Mentale Gesundheit im Dialog

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Mentale Gesundheit im Dialog
Depression – was nun?
Akuttherapie & Rehabilitation
Samstag, 30. September 2017
Tagungsort
Lebens.Resort Ottenschlag
Xundheitsstraße 1, 3631 Ottenschlag
www.lebensresort.at
Wissenschaftliche Leitung
Prim. Dr. Christiane Handl
Weitere Vortragende
Univ.-Prof. Dr. Christoph Pieh
Univ.-Prof. Dr. Henriette Walter
Dr. Thomas Kapitany
Dr. Clemens Hanika
Richard Medlitsch
www.facebook.com/lebensresort
Depression: Fakten und Mythen
Univ.-Prof. Dr. Christoph Pieh
Facharzt für Psychiatrie sowie für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie,
Leiter des Departments für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit an
der Donau-Universität Krems
Die Weltgesundheitsorganisation spricht von einer Volkskrankheit und bringt ständig
alarmierend steigende Zahlen: Die Rede ist von Depression.
Kaum eine psychische Erkrankung ist medial so präsent und dennoch gibt es ein hohes Maß
an Unwissen darüber, was genau eine Depression ist, wie eine solche aussieht oder wie
man diese behandelt? In der Bevölkerung besteht sehr heterogenes Wissen über dieses
Krankheitsbild, teilweise sehr fundiert, teilweise sehr gering und dazwischen ein hohes Maß
an Halbwissen. Die unbegrenzten Informationen, die das Internet bietet, sind schon für
Fachleute, und erst recht für Laien, schwer zu interpretieren. Darüber hinaus halten sich
hartnäckig eine Reihe von Mythen um diese Erkrankung. So kann man beispielsweise lesen,
dass Depressionen keine richtige Erkrankung seien, sondern lediglich ein Zeichen der
Schwäche.
Der Vortrag möchte den bestehenden Mythen einige Fakten gegenüberstellen. Hierfür soll
zuerst geklärt werden, worüber wir eigentlich sprechen. Des weiteren sollen relevante
epidemiologische Kennziffern besprochen werden.
Auch zu den unterschiedlichen Therapien kursieren diverse Mythen. Einige meinen, man
müsse sich einfach zusammenzureißen, oder mal einen Urlaub machen. Auch sehr
hartnäckig scheint die Befürchtung, dass Antidepressiva abhängig machen würden. Und
außer Zweifel scheint für viele, dass der Arbeitsstress für ein Burn-Out verantwortlich ist.
Dass es hierfür kaum wissenschaftliche Beweise gibt, scheint nur wenige Beachtung zu
finden. Dafür findet man endlose Einträge über Wege in das bzw. auch wieder aus dem
Burn-Out.
Im Vortrag werden lediglich die Ursachen für Depressionen besprochen werden, für die eine
entsprechende wissenschaftliche Evidenz vorliegt. Selbiges gilt für die Effektivität und
Evidenz unterschiedlicher Therapieformen, die abschließend miteinander verglichen werden.
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Depression: Trauer oder Niedergeschlagenheit?
Univ.-Prof. Dr. Henriette Walter
Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Leitende Oberärztin an der Medizinischen
Universität Wien/AKH, Mitglied der Arbeitsgruppe "Burnout" der Wiener Ärztekammer
Die Beschreibung der Depression kennt man als gedrückte Stimmungslage, Verminderung
des Antriebs und Biorhythmusstörungen (z.B. Schlaf), kombiniert mit kognitiven Störungen,
wie negativem Denken, Grübeln, und auch einer allgemeinen Lustlosigkeit. Verlauf: Im ICD10 unterscheidet man die einmalige depressive Episode von der rezidivierenden Depression
(tritt in mehreren Phasen auf). Dieses mehrmalige Auftreten kennzeichnet auch die sog.
Bipolaren Störungen, in deren Rahmen allerdings manische und depressive Phasen das
klinische Bild prägen.
Die Unterschiede zwischen Trauer und Niedergeschlagenheit sollen gezeigt werden.
Arbeitsunfähigkeit kann bei beiden Zuständen auftreten. Der Unterschied im Verlauf dieser 2
Zustände und die Unterschiede in der Therapie werden gezeigt. Zum Schluss soll noch
erwähnt sein, dass die Hälfte aller Suizide auf die Krankheit Depression, die man zu den
affektiven Störungen zählt, zurückzuführen ist.
Trauer ist ein von außen ausgelöster Zustand mit Verschiebung der Stimmungslage ins
Negative, subjektiv „ein seelischer Schmerz“. Ein Verlusterleben löst Trauer aus, es wird
jemand oder etwas betrauert.
Niedergeschlagenheit ist im allgemeinen Sprachgebrauch ein Synonym für subdepressive
bis depressive Zustände. Sie bezieht sich neben der Stimmungslage auch auf eine
körperliche Ermattung. Sie soll Erschöpfung und eine Stimmungsverschiebung zum
Ausdruck bringen. Man geht davon aus, dass man mit Disziplin solche Zustände selbst
beenden kann. Von Angehörigen hört man daher oft „reiss dich zusammen“.
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Suizidalität - gefährliche Entwicklung in psychischen
Krisen und bei der Depression
Dr. Thomas Kapitany
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Psychotherapeut,
Stellvertretender Ärztlicher Leiter im Kriseninterventionszentrum Wien
An jedem Tag sterben in Österreich 3 bis 4 Menschen durch Suizid. Das sind deutlich mehr
Personen, als z. B. durch Verkehrsunfälle ums Leben kommen. Bei Jugendlichen und jungen
Menschen stellt der Suizid die zweithäufigste Todesursache dar. Einen Anstieg der
Suizidhäufigkeit gibt es dann auch im Alter. Männer suizidieren sich dreimal so häufig wie
Frauen.
Sehr häufig besteht im Vorfeld eines Suizids ein depressives Zustandsbild bzw. eine
Depression. Das Risiko depressiver Menschen, an einem Suizid zu versterben, ist
zwanzigmal höher als das einer vergleichbaren, aber nicht erkrankten Bevölkerungsgruppe.
Bleibt die Depression unbehandelt, erhöht sich das Risiko auf das 60-fache.
Suizidalität stellt auch eine Gefährdung im Rahmen von Lebenskrisen dar, ausgelöst durch
persönliche Verlusterlebnisse wie Todesfälle, Trennungen oder Verlust des Arbeitsplatzes,
aber auch im Zuge von zunehmend überfordernden Lebensveränderungen. Das Erleben von
Ausweglosigkeit, besonders wenn auch andere depressive Symptome hinzukommen, kann
eine suizidale Entwicklung fördern.
Wichtig für den Umgang mit suizidgefährdeten Personen ist, zu wissen, dass ein Suizid oder
Suizidversuch in der Regel kein spontanes Ereignis ist. Es gibt eine suizidale Entwicklung, in
deren Verlauf den Menschen geholfen werden und ein Suizid verhindert werden kann.
Faktoren für ein wirksames suizidpräventives Vorgehen sind ausreichendes Wissen über
suizidale Entwicklungen und Gefährdungen, das Wahrnehmen von – unter Umständen
indirekten – suizidalen Ankündigungen und Hinweisen, aktives Ansprechen und Nachfragen
von suizidalen Inhalten, Betroffenen Entlastung im persönlichen Gespräch anzubieten, das
Vermitteln an weiterführende professionelle Hilfe bis hin zur stationären psychiatrischen
Spitalsbehandlung, und nicht zuletzt eine wirksame antidepressive Behandlung und
gegebenenfalls der Einsatz von schlaffördernden und beruhigenden Medikamenten.
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Depression: Die Wohlstandsgesellschaft im Stress?
Dr. Clemens Hanika
Facharzt für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapeutische Medizin im
Lebens.Resort Ottenschlag; Psychotherapeut, Lehrtherapeut für Integrative
Therapie; Lehrbeauftragter an der Donau-Universität Krems und an der Karl
Landsteiner Universität Krems
Zunahme der globalen Krankheitslast für Depressionen und Angsterkrankungen um 37.6 %
von 1990 bis 2010.
Im Jahr 2013 fand ein Psychiatriekongress in Wien statt. Die Stimmungslage in der
Bevölkerung war diesmal durch die sogenannte Wirtschaftskrise eine gänzlich andere als
beim letzten in Wien stattgefundenen Kongress 1983.
Blättert man damals und heute durch gedruckte und elektronische Medien begegnet man
permanent einer Reihe von Krisenmeldungen oder Hiobsbotschaften. Obwohl auch heute
das wirtschaftliche Wachstum nach wie vor steigend ist und der Reichtum in Europa an
seinem Zenit, hat sich eine Art „Weltuntergangsstimmung“ etabliert.
Beschäftigungsprobleme, Flüchtlingsproblematik, Terrorangst und zunehmende Kritik an den
politischen und gesellschaftlichen Strukturen Europas sind Hauptinhalte der informativen
Medien – und diese „Informationsfelder“ zeigen Wirkung.
Einer Presseaussendung im Rahmen des internationalen Kongresses der
Weltpsychiatriegesellschaft (WPA) im Jahr 2013 zufolge, litten damals schon mehr
Menschen an psychischen Erkrankungen als bislang angenommen. Und diese Tendenz ist
derzeit weiter ansteigend. In Österreich nehmen 10 % aller Menschen (900.000) jährlich das
Gesundheitswesen wegen psychiatrischer Störungen in Anspruch.
Die sogenannte „globale Krankheitslast“ für diese Erkrankungen ist zwischen 1990 und 2010
um 37,6 % gestiegen. Besonders häufig sind depressive Erkrankungen gefolgt von
Angststörungen. Für die Zeit ab 2010 dürfte die Kurve weiter angestiegen sein.
Die Zeit seit den sechziger Jahren war geprägt durch wirtschaftlichen Aufschwung und
Fortschrittsglauben. Die wesentlichsten existentiellen Probleme der Menschen schienen
durch Entwicklung im wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Bereich jeglicher
Lösung nahe zu sein. Der Boom des „materialistischen Fortschrittsglaubens“ scheint aber
zumindest in unseren Breiten den Höhepunkt überschritten zu haben - wahrscheinlich aber
nicht aus echter Einsicht heraus - sondern nur auf Grund einer gewissen Stagnation des
bislang rasant wachsenden Wirtschaftswachstum und einer gewissen Ernüchterung. Die
Aufbruchsstimmung ist in eine Depression gekippt. Eingetretene oder befürchtete
Arbeitslosigkeit, zunehmender beruflicher Leistungsdruck, zunehmende Einkommensschere,
Veränderung der haltgebenden familiären Strukturen etc. sind auslösenden Substrate die ihr
zugrunde liegen.
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Zunehmende Aufmerksamkeit wird der enttäuschten Befindlichkeit der Menschen gewidmet.
Sprach man früher von der „Managerkrankheit“ – ein Erschöpfungssyndrom das nur
vielarbeitende Minderheiten mit hoher Verantwortung betroffen hatte ist das sogenannte
„Burnout“ heute die meistbehandelte „Krankheit“ in Rehabilitationseinrichtungen.
Die Grundunsicherheit der Menschen, ihre Grundängste, ihre Leere, ihr mangelnder
Lebenssinn lassen sich durch Kaufrausch, Computerdroge und Medientrance nicht mehr
zudecken. Die Ängste der Menschen brechen zunehmend durch. Eingekeilt zwischen
Konsumstress und Angst vor Jobverlust entwickeln die Menschen Symptome fehlenden
Grundvertrauens - dort wo die Verdrängungsmechanismen zum „happy“ und „cool“ sein nicht
mehr halten, boomen Panikattacken und Depression.
In diesem Vortrag soll auf dieses Phänomen aus psychotherapeutischer, soziologischer und
psychiatrischer Sicht näher eingegangen werden.
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Depression im Kontext Rehabilitation
Prim. Dr. Christiane Handl
Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Ärztliche Leiterin des Fachbereiches
Rehabilitation psychischer Erkrankungen im Lebens.Resort Ottenschlag
Ein Großteil der Patienten, die einen 6 wöchigen Rehabilitationsaufenthalt absolvieren,
werden mit einer depressiven Symptomatik zugewiesen.
Das multimodale Therapieprogramm eignet sich sehr gut um depressionsspezifische
Symptome zu verbessern. Der Schwerpunkt der Rehabilitation liegt jedoch in einer
Verbesserung der Aktivitäten und der Teilhabe - orientiert an der ICF (International
Classification of functioning).
Eine ausreichende Rehabilitationsfähigkeit liegt bei depressiven Patienten nur dann vor,
wenn eine selbständige Teilnahme am Therapieprogramm möglich ist und von Seiten
Kognition die Aufnahmefähigkeit für die therapeutischen Inhalte gegeben ist.
Das hauptsächlich gruppentherapeutische Setting ermöglicht viele Lernprozesse und
Erkenntnisse, fordert depressive Patienten aber auch im Hinblick auf ihre
Abgrenzungsfähigkeit.
Einen besonderen Stellenwert nimmt die Einschätzung von Suizidalität ein. Ein hoher Anteil
der aufgenommenen Patienten spricht wiederkehrende Suizidgedanken an.
Da die rezidivierende depressive Störung oft in Zusammenhang mit zurückliegenden
Traumatisierungen steht, bewährt sich bereits zu Beginn des Aufenthaltes eine Klärung der
Möglichkeiten und Grenzen des Reha-settings und die Abgrenzung zur stationären
Psychotherapie.
Bisweilen stellt die Rehabilitation den ersten Kontakt mit Psychotherapie her - diesbezüglich
kann Therapie-Motivation als Teil des Rehabilitationserfolges gesehen werden.
Von Seiten der medikamentösen Behandlung ist die 6-wöchige Beobachtungszeit ein guter
Rahmen zur Auswertung und ggf. Optimierung von bestehender Medikation. Information
nimmt einen hohen Stellenwert ein, sei es in Form von Medikamentenschulungen als auch
im fachärztlichen Verlaufsgespräch.
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Medizinische und berufliche Rehabilitation in der
Pensionsversicherung in Verbindung mit laufenden
Pilotprojekten
Richard Medlitsch
Abteilungsleiter Medizinische Administration bei der Pensionsversicherungsanstalt,
Landesstelle Niederösterreich
Die Rehabilitation ist im ASVG eine Kernaufgabe der Pensionsversicherung. Das Gesetz
unterscheidet die medizinische (§ 302 ASVG), die berufliche (§ 303 ASVG) und die soziale
(§ 304 ASVG) Rehabilitation. Im Zusammenhang der Rehabilitation sind seitens der
Pensionsversicherung Maßnahmen zu treffen, welche die Leistungs- und Arbeitsfähigkeit der
Versicherten soweit wieder herstellen, dass diese in die Lage versetzt werden, im beruflichen
und wirtschaftlichen Leben ihren Platz in der Gemeinschaft möglichst dauerhaft einnehmen
zu können. Die Pensionsversicherung ist daher für die Rehabilitation von Pensionsbezieher
(Dauerleistung) nicht zuständig.
Im Zuge der medizinischen Rehabilitation werden ambulante und stationäre Heilverfahren
als Pflichtaufgabe bewilligt. Die berufliche Rehabilitation bietet Maßnahmen in vielfältiger
Form (z.B. Arbeitsplatzadaptierungen, Berufsausbildungen, usw.) zur Erhaltung des
Arbeitsplatzes bzw. zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes an. Viele dieser Maßnahmen
werden gemeinsam mit dem AMS finanziert.
Im September 2016 wurde vom Vorstand der Pensionsversicherungsanstalt zum Zweck der
kontinuierlichen Weiterentwicklung bestehender Rehabilitationsmaßnahmen zum Erhalt der
Erwerbsfähigkeit von Versicherten der MASTERPLAN REHABILITATION entwickelt. Unter
den vielen aus dem MASTERPLAN resultierenden Aufträgen für die PVA ist im
Zusammenhang mit dem Kongress die frühzeitige Zusammenarbeit im Bereich der
medizinischen und beruflichen Rehabilitation hervorzuheben. Die Betreuung der Kunden soll
zwischen der medizinischen Wiederherstellung und der Hilfe bei der Erhaltung des
Arbeitsplatzes bzw. der möglichen Neuorientierung am Arbeitsmarkt ehestmöglich und
fließend abgewickelt werden.
Weiters sind berufsbegleitende Präventivangebote und trägerübergreifende Pilotprojekte zu
forcieren damit wirksame Maßnahmen rasch eingeleitet werden können. Im Vortrag darf auf
die Pilotprojekte FIT2WORK (AMS, PVA, GKK, AUVA, usw.) und R4I (Reha for Integration)
hingewiesen werden.
Satz- und Druckfehler vorbehalten. Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit bezieht sich jede
personenbezogene Formulierung ausdrücklich auf Frauen und Männer.
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Notizen
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