Stochastische Analysis und Finanzmathematik Prof. Dr. Jan Kallsen HVB-Stiftungsinstitut für Finanzmathematik TU München 4. September 2006 INHALTSVERZEICHNIS 2 Inhaltsverzeichnis 1 Einführung 1.1 Beispiel: Forward-Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Beispiel: europäische Call-Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Stochastische Analysis in diskreter Zeit 2.1 Diskrete Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, F, P ) . . . . . 2.3 Filtrierung (Ft )t=0,1,2,... . . . . . . . . . . . 2.4 Bedingte Erwartung einer Zufallsvariablen X 2.5 Stochastischer Prozess X = (Xt )t=0,1,2,... . . 2.6 Martingal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Stochastisches Integral H • X . . . . . . . . 2.8 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9 Stochastisches Exponential E(X) . . . . . . 2.10 Doob-Zerlegung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.11 Irrpfad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.12 Martingal-Darstellung . . . . . . . . . . . . . 3 4 5 Stochastische Analysis in stetiger Zeit 3.1 Stochastischer Prozess X = (Xt )Rt≥0 . . . . 3.2 Stochastisches Integral H • X = Hs dXs 3.3 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Stochastisches Exponential E(X) . . . . . 3.5 Doob-Meyer-Zerlegung . . . . . . . . . . . 3.6 Lévy-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Brownsche Bewegung . . . . . . . . . . . 3.8 Geometrische Brownsche Bewegung . . . . 3.9 Itô-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.10 Rechenregeln für Itô-Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbitragetheorie in diskreter Zeit 4.1 Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Selbstfinanzierende Handelsstrategien . . . . 4.3 Abzinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Erster Fundamentalsatz der Preistheorie . . . 4.5 Bewerten und Hedgen von Termingeschäften 4.6 Zweiter Fundamentalsatz der Preistheorie . . 4.7 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8 Wertpapiere mit Dividenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 4 5 . . . . . . . . . . . . 7 7 7 7 7 7 8 8 9 11 11 12 12 . . . . . . . . . . 14 14 14 15 16 17 17 17 19 19 20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 21 21 22 23 24 25 26 27 Arbitragetheorie in stetiger Zeit 5.1 Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Begriffe analog zum Diskreten (vgl. Abschnitt 4) 5.3 Erster Fundamentalsatz der Preistheorie . . . . . 5.4 Bewerten und Hedgen von Termingeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 30 31 31 31 . . . . . . . . INHALTSVERZEICHNIS 5.5 5.6 3 Zweiter Fundamentalsatz der Preistheorie . . . . . . . . . . . . . . . Black-Scholes-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 32 6 Ausblick: unvollständige Märkte 6.1 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Hedging . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 37 37 7 Zinsmodelle 7.1 Zugrunde liegende Wertpapiere . . . . . . . . . . 7.2 Verschiedene Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Verschiedene Zinspapiere . . . . . . . . . . . . . 7.4 Aspekte der Zinsmodellierung . . . . . . . . . . 7.5 Numeraireansatz zur Bwertung von Zinsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 38 38 39 42 43 Short-Rate-Modelle 8.1 Allgemeines Modell . . . . . . . . . . . 8.2 Affine Zinsstruktur . . . . . . . . . . . 8.3 Beispiele affiner Short-Rate-Modelle . . 8.4 Allgemeines affines Short-Rate-Modell 8.5 Vasiček . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6 Cox-Ingersoll-Ross . . . . . . . . . . . 8.7 Ho-Lee . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.8 Hull-White (erweitertes Vasiček) . . . . 8.9 Ein affines Zwei-Faktor-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 44 44 44 44 45 46 46 46 46 . . . . . 48 48 48 50 52 53 10 LIBOR-Marktmodelle 10.1 Neue Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Diskretes lognormales LIBOR-Marktmodell . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Bewertung von Caplets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 56 56 57 11 Grafiken 11.1 Marktmodelle und Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Black-Scholes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Vasiček-Zinsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 58 60 63 8 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heath-Jarrow-Morton 9.1 Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Arbitragefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4 Beispiel: Vasiček/Hull-White-Modell unter ÄMM Q (vgl. 8.8) 9.5 Bewertung/Hedging von Bond-Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 EINFÜHRUNG 4 Einführung Zwei zentrale Fragen: • Bewertung redundanter Wertpapiere • Absicherung des aus Wertpapiergeschäften entstehenden Kursrisikos Zwei zentrale Hilfsmittel: • duplizierende Portfolios • Abwesenheit von Arbitrage 1.1 Beispiel: Forward-Geschäft Kunde möchte 1$ in einem Jahr (=Zeitpunkt T ) zu heute (=Zeitpunkt 0) festgelegtem Kurs F0 e kaufen. Frage • Welcher Kurs F0 ist fair? • Wie sichert die Bank das entstehende Kursrisiko ab? Voraussetzungen • Am Markt gehandelt sind – bei T fällige Nullkuponanleihen auf 1$; deren Kurs (in e) zum Zeitpunkt 0 sei D0 , – bei T fällige Nullkuponanleihen auf 1e; deren Kurs (in e) zum Zeitpunkt 0 sei E0 . • keine Arbitragemöglichkeiten (risikolose Gewinne) am Markt Erstelle Portfolio zum Zeitpunkt 0: - Kaufe 1 T-$-Nullkuponanleihe; Kosten: D0 - Verkaufe D0 E0 0 T-e-Nullkuponanleihen; Kosten: − D E0 E0 = −D0 Behauptung • D0 E0 ist der einzige faire Forwardpreis (in dem Sinne, dass keine Arbitragemöglichkeiten entstehen). • Das obige (so genannte duplizierende) Portfolio beseitigt das Kursrisiko der Bank. 1 EINFÜHRUNG 5 Begründung Cashflows Zeitpunkt 0 Zeitpunkt T Portfolio +D0 − D0 = 0e +1$ 0 −D E0 e Forwardgeschäft (Käufer) 0e +1$ −F0 e Annahme: Dann: 0 F0 < D E0 Kaufe Forward, verkaufe Portfolio 0 risikoloser Gewinn D E0 − F0 e bei T Annahme: Dann: 0 F0 > D E0 Verkaufe Forward, kaufe Portfolio 0 risikoloser Gewinn − D E0 + F0 e bei T 0 Bei F0 = D E0 : Gewinne/Verluste des verkauften Forwards werden durch das duplizierende Portfolio genau ausgeglichen. 1.2 Beispiel: europäische Call-Option Stillhalter erhält das Recht, Aktie S zum Zeitpunkt T (Fälligkeit) zum Preis 100 (Basispreis) zu kaufen; d.h. er erhält max(0, ST − 100) zum Zeitpunkt T . Fragen • Fairer Preis C0 dieses Vertrags zum Zeitpunkt 0? • Wie sichert die Bank als Verkäufer das entstehende Kursrisiko ab? Voraussetzungen • Am Markt gehandelt sind – die Aktie S, – bei T fällige Nullkuponanleihen auf 1 e; deren Kurs zum Zeitpunkt 0 sei 0,99. • keine Arbitragemöglichkeiten am Markt • ganz einfache Kursentwicklung der Aktie: S0 = 100 ST = 110 mit Wahrscheinlichkeit 0,6 ST = 90 mit Wahrscheinlichkeit 0,4 1 EINFÜHRUNG 6 Ziel Erstelle duplizierendes Portfolio, d.h. mit Wert max(0, ST − 100) bei T . φ0 Anleihen, φ1 Aktien Wert des Portfolios: 0, 99φ0 + 100φ1 V0 φ0 + 110φ1 10 φ0 + 90φ1 VT 0 Option VT = max(0, ST − 100) gilt für φ0 = −45, φ1 = 0, 5. Cashflow Zeitpunkt 0 Zeitpunkt T Portfolio V0 = 0, 99φ0 + 100φ1 = 5, 45e VT Option C0 max(0, ST − 100) Wie im Forward-Fall folgt: • C0 = 5, 45e ist der einzige faire Preis der Option. • Durch den Kauf des Portfolios beseitigt die Bank das Kursrisiko aus dem Verkauf der Option vollständig. Bemerkungen • Wahrscheinlichkeiten gehen nicht in das Ergebnis ein. • Im Gegensatz zum Forward ist die Annahme eines (unrealistischen) Kursverlaufsmodells nötig. 2 STOCHASTISCHE ANALYSIS IN DISKRETER ZEIT 2 Stochastische Analysis in diskreter Zeit 2.1 7 Diskrete Zeit - 0 2.2 1 2 t Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, F, P ) Ω: Menge der möglichen Ausgänge (oft abstrakt) F: σ-Algebra (= unter abzählbaren Mengenoperationen ∩,∪, usw. abgeschlossene Familie von Mengen A ∈ Ω) P 2.3 Wahrscheinlichkeitsmaß P (A) = Wahrscheinlichkeit des Ereignisses A ∈ F Filtrierung (Ft )t=0,1,2,... wachsende Folge von σ-Algebren auf Ω, d.h. F0 ⊂ F1 ⊂ F2 ⊂ · · · ⊂ F. Idee: Ft steht für die zum Zeitpunkt t vorhandene Information. A ∈ Ft bedeutet: Zur Zeit t ist bekannt, ob Ereignis A eintritt oder nicht. 2.4 Bedingte Erwartung einer Zufallsvariablen X Formal: E(X|Ft ) ist Ft -messbare Zufallsvariable, so dass E(XY ) = E(E(X|Ft )Y ) für alle Ft -messbaren Zufallsvariablen Y . Idee: E(X|Ft ) ist der erwartete Mittelwert von X auf Grundlage der Information zum Zeitpunkt t. 2.5 Stochastischer Prozess X = (Xt )t=0,1,2,... Folge von Zufallsvariablen (= zufällige Folge von Zahlen) Beispiel: Xt Kurs eines Wertpapieres zur Zeit t oder Xt Zahl der Wertpapiere im Portfolio zur Zeit t. 2.5.1 Adaptierter Prozess X heißt adaptiert, falls Xt Ft -messbar. Idee: Xt ist zum Zeitpunkt t bekannt (z.B. Aktienkurs) 2.5.2 Vorhersehbarer Prozess X heißt vorhersehbar, falls Xt Ft−1 -messbar. Idee: Xt ist schon kurz vor t bekannt (z.B. Zahl der Wertpapiere im Portfolio, da Anruf beim Makler notwendig) 2 STOCHASTISCHE ANALYSIS IN DISKRETER ZEIT 2.6 8 Martingal Ein adaptierter Prozess X heißt Martingal, falls E(Xt |Fs ) = Xs für s ≤ t. Idee: • Beste Prognose für zukünftigen Wert Xt zum gegenwärtigen Zeitpunkt s ist gegenwärtiger Wert Xs . • Prozess bleibt im Mittel auf heutigem Stand. Beispiel: Spielvermögen in einem fairen Spiel Beispiel: Z Zufallsvariable ⇒ Xt := E(Z|Ft ) Martingal (von Z erzeugtes Martingal) (denn E(Xt |Fs ) = E(E(Z|Ft )|Fs ) = E(Z|Fs ) = Xs ) 2.7 Stochastisches Integral H • X Seien X ein adaptierter Prozess, H ein vorhersehbarer Prozess. Das stochastische Integral H • X = (H • Xt )t=0,1,2,... ist der durch H • Xt := t X (mit ∆Xs := Xs − Xs−1 ) Hs ∆Xs s=1 definierte adaptierte Prozess. Idee: Ht Xt Zahl der Wertpapiere zum Zeitpunkt t (Handelsstrategie/Portfolio) Aktienkurs zum Zeitpunkt t Kursänderung von Xt−1 auf Xt ? t-1 6 - t Wahl von Ht Ht ∆Xt H • Xt Kursgewinn bzw -verlust zwischen t − 1 und t kumulierte Kursgewinne zwischen 0 und t Allgemeiner H, X Rd -wertig, H • X reellwertig definiert durch H • Xt := t X = H > ∆X | s {z }s s=1 Skalarprodukt d t X X s=1 i=1 Hsi ∆Xsi 2 STOCHASTISCHE ANALYSIS IN DISKRETER ZEIT 9 Idee: Xt = (Xt1 , . . . , Xtd ) Ht = (Ht1 , . . . , Htd ) P Ht> ∆Xt = dt=1 Hti ∆Xti 2.8 Kurse von d Wertpapieren Portfolio aus d Wertpapieren Saldo der Kursgewinne/-verluste aus allen Papieren zwischen t − 1 und t Eigenschaften 1. X Martingal ⇒ H • X Martingal (in der Regel) Idee: Aktie X wirft im Mittel keine Gewinne/Verluste ab ⇒ Dies gilt auch für dynamische Handelsstrategien. Begründung für s = t − 1: E(H • Xt |Ft−1 ) = E(H • Xt−1 + Ht ∆Xt |Ft−1 ) = H • Xt−1 + E(Ht ∆Xt |Ft−1 ) = H • Xt−1 + Ht E(∆Xt |Ft−1 ) {z } | =0 = H • Xt−1 2. H • (K • X) = (HK) • X Begründung H (K X)t = • • = t X s=1 t X Hs ∆(K • X)s Hs Ks ∆Xs s=1 = (HK) • Xt 3. (Partielle Integration) XY = X0 Y0 + Y− • Y + Y− • X + [X, Y ] wobei der Prozess X− = (Xt− )t=0,1,2,... definiert ist durch Xt− := Xt−1 (und X0− = 0) und der Kovariationsprozess [X, Y ] = ([X, Y ]t )t=0,1,2,... definiert ist durch t X [X, Y ]t := ∆Xs ∆Ys s=1 (für X = Y quadratische Variation von X) 2 STOCHASTISCHE ANALYSIS IN DISKRETER ZEIT 10 Begründung Xt Yt = X0 Y0 + = X0 Y0 + t X (Xs Ys − Xs−1 Ys−1 ) s=1 t X Xs−1 (Ys − Ys−1 ) + s=1 Ys−1 (Xs − Xs−1 ) + (Xs − Xs−1 )(Ys − Ys−1 ) = X0 Y0 + X− • Yt + Y− • Xt + [X, Y ]t 4. [H • X, K • Y ] = (HK) • [X, Y ] Begründung [H • X, K • Y ] = = t X s=1 t X ∆(H • X)s ∆(K • Y )s Hs ∆Xs Ks ∆Ys s=1 = t X Hs Ks ∆[X, Y ] s=1 = (HK) • [X, Y ] 5. (Itô-Formel) Sei f : R → R zweifach stetig differenzierbare Funktion. f (Xt ) = f (X0 ) + t X (f (Xs ) − f (Xs− )) s=1 1 = f (X0 ) + f (X− ) • Xt + f 00 (X− ) • [X, X]t + Restt 2 wobei Restt = t X s=1 1 f (Xs ) − f (Xs− ) − f (Xs− )∆Xs − f 00 (Xs− )(∆Xs )2 2 0 Idee: Rest ist klein, falls die Zuwächse ∆Xt klein sind (Taylorsche Näherung). Begründung 0 f (X− ) Xt = • t X f 0 (Xs− )∆Xs s=1 f 00 (X− ) • [X, X]t = t X s=1 f 00 (Xs− ) ∆[X, X]s | {z } =(∆Xs )2 2 STOCHASTISCHE ANALYSIS IN DISKRETER ZEIT 2.9 11 Stochastisches Exponential E(X) Sei X ein adaptierter Prozess. Die Gleichung Z = 1 + Z− • X besitzt eine eindeutige Lösung Z, das stochastische Exponential E(X) := Z. Es gilt: E(X)t = t Y (1 + ∆Xs ) s=1 1 ≈ exp Xt − X0 − [X, X]t 2 falls Zuwächse ∆Xt klein. Idee: ∆Zt = Zt− ∆Xt bedeutet, dass die Zuwächse von Z proportional vom gegenwärtigen Wert abhängen. Begründung mit Induktion Zt = Zt−1 + Zt−1 ∆Xt t−1 Y = (1 + ∆Xs )(1 + ∆Xt ) = s=1 t Y (1 + ∆Xs ) s=1 In der Näherung o (∆Xs )2 = 0 gilt: 1 exp Xt − X0 − [X, X]t 2 t Y 1 2 = exp(∆Xs ) exp − (∆Xs ) 2 s=1 t Y 1 1 2 2 2 2 = 1 + ∆Xs + (∆Xs ) + o((∆Xs ) ) 1 − (∆Xs ) + o((∆Xs ) ) 2 2 s=1 t Y 1 1 2 2 2 1 + ∆Xs + (∆X ) − (∆X ) + o((∆X ) ) = s s s 2 2 ≈ s=1 t Y (1 + ∆Xs ) = E(X)t s=1 2.10 Doob-Zerlegung Die meisten adaptierten Prozesse X lassen sich eindeutig zerlegen in der Form X = X0 + M + A, wobei M Martingal mit M0 = 0 und A vorhersehbar mit A0 = 0. A heißt Kompensator oder Drift von X. 2 STOCHASTISCHE ANALYSIS IN DISKRETER ZEIT 12 Begründung Xt = X0 + = X0 + t X s=1 t X ∆Xs (∆Xs − E(∆Xs |Fs−1 )) + |s=1 {z } Mt t X E(∆Xs |Fs−1 ) |s=1 {z At } M Martingal, denn E(∆Mt |Ft−1 ) = E(∆Xt |Ft−1 ) − E(E(∆Xt |Ft−1 )|Ft−1 ) = 0 Idee: ∆At steht für den erwarteten Trend von X zwischen t − 1 und t, ∆Mt für die zufällige Abweichung von diesem Trend. 2.11 Irrpfad Ein Standard-Irrpfad sei ein adaptierter Prozess X mit a) X0 = 0 b) ∆Xt unabhängig von Ft−1 (d.h. von der Vergangenheit) c) P (∆Xt = 1) = P (∆Xt = −1) = 1 2 Idee: Folge von Münzwürfen, addiere/subtrahiere 1 bei Kopf/Zahl 2.12 Martingal-Darstellung Seien X Standard-Irrpfad und (Ft )t=0,1,... die von X erzeugte Filtrierung (d.h. aller Zufall im Modell resultiert aus der Münzwurffolge). Dann gibt es für jedes Martingal M ein vorhersehbaren Prozess H mit M = M0 + H • X (d.h. alle Martingale sind stochastische Integrale nach X). Idee: Jede zufällige Auszahlung Z = MT lässt sich mit Anfangskapital M0 und Handelsstrategie H als Endkapital Z = M0 + H • XT bei T erhalten. 2 STOCHASTISCHE ANALYSIS IN DISKRETER ZEIT H=0,11 1 1, 1 Xt Mt H=0,1 0 1 1 2 1 2 1 2 H=0,121 2 1, 21 H=0,099 0 0, 99 H=0,099 1 2 H=0,09 −1 0, 9 1 2 1 2 0 0, 99 H=0,081 −2 0, 81 13 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 3 1, 331 1 1, 089 1 1, 089 −1 0, 891 1 1, 089 −1 0, 891 −1 0, 891 −3 0, 729 3 STOCHASTISCHE ANALYSIS IN STETIGER ZEIT 3 Stochastische Analysis in stetiger Zeit 14 wie bisher: Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, F, P ) mit Filtrierung (Ft )t≥0 (jetzt in stetiger Zeit) - 0 3.1 t Stochastischer Prozess X = (Xt )t≥0 Familie von Zufallsvariablen (= zufällige Funktionen der Zeit) X heißt stetig (bzw. càdlàg, von endl. Variation, ...), falls t 7→ Xt (ω) stetig (bzw. càdlàg, von endl. Variation, ...) für festes ω. càdlàg: rechsseitig stetig mit linksseitigen Grenzwerten von endlicher Variation: Der Graph der Funktion hat als Kurve im R2 endliche Länge (bis zu jedem t). Beispiel: stetig differenzierbare Funktionen Gegenbeispiel: Brownsche Bewegung X heißt adaptiert, falls Xt Ft -messbar (d.h. bei t bekannt). X heißt vorhersehbar, falls „Xt kurz vor t bekannt“ (mathematische Definition ist schwierig). Ein adaptierter càdlàg-Prozess heißt Martingal, falls E(Xt |Fs ) = Xs für s ≤ t. 3.2 Stochastisches Integral H • X = R Hs dXs Seien X adaptierter càdlàg-Prozess (Aktienkursverlauf), H vorhersehbarer Prozess (Zahl der Aktien im Portfolio = Handelsstrategie). Ziel Definition des stochastischen Integrals H Handelsgewinne/verluste bis t) • X = (H • Xt )t≥0 (kumulierte Sinnvolle Eigenschaften a) Für Ht = Y 1]r,s] (t) mit Fr -messbarer Zufallsvariable Y (kaufe Y Aktien bei r, verkaufe alle wieder bei s) ist H • Xt = Y (Xmin(s,t) − Xmax(r,t) ). b) H • X ist linear in H. c) H • X ist stetig in H (d.h. Htn → Ht punktweise ⇒ H n • Xt → H • Xt stochastisch). Allgemeine Theorie stochastischer Prozesse ⇒ Für eine große Klasse von Prozessen X (Semimartingale) und eine große Klasse von Integranden (u.a. alle beschränkten) existiert genau eine solche Abbildung. 3 STOCHASTISCHE ANALYSIS IN STETIGER ZEIT 15 Rt Schreibweisen H • Xt = 0 Hs dXs Rt Rt Rt Statt Yt = 0 Hs dXs oder (wegen 0 dYs = 0 1dYs = Yt − Y0 ) Rt Rt 0 dYs = 0 Hs dXs schreibt man auch dYs = Hs dXs (sinnvoll nach Wiedereinführen der Integralzeichen). Anderer Zugang: Stieltjes-Integration Handelsgewinne im Intervall [t, t + dt]: “Ht dXt ”, wobei dXt Kursänderung zwischen t und t + dt. t Falls Xt differenzierbar mit Ableitung Ẋt = dX dt , gilt dXt = Ẋt dt. Rt Rt Definiere also H • Xt = 0 Hs dXs := 0 Hs Ẋs ds (Stieltjes-Integral). Problem Wichtigster Prozess Brownsche Bewegung ist nicht differenzierbar, nicht einmal von endlicher Variation ⇒ Stieltjes-Integral nicht definiert. d Allgemeiner R · H, X R -wertig, • H X = 0 Hs dXs reellwertig definiert durch H • Xt = d X H i • Xti i=1 (Kursgewinne/-verluste aus ganzem Portfolio) 3.3 Eigenschaften 1. X Martingal ⇒ H • X Martingal (in der Regel) 2. H • (K • X) = (HK) • X (differentiell geschrieben: Ht (Kt dXt ) = (Ht Kt )dXt ) 3. (partielle Integration) XY = X0 Y0 + X− • Y + Y− • X + [X, Y ] wobei der Prozess X− = (Xt− )t≥0 def. ist durch Xt− := limXs s↑t und der Kovariationsprozess [X, Y ] = ([X, Y ]t )t≥0 definiert ist durch [X, Y ]t = lim n→∞ n X (X k t − X k−1 t )(Y k t − X k−1 t ) k=1 n (für X = Y quadratische Variation von X) 4. [H • X, K • Y ] = (HK) • [X, Y ] n n n 3 STOCHASTISCHE ANALYSIS IN STETIGER ZEIT 16 5. (Itô-Formel) Seien X stetig, f : R → R zweifach stetig differenzierbare Funktion. 1 f (Xt ) = f (X0 ) + f 0 (X) • Xt + f 00 (X) • [X, X]t 2 (d.h. df (Xt ) = f 0 (Xt )dXt + 12 f 00 (Xt )d[X, X]t ) (vgl. Kettenregel df (Xt ) dt t = f 0 (Xt ) dX dt ) Mehrdimensional Seien X Rd -wertig und stetig, f : Rd → R zweifach stetig differenzierbar mit partiellen Ableitungen ∂1 f, . . . , ∂d f und zweifachen Ableitungen ∂ij f . f (Xt ) = f (X0 ) + d X ∂i f (X) • Xti i=1 (bzw. df (Xt ) = Pd i i=1 ∂i f (Xt )dXt d 1 X + ∂ij f (X) • [X i , X j ]t 2 i,j=1 + 1 Pd i,j=1 ∂fij (Xt )d[X 2 i, X j ] ) t 6. H • X und [X, Y ] = [Y, X] sind linear in X 7. (H • X)0 = 0, H • (X − X0 ) = H • X 8. X differenzierbar mit Ableitung Ẋ ⇒ Rs 0 Z Ht dXt = 0 | s Ht Ẋt dt {z } Lebegue−Integral 9. X stetig, X oder Y von endlicher Variation ⇒ [X, Y ] = 0 10. [X, Y ] ist von endlicher Variation; ferner stetig, falls X oder Y stetig. 3.4 Stochastisches Exponential E(X) Sei X ein Semimartingal. Die Gleichung Z = 1 + Z− • X (d.h. Z0 = 1, dZt = Zt− dXt ) besitzt eine eindeutige Lösung Z, das stochastische Exponential E(X) := Z. Für stetiges X gilt 1 E(X)t = exp Xt − X0 − [X, X]t . 2 3 STOCHASTISCHE ANALYSIS IN STETIGER ZEIT 17 Begründung Itô-Formel für Yt = Xt − X0 − 12 [X, X]t und f (x) = ex ⇒ Für Zt = eYt gilt: 1 dZt = deYt = eYt dYt + eYt d[Y, Y ]t 2 1 1 3.3(7) dYt = d(Xt − X0 ) − d[X, X]t = dXt − d[X, X]t 2 2 1 1 1 [Y, Y ] = [X, X] − 2 X, X0 − [X, X] + X0 + [X, X], X0 − [X, X] 2 2 2 | | {z } t {z } von endl. ebenso Variation und stetig = [X, X] + 0 + 0 1 1 ⇒ dZt = Zt dXt − Zt d[X, X]t + Zt d[X, X]t = Zt dXt 2 2 3.5 Doob-Meyer-Zerlegung „Viele“ Semimartingale X lassen sich eindeutig zerlegen in der Form X = X0 + M + A, wobei M Martingal mit M0 = 0 und A vorhersehbar, von endl. Variation und A0 = 0. A heißt wieder Kompensator oder Drift von X. 3.6 Lévy-Prozess Ein Lévy-Prozess (Prozess mit unabhängigen, stationären Zuwächsen) ist ein Semimartingal X mit: a) X0 = 0, b) Xt − Xs ist unabhängig von Fs für s ≤ t, c) die Verteilung des Zuwachses Xt − Xs hängt nur von t − s ab. Idee: X hat konstantes Wachstumsverhalten in stochastischem Sinne; stochastisches Analogon der linearen Funktion. 3.7 Brownsche Bewegung Ein Lévy-Prozess X heißt Standard-Brownsche Bewegung (Wiener-Prozess), falls Xt N (0, t)-verteilt für t ≥ 0. 3 STOCHASTISCHE ANALYSIS IN STETIGER ZEIT 18 Eigenschaften Sei W eine Standard-Brownsche Bewegung. a) W ist ein Martingal. Begründung E(Wt |Fs ) = Ws + E(Wt − Ws |Fs ) = Ws + E(Wt − Ws ) = Ws + E(Wt−s − W0 ) SBB = Ws + E(Wt−s ) = Ws + 0 = Ws b) W ist stetig. c) [W, W ]t = t Es gilt sogar: X stetiges Martingal mit X0 = 0 und [X, X]t = t ⇒ X Standard-Brownsche Bewegung d) Die Verteilung von W ist eindeutig bestimmt (Wiener-Maß). e) (Girsanow) Sei Q ein weiteres Wahrscheinlichkeitsmaß mit Dichteprozess E(N ) für ein R |F ) = E(N ) , d.h. Q(A) = E(N )t dP für alle Martingal N . (d.h. E( dQ t t dP A A ∈ Ft ). f := W − [W, N ] eine Standard-Brownsche Bewegung bzgl. Q. Dann ist W f) Martingal-Darstellungssatz (vgl. Irrpfade) Sei (Ft )t≥0 die von W erzeugte Filtrierung (d.h. aller Zufall kommt von W ). Dann gibt es für jedes Martingal M einen vorhersehbaren Prozess H mit M = M0 + H • W (d.h. alle Martingale sind stochastische Integrale nach X). g) Für “vernünftige” Integranden H gilt: i Z t Hs dWs E =0 0 ii Z t Hs dWs Var Z =E 0 t Hs2 ds 0 Begründung i E(H • Wt ) = E(H • W0 ) = 0, da H • W Martingal 3 STOCHASTISCHE ANALYSIS IN STETIGER ZEIT 19 ii Z t Hs dWs Var = E((H • Wt )2 ) nach i) 0 (part. Integ.) = E(2(H • W )− H • Wt + [H • W, H • W ]t ) = 0 + E(H 2 • [W, W ]t ) Z t 2 E Hs ds = 0 Warum Brownsche Bewegung? Satz Jeder stetige Lévy-Prozess ist von der Form Xt = µt + σWt mit Konstanten µ, σ und einer Standard-Brownschen Bewegung W (Brownsche Bewegung mit Drift). 3.8 Geometrische Brownsche Bewegung Idee: Bei Aktienkursen sind eher die relativen Zuwächse „konstant“. Z heißt geometrische Brownsche Bewegung, falls eine der folgenden äquivalenten Eigenschaften gilt: 1. (a) Z0 = 1, (b) ZZst ist unabhängig von Fs für s ≤ t, (c) die Verteilung von (d) Z ist stetig. Zt Zs hängt nur von t − s ab, 2. Z = eX für eine Brownsche Bewegung mit Drift X. e für eine Brownsche Bewegung mit Drift X. e 3. Z = E(X) e = X + 1 [X, X] Zusammenhang: i) X 2 e X] e e − 1 [X, ii) X = X 2 Begründung des Zusammenhangs 1 e e e e E(X) = exp X − [X, X] ⇒ ii. 2 e X], e [X, e X]] e = [X, e X] e + 2 1 [X, e [X, e X] e ] + [[X, e X] e + 0 ⇒ i. [X, X] = [X, | | {z } {z } 2 stetig, ebenso von endl. Var. 3.9 Itô-Prozess Jetzt allgemeiner: X heißt Itô-Prozess, falls dXt = µt dt + σt dWt für vorhersehbare Prozesse µ, σ und eine Standard-Brownsche Bewegung W . 3 STOCHASTISCHE ANALYSIS IN STETIGER ZEIT 20 Idee: vergleiche Analysis: Differenzierbare Funktionen Xt sind von der Form dXt = µt dt, d.h. sie sehen lokal wie eine lineare Funktion mit Steigung µt aus. Itô-Prozesse sehen lokal wie eine Brownsche Bewegung mit Driftkoeffizient µt und Diffusionskoeffizient σt aus. 3.10 Rechenregeln für Itô-Prozesse Sei dXt = µt dt + σt dWt . a) d[X, X]t = σt2 dt Begründung Z · µs ds + | {z } stetig, endl. Var. = [σ • W, σ • W ]t Z [X, X]t = 0 = σ 2 • [W, W ]t Z t = σs2 ds, · Z σs dWs , 0 · µs ds + | {z } ebenso 0 · Z σs dWs 0 t Linearität da [W, W ]t = t 0 b) (Itô-Formel) Für f : R2 → R zweifach stetig differenzierbar gilt: 1 2 df (t, Xt ) = ∂1 f (t, Xt ) + ∂2 f (t, Xt )µt + ∂22 f (t, Xt )σt dt 2 +∂2 f (t, Xt )σt dWt Begründung Itô-Formel angewandt auf Yt = (t, Xt ) und f ⇒ df (t, Xt ) = df (Yt ) 1 = ∂1 f (Yt ) + ∂2 f (Yt )dXt + ∂11 f (Yt ) d[t, t] | {z } 2 =0 1 1 +2 ∂12 f (Yt ) d[t, Wt ] + ∂22 f (Yt ) d[W, W ]t | {z } | {z } 2 2 =0 =dt 1 2 = ∂1 f (t, Xt ) + ∂2 f (t, Xt )µt + ∂22 f (t, Xt )σt dt 2 +∂2 f (t, Xt )σt dWt Anmerkung Lévy-Prozess, Brownsche Bewegung, Itô-Prozesse usw. existieren auch mehrdimensional. 4 ARBITRAGETHEORIE IN DISKRETER ZEIT 4 Arbitragetheorie in diskreter Zeit 21 - t Diskrete Zeit: 0 1 T −1 .... 2 T Gegeben d + 1-dimensionaler adaptierter Prozess St = (St0 , . . . , Std ), t = 0, . . . , T : Preisprozess der d + 1 Wertpapiere am Markt. Idee: Sti : Kurs von Wertpapier i zur Zeit t = 0, . . . , T 4.1 Beispiel Einfaches Marktmodell mit 2 Wertpapieren: a) festverzinsliches Wertpapier (Geldmarktkonto, Anleihe) St0 = S00 exp(rt), t = 0, 1, . . . , T mit r konstant b) Aktie (oder Fremdwährung) St1 = S01 exp(Xt ) mit X0 = 0, (∆Xt )t=1..T unabhängig, identisch verteilt z.B. ∆Xt ∼ N (µ, σ 2 ), d.h. normalverteilt 4.2 Selbstfinanzierende Handelsstrategien Eine Handelsstrategie (Portfolio) ist ein d + 1-dimensionaler vorhersehbarer Prozess φt = (φ0t , . . . , φdt ), t = 0, . . . , T . Idee: φit : Zahl der Wertpapiere vom Typ i im Portfolio zur Zeit t = 0, . . . , T Wert(prozess), Vermögensprozess V (φ) = (Vt (φ))t=0,1,..,T des Portfolios: Vt (φ) := φ> t St = d X φit Sti i=0 φ heißt selbstfinanzierend, falls d X i (∆φit )St−1 =0 für t = 1, . . . , T. i=0 Idee: Vermögen wird nur umgeschichtet, kein Kapital hinzugefügt oder entnommen. Lemma φ selbstfinanzierend ⇔ Vt (φ) = V0 (φ) + φ • St (d.h. Vermögen = Anfangsvermögen + Handelsgewinne/-verluste) 4 ARBITRAGETHEORIE IN DISKRETER ZEIT 22 Begründung Vt (φ) ⇔ ∆(φ> S)t > ⇔ φ> t St − φt−1 St−1 ⇔ (φt − φt−1 )> St−1 4.3 = = = = V0 (φ) + φ • St φ> t ∆St > > φ t St − φt St−1 0 Abzinsen Umständlich: d + 1-dimensionale Strategien mit Nebenbedingung einfacher: Abzinsen → d-dimensionale Strategien ohne Nebenbedingung 1 St1 Std b St := 0 = 1, 0 , . . . , 0 heißt (nach S 0 ) diskontierter Preisprozess. St St St 1 >b b Vt (φ) := 0 Vt (φ) = φt St heißt diskontierter Wertprozess. St 4.3.1 Lemma φ selbstfinanzierend ⇔ d X i ∆φit Sbt−1 =0 für t = 1, . . . , T i=0 ⇔ Vbt (φ) = Vb0 (φ) + φ • Sbt für t = 0, . . . , T Begründung wie oben 4.3.2 Lemma Seien (φ1t , . . . , φdt )t=0,...,T vorhersehbarer Prozess und V0 ∈ R gegeben. Dann gibt es genau einen vorhersehbaren Prozess (φ0t )t=0,...,T derart, dass φt = (φ0t , . . . , φdt ) selbstfinanzierend ist mit Anfangskapital φ> 0 S0 = V 0 . Begründung φ = (φ0 , . . . , φd ) selbstfinanzierend ⇔ Vbt (φ) = Vb0 (φ) + φ • Sbt | {z } b1 ,...,S bd )t (φ1 ,...,φd )•(S 1 d • b1 b1 bd b bd ⇔ φ0t Sbt0 +(φ1 , . . . , φd )> t (S , . . . , S )t = V0 (φ) + (φ , . . . , φ ) (S , . . . , S )t |{z} 1 ⇔ b1 bd = Vb0 (φ) + (φ1 , . . . , φd ) • (Sb1 , . . . , Sbd )t − (φ1 , . . . , φd )> t (S , . . . , S )t = Vb0 (φ) + (φ1 , . . . , φd ) • (Sb1 , . . . , Sbd )t−1 − (φ1 , . . . , φd )t−1 (Sb1 , . . . , Sbd )t−1 φ0t Bemerkung: φ • Sb hängt nicht von (φ0t )t=0,...,T ab. 4 ARBITRAGETHEORIE IN DISKRETER ZEIT 4.3.3 23 Konvention Identifiziere (Sb1 , . . . , Sbd ) mit Sb = (Sb0 , . . . , Sbd ) und (φ1 . . . φd ) mit der selbstfinanzierenden Strategie φ = (φ0 , . . . , φd ) aus dem Lemma (zu V0 = 0). 4.4 4.4.1 Erster Fundamentalsatz der Preistheorie Zentrale Annahme Es gibt keine Arbitrage (=risikoloser Gewinn). Eine selbstfinanzierende Strategie φ heißt Arbitrage, falls V0 (φ) = 0, ⇔ 4.4.2 VT (φ) ≥ 0 und P (VT (φ) > 0) > 0 Vb0 (φ) = 0, VbT (φ) ≥ 0. und P (VbT (φ) > 0) > 0 Satz Der Markt ist arbitragefrei (d.h. es gibt keine Arbitrage) ⇔ es gibt ein äquivalentes Martingalmaß (ÄMM) (d.h. ein Wahrscheinlichkeitsmaß Q ∼ P (also mit Q(N ) = 0 ⇔ P (N ) = 0) derart, daß Sb ein Q-Martingal ist). Idee: Unter den hypothetischen Wahrscheinlichkeiten Q wird der Markt zu einem fairen Spiel. Begründung ⇐: Sei φ selbstfinanzierende Strategie mit φ • SbT ≥ 0. ⇒ φ • Sb Q-Martingal ⇒ EQ (φ • SbT ) = φ • Sb0 = 0 also Q(φ • SbT > 0) = 0 also P (φ • SbT > 0) = 0 Sb Q-Martingal ⇒: anschaulich: X(ω2 ) 6 1 @ @Q Menge der Wahrscheinlichkeitsmaße @ HH @ @ H r @ HH HH X(ω1 ) H 1 HH b H {φ • ST : φ Handelsstrategie} EQ (φ • ST ) = 0 für alle φ, da Q orthogonal gewählt ⇒ Sb Martingal unter Q 4 ARBITRAGETHEORIE IN DISKRETER ZEIT 4.5 24 Bewerten und Hedgen von Termingeschäften Viele Termingeschäfte lassen sich durch eine Zufallsvariable X (nämlich deren Auszahlung) ausdrücken. Wir nennen diese (zufällige) Auszahlung, Derivat, Option. 4.5.1 Beispiele 1a) Europäischer Call X = (ST1 − K)+ = max(0, ST1 − K) S 1 : Underlying, T : Fälligkeit, K: Basispreis 1b) Europäischer Put X = (K − ST1 )+ 1c) Amerikanischer Call/Put, d.h. Auszahlung jederzeit möglich. keine Darstellung als Zufallsvariable X 2a) Forward X = S 1 − Ft S 1 : Underlying, T : Fälligkeit, t: Abschlussdatum Wähle den Forwardpreis Ft > 0, so dass Vertrag bei t nichts kostet. b) Future: keine Darstellung als Zufallsvariable X Unterschied zum Forward: Futurpreisänderung Ut − Ut−1 wird täglich den Handelspartnern gutgeschrieben/belastet, so dass Kündigung ohne Kosten möglich. 4.5.2 Voraussetzungen Der Markt (S 0 , . . . , S d ) sei arbitragefrei; ferner: keine Transaktionskosten, beliebiger Handel möglich, keine Dividenden. 4.5.3 Redundante Wertpapiere Die Auszahlung X heißt duplizierbar, falls eine selbstfinanzierende Strategie φ existiert mit X = VT (φ) (= V0 (φ) + φ • ST ) d.h. abgezinst b := X = Vb (φ) + φ • SbT . X ST0 φ heißt Hedgingstrategie und V0 (φ) fairer Preis der Option. Wann ist X duplizierbar? Warum fairer Preis? Wie berechnet man ihn? 4 ARBITRAGETHEORIE IN DISKRETER ZEIT 4.5.4 25 Gesetz des einen Preises Satz Sei X Auszahlung (Option). ⇔ 1. 2. ⇔ 3 X ist duplizierbar (durch Strategie φ) Genau ein Preis π der Option zum Zeitpunkt 0 führt nicht zu Arbitrage (nämlich π = V0 (φ)). (Gesetz des einen Preises) b den gleichen Wert Für jedes ÄMM Q hat EQ (X) 0 b (nämlich S0 EQ (X) = π = V0 (φ)). Begründung 1 ⇒ 2: Sei etwa π > V0 (φ) (sonst analog). Erstelle Portfolio: zur Zeit 0: zur Zeit T: kaufe φ verkaufe Option lege π − V0 (φ) risikolos an Kosten V0 (φ) −π π − V0 (φ) Saldo 0 Handelsstrategie φ Option Wert X −X Anlage (π − V0 (φ)) ST0 S0 0 π− Saldo S0 V0 (φ) ST0 0 (Arbitragegewinn) 2 ⇒ 3: Sei Q ÄMM. b t ). Führe Option als neues Wertpapier d + 1 ein durch Sbtd+1 := EQ (X|F d+1 0 d d+1 Sb ist Martingal ⇒ Markt (S , . . . , S , S ) mit Option ist arbitragefrei. 2. b ⇒ π = S d+1 = S 0 Sbd+1 = S 0 EQ (X) 0 0 0 0 3 ⇒ 1: schwieriger Allgemeiner X duplizierbar (durch φ) ⇔ Genau ein Preisprozess (Std+1 )t=0,..,T für die Option führt nicht zu Arbitrage, nämlich b t ). Std+1 = Vt (φ) = St0 EQ (X|F 4.6 Zweiter Fundamentalsatz der Preistheorie Der Markt ist vollständig (d.h. jede Auszahlung X ist duplizierbar) ⇔ es gibt genau ein ÄMM Q. 4 ARBITRAGETHEORIE IN DISKRETER ZEIT 26 Begründung ⇐: Folgt nach vorigem Satz, 3 ⇒ 1 b = 1A . ⇒: Zu A ∈ F wähle diskontierte Auszahlung X Dann ist Q(A) = EQ (1A ) = EQ (X) von Q unabhängig nach vorigem Satz, 1 ⇒ 3. Ziel Berechnung der duplizierenden Strategie φ und des fairen Preises π b π = V0 (φ) = S00 EQ (X) Zur Berechnung von π sind ÄMM nützlich (aber nicht unbedingt nötig). 4.7 4.7.1 Beispiele Forwardpreis bei deterministischem Zins (d.h. St0 deterministisch) Forward auf S 1 mit Fälligkeit T und Forwardpreis F0 (zum Zeitpunkt 0 abgeschlossen): X = ST1 − F0 Duplizierende Strategie: φt = (φ0t , φ1t ) = F0 − 0 ,1 ST (statische Strategie), denn VT (φ) = φ> T ST = − F0 + 1ST1 = ST1 − F0 = X ST0 Fairer Preis von X: π = V0 (φ) = φ> 0 S0 = − F0 0 S00 1 1 S + 1S = S − F 0 0 0 ST0 0 ST0 S0 Dies ist 0, falls F0 = S01 ST0 ( fairer Forwardpreis). T Also: φ = kaufe 1 Aktie und nimm dafür Kredit auf. S0 S1 (allgemeiner: Ft = St1 ST0 mit statischer Hedgingstrategie (− St0 , 1), falls Abschluss t t bei t) 4.7.2 Europäischer Call im Binomialmodell (Cox-Ross-Rubinstein-Modell) St0 = ert (fester Zins) S 1 : Aktie S 2 : Option, genauer ST2 = X = (ST1 − K)+ T = 3, K = 100, r = 0 4 ARBITRAGETHEORIE IN DISKRETER ZEIT 27 Wahrscheinlichkeiten unter P (unter Q): 1 Sbt1 Sbt2 ! φ1 =0,525 (0,5) 100 0 ,6 0 ,4( 7, 48 0 ,5) t 1 133, 10 φ3 =1 (0,5) 33, 10 121 0 ,6 0 1 ,4( 21 108, 90 0 ,5 φ2 =0,752 (0,5) ) 110 0 ,6 8, 90 12, 73 0,4(0 108, 90 φ13 =0,449 (0,5) , 5) 8, 90 99 0 ,6 0 , 4( 4, 45 89, 10 0 ,5 ) 0 1 108, 90 φ3 =0,449 (0,5) 8, 90 99 0 ,6 0 1 , 4( 4, 45 89, 10 0 ,5 φ2 =0,248 (0,5) ) 90 0 0 ,6 0 1 , 4( 2, 23 89, 10 0,5 φ3 =0 5) ) (0, 0 81 0 ,6 0 , 4( 0 72, 90 0 ,5 ) 0 0 1 2 3 fairer Preis π = V0 (φ) = S00 Sb02 = 7, 48e • Markt ist vollständig, da binärer Baum ⇒ eindeutiges Martingalmaß (2 Gleichungen mit 2 Unbekannten in jeder Verzweigung) Alternativ: 1, 1 q1 q2 1 1 q3 0, 9 Martingalmaß, falls q1 + q2 + q3 = 1 und 1, 1q1 + 1q2 + 0, 9q3 = 1 2 Gleichungen mit 3 Unbekannten ⇒ viele Martingalmaße Q ⇒ kein perfektes Hedgen • Berechnung von Sbt2 bzw. π z.B. rekursiv im Baum (= bedingte Erwartungswerte unter Q) • Berechnung der Hedgingstrategie φt = (φ1t , φ2t ) via φ1t ∆Sbt1 = ∆Sbt2 (d.h. φt = 4.8 b2 ∆S t ) b ∆St1 und Selbstfinanzierungsbedingung Wertpapiere mit Dividenden Gegeben: d + 1-dimensionaler adaptierter Prozess St = (St0 , . . . , Std ) Wertpapierprozess wie bisher d + 1-dimensionaler adaptierter Prozess Dt = (Dt0 , . . . , Dtd ) (mit D0 = (0, . . . , 0)). kumulativer Dividendenprozess 4 ARBITRAGETHEORIE IN DISKRETER ZEIT 28 i : Dividende auf Wertpapier i zur Zeit t. Idee: ∆Dti = Dti − Dt−1 6 6 t−1 Handel φt−1 → φt 6 t DividendenausschÃijttung ∆Dt KursÃd’nderung St−1 → St 4.8.1 Handelsstrategien Eine Handelsstrategie ist (wieder) ein d + 1-dimensionaler vorhersehbarer Prozess φt = (φ0t , . . . , φdt ). Idee: φit : Zahl der Wertpapiere vom Typ i zur Zeit t vor der Dividendenausschüttung. Wertprozess Vt (φ) des Portfolios: Vt (φ) = φ> t (St + ∆Dt ) = d X φit (Sti + ∆Dti ) i=0 Idee: Wert des Portfolios nach der Dividendenausschüttung (Vor der Ausschüttung wäre das wie bisher φ> t St .) φ heißt selbstfinanzierend, falls > φ> t St−1 = φt (St−1 + ∆Dt−1 ) für t = 1, . . . , T > (⇔ ∆φ> t St−1 = φt ∆Dt−1 ) Idee: Wert nach Umschichtung φt−1 → φt gleich Wert vor Umschichtung 4.8.2 Sbt := b := D Abzinsen 1 St0 1 St0 S1 Sd t t = (1, St0 , . . . , St0 ) ( S10 t diskontierter Preisprozess 1 St0 • Dd ) Dt0 , . . . , t 1 > b b b V (φ) := S 0 Vt (φ) = φt (St + ∆Dt ) • Dt = • diskontierter Dividendenprozess diskontierter Wertprozess t Lemma φ selbstfinanzierend ⇔ ⇔ ⇔ > b b ∆φ> t St−1 = φt−1 ∆Dt−1 Vt (φ) + φ • (S + D) b Vbt (φ) = Vb0 (φ) + φ • (Sb + D) Lemma 4.3.2 gilt weiterhin. 4.8.3 Erster Fundamentalsatz der Preistheorie mit Dividenden Arbitrage wird wie bisher definiert. 4 ARBITRAGETHEORIE IN DISKRETER ZEIT 29 Satz Sei Dt0 = 0 (d.h. keine Dividenden auf den Numeraire). Der Markt ist arbitragefrei ⇔ b es gibt ein äquivalentes Martingalmaß ÄMM für Sb + D b b ein Q-Martingal ist). (d.h. ein Wahrscheinlichkeitsmaß Q ∼ P , so dass S + D 4.8.4 Beispiel: Bewertung und Hedging eines Futures S 1 Aktie T Fälligkeit des Futures Ut Futures„preis“ zum Zeitpunkt t, d.h. UT = ST1 Preis des Futurevertrages St2 = 0 (da Abschluss, Kündigung jederzeit kostenfrei) Dividendenprozess D2 = U (da Ut − Ut−1 Auszahlung zwischen t − 1 und t). Falls Markt aus Geldmarktkonto, Aktie, Future arbitragefrei, gibt es ein ÄMM für Sb1 b 2 = 0 + 10 • D2 = 10 • U . und Sb2 + D S S 0 ⇒ U = S • ( S10 • U ) Q-Martingal ⇒ Ut = EQ (ST1 |Ft ) Voraussetzung Deterministischer Numeraire ST0 S0 Q ÄMM 0 b1 Ut = EQ (ST1 |Ft ) = ST0 EQ (SbT1 |Ft ) = ST St = T0 St1 = Ft St (Futurespreis = Forwardpreis) Hedgingstrategie (Future abgeschlossen zur Zeit 0, Numeraire deterministisch): • diskontierter Wertprozess der selbstfinanzierenden Strategie „1 Future“: d.h. φt = (φ1t , φ2t ) = (0, 1) und V0 (φ) = 0: b 1 )t + φ2 • (Sb2 + D b 2 )t Vbt (φ) = Vb (φ) + φ1 • (Sb1 + D 1 = 0 + 0 + 0 • (ST0 Sb1 )t S ST0 • b1 = St S0 S0 • diskontierter Wertprozess der selbstfinanzierenden Strategie „ ST0 Aktien“, d.h. S0 t φt = (φ1t , φ2t ) = ( ST0 , 0) und V0 (φ) = 0: t b 1 )t + φ2 • (Sb2 + D b 2 )t Vbt (φ) = Vb (φ) + φ1 • (Sb1 + D S0 = 0 + T0 • Sbt1 + 0 St = Vt (φ) d.h. φ dupliziert den Zahlungsstrom eines Futures (Hedgingstrategie). kein statischer Hedge (im Gegensatz zum Forward) 5 ARBITRAGETHEORIE IN STETIGER ZEIT 5 Arbitragetheorie in stetiger Zeit 30 Stetige Zeit - T 0 t Gegeben d + 1-dimensionales Semimartingal St = (St0 , . . . , Std ), t ∈ [0, T ]: Preisprozess der d + 1 Wertpapiere am Markt 5.1 Beispiel Osborne/Samuelson-Marktmodell mit 2 Wertpapieren a) festverzinsliches Wertpapier (Geldmarktkonto, Anleihe) St0 = exp(rt), t ∈ [0, T ] mit r konstant b) Aktie (oder Fremdwährung) St1 = S01 exp(µt + σWt ) = S01 E(e µI + σW )t mit Konstanten µ, σ und Standard-Brownscher Bewegung W It = t, µ e=µ+ σ2 2 d.h. S 1 ist geometrische Brownsche Bewegung allgemeiner: d Aktien Sti = S0i exp µi t + d X σ ij Wtj j=1 mit unabhängigen Standard-Brownschen Bewegungen W 1 , . . . , W d und µ = (µ1 , . . . , µd ) ∈ Rd , σ = (σ ij )i,j=1,..,d ∈ Rd×d Kritik Modell passt nur mäßig zu den Daten. • Große Kursänderungen sind häufiger. (semiheavy tails, Ausweg: Sprungmodelle) • Große Kursänderungen treten geballt auf. (volatility clustering, Ausweg: Modelle mit stochastischer Volatilität) 5 ARBITRAGETHEORIE IN STETIGER ZEIT 5.2 31 Begriffe analog zum Diskreten (vgl. Abschnitt 4) • Handelsstrategie (Portfolio): d + 1-dimensionaler vorhersehbarer Prozess φt = (φ0t , . . . , φdt ) mit technischer Zulässigkeitsbedingung. • Wertprozess Vt (φ) := φ> t St • φ selbstfinanzierend, falls Vt (φ) = V0 (φ) + φ • St • Sbt := 1 S St0 t • Vbt (φ) := 5.2.1 diskontierter Preisprozess 1 V (φ) St0 t b = φ> t St diskontierter Wertprozess Lemma φ selbstfinanzierend ⇔ Vbt (φ) = Vb0 (φ) + φ • Sbt 5.2.2 Lemma (φ1 , . . . , φd ), V0 gegeben ⇒ Diese können auf eindeutige Weise zu selbstfinanzierender Strategie φ = (φ0 , φ1 , . . . , φd ) mit Anfangskapital V0 ergänzt werden. 5.3 Erster Fundamentalsatz der Preistheorie φ heißt Arbitrage, falls V0 (φ) = 0, VT (φ) ≥ 0, (oder Vb0 (φ) = 0, 5.3.1 VbT (φ) ≥ 0, P (VT (φ) > 0) > 0 P (VbT (φ) > 0) > 0) Satz Der Markt ist arbitragefrei (jedenfalls ungefähr) ⇔ es gibt ein äquivalentes Martingalmaß (ÄMM). 5.4 Bewerten und Hedgen von Termingeschäften Gegeben: Arbitragefreier Markt (S 0 , . . . , S d ) Auszahlung X heißt duplizierbar (durch selbstfinanzierende Hedgingstrategie φ), falls X = VT (φ). Satz Sei X Auszahlung. X duplizierbar (durch φ). ⇔ X hat genau einen arbitragefreien Anfangspreis π (nämlich π = V0 (φ)). (Gesetz des einen Preises) b hat für jedes ÄMM Q denselben Wert V0 (φ). ⇔ EQ (X) 5 ARBITRAGETHEORIE IN STETIGER ZEIT 5.5 32 Zweiter Fundamentalsatz der Preistheorie Der Markt ist vollständig (d.h. jede (beschränkte) Auszahlung ist duplizierbar) ⇔ es gibt genau ein ÄMM Q. 5.6 Black-Scholes-Modell (= obiges Osborne-Samuelson-Modell) St0 = exp(rt) St1 = S01 exp(µt + σWt ) = S01 E(e µI + σW )t mit It = t, µ e=µ+ 5.6.1 σ2 2 . Satz 1. Es gibt ein (eindeutiges) ÄMM Q mit Dichte dQ µ e−r =E − W . dP σ T 2. St1 Sbt1 ft = Wt − wobei W µ e−r σ t σ2 r+ 2 f )t f = t + σ Wt = S01 E(rI + σ W 2 σ f )t ft = Sb01 E(σ W = Sb01 exp t + σW 2 S01 exp Q-Standard-Brownsche Bewegung ist. 3. Der Markt ist arbitragefrei und vollständig. Andere Schreibweise dSt0 = St0 rdt ft ) dSt1 = St1 (e µdt + σdWt ) = St1 (rdt + σdW 0 0 dSbt = 0 (da Sbt = 1) ft Q-Martingal µ − r) + σdWt ) = Sbt1 σdW dSbt1 = Sbt1 ((e Begründung 1. Nach Girsanow ist µ e−r µ e−r Wt − W, − W = Wt + [W, W ]t σ σ t µ e−r = Wt + t σ f = W eine Q-Standard-Brownsche Bewegung, insbesondere Q-Martingal. 5 ARBITRAGETHEORIE IN STETIGER ZEIT 33 Wegen S1 Sbt1 = t0 St σ2 t + σWt µ b−r+ 2 2 σ 1 f b t + σ Wt = S0 exp 2 f )t ist Sb Q-Martingal (da Integral nach W f ). = Sb01 E(σ W = Sb01 exp Eindeutigkeit von Q folgt aus 3 und dem zweiten Fundamentalsatz. 2. elementare Umformungen 3. Erster Fundamentalsatz ⇒ Arbitragefreiheit b diskontierte Auszahlung. Vollständigkeit: Sei X f und das Martingal Mt = EQ (X|F b t) Martingaldarstellungssatz angewandt auf W ⇒ Es gibt einen vorhersehbaren Prozess H mit Z b = MT X > = M0 + ft Ht d W 0 Z > = M0 + 0 Ht b1 f St σdWt b St1 σ | {z } |{z} =dSbt1 =:φ1t Z = M0 + > φ1t dSet1 (= M0 + φ1 • SbT1 ). 0 5.6.2 Derivate Wie bewertet und hedgt man konkrete Auszahlungen? Betrachte eine Auszahlung der Form X = f (ST1 ). Satz 1. Der faire Preisprozess S 2 von X ist von der Form St2 = p(T − t, St1 ) mit ! !! Z σ2 −rτ p(τ, x) = e f x exp r− τ + yστ φ(y)dy, 2 wobei 1 2 1 φ(y) = √ exp − y 2 2π Dichte der N (0, 1)-Verteilung sei. 2. p(τ, x) ist auch Lösung der partiellen Differentialgleichung 1 −∂1 p(τ, x) + rx∂2 p(τ, x) + x2 σ 2 ∂22 p(τ, x) − rp(τ, x) = 0. 2 5 ARBITRAGETHEORIE IN STETIGER ZEIT 34 3. Die Duplikationsstrategie ist von der Form φt = (φ0t , φ1t ) mit φ1t = ∂2 p(T − t, St1 ) −rt φ0t = e X Ft ST0 p(T − t, St1 ) das „Delta“ der Option − St1 ∂2 p(T − t, St1 ) . Begründung 1. Sbt2 = EQ = e−rT EQ f (ST1 )|Ft σ2 −rT 1 f f Ft = e EQ f St exp r − (T − t) + σ (WT − Wt ) {z } | 2 | {z } N (0, T − t)bei t bekannt verteilt Z 2 √ σ −rT 1 = e f St exp (r − )(T − t) + σy T − t N (0, 1)(dy) 2 2. Sbt2 = e−rt p(T − t, Sbt1 ert ) = pe(t, Sbt1 ) Itô-Formel für Itô-Prozess dSbt1 σdWt und pe(t, x): dSbt2 = ∂1 pe(t, Sbt1 ) 1 1 1 2 + ∂22 pe(t, Sbt )(σ Sbt ) dt + ∂2 pe(t, Sbt1 )σ Sbt1 dWt 2 ist Q-Martingal, also Drift=0, d.h 1 0 = ∂1 pe(t, x) + ∂22 pe(t, x)(τ, x)2 2 ⇒ Gleichung für p(t, x). 3. Ferner dSbt2 = ∂2 pe(t, Sbt1 )σ Sbt1 dWt = ∂2 p(T − t, St1 )dSbt1 . Andererseits: dSbt2 = dVbt (φ) = φ1t dSbt1 . ⇒ φ1t = ∂2 p(T − t, Sbt1 ) Außerdem: φ0t = Sbt2 − φ1t Sbt1 = e−rt (p(T − t, St1 ) − ∂2 p(T − t, S, t1 )St1 ). 5.6.3 Europäischer Call Spezialfall: europäischer Call X = (ST1 − K)+ : 5 ARBITRAGETHEORIE IN STETIGER ZEIT 35 Satz (Black-Scholes-Formel) Für den fairen Preisprozess S 2 des europäischen Calls gilt: ! 2 log(St1 /K) + (r + σ2 )(T − t) 1 2 √ St = St Φ − σ T −t ! 2 log(St1 /K) + (r − σ2 )(T − t) −r(T −t) √ , e Φ σ T −t wobei Φ die Verteilungsfunktion der Standard-Normalverteilung sei. Fiel die Duplikationsstrategie φt = (φ0t , φ1t ) gilt ! 2 log(St1 /K) + (r + σ2 )(T − t) 1 √ , φt = Φ σ T −t 2 φ0t = −e−r(T −t) KΦ log(St1 /K) + (r − σ2 )(T − t) √ σ T −t ! . Begründung Voriger Satz ⇒ St2 = p(T − t, St1 ) mit + √ σ2 τ + σ τ y − K φ(y)dy p(τ, x) = e x exp r − 2 −∞ + Z ∞ √ σ2 −rτ x exp r − )τ + σ τ y − K φ(y)dy = e 2 z −rτ Z ∞ 2 log(Xt1 /K) + (r + σ2 )(T − t) √ mit z = σ T −t Z ∞ √ 2 1 1 dy − e−rτ KN (0, 1)([z, ∞)) = x√ exp − y − σ τ 2 2π z √ = xN (0, 1)([z − σ τ , ∞)) − e−rτ KN (0, 1)([z, ∞)) √ = xφ(−z + σ τ ) − erτ Kφ(−z) Voriger Satz ⇒ φ1t = ∂2 p(T − t, St1 ) 2 1 1 φ0t = e−rt (St− φt St ) direkt ausrechnen 5.6.4 Exkurs Amerikanischer Put im Black-Scholes-Modell Umtausch des Puts gegen (K − St1 )+ jederzeit vor T möglich Theorie ⇒ eiziger fairer (d.h. arbitragefreier) Preis des Puts ist St2 = sup τ ∈[t,T ] Stoppzeit EQ (K − ST )+ |Fτ 5 ARBITRAGETHEORIE IN STETIGER ZEIT 36 Stoppzeit τ : zufälliger Zeitpunkt, der mit der Informationsstruktur (Filtrierung) verträglich ist (kein In-die-Zukunft-sehen) D.h. Preis = Supremum der Preise von europäischen Puts, die zum zufälligen Zeitpunkt τ ≤ T fällig sind. Theorie ⇒ St2 = p(T − t, St1 ), wobei p stetig, p(τ, x) ≥ (K − x)+ , p(0, x) = (K − x)+ , 1 −∂1 p(τ, x) + rx∂2 p(τ, x) + x2 σ 2 ∂22 p(τ, x) − rp(τ, x) = 0 2 + falls p(τ, x) > (K − x) Bemerkung Im Fall r ≥ 0, keine Dividende lohnt sich vorzeitiges Ausüben beim amerikanischen Call nicht, d.h. die Preise von europäischen und dem amerikanischen Call stimmen überein. 6 AUSBLICK: UNVOLLSTÄNDIGE MÄRKTE 6 Ausblick: unvollständige Märkte 37 Problem der unvollständigen Märkte: • keine Duplikationsstrategie, d.h. kein perfektes Hedging und daher auch • keine eindeutigen Optionspreise 6.1 Bewertung Eine unter vielen möglichen Auswegen: 1. Stelle parametrisches Modell unter dem (unbekannten, aber noch Fundamentalsatz existierenden) ÄMM Q auf. 2. Bestimme die unbekannten Parameter durch Gleichsetzen der theoretischen Optionspreise EQ ((ST1 − K)+ ) mit den am Markt beobachteten Preise von Standardoptionen. (Kalibrieren) 3. Bewerte mit Hilfe dieses Maßes dann z.B. nicht gehandelte Derivate. Problem • Neue Preise hängen mitunter stark von der parametrischen Modellklasse ab. Ist diese tatsächlich angemessen? • Die neuen Preise weisen keinen Bezug zu Hedgingstrategien auf. 6.2 Hedging Approximiere Option so gut wie möglich, z.B. im quadratischen Sinne: min E (VT (φ) − X)2 φ φ ist dann die bestapproximierende Strategie für die Option X. 7 ZINSMODELLE 7 38 Zinsmodelle 7.1 Zugrunde liegende Wertpapiere a) Geldmarktkonto Rt St0 = exp( 0 rs ds) wobei rt stochastisch b) für jedes T ≥ 0 eine Nullkuponanleihe mit Fälligkeit T (T -Bond): (pTt )t∈[0,T ] mit pTT = 1 Fragen • konkretes Modell für pTt , rt • Bewertung, Hedging von Zinsderivaten 7.2 Verschiedene Zinsen 7.2.1 rt augenblicklicher kurzfristiger Zins 7.2.2 LS,T t einfacher Zins für [S, T ], ausgehandelt bei t (LIBOR-Forward-Rate) 1 + (T − S)LS,T = t pSt pTt Begründung Zeit Ertrag = −Kosten Portfolio pS t pT t T -Bonds pSt − t Verkauf: 1 S-Bond, Kauf: S S-Bond wird fällig. −1e T T -Bond wird fällig. pS t e pT t pS t pTt pT t 7.2.3 RtS,T stetiger Zins für [S, T ], ausgehandelt bei t S,T eRt = pSt pTt mit Zinseszins = 0e 7 ZINSMODELLE 39 7.2.4 ftT augenblickliche Forward-Rate für T , ausgehandelt bei t (Zins für eine Anlage von T bis T + dt) ftT = lim RtT,T + = − →0 d log pTt dT log pTt − log pSt ) T −S t Arbitragefreiheit ⇒ rt = ft , d.h. kurzfristiger Zins ist durch Nullkuponanleihen festgelegt. (denn RtS,T = − 7.2.5 Zusammenhang St0 t Z = exp rs ds 0 pTt Z = exp − T fts ds t 7.3 Verschiedene Zinspapiere 7.3.1 Kuponanleihe • Fixed coupon bond mit Nennwert 1 1 + rδ rδ rδ rδ - Zeit T1 fairer Preis pt für t ≤ T1 : T3 · · · Tn T2 pt = pTt n + n X rδpTt i i=1 Begründung Duplizieren des Zahlungsstroms durch Portfolio Zeit Portfolio Ertrag = −Kosten t Kaufe rδ Ti -Bonds, für i = 1, .., n − 1 und rδ + 1 Tn -Bonds. − T1 .. . T1 -Bond wird fällig. .. . rδ .. . Tn−1 Tn Tn−1 -Bond wird fällig. Tn−1 -Bond wird fällig. rδ rδ + 1 n X rδpTt i − pTt n i=1 7 ZINSMODELLE 40 • Floating rate bond mit Nennwert 1 T 1 + LTn−1 n−1 ,Tn δ LTT11 ,T2 δ LTT22 ,T3 δ 0 - Zeit T0 T2 · · · Tn T1 fairer Preis pt für t ≤ T0 : pt = pTt 0 Begründung duplizierendes Portfolio Zeit Portfolio Ertrag = −Kosten t T0 Kaufe einen T0 -Bond T0 -Bond wird fällig, −pTt 0 1 − T11 pTT10 = 0e kaufe T1 T pT1 0 1 T pT2 T1 -Bonds. 1 .. . Tn−1 -Bond wird fällig; kaufe pT 0 T1 -Bonds. T1 -Bond wird fällig; kaufe .. . Tn−1 1 1 n pT T Tn -Bonds. 1 T2 T p pT2 T1 0 1 = LTT00 ,T1 (T1 − 1 T pT1 − .. . 1 −1 T pTn−1 n−2 T ,Tn−1 = LTn−2 (Tn−1 n−2 n−1 Tn Tn -Bonds werden fällig. T0 ) 1 n pT T T = 1 + LTn−1 n−1 − Tn−2 ) ,Tn (Tn − Tn−1 ) n−1 7.3.2 Swaps Zeit: Auszahlung T1 = T0 + δ T2 = T1 + δ ... Tn = Tn−1 + δ LTT00 ,T1 δ −Rδ LTT11 ,T2 δ −Rδ ... ... n LTn−1 δ n−1 −Rδ T ,T Wähle Swaprate R so, dass Vertrag bei Abschluss t ≤ T0 nichts kostet. pTt 0 − pTt n faire Swaprate für t ≤ T0 : R = P δ ni=1 pTt i Begründung duplizierendes Portfolio: +1 floating rate bond −1 fixed rate bond. Wähle R so, dass Preisdifferenz = 0. 7 ZINSMODELLE 7.3.3 41 Bondoptionen Call- und Put-Optionen auf Anleihen: z.B. Auszahlung (pTT10 − K)+ bei T0 Bewertung/Hedging erfordert stochastisches Modell. (später) 7.3.4 Caps und Floors (hier: Cap) T1 = T0 + δ T2 = T1 + δ ... Tn = Tn−1 + δ (LTT00 ,T1 − R)+ δ caplet (LTT11 ,T2 − R)+ δ caplet ... n (LTn−1 − R)+ δ n−1 caplet Zeit Auszahlung T ,T R: Caprate Sei Sti Preis einer europäischen Put-Option auf einen Ti -Bond mit Fälligkeit Ti−1 und + 1 1 Basispreis 1+δR , d.h. STi i−1 = 1+δR − pTTii−1 . fairer Preis Ct des Caps für t ≤ T0 : Ct = (1 + δR) n X Stj j=1 Begründung duplizierendes Portfolio Zeit Portfolio Ertrag = −Kosten t0 Kauf: je 1 + δR Put-Optionen S 1 , . . . , S n −(1 + δR) T0 Optionen S 1 werden fällig; T1 + 1 T1 -Bonds. kaufe 1+δR T1 1+δR − pT0 + 1 (1 + δR) 1+δR − pTT10 T1 + T1 1 pT0 − 1+δR T1 1+δR − pT0 pT 0 pT j j=1 St Pn 0 = 0e T1 Optionen S 2 werden fällig; T1 -Bonds werden fällig; T2 + 1 kaufe 1+δR T2 -Bonds. T2 1+δR − pT1 pT 1 T2 ... Tn−1 ebenso Tn Tn -Bonds werden fällig. ( ((( + (1(( (1+δR − pTT21 (1( +( δR) ( ( T1 + 1 + 1+δR T 1+δR − pT0 pT1 0 +(T( T2 ( 1 − 1+δR −(p( pT21 T2 (1+δR ((( T1 pT( (( 1 = (LTT00 ,T1 − R)+ δ 1+δR n pT T n−1 1 1+δR T = (LTn−1 n−1 − pTTnn−1 ,Tn + − R)+ δ Umgekehrt folgt analog: Mit Caplets kann man Bond-Optionen duplizieren; der faire Preis der Optionen (K − pTT10 )+ und (LTT00 ,T1 δK − K + 1)+ stimmen überein. 7 ZINSMODELLE 7.3.5 42 Swaptions Call-Optionen auf die Rate r des Swaps pTt 0 − pTt n − n X rδpTt i i=1 =δ n X T pTt i (Lt i−1 ,Ti − r) i=1 Auszahlung bei T0 z. B. δ n X !+ T pTTi0 (LTi−1 0 ,Ti − r) = 1 − pTTn0 − n X !+ rδpTTi0 = δ(R − r)+ i=1 i=1 wobei R = n 1−pT T0 Pn T δ i=1 pTi n X pTTi0 , i=1 faire Swaprate bei T0 (vgl. 7.3.2) 0 Bewertung/Hedging von Swaptions erfordert stochastisches Modell. 7.4 Aspekte der Zinsmodellierung 1. Modellierung unter objektivem Maß P , unter risikolosem Maß der Arbitragetheorie Q (bzg. eines Numeraires) oder unter P und Q? 2. Was wird zunächst bzw. durch einfache Gleichungen modelliert? • kurzfristiger Zins rt • alle Forward-Raten Short-Rate-Modelle ftT • LIBOR-Forward-Raten • Swap-Raten Heath-Jarrow-Morton LS,T t LIBOR-Marktmodelle Swap-Marktmodelle 3. Was wird als Numeraire für das risikoneutrale Maß gewählt? • Geldmarktkonto • T -Bond • kurzfristige Anlage aus nächstfälliger Anleihe • Summe von T -Bonds 4. Diskrete oder stetige Struktur, d. h. endlich oder unendlich viele Wertpapiere? 5. Zahl und Bedeutung der Faktoren (etwa der Brownschen Bewegungen in den stochastischen Differentialgleichungen)? 6. Modellierung mit deterministischer/stochastischer Volatilität, stetigen/unstetigen Treiberprozessen usw.? wünschenswert: geschlossene Formeln für Bonds und Standardoptionen, z. B. damit Kalibrierung nicht zu rechenaufwendig (vgl. 6.1) 7 7.5 ZINSMODELLE 43 Numeraireansatz zur Bwertung von Zinsoptionen Viele Optionen (Bondoptionen, Caplets, Swaptions) haben eine Auszahlung der Form CT = (VT1 − KVT2 )+ = VT1 1D − KVT2 1D , wobei V 1 , V 2 Bondportfolios sind und D := {VT1 > KVT2 }. Sei P1 das äquivalente Martingalmaß der Arbitragetheorie bzgl. des Numeraires V 1 (analog P2 für V 2 ). ⇒ fairer Preis von X := VT1 1D zur Zeit t ist Vt1 EP1 ( VX1 |Ft ) = Vt1 P1 (D|Ft ), T fairer Preis von Y := KVT2 1D zur Zeit t ist Vt2 EP2 ( VY2 |Ft ) = KVt2 P2 (D|Ft ). T ⇒ fairer Preis von CT ist V1 V1 T T Ct = VT1 P1 ( VT2 > K|Ft ) − KVt2 P2 ( VT2 > K|Ft ). Man erhält explizite Preisformeln, falls die Verteilung von VT1 /VT2 unter P1 und P2 explizit bekannt ist (z. B. Lognormalverteilung). 8 SHORT-RATE-MODELLE 8 44 Short-Rate-Modelle 8.1 Allgemeines Modell Sei Q das äquivalente Martingalmaß des Marktes bzgl. St0 = exp( Modell für kurzfristigen Zins r unter Q: Rt 0 rs ds). drr = bt dt + σt dWt , wobei bt , σt stochastiche Prozesse, W RSBB unter Q T ⇒ pTt = St0 EQ ( S10 |Ft ) = EQ (exp(− t rs ds)|Fs ) T 8.2 Affine Zinsstruktur Hätten gern: explizite Formel für pTt , etwa pTt = exp(−G(t, T ) − H(t, T )rt ) (affine Zinsstruktur) mit deterministischen G, H. Oder allgemeiner: pTt = exp(−G(t, T ) − H1 (t, T )Xt1 − · · · − Hn (t, T )Xtn ) mit gegebenen stochastischen Prozessen X 1 , . . . , X n (affine Mehrfaktormodelle) Zum Rechnen schön: rt (bzw. Xt1 , . . . , Xtn )) normalverteilt ⇒ pTt lognormalverteilt ⇒ Black-Scholes-Formel für Bondoptionen 8.3 Beispiele affiner Short-Rate-Modelle 1. Vasiček (1977): drt = (b + βrt ) + σdWt mit b, β, σ deterministisch 2. Cox-Ingersoll-Ross (1985): drt = (b + βrt )dt + σ mit b, β, σ deterministisch p r(t)dWt 3. Ho-Lee (1986): drt = b(t)dt + σdWt mit b(t), σ deterministisch 4. Hull-White (erweitertes Vasiček, 1990): drt = (b(t) + β(t)rt )dt + σ(t)dWt mit b(t), β(t), σ(t) deterministisch p 5. Hull-White (erweitertes CIR, 1990): dr(t) = (b(t)+β(t)rt )dt+σ(t) r(t)dWt mit b(t), β(t), σ(t) deterministisch 8.4 Allgemeines affines Short-Rate-Modell drt = (b(t) + β(t)rt )dt + Dann pTt p a(t) + α(t)rt dWt = exp(−G(t, T ) − H(t, T )rt ) mit G(T, T ) = 0 = H(T, T ), ∂t G(t, T ) = ∂t H(t, T ) = 1 a(t)H 2 (t, T ) − b(t)H(t, T ) 2 1 α(t)H 2 (t, T ) − β(t)H(t, T ) − 1 2 8 SHORT-RATE-MODELLE 45 Begründung Rt Setze Mt = exp(− 0 rs ds − G(t, T ) − H(t, T )rt ) Itô-Formel für f (x) = ex : dMt = Mt − rt dt − ∂t G(t, T )dt − H(t, T )drt 1 2 − ∂t H(t, T )rt dt + 2 H (t, T )d[r, r]t = Mt − 1 − H(t, T )β(t) − ∂t H(t, T ) + 12 H 2 (t, T )α(t) rt dt + − ∂t G(t, T ) − b(t)H(t, T ) + 12 a(t)H 2 (t, T ) dt 1p a(t) + α(t)rt dWt + 2 p = 21 Mt a(t) + α(t)rt dWt ⇒ M ist Q-Martingal mit MT = 1 = ⇒ Mt = pT t St0 pT T ST0 für t ∈ [0, T ]. Forward-Raten: ftT = g(t, T ) + h(t, T )rt mit g(t, T ) = ∂T G(t, T ) h(t, T ) = ∂T H(t, T ) Insbesondere dftT 8.5 = ∂t g(t, T )dt + ∂t h(t, T )rt dt + h(t, T )drt p = . . . dt + h(t, T ) a(t) + α(t)rt dWt Vasiček drt = (b + βrt )dt + σdWt ⇒ r ist Ornstein-Uhlenbeck-Prozess, insbesondere Gaußscher Prozess, H(t, T ) = G(t, T ) = eβ(T −t) − 1 , β σ 2 (4eβ(T −t) − e2β(T −t) − 2β(T − t) − 3) 4β 3 eβ(T −t) − 1 − β(T − t) , +b β2 dftT = . . . dt + σeβ(T −t) dWt • Vorteil: deterministische Koeffizienten ⇒ rt normalverteilt, T -Bonds lognormalverteilt ⇒ explizite (Black-Scholes-)Formeln für Bondoptionen usw. • Nachteil: negative Zinsen möglich 8 8.6 SHORT-RATE-MODELLE 46 Cox-Ingersoll-Ross drt = (b + βrt )dt + √ rt dWt , r≥0 ⇒ H(t, T ) = 2(eγ(T −t) − 1) (γ − β)(eγ(T −t) − 1) + 2γ mit γ = 2γe(γ−β)(T −t)/2 2b G(t, T ) = − 2 log σ (γ − β)(eγ(T −t) − 1) + 2γ 8.7 p β 2 + 2σ 2 , ! Ho-Lee drt = b(t)dt + σdWt ⇒ r ist Gaußscher Prozess, H(t, T ) = T − t, G(t, T ) = − σ2 (T − t)3 + 6 Z T b(s)(T − s)ds, t dftT = . . . dt + σdWt 8.8 Hull-White (erweitertes Vasiček) drt = (b(t) + βrt )dt + σdWt hier: β, σ konstant ⇒ r ist Gaußscher Prozess, eβ(T −t) − 1 , β Z Z T σ2 T 2 G(t, T ) = − H (s, T )ds + b(s)H(s, T )ds. 2 t t H(t, T ) = b(T ) wird an die beobachteten Forward-Raten f0T kalibriert. dftT = . . . dt + σeβ(T −t) dWt 8.9 Ein affines Zwei-Faktor-Modell drt = −λ(rt − mt )dt + σ1 dWt1 + σ2 dWt2 , dmt = b(t)dt + σ1 dWt1 , wobei λ, σ1 , σ2 , b(t) deterministisch, W 1 , W 2 unabhängige Q-SBB 8 SHORT-RATE-MODELLE 47 Dann pTt = exp(−G(t, T ) − H(t, T )rt − K(t, T )mt ) mit 1 − e−λ(T −t) , λ 1 − e−λ(T −t) K(t, T ) = T − t − , λ G(T, T ) = 0, 1 1 ∂t G(t, T ) = −K(t, T )b(t) + (H(t, T ) + K(t, T ))2 σ12 + H 2 (t, T )σ22 2 2 H(t, T ) = dftT = ∂T G(t, T ) + e−λ(T −t) rt + (1 − e−λ(T −t) )mt dftT = . . . dt + σ1 dWt1 + σ2 e−λ(T −t) dWt2 Begründung Rt Setze Mt = exp(− 0 rs ds − G(t, T ) − H(t, T )rt − K(t, T )mt ) Analog 8.4 folgt: M ist ein Martingal mit MT = ⇒ Mt = pT t St0 für t ∈ [0, T ] Auch hier sind rt , ftT , log pTt Gaußsche Prozesse. pT T ST0 9 HEATH-JARROW-MORTON 9 48 Heath-Jarrow-Morton 9.1 Ansatz Modellierung der ganzen Forward-Rate-Kurve ftT , T ≥ 0 dftT = αtT dt + σtT dWt mit stochastischen Prozessen (αtT )t≥0 , (σtT )t≥0 und Standard-Brownscher Bewegung (Wt )t≥0 (bzw. Mehrfaktormodell: W, σ mehrdimensional, d.h. dftT = αtT dt + n X σtT,i dWti ; i=1 hier nur Einfaktormodelle) Modellbildung Wahl von σtT und αtT Beispiele 1. σtT = σ deterministisch und konstant (Hoo-Lee-Modell, vgl. 8.7) 2. σtT = σe−λ(T −t) deterministisch (Vasiček/Hull-White-Modell, vgl. 8.8) 3. Zweifaktormodell (vgl. 8.9): σtT,1 σtT,2 = σ̄1 σ̄2 e−λ(T −t) Fragen • Dynamik von pTt , rt unter P und ÄMM Q? Arbitragefreiheit? • Bewertung/Hedging von Bond-Optionen? 9.2 Satz 1. dpTt = pTt rt + mit ATt Z := − ATt 1 T 2 T + (Σt ) dt + Σt dWt 2 T αts ds; ΣTt Z := − t T Σst ds. t 2. drt = (f 0 )tt + αtt dt + σtt dWt mit (f 0 )Tt := ∂ T f ∂T t 9 HEATH-JARROW-MORTON Begründung 49 1. Z log pTt T − = t Z T − = fs ds Z t Z t s s s f0 + αu du + σu dWs ds t Fubini = − Z 0 T f0s Z f0s αus dsdu t Z tZ T σus dsdWu + 0 T αus dsdu 0 Z tZ T − + σus dsdWu 0 0 u 0 u Z t Z tZ t Z tZ t + f0s + αus dsdu + σus dsdWu 0 0 u 0 u Z t Z t Fubini = log pT0 + ATu du + ΣTu dWu 0 0 Z t Z tZ s Z tZ s s s + f0 ds + αu duds + σus dWu ds 0 0 0 0 0 Z t Z t = log pT0 + (fss ATs )ds + ΣTs dWs 0 Z 0t Z t T + T T = p0 exp (rs As )ds + Σs dWs 0 0 Z · Z · 1 T 2 Itô T T T Σs dWs = p0 E rs + As + (Σs ) ds + 2 0 0 t − = ⇒ pTt T Z tZ T + 0 t 0 Z tZ 2. Z T (f 0 )st ds t Ableiten 0 0 ⇒ (f )t ftT − ftt Z t Z t T T = f0 + αs ds + σsT dWs 0 0 Z t Z t −f0t − αst ds − σst dWs 0 0 Z tZ T Z tZ T T t 0 u = f0 − f0 + (α )s duds + (σ 0 )us dudWs 0 t 0 t Z TZ t Z TZ t Fubini = f0T − f0t + (α0 )us dsdu + (σ 0 )us dWs du t 0 t 0 Z T Z t Z t 0 u 0 u 0 u (f )0 + (α )s ds + (σ )s dWs du = t 0 0 Z t Z t (α0 )us ds + (σ 0 )us dWs (?) = (f 0 )u0 + = 0 0 9 HEATH-JARROW-MORTON rt = ftt Z t + αst ds Z t + σst dWs 0 0 Z t Z t Z t Z t t s 0 u s 0 u = f0 + αs + (α )s du ds + σs + (σ )s du dWs 0 s 0 s Z t Z t Z tZ u Fubini 0 s s = (f )0 ds + αs ds + (α0 )us dsdu + 0 0 0 0 Z t Z tZ u s σs ds + (σ 0 )us dsdu + f00 0 0 0 Z s Z t Z s s 0 S 0 s 0 s = αs + (f )0 + (α )u du + (σ )u dWu ds 0 0 0 Z t + σss dWs + r0 0 Z t Z t (?) s 0 s = (αs + (f )s )ds + σss dWs + r0 = f0t 50 0 9.3 0 Arbitragefreiheit Faustregel Außer dem Numeraire können höchstens ebenso viele Wertpapiere unabhängig modelliert werden, wie es „Zufallsquellen“ (hier: Brownsche Bewegungen) gibt, wenn man Arbitragefreiheit möchte. Für Vollständigkeit benötigt man in der Regel mindestens so viele Wertpapiere (außer S 0 ) wie Zufallsquellen. hier: 1 Brownsche Bewegung, ∞ viele T -Bonds ⇒ Konsistenzbedingung nötig Satz 1. Der Markt ist (nur dann) arbitragefrei, falls AT + 12 (ΣTt )2 Ht := t ΣTt αT oder Ht := Tt − ΣTt σt nicht von T abhängt. (HJM-Driftbedingung) 2. In diesem Fall ist er vollständig. 3. Sei Q das zugehörige äquivalente Martingalmaß (für die diskontierten T -Bonds pT pbTt = St0 ). t R ft := Wt − t Hs ds gilt: Für die Q-Standard-Brownsche Bewegung W 0 dftT dpTt drt ft = −σtT ΣTt dt + σtT dW ft ) = pTt (rt dt + ΣTt dW ft = (f 0 )tt − σtt Σtt dt + σtt dW 9 HEATH-JARROW-MORTON 51 Begründung 1. Sei Q ÄMM ft := Wt − Girsanow ⇒ W einen Prozess H. Rt 0 Hs ds ist Q-Standard-Brownsche Bewegung für db pTt = d partielle Integration = 1 T p St0 t pTt d 1 1 + 0 dpTt + 0 St St 1 T d 0 , pt St | {z } 1 =0, da S 0 vorherseht bar, von endl. Variation Z t 1 1 1 = exp − r ds ⇒ d 0 = −rt 0 dt s St0 S S 0 t t dpTt ⇒ db pTt 1 T 2 T = rt + + (Σt ) dt + Σt dWt 2 1 T 2 T T f T T = pt rt + At + (Σt ) + Ht Σt dt + Σt dWt 2 1 T 2 T T T T f = pbt At + (Σt ) + Ht Σt dt + Σt dWt 2 pTt ATt Q-Martingal, falls Drift = ATt + 12 (ΣTt )2 + Ht ΣTt = 0 2. ähnlich wie im Black-Scholes-Modell 3. Ableiten ⇒ d dT 0 = ATt 1 + (ΣTt )2 + Ht ΣTt 2 = αtT + σtT ΣTt + Ht σtT dftT = pTt αtT dt + σtT dWt = ft (αtT + σtT Ht )dt + σtT dW (?) ft −σtT ΣTt dt + σtT dW (rt + ATt | = pTt (rt dt drt = = = (?) = = dpTt + 1 ft + (ΣTt )2 + Ht ΣTt )dt + ΣTt dW 2 {z } =0 ft ) ΣTt dW (f 0 )tt + αtt dt + σtt dWt ft (f 0 )tt + αtt + σtt Ht dt + σtt dW ft (f 0 )tt − σtt Σtt dt + σtt dW 9 HEATH-JARROW-MORTON 9.4 52 Beispiel: Vasiček/Hull-White-Modell unter ÄMM Q (vgl. 8.8) σtT = σe−λ(T −t) Also ΣTt Z T = − σts ds = t dftT dpTt drt σ −λ(T −t) e −1 λ 1 − e−λ(T −t) −λ(T −t) ft e dt + σe−λ(T −t) dW λ σ −λ(T −t) T f = pt rt dt + e − 1 dWt λ ft = (f 0 )tt dt + σdW = σ Satz 1. ftT = g(t, T ) + h(t, T )rt mit g(t, T ) = f0T + e−λ(T −t) f0t + σ2 2 1− e−λ(T −t) !2 λ h(t, T ) = −e−λ(T −t) (affine Zinsstruktur) 2. pTt = exp(−G(t, T ) − H(t, T )rt ) mit Z T G(t, T ) = g(t, s)ds t Z H(t, T ) = T h(t, s)ds t (affine Zinsstruktur) 3. ft drt = (f 0 )t0 + λ(f0t − rt ) + σdW Im Fall f0t = σ 2 + c e−λt ist dies ft . drt = λ(σ 2 − rt )dt + σdW (Ornstein-Uhlenbeck-Prozess). − 1− e−λT λ 2 9 HEATH-JARROW-MORTON 53 Begründung 3. rt = ftT = ⇒ (f 0 )Tt = ⇒ (f 0 )tt = Z t − e−λ(t−s) −λ(t−s) fs = + σ e ds + σe−λ(t−s) dW λ 0 0 Z t Z t −λ(T −s) 21 − e −λ(T −s) T fs σ e ds + σe−λ(T −s) dW f0 + λ 0 0 Z t Z t fs (f 0 )T0 − σ 2 (1 − e−λ(T −s) )e−λ(T −s) ds − λ σe−λ(T −s) dW 0 0 Z t Z t 2 −λ(t−s) −λ(t−s) 0 t fs σ (1 − e )e ds − λ σe−λ(t−s) dW (f )0 − ftt Z f0t t 21 0 0 = −λrt + (f 0 )t0 − λf0t 1. g(0, T ) + h(0, T )r0 = f0T + e−λT f00 + 0 − e−λT r0 = f0T d(g(t, T ) + h(t, T )rt ) = λe−λ(T −t) f0t dt + e−λ(T −t) (f 0 )t0 dt 1 − e−λ(T −t) −λ(T −t) e dt λ +e−λ(T −t) drt +σ 2 −λe−λ(T −t) rt dt 1 − e−λ(T −t) t 0 = e−λ(T −t) λf (f )t0 + σ 2 0 + λ t 0 t f λf0 + λrt − λrt dt + σdWt (f )0 − − 2. pTt Z = exp − t 9.5 T fts ds Z T Z g(t, s)ds − = exp t T h(t, s)ds rt t Bewertung/Hedging von Bond-Optionen Satz Voraussetzung: σtT sei deterministisch. Betrachte europäischen Call auf pT1 mit Fälligkeit T0 und Basispreis K, d.h. Auszahlung (pTT10 − K)+ bei T0 . Für dessen fairen Preisprozess S 2 gilt für t ≤ T0 : R T1 T0 1 T0 T T 2 1 0 log(pt /Kpt ) + 2 t (Σs − Σs ) ds qR St2 = pTt 1 Φ T0 T1 T0 2 t (Σs − Σs ) ds R T1 T0 1 T0 T T 2 1 0 log(pt /Kpt ) − 2 t (Σs − Σs ) ds . qR −KpTt 0 Φ T0 T1 T0 2 t (Σs − Σs ) ds 9 HEATH-JARROW-MORTON 54 Die Option wird dupliziert durch ein Portfolio φt = (φTt 0 , φTt 1 ) aus T0 - und T1 -Bonds, wobei R T1 T0 1 T0 T1 − ΣT0 )2 ds (Σ log(p /Kp ) + s s t 2 t , qRt φTt 1 = Φ T0 T1 T0 2 t (Σs − Σs ) ds R T1 T0 1 T0 T T 2 1 0 log(pt /Kpt ) − 2 t (Σs − Σs ) ds . qR φTt 0 = −KΦ T0 T1 T0 2 t (Σs − Σs ) ds Begründung ähnlich der Black-Scholes-Formel, aber aufwendiger: 1. Schritt: Numerairewechsel Zeige T T1 2 0 St = pt EQT1 1{pT1 ≥K} Ft − Kpt EQT0 1{pT1 ≥K} Ft , T0 T0 wobei QT das T -Forwardmaß bezeichnet. Das ist das eindeutige ÄMM, wenn statt des Geldmarktkontos S 0 der T -Bond pT als Numeraire verwendet wird. Es gilt: T dQ 1 E Ft = 0 T . dQ S t p0 2. Schritt Zeige für die nach den neuen Numeraires abgezinsten Nullkuponanleihen: d pTt 1 pTt 0 = pTt 1 pTt 0 (ΣTt 1 − ΣTt 0 )dWt0 für eine QT0 -Standard-Brownsche Bewegung W 0 . ⇒ pTT10 pTT00 = pTt 1 pTt 0 Z exp T0 (ΣTs 1 ΣTs 0 )dWs0 Z T0 (ΣTs 1 ΣTs 0 )2 ds (ΣTs 1 ΣTs 0 )2 ds − − − t | {z } | {z } zur Zeit t bekannt normalverteilt unter QT0 t Analog: d pTt 1 pTt 0 = pTt 1 pTt 0 (ΣTt 1 − ΣTt 0 )dWt1 für eine QT1 -Standard-Brownsche Bewegung W 1 ⇒ pTT10 pTT00 = pTt 1 pTt 0 Z exp T0 (ΣTs 1 ΣTs 0 )dWs1 Z T0 − − − |t {z } |t {z } T 1 zur Zeit t bekannt normalverteilt unter Q 9 HEATH-JARROW-MORTON 55 Beachte ferner pTT10 ≥ K ⇔ pTT10 ≥ K ⇔ pTT10 pTT00 pTT00 pTT10 ≥K ≤ 1 K Dann ähnliche Argumentation wie im Black-Scholes-Modell. 9.5.1 Beispiel: Vasiček/Hull-White-Modell 8.8 Bestimmt werden muss lediglich Z T0 (ΣTs 1 − ΣTs 0 )2 ds = σ 2 t 1 − e−λ(T1 −T0 ) λ !2 1 − e−2λ(T0 −t) . 2λ σ, λ werden z.B. aus den Daten geschätzt. 9.5.2 Zweifaktormodell 8.9 Definiere ΣT,1 t ΣT,2 t Z := − t T −σ̄1 (T − t) σsT,1 ds = −λ(T −t) σsT,2 −σ̄2 1−e λ Obiger Satz gilt entsprechend mit Z T (ΣTs 1 ,1 − ΣTs 0 ,1 )2 + (ΣTs 1 ,2 − ΣTs 0 ,2 )2 ds t −λ(T1 −T0 ) 2 1 − e−2λ(T0 −t) 2 2 2 1−e . = σ̄1 (T1 − T0 ) (T0 − t) + σ̄2 λ 2λ 10 LIBOR-MARKTMODELLE 10 56 LIBOR-Marktmodelle 10.1 Neue Aspekte • LIBOR wird unter geeignetem Maß lognormal ⇒ Black-Formal für Caplets anwendbar (= ˆ Black-Scholes-Formel mit LIBOR als Underlying) Aber: Explizite Formeln hat man auch in Gaußschen Short-Rate-/HJM-Modellen. • Modellierung von nur endlich vielen statt unendlich vieler Anleihen ⇒ Kalibrierung einfacher • T -Bond statt Geldmarktkonto als Numeraire verwendet (da rt gar nicht unbedingt definiert) Vergleich 1 + (T − S)LS,T = t pSt pTt LS,T ist lognormal in lognormalen LIBOR-Marktmodellen, t hingegen ist pSt /pTt lognormal in Gausßschen HJM-Modellen (jeweils unter dem T -Forwardmaß) 10.2 Diskretes lognormales LIBOR-Marktmodell Gegeben: Ti = iδ, i = 0, . . . , M T Wollen: Modell für LIBOR-Forwardraten Lt i−1 ,Ti , i = 1, . . . , M Gegeben: • deterministische Funktionen λi (t), t ∈ [0, Ti−1 ], i = 1, . . . , M (Volatilität von LTi−1 ,Ti ) • positive, in i fallende Anfangspreise pT0 i , i = 0, . . . , M T p i−1 T ,T ⇔ positive LIBOR-Forwardraten L0 i−1 i = 1δ 0 Ti − 1 , i = 1, . . . , M p0 Exkurs Ti -Forwardmaß QTi : das Wahrscheinlichkeitsmaß, unter dem alle nach pTi diskontierten Preisprozesse Martingale sind (Existenz folgt aus Arbitragefreiheit und erstem Fundamentalsatz) Zusammenhang Numerairewechsel – Maßwechsel: Dichteprozess von QTi bzgl. QTj ist Zt = T T T T j pt i p0 pt j p0 i T Idee: Konstruiere nun induktiv Prozesse Lt i−1 T dLt i−1 ,Ti T = Lt i−1 ,Ti i λ (t)dWti . ,Ti mit Dynamik mit QTi -SBB W i ⇒ LTi−1 ,Ti ist lognormal-verteiltes Martingal unter QTi . 10 LIBOR-MARKTMODELLE 57 Motivation: • Martingalbedingung muss erfüllt sein, da pTi LTi−1 ,Ti = 1δ (pTi−1 − pTi ) handelbares Wertpapier. • Lognormalität ist wünschenswert für Black-Scholes-Formel. Achtung: LTi−1 ,Ti ist weder lognormal noch Martingal unter QTj für j 6= i. 10.3 Bewertung von Caplets T Satz Betrachte Caplet mit Auszahlung CTi = (LTi−1 i−1 dessen fairen Preis Ct für t < Ti gilt Ct = ,Ti − R)+ δ zur Zeit Ti . Für RT T ,T log(Lt i−1 i /R) + 12 t i−1 (λi (s))2 ds qR Φ Ti−1 i (λ (s))2 ds t RT ! T ,T log(Lt i−1 i /R) − 12 t i−1 (λi (s))2 ds qR . − RΦ Ti−1 i 2 ds (λ (s)) t δpTt i Begründung T ,Ti − R)+ δpTTii |Ft ). Fairer Preis ist Ct = pTt i EQTi ((LTi−1 i−1 T pTTii = 1 und LTi−1 i−1 ,Ti ist lognormalverteilt unter QTi mit Erwartungswert 0 sowie T ,Ti VarQTi (LTi−1 |Ft ) i−1 Z = Ti−1 (λi (s))2 ds t ⇒ Situation wie bei Herleitung der Black-Scholes-Formel 11 GRAFIKEN 11 58 Grafiken 11.1 Marktmodelle und Daten −20 −40 −30 X(t) −10 0 Standard−Irrpfad 0 200 400 600 800 1000 8 10 t 0 −1 −2 W(t) 1 2 Standard−Brownsche Bewegung 0 2 4 6 t 11 GRAFIKEN 59 5.5 5.0 3.5 4.0 4.5 logarithmierter Index 6.0 6.5 DAX: Oktober 1959 − April 2001 0 2000 4000 6000 8000 10000 6000 8000 10000 6000 8000 10000 Handelstage 0.05 −0.05 −0.15 tägliche log−Renditen 0.10 0.15 DAX: Oktober 1959 − April 2001 0 2000 4000 0.05 −0.05 −0.15 tägliche log−Renditen 0.10 0.15 Simulation Handelstage 0 2000 4000 11 11.2 GRAFIKEN 60 Black-Scholes Europäischer Call mit Basispreis 1 50 40 fzei t 0.25 30 tlau 0.20 Res 20 is nspre Optio 0.15 10 0.10 0.05 0 0.00 0.9 1.0 1.1 1.2 Aktienpreis Europäischer Call mit Basispreis 1 0.04 0.03 rämie Zeitp 0.02 50 0.01 40 0.00 0.9 Re 20 1.0 Akt ien stla ufz eit 30 pre is 10 1.1 1.2 Zeitprämie := Optionspreis − Ausübungspreis 0 11 GRAFIKEN 61 0.15 0.10 0.00 0.05 Optionspreis 0.20 0.25 Callpreis für verschiedene Volatilitäten 0.8 0.9 1.0 1.1 1.2 Aktienpreis 0.03 0.02 0.00 0.01 Zeitprämie 0.04 0.05 Zeitprämie für verschiedene Volatilitäten 0.8 0.9 1.0 Aktienpreis Zeitprämie := Optionspreis − Ausübungspreis 1.1 1.2 GRAFIKEN 62 Duplikationsstrategie 50 40 30 tlauf zeit 1.0 Res 11 20 0.8 0.6 eil nant Aktie 10 0.4 0.2 0 0.0 0.9 1.0 1.1 Aktienpreis 1.2 11 GRAFIKEN 11.3 63 Vasiček-Zinsmodell 0.00 0.02 0.04 Zinssatz 0.06 0.08 0.10 Kurzfristiger Zins als Funktion der Zeit 0 2 4 6 8 10 8 10 Zeit in Jahren 0.6 0.4 0.0 0.2 Anleihenpreis 0.8 1.0 Anleihe mit Fälligkeit in 10 Jahren 0 2 4 6 Zeit in Jahren Anleihenpreis pTt Zeit t Restlaufzeit T = 10 11 GRAFIKEN 64 0.6 0.4 0.0 0.2 Anleihenpreis 0.8 1.0 Anleihenpreise zum Zeitpunkt 0 0 2 4 6 8 10 8 10 Restlaufzeit in Jahren Anleihenpreis pTt Zeit t = 0 Restlaufzeit T 0.06 0.04 0.00 0.02 Forward Rate 0.08 0.10 Zinsstrukturkurve zum Zeitpunkt 0 0 2 4 6 Restlaufzeit in Jahren Forwardrate ftT Zeit t = 0 Restlaufzeit T 11 GRAFIKEN 65 Anleihenpreise 1.0 0.9 Anleihenp 0.8 0.7 reis 0.6 0.5 0.4 2 4 10 6 6 it ze s eit k llig Fä 8 8 Zeit 4 2 10 Anleihenpreis pTt Zeit t Fälligkeit T Anleihenpreise 1.0 0.9 Anleihenp 0.8 0.7 reis 0.6 0.5 0.4 2 4 10 Re 8 6 eit ufz a stl 6 8 4 2 10 Anleihenpreis pTt Zeit t Restlaufzeit T − t Zeit 11 GRAFIKEN 66 Zinsstrukturkurve 0.08 Forw 0.06 ard R 0.04 ate 0.02 0.00 10 8 it eitsze Fälligk 6 4 2 2 4 6 Zeit 8 10 Zinsstrukturkurve 10 8 Zeit 0.08 6 0.06 4 te a ard R Forw 0.04 2 0.02 0.00 2 4 6 Fälligkeitszeit Forwardrate ftT Zeit t Fälligkeit T 8 10 11 GRAFIKEN 67 Zinsstrukturkurve 0.08 Forw 0.06 ard R 0.04 ate 0.02 0.00 10 8 Restla 6 ufzeit 4 2 2 4 6 8 Zeit 10 Forwardrate ftT Zeit t Restlaufzeit T − t 0.06 0.04 0.02 0.00 Forward Rate 0.08 0.10 Zinsstrukturkurve als Funktion der Restlaufzeit 0 2 4 6 Restlaufzeit in Jahren 8 10 LITERATUR 68 Literatur [1] T. 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