Nebenerwerbskurs 2011-13 Rindviehfütterung Nebenerwerbskurs Landwirtschaft 2011 / 13 Futterprotein Futterenergie von Mikroben abbaubare Energie Getreidemischung Sojaextraktionsschrot Masiskleber Rapsextraktionsschrot Energie für Mikrobenwachstum NEL = pansenstabile Energie + flüchtige Fettsäuren 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0 NEL APDE APDN Rindviehfütterung P. Indermühle INFORAMA Berner Oberland 3702 Hondrich Ver 11 -1- Nebenerwerbskurs 2011-13 Rindviehfütterung Inhalt 1. Der Weg des Futters .....................................................................................................................3 1.1. Futteraufnahme ......................................................................................................................3 1.2. Verdaungsstörungen ..............................................................................................................7 1.3. Verdauung beim Wiederkäuer – Zusammenfassung .............................................................8 2. Zusammensetzung des Futters ......................................................................................................9 3. Nährstoffgehalt der Futtermittel und Verwertung bei der Milchkuh .........................................13 4. Chemie der Nährstoffe und Stoffwechsel ...................................................................................15 4.1. Kohlehydrate .......................................................................................................................15 4.2. Fette .....................................................................................................................................19 4.3. Protein ..................................................................................................................................21 4.4. Wasser .................................................................................................................................24 4.5. Mineralstoffe .......................................................................................................................25 4.6. Vitamine und andere Wirkstoffe .........................................................................................29 5. Futtermittel .................................................................................................................................30 6. Fütterungspraxis Milchvieh .......................................................................................................37 7. Fütterungspraxis Aufzuchttiere ..................................................................................................40 Ver 11 -2- Nebenerwerbskurs 2011-13 Rindviehfütterung 1. Der Weg des Futters 1.1. Futteraufnahme Die Kuh frisst das Futter sehr hastig. Auf der Weide umfasst sie die Grasbüschel mit der muskulösen, sehr rauen Zunge und reisst sie mit ruckartigen Bewegungen über die Kante der Kauplatte ab. Sie verschlingt die Bissen, ohne sie lange zu kauen. Nach dem Fressen liegt die Kuh oft ab und beginnt sofort mit dem Wiederkauen. Zähne Die Wiederkäuer besitzen spezielle Backenzähne, mit denen sie grobes Futter sehr fein zermahlen können. Man nennt die Zähne schmelzfaltig, weil alle drei Zahnsubstanzen auf der Kauffläche des Zahnes vorhanden sind: • Zahnschmelz, sehr hart aus Email • Zahnbein, Knochen, weniger hart als Email • Zahnzement, gelblich Weil Zahnschmelz und –zement unterschiedlich hart sind, wird die Kaufläche ungleichmässig abgenutzt. Dadurch entstehen Schmelzfalten, die mit ihrer rauen Oberfläche die Mahlarbeit unterstützen. Zahnwechsel Die Bestimmung des Alters anhand der Zähne ist bis zu einem Alter von 4,5 Jahren relativ genau. Bei der Geburt haben Kälber manchmal sechs, meistens aber acht Schneidezähne, teilweise noch von Zahnfleisch überzogen und sich dachziegelartig überlappend. Mit 12 Tagen ist das Zahnfleisch von den Zangen zurückgezogen, mit drei Wochen von den Eckschneidezähnen. Mit vier Wochen stehen die Schneidezähne in Reihe. Die Milchschneidezähne sind klein und dreieckig, die bleibenden Zähne groß und schaufelförmig. Das erste Schaufelpaar ist im Alter von etwa 1 ¾ Jahren ausgebildet, Pro weiteres Schaufelpaar rechnet man ¾ Jahre. Die bleibenden Schneidezähne benötigen jeweils sechs Monate zum Hochwachsen. Ver 11 -3- Nebenerwerbskurs 2011-13 Rindviehfütterung Mundspeicheldrüsen Der Mundspeichel erfüllt eine wichtige Aufgabe. Er ist alkalisch und neutralisiert die Säuren im Pansen. Bei hohen Kraftfuttergaben wandeln die Pansenlebewesen die leicht verdaulichen Kohlehydrate sehr schnell in flüchtige Fettsäuren um. Dadurch kann der Pansen übersäuern. Gut strukturiertes Futter fördert das Kauen und damit die Speichelproduktion. Eine Kuh produziert rund 150 Liter Speichel pro Tag. Speiseröhre Die Speiseröhre ist ein muskulöser Schlauch, der innen mit einer Schleimhaut ausgekleidet ist. In ihr wird die Nahrung durch wellenförmige Bewegungen der Muskulatur magenwärts befördert. Man nennt dies Peristaltik. Beim Wiederkäuer funktioniert die Wellenbewegung auch in entgegen gesetzter Richtung. Futterbissen können so durch die Speiseröhre in die Mundhöhle zurückbefördert werden zum Wiederkauen. Beim Wiederkäuer können Stücke von Äpfeln, Zuckerrüben oder Kartoffeln in der Speiseröhre stecken bleiben. Es entsteht ein Schlundkrampf. Die Gärgase können dadurch nicht mehr entweichen, so dass es zu einer Blähung kommt. Der Tierarzt verabreicht ein krampflösendes Mittel. Der Fremdkörper kann dann kopfwärts heraufmassiert oder mit einem Schlundrohr in den Pansen gestossen werden. Dabei ist grösste Vorsicht geboten, die Speiseröhre ist sehr verletzlich. Wiederkauen Lage der Vormägen und des Labmagens von rechts Biologische Verdauung Die Wände von Pansen und Netzmagen besitzen kräftige Muskelschichten. Diese ziehen sich regelmässig zusammen, so dass der Nahrungsbrei zwischen Pansen und Netzmagen hin und her geschoben wird. Das Zusammenziehen ist als Pansengeräusch hörbar (zirka 3 x in 2 Minuten) und bei einer Diagnoseuntersuchung ein wichtiges Indiz für den Tierarzt. Zirka eine halbe Stunden nach dem Fressen beginnt das Wiederkauen. Der noch grobe Panseninhalt wird in kleinen Portionen durch die Speiseröhre zurück in die Mundhöhle befördert. Das Futter wird jetzt sorgfältig gekaut und nach 50 bis 60 Kauschlägen wieder geschluckt. Genügend zerkleinertes Futter wird fortlaufend durch den Blättermagen abtransportiert. Die Wände der Vormägen sind im Gegensatz zur echten Magenwand (Labmagen) und Darmwand nicht mit Schleimhäuten ausgestattet. In den Vormägen wird nur biologisch verdaut, also ohne chemische Verdauungssäfte. Es braucht deshalb keinen Schutz vor Selbstverdauung. Die Pansenwand besteht aus Zotten, die Netzmagenhaut aus netzartigem Gewebe und der Blättermagen aus zahlreichen Blättern. Ver 11 -4- Nebenerwerbskurs 2011-13 Rindviehfütterung Die Vormägen sind ein grosser Gärbehälter, voll von verschiedensten Kleinlebewesen. Diese vermehren sich stark, indem sie das Futter verarbeiten und einen Teil der Nährstoffe abbauen. Später wandern sie mit dem Nahrungsbrei durch Labmagen und Darm und dienen dort ihrerseits der Kuh zusammen mit den noch im Futter vorhandenen Nährstoffen als wichtige Nahrungsquelle. Lichtmikroskopisches Bild einer Pansenzotte mit (7) Zentralarterie Labmagen Pansenlebewesen in Elektronenmikroskop-Aufnahme Solche Einzeller ermöglichen im Pansen den Abbau von Zellulose, sie selbst dienen der Kuh als wichtigste Proteinquelle Die Kohlehydrate (Zucker, Stärke, Zellulose) werden von den Pansenmikroorganismen verdaut und vergärt. Das Endprodukt sind flüchtige Fettsäuren und Gärgase (Methan). Die flüchtigen Fettsäuren (v.a. Essig-, Propion- und Buttersäure) gelangen als energiereiche Nährstoffe direkt über die Pansenwand (Pansenzotten) ins Blut. Ein Teil wird aber von den Pansenmikroben selbst verbraucht für den eigenen Körperaufbau (mikrobielles Protein). Bei der Passage durch den Blättermagen wird dem Nahrungsbrei Wasser entzogen. Portionenweise gelangt das Futter in den Labmagen. Die Magenwanddrüsen sondern verschiedene Verdauungssäfte und Schleim ab. Das Futter wird dadurch wieder flüssig und die chemische Zersetzung der Nährstoffe beginnt. Der Labmagen entspricht in seiner Funktion demjenigen des Menschen oder des Schweins. Hier wird vor allem Protein verdaut. Die Hauptproteinquelle des Wiederkäuers stellen die im Futterbrei angereicherten Pansenlebewesen dar. Sie werden von den Magensäften abgetötet und zusammen mit dem Futterprotein chemisch zerlegt in die einzelnen Aminosäuren. Dank der körpereigenen „Proteinfabrik“, die ideal auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmt ist, stellt der Wiederkäuer im Normalfall wenig Anforderungen an das Aminosäuremuster des Futterproteins. Dünndarm Im Dünndarm werden dem Futterbrei weitere Verdauungssäfte zugemischt. Diese stammen aus der Leber und der Bauchspeicheldrüse. Im Dünndarm sondert die Darmschleimhaut noch Darmsaft ab. Leber Die Leber liegt direkt hinter dem Zwerchfell. Sie ist die grösste Drüse des Körpers und sondert den bitteren, gelbgrünen Gallensaft ab, der in der Gallenblase gespeichert wird. Der Gallensaft fliesst tropfenweise in den Zwölffingerdarm und verteilt das im Futter enthaltene Fett in kleinste Tröpfchen, so dass die Fett abbauenden Enzyme angreifen können. Die Leber ist das wichtigste Stoffwechselorgan: - Sie baut aus den flüchtigen Fettsäuren Blutzucker auf. - überschüssigen Blutzucker speichert sie als Leberstärke (Glykogen). - Sie baut aus Aminosäuren körpereigenes Eiweiss auf. - Sie bildet aus Ammoniak den Harnstoff und gibt diesen an das Blut ab. - Sie entgiftet den Körper, indem sie Giftstoffe unschädlich macht. Eine zu grosse Menge Giftstoffe schädigt die Leber- Ver 11 -5- Nebenerwerbskurs 2011-13 Rindviehfütterung - - funktion, beispielsweise zu viel Aceton (= Ketonkörper) bei übermässigem Abbau von Körperfett. Sie ist ein Blutspeicher. Sie baut rote Blutkörperchen ab und hält das darin enthaltene Eisen zurück, um es wieder zu verwerten. Sie bildet das für die Blutgerinnung notwendige Vorfibrin Aufnahme der Nährstoffe ins Blut Auf dem Weg durch den Verdauungsapparat werden die Nährstoffe in ihre kleinsten Bausteine zerlegt. Für die Aufnahme ins Blut ist die innere Oberfläche des Dünndarms durch die Darmzotten auf das 25fache vergrössert. Jede Darmzotte ist von Darmschleimhaut überzogen und besteht im Inneren aus einem Netz von feinen Blutgefässen. In der Zottenmitte beginnt zudem ein Lymphgefäss, das die Fettstoffe aufnimmt. Die Pfortader sammelt das Blut der Därme und führt es direkt zur Leber. Dickdarm Beim Wiederkäuer wird im Dickdarm dem nun nährstoffarmen Futterbrei vor allem Wasser entzogen. Kälbermagen Das junge Kalb ernährt sich ganz am Anfang ausschliesslich mit Milch. Die Vormägen haben noch keine Funktion und sind entsprechend klein. Die Milch wird beim Saugen direkt in den Labmagen weitergeleitet, sie darf nicht in den Pansen gelangen. Am Eingang des Netzmagens bildet sich eine Hautfalte, welche die Öffnung zum Pansen verschließt (Schlundrinnenreflex). Später verschwindet dieser Reflex durch die Umstellung auf Grobfutter. In der Übergangszeit von Milch auf Grünfutter und Wasser schaffen die Tiere es aber trotzdem, getrunkene Milch in den Labmagen, getrunkenes Wasser in den Pansen zu leiten. Innere Schleimhaut des Netzmagens. 1 Speiseröhremündung 2 Schlundrinne 3 Netzmagenleisten 4 Öffnung zum Blättermagen/Labmagen Bei Jungtieren wird im Labmagen das Labferment (eine Enzymmischung aus Pepsin und Chymosin) erzeugt. Mit diesem Lab kombiniert mit dem niedrigen pH-Wert wird das Kasein in der Milch gespalten, die geronnene Milch kann dann weiterverdaut werden. Der Schlundrinnenreflex funktioniert am besten, wenn das Saugen an der Kuh imitiert werden kann, d.h. - körperwarme Milch - langsames Saugen (Nuggi mit kleinem Loch! - Kopf mindestens waagrecht gehalten (Euter) und nicht aus dem Kessel ab Boden. Bei zweimaligem Tränken pro Tag ist die Wartezeit für eine optimale Verdauung zu lang. Trinken die Kälber zu viel pro Mahlzeit besteht die Gefahr, dass ein Teil der Milch in die Vormägen gelangt und dort unverdaut liegen bleibt. Umgekehrt kann es passieren, dass wenn junge Kälber erstmals übermässig Raufutter aufnehmen, dieses grösstenteils unverdaut in den Labmagen. Beide Situationen können zu fütterungsbedingten Verdauungsstörungen führen. Ver 11 -6- Nebenerwerbskurs 2011-13 Rindviehfütterung 1.2. Verdaungsstörungen a) Blähung Durch die biologische Verdauung in den Vormägen entstehen pro Stunde rund 30 Liter Methan- und Kohlendioxidgase. Diese Gase entweichen beim Rülpsen durch die Speiseröhre. Jede Verstopfung der Speiseröhre oder des Vormageneingangs führt zu einem Aufblähen des Pansens. Ein stark geblähter Pansen drückt gegen das Zwerchfell. Die Kuh kann schlechter atmen, im Extremfall droht sie zu ersticken. Verschiedene Massnahmen sind angezeigt: - sofort vom Futter nehmen - Blähmittel eingeben (schaumlösend, z.B. Salatöl) - evtl. nassen Sack zum Kühlen auflegen - Tier vorne hoch stellen, damit der Mageneingang in den Bereich der Gasblase kommt und das Gas entweichen kann - Rülpser fördern (Cola einschütten, Mundknebel einführen) - aufgetriebene Stelle (Hungergrube) massieren und kneten - Schlundsonde einführen - Pansenstich mit Trokar oder gut geschliffenem Fleischmesser (nur als allerletzte Notlösung, wenn die Kuh zu wanken beginnt). b) Fremdkörper Wiederkäuer fressen hastig und verschlucken oft Fremdkörper wie Nägel oder Drahtstücke. Diese fallen in den Netzmagen. Beim Zusammenziehen der Vormägen kann ein spitzer Gegenstand in der Netzmagenwand einstechen und das dahinter liegende Zwerchfell oder das Bauchfell verletzen. Die Folge ist eine schmerzhafte Entzündung mit Fieber. Die Kuh zieht den Bauch auf und atmet nur kurz und weniger tief. Beim Abwärtsgehen drückt der Pansen gegen das Zwerchfell. Die Kuh reagiert mit Stöhnen. Zur Vorbeugung oder als erste Hilfe kann der Tierarzt mit einer Schlundsonde einen Magneten im Netzmagen platzieren. Im Extremfall braucht es eine Operation. Ver 11 -7- Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung 1.3. Verdauung beim Wiederkäuer – Zusammenfassung (aus Lehrmittel für Berufsschulen, Tierhaltung, LM Zollikofen) Ver 11 -8- Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung 2. Zusammensetzung des Futters Mit den Futtermitteln nimmt das Tier verschiedene Nährstoffe auf. Diese können nach ihrem chemischen Aufbau oder nach der Wirkung im Tier eingeteilt werden. Im Organismus werden die verschiedenen Nährstoffe unterschiedlich verarbeitet und umgewandelt. Der Nährwert eines Futters hängt vom Anteil der einzelnen Futterbestandteile ab. Durch chemische Analysen lassen sich die verschiedenen Nähr- und Wirkstoffe im Futter bestimmen. Eine heute noch gängige Einteilung der Futterbestandteile erfolgt nach der recht groben Analysenvorschrift des Chemikers Weender. Auf jedem Futtermittelsack müssen gewisse Analyseresultate dieser Futteruntersuchung stehen. Aus heutiger Sicht (Hochleistungskühe) genügt die Unterteilung allerdings nicht mehr ganz, so dass vor allem die Kohlehydrat-Bestandteile bei neueren Analysemethoden detaillierter untersucht werden. Im Folgenden einige wichtige Begriffe aus der Analyse nach Weender. Frischsubstanz (FS) Normalerweise hat es in jedem Futter einen gewissen Anteil Wasser, beispielsweise hat auch fertig getrocknetes Heu noch 10 bis 12 % gebundenes Wasser, das nach mehrstündiger Trocknung im Trocknungsofen bei 105ºC verdampft. Trockensubstanz (TS) Wenn alles Wasser verdunstet ist, bleibt die Trockensubstanz. Im Gegensatz zur Menge Frischsubstanz ist die tägliche Trockensubstanz-Aufnahme eines Tieres ziemlich konstant. Bei Milchkühen rechnet man mit 13 bis 17 kg Raufutter-TS-Verzehr täglich. In der Laktationsphase darf man mit 2 bis 4 kg zusätzlichem Kraftfutterverzehr rechnen. Grossrahmige Hochleistungskühe können es bis zu 25 kg TS-Gesamtverzehr bringen. Rohasche (RA) Wird Futter verbrannt, bleibt der unverbrennbare Teil als Asche zurück. In der Rohasche sind die Mineralstoffe Kalzium, Phosphor, Magnesium und Kalium gewichtsmässig am stärksten vertreten. Ein hoher Rohaschegehalt des Futters heisst aber überhaupt nicht, dass das Futter reich an Mineralstoffen ist. Man kann lediglich sagen, dass es grosse Verunreinigungen ohne Nährwert aufweist (Erdbestandteile, Sand usw.). Organische Substanz (OS) Dies ist der verbrennbare Teil des Futters, der durch die Oxydation in Wärme, Wasser und Kohlendioxid und flüchtige Stickstoffverbindungen übergeht. Es handelt sich um Kohlehydrate, Protein und Fett. Kohlehydrate (= Kohlenwasserstoffe) Als Kohlehydrate bezeichnet man die bei der Assimilation gebildeten Zucker und die direkten Zuckeraufbaustoffe, namentlich Stärke und Zellulose. Ver 11 -9- Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung Rohfaser (RF) Nach der Weender-Analyse wird als Rohfaser der in Säure und Lauge unlösliche Teil der Kohlehydrat-Fraktion benannt (vor allem Zellulose, mehr oder weniger verholzt). Weil die Rohfaser auch im Kuhmagen nur teilweise verdaut werden kann, wird der Energiewert eines Futters für die Kuh massgeblich vom Rohfasergehalt bestimmt. Weil es aber Rohfaser und Rohfaser gibt (unterschiedliche Abbaubarkeit im Pansen), untersuchen neuere Analysemethoden die Rohfaser viel differenzierter und schätzen damit die effektive Verdaulichkeit, bzw. die verwertbare Energie eines Futters viel genauer. Rohprotein (RP) (= „Eiweiss“) Protein unterscheidet sich chemisch von den Kohlehydraten vor allem durch den Gehalt von Stickstoff (N). Weil Protein im Durchschnitt zu etwa 16% aus Stickstoff besteht, bestimmt man die Stickstoffmenge im Futter und berechnet damit den Rohproteingehalt des Futters (16 x 6.25 = 100%). Der Rohproteingehalt eines Futters sagt somit eigentlich nur etwas über die N-Menge aus, aber nichts über die Proteinqualität. Rohfett (RL) (= Rohlipide) Sämtliche Bestandteile, die sich in Äther lösen lassen, gelten als fettlöslich und werden in der Weender Analyse als „Rohfett“ bezeichnet. Das heißt aber nicht, dass es sich hier um tatsächlich energieliefernde Fette handelt. Unter den Begriff Rohfett fallen unter anderem auch Harze und Wachse, die nicht verdaulich sind oder schwerverdauliche, gesättigte Fette. Es wird keine Angabe über die Fettqualität gemacht. Im Raufutter ist der Fettgehalt generell fast vernachlässigbar. NfE (N-freie Extraktstoffe) Die Stickstoff-freien Extraktstoffe entsprechen der Menge Bestandteile, die mit Säuren und Laugen aus dem Futter herausgelöst werden können, aber nicht dem Protein anzurechnen sind. Es handelt sich im Prinzip um die leicht löslichen Komponenten der Kohlehydratfraktion, also um Zucker, Stärke und Hemizellulosen. Ver 11 - 10 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung Neue Analysemethoden (aus www.ufa.ch) Mit der traditionellen Weender-Analyse werden Futtermittel auf den Gehalt an Rohprotein, Rohfett, Rohasche, N-freie Extraktstoffe (NfE) und Rohfaser analysiert. Bei Rohprotein, NfE und Rohfaser braucht es im Hochleistungsbereich weiterführende Untersuchungen zur genaueren Wertbestimmung der Futtermittel. Als Basis dient heute die erweiterte Weender-Analyse nach van Soest. NDF (Neutral Detergent Fibre) NDF gibt den gesamten Zellwandgehalt (Zellulose+Hemizellulose+Lignin) wieder. Je höher der NDF-Gehalt, umso geringer ist die Verdaulichkeit des Futters. Ein Minimum ist jedoch für die normale Pansenfunktion notwendig. ADF (Acid Detergent Fibre) ADF setzt sich zusammen aus Zellulose und Lignin und ist Maßstab für den schlecht verdaulichen Zellwandanteil. Der ADFGehalt hat wesentlichen Einfluss auf die Menge Futter, die eine Kuh aufnehmen kann. NDF-ADF ergibt den hochverdaulichen Hemizelluloseanteil. Bei geringen Unterschieden zwischen NDF und ADF ist das Futtermittel schwer verdaulich. ADL (Acid Detergent Lignin) ADL gibt den Anteil an unverdaulichem Lignin. Im Raufutter nimmt dieser Anteil mit zunehmendem Alter der Pflanze zu. Begrenzt vor allem den Futterverzehr. NFC (Nicht Faser-Kohlenhydrate) NFC umfassen im wesentlichen Zucker, Stärke und Pektine. Diese Kohlenhydrate bauen sich im Pansen unterschiedlich schnell und unterschiedlich stark ab. Sie wirken sich deshalb unterschiedlich auf das Pansenmilieu und den Futterverzehr aus. Ihr Anteil ist in der wiederkäuergerechten Ration beschränkt, bei zu hohem Anteil übersäuert der Pansen. Ver 11 - 11 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung Effektiv wirksame Struktur Die Rohfaser gibt den Gehalt und die Art und die Wirkung der Faserstoffe nur ungenügend wieder. Aus dem NDF-Gehalt und dem Wiederkaufaktor kann die effektiv wirksame Struktur (peNDF) der Ration berechnet werden. Dürrfutter z.B. hat den höchstmöglichen Wiederkaufaktor 1 und einen NDF-Gehalt von 67%, was einen peNDF von 67 % ergibt. Maissilage mit einem NDF-Gehalt von 54% und einem Wiederkaufaktor von nur 0.85 erreicht einen peNDF von 46%. Für eine normale Pansenfunktion ist ein peNDF von 23-28% in der Gesamtration (inkl. Kraftfutter) optimal. Näher beim Bedarf Diese verfeinerte Analyse ermöglicht es, die mögliche Milchleistung, die Strukturversorgung und die Verhältnisse im Pansen besser einzuschätzen und Rationen im Hochleistungsbereich (über 6500 kg) näher beim Bedarf zu planen. Unterschiedliche Abbaubarkeit der Nährstoffe im Pansen, die Strukturwirkung und der Einfluss von Kraftfutter auf den Raufutterverzehr wurde mit dem bisherigen System zu wenig beachtet. Sollwerte für Milchviehrationen Ver 11 Milchleistung Rohfaser % in kg ADF % NDF % NFC % 25 20 23.5 37 38.5 30 19 20.5 30.5 38.5 35 18 19 29.5 38.5 40 18 19 29.5 38.5 - 12 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung 3. Nährstoffgehalt der Futtermittel und Verwertung bei der Milchkuh Die Kuh holt sich die Nährstoffe durch die Verdauung aus den Futtermitteln. Ein grosser Teil der aufgenommenen Nährstoffe geht durch die Abgabe von Wärme und durch die Ausscheidung von Gärgasen, Harn und Kot verloren. Je nach Futtermittel ist der verwertbare Nettoanteil sehr unterschiedlich. Deshalb ist für die Kuh und damit in der Fütterungsplanung der verwertbare Nettoanteil eines Futtermittels entscheidend. Die Kohlehydrate und Fett liefern der Kuh die nötige Energie für den Unterhalt ihrer Körperfunktionen und die Leistung. Der Energieinhalt eines Futters wird gemessen in (Megajoule) Netto-Energie-Laktation MJ NEL Das Protein dient der Kuh neben den Stoffwechselfunktionen als Baustoff, v.a. für das Milcheiweiss und den Muskelaufbau (Fleisch). Den verwertbaren Anteil des aufgenommenen Rohproteins bezeichnet man als (Gramm) Absorbierbares Protein im Darm APD Berechnung des Energiebedarfs Beispiel Milchkuh 600 kg LG / 20 Liter Milch Erhaltung = (Lebendgewicht +100) / 20 Produktion = 3,14 MJ NEL x Liter Milch Totalbedarf Energie Berechnung des Proteinbedarfs Erhaltung = (Lebendgewicht +190) / 2 Produktion = 50 gr. x Liter Milch Totalbedarf Protein (APD) Ver 11 - 13 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung Ver 11 - 14 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung 4. Chemie der Nährstoffe und Stoffwechsel 4.1. Kohlehydrate Sie bestehen aus 3 chemischen Elementen: Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H), und Sauerstoff (O) Wir unterscheiden: Einfachzucker Traubenzucker, Glukose (li) Fruchtzucker, Fruktose (re) Zweifachzucker bestehen aus 2 Molekülen Milchzucker, Laktose (li) Glukose + Galaktose Rohr- oder Rübenzucker, Saccharose (re) Mehrfachzucker Stärke Ist eine Kette von Glukosemolekülen mit schwacher Bindung, deshalb leicht verdaulich. Stärke als Reservestoff der Pflanze kommt in Getreidekörnern, Kartoffeln und Rüben vor. Zellulose Ist eine Kette von Mehrfachzucker mit starker Bindung, deshalb schwer verdaulich (nur durch Enzyme von Bakterien und Einzellern). Zellulose kommt in den Pflanzen vor allem als Zellwandbestandteil vor. Rohfaser Ver 11 Mit diesem Begriff fassen wir alle Substanzen zusammen, die bei der chemischen Futtermittelanalyse nicht durch Säuren und Laugen gelöst werden können. Es handelt sich dabei vorwiegend um Zellulose, Holzstoff (Lignin) und andere so genannte Gerüstsubstanzen. - 15 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung Energiegewinnung aus Kohlehydraten Die Verdauung ist grundsätzlich eine Umkehr der Fotosynthese (Assimilation). Das Tier verbrennt einen grossen Teil der aufgenommenen Kohlehydrate unter Einwirkung von Sauerstoff O2 (Atmung). Dabei wird Energie frei, die Wärme erzeugt, Arbeit leistet und Stoffwechselvorgänge ermöglicht. C6H12O6 + 6 O2 6 CO2 + 6 H2O Energie Verdauung der Kohlehydrate beim Nichtwiederkäuer (Huhn, Schwein) Leicht verdauliche Kohlehydrate werden durch Verdauungsenzyme (aus der Bauchspeicheldrüse und dem Darmsaft) abgebaut zu Einfachzucker (chemische Verdauung). Diese werden durch die Darmwand ins Blut aufgenommen. beim Pferd Beim Pferd erfolgt die Verdauung von schwer verdaulichen Kohlehydraten durch Enzyme von Bakterien im Dickdarm (biologische Verdauung). beim Wiederkäuer Bei Rindvieh, Ziegen und Schafen wird der grösste Teil der Kohlehydrate in den Vormägen biologisch verdaut: Enzyme der Mikroorganismen ↓ im Pansen: Abbau zu ↓ Aufnahme via Pansenwand ins Blut ↓ Baustoff vor allem für ↓ Milchfett - Gehalt ↓ Milchmenge Wirkung auf den Protein-Stoffwechsel ↓ Milchprotein – Gehalt Ver 11 Leicht verdauliche Kohlehydrate + Zellulose ↓ Einfachzucker ↓ flüchtige Fettsäuren ↓ ↓ ↓ (viel Rohfaser) (viel Stärke) (viel Zucker) ↓ ↓ ↓ Essigsäure Propionsäure Buttersäure ↓ ↓ ↓ Milchfett ---------- Milchzucker ----------hoch tief tief hoch Energiemangel im Pansen wenig mikrobielles Protein wenig Protein im Darm tief gute Energieversorgung im Pansen viel mikrobielles Protein genügend Protein im Darm hoch - 16 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung ph-Wert im Pansen Der optimale Pansen-pH liegt bei Milchkühen zwischen 6.1 und 6.6 und bei Mastvieh über 5.5. Normalerweise erreicht der pH-Wert 2 bis 3 Stunden nach der Futteraufnahme einen Tiefpunkt und steigt dann wieder an. Bei einem hohen Anteil an leicht verdaulichen Kohlehydraten fällt der pH-Wert stärker ab als bei rohfaserreichen Rationen: • • • zellulosereiche Ration stärkereiche Ration zuckerreiche Ration pH- Wert hoch (6.5) pH-Wert tief (5.7) pH-Wert sehr tief (5.1) Der pH-Wert ist abhängig von: • • • Bedeutung der Futterstruktur Fütterungszeit lange Fütterungszeiten sind günstiger ausgeglichene Ration z.B. Totalmischration Speichelbildung ist abhängig vom Strukturwert Eine optimale Struktur der Futterration ist sehr wichtig für das Wiederkauen und damit für die Speichelbildung sowie für die Pansenmotorik (ideal 100-120 Pansenkontraktionen pro Stunde). Der Strukturwert einer Futterration ist abhängig von: • • • Ver 11 Rohfasergehalt: für Kühe in Laktation sollten in der Ration 18 – 20 % Rohfaser angestrebt werden. Faserlänge: mindestens 10 % der Gesamtration sollte eine Faserlänge von 3-6 cm aufweisen. Beim Zusammendrücken in der Hand sollten sperrige Futterpartikel zu spüren sein. Trockensubstanzgehalt Im Sommer bei Grundfutter mit relativ tiefem Rohfasergehalt und hohem Wassergehalt ist deshalb eine Ergänzung mit trockenem Raufutter besonders wichtig. - 17 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung Pansenübersäuerung (Pansenacidose) Die Fütterung der Hochleistungskuh wird zunehmend eine Gratwanderung. Steigende Milchleistungen erfordern eine immer höhere Energiedichte in der Ration. Das heisst mehr Kraftfutter und damit mehr leicht verdauliche Kohlehydrate. Durch den schnellen Abbau produzieren die Pansenmikroben zu rasch zu viel Säure. Wenn der pH-Wert im Pansen über längere Zeit deutlich unter 6.0 sinkt, sprechen wir von einer Pansenübersäuerung. Durch die Übersäuerung stirbt ein Teil der Pansenlebewesen ab oder stellt zumindest den Stoffwechsel um. Das reduziert die Pansenaktivität und die Verarbeitung der Nährstoffe. Zusätzlich wird die Pansenschleimhaut geschädigt und entzündet, was längerfristig zur Bildung von Geschwüren führen kann. Durch das Absterben der Pansenbakterien entstehen Giftstoffe, die vor allem die Leber belasten. Die von Pansenübersäuerung betroffenen Kühe werden nicht akut krank sondern zeigen nur unspezifische Symptome: • • • • schlechte Fresslust tiefer Milchfettgehalt (unter 3.6-3.8 %) Kot grau schmierig bis gelbgrün wässerig Klauenprobleme, z.B. Sohlenblutungen, Sohlengeschwüre, schlechte Hornqualität, Klauenrehe Kurzfristig kann mit der Zugabe von Puffersalzen im Kraftfutter versucht werden, den pH-Wert im Pansensaft anzuheben. Für eine dauerhafte Verbesserung ist vor allem die bedarfs- und wiederkäuergerechte Fütterung in der Vorbereitungs- und Startphase wichtig. Dazu gehören: • • • • • • Ver 11 Massnahmen zur Förderung des Futterverzehrs genügend Futterstruktur Fütterung immer mit Raufutter (Heu) beginnen Kraft- und Saftfuttergaben auf 1.5 kg TS beschränken regelmässige Verteilung des Kraftfutters über den Tag genügend Wasser. - 18 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung 4.2. Fette Aufbau der Fette Fette bestehen wie die Kohlehydrate aus den drei chemischen Elementen: Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H), und Sauerstoff (O) Fette sind Energiespeicher. Pro Einheit sind sie mehr als doppelt so energiereich wie Kohlehydrate. Ein Fettmolekül besteht aus Glycerin und 3 Fettsäuren Die Fettsäuren beeinflussen die Eigenschaften des Fettes (Schmelzpunkt, Stabilität). Fett oder Öl ? Wir unterscheiden zwischen kurzkettigen und langkettigen Fettsäuren. Die Kettenlänge wird mit der Anzahl C-Atome angegeben. Zudem unterscheiden wir gesättigte und ungesättigte Fettsäuren. Ungesättigte Fettsäuren weisen eine oder mehrere unstabile Doppelbindungen auf. Beispiele: Kurzkettige Fettsäuren Fett C-C-C-C-C-C-C-C langkettige , gesättigte Fettsäuren Öl C-C=C-C=C kurzkettige, ungesättigte Fettsäuren Einsatz von Fett beim Wiederkäuer Ver 11 Langkettige Fettsäuren Essigsäure C2 Propionsäure C3 Buttersäure C4 gesättigt gesättigt gesättigt Ölsäure Linolsäure 1x ungesättigt 2x ungesättigt C18 C18 Langkettige Fettsären bilden im Allgemeinen festere Fette mit einem höheren Schmelzpunkt (v.a. tierische Fette). Dagegen enthalten flüssige Fette (Öle) vorwiegend ungesättigte Fettsäuren (z.B. Rapsöl, Fischtran). Butter ist trotz ihrem hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren noch ziemlich weich, da sie relativ viele kurzkettige Fettsäuren enthält. Wenn ein Fett mehr ungesättigte Fettsäuren enthält, neigt es eher zu schneller Oxydation und Ranzigkeit. Andererseits sind gewisse ungesättigte Fettsäuren lebensnotwendig (essentiell). Gewöhnliches Fett verschlechtert die Verdaulichkeit der Rohfaser, weil es im Pansen einen Ölfilm bildet, der sich um das strukturierte Futter lagert und so den Aufschluss durch die Mikroorganismen hemmt. Für Leistungsfutter mit hohem Energiegehalt ist es interessant, Fett in geschützter Form beizumischen. Es handelt sich dabei um ausgewählte Fette mit höherem Schmelzpunkt, entweder in Pulverform oder als kleine Perlen. Diese Fette sind pansenstabil und werden somit im Pansen nicht abgebaut. Die im Fett gespeicherte Energie trägt damit aber auch nichts zur Energieversorgung der Pansenlebewesen bei. Die Proteinsyntese im Pansen wird durch die Fettzugabe folglich nicht erhöht. Es wird empfohlen, pro Tag höchstens 500 – 700 g Fett einzusetzen. - 19 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung Acetonämie (Ketose) – eine häufige Stoffwechselstörung Kühe mit hohen Leistungen zu Beginn der Laktation kompensieren einen Energiemangel durch den Abbau von Körperfett. Ganz besonders gefährdet sind zu fette Kühe. Der starke Abbau von Körperfett führt zu einem Anstieg von Fettsäuren im Blut, was sich negativ auf den Futterverzehr auswirkt. Wenn die Fettsäuren für die Milchfettbildung und die Energiegewinnung nicht vollständig verwertet werden können, entstehen Aceton und andere so genannte Ketonkörper. Diese geben dieser Stoffwechselstörung auch die Namen: Acetonämie oder Ketose. Aceton im Blut vermindert ebenfalls den Appetit. Meistens handelt es sich bei Acetonämie um eine versteckte Krankheitsform (schleichende Ketose). Untersuchungen haben gezeigt, dass in vielen Milchviehbeständen mit hoher Leistung bereits jede dritte Kuh daran erkrankt. Symptome: • Der Futterverzehr ist vermindert oder unregelmässig • Die Tiere magern ab • Das Kraftfutter wird schlecht gefressen • Eventuell sinkt der Eiweissgehalt (unter 3.0 %) und der Fettgehalt ist hoch (5.0 % oder mehr) • Positiver Acetontest (im Harn zuverlässiger als in der Milch) Vorbeugen und Therapie: • Knappe Galtfütterung, Vorbereitungsfütterung vor Abkalben • Hoher Futterverzehr • In der Startphase sind nur beste Futtermittel gut genug • Bei gefährdeten Kühen schnell verfügbare Energie zuführen: Propylenglykol, Natriumpropionat zu fette Galtkühe – Ketoserisiko steigt Einsetzen der Milchleistung ↓ Milchzuckerverbrauch steigt rapide ↓ Blutzucker sinkt – Feedback ans Hirn: Energiemangel! ↓ Körperfett wird mobilisiert (je mehr vorhanden, desto stärker) ↓ viele freie Fettsäuren im Blut Sättigungsignal für die Kuh - weniger fressen - Energiemangel steigt - Fettmobilisation steigt freie Fettsäuren in der Leber Leberschädigung (Fettleber) Ketonkörper steigen (Stopp Fortpflanzung) Stille Brunst Ver 11 - 20 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung 4.3. Protein Tier (und Mensch) brauchen die Proteine für den Aufbau aller im Körper und in den Produkten enthaltenen Proteine (Baustoffe). Zusätzlich spielen sehr viele Proteine im Stoffwechsel als Enzyme und Hormone (z.B. Oxytocin) eine sehr wichtige Rolle: Proteine bestehen aus vier chemischen Elementen: Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H), Sauerstoff (O) und Stickstoff (N) Proteine enthalten 16 % Stickstoff. Bei der heute gebräuchlichen chemischen Futteranalyse wird bloss der Stickstoffgehalt untersucht: Rohproteingehalt des Futters = N-Gehalt x 6.25 Die Grundmoleküle der Proteine sind mehr als 20 verschiedene Aminosäuren. Diese bilden einfache oder spiralförmig aufgerollte Ketten. Die Anordnung der Aminosäuren in den Ketten ist genetisch (in der DNS) geregelt und die Kombinationsmöglichkeiten sind fast unendlich gross. 10 Aminosäuren sind lebensnotwendig (essentiell), das heisst, sie müssen dem Körper regelmässig zugeführt werden. Beispiele: Lysin (Lys), Methionin (Met), Threonin (Thr), Tryptophan (Try) Biologische Wertigkeit Der Gehalt an essentiellen Aminosäuren bestimmt die biologische Wertigkeit. Je besser die Aminosäurezusammensetzung eines Proteins dem Bedarf der Tiere entspricht, desto höher ist die biologische Wertigkeit (theoretisch max. 100). Tierische Proteine haben eine hohe biologische Wertigkeit: • Ei 96 • Kuhmilch 92 • Fleisch 75 Pflanzliche Proteine haben eine tiefere biologische Wertigkeit, weil einzelne essentielle Aminosäuren fehlen. • Sojabohne erhitzt 75 • Sojabohne roh 64 • Maiskleber 40 Die biologische Wertigkeit spielt vor allem bei der Ernährung des Menschen und in der Fütterung der Nichtwiederkäuer eine wichtige Rolle. Beim Wiederkäuer wandeln die Pansenmikroorganismen 50-90 Prozent der Pflanzenproteine in hochwertige Mikrobenproteine (biologische Wertigkeit von Bakterienprotein = 81). Die biologische Wertigkeit des Futterproteins spielt deshalb beim Wiederkäuer eine geringere Rolle. Ver 11 - 21 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung Verdauung der Proteine a) Chemische Verdauung beim Nichtwiederkäuer Durch das Einwirken von speziellen Verdauungsenzymen werden die Proteine im Magen und im Darm in kurze Aminosäureketten (Peptide) und in freie Aminosäuren zerlegt, die durch die Darmwand aufgenommen werden. b) Biologische und chemische Verdauung beim Wiederkäuer Pansenstabile Proteine (etwa 30 %) gelangen unverändert in den Labmagen und den Dünndarm, wo sie wie beim Nichtwiederkäuer chemisch verdaut und aufgenommen werden. Pansenabbaubare Proteine (etwa 70 %) werden durch Enzyme der Pansenorganismen zu Aminosäuren und Ammoniak (NH3) abgebaut und anschliessend in höher wertiges Mikrobenprotein umgewandelt. Mit dem Nahrungsbrei gelangen die Mikroorganismen in den Labmagen, die Verdauungssäfte töten die Mikroorganismen und ihr Protein wird chemisch verdaut. APD = pansenstabiles Rohprotein + Mikrobenprotein Futt e F u tt rpro tein eren ergie abbaubares Rohprotein für Mikrobenwachstum fermentierbare Energie für Mikrobenwachstum Grundlage für APDN-Schätzung Grundlage für APD(E)-Schätzung Die Proteinversorgung des Wiederkäuers hängt von 2 Faktoren ab • Von der Menge an pansenabbaubarem Rohprotein (APDN) • und von der pansenverfügbaren Energie (APDE) Für die Bedarfsdeckung ist nur der kleinere Wert massgebend. Pansenabbaubarkeit Das oben erwähnte Verhältnis von 30% pansenstabilen und 70% pansenabbaubaren Proteinen bezieht sich auf eine durchschnittliche Gesamtration. Je nach Futtermittel sind aber grosse Unterschiede festzustellen: Ver 11 Tiefe Pansenabbaubarkeit Maiskleber Kartoffelprotein 30 % 45 % Mittlere Abbaubarkeit Sojaextraktionsschrot 61 % Hohe Abbaubarkeit Rapsextraktionsschrot Sojabohnen 74 % 80 % - 22 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung Interpretation desHarnstoffwertes Der Harnstoffgehalt im Blut, bzw. in der Folge ebenfalls im Harn und in der Milch gibt einen Hinweis über das Protein/EnergieVerhältnis im Pansen. Bei „normalen“ Verhältnissen, d.h. wenn sich das Angebot an pansenverfügbarer Energie und pansenlöslichem Protein im Gleichgewicht befindet, liegt der Harnstoffwert der Milch in der Grössenordnung von 15 bis 30 mg/dl. Bei einem Energiemanko im Vergleich zum Proteinangebot fehlt den Pansenorganismen die „Kraft“ alles abgebaute Protein zu verwerten. Die überschüssigen Stickstoff-Verbindungen müssen via Blutbahn und Leber entsorgt werden. Es entsteht das sehr Nreiche Produkt Harnstoff, das von der Milchkuh vorwiegend über Urin und Milch vom Körper ausgeschieden wird. Bei einem Proteinmanko im Vergleich zur verfügbaren Futterenergie geschieht das Gegenteil, der Körper scheidet sehr wenig Harnstoff aus. Somit ist der Harnstoffwert der Milch ein geeigneter Indikator für das Protein/Energie-Verhältnis im Pansen. Die Zuchtverbände bieten das Management-Hilfsmittel „Harnstofftest“ im Rahmen der Milchkontrolle als zusätzliche Dienstleistung an. Interpretiere die Situation Beispielsbetrieb Probedatum: 28.12.2007 Betriebsdurchschnitt: 8611kg (aus www.bovinet.ch) Ver 11 - 23 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung 4.4. Wasser Aufgaben des Wassers • • • • • Bedarf an Wasser Transportmittel für Nahrungsbestandteile im Verdauungstrakt und im Stoffwechsel Lösungsmittel für Stoffwechselprodukte Regulierung des Zelldrucks Regulierung der Körpertemperatur (Schwitzen) Bestandteil von Produkten (Milch) Der Bedarf ist von folgenden Faktoren abhängig: • Wassergehalt der Futtermittel (TS) • Alter und Gewicht der Tiere • Milchleistung • Temperatur, Luftfeuchtigkeit • höherer Bedarf bei Durchfall In einer amerikanischen Untersuchung wurde bei Milchkühen folgender Wasserbedarf gemessen (Liter pro Kuh und Tag): Faustregel: 4 bis 5 Liter Wasser je kg Tagesmilch Voraussetzungen für eine genügende Wasseraufnahme Temperatur • • • • • • • • Ver 11 kg Milch pro Kuh und Tag 14 kg 23 kg 32 kg 41 kg 50 kg 4.4 °C 58.5 lt 77.6 lt 96.7 lt 115.3 lt 134.3 lt 15.6 °C 63.5 lt 85.3 lt 107.1 lt 129.3 lt 151.1 lt 26.7 °C 70.3 lt 96.7 lt 123.0 lt 149.8 lt 176.1 lt Genügender Wassernachfluss mindestens 15 Liter pro Minute (Tränkebecken!) Gute Wasserqualität keine geschmacklichen Veränderungen Tränken regelmässig reinigen Nicht zu kaltes Wasser (ideal 10 – 20 °C) Zugang zum Wasser nach dem Melken Kühe nehmen 30 % der Wassermenge innert 2 Stunden nach dem Melken auf Wasser möglichst nahe am Weideort - 24 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung 4.5. Mineralstoffe Zu den Mineralstoffen gehören alle Elemente, die bei der Verbrennung des Futters als Asche zurückbleiben. Wir unterteilen sie nach Menge ihres Vorkommens im Tier in Mengenelemente Angaben in g/kg Ca P Mg K Na Cl S Spurenelemente Angaben in mg/kg Fe Mn Zn Cu Co J Se Mo Funktion Einige Mineralstoffe wie Kalzium und Phosphor sind wichtige Baustoffe der Knochensubstanz. Andere befinden sich in einem funktionellen Regelkreis und beeinflussen einander, zum Beispiel Natrium und Kalium, die bei der Nervensignalleitung als Gegenspieler wirken. Manche sind Bestandteile von Hormonen, etwa das Jod beim Schilddrüsenhormon. Andere, etwa manche Mengenelemente, sorgen gelöst als Elektrolyte in Form von positiv geladenen Kationen und negativ geladenen Anionen für Elektroneutralität in den Körperflüssigkeiten zwischen den Geweben und für die Aufrechterhaltung des osmotischen Drucks. Mineralstoffe liegen in unterschiedlichen chemischen Verbindungen vor. Leicht oder überhaupt verfügbar sind für den Organismus meist nur ganz bestimmten Verbindungen, etwa Natrium und Chlor in Form des Kochsalzes oder Zink in Form von Zink-Chelat. Ver 11 - 25 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung Bedarf Wir unterscheiden Mangel – Optimum - Überdosis Die quantitative Erfassung des Bedarfs ist recht schwierig, da das Tier über eine gewisse Toleranz verfügt, indem es je nach Angebot mehr oder weniger haushälterisch mit den Substanzen umzugehen vermag. Bei extremen Unter- oder Überangeboten oder krassen Ungleichgewichten innerhalb der Mineralstoffe können die Regelmechanismen versagen und es kommt zu Stoffwechselstörungen. Viele Probleme haben ein diffuses Krankheitsbild: • • • • • Schlechte Fresslust, Lecksucht Struppiges Haarkleid Mangelnde Vitalität, geschwächtes Immunsystem, d.h. erhöhte Krankheitsanfälligkeit Leistungsrückgang, Abmagern Fruchtbarkeitsstörungen Ähnliche Symptome können aber auch auf ganz anderen Ursachen beruhen, z.B. schlechtes Stallklima, unausgewogene Energie-, Protein- oder Vitaminversorgung, Magen-Darm-Parasiten und anderem! Typische Mangelerkrankungen sind • Milchfieber – Kalzium-Mangel direkt nach dem Abkalben • Weidetetanie – Magnesium-Mangel • Rachitis – Kalzium/Phosphor-Mangel und Vitamin D • Blutarmut – Eisen-Mangel • Weissmuskelkrankheit beim Kalb - Selenmangel Überdosis-Symptome Für alle Spurenelemente gilt, dass viel nicht viel hilft, eher im Gegenteil: So wertvoll sie für den gesunden Organismus sind, so gefährlich kann bei vielen eine Überdosierung sein, z.B. Arsen- oder Selenvergiftung und Kupferspeicherkrankheit. Eine akute Arsenvergiftung beispielsweise führt zu Krämpfen, Übelkeit, Erbrechen, inneren Blutungen, Durchfall und Koliken, bis hin zu Nieren- und Kreislaufversagen. Ver 11 - 26 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung Empfohlenes Angebot Eine exakte Beurteilung des Bedarfs an einzelnen Mineralstoffen ist schwierig weil: • • • • • • • Der Gehalt im Futter je nach Standort und Sorte stark schwankt Je nach Mineralstoffquelle die Verwertbarkeit im Tier sehr unterschiedlich sein kann Das Tier je nach Verdauungssituation die Nährstoffe sehr unterschiedlich ausnutzen kann – bei Durchfall gehen mehr Stoffe verloren Das Tier gewisse Stoffe über längere Zeit puffern kann (Körperreserve anzapfen) Gegenseitige Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Stoffen bestehen (z.B. Kalium nimmt Magnesium „den Platz weg“) Die einzelnen Mineralstoffe sehr unterschiedlich aufgenommen werden Der Mineralstoffbedarf ist stark leistungsabhängig (Hochleistungstiere verbrauchen viel mehr!) Nachweis Anhand von Futter-, Blut-, Harn- und Speichelanalysen lässt sich die Mineralstoffversorgung des Rindes bis zu einem gewissen Masse überprüfen. Die Interpretation der Resultate ist in der Regel Sache des Tierarztes. Kalzium & Phospor Bei vorübergehendem Unterangebot kann das Tier diese Elemente aus den Knochen mobilisieren. Früher wurde dem Ca:P-Verhältnis (zirka 2:1) sehr grosse Bedeutung beigemessen. Es scheint aber eine recht grosse Toleranz zu bestehen im Bereich von 1:1 bis etwa 3:1. Tendenziell besteht im Berggebiet eher ein Bedarf an zusätzlichem Phosphor, während der Gehalt an Calzium im Bergwiesenheu meist sehr hoch ist. Klee und Kräuter haben im Vergleich zu Gräsern (Raigras und Mais) ungefähr den 4-fachen Ca-Gehalt bei etwa gleichem P-Gehalt. Getreide und Hackfrüchte (Rüben, Kartoffeln) sind sehr kalziumarm. Natrium & Chlor Grundfutter enthält sehr wenig Natrium, das den Erhaltungsbedarf kaum deckt. Eine regelmässige Na-Ergänzung in Form von 30 – 50 Gramm Viehsalz täglich ist deshalb praktisch immer notwendig. Natrium spielt eine Rolle bei der Pansenpufferung. Ein Mangel führt vermutlich zu verminderter Milchleistung, tieferem Milchfettgehalt, Lecksucht und letztendlich zu Fruchtbarkeitsproblemen. Chlor braucht es normalereweise nicht zusätzlich. Kalium Aufgrund des hohen Kaliumgehaltes von Wiesenfutter (Güllewiesen) stellt der Kaliumüberschuss ein viel grösseres Problem dar als ein allfälliger Mangel. Durch das grosse Kaliumangebot kann die Aufnahme besonders von Magnesium gestört werden. ( Tetanie) Magnesium Je mehr die Kühe leisten, desto kritischer wird in einigen Betrieben die Magnesiumversorgung. Im Gegensatz zu Ca und P kann die Kuh Mg nur in geringem Masse speichern. Im Frühling mit jungem Gras, wenig strukturiertem Futterangebot, Protein- und Kaliumüberschuss Ver 11 - 27 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung kann es deshalb zu einer Mangelsituation kommen. Akutes Krankheitsbild ist die Tetanie (im Berggebiet kaum bekannt), aber subklinisch könnte der versteckte Mangel auch für Fruchtbarkeitsprobleme verantwortlich sein. Generell wird deshalb empfohlen, im Frühjahr und Spätherbst mit Magnesium angereicherten Mineralstoff zu verabreichen. Schwefel In üblichen Rationen ist genügend Schwefel vorhanden. Beim Einsatz von Futterharnstoff (als Stickstoff-Quelle bei Maismast) kann eine S-Ergänzung nötig werden. Schwefel ist in den Aminosäuren Cystein und Methionin − und in allen darauf aufbauenden Polypeptiden, Proteinen und Enzymen − enthalten. Eisen Eisen ist ein zentraler Baustein des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin. Eisenmangel führt daher zu Blutarmut, vermindertem SauerstoffUmsetzungsvermögen, also verminderter Leistung und geschwächtem Immunsystem. Eisenmangel ist in der Kälbermast immer ein Thema (helles Fleisch). Kupfer Kupfer ist Bestandteil des blauen Hämocyanin, das bei vielen Weichtieren und Gliederfüßern als Blutfarbstoff dem Sauerstofftransport dient. Auch bei allen höheren Lebewesen ist Kupfer als Bestandteil vieler Enzyme ein lebensnotwendiges Spurenelement. Im Vergleich zu vielen anderen Schwermetallen ist Kupfer für höhere Organismen nur relativ schwach giftig. In freier, nicht an Proteine gebundener Form wirkt Kupfer antibakteriell. In der Schweinemast gilt es deshalb als wachstumsfördernd. Pferde und Schafe sind bezüglich Toxizität aber viel weniger tolerant, deshalb kann es zu Vergiftungen kommen, sobald diese Tiere auf intensiv mit Schweinegülle gedüngten Wiesen fressen. Jod Jod spielt im Organismus hauptsächlich eine Rolle für die Produktion der Schilddrüsenhormone. Jodmangel führt zunächst nur zu einer Kropfbildung der Schilddrüse. Erst ein ausgeprägter Iodmangel hat auch eine Unterfunktion der Schilddrüse zur Folge. Da die Schilddrüsenhormone wesentliche Funktionen in der Regulation von Stoffwechselprozessen übernehmen, resultieren aus einer Schilddrüsenunterfunktion schwere Stoffwechsel- und Entwicklungsstörungen. Selen Selen beeinflusst den Fett- und Muskelstoffwechsel sowie die Infektionsabwehr. Selenmangel führt zur Weissmuskelkrankheit der Kälber und Lämmer. Infolge von Muskelkrämpfen zeigen die Tiere als erste Krankheitszeichen einen reduzierten Saugreflex und Muskelzittern. Bei Selenzufuhr und Vitamin-E-Gaben normalisiert sich der Zustand. Ver 11 - 28 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung 4.6. Vitamine und andere Wirkstoffe Vitamine, Enzyme, Aromastoffe, Hormone und andere Wirkstoffe fallen zwar mengenmässig nicht ins Gewicht. Sie haben jedoch zentrale Funktionen bei der Steuerung der Stoffwechselvorgänge im Tier. Hormone Hormone werden vom Körper meistens genügend gebildet. Gelegentlich werden sie als Medikamente eingesetzt (Fruchtbarkeitsbehandlungen, Oxytocin bei Melkproblemen). Der Einsatz von Hormonen zur Leistungssteigerung ist in der Schweiz und in den meisten europäischen Ländern verboten. Enzyme Enzyme sind meistens proteinartige Substanzen, die im Stoffwechsel sehr wichtige Funktionen wahrnehmen. Durch den Zusatz von gewissen Enzymen im Schweinefutter kann zum Beispiel die Ausnützung des Phosphors verbessert werden. Vitamine In der Sommerration des Wiederkäuers kommen Vitamine in der Regel in genügendem Masse vor. Die Winterration dagegen ist eher vitaminarm, da sich die meisten Stoffe im Verlaufe der Lagerung langsam zersetzen. Wiederkäuer sind am ehesten auf die Zufuhr der fettlöslichen Vitamine A, D, E und K angewiesen. Besonders das Betakarotin (eine Vitamin-A-Vorstufe) kann gegen Frühling eine gewisse Bedeutung erlangen, da der im Organismus vorhandene Vorrat langsam zur Neige geht. Unter gewissen Bedingungen, vor allem wenn Hochleistungstiere an chronischer Pansenübersäuerung leiden, können auch die wasserlöslichen B- und C-Vitamine eine gewisse Rolle spielen. Durch die gebremste Aktivität der Pansenmikroben scheint die Nachlieferung dieser Stoffe nachzulassen (Biotin-Zusatz!) Ver 11 - 29 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung 5. Futtermittel Wiesenfutter Grundsätzlich gilt: Je älter das Futter, desto schlechter der Nährstoffgehalt“ - Gras - Grassilage - Dürrfutter Mehr Rohfaser (Zellwandbestandteile) verdrängt die leicht verdaulichen Nährstoffe Zucker, Stärke, Protein. Der Nährwert sinkt. Weiter zu beachten ist: Der Futterverzehr steigt mit Angebot genügend Futter/Fläche anbieten ideale Aufwuchshöhe = 6 bis 20 cm (30 cm) Die NEL- & RP-Gehalte schwanken saisonal gezielte Ergänzungsfütterung (RF, Energie) Deshalb ist das Futterangebot laufend zu überprüfen Milchmenge, -gehalte & Persistenz Krippen-/Weidereste alle Masse in g/kg TS saisonale Schwankungen RP 250 RF 230 140 Zucker 120 210 100 190 80 170 60 150 40 15 20 25 30 35 Woche 40 RP RF Zucker 45 Luzerne Die Luzerne ist weltweit eine der wichtigsten Futterpflanzen. Als trockenheitsresistende Leguminosenart gedeiht sie hervorragend auf leichten und durchlässigen Böden in sonnigen Gegenden. Am meisten Nährstoffe bleiben erhaltern, wenn sie siliert oder künstlich getrocknet werden kann, so dass möglichst viel Blattmasse mitgeerntet werden kann (Bröckelverluste!). Die meiste in der Schweiz verkaufte Luzerne stammt aus Frankreich, Spanien oder Niederlande. Ver 11 - 30 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung Mais ganze Pflanze • • • • Gehalt je nach Reifestadium: „je älter, desto energiereicher“ je reifer, desto höherer TS-Gehalt 28% 32% je trockener, desto anfälliger auf Nachgärungen Häcksellänge, so kurz wie nötig, möglichst alle Körner angeschlagen Maiskolbenschrot (CCM = Corn Cob Mix) • siliert mit 55 bis 60% TS, je nach Spindelanteil • rund 8.0 MJ NEL/kg TS, sehr energiereich • siliert als konzentriertes Futter in Rinder und Schweinemast • als Würfel auch bei Milchvieh und Aufzuchtkälbern Körnermais • sehr energiereiches Getreide, Maiskörnersilage 61% TS, 8,5 MJ NEL • Maiskörner oder Maisfuttermehl mit 8,1 bis 8,5 MJ NEL/ kg TS • Stärke wird im Pansen relativ langsam abgebaut, daher beliebt in Milchviehfutter hoher Gehalt an ungesättigten Fettsäuren bewirkt besonders bei Mastschweinen zu weichem, gelblichem Körperfett (Menge begrenzen!) GetreideGrünfutter Getreide und auch Sonnenblumen können in jungem Stadium als Raufutter genutzt werden. Dabei weisen Hafer und Roggen die besten Energiegehalte auf und stehen für diese Nutzung im Vordergrund (z.b. Grünroggen nach der Maisernte). Getreidearten haben wie alle Gräser einen tiefen Kalziumgehalt, Sonnenblumen dagegen enthalten viel Kalzium. Kreuzblütler Rübsen, Futterraps, Markstammkohl sollen vor Beginn der Blüte genutzt werden. Diese Pflanzen sind sehr wasser-, protein- und mineralstoffreich. Kreuzblütler enthalten zusätzlich verschiedene Substanzen, welche die Gesundheit schädigen können: zum Beispiel hoher Nitratgehalt, unerwünschte Aminosäuren, Senföle und Senfölverbindungen. Bei zu hohem Anteil in der Ration (über 1/3 der Gesamtmenge) kann es zu Vergiftungserscheinungen kommen wie Verdauungsstörungen, Blutarmut, Fruchtbarkeitsproblemen, Organveränderungen an Leber und Nieren oder im Extremfall sogar zum plötzlichen Tod (Nitrat-Nitrit-Vergiftung). Rübenblätter Ver 11 Rübenblätter mit oder ohne Kopf sind wasser- und mineralstoffreich. Während die Blattmasse selbst eher proteinreich ist, steigt bei zunehmendem Anteil an Rübenkopfmasse der Kohlehydratgehalt. Generell ist der Rohfasergehalt tief, was die Einsatzmöglichkeit beim Wiederkäuer beschränkt. Besonders problematisch ist oft die erdige Verunreinigung des Futters, besonders bei schlechter Witterung. Verdauungsprobleme bei Direktverfütterung und Schwierigkeiten bei der Konservierung sind die logische Folge. Faustregel: maximal 40% Rübenblätter in der Grundfutterration. - 31 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung Stroh Stroh ist aufgrund seines geringen Nährwertes kein eigentliches Futtermittel. Es ist reich an stark verholzter Zellulose, die auch für den Wiederkäuer nur schlecht verdaulich ist. Trotzdem wird es in bestimmten Situationen zur Fütterung eingesetzt: • Verdünner in sonst zu nährstoffreichen Rationen, z.B. für Galtvieh • Strukturgeber in sehr rohfaserarmen Rationen, um kritische Situationen von Pansenübersäuerung zu verhindern. • Stroh kann mit Natronlauge (NaOH) oder Ammoniak (NH3) „aufgeschlossen“ werden, d.h. die Rohfaserverdaulichkeit wird leicht verbessert und damit der Futterwert etwas erhöht. Futterrüben und Kartoffeln Futterrüben sind zusammen mit Kartoffeln die am häufigsten eingesetzten Wurzelgewächse. Wegen ihres hohen Wassergehaltes und tiefen Rohfasergehaltes werden sie als Saftfutter bezeichnet. Als sehr energiereiche Futtermittel eignen sie sich sehr gut in Kombination mit proteinreichem Raufutter. Besonders beliebt sind sie als Ergänzung zu Belüftungsheu in der Siloverbotszone. Sie passen auch zu Grassilage, wo kein Mais angebaut wird. Kritische Grösse ist jeweils der schwache Strukturwert von Grassilage/Saftfutter-Rationen. Futterrüben-Dürrfutter-Rationen bewirken ein relativ hartes Milchfett (wenig ungesättigte Fettsäuren) und damit spröden Käseteig. Zur Verbesserung der Käsequalität verlangen deshalb verschiedene Käsereigenossenschaften die Zufütterung von Ölsamen (Sonnenblumen-, Lein- oder Rapssamen). Rüben und Kartoffeln werden von Rindvieh sehr gern gefressen und wirken sehr positiv auf die Leistung, denn • sie beschleunigen den Verzehrsanstieg nach dem Abkalben • sie verdrängen kaum Raufutter, der Gesamt-TS-Verzehr steigt • der sehr hohe Stärke bzw. Zuckergehalt ist ideal für Hochleistungstiere (Energieversorgung im Pansen) Allerdings sind gewisse Rahmenbedingungen einzuhalten: • Nur saubere, gesunde (nicht angefaulte) Rüben & Kartoffeln füttern • Kraftfutterregeln strikte einhalten, da R & K kaum Struktur enthalten • Kartoffelkeime und grüne Kartoffeln nicht verfüttern wegen Giftstoffen (Solanin) Nicht zu unterschätzen sind die Anforderungen an die Lagerung. Rüben wie Kartoffeln sind kälteempfindlich und müssen deshalb vor dem Gefrieren geschützt werden. Ansonsten beginnen sie rasch zu faulen. Zuckerrübenschnitzel Zuckerrübenschnitzel enthalten mit 20% relativ viel Rohfaser. Dank der langsamen, aber fast vollständigen Verdaulichkeit der Zellwandbestandteile weisen Schnitzel für Wiederkäuer trotzdem einen sehr hohen Energiewert auf. Trotz Rohfasergehalt ist der Strukturwert von Schnitzel gering. Besonders im Futtermischwagen ist das pappig werden ein Problem. Die technischen Einrichtungen in den Zuckerfabriken ermöglichen eine bessere Abpressung der Zuckerrübenschnitzel. Sie weisen neu im Durchschnitt einen Trockensubstanzgehalt von 21 bis 23 % auf. Ver 11 - 32 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung Bekanntlich lässt sich trockenes Futter weniger gut verdichten, womit die Gefahr des Lufteinschlusses zunimmt. In der Praxis wird ein plötzliches Auftreten von Schimmel häufig nach einer Entnahmetiefe von etwa 1m festgestellt. Über dieser Schicht und darunter ist die Silage einwandfrei. Beträgt die tägliche Entnahme weniger als 10 cm, so eilt der Pilz der Entnahmetiefe voraus und infiziert immer tiefer liegende Schichten. Deshalb: • Beim Einfüllen das Futter gut verteilen und feststampfen. Dosierte Zugabe von Wasser bei spürbar trockenen Schnitzeln, d.h., wenn Schnitzel nach dem Zusammendrücken auf der Handfläche zerfallen. • Oberste, gefährdete Schicht (1-2 m) mit Siliermittel zur Vorbeugung von Nachgärungen und Schimmelbefall behandeln (Conservit liquid, Luprosil, Mais-Conservit, Mais-Kofasil). • Silowasserpresse aufsetzen. Falls Erwärmung und Schimmel beobachtet wird, Schicht entfernen und Oberfläche mit Luprosil behandeln. In strengen Wintern mit tiefen Temperaturen beginnen Schnitzel wegen des hohen Wassergehaltes im Silo rasch anzufrieren. Dies ist bei der Fütterungsplanung nicht ausser Acht zu lassen. Biertreber (Malztreber) Nasser Malztreber kann frisch direkt zur Verfütterung verwendet werden. Nassmalz enthält rund 23% TS. Mit 240 Rohprotein/kg TS, etwa 135 g APD und etwa 6,3 MJ NEL /kg TS ist Malztreber ein proteinreiches Futtermittel. Der Malztreber ist ohne Konservierung nicht besonders lagerfähig. Unter ungünstigen Bedingungen (grosse Hitze oder Kälte) muss der Treber nach ca. 48 Stunden in ein Vorratssilo abgefüllt werden. Gibt man Salz dazu und deckt den Treber mit einer Folie oder Blache ab, so haltet sich das Produkt im Sommer 3-4 Tage und im Winter etwa 6-7 Tage. als Silage Entnahme Silierter Treber ist problemlos bis zu einem Jahr haltbar. Nach dem Anschnitt muss der Treber kontinuierlich Schicht für Schicht verwertet werden, damit die Ware an der Schnittfläche nicht verdirbt. Folgende Punkte sind bei der Einsilierung zu beachten: • Treber nicht auf dem Transportfahrzeug stehen lassen, sondern sofort unter Luftabschluss lagern • Behälter vor dem Befüllen gründlich reinigen • Kühle Standorte bevorzugen • Treber sofort einfüllen und nicht abkühlen lassen • Silo auf einmal befüllen (innert 1-2 Tagen). Keine Nachfüllung vornehmen • Die Oberfläche luftdicht abdecken und pressen. (Wasserpresse oder Plastikfolie), Saftabfluss sicherstellen (evtl.: Drainage-Rohr) • Bei langer Aufbewahrung oder ungünstigen Lagerbedingungen (6-12 Monate): Silierzusatz beifügen (z.B. 250g Maiskofasil oder 400g Luprosil/100kg). • • • Ver 11 Auf Sauberkeit (auch der Entnahmewerkzeuge) achten Oberste Schicht mit einer Schaufel abschürfen und dafür sorgen, dass eine glatte Oberfläche vorhanden ist. (Luftzutritt verhindern) Bei feuchtwarmer Witterung (erhöhte Schimmelgefahr) die Oberfläche eventuell mit Luprosil Streusalz (50g/m2) oder mit einer 0.4%igen Propionsäurelösung übergiessen - 33 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung • • Kraftfutter Nach der Entnahme möglichst schnell verfüttern Der Treber sollte nicht zu früh entnommen werden. Die erste Gärzeit im Silo soll nicht unterbrochen werden Definitionsgemäss bezeichnet man Futter mit tiefem Rohfasergehalt als Kraftfutter. Aufgrund der hohen Verdaulichkeit von Zucker, Stärke und leichtlöslichen Zellwandbestandteilen haben sie generell einen hohen Nährwert. Sie werden grob in energie- und proteinreiche Kraftfutter unterteilt. Dabei liegt der Unterschied zwischen den beiden Gruppen nicht im Energiegehalt sondern in ihrem unterschiedlichen Protein-EnergieVerhältnis. Als ausgewogen (dem Bedarf des Wiedekäuers entsprechend) gilt ein Verhältnis von etwa 20 – 25 g Rohprotein pro 1 MJ NEL. Berechne das Rohprotein-Energie-Verhältnis Futter Energiereiche Kraftfutter g RP / kg TS MJ NEL / kg TS RP : NEL Getreide Weizen Triticale Gerste Hafer Mais Nebenprodukte Haferflocken Melasse Pflanzenfett Brotabfall Ver 11 - 34 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung Proteinreiche Kraftfutter Futter g RP / kg TS MJ NEL / kg TS RP : NEL Leguminosen Proteinerbse Sojabohne Ölnebenprodukte Sojaextrakt.schrot Sojakuchen Rapsextrakt.schrot Baumwollext.schrot Diverse Maiskleber Kartoffelprotein Malzkeime Bierhefe Magermilchpulver Kurztypisierung der Kraftfutter Gerste Gebräuchlichstes Futtermittel unserer Region. Kann bei allen Tierarten in grossen Mengen eingesetzt werden. Hafer Gut verträglich, wirkt diätetisch. Relativ hohe Gehalte an Rohfaser, Fett und Vitamin-E. Mais Hoher Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Kann deshalb bei Mastschweinen weiches, gelbliches Körperfett bewirken. Bei Milchvieh wegen seiner langsamen Abbaugeschwindigkeit im Pansen sehr beliebt. Weizen Sehr rascher Abbau im Pansen, deshalb ist die Menge bei Milchvieh zu beschränken. Tendenz zu Teigbildung. Roggen Leicht bitterer Geschmack, enthält Brunst erregende Stoffe. Anteil in Mischfutter auf 10 bis 20% beschränken. Mutterkornauswuchs ist extrem giftig Abortgefahr! Triticale Kreuzung von Weizen x Roggen. Anbau bis 1000 m.ü.M möglich. Fütterung vergleichbar mit Weizen. Hirsen Grosse Artenvielfalt. Importprodukt ist häufig Milocorn, für alle Tierarten geeignet. In Getreidemischungen bis zu 50%. Ver 11 - 35 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung Melasse Besteht zu rund 50% aus Zucker und ist dickflüssig (80% TS). Im Verhältnis 2:1 mit Wasser verdünnt eignet sie sich als „Fresshilfe“ für Strohhäcksel und Ökoheu. In der Futterwürfelproduktion dient Melasse als Bindemittel und Staubfänger. Sie ist sehr schmackhaft und ist in vielen Mischfuttern mit etwa 5% enthalten. Fett Für Wiederkäuer kann nur (vor Pansenschmelze) geschütztes Fett eingesetzt werden. Die im Fett reichlich vorhandene Energie steht somit den Pansenmikroben nicht zur Verfügung und leistet somit keinen Beitrag zur mikrobiellen Proteinsynthese. Bei Grassilage-Rationen mit hoher NAnflutung im Pansen grundsätzlich wenig geeignet. Schotte Sie enthält viel Wasser (5 bis 6% TS), aber auch wertvolle Nährstoffe, vor allem Milchzucker. Eine echte Alternative zur Verwertung über die Alpschweine kommen Mastremonten, z.B. Mastochsen in Frage. Sojaschrot / Sojakuchen Enthält biologisch wertvolles Pflanzenprotein, das sich für alle Tierarten sehr gut eignet. Rapsschrot Proteinqualität ansprechend. Bei den heutigen 00-Rapssorten ist der Gehalt an Senfölen wesentlich tiefer als bei den alten Sorten (Bittergeschmack). Trotzdem ist die Fresslust beschränkt. Bei Milchvieh eignet sich Raps besonders bei hohem N-Bedarf im Pansen, weil Rapsprotein im Pansen sehr stark abgebaut wird. Eiweisserbsen Sind hochverdaulich und enthalten keine Bitterstoffe. Bei Nichtwiederkäuern begrenzt der tiefe Methionin-Gehalt (eine essentielle Aminosäure) die Einsatzmöglichkeiten. Sojabohnen Sie müssen für die Fütterung hitzebehandelt (getoastet) werden. Durch die Hitze wird ein sogenannter Trypsin-Inhibitor, der die Proteinverdaulichkeit hemmt, zerstört. Bier- und Futterhefe Sehr protein- und vitaminreich. Wegen der hohen Pansenabbaubarkeit für Milchviehfutter nur bedingt geeignet. Kleber (Getreideproteine) Sehr hoher Rohproteingehalt. Am häufigsten auf dem Markt ist Maiskleber (aus der Maisstärkeproduktion). Dank seiner geringen Pansenabbaubarkeit eignet sich Maiskleber besonders für Milchvieh. Allerdings entspricht das Aminosäuremuster nicht dem Bedarf der Milchkuh. Eine Zulage von gewissen Aminosäuren (meistens Methionin) kann deshalb bei Höchstleistungen nochmals eine Verbesserung der Nährstoffversorgung bewirken. Kleie (Krüsch) Meist Weizenkleie, relativ mässiger Nährwert, verminderte Verdaulichkeit. Wird aber wegen seiner diätetischen Wirkung trotzdem geschätzt. Keime Weizenkeimöl, hochverdauliches, vitaminreiches Futtermittel, vor allem für Jungtiere. Magermilch Sie weist einen hohen Milchzucker- und Proteingehalt auf. Sie eignet sich besonders für Jungtiere (Magermilchpulver). Tierkörpermehle Seit November 2000 besteht wegen BSE-Risiko ein generelles Einsatzverbot für Tierkörpermehle. Ver 11 - 36 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung 6. Fütterungspraxis Milchvieh Die Fütterung der hochleistenden Milchkuh in der Startphase ist eine Gratwanderung: • der Energiebedarf ist nur mit einem hohen Anteil an leichtverdaulichem Kraftfutter zu decken; • zuviel Kraftfutter in der Ration führt zu Strukturmangel. Kühe mit weniger hoher Leistung sind diesbezüglich pflegeleichter. Sie reagieren weniger sensibel auf allfällige Fütterungsfehler. Laktationsphasen Der Nährstoffbedarf der Milchkuh ist je nach Laktationsphase sehr unterschiedlich. Dies ist bei der Fütterungsplanung zu berücksichtigen. 3 Wochen a.p. Während dieser oft als Transitphase bezeichneten Zeit wird die Kuh auf die kommende Höchstleistung sachte vorbereitet. Ideal ist ein langsames Umstellen auf die Startration mit langsam steigender Kraftfuttermenge. Startphase Die Nährstoffnachlieferung aus dem Futter reicht nicht aus zur Bedarfsdeckung. Energetisch zehrt die Kuh von den Körperreserven (Körperfettabbau). Im Proteinbereich fehlt dieses Zusatzangebot. Deshalb benötigen Kühe in der Startphase ein eher proteinreicheres Ausgleichsfutter als im späteren Laktationsstadium. Wichtigstes Fütterungsziel ist es, einen maximalen Verzehr zu ermöglichen, d.h. möglichst qualitativ gutes Grundfutter, lange Fütterungszeit, Krippenreste tolerieren, Kraftfuttergaben dosiert auf mehrere Gaben, ev. Kraftfutter mit Ketoseschutz, ev. Pansenpuffer. Wasser! Produktionsphase Nährstoffaufnahme und Nährstoffbedarf sind +/- im Gleichgewicht. Die Kuh ist wieder trächtig und soll sich jetzt vor allem aus dem Grundfutter ernähren. Hohe Kraftfuttergaben in dieser Periode sind betriebswirtschaftlich fragwürdig. Laktationsende und Galtphase Der Nährstoffstoffbedarf ist gering. Es genügt, den Erhaltungsbedarf plus den Bedarf des wachsenden Embryos zu decken (dieser entspricht etwa 6-8 Liter Tagesmilch). Besonders Milchrassenkühe (grosser Verdauungsapparat) werden in dieser Phase oft überfüttert. Ökoheu würde nährstoffmässig genügen. Ver 11 - 37 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung Futterverzehr Tier Alter Gewicht Die Verzehrsmenge ist die wichtigste Grösse der Milchviehfütterung. Sie ist abhängig • vom Tier • von der Futterart und –qualität und • von der Fütterungstechnik. Jungkühe fressen eindeutig weniger, da der Verdauungsapparat noch nicht voll entwickelt ist. je grösser/schwerer das Tier, desto mehr frisst es Typ milchbetonte Kühe haben einen grösseren Verdauungsapparat Laktationsstadium besonders junge Tiere fressen in der Startphase weniger ältere Kühe erholen sich rascher vom Verzehrseinbruch Futter • • • • • Fütterungstechnik Ver 11 je besser die Futterqualität, desto mehr frisst die Kuh (Schmackhaftigkeit) Rationen mit hohem Siloanteil führen zu Verzehrseinbussen Rationen mit hohem TS-Gehalt werden besser gefressen Saftfutter (Rüben, Kartoffeln, ev. ZR-Schnitzel) fördern den Verzehr sperriges Futter bleibt länger im Pansen, der Hunger kommt später Verzehrsfördernd sind: • kühles Stallklima • Bewegung, Laufstall • lange Fresszeiten, ad. libitum-Futtervorlage • Lichtdauer im Stall, Futter nachlegen • Krippenreste tolerieren • Wasser ständig verfügbar, Viehsalz • Kraftfutter verteilt auf kleine Portionen (stabile Pansenverhältnisse) oder eingemischt im Grundfutter (TMR) - 38 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung Saisonale Milchproduktion Die meisten Betriebe arbeiten mehr oder weniger saisonal. Das kann einen Zusammenhang haben • mit dem Futterwuchs (Alpzyklus) In der Höhe bieten die Monate August/September einen sehr schlechten Futterwuchs. Am besten sind in dieser Zeit die Kühe galt. Beim Abkalben im Tal profitieren sie vom jungen Gras der Herbstweide. Die Winterfütterung ist zwar teuer, aber sehr kontrolliert. • mit dem saisonalem Milchpreis Der Milchpreis ist in den milchschwachen Monaten viel besser als im Mai. Mit gleicher Milchmenge kann der Ertrag deutlich gesteigert werden. • mit den Futterkosten Weidegras ist das billigste Futter, das die Kühe sogar selbst nach Hause holen. Wenn die Kühe sehr früh im Frühling abkalben, profitieren sie zudem vom grossen Futterberg im Frühling/Frühsommer. Im Berggebiet funktioniert die Vollweidestrategie etwas weniger gut als im Talgebiet, weil die Vegetationszeit kürzer ist und weil vor allem der Spätsommer auf der Alp die Milchproduktion sehr stark hemmt. • mit der verfügbaren Arbeitszeit Für manche Milchviehproduzenten ist es praktisch die einzige Möglichkeit, einige Tage vom Betrieb abkömmlich zu sein, wenn einmal sämtliche Kühe galt stehen. • mit der Betriebsgrösse kleinere Betriebe mit Laufstallhaltung haben oft organisatorisch Probleme eine echte Gruppenfütterung einzurichten. Wenn möglichst viele Kühe im gleichen Laktationsstadium stehen, erleichtert das die Fütterung. Umtriebsweide Die meisten Betriebe im Berggebiet praktizieren eine Form der Umtriebsweide, d.h. verschiedene Koppeln werden nacheinander abgeweidet, anschliessend geputzt, gedüngt und nach rund 4 Wochen wieder bestossen. Oft wird mit einem Stoppdraht zusätzlich eine Tages- oder sogar eine Halbtagesration vorgegeben. Das System bietet sich vor allem an bei knapper Fläche. Standweide Die Standweide hat den Vorteil, dass die Kühe (fast) immer über ein gleichmässiges Futterangebot verfügen. Voraussetzung für das einwandfreie Funktionieren ist eine einigermassen flache Topographie ohne spezielle Lägerstellen. Ver 11 - 39 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung 7. Fütterungspraxis Aufzuchttiere Ein guter Start ist Grundvoraussetzung für Gesundheit und Entwicklung. Das Kalb ist nach der Geburt schutzlos den Krankheitserregern ausgesetzt. Es bedarf deshalb besonderer Hygiene: • saubere, gut eingestreute Abkalbebox • Kolostralmilch innerhalb der ersten 5 Lebensstunden • Kolostralmilc hphase Die Kolostralmilch ist ideal auf die Bedürfnisse des neugeborenen Kalbes abgestimmt: • hoher Gehalt an leichtverdaulichen Nährstoffen • hoher Mineralstoff- und Vitamingehalt • sehr hoher Globulingehalt. Das sind Milchproteine, welche als Abwehrstoffe gegen Infektionserreger (Bakterien, Viren) wirken. Die Aufnahme der Abwehrkörper vom Darm ins Blut ist nur in den ersten Lebensstunden möglich. Ohne genügend Kolostralmilch in den ersten Stunden fehlt dem Kalb der Schutz gegen Krankheitserreger. Der Aufbau einer eigenen Immunität erfolgt erst kontinuierlich in den ersten beiden Lebensmonaten. Kolostralmilch-Reserve von einer älteren Kuh tiefgefrieren als Hilfe in Notfällen! Schonend auftauen im Wasserbad! Erste Lebenswochen Das Verdauungssystem des neugeborenen Kalbes funkitioniert zuerst das eines Nichtwiederkäuers. Damit die Milch im Labmagen optimal gerinnt, sollte sie möglichst kuhwarm sein, also 400C. Der Schlundrinnenreflex reagiert auf die Milchtemperatur, auf das Saugen und auf eine natürliche Kopfstellung (saugen an der Kuh). Zu viel Milch aufs Mal, zu kühle Milch, zu grosse Nuggi-Öffnung oder sogar das Kalb saufen lassen führt unweigerlich zu Durchfall-Problemen. vom Milchsäufer zum Wiederkäuer Ab der zweiten Lebenswoche soll dem Aufzuchtkalb gutes Dürrfutter in kleiner Menge vorgelegt werden. Gleichzeitig soll das Kalb die Möglichkeit haben, frisches Wasser aufzunehmen. Bei allen Frühabsetzmethoden wird sofort mit der Zufütterung von Ver 11 - 40 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung Kälberaufzuchtfutter begonnen, damit sich der Pansen möglichst rasch entwickelt. Dies ist unbedingt notwendig, da die Pansenwand darauf vorbereitet werden muss, die Abbauprodukte der Kohlehydrate aufzunehmen. Die effektiv in der Kälberaufzucht eingesetzte Milchmenge ist unter Milchkontingentsbedingungen meist eher ein betriebswirtschaftlicher Entscheid als ein fütterungstechnischer. Sobald nicht alle Milch zu einem guten Preis als Verkehrsmilch abgesetzt werden kann, ersetzt sie das sonst eigentlich billigere Kraftfutter. Voraussetzung für eine erfolgreiche Aufzuchtfütterung mit wenig Milch ist eine konsequente Angewöhnung der Kälber an das Kraftfutter. Mit Heu allein ist eine genügende Nährstoffversorgung der Jungtiere unmöglich. Rationenbeispiel Frühabsetzen 5.0 4.5 4.0 400 Liter Milch kg TS pro Tag A.Häberli, Rütti 3.5 3.0 2.5 2.0 1.5 1.0 0.5 0.0 0.3 0.9 1.7 2.4 3.1 4.2 5.1 6.1 Alter in Monaten Milch Fütterung der Rinder Heu Maissilage Kraftfutter Die Aufzuchtfütterung muss bedarfsgerecht, aber möglichst einfach und kostengünstig sein. Ab zirka halbjährig nehmen die Ansprüche des Aufzuchttieres an die Nährstoffversorgung ab. Eine allzu hohe Fütterungsintensität vor und während der Pubertät (10. bis 15. Lebensmonat, je nach Rasse und Entwicklung) wirkt sich sogar nachteilig auf die Fruchtbarkeit und die folgende Laktation aus. Bedarf an NEL und APD pro kg TS g APD MJ NEL 120 6.6 100 6.3 80 6 60 5.7 40 5.4 20 5.1 g APD/ kg TS MJ NEL/kg TS 0 4.8 125 150 175 200 250 300 350 400 450 500 550 600 Gewicht in kg Ver 11 - 41 - Nebenerwerbskurs 2011 - 13 Rindviehfütterung Für die Gesunheit und Langlebigkeit der Tiere sind die Weidehaltung und die Alpsömmerung ideal. Bei frühreifen Typen mit einem Abkalbeziel im Bereich von unter 26 Monaten ist allerdings ein kontinuierliches Wachstum unabdingbar. „Hungerphasen“, beispielsweise im Spätsommer auf der Alp, sind bei solchen Tieren unbedingt zu vermeiden, da ihnen zuwenig Zeit bleibt, den Wachstumsrückstand zu kompensieren. Mit ausgewogenem Grünfutter, Dürrfutter und Grassilage sind die Rinder normalerweise bedarfsgerecht versorgt. Bezüglich Mineralstoffe braucht das wachsende Tier immer Natrium (Viehsalz) sowie eine normale Kalzium-Phosphor-Ergänzung. Bei Futterrationen mit hohem Anteil an Maissilage oder auch bei stark mit Stroh verdünnten Rationen ist der Mineralstoffversorgung mehr Beachtung zu schenken. Hochträchtige Rinder Ver 11 Frisch gekalbte Rinder sind besonders gefordert. Der Futterverzehr der zunehmend jungen, nicht ausgewachsenen Tiere entspricht in keiner Art und Weise dem Nährstoffbedarf. Oft fressen solche Tiere auch das Kraftfutter schlecht, weil sie es noch zuwenig kennen. Deshalb sollte die Angewöhnung an die Kuhration inklusive Kraftfutter spätestens zwei Wochen vor dem Abkalben beginnen. - 42 -