Die religionspädagogische Qualifizierung und Profilierung wurde dann dadurch erhöht, dass seit dem Wintersemester 2003/2004 regelmäßig semesterbegleitende Praktika in der Grundschule >Brucker Lache< in Erlangen stattgefunden haben. Wo (...) wir eben Praktikum und Begleitseminar in großer Intensität durchgeführt haben und im Grunde in dem Bereich überall die ersten Schritte einer didaktischen Entwicklung und auch die praktischen Möglichkeiten erprobt haben.261 Die islamische Religionspädagogik wurde zunächst im Rahmen einer Gastprofessur vertreten, ein Zustand, der sowohl von Seiten des IZIR als auch von Seiten der Studierenden als unbefriedigend empfunden wurde.262 Seit 2006 hat Harry Harun Behr263 eine Professur für „Islamische Religionslehre“ an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen Nürnberg inne. Mit dem IZIR als akademischem Träger der Religionslehrerausbildung, der IRE als verantwortlichem örtlichem muslimischen Ansprechpartner und der Grundschule „Brucker Lache“, die die doppelte Funktion von Modellschule und Praktikumsschule erfüllt, ist ein Kristallisationskern entstanden, der – und das ist Konzept – in doppelter Weise als Ausgangspunkt einer ‚bottom-up’ Entwicklung dienen kann. Zum einen ist, wie in dem obigen Zitat von Ulrich Seiser angedeutet, der Schulversuch auf andere Schulen übertragbar. Dasselbe gilt aber auch für die Struktur der „Islamischen 257 Güneysu 2005: 63. A.a.O., vgl. auch Seiser 2005: 58. 259 Seiser 2005: 58. Vgl. auch den entsprechenden Lehrplan: Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus 2004. 260 Seiser 2005: 58. 261 Interview mit Prof. Dr. Johannes Lähnemann: Abs. 8. 262 Vgl. Schepelern Johansen 2006: 37. 263 Vgl. Behr 1998, 2005. 258 Seite 53 von 76 Religionsgemeinschaft“, so dass in anderen Städten neue lokale muslimische Religionsgemeinschaften gegründet werden können, die ihrerseits weitere Anträge auf islamischen Religionsunterricht in der Form des „Erlanger Modells“ stellen können. Dieser Prozess ist bereits am Anlaufen und ein entsprechender Verein in Gründung, der zunächst für eine bestimmte Nürnberger Schule den Unterricht beantragen wird. 3.2.2 Diskursfelder, Potentiale und Probleme „Es muss sich zeigen, ob Erlangen und Ludwigshafen nur lokale Glücksfälle darstellen oder ob eine überregionale Ausweitung gelingt. Der breiter angelegte Schulversuch in Niedersachsen steht und fällt bisher mit der starken staatlichen Rolle.“264 Der endgültige Beweis, dass das Erlanger Modell ein flächiger Erfolg wird, steht freilich noch aus. Dass es mehr als einen „Glücksfall“ darstellt, liegt – neben der Qualifikation der schulischen, schulamtlichen und akademischen Akteure – vor allem in dem Prozess der Kommunikation zwischen sämtlichen Beteiligten. Freilich ist dem obigen Zitat von Hansjörg Schmid in einer Hinsicht recht zu geben: Damit ein flächiger Erfolg möglich ist, erfordern die Rahmenbedingungen zumindest für eine Übergangsphase, dass die staatlichen Stellen die inhaltliche Eigenständigkeit der entstehenden Strukturen so lange gewährleisten, bis der neue ‚Diskursschwerpunkt’ islamischer Religionsunterricht als starker und souveräner Partner neben die bisherigen Säulen Familie, Community, Moschee und Moscheeverband treten kann. 3.2.2.1 Die islamische Religionslehrerausbildung als Diskursraum In den für die vorliegende Untersuchung mit Studierenden und Dozenten im Studiengang der islamischen Religionslehre geführten Interviews wird schnell deutlich, dass das erste Interesse der Studierenden des Faches eindeutig der Klärung und Weiterentwicklung der persönlichen Religiosität und Lebenspraxis gilt: Die überwiegende Mehrzahl der Studierenden, die hier sind – ich rede jetzt erst mal von den Muslimen – hat ein prioritäres Interesse an persönlicher Orientierung. Also in den Seminaren sind acht von zehn Fragen, die gestellt werden, nicht bezogen auf die Didaktik des Unterrichts oder auf Grundsatzfragen der Theologie oder der islamischen Geschichte, sondern: >Herr Behr, wie ist das eigentlich jetzt? Herr Behr, wie mache ich das? Ich hab da zu Hause Goldschmuck von meiner Mutter geerbt. Muss ich da jetzt Zakat drauf zahlen? Herr Behr, ist das Hühnchen aus dem Supermarkt jetzt Hallal oder nicht, wir wollen endlich mal eine Antwort.< Das sind die Dinge, die wie so eine Flutwelle explodieren in dem Seminar.265 Die Studierenden sind mehrheitlich genau das, was sich Eltern und Verbände wünschen: Gläubige Muslime. Sie bringen ein breites Spektrum an Identitätskonstruktionen und Überzeugungen mit, 264 Schmid 2005: 241. Mit Ludwigshafen ist der Schulversuch in Ludwigshafen-Pfingstheide gemeint (vgl. Abschnitt 3.1). 265 Interview mit Harry Harun Behr, Abs. 2. Seite 54 von 76 thematisieren sie aber offenbar bevorzugt in den islamisch-theologischen Veranstaltungen ihres Studiengangs: „Ich hab also mit einem Spektrum an Leuten zu tun, das nicht selbstverständlicher Weise in die Moschee gehen würde, um einen Imam zu fragen. Also für diese Leute fehlt eine Anlaufstelle, die im Grunde genommen schon vorweg erahnen, wie ein Imam antworten würde. Da diese Leute auch bekennendermaßen nicht in die Moschee gehen – ich sage nicht, dass das eine realistische Einschätzung ist, ich glaube die unterschätzen den einen oder anderen Imam – aber sie gehen einfach nicht hin. Und das Internet, das man ja auch konsultieren könnte, es gibt ja bestimmte Plattformen im Internet – ist zu anonym. Also das ist wieder von dem Kontext zu weit weg, in dem die Leute drinstecken“.266 Das Studium der islamischen Religionslehre ist also deutlich mehr als nur ein Fachstudium: Es ist ein neuer muslimischer Diskursraum. Im wissenschaftlichen Kontext der fachdidaktischen Ausbildung wird über substanzielle Lebens- und Glaubensfragen diskutiert, und zwar in einer Weise, die zumindest den Studierenden offenbar andernorts nicht möglich zu sein scheint. Die Religionslehrerausbildung ist ganz eindeutig ein Raum des existenziell betroffenen Sprechens über Religion und damit ein Ort islamischer Theologie: „Was hier passiert, ist, dass aus einem Praxisdruck heraus, aber auch aus einem gewissen Leidensdruck heraus und aus einer gewissen Hilflosigkeit Theologie betrieben wird. Einmal in ihrer praxeologischen Dimension - wie mache ich was wann - zum anderen aber auch in ihrer grundsätzlichen kosmologischen Dimension: Was macht den Menschen zum Menschen, ich hab das nicht kapiert. Und deswegen glaube ich dass die Legitimierung unserer Theologie, wie wir hier sie vertreten, durch den Kontext entsteht in dem die Menschen sich befinden, die diese Theologie brauchen. Denn sie entsteht aus diesem Kontext und wirkt in diesen Kontext hinein. Ich würde mich niemals hinstellen und sagen, ich vertrete hier sozusagen eine islamische Theologie, die Maßgabe ist für eine Wendezeit in der muslimischen Welt. Aber ich stell mich hin und sage: Liebe Leute, ich bin Lehrer und Religionspädagoge, bin aber in acht von zehn Fällen gefragt als Theologe. Und kann hier nicht einfach sagen, es geht mich nichts an. Sondern ich muss darauf antworten.“267 Es ist davon auszugehen, dass dieser Vorgang nicht spezifisch ist für die Erlanger Ausbildungssituation. Die Befunde der Forschungsliteratur, die in Abschnitt 2.2.3.2 skizziert wurden, finden hier eine genaue Bestätigung: Die junge Generation der Muslime in Deutschland – speziell die mit Weber gesprochen „religiös virtuosen“ unter ihnen – sucht sich neue diskursive Räume für ihre religiösen und sonstigen Lebensfragen und ‚schafft’ sich im Erlanger Studiengang einen solchen Rahmen gleichsam selbst, einfach durch anhaltende existenzielle Befragung ihrer islamischen Lehrer. Doch im Kontext eines Studiums bleibt es nicht bei dieser Diskussion der Binnensicht – die wissenschaftliche Außenperspektive gehört konstitutiv dazu, was für die Studierenden eine neue und 266 267 A.a.O. Abs. 4. A.a.O. Abs. 3-4. Seite 55 von 76 augenscheinlich nicht immer einfache Begegnung ist. Ein Studierender berichtet, wie er zum ersten Mal mit einer historisch-kritischen Perspektive auf Mohammed konfrontiert wurde: „Damals war’s für mich ziemlich hart, ich bin praktizierender Moslem bis heute noch und ähm, für mich war des schon ein bisschen so ne Umstellung dass dann plötzlich Kritik kam also gleich in der ersten Vorlesung, also Pflichtvorlesung, kam halt gut Kritik am Propheten (...) Ich bin einer der, wenn der Professor vorne vom Prophet Mohammed spricht (...) gleich sozusagen die Friedensbotschaft und äh die Lobpreisung für mich selbst gesagt hat...“268 Die Herausforderung der Verschränkung religiöser mit wissenschaftlichen Sichten – Innen und Außenperspektiven – gehört in allen vier derzeit existierenden Studienangeboten zur Grundstruktur des Studiums. Damit existieren hier nicht nur neue Diskursräume, diese Räume bringen gleichzeitig eine neue Art von Kompetenz hervor, die bislang in Deutschland in dieser Form noch nicht existierte: In Deutschland aufgewachsene Muslime durchlaufen in Deutschland eine islamische Ausbildung, die selbst in wissenschaftliche Zusammenhänge eingebunden ist. Damit wächst eine für die adäquate und langfristig konstruktive Übernahme des korporatistischen Angebots des Staates notwendige Gruppe von Akteuren heran. Es ist allerdings zu konstatieren, dass ein rein ‚fachwissenschaftliches’ Studium, also ein Studium, dass sich auf die verschiedenen Ebenen der ‚Außenperspektive’ beschränkt und die Entwicklung der eigenen Innenperspektive den Studierenden überlässt, in diesem Zusammenhang mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit nicht zu wünschenswerten Ergebnissen führt. Dazu muss Theologie betrieben werden, allerdings eine Theologie, die sich nicht scheut, sich in solche diskursiven Zusammenhänge einbinden zu lassen, von ihnen Impulse zu empfangen und ihnen Impulse zu geben. Denn diese Theologie steht ihrerseits erkennbar unter der Anforderung, bei den Studenten die Schlüsselkompetenz zu entwickeln, unterschiedliche religiöse, wissenschaftliche und sonstige Perspektiven nicht nur ‚auszuhalten’, sondern sie als Bereicherung und Vertiefung der eigenen Position konstruktiv zu nutzen. Dazu, so lässt sich aus den Äußerungen der Dozenten herauslesen, ist ein Dreischritt notwendig, der die Grundlage der Vermittlung der Theologie selbst, der Religionslehrerausbildung und im weiteren auch des Religionsunterrichts bildet: • Information über das ganze Spektrum möglicher Meinungen und Positionen zu bieten. • Die inhaltliche und methodische Kompetenz zu vermitteln, diese Informationen eigenständig zu überprüfen und weiter zu vertiefen. • Auf Fragen nach der eigenen Position Stellung zu beziehen, ohne die Anforderungen der beiden ersten Punkte dadurch zu schmälern.269 Dabei spielt die Sprache wiederum eine Schlüsselrolle. Die Herausforderung besteht in der 268 269 Interview mit einem Studierenden der islamischen Religionslehre, Abs. 23-27. Vgl. z.B. Behr 2005. Seite 56 von 76 Entwicklung eines deutschen theologischen Begriffinventars für die Begriffe der muslimischen Quellen: „Wenn es dann wirklich um Themen geht, bei denen die begriffliche Differenzierung schwieriger ist im Deutschen. Also Themen theologisch-anthropologischer Natur zum Beispiel. Themen, bei denen es um die Beziehung zwischen Eltern und heranwachsenden Kindern geht. Was ist der Unterschied zwischen Gehorsam und Folgsamkeit. Da liest man immer nur von Gehorsam, die Kinder sind Eltern gehorsam. Das steht nicht da, Gehorsam taucht nicht auf, da steht Folgsamkeit. Das ist was anderes als Gehorsam. Vor allen Dingen im Kontext der deutschen Geschichte haben wir es mit bestimmten Problembegriffen auch zu tun, die wir sehr sorgfältig betrachten müssen (...) da fehlt so was wie eine Gruppe von wirklich kompetenten Deutschdidaktikern, Religionspädagogen und auch theologisch versierten Leuten.“270 Auch dies kann als eindeutiger Beleg dafür gelten, dass die Muslime in Deutschland erst dabei sind, ihr Diskursfeld als eigenständige Größe zu etablieren, eine Arbeit, die ebenfalls in entscheidender Weise als eine theologische Aufgabe zu begreifen ist. Sie ist aber auch ein Beleg dafür – worauf Behr hinweist – wie die Etablierung eines deutschen muslimischen Diskurses nur in permanenter interaktiver Co-Konstruktion mit anderen Diskursen der Zuwanderergesellschaft erfolgen kann. 3.2.2.2 Der islamische Religionsunterricht als Diskursraum Die skizzierte Linie der Befunde setzt sich lückenlos in den Diskursraum des Schulunterrichts hinein fort, denn auch der islamische Religionsunterricht ist eindeutig ein Raum der existenziellen Orientierung.271 Dabei verlängern sich aber auch die in Abschnitt 2.2.3 diskutierten Spannungslinien zwischen den unterschiedlichen Identitätskonstruktionen in den Raum des Unterrichts hinein und werden von den Kindern an die Lehrer herangetragen. Harry Harun Behr skizziert aus seinen Erfahrungen als deutscher Muslim und Lehrer eine Szene, die die Existenzialität dieser Fragen deutlich macht, und mit der Frage einer Schülerin beginnt, ob er nun Deutscher oder Muslim sei: „Sie hat gesehen, dass ich – so wie sie – beim islamischen Bittgebet meine Hände hebe und die Handflächen nach oben drehe; sie hat gehört, dass ich dabei auswendig aus dem arabischen Koran rezitiere. Das ist ihr als Bestandteil ihrer häuslichen Lebenswelt vertraut, nicht aber als Bestandteil der schulischen. Erstere ist für sie türkisch, letztere deutsch. Es verwirrt sie, dass ihr Lehrer, der Deutsche, sich auf einmal wie ein Türke verhält. Muslimsein heißt für sie Türke sein.“272 Es wird aus der weiteren Erzählung deutlich, wie die involvierten Kinder in der Diskussion ihre mitgebrachten Deutungsmuster an dieser Stelle erweitern, oder anders gesagt, wie sie ihre Kompetenz vergrößern, mit der Vielschichtigkeit der Wirklichkeit fertig zu werden. Schon in Abschnitt 2.2.3 wurde ausführlich diskutiert, wie die unterschiedlichen Angebote und Anforderungen sowohl der 270 Interview mit Harry Harun Behr, Abs. 111-113. Vgl. dazu z.B. Behr 2005, Kaddor 2005 u.a. 272 Behr 2006: 3. 271 Seite 57 von 76 heterogenen Zuwanderungsgesellschaft als auch der heterogenen Migrantencommunity bei jungen Muslimen erzeugen, was Peter Berger den „Zwang zur Häresie“273 nennt. Sie stehen vor der Aufgabe, ständig zwischen vielfältigen konkurrierenden und widersprüchlichen Deutungsangeboten und sozialen Anforderungen Entscheidungen zu treffen. Alle Formen islamischen schulischen Unterrichts sind angesichts dieser Herausforderung in gleicher Weise mit der Aufgabe konfrontiert, die existenzielle Identitätsentwicklung der Kinder zu unterstützen, sprich, ihnen zu helfen, sich in der Vielfalt der Angebote und Anforderungen der unterschiedlichen Welten, mit denen sie konfrontiert sind, zu orientieren und ihnen kompetent gegenüber zu treten. Daraus ergibt sich jedoch zwangsläufig, dass es von allen pädagogischen Grundwerten einmal völlig abgesehen schon aus diesen rein praktischen Gründen ein Ding der Unmöglichkeit ist, in irgendeiner Weise vorab eine bestimmte ‚Identität’ zu definieren, die am Ende dieses Prozesses bei den Kindern gleichsam ‚herauskommen’ soll – eine solche verfestigte Identitätskonstruktion könnte nur im Kontext einer Indoktrination erzeugt werden. Der beschriebene Sachverhalt erweist ein weiteres Mal in aller wünschenswerten Deutlichkeit die Unangebrachtheit statischer Identitätskonzepte, wie sie nicht selten gerade an dieser Stelle – durchaus nicht nur von islamischer Seite – in Stellung gebracht werden. Muss man die Kinder nicht vor der Vielfalt abschirmen? Müssen sie nicht zunächst eine Kultur ‚erlernen’, bevor man andere auf sie ‚loslassen’ kann? Diesem Denken liegt im Kern ein – noch einmal mit Kippenberg gesprochen – „verdinglichter“ Identitätsbegriff zu Grunde, der Identität als einen Bestand auffasst, der durch die Konfrontation mit abweichenden Identitätsangeboten erodiert wird, und nur durch deren Zurückweisung erhalten werden kann. Diese Denkweise ignoriert jedoch den grundlegenden Prozesscharakter von Identität, der auf der individuell-biographischen Ebene dem historischen Charakter von Diskursen entspricht.274 In Parallelität zur Ausbildung der Lehrer selbst ergibt sich aber auch aus dem gesagten, dass der Unterricht, wenn er den Kindern Orientierung und Kompetenz vermitteln will, nicht nur auf einer ‚rein’ informativen Ebene verbleiben kann, schon aus dem einfachen Grund, dass auch in diesem Kontext persönliche Stellungnahmen von Seiten der Schüler permanent abgefragt werden. Noch einmal Harry Harun Behr: „Du beginnst um acht Uhr mit Religionskunde und hörst um viertel vor neun mit Religionsunterricht, der erlebnisorientiert ist, auf. Du hast den Sprung über die Theologieorientierung hin zur Erlebnisorientierung gemacht und dann stehen die Schülerinnen und Schüler da und wollen fragen, wie ist das im Islam und >Wie sehen Sie das, Herr oder Frau Soundso und was bedeutet das für mich?< Und auf dieser Mikroebene: Klassenzimmer, Unterrichtsdiskurs finden solche Prozesse auch statt. Wo eine Lehrerin oder eine Lehrkraft sozusagen gefordert ist, in ihrer Rolle als Mensch und ihrer Rolle als 273 274 Berger 1992. Vgl. dazu auch Engelbrecht 2007 (in Veröffentlichung). Seite 58 von 76 Modell Rede und Antwort zu stehen.“275 Die an dieser Stelle anschließende Fragestellung „Religionskunde, Bekenntnisunterricht oder was sonst?“276, erweist sich jedoch vor allem im Licht der jüngeren Diskussionen offenbar als weit weniger umstritten als angenommen.277 Der Unterschied zwischen der Islamkunde und einem Religionsunterricht gemäß Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes wird von Klaus Gebauer in einer Weise beschrieben, die der eben wiedergegebenen praktischen Erfahrung Recht gibt: Das Ziel des Religionsunterrichts besteht in „Information über die eigene Religion, explizit Bestätigung der eigenen Religion durch Vertiefung des Wissens über diese“.278 Die Islamkunde weist genau dasselbe Ziel auf, mit dem einzigen Unterschied, dass die „Bestätigung der eigenen Religion“ in diesem Fall „implizit“ verläuft,279 womit die Nähe der beiden Unterrichtsformen deutlich wird. Offenbar bestimmt sich nicht an einem festen Unterrichtsmodell, ob Information, Orientierungshilfe oder Position anzubieten ist, sondern an der konkreten Unterrichtssituation. Und so stellt Klaus Gebauer fest, dass „die Islamkunde in NRW als Wegbereiterin und pädagogisches Fundament eines regulären islamischen Religionsunterrichts projektiert ist“.280 Die Entwicklung läuft also eindeutig auf einen „Religionsunterricht in der öffentlichen Schule gemäß Artikel 7,3 des Grundgesetzes“281 hinaus. Auch auf der Unterrichtsebene spielt dabei die Sprache, und nun auch die Sprachkompetenz eine entscheidende Rolle. Harry Harun Behr berichtet von einer Unterrichtssituation, in der sich gleichsam am nichtmuttersprachlichen Lehrer vorbei für die Gebetswaschung unter den Kindern das Wort „Vorwäsche“ eingebürgert hatte.282 An solchen Stellen wird erkennbar, dass nur Lehrerinnen und Lehrer, die muttersprachliche oder diesen im wesentlichen gleichkommende Sprachkenntnisse besitzen, in der Lage sind, die selbst fehlerhaften und unvollständigen Sprachwelten der derzeit so gut wie immer zweitsprachlichen Schülerinnen und Schüler adäquat zu erweitern. Die Fähigkeit der Kinder, ihre Fragen, ihr Wissen und ihre Überzeugungen bezüglich ihrer Religion in Deutsch zu artikulieren, muss als entscheidender Integrationsfaktor gesehen werden.283 Sie allein ermöglicht den Durchbruch durch die ‚Sprachmauer’ auch in religiöser Hinsicht. 3.2.2.3 Die Diskursräume der muslimischen Eltern Die Befunde aus den zwei bisher geschilderten Diskursräumen sind nicht als spezifisch für das „Erlanger Modell“ zu werten, sondern dürften mit Abwandlungen im wesentlichen überall anzutreffen 275 Interview mit Harry Harun Behr, Abs. 30-31. Stock 2003. 277 Dies wurde auch auf der Tagung „Auf dem Weg zum Islamischen Religionsunterricht in Deutschland II. Zum fachlichen Profil muslimischer Religionslehrerinnen und –lehrer“, 19.-21. März 2007 in den Gesprächsbeiträgen der Teilnehmer deutlich. 278 Gebauer 2006: 35. 279 A.a.O. 280 A.a.O.: 49. 281 A.a.O.: 35. 282 Interview mit Harun Behr, Abs. 111. 283 Vgl. dazu auch z.B. Mutlu 2006 u.a. 276 Seite 59 von 76 sein, wo islamischer Religionsunterricht in deutscher Sprache, bzw. seine Vorformen erteilt werden. Das spezifische des „Erlanger Modells“ liegt in der konstitutiven (Selbst-)einbeziehung der Eltern. Vor allem zwei Fragestellungen bestimmen die Beziehung zwischen den Diskursräumen der Religionslehrerausbildung und des Unterrichts und den Diskursräumen der Muslime, die Frage nach den Lehrplänen und der religiösen Qualifikation des Lehrpersonals. In beiden Fällen geht es um die Frage der Mitbestimmungsrechte der Muslime: „Auf muslimischer Seite werden hierbei zwei Kernanliegen erkennbar: Zum einen muss die Befürchtung ausgeschlossen werden können, dass Nichtmuslime durch die Bestimmung von Lehrplaninhalten Einfluss auf die islamische Glaubenslehre nehmen können. Vielmehr ist sicherzustellen, dass die inhaltliche Letztverantwortung immer bei den Muslimen verbleibt. Vergleichbares gilt für die Bestellung von Lehrkräften, die ja einen bekenntnisorientierten Unterricht erteilen sollen. Eine enge Kooperation zwischen der staatlichen Verwaltung und den betroffenen Muslimen ist deshalb unerlässlich und wohl auch der Garant für den Erfolg eines solchen Modells.“284 Die konstruktive Bearbeitung beider Fragenbereiche im „Erlanger Modell“ verdankt sich nicht zuletzt der Tatsache, dass die muslimischen Gesprächspartner identisch mit den Betroffenen waren: Die „Islamische Religionsgemeinschaft Erlangen“ konstituiert sich im wesentlichen aus dem Kreis der Eltern der Kinder, die am Schulversuch teilnehmen, oder das beabsichtigen. Die Grundlage der Lehrpläne konnte so in der oben erwähnten Kommission schrittweise gemeinsam von den Vertretern der Universität, des Kultusministeriums, des Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung, der Schulbehörden und der Muslime konsensuell erarbeitet werden. Johannes Lähnemann summiert: „Wichtig war natürlich dabei – und das ist in der Überschneidung zwischen der Arbeit für die Schule und der Arbeit an der Universität wesentlich, welche Leitthematiken und welche pädagogischen Grundprinzipien für die Lehrplanarbeit leitend waren (...) wir haben festgestellt, es gibt bestimmte Grundthemen, die für das islamische Selbstverständnis von besonderer Relevanz sind und die in gewisser Weise als Leitthemen den Unterricht hindurch verfolgt werden sollten. Einmal natürlich das Leben der Kinder in dieser Umgebung, dieser Schule, dieser pluralen Umwelt in der sie sind. Aber natürlich auf der anderen Seite die Fundamentalia islamischer Tradition zu denen Koran, Hadith, Prophetengeschichte und natürlich Ethik dazugehört und dann ist die Frage der Ethik des Zusammenlebens, der Bereich der religiösen Bräuche sehr wichtig.“285 Ähnlich konnte so die Frage der Lehrer und die Frage der Besetzung der Professur im Kommunikationsprozess geklärt werden. Wirft man allerdings einen genaueren Blick auf die Geschichte und Struktur der langfristigen Kommunikationsvorgänge, die sich hinter dieser allzu glatten Beschreibung verbergen, dann wird deutlich, dass sich der Erfolg der Erlanger Zusammenarbeit nicht auf die einfache Formel ‚fragt statt den Verbänden die Eltern’ reduzieren lässt. 284 Güneysu 2005: 63. Interview mit Johannes Lähnemann, Abs. 4. Die Frage der Lehrpläne und ihrer Inhalte hier auch nur in Ansätzen zu diskutieren, würde den Rahmen der vorliegenden Erörterung sprengen. Vgl. zu aktuellen Diskussion u.a. Behr 2005 und Kaddor 2006. 285 Seite 60 von 76 Denn es zeigt sich innerhalb der Elternschaft eine wichtige Differenzierung. Während eine kleine Gruppe von Muslimen sich aktiv und mit hohem Engagement von den Anfängen des ChristlichIslamischen Arbeitskreises in Erlangen bis heute für die Etablierung des Unterrichts einsetzte, verblieb der Großteil der Elternschaft in einer zwar bereitwilligen, aber letztlich doch passiven Rolle. Zwei Faktoren kommen zusammen, die als Erklärung für diesen Unterschied herangezogen werden können. Zum einen handelt es sich bei den aktiven muslimischen Eltern um Mitglieder der kleinen, aber wachsenden und tendenziell bildungsfreundlichen türkischstämmigen Mittelschicht (vgl. Abschnitt 2.2.2.1). Dieser Personenkreis weist erfolgreiche Integrationsbiographien auf und ist sich der Bedingungen bewusst, die gegeben sein müssen, damit ein solcher Erfolg auch den Kindern möglich ist. Gleichzeitig können die aktiven Muslime im Weberschen Sinne eindeutig als „religiöse Virtuosen“286 angesprochen werden. Anders als viele türkischstämmige Muslime der älteren Generationen haben sie ihre Religion dabei zu einem Schlüsselfaktor der eigenen Integration gewendet und sind von der Überzeugung getragen, dass die religiöse Erziehung für die Kinder auch zu deren Integration von substanzieller Bedeutung ist. Die Entscheidung dafür, dass dieser Unterricht in der Schule stattfinden muss, ist dabei eine rein pragmatische, die aus der auch von Äußerungen von Studierenden gestützten Erfahrung resultiert, dass die Moscheen die Erwartungen dieser Muslime bezüglich einer integrationsorientierten religiösen Erziehung offenbar nicht erfüllen. So meint der Vorsitzende der IRE: „In allen islamischen Vereinen beobachte ich, dass die Vorbeter, die die Kinder in Religion unterrichten, keine genügende Qualifikation haben. Sie können die Probleme der Kinder nicht angehen und sie können die Kinder nicht in diese Gesellschaft integrieren, weil sie selber hierher gekommen sind, manche sogar nach vier, fünf Jahren wieder zurückkehren (...) Daher kam vielen der Gedanke, Religionsunterricht soll in der Schule erteilt werden, genauso wie ihn die Eltern normalerweise von den Moscheen bekommen haben. Die Kinder haben ja schon Religionsunterricht bekommen, daran ist es nicht gescheitert, aber in manchen Bereichen haben sie auch falsche Religion bekommen in Richtung Fanatismus und von Integration haben sie überhaupt nichts mitbekommen. (...) Wenn jetzt ein Theologe sehr gut Deutsch spricht, die Probleme von Deutschland und von den Migranten kennt und zu einer Brücke zwischen Muslimen und Christen in der Schule wird, werden manche Probleme schon im Vorfeld, also im Kindesalter gelöst und so werden die Kinder erwachsen und akzeptieren sich gegenseitig. (...) Und daher ist der Unterricht in der Schule sehr wichtig. Natürlich soll die Lehrkraft auch ein Theologe sein, der nach der Religion lebt, sonst gibt es kein Vertrauen zwischen Lehrer, Kindern und Familie“287 So zeigt sich, dass das Erlanger Modell, so wie Harry Harun Behr es für die theologische Arbeit formulierte, auch auf der Ebene der Muslime „aus einem gewissen Leidensdruck“ 288 entstand. Selbst die Gründung der IRE erfolgte nicht aus einer programmatischen Perspektive heraus, sondern als 286 Weber 1980: 327f. Vgl. Abschnitt 2.2.3. Interview mit dem Vorsitzenden der IRE, Abs. 14-22. 288 Interview mit Harry Harun Behr, Abs. 2. 287 Seite 61 von 76 pragmatische Zwischenlösung (vgl. Abschnitt 3.2.1). Es ist nun in erster Linie diese kleine Gruppe hochaktiver muslimischer Eltern, die das Erlanger Modell aktiv mit gestaltet. Dabei verläuft der Prozess der Aktivierung der hauptsächlich türkischstämmigen Eltern in erster Linie über persönliche Vertrauensbildung zu dieser aktiven Gruppe. Denn die Mehrheit der Eltern begrüßt zwar erkennbar die Einrichtung eines islamischen Religionsunterrichts, ist aber nur schwer dazu zu anzuregen, selbst in den Gestaltungsprozess einzusteigen, was den aktiven muslimischen Eltern wohl bewusst ist: „Wir haben in Erlangen, ich weiß nicht genau, dreitausend Türken und darunter sind vielleicht zwanzig Leute, die einen Verein führen können, nicht mehr. Und in der Schule, also das sind normale Familien, keine Leute, die so was gemacht haben und verstehen“.289 Auch hier spielt die Sprache wieder eine Schlüsselrolle: Ein Großteil der muslimischen Eltern ist rein sprachlich nicht in der Lage, die komplexeren Zusammenhänge in deutscher Sprache – ob gesprochen oder geschrieben – auch nur ansatzweise nachzuvollziehen. Dies resultierte unter anderem in der nur auf den ersten Blick paradox anmutenden Situation, dass sowohl die Vorbereitungs- als auch die Gründungssitzung der derzeit in Gründung befindlichen „Islamischen Religionsgemeinschaft Nürnberg“ zur Einrichtung eines „islamischen Religionsunterrichts in deutscher Sprache“ von den Beiträgen der anwesenden deutschen Beteiligten abgesehen praktisch vollständig in türkisch durchgeführt wurden. In diesem Zusammenhang erfüllen die aktiven muslimischen Eltern eine dreifache Aufgabe: Zum einen vermitteln sie die Inhalte, Anliegen und Notwendigkeiten der deutschen Gesprächspartner über die ‚Sprachmauer’ hinweg an die Eltern. Zum zweiten erarbeiten sie die persönliche Vertrauensgrundlage, die die Eltern bewegt, ihre Kinder an dieser Stelle durch die ‚Sprachmauer’ hindurch den Lehrkräften anzuvertrauen. Und zum dritten bilden sie selbst einen Anreiz für eine kleine Zahl weiterer Muslime, eine aktive(re) Rolle in dem Prozess zu übernehmen. Dabei kennt die Gruppe der Aktiven die Grenzen ihrer eigenen Kompetenz und Reichweite und sucht konsequent die Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen Instanzen der deutschen Seite: „Andererseits ist staatliche Unterstützung über die ohnehin bestehenden organisatorischen Aufgaben hinaus zumindest für absehbare Zeit unerlässlich. (...) Deshalb hat die IRE von vornherein um entsprechende Unterstützung seitens des Schulministeriums gebeten. Im Ministerium wird auch geprüft, ob rechtliche Bedenken gegen Teile des vorgeschlagenen Curriculums bestehen. Auch dies ist ein Anliegen, das durchaus von Muslimen selbst vorgetragen wird. Auf diese Weise lässt sich in enger Kooperation ein Modell entwickeln, das sowohl den Muslimen die Definitionshoheit über ihre Glaubenssätze belässt, als auch die Sicherheitsbedürfnisse des Staates realisiert. Dasselbe gilt auch für den Modus zur Bestellung von Lehrkräften.“290 Die Anliegen der Muslime wurden nicht nur von der kultusministerialen Seite aufgenommen, sondern 289 290 Interview mit dem Vorsitzenden der IRE, Abs. 147. Güneysu 2005: 63f. Seite 62 von 76 auch von den lokalen Schulbehörden und Schulleitungen. So kamen Anstöße zur Etablierung des „Erlanger Modells“ in Nürnberg von Seiten der Schulen selbst.291 Neuerdings unterstützt der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) die Ausweitung des „Erlanger Modells“ mit einer Handreichung.292 Handelt es sich nun um den von Hansjörg Schmid vermuteten „Glücksfall“ 293, oder steckt hinter dem „Erlanger Modell“ eine reproduzierbare Struktur? Die Frage ist auf zwei Ebenen zu beantworten. Zum einen ist eine flächige Ausbreitung des Modells durch die Gründung weiterer lokaler „Islamischer Religionsgemeinschaften“ und weitere Schulversuche möglich, wenn es allen Beteiligten gelingt, nicht nur die dafür notwendigen formalen und rechtlichen Informationen weiterzugeben, sondern wenn auch der informelle Vertrauensbildungsprozess abgelöst von den ursprünglichen Akteuren weitergeht. Das ist zum nicht geringen Teil eine Frage der Organisation und Kommunikation. So könnte es sich langfristig als sinnvoll erweisen, über die Handreichung des BLLV hinaus von geeigneter Stelle Ansprechpartner bereitzustellen, die Anfragen bezüglich des Modells aufnehmen und moderieren können, solange, bis sich das jeweilige konkrete Projekt selbst zu tragen in der Lage ist. Diese Ansprechpartner müssten mit den interessierten Schulen kommunizieren, aber vor allem fähig sein, Anliegen, Bedenken und Fragen der muslimischen Eltern kompetent aufzunehmen und so die notwendige, aber von deutscher Seite nicht selten in ihrer Bedeutung unterschätzte informelle Vertrauensbasis herzustellen. Die ehrenamtlichen Vertreter der IRE werden diese Arbeit sicher nicht auf Dauer leisten können. Formal betrachtet und von der konkreten Situation abgelöst, ist das Erlanger Modell ein geradezu paradigmatischer Beleg für die in 2.1 vertretene These, dass eine adäquate und langfristig konstruktive Aufnahme des korporatistischen Angebots des Staates einen Prozess der Co-Konstruktion von gemeinsamen Strukturen und eine feste diskursive Einbindung der Religion auf unterschiedlichen Ebenen voraussetzt. Vor dem Hintergrund der hier gesammelten Befunde lässt sich eindeutig sagen, dass die Frage des Religionsunterrichts – und das gilt für alle in Abschnitt 3.1 angesprochenen Modelle in gleichem Maße – nicht dadurch gelöst werden kann, dass sich ein politisch-strategisches Bündnis muslimischer Verbände auf juristischem oder politischen Wege den Vertretungsanspruch für das muslimische Diskursfeld sichert. Erfolg verspricht langfristig nur der Aufbau von eng verzahnten Strukturen zwischen der Seite der Zuwanderungsgesellschaft und dem muslimischen Diskursfeld – für die das „Erlanger Modell“ sicherlich als ein Beispiel gelten kann. Auf diese Weise kann das korporatistische Angebot des Staates gleichsam ‚von unten Stück für Stück’ aufgefüllt werden. 3.2.2.4 Die Moscheen und Verbände als Diskursraum Dabei geht es – das ist an dieser Stelle zu betonen – in keiner Weise um die Marginalisierung der 291 Interview mit dem Schulleiter einer dieser Schulen. Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband 2007. 293 Schmid 2005: 241. 292 Seite 63 von 76 Moscheen oder der Verbände. Im Gegenteil wird auch aus den Äußerungen aller Beteiligten des „Erlanger Modells“ deutlich, dass die Kooperation mit den Moscheen und Verbänden immer wieder gesucht wurde, aber augenscheinlich auf kein konstruktives Echo gestoßen ist. Entsprechend schreibt z.B. Remzi Güneysu bezüglich DITIB: „Trotz intensiver Bemühungen ist es bislang bedauerlicherweise nicht gelungen, die regionale Repräsentanz der Türkischen Republik von der Notwendigkeit und Zukunftsträchtigkeit unseres Modells zu überzeugen. Im Gegenteil sperrt sich das Konsulat gegen die deutsche Unterrichtssprache und die damit verbundene Integrationsidee. Andererseits wäre es aus unserer Sicht nach wie vor höchst wünschenswert, die Meinungen und Interessen der Muslime unter Einbindung der D.I.T.I.B. (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) zu bündeln.“294 Ähnliche Erfahrungen berichtet ein Schulleiter, der für seine Schule an einer Erweiterung des „Erlanger Modells“ interessiert war und Überlegungen anstellte, wie es umzusetzen sein könnte: „Anfang des Schuljahres haben wir gesagt, gut dann sollen doch die Nürnberger Moscheen so einen Verein gründen und da haben wir natürlich die Situation (...) völlig verkannt. Die sind sich ja überhaupt nicht grün, das heißt, es war umfangreich zum Scheitern verurteilt. (...) und auch die Einbeziehung des türkischen Konsulats hier, das war ein totaler Rohrkrepierer, weil die natürlich den Unterricht in türkischer Sprache von türkischen Lehrern machen wollen und (...) das ist nicht unser Ansatz.“295 Dabei sind sich die unterschiedlichen Repräsentanten des Erlanger Modells sehr bewusst, dass der langfristige Erfolg des islamischen Religionsunterrichts eine Zusammenarbeit mit den Moscheen braucht und fordert. Ein Studierender formuliert das so: „Deshalb denke ich auch, dass es sehr sehr wichtig ist, und das machen wir eigentlich auch hier, dass wir viel mit der Moschee zusammenarbeiten, dass da Vertrauen entsteht. Also ich möchte (...) kein Gegenpol zur Moschee sein. Also ich wäre der Letzte der sagt, wir sind die Konkurrenten der Imame, das möchte ich überhaupt nicht. Ich sehe uns mehr sozusagen, zum Teil als Bindeglied und als Sprachrohr (...) und ich denke, dass wir da sehr viel Vertrauen gewinnen müssen.“296 Vor allem zwei Faktoren sprechen dafür, dass es den muslimischen Akteuren des „Erlanger Modells“, egal, ob Repräsentanten der Eltern, ob Lehrer oder ob Universitätsdozenten, mittel- und langfristig gelingen kann, eine stabile Zusammenarbeit mit den Moscheen vor Ort aufzubauen. Der eine Faktor liegt in seiner Struktur. Das Modell ist in Kooperation mit muslimischen Vertretern entstanden und kann auf diesen Hergang verweisen. Damit ist es kein ‚obrigkeitlich verordnetes’, sondern tatsächlich eine Co-Konstruktion von Muslimen und deutscher Seite. Der zweite Faktor liegt in dem „Leidensdruck“297 des Umbruchs von einer vom Herkunftsland her bestimmten ‚Gastarbeiterreligion’ 294 Güneysu 2005: 64. Interview mit dem Schulleiter einer dieser Schulen, Abs. 36-38. 296 Interview mit einem Studierenden der islamischen Religionslehre, Abs. 234-237. 297 Interview mit Harun Behr, Abs. 2. 295 Seite 64 von 76 zu einem ‚deutschen Islam’. 3.3 Fazit: Die Notwendigkeit einer staatlichen aktiven Moderation des islamischen Religionsunterrichts für einen Übergangszeitraum Dieser Umbruch ist – auch wenn einige der vorhergehenden Abschnitte diesen Eindruck erweckt haben könnten – nicht in erster Linie ein theologischer Umbruch. Die in Abschnitt 2.2.3 skizzierten Bezugspunkte der individuellen und kollektiven Identitätskonstruktion sind vorher Gegenstand muslimischer Diskussionen gewesen und werden es erkennbar bleiben, zwischen ihnen werden noch ziemlich lange Zeit die Spannungslinien verlaufen. Was sich erkennbar zu ändern beginnt, ist die Art und Weise, wie die Muslime in Deutschland sich auf der diskursiven und der sozialen Ebene organisieren. Diese Umstrukturierung ist noch weit davon entfernt, ‚in der Fläche’ wirksam zu werden. Die große Menge vor allem der türkischstämmigen Muslime wird ebenfalls noch eine ganze Weile auf die türkisch-islamischen Verbände bezogen bleiben – ein Befund, der unter Integrationsgesichtspunkten einer eigenen weitergehenden Auseinandersetzung bedarf. Gleichzeitig werden auch die Bemühungen des bereits existierenden deutschsprachigen muslimischen Diskursfelds weitergehen. Daneben beginnt jedoch mit den Pilotprojekten zum ‚islamischen Religionsunterricht’ eine Phase der theologischen Professionalisierung des deutschen Islam, eine Entwicklung die von den anderen eben genannten in einer gewissen Unabhängigkeit verläuft, einer Unabhängigkeit die nicht zuletzt auch materieller Natur ist. Die zukünftigen angestellten muslimischen Religionslehrer und Theologen werden als eigenständige Gruppe von Akteuren eine neue Dynamik in die muslimischen Diskurse und ihre Verhältnisbestimmung zur deutschen Gesellschaft bringen, wobei diese Dynamik weit mehr in der Methode als in den Inhalten liegt. Harry Harun Behr formuliert das von der Perspektive der akademischen Ausbildung her: „Diese Rückbindung an die Moschee und an die islamischen Glaubensgemeinschaften bleibt immer irgendwie brenzlig, vor allem weil man sich auch in bestimmten Positionen in eine andere Richtung bewegt, als der mitgebrachten Tradition vieler Muslimas und Muslimen entspricht, das ist absolut zwangsläufig so. Nicht weil man das will, sondern das ergibt sich schlichtweg aus der Beschäftigung mit der Materie, sozusagen das Reformpotenzial, das in einer (...) Rückannäherung an die Schriftgrundlagen drinsteckt.“298 Ein Studierender weist daraufhin, dass dieser Wandel aber schon weit unterhalb des akademischen Niveaus beginnt und zwar keineswegs als aufklärerisches Projekt, sondern auch aus dem Leidensdruck heraus, den eigenen Weg in der Situation des permanenten ‚wählen Müssens’ zu finden. Die Jugendlichen, „wollen den richtigen Weg für sich finden und das geht nur über die Frage, was erlaubt und was nicht 298 Interview mit Harry Harun Behr, Abs. 17. Seite 65 von 76 erlaubt ist. Und ich denke, dass können oft die Eltern nicht mehr bewerkstelligen, dass sie eben den Kindern sagen, was erlaubt und was nicht und wenn, dann machen sie es meistens falsch. Denn nach dem was ist erlaubt und was ist nicht erlaubt kommt normalerweise die nächste Frage, warum ist es erlaubt und nicht erlaubt (...) und bei dieser Frage spätestens hört es bei den meisten auf, weil sie keine Ahnung haben, sie sagen einfach, >das haben wir von Oma gehört< oder sie sagen >keine Ahnung (...) ist halt einfach mal so, ich weiß auch nicht woher ich es habe<. Und dieses Warum bringt, glaube ich, viele Jugendliche wieder zurück in die Moschee, dass sie sagen na, ja, woher soll ich es denn erfahren, wenn nicht in der Moschee.“299 Es wurde jedoch bereits gezeigt, wie viele junge Muslime – und zwar gerade religiös virtuose mit sehr guten Deutschkenntnissen – bei den Moscheen nicht stehen bleiben. Aus ihnen rekrutieren sich die Studierenden der islamischen Religionslehre. Was für viele der jungen Muslime als ein hochattraktiver und biographisch bedeutsamer Diskursraum jenseits der ‚Sprachmauer’ gelten kann, ist für die älteren Generationen freilich von hoher Ambivalenz. Zwar ist der islamische Religionsunterricht für die meisten muslimischen Eltern ein extrem positiv bewertetes Symbol und ein lang erwartetes Signal und Angebot der Zuwanderungsgesellschaft. Dennoch bestehen auch viele Bedenken und massive Ängste bei Eltern und Verbänden, dass der hier gelehrte Islam nicht den eigenen, häufig traditionalistischen und/oder nationalistischen Vorstellungen entspricht. Gerade das Beispiel des „Erlanger Modells“ ist jedoch als Beleg dafür aufzufassen, dass die Interessen der Eltern und der Verbände – hier in erster Linie der türkisch-islamischen Verbände – nicht zusammenfallen. Das Interesse einer zunehmenden Zahl von Eltern besteht darin, die eigenen Kinder für das Leben jenseits der ‚Sprachmauer’ fit zu machen, auch wenn sie selbst es aus unterschiedlichen Gründen nicht durch diese Mauer geschafft haben. Der islamische Religionsunterricht hat dabei für sie die Funktion, die Kinder mit einem wichtigen, zum Teil sogar mit einem zentralen Element der eigenen Lebens- und Wertegrundlagen bekannt zu machen. Einfach aus diesem Grund ist es für sie entscheidend, Lehrer zu finden denen sie vertrauen. Auch viele einzelne Funktionäre aus den Moscheen und von den Verbänden sind sich wohl bewusst wie dringend dieses Anliegen ist. Die Verbände selbst aber sind durch ihre „Transstaatlichkeit“300 gehandikapt. Sie werden sich auf Dauer entscheiden müssen, ob sie weiter „Außenstelle einer türkischen Partei oder Bewegung“ oder „Migranten-Selbstorganisation“301 sein wollen. Speziell bei DITIB reicht diese Frage bis an die Wurzeln der Struktur und Legitimation des Verbandes. Letztlich erklären sich von hier aus auch zu einem guten Teil die aktuellen intensiven Bemühungen der Verbände, als anerkannte islamische Religionsgemeinschaften ein prägendes Mitspracherecht in entscheidenden Aspekten des Unterrichts zu bekommen. Genau diese Anstrengungen sind angesichts 299 Interview mit einem Studierenden der islamischen Religionslehre, Abs. 136-140 Vgl. Trautner 2000. 301 Zentrum für Türkeistudien 1997: 114f. 300 Seite 66 von 76 der in den Abschnitten 2.2 und 2.3 skizzierten Sachverhalte jedoch als außerordentlich problematisch einzuschätzen. Die Verbände stehen – mit Ausnahme von DITIB, der aus den in Abschnitt 2.2.4.1 genannten Gründen ausfällt – weder zahlenmäßig noch von den von ihnen vertretenen Positionen für eine Mehrheit der Muslime in Deutschland. Erst eine Einbeziehung des skizzierten Feldes muslimischer Pluralität – zu der die flächendeckende Etablierung eines islamischen Religionsunterrichts und die Professionalisierung der islamischen Theologie an den Universitäten entscheidendes beitragen kann – schafft eine Grundlage für einen islamischen institutionellen Ansprechpartner, der mittel- und langfristig in der Lage ist, das korporatistische Angebot des Staates konstruktiv zu füllen. Dieser Sachverhalt berechtigt zu der paradoxen Formulierung, dass der islamische Religionsunterricht eine Einrichtung ist, die sich die soziale Basis für die eigene Existenz erst selbst schaffen muss. Mathias Rohe formuliert die Konsequenzen so: „Meines Erachtens ergibt sich aus der Religionsfreiheit eine Kooperationspflicht des Staates bei der Offenlegung der konkreten Voraussetzungen für den IRU und bei der Einrichtung einer vermutlich längerfristigen >Probephase<. Muslime werden sich nur stufenweise und von unten (lokale Ebene) nach oben (Landes- oder Bundesebene) nur sukzessive konstituieren können“.302 Anders formuliert, die staatlichen Stellen sollten für eine Übergangsphase den Charakter der Modellversuche als staatlich moderierte ‚Vorformen’ aufrechterhalten und so sicherstellen, dass sich die entstehenden Diskursräume ohne die Gefahr einer inhaltlichen Schließung von irgendeiner Seite entwickeln und zu eigenständigen Größen innerhalb der gesamtmuslimischen Diskurse werden können. Wenn nun z.B. Abdul Hadi Christian Hoffmann darauf insistiert, „die Tatsache, dass sich die überwiegende Mehrheit der Muslime nicht organisiert“, könne „kein Grund sein, >nicht nach Möglichkeiten der Kommunikation und Kooperation mit den Organisierten zu suchen<“303 so ist dieses Anliegen zu bejahen: Die Verbände müssen als ein substanzieller Teil der muslimischen Diskurse in Deutschland in die Diskussionsprozesse im Rahmen der Einführung des islamischen Religionsunterrichts dauerhaft mit einbezogen werden. Sie sind Teil der Diskurse. Ein Alleinvertretungsanspruch kann jedoch keinesfalls daraus abgeleitet werden. Das macht ‚bottom up’ Lösungen entsprechend dem eben zitierten Konzept von Rohe zu einem entscheidenden Zwischenschritt in Richtung einer langfristig für alle Seiten befriedigenden Lösung. Das „Erlanger Modell“ ist dabei eine wichtige mögliche Variante neben den anderen Modellprojekten und Vorformen eines islamischen Religionsunterrichts in deutscher Sprache, wie sie in Abschnitt 3.1 skizziert sind.304 Ein wichtiger Impuls, der vom „Erlanger Modell“ ausgehen kann, liegt vor allem in 302 Rohe 2006: 85. Hoffmann 2005: 12f in Zitation von Lemmen 2005: 184. 304 In vieler Hinsicht realisiert das Berliner Modell die Vorstellungen der Mehrzahl der Verbände, so wie die unterschiedlichen Formen der islamischen Unterweisung in türkischer Sprache die Vorstellungen erfüllt, die DITIB nach wie vor mehrheitlich vertritt. Es wäre ein Desiderat für die religionspädagogische und/oder soziologische Forschung, eine vergleichende Evaluation unter Schülern oder ehemaligen Schülern dieser 303 Seite 67 von 76 der verstärkten und konstitutiven Einbeziehung und Aktivierung der Eltern als tragendes und formendes Element des Unterrichts und womöglich der Lehrpläne und der Lehrerauswahl, wobei die Befunde gezeigt haben, dass dies kein einfaches Unterfangen ist. Vielleicht ist ein zumindest mittelfristig gangbarer Weg für die Schaffung eines institutionellen muslimischen Ansprechpartners für die Länder zunächst die Organisation in Interessengruppen – Eltern, Lehrer, Dozenten und Moscheen – erst sie zusammen bilden einen einigermaßen repräsentativen Teil des muslimischen Diskursfeldes ab. Modelle durchzuführen unter dem leitenden Gesichtspunkt, welche Selbstdefinitionen und welche Verhältnisbestimmungen zur deutschen Gesellschaft sie entwickelt haben und welche Wirkungen die verschiedene Modelle dabei zeigen. 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