Brückenkurs Geometrie

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Brückenkurs Geometrie
Herbstsemester 2011
Ausgearbeitet von Prof. Dr. Ernst Gutknecht
Inhaltsverzeichnis
1 Grundlagen
1.1 Winkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1.1 Winkel an sich schneidenden Geraden
1.1.2 Winkel an parallelen Geraden . . . . .
1.2 Dreiecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.1 Winkel im Dreieck . . . . . . . . . . .
1.2.2 Kongruenz . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.3 Seitenhalbierende und Schwerpunkt .
1.2.4 Höhen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.5 Winkelhalbierende und Inkreis . . . .
1.2.6 Mittelsenkrechte und Umkreis . . . . .
1.2.7 Gleichschenkliges Dreieck . . . . . . .
1.2.8 Fläche des Dreieck . . . . . . . . . . .
1.3 Vierecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4 Sätze im rechtwinkligen Dreieck . . . . . . . .
1.4.1 Der Satz von Pythagoras . . . . . . .
1.4.2 Der Satz von Euklid (Kathetensatz) .
1.4.3 Der Höhensatz . . . . . . . . . . . . .
1.5 Der Kreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.5.1 Kreisfläche und Kreisumfang . . . . .
1.5.2 Winkel im Kreis . . . . . . . . . . . .
1.5.3 Das Bogenmass eines Winkels . . . . .
1.6 Die Strahlensätze . . . . . . . . . . . . . . . .
1.7 Übungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1
1
2
2
3
3
3
6
6
7
7
8
8
9
11
11
13
14
15
15
15
17
18
20
2 Trigonometrie
2.1 Die trigonometrischen Funktionen . . . . . . .
2.1.1 Die Winkelfunktionen spitzer Winkel . .
2.1.2 Berechnung des rechtwinkligen Dreiecks
2.1.3 Übungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.4 Die Winkelfunktionen beliebiger Winkel
2.1.5 Quadrantenbeziehungen . . . . . . . . .
2.2 Die Additionstheoreme . . . . . . . . . . . . . .
2.3 Berechnung des allgemeinen Dreiecks . . . . . .
2.3.1 Der Sinus-Satz . . . . . . . . . . . . . .
2.3.2 Der Cosinus-Satz . . . . . . . . . . . . .
2.4 Graphische Darstellung der Winkelfunktionen .
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23
23
26
27
30
31
33
37
37
38
40
i
INHALTSVERZEICHNIS
2.5
2.6
Die Arcusfunktionen . . . . . . . .
Anwendungen . . . . . . . . . . . .
2.6.1 Drehungen in der Ebene . .
2.6.2 Harmonische Schwingungen
2.6.3 Schwebungen . . . . . . . .
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49
49
50
51
51
52
54
54
55
4 Vektoren
4.1 Einführung von Vektoren . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Die Vektoroperationen . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.1 Multiplikation mit einer reellen Zahl . . . .
4.2.2 Die Vektoraddition . . . . . . . . . . . . . .
4.2.3 Die Gesetze der Vektoroperationen . . . . .
4.2.4 Subtraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.5 Ortsvektoren . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3 Basisvektoren und Komponenten . . . . . . . . . .
4.4 Das Skalarprodukt (Dotproduct) . . . . . . . . . .
4.4.1 Die Gesetze des Skalarproduktes . . . . . .
4.4.2 Komponentenformel für das Skalarprodukt
4.4.3 Übungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.4 Normalprojektion eines Vektors . . . . . . .
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57
57
59
59
59
60
60
61
62
65
66
67
68
69
3 Analytische Geometrie
3.1 Die Abstandsformel . . . . .
3.2 Mittelpunkt einer Strecke . .
3.3 Die Gerade . . . . . . . . . .
3.3.1 Die Steigung . . . . .
3.3.2 Die Geradengleichung
3.3.3 Orthogonale Geraden
3.4 Der Kreis . . . . . . . . . . .
3.5 Übungen . . . . . . . . . . . .
5 Räumliche Körper
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71
Kapitel 1
Grundlagen
1.1
Winkel
s2
A
Scheitel
s1 , s2 Schenkel
α
s1
A
Winkel werden in Grad gemessen:
0o
90o
180o
360o
0o < α < 90o
90o < α < 180o
180o < α < 360o
leerer Winkel
rechter Winkel
gestreckter Winkel
voller Winkel
spitze Winkel
stumpfe Winkel
überstumpfe Winkel
α
Bezeichnungen von Winkeln
P AQ
P
A
Winkel mit Scheitel A
Orientierte Winkel
Ein orientierter Winkel ist ein Winkel zusammen mit einem Drehsinn. Der
Drehsinn wir durch das Vorzeichen des
Winkels repräsentiert:
+
−
Q
Gegenuhrzeigersinn
Uhrzeigersinn
1
s2
+
α
A
s1
1.1 Winkel
1.1.1
2
Winkel an sich schneidenden Geraden
Nebenwinkel
α + β = 180o
β
α
Allgemein heissen zwei Winkel, die sich
auf 180o ergänzen, supplementär oder
Supplementwinkel
Scheitelwinkel
α
α = α
α
1.1.2
Winkel an parallelen Geraden
α
Stufenwinkel
α = α
α
Gegenwinkel
α
α + β = 180o
Gegenwinkel sind supplementär.
β
α
Wechselwinkel
α = α
α
1.2 Dreiecke
1.2
3
Dreiecke
1.2.1
Winkel im Dreieck
C
α
β
γ
α
β
A
B
α = α ,
β = β
α + β + γ = α + β + γ = 180o
Die Summe der Innenwinkel eines Dreiecks ist gleich 180o .
C
γ
γ
α
A
β
B
γ = 180o − γ = (α + β + γ) − γ = α + β
Die Summe zweier Innenwinkel ist gleich dem dritten Aussenwinkel.
1.2.2
Kongruenz
Zwei Dreiecke heissen kongruent, wenn sie deckungsgleich sind, d.h. sie können
so aufeinandergelegt werden, dass sie sich gegenseitig vollständig überdecken.
Mathematisch heisst dies, dass die Dreiecke mit einer Folge von Drehungen,
Parallelverschiebungen und Spiegelungen an Geraden ineinander übergeführt
werden können.
Zwei kongruente Dreiecke stimmen folglich in allen entsprechenden Winkeln
und Seiten überein.
1.2 Dreiecke
4
Kongruenzsätze für Dreiecke
1. (sws) Zwei Dreiecke, die in zwei Seiten und dem
eingeschlossenen Winkel übereinstimmen, sind
kongruent.
b
α
c
2. (wsw) Zwei Dreiecke, die in einer Seite und zwei
(und damit in allen) Winkeln übereinstimmen,
sind kongruent.
3. (sss) Zwei Dreiecke, die in allen drei Seiten übereinstimmen, sind kongruent.
α
β
c
b
a
c
4. (ssw) Zwei Dreiecke, die in zwei Seiten und dem
Winkel, welcher der grösseren Seite gegenüberliegt, übereinstimmen, sind kongruent.
b
a
β
Diese Kongruenzsätze ergeben sich sofort aus der Überlegung, wie man aus
den übereinstimmenden Stücken die Dreiecke mit Zirkel und Lineal eindeutig
konstruieren kann (Grundkonstruktionen von Dreiecken).
Die Notwendigkeit der Zusatzbedingung mit der grösseren Seite im 4. Kongruenzsatz ist erforderlich, wie aus der folgenden Figur ersichtlich ist, in
welcher zwei verschiedene Dreiecke dargestellt sind, die in zwei Seiten und
einem Winkel übereinstimmen.
a
α
c
a
1.2 Dreiecke
5
Anwendungen der Kongruenzsätze:
1. Mittelsenkrechte einer Strecke
Gegeben sei eine Strecke AB. Die Punkte der Mittelsenkrechten der Strecke
sind dadurch charakterisiert, dass sie
denselben Abstand von den Punkten A
und B haben.
P
Begründung:
Die Dreiecke AM P und BM P sind
kongruent (sws).
A
M
s2
2. Winkelhalbierende eines Winkels
Gegeben sei ein Winkel mit Scheitel A
und Schenkeln s1 und s2 . Die Punkte
der Winkelhalbierenden w sind dadurch
charakterisiert, dass sie denselben Abstand von den Schenkeln s1 und s2 haben.
B
P
A
w
α
2
α
2
Geometrische Örter
Eine Menge von Punkten der Ebene, welche durch eine geometrische Bedingung charakterisiert ist, nennt man einen geometrischen Ort.
Beispiel:
Die Mittelsenkrechte einer Strecke AB ist der geometrische Ort aller Punkte
der Ebene mit gleichen Abständen von A und B.
s1
1.2 Dreiecke
1.2.3
6
Seitenhalbierende und Schwerpunkt
C
sc
Mb
Ma
S
sa
A
sb
B
Mc
Die Seitenhalbierenden (= Schwerlinien) schneiden sich in einem Punkt, dem
Schwerpunkt S. Der Schwerpunkt teilt die Schwerlinien im Verhältnis 1 : 2,
z.B.
SA : SMa = 2 : 1
1.2.4
Höhen
C
hb
ha
hc
B
A
Die Höhen schneiden sich in einem Punkt. Weiter gilt:
ha : hb = b : a,
hb : hc = c : b,
ha : hc = c : a
1.2 Dreiecke
1.2.5
7
Winkelhalbierende und Inkreis
C
wβ
wα
M
α
2
α
2
A
B
P
wγ
Die Winkelhalbierenden schneiden sich in einem Punkt, dem Mittelpunkt
des Inkreises des Dreiecks. Dies folgt daraus, dass die Punkte der Winkelhalbierenden eines Winkels den gleichen Abstand von den Schenkeln haben.
Weiter teilen die Winkelhalbierenden die Gegenseiten im Verhältnis der angrenzenden Seiten, z.B. :
PA : PB = b : a
1.2.6
Mittelsenkrechte und Umkreis
C
mb
ma
M
A
B
mc
Die Mittelsenkrechten schneiden sich in einem Punkt, dem Mittelpunkt des
Umkreises des Dreiecks. Dies folgt daraus, dass die Punkte der Mittesenkrechten einer Strecke den gleichen Abstand von den Endpunkten der Strecke
haben.
1.2 Dreiecke
1.2.7
8
Gleichschenkliges Dreieck
C
s
s
A
B
Es folgt: Die Basiswinkel α und β sind gleich gross.
Merke:
Im gleichschenkligen Dreieck sind die Basiswinkel gleich gross. Sind umgekehrt in einem Dreieck zwei Winkel gleich gross, so ist das Dreieck gleichschenklig.
1.2.8
Fläche des Dreieck
C
hc
A
c
B
Die Dreiecksfläche ist die halbe Rechteckfläche, also gilt:
F =
1
· c · hc
2
1.3 Vierecke
1.3
9
Vierecke
D
c
C
d
A
Summe der Innenwinkel:
e
f
b
a
B
α + β + γ + δ = 360o
Begründung:
Das Viereck wird durch eine Diagonale in zwei Dreiecke unterteilt.
Trapez
Ein Viereck mit zwei parallelen, verschieden langen Seiten heisst Trapez.
a+c
2
F =m·h
m=
c
m
Mittellinie
Fläche
Gleichschenkliges Trapez
a
s
s
α
α
Parallelogramm
Ein Viereck mit je zwei parallelen Gegenseiten heisst Parallelogramm.
F =a·h
Fläche
a
Die Diagonalen unterteilen das Parallelogramm in 4 Dreiecke, von denen je
zwei gegenüberliegende kongruent sind (wsw). Insbesondere halbieren sich
die Diagonalen.
1.3 Vierecke
Rhombus (Raute)
Ein Rhombus ist ein Parallelogramm
mit 4 gleich langen Seiten.
Die Diagonalen stehen senkrecht aufeinander und zerlegen den Rhombus
in 4 kongruente, rechtwinklige Dreiecke
(sss).
Rechteck und Quadrat
Ein Parallelogramm mit lauter rechten Innenwinkeln heisst Rechteck.
Ein Rhombus mit lauter rechten Innenwinkeln heisst Quadrat.
10
1.4 Sätze im rechtwinkligen Dreieck
1.4
11
Sätze im rechtwinkligen Dreieck
Bezeichnungen im rechtwinkligen Dreieck:
C
b
A
a, b
Katheten,
a
B
c
c
Hypotenuse
Die Winkel α und β ergänzen sich auf 90o , sie sind komplementär.
1.4.1
Der Satz von Pythagoras
b2
C
a2
A
B
c2
a2 + b2 = c2
Die Summe der Flächen der Quadrate über den Katheten ist gleich der Fläche
des Hypotenusenquadrates.
1.4 Sätze im rechtwinkligen Dreieck
12
Beweis:
Zum Beweis wird das Dreieck viermal in ein Quadrat einbeschrieben:
C
b
B
a
c
a+b
A
Die Fläche F des Quadrates kann auf zwei Arten dargestellt wrerden:
F = (a + b)2 = a2 + 2ab + b2
F = c2 + 4 ·
ab
= c2 + 2ab
2
Durch Gleichsetzen folgt die Behauptung des Satzes von Pythagoras.
1.4 Sätze im rechtwinkligen Dreieck
1.4.2
13
Der Satz von Euklid (Kathetensatz)
A
C
b2
C
a2
A
c
q
p
q·c
p·c
B
a2 = p · c
b2 = q · c
p, q
Hypotenusenabschnitte
Der Beweis der ersten Gleichung ergibt sich aus der Figur: das Quadrat a2
und das Rechteck p · c sind beide flächengleich dem gestrichelten Parallelogramm. Dazu muss man nur beachten, dass das rechtwinklige Dreieck A CC kongruent ist zu ABC (wsw).
Die zweite Gleichung ergibt sich analog.
Bemerkung:
Aus dem Kathetensatz folgt sofort der Satz von Pythagoras.
1.4 Sätze im rechtwinkligen Dreieck
1.4.3
14
Der Höhensatz
C
h
A
B
p
q
q
h2 = p · q
Herleitung:
Nach dem Satz von Pythagoras gilt:
a2 + b2 = c2
Wegen c = p + q folgt:
a2 + b2 = p2 + 2pq + q 2
Weiter gilt nach dem Satz von Pythagoras, angewendet auf die Teildreiecke
mit der Höhe als Kathete:
p2 = a2 − h2
q 2 = b 2 − h2
Eingesetzt in die obige Gleichung:
a2 + b2 = a2 − h2 + 2pq + b2 − h2
Nach Subtraktion von a2 und b2 von beiden Seiten der Gleichung ergibt sich
der Höhensatz.
1.5 Der Kreis
1.5
15
Der Kreis
Der Kreis (= Kreislinie) mit Mittelpunkt M und Radius r > 0 ist der geometrische Ort aller Punkte der Ebene, welche von M den festen Abstand r
haben.
M
1.5.1
r
Kreisfläche und Kreisumfang
F = π · r2
U = 2π · r
π = 3.14159265
1.5.2
Winkel im Kreis
Thaleskreis (Satz des Thales)
C
C
A
M
Es gilt:
ACB = AC B = 90o
B
1.5 Der Kreis
16
Peripherie- und Zentriwinkel
C
C
α
α
M
β
A
ACB,
AM B
AC B
B
Peripheriewinkel über dem Bogen AB
Zentriwinkel über dem Bogen AB
Es gilt:
Alle Peripheriewinkel über demselben Bogen sind gleich gross:
α = α
Der zugehörige Zentrinkel ist doppelt so gross:
β = 2·α
Bemerkungen:
1. Peripheriewinkel mit Scheitelpunkten auf der anderen Seite der Geraden
AB gehören nicht zum Bogen AB, sondern zu seinem Komplementbogen.
2. Ortsbogen
Der Kreisbogen aller Scheitelpunkte von Peripheriewinkeln über dem
Bogen AB heisst Ortsbogen der Strecke AB. Von jedem Punkt C dieses
Bogens erscheint die Strecke unter demselben Winkel α.
1.5 Der Kreis
1.5.3
17
Das Bogenmass eines Winkels
Winkel werden in der Mathematik häufig im Bogenmass angegeben. Dies
bewährt sich v.a. in der Differential- und Integralrechnung.
Definition:
Das Bogenmass eines Winkels α ist gleich der Länge des Kreisbogens, den
die Schenkel des Winkels aus einem Einheitskreis ausschneiden.
1
M
s
α
Bogenmass von α = s
Die so definierte Einheit für Winkel heisst rad (engl. Radians).
α = 90o =
2π
π
=
4
4
Radians
[rad]
Wenn ein Winkel ohne Einheit angegeben ist, ist der Wert im Bogenmass zu
verstehen.
Beispiele:
Gradmass
0o
Bogenmass
0
30o
π
6
45o
π
4
60o
π
3
90o
π
2
180o
π
270o
3π
2
360o
2π
Umrechnungsfaktor:
α [rad] =
π
· α [o ]
180
Folgerung:
Die Bogenlänge s eines Kreisbogens mit Winkel α in einem Kreis mit Radius
r ist gleich dem Produkt des Radius mit dem Winkel im Bogenmass:
s=r·α
Die Arcus-Funktion
Manchmal schreibt man anstelle der Einheit rad der Deutlichkeit halber
arc(α). Die obige Formel für die Bogenlänge lautet damit:
s = r · arc(α)
1.6 Die Strahlensätze
1.6
18
Die Strahlensätze
Zwei Strahlen mit Schnittpunkt S werden von parallelen Geraden geschnitten:
A3
A2
A1
S
B1
B2
B3
Erster Strahlensatz
SA1 : A1 A2 = SB1 : B1 B2 ,
A1 A2 : A2 A3 = B1 B2 : B2 B3
Das Verhältnis zweier Strecken auf dem ersten Strahl ist gleich dem Verhältnis der entsprechenden Strecken auf dem anderen Strahl. Dabei dürfen die
Punkte auch auf verschiedenen Seiten in Bezug auf S liegen.
Zweiter Strahlensatz
A2
A1
S
B1
B2
SA1 : SA2 = A1 B1 : A2 B2
Merke:
Beim zweiten Strahlensatz gehen beide Sreckenabschnitte auf den Strahlen
vom Punkt S aus. Sie dürfen aber auch auf verschiedenen Seiten von S liegen.
1.6 Die Strahlensätze
19
Ähnlichkeit von Dreiecken
Gegeben seien zwei Dreiecke ABC und A B C , welche in zwei (und damit
allen) entsprechenden Winkeln übereinstimmen. Dann können die Dreiecke
in die Lage der Strahlensätze gebracht werden:
C
C
A
B
B
Solche Dreiecke heissen ähnlich.
Es folgt, dass in ähnlichen Dreiecken die Verhältnisse entsprechender Strecken
übereinstimmen:
a : a = b : b = c : c
1.7 Übungen
1.7
20
Übungen
1.1 Der Scheinwerfer eines Leuchtturmes befindet sich in einer Höhe von
120 m über der Meeresoberfläche. Aus welcher maximalen Entfernung
vom Scheinwerfer kann ein Schiff das Licht sehen ?
Erdradius: R = 6370 km
1.2 Berechnen Sie die Strecke x
(a)
x
r
r
(b)
x
a
(c)
b
x
1.3 Berechnen Sie die Höhe h der Wölbung des Thunersees zwischen Thun
und Leissingen (Distanz 15 km). Erdradius 6370 km.
1.7 Übungen
21
1.4 Berechnen Sie die Strecke x
(a)
b
a
c
x
(b)
c
a
x
b
(c)
c
a
x
c
b
(d)
x
x
a
b
1.7 Übungen
22
1.5 Gegeben ist ein Dreieck ABC. Zeichnen Sie durch jede Ecke des Dreiecks
die Parallele zur Gegenseite des Dreiecks. So entsteht ein neues Dreieck
A B C , welches das alte umschreibt.
(a) Zeigen Sie, dass die Eckpunkte A, B und C die Mittelpunkte der
Seiten des Dreiecks A B C sind.
(b) Was sind die Höhen des Dreiecks ABC in Bezug auf das Dreieck
A B C , wenn man sie verlängert ?
Kapitel 2
Trigonometrie
Die Trigonometrie ist die Lehre der Berechnung von Dreiecken mit Hilfe von
Winkeln. Die Trigonometrie ist u.a. die Grundlage für die Vermessungslehre.
2.1
Die trigonometrischen Funktionen
Die trigonometrischen Funktionen sind Funktionen, welche einem Winkel
eine Zahl zuordnen. Sie heissen daher auch Winkelfunktionen.
2.1.1
Die Winkelfunktionen spitzer Winkel
Sei α ein spitzer Winkel. Alle rechtwinkligen Dreiecke mit diesem Winkel α
sind einander ähnlich, da sie in allen Winkeln übereinstimmen.
C
b
a Gegenkathete von α
b Ankathete von α
c Hypotenuse
a
α
A
c
B
Definition der Sinus- und Cosinus-Funktionen:
sin(α) =
Gegenkathete
a
=
Hypotenuse
c
cos(α) =
Ankathete
b
=
Hypotenuse
c
Die trigonometrischen Funktionswerte sind Streckenverhältnisse, also reine
Zahlen. Da in ähnlichen Dreiecken entsprechende Seitenverhältnisse übereinstimmen, sind diese Definitionen unabhängig vom gewählten Dreieck.
23
2.1 Die trigonometrischen Funktionen
24
Definition der Tangens- und Cotangens-Funktionen:
tan(α) =
Gegenkathete
a
=
Ankathete
b
cot(α) =
Ankathete
b
=
Gegenkathete
a
Wendet man die Definitionen der Winkelfunktionen auf den Winkel β an, so
folgt wegen β = 90o − α :
sin(90o − α) = cos(α)
cos(90o − α) = sin(α)
Spezielle Winkel
a) α = 45o
45o
45o
b) α = 30o , 60o
30o
60o
(rechtwinklig gleichschenkliges Dreieck)
(halbes gleichseitiges Dreieck)
2.1 Die trigonometrischen Funktionen
25
Beziehungen zwischen den Winkelfunktionen eines
Winkels
cos(α)
sin(α)
α
1
sin2 (α) + cos2 (α) = 1
tan(α) =
sin(α)
cos(α)
cot(α) =
1
tan(α)
cot(α) =
( Dabei steht sin2 (α) für ( sin(α) )2 )
cos(α)
sin(α)
Nach diesem Prinzip können alle Winkelfunktionen eines Winkels α berechnet werden, wenn eine gegeben ist. Dies erfolgt am besten geometrisch mit
einem geeigneten Hilfs-Dreieck. Dabei wählt man eine Seite des Dreiecks
gleich 1, sodass die gegebene Winkelfunktion als Seite des Dreiecks erscheint.
Beispiele:
2.1 Gegeben: tan(α)
Gesucht: cos(α)
1
α
1 + tan2 (α)
2.2 Gegeben: cos(α)
Gesucht: cot(α)
tan(α)
2.1 Die trigonometrischen Funktionen
2.1.2
26
Berechnung des rechtwinkligen Dreiecks
· tan(α)
b
a
α
· cos(α)
c
· sin(α)
a = c · sin(α)
b = c · cos(α)
a = b · tan(α)
b = a · cot(α)
sin(α) = ac
cos(α) = bc
tan(α) = ab
cot(α) = ab
Beispiel:
2.3 Von einem gleichschenkligen Dreieck sind a und α gemäss Figur gegeben.
Man berechne seine Fläche F .
C
a
a
α
A
B
2.1 Die trigonometrischen Funktionen
2.1.3
27
Übungen
2.4 Parallelogramm
Gegeben: a, b, α
Gesucht: F
2.5 Unter welchem Winkel erscheint (a) der Mond (b) die Sonne einem Beobachter auf der Erde ?
Mond
Sonne
Abstand von Erde [km]
384 400
1.496 · 108
Radius [km]
1738
6.9599 · 105
2.6 Rhombus
Gegeben: a, α
Gesucht: e, f (Diagonalen)
2.7 Beliebiges Dreieck
Gegeben: a, α
Gesucht: r (Umkreisradius)
2.8 Von einem Punkt, der sich in der Höhe a = 31.8 m über dem Wasserspiegel eines Sees befindet, erscheint ein Ballon unter dem Höhenwinkel
α = 59o und sein Spiegelbild unter dem Tiefenwinkel β = 61o . Man
berechne die Höhe des Ballons über dem Wasserspiegel und seine horizontale Entfernung vom Beobachtungsort.
2.1 Die trigonometrischen Funktionen
28
Lösungen:
2.4 Parallelogramm
Gegeben: a, b, α
Gesucht: F
b
h
α
a
sin(α) =
h
,
b
h = b · sin(α)
F = a · h = ab · sin(α)
2.5 Unter welchem Winkel erscheint (a) der Mond (b) die Sonne einem Beobachter auf der Erde ?
Abstand von Erde [km]
384 400
1.496 · 108
Mond
Sonne
α
tan
2
=
r
= 0.004521
d
Radius [km]
1738
6.9599 · 105
α
2
(Mond)
r
d
A
Taschenrechner (invers tan oder atan) :
α
= 0.2591o,
2
α = 2 · 0.2591o = 0.52o
Sonne:
α = 0.53o
2.6 Rhombus
Gegeben: a, α
Gesucht: e, f (Diagonalen)
α
2
α
2
a
cos
α
2
=
e = 2a · cos
e
2
a
=
α
2
e
2a
,
f = 2a · sin
α
2
2.1 Die trigonometrischen Funktionen
29
2.7 Beliebiges Dreieck
Gegeben: a, α
Gesucht: r (Umkreisradius)
C
a
r
α
M
α
α
P
r
A
B
Der Winkel BM C ist der Zentriwinkel zum Peripheriewinkel BAC und
ist damit gleich 2α. Damit folgt im rechtwinkligen Dreieck M P C :
sin(α) =
a
PC
a
= 2 = ,
r
r
2r
also: r =
a
2 · sin(α)
2.8 Von einem Punkt, der sich in der Höhe a = 31.8 m über dem Wasserspiegel eines Sees befindet, erscheint ein Ballon unter dem Höhenwinkel
α = 59o und sein Spiegelbild unter dem Tiefenwinkel β = 61o . Man
berechne die Höhe des Ballons über dem Wasserspiegel und seine horizontale Entfernung vom Beobachtungsort.
y − a = x · tan(α)
y + a = x · tan(β)
Subtraktion der ersten Gleichung
von der zweiten ergibt:
2a = x · ( tan(β) − tan(α) )
2a
= 455.04 m
x=
tan(β) − tan(α)
y = a + x · tan(α) = 789.11 m
a
α
β
y
x
y
2.1 Die trigonometrischen Funktionen
2.1.4
30
Die Winkelfunktionen beliebiger Winkel
Zur Definiton der Winkelfunktionen eines beliebigen Winkels α wird der
Winkel in einem Koordinatensystem mit dem Nullpunkt als Scheitel und
der positiven x-Achse als Anfangsschenkel abgetragen. Dabei ist für positive
Winkel der Gegenuhrzeigersinn zu verwenden, für negative der Uhrzeigersinn
(orientierte Winkel).
Der Endschenkel von α schneidet den Einheitskreis in einem Punkt P (x, y).
y
P (x, y)
1
sin(α)
α
x
0
cos(α)
Definitionen:
cos(α) = x
sin(α) = y
tan(α) =
y
sin(α)
=
x
cos(α)
cot(α) =
x
cos(α)
=
y
sin(α)
Für spitze Winkel stimmen diese Definitionen mit den früheren überein.
Folgerungen
1. Winkelfunktionen des entgegengesetzen Winkels
cos(−α)
sin(−α)
tan(−α)
cot(−α)
=
cos(α)
= − sin(α)
= − tan(α)
= − cot(α)
Die Cosinus-Funktion ist
gerade.
Die Sinus-Funktion ist ungerade, ebenso Tangens
und Cotangens.
2.1 Die trigonometrischen Funktionen
31
2. Nach dem Satz von Pythagoras gilt:
sin2 (α) + cos2 (α) = 1
Beispiele:
2.9 cos(180o ) =
2.10 tan(180o) =
2.11 cos(270o ) =
2.12 sin(450o) =
2.13 cot(−270o ) =
2.14 sin(−90o) =
2.1.5
Quadrantenbeziehungen
Die folgenden Beziehungen können leicht im Einheitskreis abgelesen werden.
Sie müssen folglich nicht auswendig gelernt werden.
Die Funktionswerte für 180o − α :
sin(180o − α)
cos(180o − α)
tan(180o − α)
cot(180o − α)
=
sin(α)
= − cos(α)
= − tan(α)
= − cot(α)
α
α
Die Funktionswerte für 180o + α :
sin(180o + α)
cos(180o + α)
tan(180o + α)
cot(180o + α)
= − sin(α)
= − cos(α)
=
tan(α)
=
cot(α)
α
α
2.1 Die trigonometrischen Funktionen
32
Die Funktionswerte für 90o − α :
sin(90o − α)
cos(90o − α)
tan(90o − α)
cot(90o − α)
=
=
=
=
cos(α)
sin(α)
cot(α)
tan(α)
α
α
Die Funktionswerte für 90o + α :
sin(90o + α)
cos(90o + α)
tan(90o + α)
cot(90o + α)
=
cos(α)
= − sin(α)
= − cot(α)
= − tan(α)
α
α
Beispiele:
2.15 cos(135o ) = cos(90o + 45o ) = − sin(45o ) = −
2.16 cos(315o ) =
2.17 tan(−225o) =
2.18 sin(−240o) =
2.19 cos(150o ) =
√
2
2
2.2 Die Additionstheoreme
2.2
33
Die Additionstheoreme
Die Additionstheoreme für Sinus und Cosinus
Für beliebige Winkel α und β gelten:
(a)
cos(α + β) = cos(α) · cos(β) − sin(α) · sin(β)
(b) sin(α + β)
(c)
= sin(α) · cos(β) + cos(α) · sin(β)
cos(α − β) = cos(α) · cos(β) + sin(α) · sin(β)
(d) sin(α − β)
= sin(α) · cos(β) − cos(α) · sin(β)
Herleitungen:
Die Additionstheoreme können auf verschiedene Arten hergeleitet werden,
eine Art beruht auf einer Drehung des Koordinatensystems:
y
P
sin(β)
α
Q
β
α
x
0
cos(α + β)
x-Koordinate von P :
QP · sin(α)
x = cos(α + β)
Wir berechnen x auf eine zweite Art, indem wir den Streckenzug OQP senkrecht auf die x-Achse projizieren:
x = OQ · cos(α) − QP · sin(α) = cos(β) cos(α) − sin(β) sin(α)
Durch Gleichsetzen folgt (a). Die Herleitung von (b) ist analog, mittels Projektion auf die y-Achse.
Die Aussagen (c) und (d) folgen aus (a) bzw.(b), z.B. :
cos(α − β) = cos(α+(−β)) = cos(α) cos(−β) − sin(α) sin(−β)
= cos(α) cos(β) + sin(α) sin(β)
Dabei wurde verwendet, dass die Cosinus-Funktion gerade und die SinusFunktion ungerade ist.
2.2 Die Additionstheoreme
34
Das Additionstheorem für die Tangens-Funktion
Mit der Formel:
tan(α) =
sin(α)
cos(α)
erhält man aus den Additionstheoremen für die Sinus- und Cosinus-Funktion:
tan(α + β) =
tan(α) + tan(β)
1 − tan(α) · tan(β)
tan(α − β) =
tan(α) − tan(β)
1 + tan(α) · tan(β)
Beispiele:
2.20 cos(135o ) = cos(90o + 45o ) = cos(90o ) cos(45o ) − sin(90o ) sin(45o ) =
= − sin(45o ) = −
√
2
2
2.21 sin(75o ) =
2.22 cos(75o ) =
2.23 sin(315o) =
2.24 cos(150o ) =
2.25 sin(90o − α) =
2.26 tan(75o ) =
2.27 tan(−225o) =
Funktionen des doppelten Winkels
Für β = α erhält man aus den Additionstheoremen Formeln für die Funktionswerte des doppelten Winkels:
sin(α + α) = sin(α) cos(α) + cos(α) sin(α)
sin(2α) = 2 sin(α) cos(α)
cos(α + α) = cos(α) cos(α) − sin(α) sin(α)
cos(2α) = cos2 (α) − sin2 (α)
Mit cos2 (α) + sin2 (α) = 1 erhält man zwei nützliche Varianten der obigen
Gleichung:
2.2 Die Additionstheoreme
35
cos(2α) = 2 cos2 (α) − 1 = 1 − 2 sin2 (α)
Analog:
tan(2α) =
2 tan(α)
1 − tan2 (α)
Summen und Differenzen
(a) sin(u) + sin(v) = 2 sin
u+v
2
(b)
sin(u) − sin(v) = 2 cos
(c)
cos(u) + cos(v) = 2 cos
u+v
2
cos(u) − cos(v) = − 2 sin
· cos
u+v
2
(d)
· sin
u+v
2
u−v
2
u−v
2
· cos
u−v
2
· sin
u−v
2
Herleitungen:
Nach dem Additionstheorem für Sinus gelten:
sin(α + β) = sin(α) cos(β) + cos(α) sin(β)
sin(α − β) = sin(α) cos(β) − cos(α) sin(β)
Summe und Differenz der beiden Gleichungen:
sin(α + β) + sin(α − β) = 2 sin(α) cos(β)
sin(α + β) − sin(α − β) = 2 cos(α) sin(β)
Mit den Substitutionen
u=α+β
v =α−β
erhält man die Behauptungen (a) und (b). Die Herleitung von (c) und (d)
ist analog.
2.2 Die Additionstheoreme
Beispiele:
2.28 cos(2α) − 2 cos2 (α)) =
2.29 cos(3α) =
2.30
sin(2α)
sin(α)
=
2.31 cos4 (α) − sin4 (α) =
2.32 sin(45o + α) sin(45o − α) =
2.33
cos(2α)
sin2 (α)
2.34 Vereinfache:
1+cos(α)
1−cos(α)
Hinweis: Setze α = 2 · α mit α = α/2
36
2.3 Berechnung des allgemeinen Dreiecks
2.3
37
Berechnung des allgemeinen Dreiecks
2.3.1
Der Sinus-Satz
C
C
a
a
b
h
h
α
b
α
β
B
A
h = b · sin(α) = a · sin(β)
A
B
h = b · sin(180o −α) = b · sin(α) =
= a · sin(β)
a
b
c
=
=
sin(α)
sin(β)
sin(γ)
Beispiele:
2.35 Berechnung eines Dreiecks aus einer Seite und 2 Winkeln (wsw):
C
β
α
A
B
c
2.36 Berechnung eines Dreiecks aus zwei Seiten und einem Gegenwinkel (ssw):
b = 2,
c = 4,
β = 20o
C
C
b
β
A
c
B
Wenn der gegebene Winkel der kleineren Seite gegenüberliegt, gibt es
zwei Lösungen.
2.3 Berechnung des allgemeinen Dreiecks
2.3.2
38
Der Cosinus-Satz
C
C
a
a
b
h
h
α
A
b
α
β
D
B
D
A
B
h = b · sin(α)
AD = b · cos(α)
BD = c − b · cos(α)
a2 = b2 sin2 (α) + (c − b · cos(α))2
a2 = b2 sin2 (α) + c2 − 2bc · cos(α)2 + b2 · cos2 (α)
a2 = b2 + c2 − 2bc · cos(α)
Im Dreieck ist das Quadrat einer Seite gleich der Summe der Quadrate der
beiden anderen Seiten, vermindert um das doppelte Produkt aus diesen beiden Seiten und dem Cosinus des eingeschlossenene Winkels.
Mit dem Cosinus-Satz lässt sich ein Dreieck aus zwei Seiten und dem eingeschlossenen Winkel (sws) oder aus den 3 Seiten (sss) berechnen.
Beispiele:
2.37 Von einem Dreieck sind die 3 Seiten gegeben: a = 18.14, b = 23.08,
c = 38.74. Gesucht sind die Winkel des Dreiecks.
2.3 Berechnung des allgemeinen Dreiecks
39
2.38 Vorwärtseinschneiden (Vermessung)
Bestimmung der Entfernung zweier unzugänglichen Punkten X und Y .
Y
x
X
β
γ
α
A
a
δ
B
Gemessen werden die folgenden Strecken und Winkel:
a = 2555 m, α = 47.33o, β = 55.25o, γ = 38.17o, δ = 61.41o
Berechnen Sie mit dem Sinus- und Cosinus-Satz:
(a) u = AX
(Dreieck ABX)
(b) v = AY
(Dreieck ABY )
(c) x = XY
(Dreieck AXY )
2.4 Graphische Darstellung der Winkelfunktionen
2.4
40
Graphische Darstellung der Winkelfunktionen
Zur graphischen Darstellung der trigonometrischen Funktionen in Abhängigkeit des Winkels α, lassen wir einen Punkt gleichförmig auf dem Einheitskreis in der Ebene laufen.
Wenn der Punkt dabei eine Spur auf der Unterlage zeichnet und die Unterlage (Papierstreifen) gleichmässig nach links gezogen wird, so wird der Sinus
als Funktion des Winkels α gezeichnet:
sin(α)
1
P
α
π
2
0
1
α
sin(α)
Wegen
sin(α) = cos(90o − α) = cos(α − 90o )
unterscheiden sich die Graphen der Sinus- und Cosinus-Funktionen nur um
eine horizontale Verschiebung um 90o .
Graphische Darstellungen mit α im Bogenmass (rad) :
5
5
4
4
y = sin(α)
3
2
1
1
α
0
−1
−2
−2
−3
−3
−4
α
0
−1
−5
y = cos(α)
3
2
−4
−10
−5
0
5
10
−5
−10
−5
0
5
Die Funktionen sin und cos sind periodisch. Sie haben die Periode 2 π :
sin(α + 2 π) = sin(α)
cos(α + 2 π) = cos(α)
10
2.4 Graphische Darstellung der Winkelfunktionen
41
y = tan(α)
y = cot(α)
5
5
4
4
3
3
2
2
1
1
α
0
−1
−2
−2
−3
−3
−4
−5
α
0
−1
−4
−10
−5
0
5
−5
10
−10
−5
0
5
10
Die Funktionen tan und cot haben die Periode π :
tan(α + π) = tan(α)
cot(α + π) = cot(α)
Modifikationen und Zusammensetzungen
y = sin(3α)
y = sin(α) + 0.64 sin(2α)+
1.6 sin(3α) + 1.6 sin(4α)
5
5
4
4
3
3
2
2
1
1
α
0
−1
−2
−2
−3
−3
−4
−4
−5
−10
−5
0
5
10
α
0
−1
−5
−10
−5
0
5
10
2.5 Die Arcusfunktionen
2.5
42
Die Arcusfunktionen
Die Arcusfunktionen sind die Umkehrfunktionen der trigonometrischen Funktionen, d.h. sie berechnen zu einem gegebenen Wert b einen Winkel α, dessen
Sinus bzw. Cosinus, Tangens oder Cotangens gleich b ist.
Beispiel:
P
Gegeben: b = 0.5
Gesucht: α mit sin(α) = b
P
b
Lösungen:
α1 = 30o =
π
,
6
α2 = 150o =
5π
6
Zu diesen Lösungen können weiter beliebige Vielfache von 2π addiert oder
subtrahiert werden. Die Gleichung hat also unendlich viele Lösungen.
Die Lösung α1 heisst Hauptwert der Lösungen und wird mit arcsin(0.5) bezeichnet.
Lösbarkeit:
Da Cosinus- und Sinus-Werte von beliebigen Winkeln immer zwischen −1
und 1 liegen, sind die Umkehrfunktionen ArcusCosinus und ArcusSinus nur
für b in diesem Intervall definiert:
−1 ≤ b ≤ 1
Diese Schreibweise bedeutet −1 ≤ b und b ≤ 1.
Definitionen:
Sei b eine gegebene reelle Zahl mit −1 ≤ b ≤ 1.
1. ArcusCosinus
Die eindeutig bestimmte Lösung α
der Gleichung
cos(α) = b
mit 0 ≤ α ≤ π (Hauptwert)
heisst arccos(b), d.h.
α = arccos(b)
y
y = cos(α)
1
b
0
π
α
α
2.5 Die Arcusfunktionen
43
2. ArcusSinus
y
Die eindeutig bestimmte Lösung α
der Gleichung
y = sin(α)
1
− π2
b
sin(α) = b
α
mit − π2 ≤ α ≤ π2 (Hauptwert)
heisst arcsin(b), d.h.
α
π
2
α = arcsin(b)
Hier eignet sich das Intervall [0, π] nicht als Bereich für die Hauptwerte,
da die Sinus-Funktion auf dem Intervall [0, π] keine negativen Werte
annimmt. Zudem wird jeder Funktionswert auf diesem Intervall zweimal
angenommen.
ArcusTangens und ArcusCotangens
Hier entfällt die Bedingung für den gegebenen Wert b, da die Tangens- und
Cotangens-Funktionen alle reellen Werte annehmen.
Sei b eine reelle Zahl.
y
1. ArcusTangens
y = tan(α)
Die eindeutig bestimmte Lösung α
der Gleichung
b
tan(α) = b
− π2
0
mit
≤α≤
(Hauptwert)
heisst arctan(b), d.h.
π
2
− π2
α
π
2
α = arctan(b)
2. ArcusCotangens
Die eindeutig bestimmte Lösung α der Gleichung
cot(α) = b
mit 0 ≤ α ≤ π (Hauptwert) heisst arccot(b), d.h.
α = arccot(b)
Die ArcusCotangens-Funktion wird selten verwendet.
Merke:
Die Arcus-Funktionen liefern als Resultate Winkel , sie haben folglich die
Einheit Grad oder rad.
α
2.6 Anwendungen
2.6
44
Anwendungen
2.6.1
Drehungen in der Ebene
Drehung um den Nullpunkt mit Drehwinkel ϕ :
P (x , y )
y
r
P (x, y)
r
ϕ
α
O
P (x, y)
x
x
x
beliebiger Punkt der Ebene
P (x , y ) Bildpunkt von P unter der Drehung
Berechnung der Koordinaten (x , y ) aus den Kordinaten (x, y) :
x = r cos(α)
y = r sin(α)
x = r cos(α + ϕ) = r(cos(α) cos(ϕ) − sin(α) sin(ϕ)) =
= x cos(ϕ) − y sin(ϕ)
y = r sin(α + ϕ) = r(sin(α) cos(ϕ) + cos(α) sin(ϕ)) =
= y cos(ϕ) + x sin(ϕ)
Resultat:
x = x cos(ϕ) − y sin(ϕ)
y = x sin(ϕ) + y cos(ϕ)
2.6 Anwendungen
2.6.2
45
Harmonische Schwingungen
Ein harmonische Schwingung ist die Projektion einer gleichförmigen Kreisbewegung auf die x- oder y-Achse.
Dabei ist mit Projektion eine senkrechte Projektion (Normalprojektion) zu
verstehen. Wir betrachten einen Punkt P , der sich gleichförmig auf einer
Kreisbahn bewegt.
y
a
ϕ
P (x, y)
0
a
T
f=
1
T
x
Radius der Kreisbahn
Umlaufszeit
Umlaufsfrequenz (Anzahl Umdrehungen pro Zeit)
Koordinaten des Punktes :
x
y
= a · cos(ϕ)
= a · sin(ϕ)
Winkel ϕ als Funktion der Zeit t :
Der Winkel ϕ nimmt linear mit der Zeit zu. Die Proportionalitätskonstante
wird mit ω (Omega) bezeichnet:
ϕ=ω·t
Für t = T wird ϕ = 2π, also folgt ω · T = 2π, d.h.
ω=
2π
= 2πf
T
ω heisst Kreisfrequenz.
Koordinaten als Funktionen der Zeit t :
x(t)
y(t)
= a · cos(ω · t)
= a · sin(ω · t)
Diese Funktionen beschreiben die Projektionen der Bewegung des Punktes
auf die x- bzw. y-Achse, es sind also gemäss Definition harmonische Schwingungen.
2.6 Anwendungen
46
Graphische Darstellung der harmonischen Schwingung y(t) :
y
T
a
0
t
−a
Die maximale Auslenkung a heisst Amplitude der Schwingung.
Verschiedene Formen von harmonischen Schwingungen:
y = a · sin(ω · t)
y = a · cos(ω · t)
Die beiden Versionen unterscheiden sich nur durch eine Zeitverschiebung.
Wenn der Punkt der zugrunde liegenden Kreisbewegung zur Zeit t = 0 nicht
auf der x-Achse startet, kommt noch eine Zeitverschiebung, eine sogenannte
Phasenverschiebung hinzu.
a
f
T =
ω=
Amplitude (maximale Auslenkung)
Frequenz
1
f
2π
T
Periode
= 2πf Kreisfrequenz
Die Einheit der Frequenz ist s−1 (Anzahl Schwingungen pro Sekunde), das
Hertz (Hz).
Beispiel:
In der Musik ist der Ton ‘a’ definiert durch die Frequenz 442 Hz, d.h. :
y(t) = A · sin(2π · 442 · t)
A Amplitude
2.6 Anwendungen
2.6.3
47
Schwebungen
Eine Schwebung ist eine Summe (Überlagerung) von zwei harmonischen
Schwingungen mit fast derselben Frequenz, z.B. zwei fast gleichen Stimmgabeln.
Beispiel:
Schwebung zweier Sinus-Schwingungen mit gleicher Amplitude (reine Schwebung) und Kreisfrequenzen ω1 = 2π · 100, ω2 = 2π · 104 :
y(t) = sin(2π · 100 t) + sin(2π · 104 t)
Algebraische Umformung mit den Formeln von Seite 35 :
y(t) = 2 sin(2π · 102 t) · cos(2π · 2 t)
Resultat:
Die resultierende Funktion ist das Produkt einer Sinus-Funktion mit hoher
Frequenz und einer Cosinus-Funktion tiefer Frequenz.
5
4
3
2
1
0
−1
−2
−3
−4
−5
−4
−3
−2
−1
0
1
2
3
4
Die Cosinus-Schwingungen ± cos(2π · 2 t) mit der tiefen Frequenz sind die
Einhüllenden der Sinus-Schwingung mit der hohen Frequenz: Das Produkt
der beiden Funktionen liegt immer zwischen ± cos(2π · 2 t) und erreicht
± cos(2π · 2 t) an den Stellen, an welchen die Sinus-Funktion gleich ±1 ist.
Eine Schwebung entsteht z.B. wenn zwei Stimmgabeln, die sich in ihrer Frequenz leicht unterscheiden, gleichzeitig angeschlagen werden, sodass sich ihre
Schallwellen überlagern. Der entstehende Ton hat die mittlere Frequenz und
schwillt in der Lautstärke an und ab.
Einhüllende
2.6 Anwendungen
48
Kapitel 3
Analytische Geometrie
Die Analytische Geometrie (Descartes, 1637) verwendet die Algebra zur
Lösung von geometrischen Problemen. Die Grundlage dazu sind Koordinaten
für Punkte bezüglich einem Koordinatensystem.
3.1
Die Abstandsformel
y
P2
y2
d
P1
y1
x1
0
x
x2
Nach dem Satz von Pythagoras ist der Abstand der beiden Punkte gegeben
durch:
d=
(x2 − x1 )2 + (y2 − y1 )2
Die Reihenfolge der Punkte spielt keine Rolle.
Beispiele:
3.1 P1 (3, −1), P2 (2, −3)
√
√
d = (2 − 3)2 + (−3 − (−1))2 = 1 + 4 = 5
3.2 Berechnen Sie die Seiten des Dreiecks A(−2, 3), B(−3, −2), C(2, 2).
49
3.2 Mittelpunkt einer Strecke
3.2
50
Mittelpunkt einer Strecke
y
P1
y2
ym
M
P2
y1
x1
0
xm
x
x2
Da die Koordinaten xm und ym von M in der Mitte zwischen x1 und x2 bzw.
y1 und y2 liegen, sind sie einfach die arithmetischen Mittel der Endpunktkoordinaten:
xm =
x1 + x2
2
Beispiel:
3.3 P1 (−4, 1), P2 (7, −3)
ym =
y1 + y2
2
3.3 Die Gerade
51
3.3
Die Gerade
3.3.1
Die Steigung
y
P2
y2
∆y = y2 − y1
∆y
P1
y1
∆x = x2 − x1
α
∆x
x1
0
x2
x
Definition der Steigung:
m = tan(α) =
∆y
y2 − y1
=
∆x
x2 − x1
Dabei haben wir die für Differenzen gebräuchliche Bezeichnung mit dem
griechischen ∆ (Delta) eingeführt.
Nach dem Strahlensatz ist dieses Verhältnis für alle Punkte auf der Gerade
gleich gross, d.h. unabhängig von den gewählten Punkten. Die Reihenfolge
der Punkte spielt ebenfalls keine Rolle, da bei einer Vertauschung der Punkte
der Zähler und der Nenner das Vorzeichen wechseln.
Beispiele:
3.4 Eine Strasse hat eine Steigung von 8%. Berechnen Sie den Anstiegswinkel und die Höhenzunahme über einer horizontalen Strecke von 10 m
3.5 Berechnen Sie die Steigung der Gerade durch A(−2, 3) und B(−3, −1).
3.3 Die Gerade
3.3.2
52
Die Geradengleichung
Die Punkt-Steigungs-Form
Gegeben sei eine Gerade durch zwei Punkte A(x1 , y1 ) und B(x2 , y2 ).
P
y
B
y2
A
y1
x1
0
m=
y2 − y1
x2 − x1
α
x2
x
Steigung der Gerade
Ein beliebiger Punkt P (x, y) der Ebene liegt genau dann auf der Geraden,
wenn das zugehörige Steigungsdreieck dieselbe Steigung m ergibt, d.h.
m=
y − y1
x − x1
y − y1 = m · (x − x1 )
Punkt-Steigungs-Form
Setzt man den Ausdruck für m in diese Glecihung ein, so erhält man weiter
die Zweipunktform der Geradengleichung.
Der beliebige Punkt P (x, y) der Geraden heisst auch laufender Punkt der
Gerade.
Beispiel:
3.6 A(5, −1), B(1, 3)
m=
4
−4
= −1
y + 1 = −(x − 5)
3.3 Die Gerade
53
Die Steigung-Achsenabschnitts-Form
Umformung der Punkt-Steigungsform:
y − y1 = m · (x − x1 ) = m · x − m · x1
y = m · x − m · x1 + y1
Mit b = −m · x1 + y1 erhält man
y = m·x+b
Steigung-Achsenabschnittsform
In dieser Form kann man sofort den Achsenabschnitt der Geraden auf der y-Achse ablesen, indem man x = 0 einsetzt:
y=b
y
b
0
Achsenabschnitt
Beispiel von oben:
y + 1 = −(x − 5) = −x + 5
y = −x + 4
Spezielle Geraden:
x-Achse:
y=0
y-Achse:
x=0
Parallele zur x-Achse: y = b
Parallele zur y-Achse: x = a
Beispiele:
3.7 Berechnen Sie die Punkt-Steigungs- und die Steigung-AchsenabschnittsForm der Geraden durch A(−3, −2) und B(−1, 3).
3.8 Berechnen Sie die Steigung der Gerade 3x − 4y + 1 = 0.
3.9 Bei einer Prüfung konnten maximal 25 Punkte erreicht werden. Bestimmen Sie eine Formel zur Berechnung der Note zu einer Punktzahl für
eine lineare Notenskala, sodass für 0 Punkte die Note 1 und für 25 Punkte die Note 6 herauskommt.
x
3.4 Der Kreis
3.3.3
54
Orthogonale Geraden
Die Begriffe ‘senkrecht’, ’orthogonal’ und ‘normal’ sind in der Mathematik
äquivalent.
Zwei Geraden g1 und g2 mit Steigungen m1 und m2 sind genau dann orthogonal zueinander, wenn:
y
m1 · m2 = − 1
Dies folgt aus
tan(α + 90o ) = − cot(α).
0
3.4
x
Der Kreis
Gegeben sei ein Kreis mit Mittelpunkt M (xm , ym ) und Radius r.
y
M
ym
r
0
xm
x
Ein Punkt P (x, y) der Ebene liegt genau dann auf dem Kreis, wenn er den
Abstand r von M hat. Mit der Abstandsformel ergibt dies die Gleichung:
(x − xm )2 + (y − ym )2 = r2
Beispiel:
1. M (4, −3),
r=3
(x − 4) + (y + 3)2 = 9
2
Umformung der Gleichung:
x2 − 8x + 16 + y 2 + 6y + 9 = 9
x2 − 8x + y 2 + 6y = −16
Kreisgleichung
3.5 Übungen
55
Merkmale einer Kreisgleichung:
• Quadratische Gleichung in x und y
• x2 und y 2 haben denselben Koeffizienten
• kein xy-Term.
Umgekehrt stellt jede Gleichung mit diesen Merkmalen einen Kreis dar.
Beispiel:
2x2 − 8x + 2y 2 + 4y = 0
Division der Gleichung durch 2:
x2 − 4x + y 2 + 2y = 0
Quadratische Ergänzung:
x2 − 4x + 4 + y 2 + 2y + 1 = 4 + 1
(x − 2)2 + (y + 1)2 = 5
√
M (2, −1), r = 5
3.5
Übungen
3.10 Bestimmen Sie die Gleichung der Gerade durch die Punkte A(−2, 3)
und B(4, −1).
3.11 Zur graphischen Darstellung einer Gerade, deren Gleichung gegeben
ist, berechnet man am besten die Schnittpunkte der Geraden mit den
Koordinatenachsen. Führen Sie dies für die Gerade mit der Gleichung
2x − y + 3 = 0 aus.
3.12 Gegeben ist die Gerade g : 7x − 2y + 5 = 0. Bestimmen Sie die Gleichungen der Parallelen und Normalen zu g durch P (−3, −6).
3.13 Bestimmen Sie den Schnittpunkt der Geraden
5x + 4y − 17 = 0
9x − y − 47 = 0
3.14 Bestimmen Sie die Gleichung der Mittelsenkrechten der Strecke A(−2, 8),
B(−3, −7).
3.15 Bestimmen Sie die Gleichung des Kreises mit Mittelpunkt M (2, 3), der
durch den Nullpunkt geht.
3.5 Übungen
56
3.16 Gegeben sind zwei Kreise mit den Gleichungen:
(x − 1)2 + (y − 2)2 = 12
(x − 5)2 + (y + 1)2 = 9
Bestimmen Sie die Gleichung der Geraden durch die Schnittpunkte der
Kreise.
3.17 Bestimmen Sie die Gleichung der Menge aller Punkte P (x, y), welche
vom Punkt F (0, 1) denselben Abstand haben wie von der x-Achse. Skizze!
Kapitel 4
Vektoren
4.1
Einführung von Vektoren
Skalare und vektorielle Grössen
In vielen Anwendungen treten Grössen auf, die durch eine Zahl und eine
Richtung beschrieben sind, sogenannte vektorielle Grössen oder Vektoren.
Im Gegensatz dazu heissen Grössen, die nur durch eine Zahl beschrieben
sind, Skalare.
Beispiele von skalaren Grössen:
Radius eines Kreises, Temperatur, Luftdruck, Feuchtigkeit.
Beispiele von vektoriellen Grössen:
• Parallelverschiebung (Translation) in der Ebene
Eine Parallelverschiebung in der Ebene ist gegeben durch eine Verschiebungs-Richtung und
eine Verschiebungs-Strecke.
• Geschwindigkeitsvektoren
Ein Schiff fährt auf einem See in einer bestimmten Richtung. Der Geschwindigkeitsvektor gibt
die Richtung der Bewegung an, und seine Länge
die Schnelligkeit [km/h].
57
v
4.1 Enführung von Vektoren
58
• Kräfte
G
Kräfte haben einen Betrag und eine Richtung.
auf einen Körper
Die Erdanziehungskraft G
zeigt gegen den Erdmittelpunkt (Lotrichtung).
Definition:
Ein Vektor ist eine gerichtete Strecke (in der Ebene
oder im Raum), gegeben durch eine Richtung und
einen Betrag. Er wird dargestellt durch einen Pfeil,
der frei verschiebbar ist, d.h. irgendwo gezeichnet
werden kann (freier Vektor).
a
a
Bezeichnungen für Vektoren:
a, b, . . .
Norm eines Vektors
Die Länge eines Vektors v heisst Betrag oder Norm des Vektors. Sie wird
folgendermassen bezeichnet:
|| v ||
Spezielle Vektoren
• Verbindungsvektor eines Punktepaares
Der Vektor, bestimmt durch zwei Punkte A und
−→
B wird mit AB bezeichnet.
• Einheitsvektoren
Einen Vektor mit Norm 1, nennt man einen Einheitsvektor.
• Nullvektor
Der Vektor mit Länge 0 heisst Nullvektor 0. Seine Richtung ist unbestimmt.
A
−→
AB
B
4.2 Die Vektoroperationen
59
4.2
Die Vektoroperationen
4.2.1
Multiplikation mit einer reellen Zahl
Die einfachste Vektoroperation ist die Multiplikation eines Vektors mit einer
reellen Zahl t : der Vektor wird entsprechend gestreckt. Wenn t negativ ist
wird die Richtung des Vektors umgekehrt.
a
3·
a
−0.5·
a
Wie bei Zahlen setzt man:
−a = (−1) · a
Das Produkt eines Vektors mit einem Vektor wird später definiert: Skalarprodukt, Vektorprodukt. Diese Produkte gehören nicht zu den Grundoperationen von Vektoren.
4.2.2
Die Vektoraddition
Definition der Vektoraddition:
a + b
b
b
a
a
Die beiden Vektoren werden aneinandergehängt, sodass der zweite bei der
Spitze des ersten beginnt. Die Summe der beiden Vektoren ist gemäss Definition der Vektor vom Anfang des ersten zur Spitze des zweiten.
Äquivalente Definition:
Die beiden Vektoren werden mit demselben Anfangspunkt gezeichnet und
zu einem Parallelogramm ABCD ergänzt. Die Summe ist der Vektor AC
(Hauptdiagonale).
D
C
b
A
Folgerung:
b
a + b
B
a
a + 0 = a
für jeden Vektor a
Interpretation der Addition mit Translationen
Betrachtet man die zu zwei Vektoren a und b gehörigen Translationen, so
beschreibt die Vektorsumme a +b die resultierende Translation, die entsteht,
indem man einen beliebigen Punkt zuerst um a und dann um b verschiebt.
4.2 Die Vektoroperationen
60
Beispiele:
4.1 Zwei Federn greifen an einem Punkt eines Körpers mit zueinander senkrechten Kräften von 15 N und 25 N an. Gesucht ist der Betrag der resultierenden Kraft (Vektorsumme).
4.2 Ein Flugzeug fliegt in einer Richtung von 100o gegen N mit der Schnelligkeit 180 km/h. Dabei tritt es in ein Gebiet ein, in dem ein Wind
von 40 km/h in der Richtung 40o weht. Berechnen Sie die resultierende
Schnelligkeit des Flugzeuges über dem Boden.
4.2.3
Die Gesetze der Vektoroperationen
Die folgenden Grundgesetze bilden die Grundlage der Vektorrechnung. Sie
können geometrisch hergeleitet werden.
a + b = b + a
Kommutativgesetz der Addition
(a + b) + c = a + (b + c)
Assoziativgesetz der Addition
t · (a + b) = t · a + t · b
4.2.4
(t ∈ R)
Distributivgesetz)
Subtraktion
Die Subtraktion ist die Umkehrung
der Addition:
a + x = b
⇐⇒
x = b − a
b
x = b − a
a
Es folgt:
a − b = a + (−b)
D
Darstellung im Parallelogramm:
−→
AC = a + b
−→ BD = b − a
C
b
A
b
B
a
4.2 Die Vektoroperationen
4.2.5
61
Ortsvektoren
Wählt man in der Ebene bzw. im Raum einen Bezugspunkt O, so ist jeder
Punkt P eindeutig bestimmt durch den Vektor
−→
rP = OP
P
rP
O
Dieser Vektor heisst Ortsvektor von P . Umgekehrt gehört zu jedem Vektor
r genau ein Punkt P mit diesem Ortsvektor.
Merke:
Nach der Wahl eines festen Bezugspunktes O stehen die Punkte der Ebene bzw. des Raumes durch ihre Ortsvektoren in umkehrbar eineindeutiger
Beziehung zu den Vektoren.
Notationskonvention
Die Ortsvektoren von Punkten A, B, P , Q usw. werden normalerweise mit
den zugehörigen Kleinbuchstaben a, b usw. bezeichnet, d.h.
−→
a = OA,
b = −→
OB
usw.
Folgerung:
B
A
a
−→ AB = b − a
b
O
Beispiele:
4.3 Mittelpunkt M einer Strecke AB
A
M
a
m
B
b
O
a + b
−
→
m =
2
Herleitung!
arithmetisches Mittel
4.3 Basisvektoren und Komponenten
62
4.4 Berechnen Sie den Schwerpunkt S eines Dreiecks ABC im Raum.
Resultat:
s =
4.3
a + b + c
3
arithmetisches Mittel der Eckpunkte
Basisvektoren und Komponenten
Die Einheitsvektoren in Richtung der Koordinatenachsen heissen Basisvektoren. Sie werden mit e1 , e2 und e3 bezeichnet.
e3
e2
1
O
1
O
e2
e1
e1
Aus den folgenden Figuren ist ersichtlich, dass ein beliebiger Vektor a auf
eindeutige Art und Weise als Summe von Vielfachen der Basisvektoren dargestellt werden kann:
A
2 e2
2 e3
a
O
A
a
2 e2
3 e1
O
3 e1
a = 3 e1 + 2 e2
a = 3 e1 + 2 e2 + 2 e3
Eine solche Summe von Vielfachen der Basisvektoren nennt man eine Linearkombination der Basisvektoren. Die darin vorkommenden Zahlen heissen
Komponenten des Vektors a. Dies sind gerade die Koordinaten des Punktes
A, der zu dem Ortsvektor a gehört.
Abgekürzte Schreibweise als Spaltenvektor :
 
3
a =  2  = 3 · e1 + 2 · e2 + 2 · e3
2
4.3 Basisvektoren und Komponenten
63
Allgemein:


a1
a =  a2  = a1 · e1 + a2 · e2 + a3 · e3
a3
Komponentendarstellung der algebraischen Operationen
Die Komponentendarstellung reduziert die Vektoroperationen auf die entsprechenden Operationen der Komponenten:

   

a1
b1
a1 ± b1
 a2  ±  b2  =  a2 ± b2 
a3
b3
a3 ± b3
 

t · a1
a1
t ·  a2  =  t · a2 
a3
t · a3

t∈R
Beispiele:
4.5 Summe zweier Vektoren a und b :




5
−1
a =  −2  , b =  8 
3
2
 
4
a + b =  6 
5
Die Begründung folgt leicht aus der Definition der Komponentendarstellung:
a
b
= 5 e1
= − e1
a + b =
4 e1
− 2 e2
+ 8 e2
+ 3 e3
+ 2 e3
+ 6 e2
+ 5 e3
4.6 Verbindungsvektor zweier Punkte P (3, −2, 5) und Q(6, 2, 9) :
Mit den Ortsvektoren p und q erhält man:


3
p =  −2  ,
5
 
6
q =  2 
9
 
3
−→
P Q = q − p =  4 
4
4.3 Basisvektoren und Komponenten
64
Die Norm in Komponenten
a2
a3
a
a
a2
O
O
a1
a1
Ebene
|| a || =
Raum
a21 + a22
|| a || =
a21 + a22 + a23
Beispiele:
 
3
4.7 Bestimmen Sie den zu a =  4  gehörigen Einheitsvektor.
2
4.8 Berechnen Sie den Mittelpunkt der Strecke P Q für P (3, 8, 2), Q(2, 4, 5).
4.9 Gegeben ist das Dreieck A(1, 3, 2), B(7, −1, 3), C(3, 9, 8).
AC,
BC,
sowie deren Normen.
Berechnen Sie die Vektoren AB,
4.10 Gegeben seien die Vektoren


1
a =  2  ,
−2
 
1
b =  1  ,
1


3
c =  0 
−4
Berechnen Sie den Vektor p = a − b + 4c und || p ||.
4.11 Gegeben ist eine gerade Pyramide mit quadratischer Grundfläche ABCD
mit Kantenlänge 2 und Höhe 4. Berechnen Sie die Vektoren von der
Spitze S zu den Ecken der Grundfläche.
4.4 Das Skalarprodukt (Dotproduct)
4.4
65
Das Skalarprodukt (Dotproduct)
Das Skalarprodukt (englisch Dotproduct) ordnet je zwei Vektoren eine reelle
Zahl zu. Das Resultat ist also ein Skalar (kein Vektor). Daher heisst das
Produkt Skalarprodukt.
Mit dem Skalarprodukt können Winkel berechnet werden, und weiter dient
es der Abklärung, ob zwei Vektoren senkrecht aufeinander stehen.
Der Winkel zwischen zwei Vektoren
Unter dem Winkel ϕ zwischen zwei Vektoren a und b versteht man denjenigen
der beiden eingeschlossenen Winkel, der kleiner oder gleich 180o ist:
b
b
ϕ
ϕ
a
a
Definition des Skalarproduktes
Das Skalarprodukt zweier Vektoren a und b ist die reelle Zahl, definiert durch
a · b = ||a || · ||b || · cos(ϕ)
Die Bedeutung dieser Definition ist nicht sofort ersichtlich. Sie liegt darin,
dass dieses Produkt sehr einfach mit den Komponenten der Vektoren berechnet werden kann, sodass man umgekehrt aus dem Skalarprodukt den
Zwischenwinkel ϕ der Vektoren berechnen kann:
Berechnung des Zwischenwinkels mit dem Skalarprodukt:
cos(ϕ) =
a · b
||a|| · ||b||
Weiter kommt das Skalarprodukt in der Physik zur Anwendung, z.B. bei der
Arbeit und Energie.
4.4 Das Skalarprodukt (Dotproduct)
66
Spezialfälle:
1. Parallele und antiparallele Vektoren
ϕ = 0o :
ϕ = 180o :
a · b = ||a || · ||b ||
a · b = − ||a || · ||b ||
Speziell für a = b :
a · a = ||a ||2
2. Senkrechte Vektoren (ϕ = 90o ) :
Zwei Vektoren stehen genau dann senkrecht aufeinander, wenn ihr Skalarprodukt gleich null ist:
a ⊥ b
⇐⇒
a · b = 0
Dies folgt sofort aus cos(90o ) = 0.
Skalarprodukte der Basisvektoren:
Da die Basisvektoren ei Einheitsvektoren sind und paarweise aufeinander
senkrecht stehen, gilt:
ei · ei = 1
4.4.1
und
e1 · ej = 0
für i = j
Die Gesetze des Skalarproduktes
Die folgenden Gesetze können geometrisch hergeleitet werden:
a · b = b · a
Kommutativgesetz
a · (b + c) = (a + b) · c
Distributivgesetz
t · (a · b) = (t · a) · b
für t ∈ R
4.4 Das Skalarprodukt (Dotproduct)
4.4.2
67
Komponentenformel für das Skalarprodukt
Seien a und b zwei Vektoren in der Ebene oder im Raum, mit Komponenten
 
 
a1
b1
b =  b2 
a =  a2 
und
a3
b3
Dann gilt für das Skalarprodukt der Vektoren:
a · b = a1 · b1 + a2 · b2 + a3 · b3
Merke:
Das Skalarprodukt ist die Summe der Produkte von entsprechenden Komponenten der beiden Vektoren.
Beispiel:

4.12
 

2
−3
 −1  ·  −2  =
5
1
Beweis der Formel für Vektoren in der Ebene:
Der Beweis folgt leicht aus den Gesetzen des Skalarproduktes:
a = a1e1 + a2e2
b = b1e1 + b2e2
a · b = (a1e1 + a2e2 ) · (b1e1 + b2e2 ) =
= a1 b1 e1 · e1 + a1 b2 e1 · e2 + a2 b1 e2 · e1 + a2 b2 e2 · e2 =
= a1 b1 + a2 b2
Dabei wurde verwendet, dass die Vektoren ei Einheitsvektoren sind und paarweise senkrecht aufeinander stehen.
4.4 Das Skalarprodukt (Dotproduct)
4.4.3
68
Übungen
4.13 Berechnen Sie den Winkel zwischen den Vektoren
3
−1
a =
und
b=
−1
3
Skizze !
 
5
4.14 Welche Winkel bildet der Vektor v =  2  mit den Koordinatenach8
sen ?
4.15 Berechnen sie die Winkel des Dreiecks A(5, 0, −1) B(2, 6, 8) C(−2, 3, 3).



1
−2
4.16 Für welches x stehen die Vektoren a =  −2  und b =  3  senk3
x
recht aufeinander ?

4.17 Die Cheops-Pyramide hat eine Höhe h = 146 m und eine quadratische
Grundfläche mit Kantenlänge a = 230 m. Berechnen Sie den Winkel
zwischen zwei Seitenkanten bei der Spitze.
4.18 Eine Lichtquelle befindet sich im Punkt A(4, −8, 12). Unter welchem
Elevationswinkel erscheint sie vom Punkt B(5, 5, 0) aus ?
4.4 Das Skalarprodukt (Dotproduct)
4.4.4
69
Normalprojektion eines Vektors
Gegeben seien ein Vektor v und eine Richtung, gegeben durch einen Vektor
a.
v
a
ϕ
P
v0
Q
v0
Normalprojektion von v auf a
Berechnung von v0 :
vo = ||v || · cos ϕ =
v · a
||a ||
Strecke P Q mit Vorzeichen
Der Vektor v0 ergibt sich daraus durch Multiplikation mit einem Einheitsvektor in Richtung a, d.h.
v0 =
v · a
v · a a
·
=
· a
||a || ||a ||
||a ||2
Beispiel:
4.19 Ein Massenpunkt bewegt sich in der Ebene mit der Geschwindigkeit v =
2
. Welche Geschwindigkeit hat die Normalprojektion der Bewegung
4
−1
in der Richtung a =
?
1
4.4 Das Skalarprodukt (Dotproduct)
70
Kapitel 5
Räumliche Körper
Würfel
Der Ursprung des Koordinatensystems wird mit Vorteil im Mittelpunkt des
Würfels gewählt. Bezeichnet man die Würfelkante mit 2a, so haben alle
Eckpunkte die Koordinaten (±a, ±a, ±a).
Quader
71
72
Spat (Parallelepiped)
Reguläres Tetraeder
In jeder der 4 Ecken laufen drei gleichseitige Dreiecke zusammen. Das reguläre Tetraeder ist einer der 5 Platonischen Körper (Würfel, Tetraeder,
Oktaeder, Ikosaeder, Dodekaeder).
73
Pyramide
h
Die Grundfläche ist i.a. ein beliebiges Polygon (Vieleck).
Volumen:
V =
A
h
1
·A·h
3
Grundfläche
Höhe
Beispiel: reguläres Tetraeder
Kreiskegel
m
h
h
r
r
Volumen:
V =
1 2
πr h
3
Mantelfläche des geraden Kreiskegels:
M = πrm
m
Mantellinie
(abgerollter Kreissektor)
74
Kreiszylinder
r
r
h
h
Volumen:
V = π r2 · h
h Höhe
Mantelfläche des geraden Zylinders:
M = 2π · r · h
(abgerolltes Rechteck)
75
Kugel
z
P
r
O β
α
y
x
α
β
Längengrad von P
Breitengrad von P
Volumen:
V =
4
π r3
3
Oberfläche:
A = 4 π r2
Kugelteile
r1
r2
h1
Kugelsegment
h2
Kugelschicht
r
Kugelsegment:
Kugelschicht:
Volumen:
Volumen:
V =
π 2
h · (3r − h1 )
3 1
Mantelfläche (Kugelhaube, Kalotte):
A = 2 π r h1
V =
π
h2 · (3r12 + r22 + h22 )
6
Mantelfläche (Kugelzone):
A = 2 π r h2
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