Andreas Höcherl Big Data im Dialog-Marketing: Hype oder Chance? Wie sich Unternehmen dem Thema am besten nähern © Siegfried Vögele Institut, 2014 Big Data im Dialog-Marketing: Hype oder Chance? 1 Inhalt Seite 1. Management Summary 3 2. Big is beautiful? Big Data überall! 4 2.1 2.2 4 5 Big Data – was ist das eigentlich? (in aller Kürze) Big Data: Ein Dialog-Marketing-Thema? 3. Vor „Big Data“ steht „Small Data“ – oder: die Relevanz von CRM 6 4. Das lernende Unternehmen – etwas Kultur 7 5. Big Data im Dialog-Marketing 8 5.1 5.2 5.3 8 8 9 6. Datenqualität Geeignete Input-Daten für Big Data im Dialog-Marketing Praxis-Beispiele: Big Data im (Dialog-)Marketing Big Data: Was noch zu sagen bleibt Der Autor / das Siegfried Vögele Institut Big Data im Dialog-Marketing: Hype oder Chance? 10 12 2 1. Management Summary Am Hype-Thema „Big Data“ kommt derzeit niemand vorbei. Für Unternehmen geht es dabei um die Erlangung möglicher Wettbewerbsvorteile, die aus der Nutzung immenser, vor allem durch die Digitalisierung entstandener Datenmengen erwachsen können. Intelligente Analyse-Technologien sind hier der Schmierstoff. Für das Marketing und insbesondere Dialog-Marketing – als traditionell datengetriebene Disziplin – stellt sich die Frage: Welche Relevanz hat die Big-Data-Thematik und was ist zu beachten? Im Dialog-Marketing stehen wir mit dem Thema „Big Data“ zwar noch am Anfang, doch das birgt Chancen. Unternehmen, die Big Data in Angriff nehmen wollen, sollten sich zunächst mit ihren „Small Data“ vertraut machen: d. h. alle intern bereits vorliegenden Geschäfts- und Kundendaten zusammenführen, strukturieren und analysieren. Der CRM-Datenpool ist der für das Dialog-Marketing zweifelsohne relevanteste Teil davon. Das Management der Small Data ist also die berühmte „Hausaufgabe“, deren Erledigung allein oft schon Big-Data-nahe Erkenntnisse bringen wird. Um das zu bewerkstelligen, bedarf es einer Unternehmenskultur, welche die einzelnen Bereiche und Mitarbeiter vernetzt und implizites zu explizitem Wissen macht (Idealbild der lernenden Organisation). Das hört sich einfach an, ist es aber nicht. Zweifelsohne wäre in einem solchen Unternehmen die Erprobung von Big Data ein Leichtes und die notwendigen IT- und Personal-Investitionen – die oft als Hürde betrachtet werden – nur eine Formalie. Eine viel größere Herausforderung stellt indes die Datenqualität dar, von welcher die Analyse-Ergebnisse in höchstem Maße abhängen. Wenn Big Data im Dialog-Marketing erprobt wird, kann es die Erkenntnis-Möglichkeiten wegen der hohen Datenvielfalt sehr stark ausweiten. Je nach Branche können z. B. Customer-Journey-Daten aus dem Online- und Mobile-Marketing, mikrogeografische Informationen, Wetterdaten, Mediapläne oder Verkehrsdaten integriert werden. Big Data sollte im Dialog-Marketing also mehr sein als die bloße Integration von Daten aus dem Customer Relationship Management (CRM) mit Social-Media-Daten. Wirklich substanzielle Big-Data-Fallstudien aus dem Dialog-Marketing sind noch rar. Es werden drei aktuelle Fallbeispiele aus den USA und Japan angeführt, die jeweils auch unternehmensexterne Daten einbeziehen. Die Cases zeigen das große Potenzial auf, das Big Data für den Kundendialog perspektivisch haben kann. Letztlich hängt der Erfolg von Big Data im Dialog-Marketing von verschiedenen Rahmenbedingungen ab: Erstens ist Big Data als originäres IT-Thema in einen größeren Unternehmenskontext eingebunden (u. a. IT-Strategie). Zweitens setzen der Daten- und Verbraucherschutz dem Thema z. T. berechtigte Grenzen. Hier gibt es noch Regelungsbedarf. Drittens wird die intelligente Nutzung von Big Data neue Berufsbilder wie z. B. den „Data Scientist“ mit sich bringen, aber auch von etablierten Rollen ein neues Grundverständnis erfordern. Und zu guter Letzt wird es trotz des in unseren Tagen fast blinden Glaubens an alles vermeintlich Messbare künftig mehr denn je auf die menschliche Urteilskraft, Kreativität, Erfahrung und Fähigkeit ankommen, auch mit nicht unmittelbar Erklärbarem umgehen zu können. Big Data im Dialog-Marketing: Hype oder Chance? 3 2. Big is beautiful? Big Data überall! „Big Data“ ist in aller Munde und die Diskussionen über „Open Data“ erinnern an die Planungseuphorie im Deutschland der 1960er Jahre. Damals sorgte die technische Entwicklung für einen wahren Schub: Es gab die Vorstellung, Politik könne durch wissenschaftlich fundierte Vorausschau, den Rat der Experten und neue Rechenmaschinen bessere Planungen für Autobahnen, Städte oder Ausgaben realisieren. Die erste Ölkrise 1973 stoppte diese Planungskonjunktur. Auf dem Gartner Hype Cycle 20131 der neuen Technologien steht Big Data jedenfalls kurz vor dem Höhepunkt – dem so genannten „Gipfel der überzogenen Erwartungen“. In dieser Phase überstürzen sich die Berichte in der Presse, die Vorträge auf den Messen und die Angebote in der Beratungsindustrie. All dies erzeugt bei den möglichen (oft ratlosen) Nachfragern zuweilen einen übertriebenen Enthusiasmus sowie unrealistische Erwartungen, mit der Bewältigung der Big-Data-Herausforderung komme dann quasi automatisch die Erschließung von „Big Business“. So wird es oft suggeriert. Big Data drängt bereits ins Marketing: Die US-amerikanische Direct Marketing Association (DMA) hat sich längst in Richtung „Data-driven Marketing“ positioniert.2 Nicht ohne Grund: Denn effektives Dialog-Marketing hat das Ziel, den richtigen Kunden mit dem richtigen Angebot zur richtigen Zeit auf dem richtigen Kanal zu aktivieren. Genau hierzu bedarf es geeigneter Daten. Vor diesem Hintergrund ist die Frage berechtigt, welche Relevanz Big Data für das Dialog-Marketing hat und was dabei zu beachten ist. Im Folgenden wollen wir diese Frage beleuchten. 2.1 Big Data – was ist das eigentlich? (in aller Kürze) Der Begriff „Big Data“ bezeichnet große Datenmengen aus vielfältigen Quellen, die mit Hilfe neu entwickelter Methoden und Technologien erfasst, verteilt, gespeichert, durchsucht, analysiert und visualisiert werden können3. Oft werden die „3 V“ angeführt, um Big Data näher zu charakterisieren: Volume, Variety, Velocity. Diese drei V bieten Chancen und Herausforderungen zugleich: Volume (Datenmenge) Die Datenmenge steigt ständig. Jeden Tag werden 2,5 Exabyte an Daten generiert4 (1 Exabyte = 1 Milliarde Gigabyte). Die Daten werden zwischen Personen, zwischen Personen und Maschinen oder zwischen Maschinen ausgetauscht. Das Datenvolumen auf unserem Planeten verdoppelt sich alle zwei Jahre.5 Die Big-Data-Hypothese ist, dass diese großen unstrukturierten Datenmengen, sofern richtig selektiert und analysiert, ungeahnte Erkenntnis-Schätze in sich bergen. Diese Datenintelligenz könne zu Effizienz- und nicht zuletzt für Unternehmen zu Wettbewerbsvorteilen führen. Diese Suche nach den entscheidenden „Insights“ beschäftigt das Marketing im Übrigen von jeher – auch schon lange vor Big Data. 1 http://www.gartner.com/newsroom/id/2575515, 19.08.2013 http://thedma.org/ 3 Sabine Horvath: Aktueller Begriff – Big Data. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, 7. November 2013 4 Martin Hilbert, USC Annenberg School for Communication and Journalism 5 http://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article118099520/Datenvolumen-verdoppelt-sich-alle-zwei-Jahre.html, 16.07.2013 2 Big Data im Dialog-Marketing: Hype oder Chance? 4 Variety (Datenvielfalt) Auch die Vielfalt an Datenquellen und Datenformaten nimmt permanent zu. Sie geht nicht nur über traditionelle Datentypen wie Dokumente, Aktienkurse oder Transaktionsdaten hinaus. Wir haben es bei Big Data auch mit immer mehr unterschiedlichen Formaten zu tun: beispielsweise Texte aus Blogs/Foren/Communities, Fotos, Audio-/Video-Daten, 3D-Modelle, Simulationen verschiedenster Art, Geo-Daten oder mobile Bewegungsdaten, um nur einige zu nennen. Diese Daten sind aufgrund ihrer Heterogenität schwer zu kategorisieren, zu kombinieren und zu eichen. Sie lagern überdies oft in schwer erreichbaren Silos. Velocity (Geschwindigkeit) Hier geht es um den Umstand, dass der Datenstrom permanent und schnell fließt. Geschwindigkeit ist dann auch die Anforderung an die „Bewältigung“ dieser Datenströme – Stichwort „EchtzeitDatenanalyse“. Viele, vor allem seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts gewachsene ITSysteme sind auf diese Anforderungen kaum ausgelegt, so dass viele Daten aktuell eben nicht bewältigt und genutzt werden können. Big Data wurde übrigens schon lange vor dem so bezeichneten Hype genutzt: Süßwarenhersteller setzten z. B. Wetterdaten zur kurzfristigen Absatz-Prognose ein. Multipartner-Kundenkarten-Systeme wie Payback können ihren teilnehmenden Unternehmen fast endlose geodäsierte Daten und ShopperProfile für das Category Management und die Aktionsplanung liefern. Da nennt man es vergleichsweise unspektakulär „Data Mining“. 2.2 Big Data: Ein Dialog-Marketing-Thema? Der Begriff „Big Data“ stammt aus der Informationstechnologie (IT). Schließlich stellen die Erfassung, Strukturierung und Verarbeitung dieser nie dagewesenen Fülle an potenziell nutzbaren Daten große Herausforderungen an die IT-Infrastruktur des Anwenders. Tatsächlich zählt Big Data wie Cloud Computing, Mobility oder Social Media zu den universellen Fragestellungen, welche die IT-Entwicklung derzeit prägen und in den nächsten Jahren mitbestimmen werden. Somit schafft die IT-seitige Bewältigung der Big-Data-Herausforderung zunächst einmal nur die notwendige Voraussetzung für die Nutzung der Daten – z. B. im Rahmen des Dialog-Marketings. Der Technologie-Marktforscher IDC hat 2012 in einer bundesweiten Befragung von IT-Verantwortlichen in Unternehmen viele Anwendungsfälle diagnostiziert, die zum Teil auch für das Marketing sehr interessant sein dürften. Zu den meistgenannten Einsatz-Szenarien zählen Controlling, Finanzplanung und Budgetierung sowie Preis-Optimierung, Kundenrentabilität und Kundenverhalten, Vertriebssteuerung, Maschinen-Auslastung, Betrugserkennung, Wettbewerber-Analysen und Simulationen.6 Somit bleibt Big Data strukturell ein IT-Thema, das in der Anwendung aber Dialog-Marketing-relevant sein kann. Wir kennen dieses Phänomen aus den 90er Jahren, als das Thema „CRM“ (Customer Relationship Management) ebenfalls in der IT seinen Ausgang nahm, peu à peu zum Hype wurde und inzwischen fest im Marketing-Arsenal jedes professionell geführten Unternehmens integriert ist – mal besser, mal schlechter. 6 IDC-Studie: Big Data in Deutschland 2012 – Unternehmen stehen noch ganz am Anfang, http://idc.de/de/ueber-idc/presscenter/56528-idc-studie-big-data-in-deutschland-2012-unternehmen-stehen-noch-ganz-am-anfang, 19.10.2012 Big Data im Dialog-Marketing: Hype oder Chance? 5 Analog wird Big Data heute primär von IT-Beratungsfirmen, Infrastruktur-Anbietern und AnalyticsSpezialisten forciert, die für diese großen Herausforderungen natürlich die passende Lösung parat haben. Unter der Flagge „Big Data“ segeln viele Spieler auf dem Markt, und das mit z. T. sehr unterschiedlichem Begriffsverständnis. Klar ist nur: Auch Big Data ist ein Hype-geprägtes IT-Thema, das aber einen sehr großen Nutzen für das Dialog-Marketing haben kann. Und genau das rechtfertigt eine genauere Betrachtung. 3. Vor „Big Data“ steht „Small Data“ – oder: die Relevanz von CRM Dialog-Marketing ist per definitionem datenbasiertes Marketing: „Dialog-Marketing ist eine Form des Direktmarketings, die im Gegensatz zu anderer unspezifischer Werbung (…) gezielt auf die Interessen des (potentiellen) Kunden zugeschnittene Produkte und Dienstleistungen anbietet. (…) Ein wesentlicher Bestandteil des Dialog-Marketings sind umfangreiche Datenbanken mit personenbezogenen Daten der Zielpersonen, die bei jedem Kauf um weitere Informationen ergänzt und mit den Methoden des Data Minings ausgewertet werden.“7 Der letzte Teil dieser Definition stellt quasi in Idealform die Verbindung zwischen Dialog-Marketing und Big Data her: Der Vorläufer von Big Data im Dialog-Marketing ist das Customer Relationship Management (CRM). Im Dialog-Marketing wird unter Big Data oft die Kombination von CRM- mit Social-MediaDaten verstanden8 – eine Formel, die etwas zu kurz greift und das wahre Potenzial von Big Data unterschätzt. Big Data kann für das Dialog-Marketing weit mehr sein als nur die Integration von SocialMedia-Daten ins CRM-System („Social CRM“). Man denke nur an die gesamten Analytik-Daten aus dem Online-Marketing, die im Rahmen von Kampagnen generiert werden. „Small Data“ sind unternehmensinterne Daten – vor allem aus dem CRM Wie oben bereits beschrieben versteht man unter „Big Data“ also die neuen, vor allem im Zuge der Digitalisierung unseres Lebens entstehenden, ständig fließenden Datenströme. Im Gegensatz hierzu sprechen wir von „Small Data“, wenn es um CRM-Daten im weiteren Sinne geht. Dies können alle traditionell in der Kundendatenbank gespeicherten Daten sein sowie alle sonstigen potenziell kundenrelevanten Daten aus anderen internen Silos (z. B. aus dem Kundenservice), die noch nicht systematisch genutzt werden. Wegen ihrer relativen Menge zu den extern entstehenden Big Data der Makroebene nennen wir die Daten der unternehmensinternen Mikroebene einfach „Small Data“. Unzureichende Nutzung von „Small Data“ in Unternehmen Betrachtet man allein die Nutzung von Small Data im Marketing von Unternehmen, so gibt es oft noch viel zu tun. Eine 2013 durchgeführte Umfrage unter Marketing-Entscheidern deutscher Unternehmen zeigt beispielhaft, dass beim Thema CRM Anspruch und Wirklichkeit häufig weit auseinanderklaffen.9 7 8 9 http://de.wikipedia.org/wiki/Dialog-Marketing „Die Qualität ist das A und O“. Interview mit Jörg Meurer, Vorstand der Unternehmensberatung Keylens. Horizont, 24/2013, 13.06.2013 Lorscheid, P., Kratschmer, R., 2013: CRM im Spannungsfeld zwischen Theorie und Umsetzung. Ergebnisse einer Umfrage unter Marketing-Entscheidern in deutschen Unternehmen. Whitepaper, Siegfried Vögele Institut, Königstein/Ts. Big Data im Dialog-Marketing: Hype oder Chance? 6 Daher sollten – bevor man sich dem Thema Big Data zuwendet – zunächst einmal die weiter oben beschriebenen Small Data gesichtet, strukturiert, zusammengeführt und für die erhofften „Marketing Insights“ genutzt werden. Daten-Silos in Marketing, Vertrieb, Kundenservice, Controlling, Einkauf, Entwicklung und IT müssten identifiziert und aufgebrochen werden. Bisher werden diese Bereiche zumeist einzeln betrachtet und im Unternehmen oft auch organisatorisch voneinander getrennt. Diese funktionale Trennung ist qua Expertentum zwar sinnvoll, dennoch müssen die Abteilungen organisch kooperieren. Wenn beispielsweise Offline- und Online-Werbung noch nicht miteinander vernetzt sind, Kampagnen daher kaum integriert erfolgen, gehen wertvolle Synergien verloren. Erfolgreiche Unternehmen sind echte „Kooperations-Arenen“. Dort ist CRM keine IT-Suite, sondern eine Management-Philosophie, bei der die Unternehmensführung für die entsprechenden Rahmenbedingungen sorgt. Das berühmte bereichsübergreifende IT-Projekt „CRM“, das in sehr vielen Fällen jahrelang Ressourcen bindet (und zwar oft mit ungewissem Ausgang), ist damit Vergangenheit. Junge Unternehmen mit moderner IT-Plattform haben es hier einfacher als etablierte Firmen mit gewachsenen, patchworkartig entwickelten IT-Landschaften. Bei Small Data geht es jedoch nicht nur darum, bestehende Daten zu sichten, zu strukturieren, zu verknüpfen und auszuwerten. Es gilt auch zu prüfen, wo es sinnvoll ist, neue Daten direkt vom Kunden zu erheben (z. B. psychografische Daten) bzw. zuzukaufen (z. B. mikrogeografische Datenanreicherungen wie „Kaufkraft einzelner Mikrozellen“). Potenziell haben Distanzhändler in Sachen Big Data schon heute die besten Karten, weil sie längst im 1:1-Dialog mit ihren Kunden stehen. Sie sammeln ständig große Mengen kundenbezogener Daten in ihrem Data Warehouse – im E-Commerce quasi automatisch in einer fast reinen Big-Data-Logik. 4. Das lernende Unternehmen – etwas Kultur Um die Auflösung von Informations- und Datensilos zu bewerkstelligen, bedarf es eines günstigen Unternehmensumfelds. Idealerweise ist eine Kultur des übergreifenden Wissensmanagements vorhanden, welche Bereiche und Mitarbeiter kommunikativ vernetzt, relevante Informationen verknüpft und damit implizites zu explizitem Wissen macht. Das hört sich einfach an, kommt aber oft einem Change-Management-Projekt nahe. Es ist Aufgabe des Managements, eine solche Kultur zu fördern und einzufordern – am besten durch eine einheitliche Zielvereinbarung für die mitunter konkurrierenden Unternehmensbereiche. In einem solchen Unternehmen gibt es dann eher Wissens- oder Knowledge-Management-Systeme. Dahinter steht letztlich die Vision einer „lernenden Organisation“. Wie aber setzt man all das in die Praxis um? Die Frage ist zu speziell, um sie in diesem Whitepaper zu klären. Ein interner Workshop mit den Bereichsverantwortlichen aus Marketing, Vertrieb, Kundenservice, Einkauf, IT, Forschung und Entwicklung mit unbedingter Teilnahme des Top-Managements ist ein erster Schritt in Richtung eines wissensdemokratischen, kooperativen und kundenorientierten Unternehmens, das Big Data absorbieren und für sich nutzen kann. Der Einsatz versierter externer Moderatoren, die Erfahrung im Systemischen Coaching haben, kann solch komplexe Vorhaben maßgeblich erleichtern. Damit am Ende alle gemeinsam am selben Strang „Gewinn-Optimierung“ ziehen. Big Data im Dialog-Marketing: Hype oder Chance? 7 5. Big Data im Dialog-Marketing Wenn alle internen Hausaufgaben gemacht sind, kann Big Data erst richtig und noch besser für das Dialog-Marketing genutzt werden. Oft wird darauf hingewiesen, dass das bloße Mehr an Daten am Ende noch nicht das Mehr an Gewinn brächte. Entscheidend sei vielmehr, aus allen verfügbaren die richtigen Daten auszuwählen. Deshalb wird neben Volume, Variety und Velocity häufig noch ein viertes V angeführt: „Value“, also der erkenntnisbringende Analyse-Nutzen. Das ist zwar richtig, verkennt aber die besondere Analyse-Heuristik von Big Data: Bei Big Data sollte es aufgrund von Volume, Variety und Velocity auch darum gehen, möglichst viele Informationen in das Big-Data-System zu kippen, um herauszufinden, ob im Wust der Daten neue Muster und Zusammenhänge identifiziert werden können. Solche lassen sich dann für das Dialog-Marketing vor allem prognostisch nutzen. Big Data hat also auch Hypothesen-bildenden Charakter. Zwar braucht es ein klares Ziel für den „Big Data Crunch“ (z. B.: „Welche sonstigen Parameter beeinflussen unsere Abverkäufe?“), aber der Weg dorthin sollte relativ breit und offen sein. 5.1 Datenqualität Die wahre Herausforderung besteht im Zusammenführen und Strukturieren der verschiedenen Daten. Wie sieht es z. B. mit der so genannten „Eineindeutigkeit“ der Daten aus? Lässt sich das Datum zweifelsfrei einem Kunden zuordnen? Schon jetzt strömen immer mehr Data-as-a-Service-Dienstleister (DaaS) auf den Markt, die Daten aus verschiedensten Quellen zusammenführen, eichen und für die Analyse aufbereiten. Sie sorgen hoffentlich auch für die nötige Datenqualität. Sie ist das Wichtigste! Hier gilt das alte GIGO-Prinzip: garbage in, garbage out. Frei übersetzt heißt das: Wer oben Datenmüll reinkippt, darf unten als Ergebnis auch nur Datenmüll erwarten. Das Sammeln der Daten selbst ist einfach – sie fallen automatisch an, man muss sie nur speichern können. Auch das Auswerten stellt prinzipiell kein Problem dar, solange entsprechende Rechnerleistung und gesunder Menschenverstand (auf den kommt es auch noch an!) zusammentreffen. Sicherlich werden explorative quantitative Verfahren – vor allem Predictive Analytics – zukünftig noch mehr an Bedeutung gewinnen, auch wenn es Maschinenlernen, künstliche Intelligenz und neuronale Netzwerke bereits seit Längerem in kommerzieller Marketing-Anwendung gibt. 5.2 Geeignete Input-Daten für Big Data im Dialog-Marketing Betrachtet man die größten Datenquellen für Big Data im Dialog-Marketing, so sind die digitalen Umfelder Online und Mobile als Verkaufs-, Kommunikations- und Kunden-Kontaktpunkte zu nennen. E-Commerce-Unternehmen, die von Hause aus online und mobil mit ihren Kunden handeln und kommunizieren, haben hier beste Voraussetzungen, zählt man noch die jungen und daher relativ flexiblen IT-Systeme dieser Unternehmen hinzu. Es gibt zahlreiche, interessante Datenquellen, die je nach Unternehmen, Branche und spezifischer Situation für den „Big Data Crunch“ herangezogen werden können. Die Aufstellung auf der nächsten Seite ist nur exemplarisch, vereinfacht und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ebenso wird auf die gern getroffene Unterscheidung zwischen First-, Second- und Third-Party-Data verzichtet: Big Data im Dialog-Marketing: Hype oder Chance? 8 Interne Daten • CRM-Daten: Kunden-Stammdaten und Bewegungsdaten (z. B. Käufe, Retouren, Roherträge, Werbekosten) • Onsite-Controlling-Daten der eigenen Website • Kunden-Feedback (z. B. Reklamationen, E-Mails, Posts auf der Facebook Fanpage, Call-Center Logs etc.) • Mediapläne der eigenen Werbeaktivitäten • Primärforschung (Marktforschungsstudien) • Daten aus dem Controlling • Daten aus Logistik/Warenwirtschaft • Daten aus Forschung & Entwicklung (F&E) • … 5.3 Externe Daten • Customer-Journey-Daten, oft „Third-PartyData“, auf Basis von z. B. Cookie-Daten, Pixel-Tracking, Ad-Klicks ermittelte KPIs • Social Media (Twitter, Facebook, Pinterest etc. J z. B. via Sentiment-Analysen) • Mobile Daten (z. B. aus Apps, QR-Codes) • Mikrogeografische Informationen (z. B. Kaufkraft, Wählerverhalten, Demografie, Pkw-Besitz, Gebäudedaten etc.) • Wettbewerber-Informationen (z. B. Preise) • Presse-Informationen • Wetterdaten • Verkehrsdaten • … Praxis-Beispiele: Big Data im (Dialog-)Marketing Es lassen sich viele Praxis-Beispiele zur Verwendung von Big Data finden, die eine Marketing- bzw. Dialog-Marketing-Relevanz besitzen und daher sehr interessant sind. Der Begriff „Big Data“ wird allerdings häufig nur für die Analyse großer unternehmenseigener Datenbestände (z. B. CRM-Daten, also „Small Data“ in unserem Sinne) verwendet. Es ist absolut typisch für ein Hype-Thema, dass neue Begriffe nicht immer „sauber“ benutzt werden. Wir beschränken uns in diesem Whitepaper ausschließlich auf Beispiele, die auch externe Daten berücksichtigen. Beispiel 1) Telekommunikation aus den USA: Time Warner Cable macht großes Big-Data-Kino10 Time Warner Cable (TWC) ist ein amerikanischer Kabelnetz-Betreiber, der 14 Mio. Kunden in 29 USBundesstaaten versorgt. Time Warner Cable stellt nicht nur das Kabelnetz zur Verfügung, sondern bietet auch Services wie Video on Demand (VoD), interaktives Fernsehen, digitale Videorekorder, Pay-TV, mobile Apps und Internet-Zugänge an, über welche auch Streaming-Dienste wie Hulu oder Netflix laufen. Um Kundenprofile mit dem Ziel einer noch passenderen Ansprache für MarketingAngebote zu erstellen, integriert TWC die Nutzerprofile der Kunden mit externen Daten wie Gebäudedaten, Wählerdaten oder demografischen Daten der amtlichen Statistik. TWC kann hierdurch seinen Werbekunden sehr scharfe Zielgruppen-Profile ausgeben. Beispiel 2) Tourismus aus Japan: Das Fremdenverkehrsamt macht mobil11 Die japanische Regierung verfolgt ehrgeizige Ziele bei der Steigerung der Touristen-Zahlen: Bis 2030 sollen 30 Mio. Touristen pro Jahr nach Japan kommen. Derzeit werden in 8 Test-Regionen, die noch Potenzial für Tourismus haben, Mobilfunk-, GPS- und diverse Aktivitätsdaten (z. B. Social Media) von ca. 700.000 Touristen gesammelt. Die Daten werden erst nach Einverständnis der touristischen Mobil10 11 http://www.bigdata-startups.com/BigData-startup/time-warner-cable-big-data-optimize-viewers-experience „Big Data to Help Tourism“, The Japan News, 16.10.2013 Big Data im Dialog-Marketing: Hype oder Chance? 9 funk-Nutzer während ihres Aufenthalts von den Netzbetreibern erhoben und alle 5 Minuten anonymisiert an Rechenzentren gesendet. So sollen Erkenntnisse über das Touristen-Verhalten gewonnen und entsprechende Tourismus-Angebote geschnürt werden. Wenn sich Touristen beispielsweise an Orten aufhalten, die von offizieller Stelle bislang noch nicht als touristisch relevant erachtet wurden, könnten diese fortan als neue Attraktionen vermarktet werden. Beispiel 3) Finanzdienstleistungen aus den USA: Großbanken drehen große Daten12 Die vier US-Großbanken JP Morgan, Citi, Bank of America und Wells Fargo standen – jede für sich – nach diversen Fusionen vor großen isolierten Datenbergen und -silos. Neben der klassischen Prognose der Kreditwürdigkeit von Kunden verfolgen die Banken nun unter Einsatz von Analyse-Technologien das Ziel, von Käuferprofilen zu Verhaltensprofilen ihrer Kunden zu gelangen. So können z. B. Kreditkarten-Abrechnungen, Kontoauszüge und Social-Media-Aktivitäten als externe Zusatzdaten gute Hinweise auf das Ausgeh- und Konsum-Verhalten von Menschen geben. Die Bank of America nutzt Tracking-Daten von Kundenbewegungen auf der Website zusammen mit Call-Center Logs und Transkripten von Kundeninterviews, um mehr über Abwanderungsgründe zu erfahren und neue Produkte zu entwickeln. Die neuen Erkenntnisse sollen künftig noch stärker in das 1:1-Marketing einfließen. 6. Big Data: Was noch zu sagen bleibt Big Data ist ein großer Hype – wie eingangs bereits festgestellt. Und wir stehen erst am Anfang. Es wird noch einige Zeit dauern, bis klar ist, ob aus dem Hype ein wirklicher Fortschritt für das DialogMarketing erwächst, da dieses im jeweiligen Unternehmen stets in einen größeren IT-Kontext (z. B. Controlling, Logistik, Einkauf) eingebunden ist. Die größte strukturelle Hürde ist aktuell die notwendige, oft kosten- und zeitintensive Anpassung der bestehenden IT-Landschaften. Die am Markt immer häufiger angebotenen Cloud-Dienstleistungen für Big Data könnten dieses Problem mildern. Vieles, was heute als „Big Data“ verkauft wird, ist eigentlich „Small Data“, d. h. die systematische Nutzung interner historischer Daten aus verschiedenen Unternehmensbereichen. Es gibt Unternehmen, die das prinzipiell schon seit Jahren tun. Große Datenmengen sind für diese Firmen nichts Neues, sie werden daher umso schneller das neue Potenzial externer Big Data erschließen können. Bei allen Perspektiven, die Big Data dem Dialog-Marketing liefern kann (und das sind viele, wie die Fallbeispiele zeigen), sind die Grenzen zu berücksichtigen, die uns der Daten- und Verbraucherschutz setzen. Was das Marketing hierzulande „beschränkt“, freut den Konsumenten und vielleicht auch den Marketer als Privatperson. Wer möchte schon ständig „ausgelesen“ werden? Dabei gibt es das sehr interessante Paradox, dass Kunden individuell, mit relevanten Inhalten angesprochen werden möchten (also wahres Dialog-Marketing einfordern!), aber gleichzeitig keine Informationen über sich preisgeben möchten, welche ebendies ermöglichen. Vielleicht müssen Unternehmen dem Kunden einen besseren „Vertrag“ anbieten, um an seine Daten zu kommen. 12 http://blogs.wsj.com/cio/2013/02/06/banks-using-big-data-to-discover-new-silk-roads/ Big Data im Dialog-Marketing: Hype oder Chance? 10 Wir brauchen einen „New Deal on Data“, wie es der amerikanische Wissenschaftler Alex Pentland vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) nennt13. Im Kontext von aktuellen Daten-Skandalen und NSA-Affären kann man diese Forderung nur bekräftigen. Etablierte Unternehmen werden neben der Umstellung ihrer IT-Landschaften auch Mitarbeiter mit neuen Fähigkeiten benötigen. Das Berufsbild des „Data Scientist“ oder „Quant“ entsteht gerade erst. Solche Personen kombinieren IT mit Mathematik. Sie ziehen Intelligenz aus den Datenmengen und machen aus Big Data letztlich „Smart Data“. Aber auch Führungskräfte werden immer öfter DatenKompetenz bzw. IT-Grundverständnis mitbringen müssen. Für Führungskräfte im Dialog-Marketing gilt das allemal. Wenn sich das Hype-Thema „Big Data“ in den nächsten Jahren etwas „abkühlt“ und sich aus dem Wust von Themen und Projekten die nutzbringenden Ansätze herauskristallisiert haben, wird davon das Dialog-Marketing in höchstem Maße profitieren. Denn Dialog-Marketing ist eine traditionell datenbasierte Disziplin. So sollten zukünftig individualisierte Webshop-Seiten oder via Digitaldruck individualisierte Mailings und Kataloge zum Standard gehören. Bei aller Daten-Gläubigkeit sei im Kontext von Big Data auf das Beziehungsdreieck zwischen Wissenschaft, Handwerk und Kunst verwiesen: Die Wissenschaft mag uns neue Analyse-Verfahren und ITLösungen bescheren. Deren saubere Implementierung in die Praxis bleibt solides Handwerk. Die Kunst besteht allerdings darin, aus den Daten Informationen herauszulesen. Und einzusehen, dass zwar vieles messbar, aber nicht alles sinnvoll ist. Zu akzeptieren, dass nicht alles vorhersehbar wird. Alle Daten können immer nur Indikatoren sein. Die praxisrelevanten Folgerungen basieren auf der menschlichen Urteilskraft, Kreativität, Erfahrung und Fähigkeit, auch mit nicht direkt Erklärbarem umgehen zu können. So wird Big Data dem Dialog-Marketer der Zukunft viele neue Möglichkeiten bescheren – und ihn unverzichtbarer denn je machen. Nutzen Sie die Möglichkeiten! 13 Zitiert nach Bloching, B., Luck, L., Ramge, T., 2012: Data Unser: Wie Kundendaten die Wirtschaft revolutionieren. München: Redline Verlag. S. 204 Big Data im Dialog-Marketing: Hype oder Chance? 11 Der Autor Andreas Höcherl Andreas Höcherl leitet als Vice President den Bereich Dialog Research & Consulting des Siegfried Vögele Instituts (SVI). Er hat Soziologie in Düsseldorf studiert und hält einen MBA in Europäischem Management vom Europa-Institut Saarbrücken. Vor seiner Tätigkeit für das SVI durchlief er berufliche Stationen bei der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung UNIDO in Wien, der GfK in Nürnberg und dem Agentur-Network Grey in Düsseldorf/Köln. Das Siegfried Vögele Institut – mehr Wissen für einen besseren Kundendialog Das Siegfried Vögele Institut (SVI) wurde 2002 als Tochter der Deutschen Post AG gegründet. Ziel der Internationalen Gesellschaft für Dialog-Marketing mbH ist, Wissen im Dialog-Marketing zu fördern und zu vermitteln. Dabei knüpfen wir an die Pionier-Arbeit von Professor Siegfried Vögele an. Deshalb arbeiten im SVI Forschung, Training und Beratung unter einem Dach. Auch die Einrichtung eines wissenschaftlichen Kompetenz-Zentrums für Dialog-Marketing war ein wichtiger Meilenstein. Seminare & Konferenzen Wenn Sie ein Marketing-Seminar zu Themen wie Dialog-Marketing, Cross Media oder CRM suchen: In unserer Marketing-Akademie werden Sie fündig. Die Dozenten kommen aus der Wissenschaft und aus der Praxis. In unserem Kompetenz-Netzwerk für Dialog-Marketing finden wir sicher auch den richtigen Experten für Ihr Inhouse-Thema. Außerdem sind wir Exklusiv-Anbieter der Original-Seminare zur Prof. Vögele Dialogmethode®, die von SVI Fachdozenten durchgeführt werden. Hierzu können Sie zwei Abschlüsse erwerben: „Dialog Manager“ und „Online Dialog Manager“. Beratung & Forschung Unsere Dialog-Experten unterstützen Sie mit der Augenkamera und anderen speziellen ForschungsMethoden, Ihre Dialog-Marketing-Kampagnen zu optimieren. Im Fokus stehen papier- und webbasierte Dialog-Medien. Auf Basis der Analyse-Ergebnisse erhalten Sie konkrete HandlungsEmpfehlungen. Wir beraten Sie auch bei der Zielgruppen-Analyse und -Profilierung, damit Sie Ihre Kunden bedarfsgerecht ansprechen können. So verbessern Sie Ihre Ergebnisse bei der Neukunden-Gewinnung, der Kundenbindung und der Kunden-Rückgewinnung. Studien & Publikationen Inhalte aus Grundlagen-Studien veröffentlichen wir regelmäßig in unseren Whitepapers, Booklets und Studienbänden. Hier berichten wir auch über Ergebnisse der vier SVI Stiftungs-Lehrstühle für Dialogmarketing an den Universitäten Kassel und Hamburg sowie an der Steinbeis Hochschule in Berlin. Darüber hinaus bestehen Kooperationen mit Ì dem Centrum für interaktives Marketing und Medienmanagement (CIM) der Universität Münster und Ì den Hirnforschern der Universität Bonn. Abonnieren Sie jetzt den SVI Newsletter, der Sie über neue Whitepapers, Studien und Produkte des Siegfried Vögele Instituts informiert: www.svi-news.de Big Data im Dialog-Marketing: Hype oder Chance? 12