54 banktechnik So refinanzieren sich Banken im Zeitalter von Basel III Die Umsetzung der Basel-III-Vorschriften zwingt Kreditinstitute in Deutschland, ihre Refinanzierungsstrategie zu überdenken. Langfristige Spareinlagen gewinnen an Bedeu­ tung. Die Mehrheit der Geldhäuser erwartet deshalb mittelfristig höhere Zinssätze in der Branche, um Kunden für langläufige Einlagen zu begeistern. Tagesgelder und Pfand­ briefe stehen als Refinanzierungssäulen ebenfalls hoch im Kurs. Das ergibt die Studie „banking insight“ von msgGillardon, für die 200 Fach- und Führungskräfte der deutschen Kreditwirtschaft befragt wurden. Autor: Georg Müller, Principal Business Consultant von msgGillardon Große Auswirkungen auf die Refinanzierung von Banken und Sparkassen haben die beiden in Basel III vorgeschriebenen Liquiditätskennziffern: die kurzfristige Liquiditätsdeckungs-Kennziffer (Liquidity Coverage Ratio - LCR) und die längerfristig ausgerichtete Strukturkennziffer (Net Stable Funding Ratio - NSFR). Sie sollen dafür sorgen, dass ein Institut in der Lage ist, Mindestvorgaben an Liquidität auch in kurz- und mittelfristigen Stressphasen zu erfüllen. Die LCR bezieht sich auf einen 30-Tage-Zeitraum. Sie fordert, jederzeit ausreichend liquide Mittel bereitzuhalten, um unerwartete, große Liquiditätsabflüsse in Stressphasen schnell ausgleichen zu können. So zählen zum Beispiel ungedeckte Bankschuldverschreibungen oder Kredite nicht zu den Aktiva, die im Notfall schnell liquide gemacht werden können und werden gegenüber etwa Staatsanleihen ­ ­benachteiligt. Die Liquiditätsvorschriften der NSFR sollen dagegen eine exzessive Fristentransformation verhindern. Als Folge können langfristig gewährte Kredite nicht mehr uneingeschränkt kurzfristig beispielsweise über Spareinlagen oder Schuldverschreibungen refinanziert werden. geldinstitute 3 2014 Steigerung der Eigenkapitalquote Angesichts dieser erschwerten Bedingungen bleiben den Banken und Sparkassen verschiedene sich ergänzende Alternativen für die Refinanzierung. Eine davon ist die Steigerung des Eigenkapitals. Primär kommen hierfür die Ausgabe neuer Aktien und das Einbehalten von Gewinnen in Frage. Für 63 Prozent der Bankmanager ist es wahrscheinlich oder ganz klar, dass ihr Institut eine Kapitalerhöhung durchführen wird, so die Studie von msgGillardon. Für steigende Eigenkapitalkosten sorgt Basel III auch mit den schrittweise wachsenden Mindesteigenkapitalquoten, besonders die Anforderungen an das harte Kernkapital steigen quantitativ und qualitativ deutlich. Gleichzeitig werden die Risikogewichte zur Berechnung der gesamten Risikoposition teilweise erhöht oder an härtere Bedingungen geknüpft. Mit dem bestehenden Eigenkapital kann also in Zukunft weniger oder weniger risikoreiches Geschäft gemacht werden. Dies wiederum dämpft mögliche Gewinne. Spareinlagen erleben Comeback Auf der Fremdkapitalseite kommen Interbankenkredite, die Ausgabe von Anleihen und die Erhöhung des Einlagenanteils als Refinanzierungsquelle in Frage. Wobei sämtliche Bankengruppen bereits erkennen, dass eine Refinanzierung über unbesicherte Bankanleihen durch Basel III deutlich an Attraktivität verliert. Die Abwertung dieser Refinanzierungsquelle aufgrund der Deprivilegierung als Liquiditätspuffer in der Liquidi- tätskennzahl LCR führt mittelbar schon heute zu entsprechenden Konsequenzen an den Refinanzierungsmärkten. Die Institute gehen beispielsweise von einer wichtigeren Rolle von Tagesgeldern aus, werden diese doch in den Liquiditätskennziffern mit relativ geringen Abflussraten anerkannt. 36 Prozent der Institutsentscheider geben an, dass ihrer Meinung nach Tagesgelder in Folge von Basel III an Bedeutung zunehmen werden, weitere 40 Prozent glauben an eine gleichbleibend hohe Bedeutung, so die Ergebnisse der Studie. Das Anlagevolumen, das Sparer in Tagesgelder stecken, hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Waren im Oktober 2008 noch knapp unter 500 Milliarden Euro in Tagesgeldern angelegt, so waren es im Oktober 2013 schon 915 Milliarden. 35 Prozent der Kunden bevorzugen trotz der anhaltenden Niedrigzinsphase Tagesgeld als Geldanlage, ergab eine repräsentative GfK-Umfrage im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Banken. Erst dahinter liegt mit 25 Prozent das Festgeld. Für die Banken ist dies allerdings insofern problematisch, da Tagesgelder jederzeit abgezogen werden können. Die Institute müssen daher höhere Liquiditätsreserven zum Beispiel durch Hinterlegung bei der Zentralbank vorhalten, die im derzeit niedrigen Zinsumfeld keine Zinserträge generieren und damit ein zusätzlicher Kostenfaktor sind. Viele Geldinstitute haben deshalb starkes Interesse, Sparprodukte mit längeren festen Laufzeiten anzubieten und vergeben auf der Aktivseite lieber kürzere laufende Kredite. So soll größtmögliche Fristenkongruenz im Sinne von Basell III erreicht werden. Weil banktechnik 55 die Veränderungen alle Kreditinstitute betreffen, nimmt der Wettbewerb um genau diese Produkte zu. Die Marktteilnehmer werben stärker darum, langfristige Spareinlagen zu gewinnen. Als Folge gehen 65 Prozent der befragten Banker davon aus, dass sich die Konditionen bei längeren Laufzeiten von Anlageprodukten für Sparer verbessern werden. Insgesamt könnten die durchschnittlichen Sparzinsen um 0,25 bis einen Prozentpunkt ansteigen, glaubt die Mehrheit von 56 Prozent der Befragten. Inwieweit dieses Szenario realistisch ist, muss sich noch zeigen. Denn eine Herausforderung wird sein, die Kunden von den attraktiven weil flexiblen Tagesgeldkonten zu langlaufenden Anlagen zu bewegen, beispielsweise zu Festgeldprodukten. Das Dilemma ist die aktuelle Niedrigzinsphase. Bei Minizinsen, die meist nicht einmal die Inflation decken, legen Kunden ihr Geld trotz verbesserter Konditionen lieber kurzfristig an, um bei einem Zinsanstieg schnell umschichten zu können. Es wird also darauf ankommen, lang laufende Sparprodukte mit zusätzlichen Mehrwerten zu veredeln – beispielsweise einer hochwertigen Beratung in weiteren Finanzfragen. Speziell Sparkassen und Genossenschaftsbanken sehen sich hier gut aufgestellt und mit ihrem Geschäftsmodell als regional verankerte Hausbank im Vorteil. Pfandbriefe sind attraktive Refinanzierungsquelle Da die Liquidität im Basel-III-Zeitalter für die Institute stärker gewichtet wird, stellen immer mehr Geldhäuser ihre Refinanzierung auch auf Pfandbriefe um. 36 Prozent der Banken sind der Meinung, dass Pfandbriefe zukünftig wichtiger werden. Im Gegensatz beispielsweise zu Einlagen oder kurzfristigen Bankschuldverschreibungen ermöglichen Pfandbriefe eine hohe Fristenkongruenz, das heißt, eine hohe Übereinstimmung zwischen Laufzeit des Pfandbriefs und der begebenen Darlehen. Pfandbriefe sind unter Basel III in der LCR als liquide Aktiva anrechenbar und werden damit ungedeckten Schuldverschreibungen Die Auswirkungen von Basel III auf die Attraktivität von Finanzprodukten sind vielvältig gegenüber bevorzugt. Gleichzeitig lassen sich die Refinanzierungskosten senken, da Investoren neben dem Sicherheitsaspekt dieser Anlageform die Pfandbriefe auch als Sicherheiten in der Interbanken-Refinanzierung einsetzen können. Pfandbriefe mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr werden zusätzlich in vollem Umfang als stabile Refinanzierung in der NSFR anerkannt. Geschäftsmodell entscheidet über Refinanzierungsmix Basel III hat Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle aller Institutsgruppen. Nicht für alle funktioniert jedoch die gleiche Strategie, um auf die neuen regulatorischen Leitplanken zu reagieren. Jedes Institut muss den für ihre Marktsituation, ihre Kunden und ihr Geschäftsmodell passenden Mix finden. Viele Genossenschafts- (Quelle: msgGillardon) banken (59 Prozent) wollen sich beispielsweise mehr auf das Provisionsgeschäft konzentrieren und Kredite verstärkt vermitteln. Demgegenüber bemühen sie sich auf der Passivseite stärker als bislang um langfristige Einlagen. 55 Prozent der ­Genossenschaftsbanken planen, Sparern mehr Produkte mit langfristiger Kapitalbindung anzubieten, 2012 waren es noch 50 Prozent. Auch Sparkassen setzen zunehmend auf diesen Trend. Bei anderen Bankengruppen ist dieses Engagement weniger stark ausgeprägt. Großbanken legen den Fokus stärker auf Pfandbriefe. Als zusätzliche Refinanzierungswege bleiben den Instituten Effizienzsteigerungen durch Kostensenkung und eine Anhebung der nicht-zinsabhängigen Erträge wie Servicegebühren, um Gewinn und Liquidität zu steigern. Maßnahmen in diese Richtung sind bei allen Banktypen zu erwarten. n Die „banking insight“-Studie Die Studie „banking insight“ der Unternehmensberatung msgGillardon in Kooperation mit dem Handelsblatt untersucht künftige Geschäftsmodelle von Banken unter dem ­Einfluss des Regelwerks Basel III. Gefragt wurde unter anderem, inwieweit die deutschen Banken und Sparkassen ihre Steuerung bereits auf Basel III ausgerichtet haben und ob das neue Regelwerk zu einem veränderten Preis- und Geschäftsmodell der Kreditinstitute führt. Auch die Auswirkungen von Basel III auf konkrete Finanzprodukte standen im Fokus. An der Studie haben insgesamt 200 Fach- und Führungskräfte der deutschen ­Kreditwirtschaft teilgenommen. Sie wurde 2013 bereits zum zweiten Mal durchgeführt. 3 2014 geldinstitute