so refinanzieren sich Banken im Zeitalter von

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So refinanzieren sich Banken
im Zeitalter von Basel III
Die Umsetzung der Basel-III-Vorschriften zwingt Kreditinstitute in Deutschland, ihre
Refinanzierungsstrategie zu überdenken. Langfristige Spareinlagen gewinnen an Bedeu­
tung. Die Mehrheit der Geldhäuser erwartet deshalb mittelfristig höhere Zinssätze in
der Branche, um Kunden für langläufige Einlagen zu begeistern. Tagesgelder und Pfand­
briefe stehen als Refinanzierungssäulen ebenfalls hoch im Kurs. Das ergibt die Studie
„banking insight“ von msgGillardon, für die 200 Fach- und Führungskräfte der
deutschen Kreditwirtschaft befragt wurden.
Autor: Georg Müller,
Principal Business Consultant
von msgGillardon
Große Auswirkungen auf die
Refinanzierung von Banken und Sparkassen haben die beiden in Basel III vorgeschriebenen Liquiditätskennziffern: die
kurzfristige Liquiditätsdeckungs-Kennziffer
(Liquidity Coverage Ratio - LCR) und die
längerfristig ausgerichtete Strukturkennziffer (Net Stable Funding Ratio - NSFR). Sie
sollen dafür sorgen, dass ein Institut in der
Lage ist, Mindestvorgaben an Liquidität
auch in kurz- und mittelfristigen Stressphasen zu erfüllen. Die LCR bezieht sich auf
einen 30-Tage-Zeitraum. Sie fordert, jederzeit ausreichend liquide Mittel bereitzuhalten, um unerwartete, große Liquiditätsabflüsse in Stressphasen schnell ausgleichen zu
können. So zählen zum Beispiel ungedeckte
Bankschuldverschreibungen oder Kredite
nicht zu den Aktiva, die im Notfall schnell
liquide gemacht werden können und
werden gegenüber etwa Staatsanleihen
­
­benachteiligt. Die Liquiditätsvorschriften
der NSFR sollen dagegen eine exzessive
Fristentransformation verhindern. Als Folge können langfristig gewährte Kredite
nicht mehr uneingeschränkt kurzfristig beispielsweise über Spareinlagen oder Schuldverschreibungen refinanziert werden.
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Steigerung der
Eigenkapitalquote
Angesichts dieser erschwerten Bedingungen
bleiben den Banken und Sparkassen verschiedene sich ergänzende Alternativen für
die Refinanzierung. Eine davon ist die Steigerung des Eigenkapitals. Primär kommen
hierfür die Ausgabe neuer Aktien und das
Einbehalten von Gewinnen in Frage. Für 63
Prozent der Bankmanager ist es wahrscheinlich oder ganz klar, dass ihr Institut eine Kapitalerhöhung durchführen wird, so die Studie von msgGillardon. Für steigende Eigenkapitalkosten sorgt Basel III auch mit den
schrittweise wachsenden Mindesteigenkapitalquoten, besonders die Anforderungen an
das harte Kernkapital steigen quantitativ
und qualitativ deutlich. Gleichzeitig werden
die Risikogewichte zur Berechnung der gesamten Risikoposition teilweise erhöht oder
an härtere Bedingungen geknüpft. Mit dem
bestehenden Eigenkapital kann also in Zukunft weniger oder weniger risikoreiches Geschäft gemacht werden. Dies wiederum
dämpft mögliche Gewinne.
Spareinlagen erleben
Comeback
Auf der Fremdkapitalseite kommen Interbankenkredite, die Ausgabe von Anleihen
und die Erhöhung des Einlagenanteils als
Refinanzierungsquelle in Frage. Wobei sämtliche Bankengruppen bereits erkennen, dass
eine Refinanzierung über unbesicherte
Bankanleihen durch Basel III deutlich an Attraktivität verliert. Die Abwertung dieser Refinanzierungsquelle aufgrund der Deprivilegierung als Liquiditätspuffer in der Liquidi-
tätskennzahl LCR führt mittelbar schon
heute zu entsprechenden Konsequenzen an
den Refinanzierungsmärkten. Die Institute
gehen beispielsweise von einer wichtigeren
Rolle von Tagesgeldern aus, werden diese
doch in den Liquiditätskennziffern mit relativ geringen Abflussraten anerkannt. 36
Prozent der Institutsentscheider geben an,
dass ihrer Meinung nach Tagesgelder in
Folge von Basel III an Bedeutung zunehmen werden, weitere 40 Prozent glauben an
eine gleichbleibend hohe Bedeutung, so die
Ergebnisse der Studie. Das Anlagevolumen,
das Sparer in Tagesgelder stecken, hat in
den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Waren im Oktober 2008 noch knapp
unter 500 Milliarden Euro in Tagesgeldern
angelegt, so waren es im Oktober 2013
schon 915 Milliarden. 35 Prozent der Kunden bevorzugen trotz der anhaltenden
Niedrigzinsphase Tagesgeld als Geldanlage,
ergab eine repräsentative GfK-Umfrage im
Auftrag des Bundesverbandes deutscher
Banken. Erst dahinter liegt mit 25 Prozent
das Festgeld. Für die Banken ist dies allerdings insofern problematisch, da Tagesgelder jederzeit abgezogen werden können.
Die Institute müssen daher höhere Liquiditätsreserven zum Beispiel durch Hinterlegung bei der Zentralbank vorhalten, die im
derzeit niedrigen Zinsumfeld keine Zinserträge generieren und damit ein zusätzlicher
Kostenfaktor sind.
Viele Geldinstitute haben deshalb starkes
Interesse, Sparprodukte mit längeren festen
Laufzeiten anzubieten und vergeben auf der
Aktivseite lieber kürzere laufende Kredite.
So soll größtmögliche Fristenkongruenz im
Sinne von Basell III erreicht werden. Weil
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die Veränderungen alle Kreditinstitute betreffen, nimmt der Wettbewerb um genau
diese Produkte zu. Die Marktteilnehmer
werben stärker darum, langfristige Spareinlagen zu gewinnen. Als Folge gehen 65 Prozent der befragten Banker davon aus, dass
sich die Konditionen bei längeren Laufzeiten von Anlageprodukten für Sparer verbessern werden. Insgesamt könnten die durchschnittlichen Sparzinsen um 0,25 bis einen
Prozentpunkt ansteigen, glaubt die Mehrheit von 56 Prozent der Befragten.
Inwieweit dieses Szenario realistisch ist,
muss sich noch zeigen. Denn eine Herausforderung wird sein, die Kunden von den
attraktiven weil flexiblen Tagesgeldkonten
zu langlaufenden Anlagen zu bewegen, beispielsweise zu Festgeldprodukten. Das Dilemma ist die aktuelle Niedrigzinsphase.
Bei Minizinsen, die meist nicht einmal die
Inflation decken, legen Kunden ihr Geld
trotz verbesserter Konditionen lieber kurzfristig an, um bei einem Zinsanstieg schnell
umschichten zu können. Es wird also darauf ankommen, lang laufende Sparprodukte mit zusätzlichen Mehrwerten zu veredeln
– beispielsweise einer hochwertigen Beratung in weiteren Finanzfragen. Speziell
Sparkassen und Genossenschaftsbanken sehen sich hier gut aufgestellt und mit ihrem
Geschäftsmodell als regional verankerte
Hausbank im Vorteil.
Pfandbriefe sind attraktive
Refinanzierungsquelle
Da die Liquidität im Basel-III-Zeitalter für
die Institute stärker gewichtet wird, stellen
immer mehr Geldhäuser ihre Refinanzierung auch auf Pfandbriefe um. 36 Prozent
der Banken sind der Meinung, dass Pfandbriefe zukünftig wichtiger werden. Im Gegensatz beispielsweise zu Einlagen oder
kurzfristigen Bankschuldverschreibungen
ermöglichen Pfandbriefe eine hohe Fristenkongruenz, das heißt, eine hohe Übereinstimmung zwischen Laufzeit des Pfandbriefs und der begebenen Darlehen. Pfandbriefe sind unter Basel III in der LCR als
liquide Aktiva anrechenbar und werden
damit ungedeckten Schuldverschreibungen
Die Auswirkungen von Basel III auf die Attraktivität
von Finanzprodukten sind vielvältig gegenüber bevorzugt. Gleichzeitig lassen
sich die Refinanzierungskosten senken, da
Investoren neben dem Sicherheitsaspekt
dieser Anlageform die Pfandbriefe auch als
Sicherheiten in der Interbanken-Refinanzierung einsetzen können. Pfandbriefe mit
einer Laufzeit von mehr als einem Jahr werden zusätzlich in vollem Umfang als stabile
Refinanzierung in der NSFR anerkannt.
Geschäftsmodell entscheidet
über Refinanzierungsmix
Basel III hat Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle aller Institutsgruppen.
Nicht für alle funktioniert jedoch die gleiche Strategie, um auf die neuen regulatorischen Leitplanken zu reagieren. Jedes Institut muss den für ihre Marktsituation,
ihre Kunden und ihr Geschäftsmodell passenden Mix finden. Viele Genossenschafts-
(Quelle: msgGillardon)
banken (59 Prozent) wollen sich beispielsweise mehr auf das Provisionsgeschäft
konzentrieren und Kredite verstärkt vermitteln. Demgegenüber bemühen sie sich
auf der Passivseite stärker als bislang um
langfristige Einlagen. 55 Prozent der
­Genossenschaftsbanken planen, Sparern
mehr Produkte mit langfristiger Kapitalbindung anzubieten, 2012 waren es noch
50 Prozent. Auch Sparkassen setzen zunehmend auf diesen Trend. Bei anderen
Bankengruppen ist dieses Engagement weniger stark ausgeprägt. Großbanken legen
den Fokus stärker auf Pfandbriefe. Als zusätzliche Refinanzierungswege bleiben den
Instituten Effizienzsteigerungen durch
Kostensenkung und eine Anhebung der
nicht-zinsabhängigen Erträge wie Servicegebühren, um Gewinn und Liquidität zu
steigern. Maßnahmen in diese Richtung
sind bei allen Banktypen zu erwarten. n
Die „banking insight“-Studie
Die Studie „banking insight“ der Unternehmensberatung msgGillardon in Kooperation
mit dem Handelsblatt untersucht künftige Geschäftsmodelle von Banken unter dem
­Einfluss des Regelwerks Basel III. Gefragt wurde unter anderem, inwieweit die deutschen
Banken und Sparkassen ihre Steuerung bereits auf Basel III ausgerichtet haben und ob
das neue Regelwerk zu einem veränderten Preis- und Geschäftsmodell der Kreditinstitute führt. Auch die Auswirkungen von Basel III auf konkrete Finanzprodukte standen im
Fokus. An der Studie haben insgesamt 200 Fach- und Führungskräfte der deutschen
­Kreditwirtschaft teilgenommen. Sie wurde 2013 bereits zum zweiten Mal durchgeführt.
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