Zur Verbesserung der Prognose des Pankreaskarzinoms ist ein Paradigmenwechsel notwendig Das Pankreaskarzinom ist die vierhäufigste zum Tode führende Krebserkrankung. Da die Symptome meistens erst im Spätstadium auftreten, wird die Erkrankung erst in einem fortgeschrittenem Stadium diagnostiziert. Die mittlere Überlebenszeit beträgt nur 2 bis 5 Monate. Trotz der Verbesserung der Diagnostik und der operativen Mortalität hat sich an der 5-Jahres-Überlebensrate in den letzten 20 Jahren nichts geändert. Das mediane Überleben für Patienten, die R0 reseziert werden, beträgt etwa 2 Jahre mit einem 5Jahresüberleben von 15 bis 20 %. Die schlechte Prognose nach Resektion liegt an der bereits erfolgten Metastasierung bei nahezu allen Patienten. Die chirurgische Resektion ist mit Ausnahme der w enigen heilbaren Patienten mit einer palliativen Tumorreduktion gleich zu setzen. Im fortgeschrittenen Krankheitsstadium ist Gemcitabine seit 1996 die Standardtherapie mit einem mittleren Überleben von etw a 6 Monaten. Gemcitabine ist damit 5-FU geringfügig überlegen. Verschiedenen Kombinationen von Gemcitabine und zytotoxische Substanzen zeigten in Phase I und II vielversprechende Aktivität, w iesen aber in nachfolgenden Phase III-Studien keine Vorteile gegenüber alleiniger Gemcitabine-Gabe auf. Einige w enige Kombinationen führten zu einer Verbesserung von Responseraten und progressionsfreier Überlebenszeit, die sich jedoch nicht in eine statistisch signifikante Gesamtüberlebenszeit übersetzen ließen. Verschiedene neue zielgerichtet w irkende Substanzen zeigten in Kombination keinen Benefit. Die einzige Ausnahme in den letzten 14 Jahren w ar Erlotinib, ein kleinmolekularer Inhibitor der EGFRezeptor Tyrosinkinase, mit einer geringen Verbesserung im Prof. Dr. med. Roland M. Überleben gegenüber alleiniger Gemcitabine-Gabe. Schmid Quelle: Deutsche Krebsgesellschaft Diese außerordentlich schlechte Bilanz macht einen Paradigmenw echsel notw endig. Die komplexe Biologie des Pankreaskarzinoms macht es unw ahrscheinlich, dass neue Therapieansätze mit den bisher verfolgten Strategien gefunden w erden. 1. Obw ohl unser W issen um die genetischen Ereignisse bei der Entstehung des Pankreaskarzinoms in den letzten Jahren enorm zugenommen hat, w ird die Komplexität der molekularen Zusammenhänge, die die Aggressivität des Pankreaskarzinoms ausmachen, bislang nicht verstanden. Das Verständnis des Wechselspiels zw ischen Schlüsselsignalw egen in Tumor und Stroma und dessen Bedeutung für die Initiation, Progression und Tumoraufrechterhaltung ist unzureichend. 2. Die Entdeckung von Tumorstammzellen beim Pankreaskarzinom unterstreicht die Heterogenität der Tumorzellpopulation. Nur Tumorstammzellen besitzen die Kapazität zur Selbsterneuerung und können damit langfristig Tumorw achstum aufrechterhalten. Tumorstammzellen zeichnen sich durch Resistenz gegenüber Standardtherapien aus, eine mögliche Ursache für häufige Rezidive traditioneller Therapieverfahren. Daher müssen neue zielgerichtete Therapiestrategien gegen Tumorstammzellen gerichtet sein. Beim Pankreaskarzinom scheint der Hedgehog (Hh) Signalw eg in Tumorstammzellen aktiviert zu sein. Die Kombination aus Hemmung des Hh-Signalw egs und Standardchemotherapie reduziert Tumorinvasion und Metastasierung. Daraus ergeben sich mögliche Zielstrukturen für neue effektive Therapieansätze. 3. In den letzten Jahren w urden genetisch definierte Mausmodelle entw ickelt, die die humane Erkrankung klinisch, histopathologisch und molekular beeindruckend w iderspiegeln. Die Wertigkeit dieser Modellsysteme könnte für die präklinische Validierung neuer Sustanzentw icklungen den bislang verw endeten transplantierten Tumorzellenmodellen deutlich überlegen sein. So hemmt Gemcitabine Tumorw achstum in verschiedenen transplantierten Pankreaskarzinommodellen, nicht jedoch in einem genetisch definierten Pankreaskarzinommodell, das der W irksamkeit der Substanz bei Patienten mit Pankreaskarzinom entspricht. Ursache der Therapieresistenz ist die geringe Tumorperfusion und damit eine reduzierte Medikamentenaufnahme in den Tumor aufgrund eines dysfunktionalen Gefäßsystems in den Mausmodellen entsprechend der humanen Erkrankung. 4. Die VEGF- und VEGF-Rezeptor-inhibierende Therapie in Kombination mit Chemotherapie, die für verschiedene solide Tumoren Eingang in die klinische Routine gefunden, ist für das Pankreaskarzinom unw irksam. Mögliche Ursache ist die ausgeprägte desmoplastische Reaktion. Der in den Pankreaskarzinomzellen aktivierte Hedgehoc-Signalw eg vermittelt die Signale an das Stroma. Die Gabe eines synthetischen Hh-Inhibitor (IPI-926) bew irkt eine Reduktion des Tumor-Stromas, eine Verbesserung der Tumorperfusion und dadurch ein vermehrte Akkumulation von Gemcitabine-Metabolite in Pankreastumoren genetisch definierter Mausmodelle. Diese neuen Daten zeigen Zielstrukturen für eine effektive antiStromatherapie auf. 5. Surrogat-Parameter, die einen Anti-Tumor-Effekt vorhersagen sind bislang für das Pankreaskarzinom nicht bekannt. Ebenso w ie neue Therapiekonzepte in genetisch definierten Mausmodellen erarbeitet w erden können, ist zu erw arten, dass in diesen Modellen Prädiktoren für Therapie-Response bzw . Therapie-Resistenz erarbeitet w erden können. 6. Aufgrund der Hypovaskularisierung und dysfunktionale Gefäßarchitektur und damit der limitierten Aufnahme von Medikamenten in die Tumorzellen ist der Gew inn von Biopsiematerial im Erkrankungsverlauf für klinische Studien von großer W ichtigkeit. Dies erlaubt individuelle Informationen zu molekuaren Ereignissen im Tumor des jew eiligen Patienten unter Therapie. 7. Durch die molekulare Analyse von Tumorvorstufen w ird es möglich sein, präventive Therapieansätze für das Pankreaskarzinom zu entw ickeln. Dies ist von besonderer Bedeutung für Angehörige von Pankreaskarzinomfamilien. Aktualisiert Donnerstag, 25. Februar 2010 Schmid 1817 Mal gelesen Autor: Statement Prof. Dr. med. Roland M. Schließen