Book Reviews · Buchbesprechungen Onkologie 1999;22:73–74 Praktische Differentialdiagnostik in Hämatologie und Onkologie. Leitsymptome und rationelle Befundinterpretation H. Theml, H.-D. Schick Stuttgart, Thieme, 1998, 192 S., 98,– DM ISBN 3-13-102781-9 In den meisten Lehrbüchern der Klinischen Medizin werden die Diagnose und der diagnostische Prozeß bei den einzelnen Krankheitseinheiten abgehandelt, die Differentialdiagnose taucht an letzter Stelle auf. Diese Darstellung entspricht nicht dem praktischen diagnostischen Prozeß, der von häufig vieldeutigen Leitsymptomen ausgeht, solange die tatsächliche Diagnose noch nicht feststeht. In dem vorliegenden Buch wird diese Erkenntnis konsequent umgesetzt: Es ist nach den wichtigsten Symptomen gegliedert, die auf eine nicht-maligne Erkrankung des hämopoetischen Systems oder auf eine Krebserkrankung hinweisen können. Soweit dies im Rahmen einer solchen Darstellung überhaupt möglich ist, wird dabei auch auf die wichtigsten nicht-malignen Erkrankungen anderer Organsysteme und auf die häufigen Symptome psychosomatischer Erkrankungen hingewiesen. Damit soll die Lücke zwischen den klassischen Lehrbüchern der Hämatologie und Onkologie und den großen Lehrbüchern der Differentialdiagnostik geschlossen werden. Die Autoren haben diese Aufgabe in hervorragender Weise erfüllt. Jede Zeile des Werkes reflektiert die langjährige praktische Erfahrung der beiden Autoren. Über ihr spezielles Anliegen hinaus vermitteln sie einen Zugang zu einem der wesentlichen Probleme der modernen Medizin: der Verbindung hoher und notwendigerweise spezialisierter Sachkompetenz mit einem ganzheitlichen Ansatz unter den Bedingungen der Unsicherheit, die am Beginn jeder Diagnostik besteht. Es ist kein Zufall, daß ein solcher Einstieg zwei Hämatologen und Onkologen gelang, die nicht in einer spezialisierten Krankenhausabteilung, sondern in einer spezialisierten internistischen Praxis tätig sind. Als Symptom wird entsprechend dem deutschen (nicht dem angelsächsischen) Sprachgebrauch jede Situation definiert, die Ausgangspunkt differentialdiagnostischer Überlegungen sein muß. Dazu gehören nicht nur die bei der Anamnese erhobenen introspektiven Empfindungen des Patienten, sondern auch die bei der körperlichen Untersuchung erhobenen Befunde. Außerdem die Laborbefunde, die aufgrund der durch die Automatisierung der Laboratoriumsdiagnostik bedingten «zufälligen» auffallenden Normabweichungen zunehmende Bedeutung gewinnen. Das hervorragend bebilderte Buch vermittelt eine beeindrukkende Informationsfülle, insbesondere in den zahlreichen © 1999 S. Karger GmbH, Freiburg Fax (07 61) 4 52 0714 www.karger.com Accessible online at: http://BioMedNet.com/karger Tabellen, in denen der Referent kaum einen Fehler entdekken konnte. Dabei werden auch die aus Häufigkeitsverteilungen resultierenden a-priori-Wahrscheinlichkeiten besprochen. Diese bei den einzelnen Symptomen im Detail zu berücksichtigen, wird in keinem Buch, sondern allein in diagnostischen Computerprogrammen gelingen. Allerdings könnte in den Diagnoselisten, die sich an einzelne Symptome anschließen, die a-priori-Häufigkeit noch etwas stärker berücksichtigt werden. Angesichts des erwähnten, extrem hohen Informationsgehaltes kann es nicht ausbleiben, daß der Referent einzelne kritische Anmerkungen macht, die in einer nächsten Auflage berücksichtigt werden könnten. Dazu gehören: Eine stärkere Berücksichtigung der Fehlerquellen, die sich mit der Erstellung von Blutbildparametern durch Automaten ergeben. Ein ausführlicherer Text zu Tabelle 4.1, welche die hämatologisch-onkologische Differentialdiagnose lokaler Schmerzen darstellt und den etwas irreführenden Titel «Störungen des Nervensystems» trägt. Beispielsweise sollte in einem solchen Text auf das Primat der frühen Endoskopie (die in der Tabelle richtigerweise als erste diagnostische Maßnahme angeführt wird) in Hinsicht auf die unbefriedigende Frühdiagnose des Magenkarzinoms hingewiesen werden. Nicht ganz richtig erscheint dem Referenten die Bemerkung, daß sich Veränderungen des roten Blutbildes bei induktivem Diagnosegang als Blässe oder Vollblütigkeit darstellen. Asymptomatische Erythrozytosen und mäßige Anämien, die bei ungezielt vorgenommenen Blutbilduntersuchungen auffallen, sind häufig. Bei der sehr kurzen Besprechung der Laborparameter des Eisenstoffwechsels sollte auf den mangelnden diagnostischen Wert der Serum-Eisenbestimmung hingewiesen werden. Außerdem fehlt ein Hinweis auf die bei Kombination von Eisenmangel und Tumor nicht seltene Problematik der Interpretation von Serum-Ferritinwerten bei Blutverlust und allgemeiner Entzündungsreaktion. Die wenigen kritischen Anmerkungen sollen nicht den Blick dafür verstellen, daß es sich hier nach Kenntnis des Referenten um die sorgfältigste und praktisch brauchbarste Darstellung der von Leitsymptomen ausgehenden Differentialdiagnostik der Hämatologie handelt, die nicht nur im deutschen, sondern auch im internationalen Sprachraum verfügbar ist. Aufgrund der präzisen Aussagen, der übersichtlichen Struktur und der aus praktischer Erfahrung resultierenden Konzentration auf das Wesentliche ist es sowohl zur Lektüre als auch zum Nachschlagen geeignet. Es gehört als Ergänzung der großen Monographien in den Bücherschrank jedes Hämatologen und internistischen Onkologen, jedes Internisten und internistisch tätigen Allgemeinarztes. Es weist einen Weg zur patientenbezogenen Medizin, indem es rationale und rationelle Diagnostik verbindet. H. Heimpel, Ulm 73 Downloaded by: 88.99.70.242 - 10/22/2017 11:24:44 PM ONKOLOGIE Herausgeber: S. Seeber, J. Schütte Berlin, Springer, 1998. 3. Auflage, 1440 S., 128,– DM ISBN 3-540-63821-0 Nach dem ersten Erscheinen im Jahre 1993 (siehe Onkologie 1994;17:192) folgte 1995 die 2. Auflage (siehe Onkologie 1996; 19:451) und nun, im Jahre 1998, die 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Die Erweiterung wird zunächst im Seitenumfang erkennbar, die Neuauflage ist von 1190 auf 1440 Seiten angewachsen. Etwa 250 Seiten befassen sich mit den hämatologischen Neoplasien, etwa 850 Seiten mit der Darstellung der verschiedenen soliden Tumoren. Dabei wurde die Gliederung der vorangegangenen Auflagen beibehalten, nur PNET-Tumoren und das Merkelzellkarzinom sind als eigene Kapitel hinzugekommen. Die Herausgeber stellen eingangs fest, daß in den vergangenen drei Jahren zahlreiche Neuerungen in der onkologischen Therapie zu verzeichnen sind. Dementsprechend wurde die Zusammenstellung neuer Zytostatika erweitert. Beim Bronchialkarzinom, Mammakarzinom und bei den kolorektalen Karzinomen wurden modifizierte Konzepte für die adjuvante, kurative oder palliative Therapie beschrieben. Entsprechend der möglichen Ausweitung von Indikationen für die Hochdosis-Chemotherapie – auch im Rahmen der Behandlung von soliden Tumoren – wurde dieser Themenkomplex erheblich ausgeweitet und in vier eigenen Kapiteln dargestellt. Durch die Aufnahme der neuen TNM-Klassifikation der UICC, der neuen Richtlinien zur Betäubungsmittelverordnung und durch das Einbeziehen verschiedener Konsensuskonferenzen wurde das Buch weiter aktualisiert. Die Herausgeber stellen ausdrücklich fest, daß dieses Buch auch weiterhin als Kompendium angelegt ist, das Behandlungskonzepte anbieten soll. Es sei nicht beabsichtigt gewesen, ein «Lehrbuch der Onkologie» zu verfassen, das dem möglicherweise nicht besonders Kundigen praktische Handlungsanleitungen vermittelt. Die Benutzung dieses Werkes im klinischen Alltag setzt vielmehr detaillierte onkologische Kenntnisse voraus. Unter Berücksichtigung dieser Prämissen ist die Fortführung dieses Kompendiums sehr zu begrüßen. Es bleibt auch in seiner 3. Auflage «ein guter Wurf». W. Queißer, Mannheim 74 Onkologie 1999;22:73–74 Blood Perfusion and Microenvironment of Human Tumors Implications for Clinical Radiooncology Herausgeber: M. Molls, P. Vaupel Berlin, Springer, 1998. 240 S., 198,– DM ISBN 3-88603-560-3 Ein Tumor läßt sich als pathophysiologische Einheit verstehen, deren Ansprechen auf die Strahlen- oder Chemotherapie stark von der Blutversorgung und ihrem Mikromilieu bestimmt ist – insbesondere vom Oxygenierungsgrad, dem pH-Wert und dem Energiestatus. Einen Überblick über die aktuellen klinischen Forschungsergebnisse hierzu bieten die 18 Beiträge eines internationalen Autorenkollektivs. Allein sechs Beiträge sind dem Oxygenierungsgrad des Tumors gewidmet, in dem viele Autoren den wichtigsten Milieu-Parameter für die Strahlen- und Chemotherapie erkennen. Moderne Meßverfahren, vor allem die polarographische Bestimmung des intratumoralen Sauerstoffpartialdrucks mit einer Elektrode, haben ältere Annahmen bestätigt, wonach viele Tumoren Bereiche mit chronischer oder akuter Hypoxie aufweisen, die durch transiente Unterbrechung des Blutflusses hervorgerufen werden. Der Oxygenierungsgrad erweist sich bei verschiedenen Tumoren als unabhängiger prognostischer Faktor für das Gesamtüberleben und die lokale Kontrolle nach Radiotherapie, was sich durch die Bestrahlungsresistenz hypoxischer Zellen erklären läßt. Allerdings konnten M. Höckel und P. Vaupel, Universität Mainz, zeigen, daß bei Cervixkarzinomen die günstigere Prognose bei besserer Tumoroxygenierung auch für chirurgisch behandelte Patientinnen gilt. Daß auch der Hämoglobinwert, der bei vielen Krebspatienten anämisch erniedrigt ist, ein Prädiktor für die Kontrolle verschiedener Tumoren ist, zeigt der Beitrag von C. Grau und J. Overgaard, Åarhus. Eine Verbesserung der Tumoroxygenierung durch Anhebung des Hb-Wertes hat sich in einzelnen Studien als wirksam für die lokale Kontrolle erwiesen. D.W. Siemann sieht in der Überwindung der Anämie vor und während der Radiotherapie mittels Erythropoetin einen vielversprechenden Ansatz. Sinnvollerweise sollten zusätzlich Maßnahmen gegen transiente Durchblutungsstörungen im Tumor ergriffen werden. Unterschiedlich bewertet werden Ansätze, die Tumoroxygenierung durch Modifizierung der Sauerstoffaffinität des Hämoglobins oder sauerstoffangereicherte Atemgase zu verbessern. Daß sich die intratumorale Hypoxie auch therapeutisch nutzen läßt, verdeutlicht der Beitrag von J.M. Brown: Bestimmte Substanzen wie Mitomycin C entfalten ihre cytotoxische Wirksamkeit erst nach Metabolisierung unter hypoxischen Bedingungen – und damit in erster Linie im Tumorgewebe. Der in Tumoren unphysiologisch erniedrigte extrazelluläre pH-Wert hat ebenfalls Konsequenzen für die Gestaltung der Chemotherapie, wie M. Stubbs darlegt. Die Darstellung weiterer therapierelevanter Parameter und ihrer Bestimmung mit modernen diagnostischen Verfahren wie PET und dynamischem MRI runden das facettenreiche Buch ab. Obwohl es in der Reihe ‘Medical Radiology’ erschienen ist, kann es neben Strahlentherapeuten auch allen anderen Onkologen empfohlen werden, die an der Optimierung ihrer Therapien interessiert sind. R. Hömke, Frankfurt Book Reviews · Buchbesprechungen Downloaded by: 88.99.70.242 - 10/22/2017 11:24:44 PM Therapiekonzepte Onkologie