Finanzmathematik - Institut für Stochastik und Anwendungen

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1. Einführung
Finanzmathematik
Die klassische Finanzmathematik beschäftigt sich in erster Linie
mit grundlegenden Finanzinstrumenten oder Anlageformen (basic
securities)
Vorlesung WS 2010/11
Jürgen Dippon
Institut für Stochastik und Anwendungen
Universität Stuttgart
I
Aktien (stocks)
I
festverzinsliche Wertpapiere (bonds)
I
Währungen (foreign exchange)
I
Rohstoffe (commodities)
I
Energie
Version vom 28. März 2011
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Geschichte
Die moderne Finanzmathematik untersucht derivative
Finanzinstrumente (derivatives, derivative securities, contingent
claims), die von einfacheren Finanzinstrumenten (underlyings)
abgeleitet werden.
Beispiele für Derivate:
I
17. Jahrhundert in den Niederlanden: Put-Optionen auf
Tulpen
I
18. Jahrhundert in London: Problem — kein gesetzlicher
Rahmen beim Ausfall eines Vertragspartners
I
1930: Gesetzliche Regulierung
I
Forwards
I
1970: Bedeutende Zunahme von Termingeschäften
I
Futures
I
1973: Gründung der Chicago Board Options Exchange
Optionen (options, contingent claims)
I
1990: Deutsche Terminbörse (DTB) nimmt Handel mit
Optionen auf
I
1998: Fusion der DTB mit der SDFEX (Schweizerische
Terminbörse) zur EUREX
I
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Wissenschaftliche Untersuchung
I
1900: Louis Bachelier modelliert in seiner Dissertation
“Theorie de la spéculation” den Aktienkurs als Brownsche
Bewegung
I
1965: Paul Samuelson modelliert den Aktienkurs als
geometrische Brownsche Bewegung
I
1973: Fischer Black und Myron Scholes geben explizite
Formeln zur Optionspreisbewertung an — unabhängig davon
auch Robert Merton
I
1981: M. Harrison und S. Pliska führen Martingalmethoden in
die Optionspreisbewertung ein
I
1997: Ökonomie-Nobelpreis für Scholes und Merton (Black
1995 gestorben)
I
2003: Ökonomie-Nobelpreis für Robert F. Engle
(ARCH-Zeitreihen)
Quantitative Fragen
I
Bewertung (pricing) von Derivaten
I
Hedging Strategien für Derivate (Absicherung)
I
Risikomanagement von Portfolios
I
Portfoliooptimierung
I
Modellwahl und Kalibrierung
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Aktuelle Fragestellungen
I
Grundbegriffe
Verbesserung der Modellierung der Underlyings: Lévy
Prozesse, fraktale Brownsche Bewegung, Sprünge in den
Aktienkursen, Insider-Information, stochastische Volatilitäten,
...
I
Modellierung des Korrelationsrisikos in großen Portfolios
I
Bewertungsmethoden für hochdimensionale und
pfadabhängige Auszahlunsprofile in komplexeren Modellen
I
Modellierung der Marktliquidität und des Ausfallrisikos
I
Risikomanagement bei extremer Entwicklung von Märkten
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Finanzinstrumente:
I
primäre Finanzinstrumente: Basisgüter
I
sekundäre Finanzinstrumente: Derivate
Definition 1.1. Ein Derivat ist ein Finanzinstrument, dessen Wert
zum Verfallszeitpunkt T (expiry date) vom Wert eines einfacheren
Finanzinstruments (underlying) zum Zeitpunkt T (oder auch vom
Werteverlauf bis zum Zeitpunkt T ) abhängt.
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Beispiele für Basisgüter (underlying securities)
I
Aktien (stocks)
I
Zinsraten (interest rates)
I
Währungen (currencies)
I
Rohstoffe (commodities)
I
Wetter
I
Indizes wie DAX, Dow Jones, CAT-Index (catastrophe losses)
I
Firmenwerte (firm values)
I
Bonitäten (rating)
Festverzinsliche Wertpapiere
Startkapital zum Zeitpunkt t = 0: B0
Bei jährlicher Zinsausschüttung mit Zinsrate r per annum:
Kapital nach t = n Jahren
(1)
Bn = B0 (1 + r )n
Zinsausschüttung nach
Kapital nach n Jahren
1
k
Jahren und Zinsrate
(k)
Bn
r
k
pro
1
k
Jahre:
r nk
= B0 1 +
k
Bei stetiger Verzinsung mit dem Momentanzins (short rate) r :
Kapital nach n Jahren
Die Preisentwicklung eines Basisgutes wird üblicherweise mit
S = (St ) = {St | t ≥ 0} bezeichnet.
(k)
Bn := lim Bn
k→∞
= B0 e nr
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Modellannahmen (perfekter Finanzmarkt)
Märkte:
I
Börsen
I
OTC (Over-the-Counter)
Typen von Händlern:
I
Hedgers versuchen ihre Institution gegen Risiken abzusichern
I
Spekulanten versuchen durch “Wetten” Profit zu machen
I
Arbitrageure versuchen durch simultane Transaktionen auf
verschiedenen Märkten Profit aus Kursdifferenzen zu ziehen
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I
reibungsloser Markt: keine Transaktionskosten, keine Steuern,
keine Einschränkungen für short sales, Kaufs- und
Verkaufspreise sind identisch
I
kein Ausfallrisiko, Soll- und Habenzinsen sind identisch
I
Wettbewerbsmarkt: der Preis wird vom Markt und nicht von
einzelnen Marktteilnehmern festgelegt
I
Kapitalanlagen sind beliebig teilbar
I
NO ARBITRAGE!!!
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Finanzmärkte bieten
Short Selling ist eine Handelsstrategie, bei der der Investor
Objekte, z.B. Aktien, die ihm nicht selbst gehören, von einem
Partner für eine gewisse Zeit ausleiht, diese verkauft, später wieder
zurückkauft und an den Partner zurückgibt. In der Zwischenzeit
anfallende Erträge des Objekts (z.B. Dividenden) muss der Investor
an den Partner erstatten.
I
risikolose Anlagen (z.B. festverzinsliche Wertpapiere)
I
risikobehaftete Anlagen (z.B. Aktien)
Ein Anleger ist nur bereit, in risikoreichere Anlagen zu investieren,
wenn er die Möglichkeit sieht, einen höheren Profit als in
risikoärmeren Anlagen zu erzielen.
Short Selling ist nur dann für den Investor interessant, wenn der
Rückkaufswert St (deutlich) kleiner als der Verkaufswert S0 ist.
Arbitrage ist die Möglichkeit, ohne Kapitaleinsatz einen risikolosen
Profit zu erzielen (formale Definition später).
Würde diese Möglichkeit bestehen, so könnte man damit risikolos
riesige Geldsummen erwirtschaften. Märkte im Gleichgewicht
neutralisieren solche Arbitrage-Möglichkeiten.
Es wird sich zeigen, dass die No-Arbitrage-Annahme direkt zu einer
Methode zur Bewertung von Derivaten führt.
Short Selling ist in der Praxis zahlreichen Restriktionen
unterworfen.
Ein Portfolio ist eine Kombination mehrerer Finanzinstrumente,
deren Wertentwicklung als Ganzes gesehen wird.
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Bei Vertragsabschluss (t = 0) führt der Verkäufer des Kontraktes
die beiden folgenden Aktionen durch:
Beispiel eines einfachen Derivates:
Definition 1.2 Ein Forward-Kontrakt (Terminkontrakt)
vereinbart den Kauf oder Verkauf eines Finanzgutes zu einem
festen zukünftigen Zeitpunkt T (delivery date) zu einem festen
Preis K , dem sog. Terminkurs (delivery price, strike price).
I
Er nimmt einen Kredit über S0 zur risikofreien Zinsrate r auf
I
Er kauft das Underlying mit diesem Geldbetrag
Bei Vertagsablauf (t = T ) führt der Verkäufer des Kontraktes die
beiden folgenden Aktionen durch:
Häufig wählt man den Terminkurs K so, dass der Wert der
Forward-Kontraktes bei Vertragsabschluss (t = 0) den Wert Null
hat. Bei dieser Wahl des Terminkurses ist bei Vertragsabschluss
also nichts zu bezahlen, erst zum Zeitpunkt T .
I
Er übergibt dem Käufer des Underlying (welches jetzt den
Wert ST besitzt) zum Preis von K = S0 e rT .
I
Zur Tilgung des Kredits bezahlt er S0 e rT .
Damit hat er alle Verbindlichkeiten aufgelöst.
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Beispiel:
Ein Investor erwirbt am 1. September einen Forward-Kontrakt mit
dem Inhalt, in 90 Tagen 106 e zum Umtauschkurs von 0.9 US $
zu kaufen.
Würde der Verkäufer einen Betrag K > S0 e rT fordern, könnte er
einen risikolosen Gewinn einstreichen.
Würde der Verkäufer einen Betrag K < S0 e rT fordern, könnte der
Käufer einen risikolosen Gewinn einstreichen.
Dies würde jeweils der Forderung nach arbitragefreien Preisen
zuwiderlaufen.
Falls der Kurs nach Ablauf der 90 Tage auf 0.95 $ gestiegen ist,
gewinnt der Investor 5 · 104 $, da 106 e dann am Markt für
0.95 · 106 $ verkauft werden können.
Damit ist der arbitragefreie Terminkurs
Hier also
t = 1. September
K = S0 e rT
T − t = 90 Tage
T = 30. November
Beachte: Es wurden keine Annahmen über die Kursentwicklung
von (St ) gemacht!
K = 0.9 · 106 $
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Pay-off-Profil (Auszahlungsprofil) eines Forward-Kontraktes zur
Zeit T :
Forwards sind nicht standardisiert und bergen das Risiko in sich,
dass eine Vertragsseite ausfällt (default risk). Sie werden deshalb
an Börsen kaum gehandelt, sondern nur “over the counter” (OTC).
payoff
long position
K
Eine Variante sind Futures, welche in standardisierter Form an
Börsen gehandelt werden. Hierbei wird, z.B. täglich, die
Wertveränderung des Futures (aufgrund von Wertänderungen des
zugrundeliegenden Finanzgutes) zwischen den Vertragsparteien
ausgeglichen, so dass der Wert des Futures anschließend wieder
gleich Null ist. Unter schwachen Voraussetzungen stimmen
Terminkurse (delivery prices) von Forwards und Futures überein.
ST
Futures werden z.B. an der CBOT gehandelt.
short position
Pay-off eines Forward-Kontraktes zum Laufzeitende T :
Pay-off eines Forward-Verkaufskontraktes zum Laufzeitende T :
ST − K
K − ST
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Ein etwas komplizierteres Derivat:
Pay-off einer long position bei einem Call zum Verfallszeitpunkt T
Definition 1.3 Eine Option gibt dem Käufer das Recht, ein
bestimmtes Finanzgut bis zu einem zukünftigen Verfallszeitpunkt
T (expiry, maturity) zu einem vereinbarten Ausübungspreis K
(strike price) zu kaufen oder verkaufen.
payoff
Der Optionskontrakt beinhaltet im Unterschied zum Forward oder
Future jedoch nicht die Pflicht zur Ausübung.
Beim Kaufrecht wird die Option als Call (Kaufoption), beim
Verkaufsrecht als Put (Verkaufsoption) bezeichnet.
K
ST
Ist die Ausübung der Option nur zum Verfallszeitpunkt T möglich,
so spricht man von einer europäischen Option. Kann die Option
jederzeit bis zum Zeitpunt T ausgeübt werden, wird diese
amerikanische Option genannt.
Pay-Off = (ST − K )+ = max{ST − K , 0} = max{ST , K } − K
Der Käufer befindet sich in einer long position, der Verkäufer
befindet sich in einer short position.
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Gewinn (yield) einer long position bei einer Call-Option
yield
Sei t ≤ T .
S(t) < K : die Option ist out of the money
S(t) = K : die Option ist at the money
S(t) > K : die Option ist in the money
Problem: Wie lautet der “faire” Preis C0 und P0 für eine Call- bzw.
Put-Option?
K
−C0
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K+C0
ST
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Beispiel
Markt mit drei Anlagemöglichkeiten:
I (risikoloser) Bond B
I Aktie S
I europäische Call-Option mit Strike K = 1 und Expiry t = T
auf die Aktie S
Investition zum Zeitpunkt t = 0 mit Preisen (in e)
I B(0) = 1
I S(0) = 1
I C (0) = 0.2
Zum Zeitpunkt t = T soll sich die Welt (der Markt) in nur zwei
möglichen Zuständen befinden können:
Startkapital sei 25 e.
Portfolio A : t = 0
Anlage
Bond
Aktie
Call
Betrag in e
10
10
5
25
Portfolio A : t = T
Anlage
Bond
Aktie
Call
u (= up) oder d (= down)
mit Preisen (in e)
B(T , u) = 1.25, S(T , u) = 1.75, also C (T , u) = 0.75
und
B(T , d) = 1.25, S(T , d) = 0.75, also C (T , d) = 0
Anzahl
10
10
25
up
12.5
17.5
18.75
48.75
down
12.5
7.5
0
20.0
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Portfolio B : t = 0
Anlage
Bond
Aktie
Call
Anzahl
11.8
7
29
Betrag in e
11.8
7
5.8
24.6
Offensichtlich existiert in diesem Markt eine Arbitrage-Möglichkeit,
da Portfolio A und Portfolio B denselben Gewinn erwirtschaften —
Portfolio B jedoch mit einem geringeren Einsatz!
=⇒ Call-Option besitzt falschen Preis!
Stelle zum Zeitpunkt t = 0 das Differenzportfolio C auf:
Portfolio B : t = T
Anlage
Bond
Aktie
Call
up
14.75
12.25
21.75
48.75
Portfolio C := Portfolio B − Portfolio A
down
14.75
5.25
0
20.0
= (11.8, 7, 29) − (10, 10, 25)
= (1.8, −3, 4)
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Portfolio C zum Zeitpunkt t = 0:
Anlage
Bond
Aktie
Call
Aktion
Kaufe 1.8 Einheiten
Verkaufe 3 geliehene Einheiten,
welche zum Zeitpunkt t = T
wieder zurückgegeben werden
kaufe 4 Einheiten
-1.8
3
Zum Zeitpunkt t = T ist das Portfolio C also ausgeglichen.
Zum Zeitpunkt t = 0 wurde damit ein risikoloser Gewinn von 0.4
e realisiert.
-0.8
0.4
Weitere Beobachtung:
Mit 1.8 Bonds und 3 Aktien short kann die Wirkung der
Call-Option zum Zeitpunkt t = T neutralisiert werden.
Dies ergibt zum Zeitpunkt t = 0 einen Gewinn von 0.4 e.
Man sagt:
Die Bond- und die Aktienposition bilden einen Hedge gegen die
Position des Calls. Dies gilt unabhängig davon, wie groß die
Wahrscheinlichkeiten für den Zustand up/down der Welt sind!
Portfolio C zum Zeitpunkt t = T :
Anlage
Bond
Aktie
Call
Aktion
Verkaufe 1.8 Einheiten
Kaufe 3 Einheiten zurück
Option ausüben, falls sinnvoll
up
2.25
-5.25
3
0
down
2.25
-2.25
0
0
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Beispiel: Aktie der Deutschen Bank (alle Preise in DM)
t = 23. Juni 1997, T = 18. Juni 1998, K = 80.00, r = 3.15% p.a.
Put-Call-Parität
Seien St der Spot-Preis einer Aktie, Ct und Pt die Werte von auf
der Aktie definierten europäischen Call- bzw. Put-Optionen mit
Verfallsdatum T und Ausübungspreis K .
Aktie
Call
Put
Πt bezeichne den Wert eines Portfolios bestehend aus einer Aktie,
einem Put und einer short position in einem Call:
S(t)
C (t)
P(t)
S(t) + P(t) − C (t)
=
=
=
=
97.70
23.30
4.16
78.66
Πt = St + Pt − Ct
Diskontierter Strike-Preis:
Satz 1.1 Für europäische Call- und Put-Optionen Ct und Pt auf
der zugrunde gelegten Aktie St (ohne Dividendenzahlung) gilt die
Put-Call-Parität
∀
0≤t≤T
K
80
=
= 77.56
1+r
1.0315
Π(t) = St + Pt − Ct = Ke −r (T −t)
Ursachen für Differenz: Dividendenzahlung vor T ,
Nachfrageeffekte, . . .
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Schranken für Optionen
Satz 1.4 (i) Für zwei Call-Optionen auf denselben Basiswert, mit
demselben Verfallsdatum, aber unterschiedlichen Ausübungspreisen
K1 < K2 , gilt für alle t ∈ [0, T ]
Satz 1.2 Für europäische und amerikanische Call-Optionen gilt:
+
C (t) ≥ S(t) − e −r (T −t) K
∀
(a) CK1 (t) ≥ CK2 (t)
t∈[0,T ]
∀
(b) CK1 (t) − CK2 (t) ≤ e −r (T −t) (K2 − K1 )
C (t) ≤ S(t)
(c)
t∈[0,T ]
∀
λ∈[0,1]
Satz 1.3 Es ist nicht sinnvoll, eine amerikanische Call-Option vor
ihrem Verfallsdatum auszuüben, da
∀
CλK1 +(1−λ)K2 (t) ≤ λCK1 (t) + (1 − λ)CK2 (t)
(ii) Für zwei Call-Optionen auf denselben Basiswert, mit demselben
Ausübungspreis, aber unterschiedlichen Verfallsdaten T1 und T2 ,
gilt
T1 ≤ T2 =⇒ C (T1 ) ≤ C (T2 )
CA (t) = CE (t)
t∈[0,T ]
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Ein-Perioden-Marktmodelle
1 Aktie mit Preis S0 = 150
1 Bond mit Preis B0 = 1 mit Zinsrate r im Zeitraum T
Satz 1.5 Für amerikanische Optionen gilt die folgende
Put-Call-Beziehung:
∀
S(t) − K ≤ CA (t) − PA (t) ≤ S(t) − Ke −r (T −t)
t∈[0,T ]
Aktienpreis ST
Bondpreis BT
Zustand ω1 mit W p
180
1+r
Zustand ω2 mit W 1 − p
90
1+r
Gesucht: Preis einer europäischen Call-Option mit Verfallsdatum T
und Ausübungspreis K = 150
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Auszahlung
(
30 falls ω = ω1
XT (ω) = (ST − K )+ (ω) =
0
falls ω = ω2
Spezialfall: Für p =
Erwartungswert von XT
1
2
und r = 0 folgt X0 = 15
Wir zeigen: Dieser Optionspreis lässt jedoch Arbitrage zu!
Dazu konstruieren wir aus Sicht des Käufers der Option ein
Portfolio, das Arbitrage zulässt.
E(XT ) = 30 · p + 0 · (1 − p) = 30p
Mögliche Definition des Call-Preises zum Zeitpunkt t = 0
XT
30p
X0 = E
=
1+r
1+r
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Zeitpunkt t = 0:
Aktion
Kaufe die Option zum Preis von 15
Leihe 31 der Aktie und verkaufe diese zum Preis von 150
3
Kaufe festverzinsliches Wertpapier zum Preis von 35 (r = 0)
Bilanz
Cash Flow
−15
50
−35
0
Aufgabe:
Konstruiere aus Sicht der die Option verkaufenden Seite ein
Portfolio, bestehend aus
I
einer Anzahl a festverzinslicher Wertpapiere (jeweils mit Wert
1 zum Zeitpunkt t = 0 und Zinsrate r während der Laufzeit)
und
I
einer Anzahl b von Aktien,
Zeitpunkt t = T :
Zustand ω1
(Wert der Aktie ST = 180)
Option wird ausgeübt
Kaufe 13 Aktie und Rückgabe
Verkauf des Wertpapiers
Bilanz
30
−60
35
5
Zustand ω2
(Wert der Aktie ST = 90)
Option wertlos
Kaufe 13 Aktie und Rückgabe
Verkauf des Wertpapiers
0
−30
35
5
welches das Auszahlungsprofil (zum Zeitpunkt t = T ) der Option
repliziert. Bestimme damit den arbitragefreien Wert der Option
(zum Zeitpunkt t = 0).
Mit dieser Strategie wäre ein risikoloser Gewinn von 5
Geldeinheiten möglich. Also kann X0 = 15 kein arbitragefreier Preis
der Option sein!
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Mit Werten:
Zum Zeitpunkt t = 0:
a · 1 + b · 150 = X0
Lösung:
Zum Zeitpunkt t = 0:
Zum Zeitpunkt t = T :
a · 1 + b · S0 = X0
Zum Zeitpunkt t = T :
(1)
a · (1 + r ) + b · 90 = 0
(2)
a · (1 + r ) + b · 180 = 30
Auflösen des linearen Gleichungssystems mit den beiden
b
· 90 und
Unbekannten a und b liefert aus (1) zunächst a = − 1+r
damit
1
b=
3
also
30
a=−
1+r
und
30
X0 = 50 −
1+r
+
a · (1 + r ) + b · ST (ω1 ) = (ST (ω1 ) − K )
a · (1 + r ) + b · ST (ω2 ) = (ST (ω2 ) − K )+
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Eine modernere Lösung des Problems besteht in der Anwendung
der Methode der risikoneutralen Bewertung:
(i) Ersetze p durch p ∗ so, dass der diskontierte Aktienpreisprozess
ein faires Spiel ist:
ST
∗
S0 = E
1+r
Man sagt, das o.g. Portfolio repliziert zu jedem Zeitpunkt die
Call-Option.
Mit dieser Replikationsstrategie kann
I
der arbitragefreie Preis der Option ermittelt werden
I
die die Option ausstellende Institution sich gegen Preisrisiken
absichern (Hedging)
1
Hier: 150 = 1+r
(p ∗ · 180 + (1 − p ∗ ) · 90), also p ∗ =
Für r = 0 folgt p ∗ = 23
P ∗ = (p ∗ , 1 − p ∗ ) ist das zum Aktienpreisprozess
risikoneutrale Wahrscheinlichkeitsmaß
2+5r
3
(ii) Berechne den fairen Preis der Option bzgl. E∗
Xt
30p ∗
2 + 5r
30
∗
X0 := E
=
= 10
= 50 −
1+r
1+r
1+r
1+r
Für r = 0 folgt X0 = 20
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Definition des Ein-Perioden-Modells: Der Finanzmarkt kennt
nur die beiden Zeitpunkte t = 0 und t = T .
Kauf und Verkauf der Finanzgüter zum Zeitpunkt t = 0 gemäß der
Handelsstrategie


ϕ0


ϕ =  ...  ∈ Rd+1
ϕd
Es werden d + 1 Finanzgüter gehandelt mit Preisen zu den
Zeitpunkten


S0 (0)


t=0:
S(0) =  ...  ∈ Rd+1
+
Sd (0)

t=T :

S(T ) = 
Zum Zeitpunkt t = 0 Investition der Summe
hS(0), ϕi =

S0 (T )

..

.
Sd (T )
d
X
ϕi Si (0) ∈ R
i=0
Rd+1
+ -wertige ZV
Zum Zeitpunkt t = T liegt das vom Zufall abhängige Kapital vor:
wobei Si (T ), i ∈ {0, . . . , d}, R+ -wertige Zufallsvariablen auf dem
endlichen Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, F, P) mit
|Ω| = N, F = P(Ω) und P({ω}) > 0 für alle
ω ∈ Ω = {ω1 , . . . , ωN }
Hier: R+ := [0, ∞)
hS(T ), ϕi =
d
X
ϕi Si (T )
reellwertige ZV
i=0
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Definition 1.4 Der (oben definierte) Finanzmarkt lässt eine
Arbitrage-Möglichkeit zu, falls es ein Portfolio ϕ ∈ Rd+1 gibt, so
dass die folgende Bedingung gilt:
hS(0), ϕi ≤ 0 und
∀ hS(T , ω), ϕi ≥ 0 und
ω∈Ω
∃ hS(T , ω), ϕi > 0
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Satz 1.6 Der (oben definierte) Finanzmarkt ist genau dann
arbitragefrei, falls es einen sogenannten Zustandspreis-Vektor
ψ ∈ RN mit ψi > 0 für alle i ∈ {1, . . . , N} gibt, so dass
ω∈Ω
Sψ = S(0),
wobei
Bemerkung: Falls es im oben definierten Finanzmarkt ein Portfolio
ϕ ∈ Rd+1 mit
hS(0), ϕi < 0 und

S0 (T , ω1 ) · · ·

..
S=
.
Sd (T , ω1 ) · · ·
Gibt es kein solches ϕ, so heißt der Finanzmarkt arbitragefrei.

S0 (T , ωN )

..

.
Sd (T , ωN )
Kurz: Der Markt ist genau dann arbitragefrei, wenn es einen
Zustandspreis-Vektor (state price vector, pricing kernel) gibt.
∀ hS(T , ω), ϕi ≥ 0
ω∈Ω
gibt, ist ϕ eine Arbitrage-Möglichkeit.
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Ist i ein Finanzgut mit Si (T , ωj ) > 0 für alle j ∈ {1, . . . , N}, so
können die Preise der anderen Finanzgüter als Vielfaches von
Si (T , ωj ) ausgedrückt werden. Das Finanzgut i wird dann
Numéraire gennant.
Sei ψ ein solcher Zustandspreis-Vektor.
N
P
ψ
Mit ψ0 :=
ψi gilt für qj := ψ0j ∈ (0, 1]
i=1
N
X
Sei z.B. Finanzgut i = 0 ein risikoloser Bond mit
qj = 1
j=1
∀
ω∈Ω
d.h. durch (q1 , . . . , qN ) wird ein W -Maß Q auf Ω definiert.
Damit
S0 (T , ω) = 1
Damit
N
N
j=1
j=1
X
S0 (0) X
=
qj S0 (T , ωj ) =
qj = 1
ψ0
N
Si (0) X
=
Si (T , ωj )qj = EQ (Si (T ))
ψ0
j=1
Ist r die Zinsrate pro Zeiteinheit, dann gilt
Unter Q sind die mit ψ0 standardisierten Preise der Finanzgüter
i ∈ {0, . . . , d} deshalb risikoneutral.
S0 (0) = ψ0 = (1 + r )−T
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Damit ergibt sich der Preis von Finanzgut i zum Zeitpunkt t = 0
zu
N
X
Si (T , ωj )
Si (T )
Si (0) =
qj
= EQ
(1 + r )T
(1 + r )T
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Achtung:
Im allgemeinen ist dieser Prozess aber kein P-Martingal für ein von
Q verschiedenes W -Maß P, welches z.B. die Einschätzung eines
Anlegers widerspiegelt.
j=1
d.h.
Da für alle ω ∈ Ω
Si (0)
= EQ
(1 + r )0
Si (T )
(1 + r )T
I
P({ω}) > 0 (nach Annahme) und
I
Q({ω}) > 0 (wie gezeigt)
sind P und Q zwei sog. äquivalente Maße.
In der Sprache der Wahrscheinlichkeitstheorie:
Der stochastische Prozess
Si (t)
: t ∈ {0, T }
ist ein Q-Martingal
(1 + r )t
Also ist Q ein zu P ein äquivalentes Martingalmaß.
Damit:
Der Markt ist genau dann arbitragefrei, wenn es ein
äquivalentes Martingalmaß gibt
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Definition 1.5 Der (oben definierte) Finanzmarkt heißt
vollständig, falls es zu jedem Finanzinstrument δ(T ) (das ist eine
auf Ω = {ω1 , . . . , ωN } definierte reellwertige Zufallsvariable) ein
aus den d + 1 Basisinstrumenten bestehendes Portolio ϕ ∈ Rd+1
gibt, das δ(T ) repliziert, d.h. falls
Bewertung eines neu eingeführten Finanzinstrumentes mit vom
Zufall abhängigen Auszahlungen δ(T ) zum Zeitpunkt t = T durch
δ(T )
δ(0) = EQ
(1 + r )T
∃
∀
ϕ∈Rd+1 ω∈{ω1 ,...,ωN }
mit einem äquivalenten Martingalmaß Q.
d
X
Si (T , ω)ϕi = δ(T , ω)
i=0
oder — kompakter — falls
Problem: Der Preis δ(0) ist nur eindeutig, falls Q eindeutig.

∃
ϕ∈Rd+1

δ(T , ω1 )


..
S0 ϕ = δ(T) := 

.
δ(T , ωN )
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Ein Finanzmarkt ist also genau dann vollständig, wenn die (d + 1)
Vektoren




S
(T
,
ω
)
S
(T
,
ω
)


1
0
1
d






..
.
.
,
.
.
.
,




.
.




S0 (T , ωN )
Sd (T , ωN )
den gesamten
RN
Eine Kombination der Sätze 1.6 und 1.7 ergibt:
Ein Finanzmarkt ist genau dann vollständig und arbitragefrei,
wenn es einen eindeutigen Zustandspreis-Vektor gibt.
Probabilistische Interpretation unserer Ergebnisse:
aufspannen.
Satz 1.7 Der (oben definierte) Finanzmarkt sei arbitragefrei. Dann
ist dieser Markt genau dann vollständig, wenn es einen eindeutigen
Zustandspreis-Vektor ψ gibt.
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I
Ein Finanzmarkt ist genau dann arbitragefrei, wenn ein
äquivalentes Martingalmaß existiert.
I
Ein arbitragefreier Finanzmarkt ist genau dann vollständig,
wenn genau ein äquivalentes Martingalmaß existiert.
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Beispiel: Binäres Einperiodenmodell
d +1=2
Ω = {ω1 , ω2 }
r =0
Zustandspreis-Vektor ψ ∈ R2+ :
Basisinstrumente
Raum der möglichen Zustände
Zinsrate
S0 (0)
1
=
S(0) =
S1 (0)
150
1
S0 (T ) =
,
1
S1 (T ) =
180
90
1
1
180 90
Sψ = S(0)
ψ=
1
150
wird (in eindeutiger Weise) gelöst durch
2/3
ψ=
(=⇒ ψ0 = ψ1 + ψ2 = 1)
1/3
Also existiert (zu jedem nichtdegenerierten W-Maß P) ein
eindeutiges äquivalentes Martingalmaß Q mit
Also
S=
1
1
180 90
Q(ω1 ) =
ψ1
2
=
ψ0
3
und
Q(ω2 ) =
ψ2
1
=
ψ0
3
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Der oben definierte Finanzmarkt ist vollständig, da zu jedem
(neuen) Finanzinstrument δ(T ) mit Zahlungen δ(T , ω1 ) und
δ(T , ω2 ) ein replizierendes Portfolio ϕ ∈ R2 existiert, d.h.
2. Bedingte Erwartungen und Martingale
Eine gut lesbare Einführung in die Wahrscheinlichkeitstheorie:
J. Jacod and P. Protter. Probability Essentials. 2nd Ed. Springer
2004.
S0 ϕ = δ(T )
da die Spalten von S0 den Rd+1 = RN aufspannen.
Eine klassische Einführung in die Martingal-Theorie:
D. Williams. Probability with Martingales. Cambridge 1991.
Sei δ(T ) die im letzten Beispiel genannte europäische Call-Option
(
30 für ω = ω1
+
δ(T , ω) = (S(T , ω) − K ) =
0
für ω = ω2
Dann wird
1 180
1 90
durch ϕ0 = −30 und ϕ1 =
1
3
ϕ0
ϕ1
=
30
0
Ein schönes Lehrbuch, das einen weiten Bogen von der Maßtheorie
bis zur Stochastischen Analysis schlägt:
D. Meintrup, S. Schäffler. Stochastik — Theorie und
Anwendungen. Springer 2005.
Etwas anspruchsvoller:
J. Wengenroth. Wahrscheinlichkeitstheorie. De Gruyter 2008.
A. Klenke. Wahrscheinlichkeitstheorie. 2. Auflage, Springer 2008.
(eindeutig) gelöst.
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Im Folgenden sei (Ω, F, P) immer ein Wahrscheinlichkeitsraum.
(Eingeführt durch Andrey Nikolaevich Kolmogorov (1903-1987),
Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitsrechnung, 1933)
Definition. Seien P und Q zwei auf derselben σ-Algebra F
definierte Maße. Q heißt P-stetig, falls
∀
P(A) = 0 =⇒ Q(A) = 0
A∈F
In Zeichen: Q P
Satz von Radon-Nikodým. Seien P und Q zwei auf derselben
σ-Algebra F definierte endliche Maße. Es gilt Q P genau dann,
wenn es eine F-B-messbare nichtnegative Funktion f gibt mit
Z
Q(A) =
f dP
∀
A∈F
A
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Satz 2.1. Integrierbare ZV X : (Ω, F, P) → (R, B). σ-Algebra
C ⊂ F. Dann existiert eine ZV Z : (Ω, F, P) → (R, B) mit
folgenden Eigenschaften:
(∗)
(∗∗)
Häufig wird ein Repräsentant dieser Äquivalenzklasse als eine
Version von E (X | C) bezeichnet.
Z ist integrierbar und C-B-messbar
Z
Z
X dP =
Z dP
∀
C ∈C
C
E (X | C) ist eine “Vergröberung” von X .
C
Z ist eindeutig bis auf die Äquivalenz “= P|C -f.ü.”.
Bemerkung 2.4. Geometrische Interpretation des bedingten
Erwartungswertes: Es sei L2 (Ω, F, P) der Hilbertraum der
Äquivalenzklassen quadratisch integrierbarer reeller Zufallsvariablen
auf (Ω, F, P) und C eine Teil-σ-Algebra von F.
Definition 2.1. Integrierbare ZV X : (Ω, F, P) → (R, B).
σ-Algebra C ⊂ F. Die Äquivalenzklasse (im eben definierten Sinne)
der ZVn Z : (Ω, F, P) → (R, B) mit (∗) und (∗∗) — oder auch ein
Repräsentant dieser Äquivalenzklasse — heißt bedingte
Erwartung von X bei gegebenem C.
In Zeichen: E (X | C)
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I
I
Es sei M der lineare Teilraum von L2 (Ω, F, P), dessen
Elemente als Repräsentanten C-B-messbare Zufallsvariablen
haben. Man kann zeigen, dass M abgeschlossen ist.
b ∈ L2 (Ω, F, P) mit Repräsentanten X und
Sei X
b . Man
Y := E (X | C) mit zugehöriger Äquivalenzklasse Y
b die orthogonale Projektion von X
b auf M
kann zeigen, dass Y
Beispiele
ist und das Proximum (bestapproximierendes Element im
b darstellt. Mit
Sinne der L2 (Ω, F, P)-Norm) in M zu X
anderen Worten: Y := E (X | C) minimiert unter allen
C-B-messbaren Zufallsvariablen den Ausdruck
E |X − Y |2
I
I
C = F . . . E (X | C) = X f.s.
I
C = {∅, Ω} . . . E (X | C) = EX
I
C = {∅, B, B c , Ω} mit 0 < P(B) < 1.
Z

1


X dP =: E (X | B), ω ∈ B

 P(B) B
(E (X | C))(ω) =
Z

1



X dP, ω ∈ B c
P(B c ) B c
E (X | B) heißt bedingter Erwartungswert von X unter
der Hypothese B
Unter Verwendung eines Stutzungargumentes kann diese
Definition auch auf die Klasse der integrierbaren
Zufallsvariablen fortgesetzt werden.
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Satz 2.2. X , Xi integrierbar; σ-Algebra C ⊂ F; c, α1,2 ∈ R.
Z
Z
a) ∀
E (X | C)dP =
X dP
C ∈C
C
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Definition 2.2. σ-Algebra C ⊂ F. A ∈ F.
P(A | C) := E (1A | C) heißt bedingte Wahrscheinlichkeit von A
bei gegebener σ-Algebra C.
C
b) X = c P-f.s. =⇒ E (X | C) = c f.s.
c) X ≥ 0 P-f.s. =⇒ E (X | C) ≥ 0 f.s.
Bemerkung 2.1. Zu Definition 2.2.
Z
P(A | C) dP = P(A ∩ C ).
∀
d) E (α1 X1 + α2 X2 | C) = α1 E (X1 | C) + α2 E (X2 | C) f.s.
e) X1 ≤ X2 P-f.s. =⇒ E (X1 | C) ≤ E (X2 | C) f.s.
C ∈C
C
f) X C-B-messbar =⇒ X = E (X | C) f.s.
g) X integrierbar, Y C-B-messbar, XY integrierbar
=⇒ E (XY | C) = YE (X | C) f.s.
Beispiel. C = {∅, B, B c , Ω} mit 0 < P(B) < 1.
g’) X , X 0 integrierbar, XE (X 0 | C) integrierbar
=⇒ E (XE (X 0 | C) | C) = E (X | C)E (X 0 | C) f.s.
(P(A | C))(ω) =
h) σ-Algebra C1,2 mit C1 ⊂ C2 ⊂ F, X integrierbar
E (E (X | C1 ) | C2 ) = E (X | C1 ) f.s.
E (E (X | C2 ) | C1 ) = E (X | C1 ) f.s.

P(A ∩ B)


=: P(A | B), ω ∈ B

 P(B)


P(A ∩ B c )


=: P(A | B c ), ω ∈ B c .
P(B c )
Hier f.s. im Sinne von P|C2 -f.s. bzw. P|C1 -f.s.
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Definition 2.3.
a) Integrierbare ZV X : (Ω, F, P) → (R, B). ZV Y :
(Ω, F, P) → (Ω0 , F 0 ).
E (X | Y ) := E (X | Y −1 (F 0 ))
| {z }
[kleinste σ-Algebra in Ω, bzgl. der Y messbar ist
. . . F(Y )(⊂ F)]
. . . bedingte Erwartung von X bei gegebenem Y
Bemerkung 2.2. Integrierbare ZV X : (Ω, F, P) → (R, B).
a) σ-Algebra C in F
(X −1 (B), C) unabhängig =⇒ E (X | C) = EX f.s.
b) Integrierbare ZV X : (Ω, F, P) → (R, B). ZVn Yi :
(Ω, F, P) → (Ω0i , Fi0 ) (i ∈ I ) C(⊂ F) sei die kleinste
σ-Algebra in Ω, bzgl. der alle Yi messbar sind
[C = F( ∪ Yi−1 (Fi )) . . . F(Yi , i ∈ I )]
b) ZV Y : (Ω, F, P) =⇒ (Ω0 , F 0 )
(X , Y ) unabhängig =⇒ E (X | Y ) = EX f.s.
i∈I
E (X | (Yi )i∈I ) := E (X | C)
. . . bedingte Erwartung von X bei gegebenem Yi , i ∈ I
c) A ∈ F; ZV Y : (Ω, F, P) → (Ω0 , F 0 ).
P(A | Y ) := E (1A | Y )
. . . bedingte Wahrscheinlichkeit von A bei gegebenem Y
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Satz 2.3. Integrierbare ZV X : (Ω, F, P) → (R, B).
ZV Y : (Ω, F, P) → (Ω0 , F 0 ). Dann ex. Abb. g : (Ω0 , F 0 ) → (R, B)
mit E (X | Y ) = g ◦ Y .
g ist die sog. Faktorisierung der bedingten Erwartung.
g ist eindeutig bis auf die Äquivalenz “= PY -f.ü. ”.
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Satz 2.4. Integrierbare ZV X : (Ω, F, P) → (R, B) bzw. A ∈ A.
ZV Y : (Ω, F, P) → (Ω0 , F 0 )
R
R
a) ∀
A0 E (X | Y = y ) PY (dy ) = Y −1 (A0 ) X dP ,
0
0
A ∈F
R
insbesondere Ω0 E (X | Y = y ) PY (dy ) = EX .
R
−1 (A0 ) ∩ A) ,
b) ∀
A0 P(A | Y = y ) PY (dy ) = P(Y
0
0
A ∈F
R
insbesondere Ω0 P(A | Y = y ) PY (dy ) = P(A) .
Definition 2.4. Integrierbare ZV X : (Ω, F, P) → (R, B) bzw.
A ∈ F. ZV Y : (Ω, F, P) → (Ω0 , F 0 ). Sei g bzw. gA eine — bis auf
Äquivalenz “= PY - f.ü.” eindeutig bestimmte — Faktorisierung
von E (X |Y ) bzw. von P(A|Y ).
E (X | Y = y ) := g (y )
. . . bedingte Erwartung von X unter der Hypothese Y = y
P(A | Y = y ) := gA (y )
. . . bed. Wahrscheinlichkeit von A unter der Hypoth. Y = y
E (X | Y = ·) = g
P(A | Y = ·) = gA
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Satz 2.5. Integrierbare ZV X : (Ω, F, P) → (R, B).
ZV Y : (Ω, F) → (Ω0 , F 0 ).
Beispiel. X bzw. A sowie Y wie zuvor. Sei y ∈ Ω0 mit {y } ∈ F 0
und PY ({y }) > 0.
a) X = c f.s. =⇒ E (X | Y = ·) = c PY -f.ü.
a) E (X | Y = y ) = E (X | [Y = y ])
{z
}
|
{z
}
|
s. Def. 2.4. s. Beispiel nach Def. 2.1.
b) X ≥ 0 f.s. =⇒ E (X | Y = ·) ≥ 0 PY -f.ü.
c) E (αX1 + βX2 | Y = ·)
= αE (X1 | Y = ·) + βE (X2 | Y = ·) PY -f.ü.
b) P(A | Y = y ) = P(A | [Y = y ])
|
|
{z
}
{z
}
s. Def. 2.4. s. Beispiel nach Def. 2.2.
d) X1 ≤ X2 f.s. =⇒ E (X1 | Y = ·) ≤ E (X2 | Y = ·) PY -f.ü.
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Martingale
Definition 2.6. Eine Folge (Xn )n∈N von integrierbaren ZVn Xn :
(Ω, F, P) → (R, B) heißt bei gegebener monoton wachsender
Folge (Fn )n∈N von σ-Algebren Fn ⊂ F mit Fn -B-Messbarkeit von
Xn [wichtiger Fall Fn = F(X1 , . . . , Xn ) (n ∈ N)]
Die in Definition 2.6 genannte Folge von aufsteigenden σ-Algebren
wird auch als Filtration bezeichnet (P.A. Meyer).
a) ein Martingal bzgl. (Fn ), wenn
∀
n∈N
E (Xn+1 | Fn ) = Xn f.s.
Z
[d.h.
∀
Xn+1 dP =
∀
n∈N C ∈Fn
Bemerkung 2.3. Ein Martingal (Xn ) bzgl. (Fn ) ist auch ein
Martingal bzgl. (F(X1 , . . . , Xn )). Entsprechend für Sub-,
Supermartingal.
Z
C
Xn dP] ,
C
b) ein Submartingal bzgl. (Fn ), wenn
Z
∀
n∈N
E (Xn+1 | Fn ) ≥ Xn f.s., d.h. ∀
∀
n∈N C ∈Fn
Z
Xn+1 dP ≥
C
Xn dP
C
c) ein Supermartingal bzgl. (Fn ), wenn (−Xn ) ein
Submartingal bzgl. (Fn ) ist.
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Die Herkunft der Bezeichnung Martingal (engl. martingale) ist
nicht genau geklärt.
I
Teil des Zaumzeuges, um die Kopfbewegung des Pferdes zu
kontrollieren
I
Eine Seil, um den Klüverbaum zu verspanen
I
Ein Wettsystem, bei dem nach einem Verlust der Einsatz
verdoppelt wird
Der Begriff des Martingals im mathematischen Sinne wird J. Ville
(1939) zugeschrieben.
Paul Lévy (1886–1971) und Joseph Leo Doob (1911–2004)
lieferten wichtige Beiträge zur Martingal-Theorie.
Abbildung: P. Lévy und J.L. Doob
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Beispiele für Martingale:
P
1. Partialsummenfolge ( ni=1 Vi )n∈N zu einer unabhängigen
Folge (Vn )n∈N von integrierbaren reellen ZVn mit
Erwartungswerten 0.
2. Aktienpreise: Sn = S0 ξ1 · · · ξn mit unabhängigen positiven
Zufallsvariablen ξi mit E ξi = 1.
3. Sammeln von Information über eine Zufallsvariable (Williams
1991): Sei ξ eine Zufallsvariable mit endlichem erstem
Moment und (Fn ) eine Filtration in F. Dann wird durch
Satz 2.6 (Martingalkonvergenzsatz von Doob)
Ist X ein L1 -beschränktes Sub- oder Supermartingal, d.h.
sup E (|Xn |) < ∞,
n
so existiert eine Zufallsvariable X∞ mit
Mn := E (ξ | Fn )
Xn → X∞
f.s. (n → ∞)
ein Martingal definiert. Mit den nachfolgend vorgestellten
Martingalkonvergenzsätzen kann gezeigt werden, dass
Mn → M∞ := E (ξ | F∞ ) f.s. und in L1
S
wobei F∞ := σ( ∞
n=1 Fn ) die sogenannte
Doomsday-σ-Algebra.
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Definition 2.7. Eine auf einem gemeinsamen W-Raum definierte
Familie von Zufallsvariablen X = {Xi | i ∈ I } mit Indexmenge I
heißt stochastischer Prozess. Im Folgenden wird häufig
I = {0, 1, . . . , T } oder I = {0, 1, 2, . . .} gewählt.
Satz 2.7 (Konvergenzsatz für UI-Martingale)
Für ein Martingal X sind äquivalent:
Definition 2.8. Der stochastische Prozess X = (Xn )∞
n=0 heißt zur
Filtration (Fn )∞
adaptiert,
falls
n=0
(i) Xn konvergiert in L1
(ii) X ist L1 -beschränkt und der f.s.-Limes X∞ erfüllt
∀
Xn = E (X∞ | Fn )
n∈N
Xn ist Fn -messbar
(iii) X ist gleichgradig integrierbar (uniformly integrable), d.h.
Sei Xn − Xn−1 der zufällige Gewinn pro Einheit des Wetteinsatzes
in Spiel n (n ∈ N) in einer Serie von Spielen.
Ist X = (Xn ) ein Martingal, d.h.
lim sup E (|Xn | · 1[|Xn |>K ] ) = 0
K →∞ n
E (Xn − Xn−1 | Fn−1 ) = 0,
so kann dieses Spiel als fair bezeichnet werden.
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Ist Cn der Wetteinsatz in Spiel n, so ist die Entscheidung über die
Höhe von Cn ausschliesslich auf die bis zum Zeitpunkt n − 1
verfügbare Information gegründet.
Gewinn zum Zeitpunkt n:
Definition 2.9. Ein stochastischer Prozess C = (Cn )n∈N heißt
vorhersagbar (predictable, previsible), falls
Cn (Xn − Xn−1 )
Cn ist Fn−1 -messbar für alle n ∈ N
Gewinn bis einschließlich Zeitpunkt n:
(C0 existiert nicht).
Yn =
n
X
Z
Ck (Xk − Xk−1 ) =: (C • X )n =:
k=1
n
C dX
0
Sinnvoll: (C • X )0 := 0
Klar:
Yn − Yn−1 = Cn (Xn − Xn−1 )
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Definition 2.10. Der durch C • X = ((C • X )n ) definierte
stochastische Prozess heißt Martingal-Transformation von X
unter C (D.L. Burkholder).
Stoppzeiten
Definition 2.11 Eine Zufallsvariable T mit Werten in
{0, 1, 2, . . . , ∞} heißt Stoppzeit, falls
Dies ist das diskrete Analogon
zum später noch zu definierenden
R
stochastischen Integral C dX .
[T ≤ n] := {ω | T (ω) ≤ n} ∈ Fn
∀
n∈{0,1,2,··· ,∞}
Satz 2.8. Sei C ein beschränkter vorhersagbarer stochastischer
Prozess, d.h. es gibt eine reelle Zahl K mit |Cn (ω)| ≤ K für alle n
und alle ω, und X ein Martingal. Dann ist C • X ein Martingal mit
(C • X )0 = 0.
oder — äquivalent —
∀
Satz 2.9. Eine zur Filtration F = (Fn )n∈N0 adaptierte Folge
M = (Mn )n∈N0 von Zufallsvariablen ist genau dann ein Martingal,
wenn für jede beschränkte vorhersagbare Folge H = (Hn )n∈N0
!
n
X
E
Hk ∆Mk = 0
∀
n∈N
[T = n] ∈ Fn
n∈{0,1,2,··· ,∞}
Eine Stoppzeit kann z.B. dazu verwendet werden zu entscheiden,
ob ein Spiel zum Zeitpunkt n abgebrochen oder fortgeführt wird.
Hierbei wird nur die Information verwendet, die bis einschließlich
Zeitpunkt n vorliegen kann. Wird z.B. beim Verkauf einer Aktie
Insiderwissen verwendet, ist die vorgenannte Eigenschaft verletzt.
k=1
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Proposition 2.1 Stoppen der Folge X = (Xn ) zur (zufälligen) Zeit
T : X T := (XnT ) := (Xn∧T ). Dann gilt:
Satz 2.10 (Doob’s Optional Sampling Theorem) Sei T eine
Stoppzeit und X = (Xn ) ein Supermartingal. Ist T oder X
beschränkt, so ist XT integrierbar und
EXT ≤ EX0
Ist X ein Martingal, dann gilt sogar
I
Ist (Xn ) adaptiert und T eine Stoppzeit, so ist auch die
gestoppte Folge (Xn∧T ) adaptiert.
I
Ist (Xn ) ein (Super-) Martingal und T eine Stoppzeit, so ist
auch die gestoppte Folge (Xn∧T ) ein (Super-)Martingal
(Optional Stopping Theorem).
EXT = EX0
Ein faires Spiel bleibt fair, wenn es ohne Vorkenntnis über ein
zukünftiges Ereignis gestoppt wird.
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Die Snell-Einhüllende
Pn
Beispiel: Einfache Irrfahrt (simple random walk) Sn := i=1 Xi mit
unabhängigen Zufallsvariablen Xi , wobei Xi = 1 mit W. p = 1/2
und Xi = −1 mit W. p = 1/2. Sei T := inf{n | Sn = 1}, d.h., wir
hören auf zu spielen, sobald wir eine Geldeinheit gewonnen haben.
Man kann zeigen, dass P(T < ∞) = 1.
Beachte: S = (Sn ) ist ein Martingal und T eine Stoppzeit
Mit obiger Proposition: E (ST ∧n ) = E (S0 ) = 0 für jedes n.
Jedoch: 1 = E (ST ) 6= E (S0 ) = 0
Also kann auf die Beschränktheitsbedingungen in Satz 2.10 nicht
gänzlich verzichtet werden!
Man kann zeigen, dass weder T noch der Verlust vor dem ersten
Netto-Gewinn beschränkt sind. Dieses Spiel kann in der Praxis also
nicht realisiert werden!
Definition 2.12 Ist X = (Xn )N
n=0 eine (endliche) Folge von zur
Filtration (Fn ) adaptierten Zufallsvariablen, so heißt die durch
ZN := XN
Zn := max{Xn , E (Zn+1 | Fn )} (n ≤ N)
definierte Folge Z = (Zn )N
n=0 die Snell-Einhüllende von X .
Satz 2.11 Die Snell-Einhüllende (Zn ) von (Xn ) ist das kleinste
Supermartingal, welches die Folge (Xn ) dominiert (d.h. Zn ≥ Xn
für alle n).
Proposition 2.2 T0 := inf{n ≥ 0 | Zn = Xn } ist eine Stoppzeit
und die gestoppte Folge (ZnT0 ) ist ein Martingal.
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Satz 2.12 Sei Tn,N eine Familie von Stoppzeiten mit Werten in
{n, . . . , N}. Dann löst die Stoppzeit T0 das optimale Stoppproblem
für X :
Der folgende Satz zeigt, dass die oben definierte Stoppzeit T0 die
kleinste optimale Stoppzeit für (Xt ) ist.
Z0 = E (XT0 | F0 ) = sup{E (XT | F0 ) | T ∈ T0,N }
Satz 2.13 Eine Stoppzeit T ist genau dann optimal für die Folge
(Xt ), falls die beiden folgenden Bedingungen gelten:
(i) XT = ZT
(ii) Z T ist ein Martingal
Sind die Werte von X bis zum Zeitpunkt n bereits bekannt, löst
Tn := inf{j ≥ n | Zj = Xj } das optimale Stoppproblem für X :
Satz 2.14 (Doobsche Zerlegung von Submartingalen) Sei (Xn )n∈N
ein Submartingal bezüglich einer Folge (Fn )n∈N von wachsenden
σ-Algebren. Dann existieren ein Martingal (Mn )n∈N und ein
wachsender vorhersagbarer Prozess (An )n∈N (d.h. An+1 ≥ An f.s.,
An+1 Fn -messbar) so, dass
Zn = E (XTn | Fn ) = sup{E (XT | Fn ) | T ∈ Tn,N }
Bei der Bewertung von amerikanischen Optionen soll zu dem
Zeitpunkt die Option ausgeübt werden, zu dem die erwartete
Auszahlung maximal ist. Die beiden letzten Aussagen zeigen, dass
T0 bzw. Tn die hierfür optimalen Zeitpunkte liefern bei
Verwendung der bis zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden
Information (ohne Vorgriff auf zukünftige Ereignisse).
Xn = X0 + Mn + An ,
wobei
M0 = A0 = 0,
für alle n ∈ N. Diese Zerlegung ist f.s. eindeutig.
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Dann ist
3. Finanzmarktmodelle in diskreter Zeit
Wir betrachten folgenden Finanzmarkt M:
I
(Ω, F, P) W-Raum mit |Ω| < ∞
I
F0 ⊆ F1 ⊆ . . . ⊆ FT ⊆ F aufsteigende Folge F von in F
enthaltenen σ-Algebren
I
F0 = {∅, Ω},
I
∀

S0 (t)


S(t) =  ... 
Sd (t)
ein Ft -messbarer Zufallsvektor mit mit Werten in Rd+1
Definition 3.1. Ein Numéraire ist ein Preisprozess (Xt )t∈{0,1,...,T }
(also ein stochastischer Prozess), welcher strikt positiv ist für alle
t ∈ {0, 1, . . . , T }.
FT = F = P(Ω)
P({ω}) > 0
Das mit i = 0 indizierte Finanzinstrument wird als Numéraire
verwendet und ist meist eine risikolose Kapitalanlage mit
ω∈Ω
I

d + 1 Finanzgüter mit Preisen S0 (t), S1 (t), . . . , Sd (t) zum
Zeitpunkt t ∈ {0, 1, . . . , T }, welche Ft -messbare
Zufallsvariable seien
S0 (0) = 1
Ist r der während einer Zeitperiode (t → t + 1) gewährte Zins, so
gilt
S0 (t) = (1 + r )t
Damit definieren wir den Diskont-Faktor β(t) := 1/S0 (t)
94 / 263
93 / 263
Definition 3.3. Der Wert des Portfolios zum Zeitpunkt t ist
gegeben durch Vϕ (0) = hϕ(1), S(0)i und
Definition 3.2 Eine Handelsstrategie (oder dynamisches
Portfolio) ist ein vorhersagbarer Rd+1 -wertiger stochastischer
Prozess


ϕ0 (t)
 ϕ1 (t) 


ϕ=

..


.
ϕd (t)
Vϕ (t) := hϕ(t), S(t)i =
d
X
t ∈ {1, . . . , T }
ϕi (t)Si (t),
i=0
Der dadurch definierte stochastische Prozess Vϕ heißt
Wertprozess der Handelsstrategie ϕ.
t∈{1,...,T }
Vϕ (0) ist das Anfangskapital des Investors.
d.h. eine Folge von T Zufallsvektoren mit Werten in Rd+1 .
Definition 3.4. Der Zuwachsprozess Gϕ der Handelsstrategie ϕ
ist gegeben durch
ϕi (t) ist die Anzahl von Anteilen des Finanzgutes i, basierend auf
den Informationen zum Zeitpunkt t − 1. Die Adjustierung des
Portfolios fand also ”kurz” nach Bekanntgabe der Preise
S0 (t − 1), . . . , Sd (t − 1) statt.
Gϕ (t) :=
t
X
hϕ(τ ), S(τ ) − S(τ − 1)i =
τ =1
t
X
hϕ(τ ), ∆S(τ )i
τ =1
für t ∈ {1, . . . , T }.
95 / 263
96 / 263
e
Sei S(t)
= (1, β(t)S1 (t), . . . , β(t)Sd (t))0 der auf den Zeitpunkt
t = 0 abdiskontierte Preisvektor.
Ähnlich:
Abdiskontierter Wertprozess
Definition 3.5 Eine Handelsstrategie ϕ heißt selbstfinanzierend,
falls
hϕ(t), S(t)i = hϕ(t + 1), S(t)i
∀
t∈{1,...,T −1}
eϕ (t) = βt hϕ(t), S(t)i = hϕ(t), S(t)i
e
V
für t ∈ {1, . . . , T }.
Abdiskontierter Zuwachsprozess
eϕ (t) =
G
t
X
Interpretation: zum Handelszeitpunkt t werden die neuen Preise
S(t) bekannt. Das Portfolio hat dann den Wert hϕ(t), S(t)i.
Aufgrund der Kenntnis der neuen Preise S(t) schichtet der Investor
sein Portfolio mit Anteilen ϕ(t) zu einem Portfolio mit ϕ(t + 1)
Anteilen um – ohne jedoch Kapital abzuziehen oder einzubringen.
e )i
hϕ(τ ), ∆S(τ
τ =1
für t ∈ {1, . . . , T }.
98 / 263
97 / 263
Die nächste Behauptung zeigt, dass der Wert des Portfolios
vollständig durch das Anfangsvermögen und die Handelsstrategie
(ϕ1 (t), . . . , ϕd (t))t∈{1,...,T } bestimmt ist — vorausgesetzt der
Investor folgt einer selbstfinanzierenden Strategie.
Behauptung 3.1. Sei X (t) ein Numéraire. Eine Handelsstrategie
ϕ ist genau dann selbstfinanzierend bzgl. S(t), falls ϕ
selbstfinanzierend bzgl. S(t)/X (t) ist.
Behauptung 3.3. Für jeden vorhersagbaren Prozess
(ϕ1 (t), . . . , ϕd (t))t∈{1,...,T } und jedes F0 -messbare V0 existiert
genau ein vorhersagbarer Prozess (ϕ0 (t))t∈{1,...,T } , so dass die
Handelsstrategie


ϕ0 (t)
 ϕ1 (t) 


ϕ=

..


.
Also ist eine Handelsstrategie ϕ genau dann selbstfinanzierend
e
bzgl. S(t), falls ϕ selbstfinanzierend bzgl. S(t)
ist.
Behauptung 3.2. Eine Handelsstrategie ϕ ist genau dann
selbstfinanzierend, wenn
∀
t∈{0,1,...,T }
eϕ (t) = V
eϕ (0) + G
eϕ (t)
V
ϕd (t)
selbstfinanzierend und V0 = Vϕ (0) der Anfangswert des Portfolios
ist.
99 / 263
100 / 263
Definition 3.6. Eine selbstfinanzierende Strategie ϕ heißt
Arbitrage-Strategie, falls
Behauptung 3.4. Sei P ∗ ein äquivalentes Martingalmaß und ϕ
eine selbstfinanzierende Handelstrategie. Dann ist der Wertprozess
eϕ (t) ein P ∗ -Martingal bezüglich der Filtration F.
V
Vϕ (0) = 0 mit Wahrscheinlichkeit 1
Vϕ (T ) ≥ 0 mit Wahrscheinlichkeit 1
Vϕ (T ) > 0 mit Wahrscheinlichkeit > 0
Der (oben definierte) Finanzmarkt M heißt arbitragefrei, falls es
keine Arbitrage-Strategie in der Klasse aller Handelsstrategien gibt.
Definition 3.7. Ein zu P äquivalentes Wahrscheinlichkeitsmaß P ∗
auf (Ω, FT ) heißt ein Martingalmaß für den stochastischen
e , falls S
e ein P ∗ -Martingal bezüglich der Filtration
Prozess S
F = (Ft )t∈{0,1,...,T } ist.
Behauptung 3.5. Existiert ein äquivalentes Martingalmaß, dann
ist der Markt M arbitragefrei.
Setze
X + := {X : Ω → R+
0 | X ist eine Zufallsvariable}
Γ := {X ∈ X + | ∀
ω∈Ω
X (ω) ≥ 0 und
∃
X (ω) > 0}
ω∈Ω
Γ ist ein Kegel.
e bezeichne die Klasse aller äquivalenten Martingalmaße
P(S)
e
(für S).
101 / 263
102 / 263
Ist M ein arbitragefreier Markt, so gilt für jede selbstfinanzierende
Strategie ϕ
eϕ (T ) 6∈ Γ
Vϕ (0) = 0 =⇒ V
Behauptung 3.6. Ist der Markt M arbitragefrei, dann existiert ein
zu P äquivalentes Martingalmaß P ∗ .
eϕ (T ) 6∈ Γ
Mit Behauptung 3.2 folgt: G
Eine Kombination der Behauptungen 3.5 und 3.6 liefert
eϕ (T ) 6∈ Γ immer noch gilt, falls
Das nächste Lemma zeigt, dass G
∗
ϕ = (ϕ1 , . . . , ϕd ) ein vorhersagbarer Prozess ist und ϕ0 so
gewählt wird, dass die Strategie ϕ = (ϕ0 , . . . , ϕd ) das Startkapital
V0 = 0 besitzt und selbstfinanzierend ist.
Satz 3.1 (No-Arbitrage-Satz). Der Finanzmarkt M ist genau
dann arbitragefrei, wenn es ein zu P äquivalentes Martingalmaß P ∗
e ein P ∗ -Martingal
gibt, unter dem der diskontierte Preisprozess S
ist.
Lemma 3.1. In einem arbitragefreien Markt erfüllt jeder
vorhersagbare Prozess ϕ∗ = (ϕ1 , . . . , ϕd ) die Relation
eϕ∗ (T ) 6∈ Γ
G
103 / 263
104 / 263
Risikoneutrale Bewertung von Finanzderivaten
Definition 3.8. Ein Finanzderivat mit Verfallszeitpunkt T ist eine
nichtnegative FT -messbare Zufallsvariable X . Das Derivat heißt
erreichbar (attainable), falls es eine das Derivat replizierende
Handelsstrategie ϕ gibt, die selbstfinanzierend ist und für die gilt,
dass
Vϕ (T ) = X
Grundidee der Arbitrage-Bewertung von Derivaten:
Da der Wert eines erreichbaren Derivates X zu einem
Zeitpunkt t ≤ T eindeutig sein sollte (sonst existiert eine
Arbitragemöglichkeit), muss der Preis des Derivates zum
Zeitpunkt t ≤ T mit dem Wert Vϕ (t) des Portfolios zur
replizierenden Handelsstrategie ϕ zum Zeitpunkt t
übereinstimmen.
Zwei Handelsstrategieen werden als äquivalent angesehen, wenn sie
denselben Wertprozess besitzen.
Deshalb ist folgende Definition sinnvoll:
Definition 3.9. Der Finanzmarkt M sei arbitragefrei und X ein
erreichbares Derivat mit Verfallszeitpunkt T . Dann ist der
Arbitragepreisprozess (πX (t))t∈{0,...,T } gegeben durch den
Wertprozess der X replizierenden Strategie ϕ.
X ist meist eine Funktion des Preisprozesses S: X = f (S)
Beispiel: X := (ST − K )+ für eine europäische Call-Option mit
Ausübungspreis K und Ausübungszeitpunkt T
Behauptung 3.7. Ist M ein arbitragefreier Finanzmarkt, dann ist
jedes erreichbare Finanzderivat X eindeutig in M replizierbar.
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105 / 263
Da die Arbitrage-Bewertungsmethode offensichtlich unabhängig
vom zugrundeliegenden Maß P ist — also unabhängig vom Modell,
das sich ein Investor vom weiteren Kursverlauf macht — sollte ein
Investor, welcher statt dem Maß P das risikoneutrale Maß P ∗
zugrundelegt, das Derivat mit demselben Preis bewerten.
Definition 3.10. Der Finanzmarkt M heißt vollständig, wenn
jedes Derivat erreichbar ist, also für jede nichtnegative
FT -messbare Zufallsvariable X ∈ X + eine replizierende
selbstfinanzierende Handelsstrategie ϕ mit Vϕ (T ) = X existiert.
Behauptung 3.8. Der Finanzmarkt M sei arbitragefrei. Dann ist
der Arbitragepreisprozess (πX (t))t∈{0,...,T } jedes erreichbaren
Finanzderivats X durch die Formel der risikoneutralen
Bewertung
∀
t∈{0,...,T }
Vollständige Märkte
Satz 3.2 (Vollständigkeitssatz). Ein arbitragefreier Finanzmarkt
M ist genau dann vollständig, wenn es genau ein zu P
äquivalentes Martingalmaß gibt (unter welchem der abgezinste
Preisprozess S ein Martingal ist).
πX (t) = β(t)−1 E∗ (β(T )X | Ft )
gegeben, wobei E∗ die Erwartung bezüglich eines (zu P)
äquivalenten Martingalmaßes P ∗ (für den auf den Zeitpunkt t = 0
abgezinsten Preisprozess) darstellt.
Frage: Unter welchen Bedingungen ist jedes Finanzderivat
erreichbar, also mittels einer Handelsstrategie replizierbar?
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108 / 263
Das Cox-Ross-Rubinstein-Modell
Die Kombination des No-Arbitrage- und des Vollständigkeitssatzes
(Sätze 3.1 und 3.2) ergibt den Fundamentalsatz der
Preistheorie für Derivate:
In einem arbitragefreien vollständigen Finanzmarkt M
existiert genau ein äquivalentes Martingalmaß P ∗ .
Wir betrachten folgenden Finanzmarkt M mit T Handelsperioden:
I
B(t) = (1 + r )t ,
Ferner mit Behauptung 3.8:
In einem arbitragefreien vollständigen Finanzmarkt M ergibt
sich der arbitragefreie Preis πX (t) eines Derivates X als
(bedingter) Erwartungswert des Derivates unter dem
risikoneutralen (d.h. äquivalenten Martingal-) Maß P ∗ :
∀
t∈{0,...,T }
risikolose Anlage B (Bond) mit
I
t ∈ {0, . . . , T }
risikobehaftete Anlage S (z.B. Aktie) mit
(
uS(t) mit W p,
S(t + 1) =
t ∈ {0, . . . , T }
dS(t) mit W 1 − p,
wobei 0 < d < u und S0 ≥ 0
πX (t) = β(t)−1 E∗ (β(T )X | Ft )
I
Die Veränderung S(t+1)
S(t) ∈ {u, d} ist unabhängig von
S(0), . . . , S(t) für alle t ∈ {0, . . . , T }
109 / 263
110 / 263
Explizite Konstruktion eines geeigneten Wahrscheinlichkeitsraumes
(Ω, P, F) und einer Filtration F:
S(2)=uuS(0)
T
p
I
Ω := × Ω̃t wobei Ω̃t := Ω̃ := {u, d}, also Ω = {u, d}T
I
F := P(Ω)
I
P := ⊗ P̃t wobei P̃t := P̃ mit P̃({u}) := p und
t=1
S(1)=uS(0)
T
p
1−p
t=1
P̃({d}) := 1 − p, also
S(2)=udS(0)
S(0)
1−p
P({ω}) =
p
T
Y
P̃t ({ωi })
t=1
S(1)=dS(0)
1−p
I
S(2)=ddS(0)
T=0
T=1
mit ω = (ω1 , . . . , ωT ) und ωt ∈ {u, d}
F = (Ft )t∈{0,...,T } mit
F0 := {∅, Ω}
T=2
Ft := σ(S(1), . . . , S(t)),
t ∈ {1, . . . , T − 1}
FT := F = P(Ω)
Die ersten beiden Handelsperioden eines Binomialmodells
111 / 263
112 / 263
Definition 3.11. Der oben definierte Finanzmarkt M heißt
Cox-Ross-Rubinstein-Modell (CRR-Modell).
Bemerkung. Sei Z (t + 1) := S(t+1)
S(t) die relative Preisänderung der
risikobehafteten Anlage vom Zeitpunkt t zum Zeitpunkt t + 1
(t ∈ {0, . . . , T − 1}).
Dann folgt aus den Modellannahmen:
t
Q
I S(t) = S(0)
Z (τ ), t ∈ {1, . . . , T − 1}
τ =1
I
Z (1), . . . , Z (T ) sind unabhängige Zufallsvariablen
Behauptung 3.9. Im CRR-Modell existiert genau dann ein
äquivalentes Martingalmaß Q, wenn
0<d <1+r <u
Existiert ein äquivalentes Martingalmaß Q, so ist dieses eindeutig
und durch
1+r −d
q=
u−d
festgelegt, es gilt also
T
Q = ⊗ Q̃t
t=1
mit
Q̃t ({u}) = q und Q̃t ({d}) = 1 − q
113 / 263
114 / 263
Behauptung 3.13. Im CRR-Modell ist der Arbitragepreis eines
Derivates X durch
∀
Aufgrund von Behauptung 3.9 gehen wir bei CRR-Modellen im
Folgenden immer davon aus, dass 0 < d < 1 + r < u gilt.
t∈{0,...,T }
πX (t) = B(t) E∗ (X /B(T ) | Ft )
gegeben, wobei E∗ die Erwartung bezüglich des eindeutigen (zu P)
äquivalenten Martingalmaßes P ∗ (für den auf den Zeitpunkt t = 0
abgezinsten Preisprozess) darstellt, welches durch
Behauptung 3.10. Das CRR-Modell ist arbitragefrei.
Behauptung 3.11. Das CRR-Modell ist vollständig.
p∗ =
Behauptung 3.12. Ein Mehrperioden-Marktmodell ist genau dann
vollständig, wenn jedes darin enthaltene Einperioden-Modell
vollständig ist.
1+r −d
u−d
über
T
P ∗ = ⊗ Q̃t
t=1
mit
Q̃t ({u}) = p ∗ und Q̃t ({d}) = 1 − p ∗
festgelegt ist.
115 / 263
116 / 263
Behauptung 3.14. Der Arbeitragepreis einer europäischen
Call-Option mit Verfallsdatum T und Ausübungspreis K , basierend
auf einer Aktie S, ist im CRR-Modell gegeben durch
Behauptung 3.15. Im CRR-Modell ist die eine europäischen
Call-Option mit Verfallsdatum T und Ausübungspreis K
replizierende Handelsstrategie ϕ = (ϕ0 (t), ϕ1 (t))0t∈{1,...,T } gegeben
durch
∀
C (t, St−1 u) − C (t, St−1 d)
St−1 (u − d)
uC (t, St−1 d) − dC (t, St−1 u)
ϕ0 (t) =
(1 + r )t (u − d)
t∈{0,...,T }
C (t) = (1 + r )−(T −t)
T
−t X
j=0
ϕ1 (t) =
T − t ∗j
p (1 − p ∗ )T −t−j (S(t)u j d T −t−j − K )+
j
117 / 263
Binomialapproximation
Jetzt: Approximation der Preisprozesse in stetiger Zeit t ∈ [0, T ]
mittels einer Folge von CRR-Modellen in diskreter Zeit mit kn
Handelszeitpunkten, wobei (kn ) eine wachsende Folge aus N sei
Teile [0, T ] in kn Teilintervalle der Länge ∆n = kTn
Handel nur in den Zeitpunkten: tn,j = j∆n , j ∈ {0, . . . , kn }
Modellierung des Bonds:
Sei rn der risikolose Zins
Preisentwicklung des Bonds:
Modellierung von Preisprozessen in stetiger Zeit mittels
I
eines stochastischen Prozesses in stetiger Zeit
I
einer Approximation mit einer Folge stochastischer Prozessen
in diskreter Zeit
118 / 263
B(tn,j ) = (1 + rn )j ,
j ∈ {0, . . . , kn }
Im zeitstetigen Modell: B(t) = e rt mit stetiger Zinsrate r > 0 Falls
für rn gilt
1 + rn = e r ∆n
folgt
(1 + rn )j = e rj∆n = e rtn,j
119 / 263
120 / 263
Modellierung der risikobehafteten Anlage:
S(t
Annahme: Für jedes feste n gilt: Zn,1 , . . . , Zn,kn unabhängige ZV’n
Nach Behauptung 3.9 ist das n-te CRR-Modell genau dann
arbitragefrei, wenn
dn < 1 + rn < un
)
∈ {un , dn } die relative Veränderung in der
Sei Zn,i = S(tn,i+1
n,i )
Handelsperiode i → i + 1 (i ∈ {0, . . . , kn − 1}) mit
P(Zn,i = un ) =: pn = 1 − P(Zn,i = dn )
Dieses ist in eindeutiger Weise charakterisiert durch
mit einem noch zu bestimmenden pn ∈ (0, 1)
Aktienpreisprozess im n-ten CRR-Modell (mit kn Handelsperioden)
Sn (tn,j ) = Sn (0)
j
Y
Zn,i ,
j ∈ {1, . . . , kn }
pn∗ =
1 + rn − dn
un − dn
Damit ist das n-te CRR-Modell bis auf die Parameter un und dn
festgelegt.
i=1
121 / 263
Wir wählen
un = e σ
√
∆n
und dn = e −σ
√
Mit an = min{j ∈ N0 | S(0)unj dnkn −j > K } folgt
∆n
Cn (0) = (1 + rn )−kn
Das risikoneutrale Maß für das n-te CRR-Modell ist dann gegeben
durch
kn X
kn
pn∗j (1 − pn∗ )kn −j S(0)unj dnkn −j − K
j
j=an


j kn −j 
kn ∗
X
∗
kn
pn un
(1 − pn )dn
= S(0)


j
1 + rn
1 + rn
j=an


kn X

kn ∗j
−kn
∗ kn −j
− (1 + rn ) K
pn (1 − pn )


j
j=an
∗
pn un
= Sn (0) 1 − Bin
, kn (an − 1)
1 + rn
√
e r ∆n − e −σ ∆n
1 + rn − dn
√
= √
un − dn
e σ ∆n − e −σ ∆n
Mögliche Preise der Aktie S zum Zeitpunkt T :
pn∗ =
S(0)unj dnkn −j ,
122 / 263
j ∈ {0, . . . , kn }
Mit Behauptung 3.13 folgt der Arbitragepreis Cn (0) des
europäischen Calls auf die Aktie S mit Strike K und Expiry T im
n-ten CRR-Modell:
C (0) = (1 + rn )−kn E∗ (S(T ) − K )+
kn +
X
kn ∗j
= (1 + rn )−kn
pn (1 − pn∗ )kn −j S(0)unj dnkn −j − K
j
j=0
123 / 263
− K (1 − rn )−kn {1 − Bin (pn∗ , kn ) (an − 1)}
Bemerkung: 0 <
pn∗ un
1+rn
<1
124 / 263
Satz 3.3 (Black-Scholes-Formel für den Preis einer
europäischen Call-Option). Mit obiger Notation gilt:
C (0) := lim Cn (0) = S(0)Φ(d1 (S(0), T ) − Ke −rT Φ(d2 (S(0), T ))
n→∞
wobei
2
log(s/K ) + (r + σ2 )t
√
σ t
√
log(s/K ) + (r −
√
d2 (s, t) = d1 (s, t) − σ t =
σ t
Bemerkung: Sei t ∈ [0, T ] mit t/T rational, also gibt es a, b ∈ N0
mit t = ba T
Wähle jn := na, kn := nb und ∆n = kTn
Dann gilt t = tn,jn = jn ∆n
Wir betrachten den Preisprozess Sn im n-ten CRR-Modell
d1 (s, t) =
Sn (tn,j ) = Sn (0)
σ2
2 )t
j
Y
Zn,i ,
j ∈ {0, . . . , kn }
i=1
Also gilt speziell
und Φ die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung
bezeichne.
Sn (t) = Sn (tn,jn ) = Sn (0)
Der Preis für die europäische Put-Option ergibt sich sofort über die
Put-Call-Parität.
Dieses Resultat wurde 1997 mit dem Nobelpreis für Ökonomie
gewürdigt.
jn
Y
Zn,i
i=1
125 / 263
126 / 263
Schätzung der Volatilität
Mit Methoden wie im Beweis zu Satz 3.3 kann gezeigt werden:
1
D
2
(n → ∞)
Sn (t) → S(t) := S(0) · exp(tr ) · exp tσ Z −
2
mit einer N(0, 1)-verteilten Zufallsvariablen Z
Der stochastische Prozess S = (St )t∈T (Q∩[0,1]) kann zu einem
stochastischen Prozess in stetiger Zeit t ∈ [0, T ] fortgesetzt
werden.
Dieser Prozess ist dann eine sogenannte geometrische Brownsche
Bewegung mit Drift r
St ist lognormalverteilt mit Erwartungswert t(r − σ 2 /2) und
Varianz tσ 2 von log(St /S0 )
unter Verwendung
127 / 263
I
der historischen Werte des Aktienkurses S
I
der an der Börse notierten Preise ähnlicher Optionen
128 / 263
Schätzung der Volatilität aus historischen Aktienkursen
kurse <- read.csv("table.csv")
attach(kurse)
## Aktienpreisprozess
plot(Close)
lines(Close)
Dann: Berechnung des
Preises eines europäischen Calls über einen Optionspreisrechner, z.B.
http://www.numa.com/derivs/ref/calculat/option/calc-opa.htm
von Numa Financial Systems
## log-Returns
n <- length(Close)
R <- log(Close[2:n]/Close[1:(n-1)])
plot(R)
lines(R)
## Schätzung der Volatilität
sqrt(var(R)*n)
q()
129 / 263
Bewertung amerikanischer Optionen
Betrachte ein allgemeines Mehrperioden-Marktmodell. Der Besitzer
einer amerikanischen Option kann diese zu jedem Zeitpunkt
t ∈ {0, 1, . . . , T } ausüben und erhält die Geldsumme f (St ) oder
allgemeiner ft .
Gesucht: Selbstfinanzierende Handelsstrategie ϕ, so dass für den
dazugehörigen Wertprozess Vϕ gilt:
Vϕ (0) = x
(Startkapital)
Vϕ (t) ≥ ft
∀t ∈ {0, 1, . . . , T }
130 / 263
Annahme: Das Marktmodell (Ω, F, F, P) ist vollständig und P ∗ ist
das eindeutige zu P äquivalente Martingalmaß.
Dann gilt für jede Hedging-Strategie ϕ, dass
Mt = Ṽϕ (t) = β(t)Vϕ (t)
ein P ∗ -Martingal ist.
Also folgt mit Satz 2.10, dass für jede Stoppzeit τ ∈ T0,T
M0 = Vϕ (0) = E ∗ (Ṽϕ (τ ))
Da aus den Annahmen über ϕ folgt, dass Vϕ (τ ) ≥ f τ für jede
Stoppzeit gelten muss, erhalten wir für das Startkapital
Ein solches Portfolio heißt minimal, falls es eine Stoppzeit
τ : Ω → {0, 1, . . . , T } gibt mit
x ≥ sup E ∗ (β(τ )fτ )
Vϕ (τ ) = fτ
τ ∈T0,T
Problem: Existenz und (gegebenenfalls) Konstruktion einer solchen
Stoppzeit
131 / 263
132 / 263
Berechnung des Optionspreises
Zum Zeitpunkt T ist der Wert ZT der Option gleich dem Pay-Off
der Option:
ZT := fT
Sei jetzt τ ∗ eine Stoppzeit mit Vϕ (τ ∗ ) = fτ ∗ . Dann ist die
Handelsstrategie ϕ minimal und es gilt
Zum Zeitpunkt T − 1 kann der Besitzer der Option diese entweder
ausüben und den Geldbetrag fT −1 einstreichen oder die Option bis
zum Verfallsdatum behalten, wobei im letzteren Falle der Betrag
x = E ∗ (β(τ ∗ )fτ ∗ ) = sup E ∗ (β(τ )fτ )
τ ∈T0,T
βT−1−1 E ∗ (βT fT | FT −1 )
Diese Relation (erstes Gleichheitszeichen) ist also eine notwendige
Bedingung für die Existenz einer minimalen Handelsstrategie.
Wir werden zeigen, dass dies zugleich auch eine hinreichende
Bedingung darstellt.
Der Preis x heißt rationaler Preis einer amerikanischen Option.
abgesichert werden muss. Also hat die Option zum Zeitpunkt T
den Wert
ZT −1 := max{fT −1 , βT−1−1 E ∗ (βT fT | FT −1 )}
Mittels Rückwärtsinduktion zeigt man, dass zum Zeitpunkt
t ∈ {1, . . . , T } der folgende Wert abgesichert werden muss:
−1 ∗
Zt−1 = max{ft−1 , βt−1
E (βt Zt | Ft−1 )}
133 / 263
Also ist (Z̃t )t∈{0,...,T } die Snell-Einhüllende von (f˜t )t∈{0,...,T }
Nach Satz 2.12 gilt, dass
oder — mit f˜t := βt ft — diskontiert auf den Zeitpunkt t=0:
Z̃t−1 = max{f˜t−1 , E ∗ (Z̃t | Ft−1 )}
134 / 263
Konstruktion des Hedging-Portfolios
Da Z̃ ein Supermartingal ist, existieren nach dem Zerlegungssatz
2.14 von Doob ein Martingal M̃ und ein wachsender vorhersagbarer
Prozess à mit
Z̃ = M̃ − Ã
Z̃t = sup E ∗ (f˜τ | Ft )
τ ∈Tt,T
und die Stoppzeit τt∗ := min{s ≥ t : Z̃s = f˜s } optimal ist und dass
Setze Mt := M̃t /βt und At := Ãt /βt . Da der zugrundeliegende
Finanzmarkt vollständig ist, existiert eine selbstfinanzierende
Handelsstrategie ϕ mit
Z̃t = E ∗ (f˜τt∗ | Ft )
M̃t = Ṽϕ (t)
Speziell kann im Fall t = 0 die Stoppzeit
τ0∗ := min{s ≥ 0 : Z̃s = f˜s } verwendet werden und
(Betrachte den Positiv- und den Negativteil von MT jeweils als ein
Derivat.)
Dann
Zt := Z̃t /βt = Vϕ (t) − At
x = Z̃0 = E ∗ (f˜τ0∗ ) = sup E ∗ (f˜τ0 )
τ0 ∈T0,T
ist der rationale Preis der amerikanischen Option.
135 / 263
136 / 263
Aus Sicht des Käufers der Option ist die Ermittlung des
optimalen Ausübungszeitpunktes von elementarem Interesse:
Der Ausübungszeitpunkt ist aus der Menge der Stoppzeiten
auszuwählen.
Es ist nicht sinnvoll, die Option zu einem Zeitpunkt t mit Zt > ft
auszuüben, da durch den Verkauf der Option ihr Wert Zt erlöst
werden kann, wohingegen die Ausübung der Option nur ft erbringt.
Für einen optimalen Ausübungspunkt τ gilt also
Damit ist der Zeichner der Option in der Lage, sich perfekt zu
hedgen: Durch den Verkauf der Option zum Preis von Z0 = Vϕ (0)
kann er unter Verwendung der Handelsstrategie ϕ zu jedem
Zeitpunkt t ein Kapital Vϕ (t) erwirtschaften, welches größer oder
gleich Zt ist, und damit auch größer oder gleich dem zum
Zeitpunkt t eventuell fälligen Pay-Off ft .
Zτ = fτ
137 / 263
138 / 263
Dann gilt für alle Stoppzeiten τ mit τ ≤ τmax , dass
Andererseits ist es auch nicht sinnvoll, die Option nach dem
Zeitpunkt
τmax := inf{t : At+1 6= 0}
(Z̃tτ )t = (Z̃τ ∧t )t
(= inf{t : Ãt+1 6= 0})
auszuüben, da ein Verkauf der Option zum Zeitpunkt τmax und
Anlage des Erlöses gemäß der Handelsstrategie ϕ ein für alle
nachfolgenden Zeitpunkte τmax + 1, τmax + 2, . . . , T strikt größeres
Kapital Vϕ einbringt als der Verkauf der Option zu ihrem Wert Z .
139 / 263
ein Martingal bzgl. P ∗ ist.
Damit sind nach Satz 2.13 optimale Ausübungszeiten auch
optimale Stoppzeiten für die Folge (f˜t )t∈{0,1,...,T } .
Daraus folgt: Verwendet der Zeichner der Option die oben
konstruierte Handelsstrategie ϕ zum Hedgen und übt der Käufer
der Option diese zu einer nicht optimalen Stoppzeit τ aus, so gilt
Zτ > fτ oder Aτ > 0. In beiden Fällen macht der Zeichner der
Option einen risikolosen Gewinn Vϕ (τ ) − fτ = Zτ + Aτ − fτ > 0.
140 / 263
Bewertung eines amerikanischen Puts im CRR-Modell
Teile das Zeitintervall [0, T ] in N Teilintervalle der Länge ∆
Risikofreie Zinsrate im Intervall ∆ sei ρ
Die zugehörige stetige Zinsrate berechnet sich aus:
Aus rechen- und finanztechnischen Gründen wird N häufig in der
Größenordnung von 30 gewählt.
Wie in der dynamischen Optimierung (Richard Bellman), wird eine
Rückwärtsrekursion gewählt, um sowohl die Preise als auch die
optimale Ausübungsstrategie zu ermitteln:
1 + ρ = er∆
Wähle u und d gemäß
u = eσ
√
∆
und
d = e −σ
√
1. Zeichne das Baumdiagramm, beginnend mit dem Startwert
(Zeitpunkt 0) und den N + 1 Endwerten (Zeitpunkt N) (wie in
der Einführung zu den CRR-Modellen).
∆
Das risikoneutrale W-Maß für die dazugehörigen
Einperioden-Modelle berechnet sich aus
2. Trage am Knoten (i, j), der nach i Aufwärts- und j
Abwärtsbewegungen erreicht wird, den Preis
S(0)u i d j = S(0)u i−j ein.
√
1+r −d
e r ∆ − e −σ ∆
√
p =
= √
u−d
e σ ∆ − e −σ ∆
∗
3. Trage an den Endknoten unter die Endpreise die Pay-Offs
fi,jA = max{K − S(0)u i d j , 0}
Die Aktie mit Startwert S(0) ist nach i Schritten aufwärts und j
Schritten abwärts S(0)u i d j Einheiten wert.
Es gibt dann N + 1 mögliche Preise und 2N mögliche Pfade durch
das Baumdiagramm.
ein.
141 / 263
4. Angenommen, die Werte der Option liegen an den Knoten
(i + 1, j) und (i, j + 1) bereits vor. Wird die Option am
Knoten (i, j) nicht ausgeübt, muss der Betrag
A
A
fi,j = e −r ∆ p ∗ fi+1,j
+ (1 − p ∗ )fi,j+1
142 / 263
132.25
t=0:
Options−Wert: 2.18
Hedging−Portfolio:
Anteile Aktie = −0.48
Anteile Bond= 50.18
abgesichert werden. Wird die Option am Knoten (i, j) aber
ausgeübt, so ist der Wert
0
115
0
i j +
(K − S(0)u d )
100
abzusichern. Der Wert des amerikanischen Puts im Knoten
(i, j) ist nun das Maximum dieser beiden Werte:
0
103.5
●
0
2
2.18
fi,jA = max{fi,j , K − S(0)u i d j }
90
●
●
5. Der Wert PA (0) des amerikanischen Puts zum Zeitpunkt 0 ist
dann am linken Wurzelkonten abzulesen: f0,0 .
6. Befindet man sich an einem inneren Knoten (i, j), so ist es
rational, die Option vorzeitig auszuüben (early exercise), falls
die Ausübung der Option einen höheren Erlös bietet als der
Verkauf der Option um den Wert fi,j .
143 / 263
●
●
●
Aktienwert
Early Exercise
Pay−Off
Hedge−Wert
12
3.82
81
21
Bewertung einer Amerikanische Put−Option mit K=102 und r=10%
144 / 263
4. Stochastische Prozesse in stetiger Zeit
4.1 Grundbegriffe
(Ω, F, P) mit Filtration F = (Ft )t≥0
Ein stochastischer Prozess X = (Xt )t≥0 mit Indexbereich [0, ∞)
ist eine Familie von Zufallsvariablen auf (Ω, F, P).
Dieses Kapitel der Vorlesung orientiert sich teilweise an dem Buch
I
Sondermann D. Introduction to Stochastic Calculus for
Finance — A New Didactic Approach. Springer 2006.
Der Prozess X heißt (zur Filtration F) adaptiert, falls
∀
t≥0
Xt ist Ft -messbar
145 / 263
Seien t1 , . . . , tn ∈ [0, ∞). Der Zufallsvektor (Xt1 , . . . , Xtn ) besitzt
Werte in Rn .
Man kann auch folgende Umkehrung zeigen:
Zu jeder konsistenten Familie K von endlich dimensionalen
Verteilungen existiert ein Wahrscheinlichkeitsmaß Q auf
(R[0,∞) , B(R[0,∞) )), dessen Menge der endlich dimensionalen
Randverteilungen die Familie K umfasst.
Durch
PX1 ,...,Xtn (B) := P ((Xt1 , . . . , Xtn ) ∈ B) , B ∈ B n
Sei ω ∈ Ω. Die Abbildung
wird eine endlich dimensionale Verteilung von X definiert. Die
Menge aller endlich dimensionalen Verteilungen von X erfüllen die
folgenden Konsistenzbedingungen von Kolmogorov:
I
146 / 263
(
[0, ∞) → R
X .(ω) :
t
7→ Xt (ω)
Für jede Permutation (s1 , . . . , sn ) von (t1 , . . . , tn ) gilt
PXt1 ,...,Xt (At1 × . . . × Atn ) = PXs1 ,...,Xsn (As1 × . . . × Asn )
n
(Ati ∈ B 1 )
heißt Trajektorie oder Pfad von X .
Die Zufallsvariable τ mit Werten in [0, ∞] heißt Stoppzeit, falls
I
Für jedes A ∈
B n−1
gilt
∀
t≥0
PXt1 ,...,Xtn (A × R) = PXt1 ,...,Xtn−1 (A)
147 / 263
[τ ≤ t] = {ω ∈ Ω : τ (ω) ≤ t} ∈ Ft
148 / 263
4.2 Klassen von Prozessen
Martingale. Ein adaptierter stochastischer Prozess X mit
E (|Xt |) < ∞ für alle t ≥ 0 ist ein
I
In der Theorie der Stochastischen Prozesse in stetiger Zeit treten
u.a. folgende Probleme auf:
I
Pfadregularität
I
überabzählbare Operationen wie supt∈[0,1] Xt
Submartingal, falls
∀
t,s≥0
I
Supermartingal, falls
∀
t,s≥0
I
t > s =⇒ E (Xt | Fs ) ≥ Xs
t > s =⇒ E (Xt | Fs ) ≤ Xs
Martingal, falls
∀
t,s≥0
t > s =⇒ E (Xt | Fs ) = Xs
150 / 263
149 / 263
Beispiele: (Standard-) Brownsche Bewegung, kompensierter
Poisson-Prozess.
Diffusionen. Eine Diffusion ist ein starker Markov-Prozess X mit
stetigen Pfaden, für den für alle t ≥ 0 und alle x ∈ R die folgenden
Grenzwerte existieren:
Semimartingale. Prozesse, welche sich aus einem vorhersagbaren
und einem vollständig unvorhersagbaren Teil — modelliert durch
ein Martingal — zusammensetzen. Formale Definition später.
1
E (Xt+h − Xt | Xt = x)
h
1 σ 2 (t, x) := lim E (Xt+h − Xt )2 | Xt = x
h→0 h
µ(t, x) := lim
h→0
Markov-Prozesse. Ein adaptierter stochastischer Prozess X heißt
Markov-Prozess, falls für jede beschränkte messbare Funktion
f : R → R gilt
∀
t,s>0
E (f (Xt+s ) | Ft ) = E (f (Xt+s ) | Xt )
µ(t, x) heißt Drift von X , σ 2 (t, x) heißt Diffusionskoeffizient von
X.
Intuitive Deutung: Zukünftige Werte von X hängen nur von der
Gegenwart, nicht jedoch von der Vergangenheit ab.
Gilt obige Eigenschaft auch dann noch, wenn die deterministische
Zeit t durch eine Stoppzeit τ ersetzt wird, so heißt X starker
Markov-Prozess.
Beispiele: Brownsche Bewegung, Lösungen stochastischer
Differenzialgleichungen.
151 / 263
152 / 263
Poisson-Prozesse sind spezielle Punktprozesse: Y1 , Y2 , . . .
unabhängige exp(λ)-verteilte ZVn
Punktprozesse und Poisson-Prozesse. Punktprozesse sind
stochastische Prozesse, deren Realisierungen nicht Pfade, sondern
Zählmaße sind.
τn :=
n
X
Yj
j=1
τn ist also die Zeit bis zum n-ten Ereignis und Yn ist die Wartezeit
zwischen den Ereignissen zu den Zeitpunkten τn−1 und τn .
Seien z.B. τ0 < τ1 < . . . die zufälligen Zeitpunkte von gewissen
Ereignissen.
Der dazugehörige Punktprozess (Nt )t≥0 ist gegeben durch
Nt := sup{n | τn ≤ t} definiert dann einen Poisson-Prozess mit
Rate λ > 0.
Nt := sup{n | τn ≤ t}, t ≥ 0
Eigenschaften:
k
I
Die Zufallsvariable Nt gibt die Anzahl der Ereignisse bis zum
Zeitpunkt t an.
I
P(Nt = k) = e −λt (λt)
k! , k ∈ N0 , t ≥ 0
Nt+u − Nt unabhängig von Ns (unabhängige
∀ ∀
s<t u>0
I
I
Zuwächse)
Nt+u − Nt ∼ π(λu) (stationäre Zuwächse)
Der sog. kompensierte Poisson-Prozess M mit
Mt := Nt − λt ist ein Martingal; speziell gilt ENt = λt
153 / 263
154 / 263
4.3 Brownsche Bewegung
Man kann zeigen, dass jeder stochastische Prozess (Nt ) mit
Werten von Nt in N0 , der die ersten drei obigen Eigenschaften
erfüllt, ein Poisson-Prozess ist.
Stochastische Prozesse mit unabhängigen und stationären
Zuwächsen heißen Lévy-Prozesse.
155 / 263
I
1830 Robert Brown (1773–1858), schottischer Botaniker
I
1900 Louis Bachelier (1870–1946)
I
1905 Albert Einstein (1879–1955)
I
1923 Norbert Wiener (1894–1964)
156 / 263
Definition 4.1. Ein stochastischer Prozess W = (Wt )t≥0 auf
(Ω, F, P) heißt standardisierte 1-dimensionale Brownsche
Bewegung oder Wiener-Prozess, falls
I
W0 = 0 P-f.s.
I
W hat unabhängige Zuwächse:
∀ ∀
s<t u≥0
I
Wt+u − Wt ist unabhängig von Ws
W hat stationäre normalverteilte Zuwächse:
Abbildung: R. Brown, L. Bachelier, A. Einstein und N. Wiener
∀
t,u≥0
I
Wt+u − Wt ∼ N(0, u)
W hat stetige Pfade
158 / 263
157 / 263
Behauptung 4.1. Seien W = (Wt )t≥0 eine standardisierte
Brownsche Bewegung und Ft := σ(Ws : s ≤ t). Dann sind
(Wt )t≥0 und (Wt2 − t)t≥0 Martingale bzgl. der Filtration
F = (Ft )t≥0 .
Bemerkungen zu Definition 4.1:
I
Wt = Wt − W0 ∼ N(0, t)
I
cov(Wt , Ws ) = min{s, t}, da
∀
t>s
Nachfolgend legen wir das endliche Zeitintervall [0, T ] für unser
Modell zugrunde.
cov(Wt , Ws ) = E (Wt Ws )
= E ((Wt − Ws )Ws ) + E (Ws2 )
Definition 4.3. Die Menge der Zeitpunkte
t0 = 0 < t1 < . . . < tn = T definiert eine Partition
τ := {t0 , . . . , tn } von [0, T ]; |τ | := sup{|ti − ti−1 | : 1 ≤ i ≤ n}
heißt Feinheitsgrad von τ .
= E (Wt − Ws )E (Ws ) + s = s
Definition 4.2. Eine standardisierte Brownsche Bewegung in
Rd ist ein d-dimensionaler Prozess Wt = (Wt1 , . . . , Wtd ) mit
unabhängigen standardisierten Brownschen Bewegungen in R.
Definition 4.4. Die Totalvariation der Funktion X : [0, T ] → R
ist definiert durch
(
)
X
|X (ti ) − X (ti−1 )| : τ ist eine Partition von [0, T ]
Var(X ) := sup
Satz 4.1. Der in Definition 4.1 (und 4.2) definierte Prozess
existiert.
ti ∈τ
159 / 263
160 / 263
Falls Var(X ) < ∞, sagt man, X sei von endlicher Variation.
Behauptung 4.2. Ist X : [0, T ] → R stetig und von endlicher
(erster) Variation, so ist die quadratische Variation hX it = 0 für
alle t ∈ [0, T ].
Bemerkung. Die Variation Var(f ) einer Funktion f darf nicht mit
der Varianz var(Y ) einer Zufallsvariablen Y verwechselt werden.
Definition 4.5. Sei X : [0, T ] → R eine Funktion und (τn ) eine
Folge von Partitionen des Intervalls [0, T ] mit |τn | → 0 für n → ∞.
Die quadratische Variation von X über dem Intervall
[0, t] ≤ [0, T ] entlang der Partition τn ist definiert durch
X
Vt2 (X , τn ) :=
(X (ti ) − X (ti−1 ))2
ti ∈τn ∪{t}, ti ≤t
Existiert hX it := lim Vt2 (X , τn ) für alle t ∈ [0, T ], — und ist
n→∞
dieser Grenzwert unabhängig von der speziellen Wahl der
Partitionenfolge (τn ), für die ein Grenzwert existiert — so heißt die
dadurch auf [0, T ] definierte Funktion t 7→ hX it quadratische
Variation hX i von X .
Korollar 4.1. Ist X : [0, T ] → R stetig und ist die quadratische
Variation t 7→ hX it streng monoton wachsend, so ist X auf jedem
Intervall [a, b] ⊆ [0, T ] von unendlicher Totalvariation.
Behauptung 4.3. Sei X : [0, T ] → R stetig mit stetigem
quadratischer Variation. Ferner sei A : [0, T ] → R stetig und von
endlicher Totalvariation. Dann ist die durch Y (t) := X (t) + A(t)
definierte Funktion Y : [0, T ] → R von stetiger quadratischer
Variation mit hY it = hX it für alle t ∈ [0, T ].
Also ist die quadratische Variation eines stetigen Semimartingals
gleich der quadratischen Variation des Martingalanteils.
161 / 263
162 / 263
Satz 4.2. Für alle t ∈ [0, T ] gilt:
E Vt2 (W , τn ) − t
2
→0
(n → ∞)
für jede Folge von Partitionen τn des Intervalls [0, T ] mit
limn |τn | = 0.
Eine Kombination von Satz 4.2 und Korollar 4.2 liefert
Korollar 4.3. Fast alle Pfade der Brownschen Bewegung sind von
unendlicher Totalvariation.
Korollar 4.2. Es gibt eine Folge von Partitionen τn von [0, T ] mit
limn |τn | = 0 so, dass P-f.s.
Zusammenfassung: Die Brownsche Bewegung ist ein Martingal
mit stetigen Pfaden und quadratischer Variation hW it = t P-f.s.
∀
t∈[0,T ]
lim Vt2 (W , τn ) = t
Es gilt jedoch auch umgekehrt
Satz 4.3. (Charakterisierung der Brownschen Bewegung von
Lévy). Ist M ein quadratisch integrierbares Martingal mit stetigen
Pfaden, M0 = 0 und hMit = t für alle t, dann ist M eine
Brownsche Bewegung.
n
Lemma 4.1. X : [0, T ] → R stetig mit stetiger quadratischer
Variation, g : [0, T ] → R messbar und beschränkt. Dann gilt:
Z t
X
lim
g (ti−1 )(Xti − Xti−1 )2 =
g (s) dhX is
n→∞
ti ∈τn ∪{t}, ti ≤t
0
163 / 263
164 / 263
Das Itô-Integral
Behauptung 4.4. X : [0, T ] → R stetig und von endlicher
Totalvariation, F : R → R eine C 1 -Funktion. Sei (τn ) eine Folge
von Partitionen von [0, T ] mit limn |τn | = 0.
Dann existiert
F : R → R und X : R+ → R seien C 1 -Funktionen (d.h. stetig
differenzierbar).
Dann gilt nach dem Hauptsatz der Differenzial- und
Integralrechnng
Zt
F (X (t)) − F (X (0)) =
0
0
Zt
F (X (s))X (s) ds =
0
X
lim
n→∞
F 0 (Xs ) dXs
Zt
0
F (Xti−1 )(Xti − Xti−1 ) =:
ti ∈τn ∪{t},ti ≤t
F 0 (Xs ) dXs
0
und es gilt
0
Zt
F (Xt ) − F (X0 ) =
F 0 (Xs ) dXs
0
Die Voraussetzung, dass X eine C 1 -Funktion ist, kann auf stetige
Funktionen X mit endlicher Totalvariation abgeschwächt werden,
wie nachfolgend gezeigt wird.
Diese Behauptung ist ein Spezialfall der Itô-Formel (Satz 4.4).
166 / 263
165 / 263
Bis auf Weiteres sei X : [0, T ] → R immer eine stetige Funktion
mit stetiger quadratischer Variation hX i = (hX it )t∈[0,T ] .
Dies gilt z.B. für die Pfade der Brownschen Bewegung W (Korollar
4.2) und — allgemeiner — für die Pfade jedes stetigen
Semimartingals mit stetiger quadratischer Variation.
Satz 4.4 (Itô-Formel). X : [0, T ] → R stetig mit stetiger
quadratischer Variation hX i. F : R → R eine C 2 -Funktion.
Dann gilt
Z t
Z
1 t 00
0
F (Xt ) − F (X0 ) =
F (Xs ) dXs +
F (Xs ) dhX is
∀
2 0
t∈[0,T ]
0
wobei der Grenzwert
Z t
F 0 (Xs ) dXs := lim
Da
R t t 7→ hX it monoton wachsend in t, ist das Integral
0 g (s) dhX is für jede stetige Funktion g : [0, T ] → R im
Riemann-Stieltjes-Sinne definiert.
n→∞
0
Da t 7→ hX it stetig ist, ist dieses Integral eine stetige Funktion der
oberen Grenze t.
F 0 (Xti−1 )(Xti − Xti−1 )
ti ∈τn ∪{t},ti ≤t
für jede zu der quadratischen Variation hX i führenden Folge (τn )
von Partitionen des Intervalls [0, T ] mit limn |τn | = 0 existiert
(gemäß Definition 4.5).
Das Integral
167 / 263
X
Rt
0
F 0 (Xs ) dXs heißt Itô-Integral.
168 / 263
3) Man beachte, dass in den Summen, deren Grenzwerte das
Itô-Integral liefern, der Integrand F 0 (Xs ) am linken
Intervallende von [ti−1 , ti ] ausgewertet wird.
Bemerkungen.
4) Sei X jetzt allgemeiner ein stochastischer Prozess (hinge also
zusätlich noch vom Zufall ab), dessen Pfade die einer
Brownschen Bewegung W sind. Dann kann in Satz 4.4 zur
Definition des Itô-Integrals die nach Korollar 4.2 existierende
pfadunabhängige Folge von Partitionen verwendet werden.
Der Grenzwert ist bis auf eine P-Nullmenge eindeutig.
1) Ist X von endlicher
R t Totalvariation, verschwindet der
Korrekturterm 12 0 F 00 (Xs ) dhX is (da hX i ≡ 0 nach
Behauptung 4.2). Dies liefert die klassische Behauptung 4.4.
2) Kurzform der Itô-Formel:
1
dF (Xt ) = F 0 (Xt ) dXt + F 00 (Xt ) dhX it
2
5) Die hier gewählte pfadweise Definition des Itô-Integrals geht
auf Hans Föllmer (1981) zurück. Allgemeinere Integranden der
Form Ys anstelle von F 0 (Xs ) werden in der stochastischen
Analysis behandelt. Solche allgemeinere Integranden tauchen
in unserer Vorlesung Finanzmathematik jedoch nicht auf.
169 / 263
Beispiele
I
F (x) =
I
x n.
Mit Itô-Formel
Z
Z t
n(n − 1) t n−2
n
n
n−1
Xt − X0 = n
Xs dXs +
Xs dhX is
2
0
0
kurz:
dXtn
=
nXtn−1 dXt
F (x) = e x . Mit Itô-Formel
Z t
Z
1 t Xs
Xt
X0
Xs
e −e =
e dXs +
e dhXs is
2 0
0
oder kurz
1
de Xt = e Xt dXt + e Xt dhX it
2
Speziell für X = W folgt
Z
Z t
1 t Ws
e Wt = 1 +
e Ws dWs +
e dhW is
2 0
0
Z t
Z
1 t Ws
Ws
e ds
=1+
e dWs +
2 0
Z0 t
1 Wt
=1+
e − e0
e Ws dWs +
2
0
n(n − 1) n−2
Xt dhX it
+
2
Ist X speziell der Pfad einer Brownschen Bewegung W mit
W0 = 0, so gilt
Z t
Z t
2
dhW is
Wt = 2
Ws dWs +
0
Z0 t
=2
Ws dWs + t
0
Also
170 / 263
Also
Z
0
t
1
t
Ws dWs = Wt2 −
2
2
Z
0
171 / 263
t
e Ws dWs =
1 Wt
e −1
2
172 / 263
Behauptung 4.5. Sei F : R → R eine C 1 - Funktion. Dann bestitzt
die Funktion t 7→ F (Xt ) die quadratische Variation
Z t
2
F 0 (Xs ) dhX is
0
Beispiel.
Für X = W gilt
Wt2 =
Z
t
2Ws dWs + t
0
Korollar 4.4. Für jedes f ∈ C 1 (R) ist das Itô-Integral
Z t
f (Xs ) dXs
It :=
Mit It :=
Rt
0
2Ws dWs folgt
Z
2
hW it = hI it =
0
t
4Ws2 ds
0
wohldefiniert und besitzt die quadratische Variation
Z t
f 2 (Xs ) dhX is
hI it =
0
174 / 263
173 / 263
Bisher haben wir nur analytische Eigenschaften des Integrators X
verwendet.
Sei M ein Martingal mit stetigen Pfaden und stetiger quadratischer
Variation und f eine C 1 -Funktion.
Frage: Überträgt sich die Martingal-Eigenschaft des Integrators M
auf das Itô-Integral


Zt
I = It := f (Ms ) dMs 
?
0
t≥0
175 / 263
Definition 4.6. Ein stochastischer Prozess M heißt lokales
Martingal, falls es Stoppzeiten T1 ≤ T2 ≤ . . . gibt mit
∀
ω∈Ω
∀
n
lim Tn (ω) = ∞
n→∞
(MTn ∧t )t≥0 ist ein Martingal
Klar: Jedes Martingal ist ein lokales Martingal. Die Umkehrung ist
jedoch falsch!
176 / 263
Behauptung 4.7. Sei M ein lokales Martingal mit stetigen Pfaden
und quadratischer Variation hMit = 0 f.s. (t ≥ 0). Dann gilt
Satz 4.5. Sei M ein lokales Martingal mit stetigen Pfaden und
stetiger quadratischer Variation hMi, ferner f ∈ C 1 (R). Dann gilt


Zt
It := f (Ms ) dMs 
ist ein lokales Martingal
0
∀
t≥0
t≥0
∀
∀
E hMit < ∞
Im Falle von (i) oder (ii) gilt
∀
t≥0
EMt2
t≥0
Mt = M0
f.s.
Bemerkung: Mit Kor. 4.5 können wir zeigen, dass bei stetigen
lokalen Martingalen (mit stetigem quadratischem
Variationsprozess) der quadratische Variationsprozess in Def. 4.5
f.s. unabhängig von der Wahl der Partitionenfolge (τn ) ist.
(i) M ist ein Martingal mit EMt2 < ∞ für alle t ≥ 0
t≥0
f.s.
Korollar 4.5. Sei M ein lokales Martingal mit stetigen Pfaden von
endlicher Totalvariation. Dann gilt
Behauptung 4.6. Sei M ein lokales Martingal mit stetigen Pfaden
und M0 = 0. Äquivalent sind:
(ii)
Mt = M0
Definition 4.7. Ein stochastischer Prozess X mit Xt = Mt + At
mit einem lokalen Martingal M und einem adaptierten Prozess A
mit linksseitig stetigen Pfaden von endlicher Totalvariation heißt
Semimartingal.
= E hMit
177 / 263
Bemerkungen.
1) Die linksseitige Stetigkeit von A hat zur Folge, dass der Wert
von At bei Kenntnis der Werte As , s < t, vorhergesagt werden
kann.
2) Die Zerlegung eines Semimartingals X in einen
Martingalanteil und einen Anteil A von endlicher
Totalvariation ist eindeutig (bis auf additive Konstanten). Ist
X stetig, so ist auch M (und somit A) stetig.
178 / 263
Definition 4.8. Sei (τn ) eine Folge von Partitionen des Intervalls
[0, T ] mit |τn | → 0. X und Y seien stetige Funktionen mit stetiger
quadratischer Variation entlang der Folge (τn ). Existieren die
Grenzwerte — und zwar unabhängig von der speziellen Wahl von
(τn ) —
X
(Xti − Xti−1 )(Yti − Yti−1 ),
∀ hX , Y it := lim
t≥0
n→∞
ti ∈τn ,ti ≤t
so heißt hX , Y i := (hX , Y it )t≥0 Kovariation von X und Y .
3) In der allgemeinen Theorie der Semimartingale wird A als
vorhersagbar angenommen, was etwas schwächer ist als die
Forderung, dass A adaptiert ist und die Pfade von A
linksseitig stetig sind.
Satz 4.6. hX , Y it existiert genau dann, wenn hX + Y it existiert.
In diesem Fall gilt die Polarisationsgleichung
hX , Y it =
179 / 263
1
(hX + Y it − hX it − hY it )
2
180 / 263
3) X stetige Funktion mit stetiger quadratischer Variation,
f , g ∈ C 1 (R),
Bemerkungen.
Zt
1) X stetige Funktion mit stetiger Variation hX i, A stetige
Funktion mit endlicher Totalvariation. Dann gilt
Yt :=
Zt
f (Xs ) dXs ,
Zt :=
0
hX + Ait = hX it
g (Xs ) dXs
0
Dann gilt
Zt
und damit
f (Xs )g (Xs ) dhX is
hY , Z it =
hX , Ait = 0
0
Dies folgt aus der Polarisationsgleichung und
2) Für zwei unabhängige Brownsche Bewegungen
gilt
(1)
(2)
∀ hB , B it = 0
B (1)
und
B (2)
Zt
hY + Z it
=
(f + g )2 (Xs ) dhX is
0
t≥0
Zt
= hY it + hZ it + 2
f (Xs )g (Xs ) dhX is
0
181 / 263
Satz 4.7 (d-dimensionale Itô-Formel). Sei
X = (X 1 , . . . , X d ) : [0, T ] → Rd stetig mit stetigen Kovariationen
(
hX k it ,
falls k = l
hX k , X l it = 1
k
l
k
l
falls k 6= l
2 hX + X it − hX it − hX it ,
Beispiel.
Sei
W = (W 1 , . . . , W d )
Ferner sei F ∈ C 2 (Rd , R). Dann gilt
F (Xt ) − F (X0 )
d Zt
d Zt
X
1 X
∂
∂2
i
=
F (Xs ) dXs +
F (Xs ) dhX i , X j is
∂xi
2
∂xi ∂xj
i=1 0
eine d-dimensionale Brownsche Bewegung. Also
(
t, falls k = l
k
l
hW , W it =
0, falls k 6= l
Mit obiger Itô-Formel
i,j=1 0
In Kurzform:
dF (Xt ) =
182 / 263
F (Wt ) − F (W0 ) =
d
X
i=1
Fxi (Xt ) dXti
d Z
X
i=1 0
d
1 X
+
Fxi ,xj (Xt ) dhX i , X j it
2
t
d
Fxi (Ws ) dWsi
1X
+
2
Zt
Fxi ,xi (Ws ) ds
i=1 0
i,j=1
183 / 263
184 / 263
Korollar 4.7 (Itô-Formel für zeitabhängige Funktionen). Sei X eine
stetige Funktion mit stetiger quadratischer Variation hX i und
F : (t, x) 7→ F (t, x) mit F ∈ C 1,2 . Dann gilt
Korollar 4.6 (Itôsche Produktformel). Seien X und Y stetige
Funktionen mit stetiger quadratischer (Ko-)Variation hX i, hY i
bzw. hX , Y i. Dann gilt
F (t, Xt )
Zt
Xt Yt = X0 Y0 +
Zt
0
Zt
Ys dXs + hX , Y it
Xs dYs +
= F (0, X0 ) +
0
Zt
Ft (s, Xs ) ds +
1
Fx (s, Xs ) dXs +
2
0
0
Zt
Fxx (s, Xs ) dhX is
0
Kurzschreibweise:
d(XY )t = Xt dYt + Yt dXt + dhX , Y it
Kurzschreibweise:
1
dFt = Ft dt + Fx dXt + Fxx dhX it
2
185 / 263
Beispiel.
W Brownsche Bewegung, S0 > 0 Startwert, µ ∈ R, σ > 0
Konstanten
Der durch
1 2
St = S0 exp σWt + µ − σ t , t ≥ 0
2
186 / 263
Wegen St = F (Xt , Yt ) folgt
Zt
St
= S0 +
Zt
F (Xs , Ys ) dXs +
0
0
Zt
= S0 +
Zt
F (Xs , Ys ) dhX is
0
Zt
F (Xs , Ys )σ dWs +
0
definierte stochastische Prozess S heißt geometrische Brownsche
Bewegung.
Herleitung einer Itô-Integralgleichung für S:
1
F (Xs , Ys ) dYs +
2
1
F (Xs , Ys ) µ − σ 2
2
ds
0
+
1
2
Zt
F (Xs , Ys )σ 2 ds
0
Xt
Yt
Zt
= σWt
1 2
=
µ− σ t
2
= S0 +
Zt
σSs dWs +
0
µSs ds
0
In Kurzform:
Klar: hX it = σ 2 t und hY it = hX , Y it = 0
Für F (x, y ) := S0 exp(x + y ) gilt Fx = Fy = Fxx = F
dSt = µSt dt + σSt dWt
187 / 263
188 / 263
Falls µ = 0, ist
Zt
St = S0 +
σSs dWs
0
nach Satz 4.4 ein lokales Martingal.
Wegen
Zt
E hSit
=E
σ 2 Ss2 dhW is
0
2
Zt
=σ E
Ss2 ds
0
=σ
2
Zt
ESs2 ds < ∞
0
für alle t ≥ 0, ist S nach Behauptung 4.6 sogar ein Martingal.
Abbildung: Kiyoshi Itô (1915–2008), Wolfgang Döblin (1915–1940)
190 / 263
189 / 263
5. Zeitstetige Finanzmärkte
Weitere technische Regularitätsvoraussetzungen (abhängig z.B.
davon, wie allgemein das stochastische Integral sein soll und was
man beweisen will):
Marktmodell M
I
WR (Ω, F, P)
I
Filtration F von aufsteigenden in F enthaltenen σ-Algebren
mit F0 = {∅, Ω} und FT = F
I
d + 1 Finanzgüter mit Preisprozessen S0 , S1 , . . . , Sd , welche
zu F adaptiert und streng positiv seien
I
F ist P-vollständig
I
F0 enthält alle P-Nullmengen
I
F ist rechtsstetig, d.h.
∀
t∈[0,T ]
I
191 / 263
Ft =
\
Fs
s>t
S0 , S1 , . . . , Sd sind stetige Semimartingale
192 / 263
Definition 5.1. Ein Numéraire ist ein Preisprozess
X = (Xt )t∈[0,T ] mit
Xt > 0
∀
P − f.s.
t∈[0,T ]
Zur Erinnerung: Per definitionem lässt sich ein stetiges
Semimartingal S = (St )t∈[0,T ]) in ein stetiges (lokales) Martingal
M und einen stetigen adaptierten Prozess A mit (lokal)
beschränkter Variation zerlegen.
Definition 5.2. Der Rd+1 -wertige stochastische Prozess ϕ ist eine
Handelsstrategie oder dynamisches Portfolio, falls
Ein vorhersagbarer Prozess H = (Ht )t∈[0,T ] ist ein stochastischer
Prozess H : Ω × [0, T ] → R, welcher messbar ist bezüglich der
vorhersagbaren σ-Algebra, welche von den adaptierten Prozessen
mit linksseitig stetigen Pfaden erzeugt wird.
ϕ(t) = (ϕ0 (t), . . . , ϕd (t)) , t ∈ [0, T ]
ein vorhersagbarer lokal beschränkter Prozess ist.
Unter
diesen Bedingungen existiert das stochastische Integral
Rt
hϕ(u),
dS(u)i.
0
ϕi (t) bezeichnet die Anteile des Finanzgutes i im Portfolio zum
Zeitpunkt t.
ϕi (t) basiert auf der Information, welche vor dem Zeitpunkt t
erhältlich ist.
194 / 263
193 / 263
Definition 5.3
Behauptung 5.1. Ein selbstfinanzierendes Portfolio bleibt nach
einem Wechsel des Numéraires X selbstfinanzierend.
(i) Der Wertprozess Vϕ = (Vϕ (t))t∈[0,T ] des Portfolios ϕ ist
gegeben durch
Vϕ (t) := hϕ(t), S(t)i =
d
X
Sei S0 der risikolose Bond.
ϕi (t)Si (t),
t ∈ [0, T ]
i=0
Diskontierter Wertprozess:
d
(ii) Der Zuwachsprozess Gϕ = (Gϕ (t))t∈[0,T ] ist gegeben durch
Z
t
hϕ(u), dS(u)i =
Gϕ (t) :=
0
d Z
X
i=0
X
Vϕ
Ṽϕ :=
= ϕ0 +
ϕi S̃i
S0
i=1
t
ϕi (u) dSi (u)
0
Diskontierter Zuwachsprozess G̃ϕ :
(iii) Die Handelsstrategie ϕ heißt selbstfinanzierend, falls
∀
S̃ := 1, SS10 , . . . , SSd0
Diskontierter Preisprozess:
G̃ϕ (t) :=
d Z
X
i=1
Vϕ (t) = Vϕ (0) + Gϕ (t)
t
ϕi (u) d S̃i (u),
t ∈ [0, T ]
0
t∈[0,T ]
195 / 263
196 / 263
Behauptung 5.2. ϕ ist genau dann selbstfinanzierend, wenn
Definition 5.6. Eine selbstfinanzierende Handelsstrategie ϕ heißt
zahm (tame), falls
Vϕ (t) ≥ 0
∀
Ṽϕ (t) = Ṽϕ (0) + G̃ϕ (t)
∀
t∈[0,T ]
Es gilt Vϕ (t) ≥ 0 genau dann, wenn Ṽϕ (t) ≥ 0.
t∈[0,T ]
Die Menge der zahmen Handelsstrategien werde mit Φ bezeichnet.
Definition 5.4. Eine selbstfinanzierende Handelsstrategie
ermöglicht Arbitrage, falls
Behauptung 5.3. Sei ϕ ∈ Φ. Dann ist Ṽϕ unter jedem Q ∈ P ein
nichtnegatives lokales Martingal und ein Supermartingal.
Vϕ (0) = 0
P(Vϕ (T ) ≥ 0) = 1
Satz 5.1. Existiert ein zu P äquivalentes Martingalmaß (d.h.
P=
6 ∅), dann existiert keine Handelsstrategie aus Φ, welche
Arbitrage ermöglicht.
P(Vϕ (T ) > 0) > 0
Definition 5.5. Das auf (Ω, F) definierte Wahrscheinlichkeitsmaß
Q wird (stark) äquivalentes Martingalmaß genannt, falls Q ∼ P
und der diskontierte Preisprozess S̃ ein lokales Martingal
(Martingal) bzgl. Q ist.
Die Menge der zu P äquivalenten Martingalmaße werde mit P
bezeichnet.
Bemerkung. Um in zeitstetigen Märkten eine auch hinreichende
Bedingung für die Existenz eines äquivalenten Martingalmaßes zu
finden, muss der Begriff der Arbitragefreiheit noch verschärft
werden.
197 / 263
198 / 263
Definition 5.7. Eine selbstfinanzierende Handelsstrategie ϕ heißt
P ∗ -zulässig, falls der diskontierte Zuwachsprozess G̃ϕ mit
Z t
hϕ(u), d S̃(u)i
G̃ϕ (t) =
Risikoneutrale Bewertung
Annahme: Im Weiteren exisitiere immer ein zu P stark
äquivalentes Martingalmaß P ∗ , unter welchem der diskontierte
Preisprozess S̃ ein Martingal ist.
0
ein
Nach Satz 5.1 findet man dann in Φ keine Handelsstrategie, welche
in M Arbitrage ermöglicht.
Im Folgenden werden nur Derivate X mit
P ∗ -Martingal
ist.
Die Menge dieser Handelsstrategien wird mit Φ(P ∗ ) bezeichnet.
Es wird nicht vorausgesetzt, dass eine P ∗ -zulässige
Handelsstrategie auch zahm ist.
Satz 5.2. Eine P ∗ -zulässige Handelsstrategie ermöglicht keine
Arbitrage in M.
X
∈ L1 (F, P ∗ )
S0 (T )
Existieren keine Arbitrage-Möglichkeiten, so kann das Problem der
Bewertung und des Hedgings von Derivaten auf die Existenz das
Derivat replizierender selbstfinanzierender Handelsstrategien
zurückgeführt werden.
betrachtet.
199 / 263
200 / 263
Bemerkungen.
Definition 5.8.
(i) Eine Derivat X heißt erreichbar, falls es eine P ∗ -zulässige
Handelsstrategie ϕ gibt mit
Vϕ (T ) = X
In diesem Fall wird ϕ die das Derivat X replizierende
Handelsstrategie genannt.
I
Erreichbarkeit und Vollständigkeit hängen von der
betrachteten Klasse von Handelsstrategien ab!
I
Erreichbarkeit und Vollständigkeit hängen nicht von der Wahl
des Numéraires ab.
I
Die Eigenschaft einer Handelsstrategie, ein Derivat zu
replizieren, bleibt bei einem Wechsel des Numéraires erhalten.
Ist das Derivat X erreichbar, kann es durch ein Portfolio
ϕ ∈ Φ(P ∗ ) repliziert werden. Für den Preisprozess
ΠX = (ΠX (t))t∈[0,T ] des Derivates muss deshalb gelten
(ii) Der Finanzmarkt M heißt vollständig, falls jedes Derivat
erreichbar ist.
ΠX (t) = Vϕ (t)
201 / 263
202 / 263
Für Fragen der Bewertung ist es hinreichend, ein stark äquivalentes
Martingalmaß zu finden. Aus der Sicht des Risikomanagements ist
es jedoch wichtig, das das Derivat replizierende Portfolio zu finden.
Satz 5.3. Der sogenannte arbitragefreie Preisprozess ΠX jedes
erreichbaren Derivates X ist gegeben durch die Formel der
risikoneutralen Bewertung
X
ΠX (t) = S0 (t) EP ∗
| Ft
∀
S0 (T )
t∈[0,T ]
Lemma 5.2 Das diskontierte Derivat X /S0 (T ) sei P ∗ -integrierbar.
Besitzt das durch
X
| Ft
M(t) = EP ∗
S0 (T )
Was passiert, wenn es zwei verschiedene Portfolios gibt, die X
replizieren?
definierte P ∗ -Martingal eine Integral-Darstellung
Korollar 5.1. Für zwei das Derivat X replizierende Portfolios ϕ
und ψ gilt
Vϕ (t) = Vψ (t)
∀
M(t) = x +
d Z
X
i=1
t∈[0,T ]
t
ϕi (u) d S̃i (u),
0
mit vorhersagbaren und lokal beschränkten Prozessen ϕ1 , . . . , ϕd ,
so ist X erreichbar.
203 / 263
204 / 263
Das Black-Scholes-Modell
Den folgenden Vollständigkeitssatz werden wir nicht beweisen:
Es gibt verschiedene Möglichkeiten den Preisprozesses S der
risikobehafteten Anlage zu modellieren
Bachelier (1900): Brownsche Bewegung mit Drift µ und
Volatilität σ
St = S0 + σWt + µt
Satz 5.4. Ist das starke Martingalmaß P ∗ das einzige
Martingalmaß für den Finanzmarkt M, dann ist M vollständig in
dem eingeschränkten Sinne, dass jedes Derivat X mit
X
∈ L1 (F, P ∗ )
S0 (T )
mit Konstanten µ ∈ R, σ > 0 und einer Standard-BB W bzgl. P.
Wegen St ∼ N(S0 + µt, σ 2 t) wird St < 0 mit Wahrscheinlichkeit 1
Nach Itô ist dieser Prozess Lösung der stochastischen
Differenzialgleichung
erreichbar ist.
Im Beweis wird ein sogenannter Martingaldarstellungssatz benötigt.
dSt = µ dt + σ dWt
205 / 263
206 / 263
Für die GBB gilt:
Samuelson (1965): Geometrische Brownsche Bewegung mit Drift
µ und Volatilität σ
1 2
St = S0 exp σWt + (µ − σ )t
2
Hier St > 0 mit Wahrscheinlichkeit 1
Nach Itô ist dieser Prozess Lösung der stochastischen
Differenzialgleichung
St+h
St
d.h.
1 2
St+h
2
∼ N (µ − σ )h, σ h
log
St
2
da für den sog. log-Return
St+h
σ2
log
= log St+h − log St = σ(Wt+h − Wt ) + µ −
h
St
2
dSt = St (µ dt + σ dWt )
gilt und damit N((µ −
oder
ist lognormalverteilt
dSt
= µ dt + σ dWt
St
σ2
2
2 )h, σ h)-verteilt
ist.
Das Verhältnis zweier aufeinanderfolgender Preise ist also
lognormalverteilt.
Ferner: Die log-Returns zu sich nicht überlappenden Zeitintervallen
sind stochastisch unabhängig.
207 / 263
208 / 263
Wird die geometrische Brownsche Bewegung zur Modellierung des
Preisprozesses der risikobehafteten Anlage gewählt, so spricht man
auch von einem Black-Scholes-Modell.
Warum wird die geometrische Brownsche Bewegung häufig zur
Modellierung des Aktienpreisprozesses verwendet?
I
(Häufig) gute Übereinstimmung mit empirischen Daten
I
GBB führt zu expliziten Bewertungsformeln für viele Derivate
I
Wenn der wahre Preisprozess von der GBB nicht “zu sehr”
abweicht, liefern die auf dem BS-Modell beruhenden
Hedging-Strategien gute Ergebnisse
I
das BS-Modell ist arbitragefrei und vollständig
Marktmodell M:
I
WR (Ω, F, P) mit Filtration F (wie oben)
I
Bond B mit Preisprozess
Bt = B0 exp(rt),
t ∈ [0, T ]
mit stetigem Zinssatz r > 0 und Startkapital B0 = 1.
I
Aktie S mit Aktienpreisprozess einer geometrische BB mit
Trend µ und Volatilität σ, d.h.
1 2
St = S0 exp σWt + (µ − σ )t , t ∈ [0, T ]
2
209 / 263
Wähle den Bond als Numéraire
Diskontierter Preisprozess der Aktie
St
σ2
= S0 exp σWt + (µ − r − )t
S̃t =
Bt
2
210 / 263
(S̃t )0≤t≤T ist ein Q-Martingal
⇐⇒ σWt + (µ − r )t ist bzgl. Q eine BB ohne Drift
µ−r
⇐⇒ Wt +
t ist bzgl. Q eine Standard BB
σ }
| {z
=:γ
Mit Itô
Betrachte bzgl. P die BB mit Drift γ
d S̃t = S̃t ((µ − r ) dt + σ dWt )
W̃t := Wt + γt,
Falls µ 6= r ist (S̃t ) kein Martingal bzgl. P.
0≤t≤T
Gesucht ist ein W-Maß Q, unter welchem (W̃t )0≤t≤T eine BB mit
Drift 0.
PROBLEM: Gibt es ein zu P äquivalentes Maß Q so, dass der
diskontierte Preisprozess (S̃t )0≤t≤T ein Martingal bzgl. Q ist?
211 / 263
212 / 263
Begründung:
Vorbetrachtung:
Q(X̃ ≤ a) = EQ 1[X̃ ≤a]
Z
=
1[X +µ≤a] exp
!
−µX − 12 µ2
dP
σ2
Ω
!
Z
−µx − 12 µ2
1
x2
√
exp − 2 dx
=
1[x+µ≤a] exp
σ2
2σ
2πσ
R
Z
1
(x + µ)2
dx
=
1[x+µ≤a] √
exp −
2σ 2
2πσ
R
Z
1
x̃ 2
=
1[x̃≤a] √
exp − 2 d x̃
2σ
2πσ
R
Z a
2
1
x̃
√
exp − 2 d x̃
=
2σ
2πσ
−∞
N(0, σ 2 )-verteilt
Die ZV X sei
bezüglich P.
X̃ := X + µ, also ist X̃ ist N(µ, σ 2 )-verteilt bezüglich P.
−µX − 12 µ2
Q sei definiert durch Q := exp
· P, d.h.
σ2
Z
Q(A) =
exp
A
−µX − 12 µ2
σ2
!
dP für alle A ∈ F
Dann ist X̃ unter unter dem W-Maß Q N(0, σ 2 )-verteilt.
213 / 263
Frage: Unter welchem W-Maß Q ist (W̃t )0≤t≤T eine BB mit
Drift 0?
Der Einfachheit halber sei T = 1.
Diskretisiere das Intervall [0, 1] durch ti := ni für i = 0, . . . , n.
Setze ∆t := 1/n.
j
W̃ j = W j + γ
n
n
n
j X
=
W i − W i−1 + γ∆t
=:
i=1
j
X
i=1
n
Wir zeigen: Durch
1
Q := E(−γW1 ) · P = exp −γW1 − γ 2
2
j
X
·P
wird ein W-Maß definiert, unter welchem (X̃1 , . . . , X̃n ) dieselbe
Verteilung besitzt wie (X1 , . . . , Xn ) unter P
Klar: (X̃1 , . . . , X̃n ) besitzt unter P die Verteilung
N(0, ∆t) ⊗ . . . ⊗ N(0, ∆t).
n
(Xi + γ∆t) =:
214 / 263
X̃i
i=1
Für festes i ist die Zufallsvariable Xi unter P N(0, ∆t)-verteilt.
Unter P ist X̃i N(γ∆t, ∆t)-verteilt.
−γ∆tXi − 21 (γ∆t)2
Unter Qi := exp
· P = exp −γXi − 12 γ 2 ∆t · P
∆t
ist X̃i N(0, ∆t)-verteilt.
215 / 263
216 / 263
Für festes n und beliebige a1 , . . . , an ∈ R gilt dann:
1
Q(X̃1 ≤ a1 , . . . , X̃n ≤ an ) = EP 1[X̃1 ≤a1 ,...,X̃n ≤an ] exp −γW1 − γ 2
2
!
n
Y
1 2
1[X̃i ≤ai ] exp −γXi − γ ∆t
= EP
2
i=1
n
Y
1 2
EP 1[X̃i ≤ai ] exp −γXi − γ ∆t
=
2
i=1
=
n
Y
Satz von Girsanov (für Brownsche Bewegungen mit konstantem
Drift). Ist W eine Standard-BB bzgl. P und W̃ mit
W̃t = Wt + γt,
t ∈ [0, T ],
eine Brownsche Bewegung mit Driftrate γ ∈ R, dann ist W̃ eine
Standard-BB bzgl. QT (ohne Drift!), wobei
Z
QT (A) := E (1A MT ) =
MT dP
∀
A∈FT
EP 1[Xi ≤ai ]
(Mit Vorbetrachtung)
i=1
A
und
1
Mt := E(−γWt ) := exp(−γWt − γ 2 t),
2
= P(X1 ≤ a1 , . . . , Xn ≤ an )
Also stimmen die gemeinsame Verteilung von (W̃0 , W̃∆t , . . . , W̃1 )
unter Q mit der gemeinsamen Verteilung von (W0 , W∆t , . . . , W1 )
unter P überein. Der folgende Satz behauptet, dass dies nicht nur
für die endlichdimensionalen Randverteilungen von W̃ und W gilt,
sondern auch für die Prozesse selber gilt:
t ∈ [0, T ]
ein Martingal M bzgl. P darstellt.
Bemerkung. Man kann zeigen, dass dieses Martingalmaß das
einzige äquivalente Martingalmaß ist!
217 / 263
218 / 263
Anwendung des Satzes von Girsanov auf unser Ausgangsproblem:
µ−r
t,
σ
t ∈ [0, T ],
1.0
W̃t = Wt +
µ−r
σ
!
2
T
dP
−0.5
∀
A∈FT
0.0
1
µ−r
WT −
QT (A) :=
exp −
σ
2
A
Z
Y
0.5
ist bzgl. QT mit
eine Standard-BB.
Also ist
0.0
σ2
S̃t = S̃0 exp σWt + µ − r −
t ,
2
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
t
t ∈ [0, T ],
Abbildung: Pfade einer geometrischen Brownschen Bewegung, die unter
dem der Simulation zugrunde gelegten W-Maß eine Drift besitzt. Unter
dem äquivalenten Martingalmaß wird die Drift zu Null. Dies entspricht
einer Neubewertung der Pfade gemäß der Girsanov-Dichte, angedeutet
durch die Farbtemperatur.
ein QT -Martingal — also eine geometrische BB ohne Drift bzgl.
QT !
219 / 263
220 / 263
Satz 5.5. Im Black-Scholes-Modell mit Bond-Preisprozess
P-Dynamik von S : dSt = St (µ dt + σ dWt )
Bt = B0 exp(rt), t ∈ [0, T ]
P-Dynamik von S̃ : d S̃t = S̃t ((µ − r ) dt + σ dWt )
(B0 = 1, r > 0) und Aktien-Preisprozess
1 2
St = S0 exp σWt + µ − σ t ,
2
Wegen d W̃t = µ−r
σ dt + dWt folgt:
Q-Dynamik von S:
t ∈ [0, T ]
dSt = St (r dt + σ d W̃t )
(S0 > 0, µ ∈ R, σ > 0) ist das W-Maß QT mit P-Dichte
dQT
1
= MT := exp −γWT − γ 2 T
dP
2
Q-Dynamik von S̃:
d S̃t = S̃t (0 dt + σ d W̃t )
ein äquivalentes Martingalmaß.
Unter Q wird die Drift µ der Aktie zur Zinsrate r !
Das Black-Scholes-Modell ist also (nach Satz 5.2) arbitragefrei
bezüglich den QT -zulässigen Handelsstrategien.
221 / 263
Zur Formel von Black und Scholes mittels risikoneutraler
Bewertung
222 / 263
Zu Term I2 :
Mit
1
St = S0 exp σWt + (µ − σ 2 )t
2
µ−r
t
Wt = W̃t −
σ
Payoff der europäischen Call-Option X = (ST − K )+
Wert der europäischen Call-Option zum Zeitpunkt t = 0
C0 = EQ e −rT (ST − K )+
= EQ e −rT ST 1[ST >K ] − e −rT KQ(ST > K )
folgt
Q(ST > K ) = Q(log ST > log K )
σ2
= Q(σWT + (µ − )T > log K − log S0 )
2 2
σ
= Q σ W̃T + r −
T > log K − log S0
2
!
2
log K − log S0 − (r − σ2 )T
σ W̃T
√ >
√
=Q
σ T
σ T
=: I1 + I2
wobei Q das nach Satz 5.5 spezifizierte äquivalente Martingalmaß
ist.
223 / 263
224 / 263
Da
W̃T
√
T
∼ N(0, 1) unter Q, folgt
log K − log S0 − (r − σ 2 /2)T
√
Q(ST > K ) = Φ −
σ T
log(S0 /K ) + (r − σ 2 /2)T
√
=Φ
σ T
Q̂
= MT
Definition eines neuen Maßes Q̂ mittels ddQ
Damit
EQ e −rT ST 1[ST >K ] = S0 EQ MT 1[ST >K ]
= S0 EQ̂ (1[ST >K ] )
= S0 Q̂(ST > K )
Zu Term I1 :
Es gilt
= S0 Q̂(log ST > log K )
σ2
e −rT ST = S0 exp σWT + (µ − r − )T
2
2
σ
= S0 exp σ W̃T − T
2
=: S0 MT
Mit Satz von Girsanov:
Ŵt := W̃t − σt,
t ∈ [0, T ]
ist unter Q̂ eine BB ohne Drift!
225 / 263
226 / 263
Wegen σ W̃T = σ ŴT + σ 2 T
Also:
Satz 5.6. Der arbitragefreie Preis des europäischen Calls mit
Ausübungspreis K und Laufzeitende T im Black-Scholes-Modell
mit Volatilität σ und stetiger Zinsrate r ist gegeben durch
I = Q̂(log ST > log K )
σ2
)T > log K )
2
σ2
= Q̂(log S0 + σ W̃T + (r − )T > log K )
2
σ2
= Q̂(log S0 + σ ŴT + (r + )T > log K )
2
!
2
S0
− log K − (r + σ2 )T
σ ŴT
√ >
√
= Q̂
σ T
σ T
| {z }
= Q̂(log S0 + σWT + (µ −
∀
mit
d1 =
∼N(0,1)
=Φ
log SK0 + (r +
√
σ T
σ2
2 )T
C (t) = St Φ(d1 ) − e −r (T −t) K Φ(d2 )
t∈[0,T ]
log St /K + (r + 12 σ 2 )(T − t)
√
σ T −t
und
√
d2 = d1 − σ T − t
!
227 / 263
228 / 263
Vollständigkeit des klassischen Black-Scholes Modells
Wir wissen bereits, dass der klassische BS-Markt ein eindeutiges zu
P äquivalentes Martingal-Maß P ∗ mit
Zur Konstruktion eines Hedging-Portfolios benötigen wir den
folgenden
Satz 5.7 (Martingal-Darstellungssatz) Sei F = (Ft )t∈[0,T ] die
von der Brownschen Bewegung W = (Wt )t∈[0,T ] erzeugte
vollständige Filtration und M = (Mt )t∈[0,t] ein zu dieser Filtration
adaptiertes Martingal mit E (MT2 ) < ∞. Dann gibt es einen (bis
auf Modifikation) eindeutig bestimmten vorhersagbaren
adaptierten Prozess H = (Ht )t∈[0,T ] mit
Z
T
Hs2 ds
E
γ2
dP ∗
= e −γWT − 2 T
dP
besitzt, wobei γ = (µ − r )/σ (Marktpreis des Risikos).
Sei X ∈ L1 (P), dann gilt auch X ∈ L1 (P ∗ ), also existiert das
P ∗ -Martingal
Mt = EP ∗ (e −rT X | Ft ),
<∞
Unter Verwendung des Martingal-Darstellungssatzes 5.7 folgt, dass
es einen adaptierten vorhersagbaren Prozess H = (Ht )t∈[0,T ] gibt,
so dass unter P ∗
Z t
Mt = M0 +
Hs d W̃s f.s.
0
so dass für alle t ∈ [0, T ] gilt:
Z
Mt = M0 +
t ∈ [0, T ]
t
Hs dWs
f.s.
0
0
230 / 263
229 / 263
Da für die P ∗ -Dynamik von S̃
d S̃t = S̃t σ d W̃t
gilt, folgt
Z
Mt = M0 +
Also:
X ist erreichbar
Da X beliebig aus L1 (P), ist der klassische BS-Markt vollständig.
Damit ist zwar die Existenz einer selbstfinanzierenden
replizierenden Handelsstrategie gesichert, ihre explizite
Konstruktion aber noch offen!
t
ϕ1 (s) d S̃s
f.s.
0
wobei
ϕ1 (t) :=
Ht
σ S˜t
Mit
Ht
σ
wird (ϕ(t))t∈[0,T ] = (ϕ0 (t), ϕ1 (t))t∈[0,T ] , zu einer
seibstfinanziererenden (vorhersagbaren lokalbeschränkten)
Handelsstrategie, welche e −rT X repliziert.
ϕ0 (t) := Mt − ϕ1 (t)S̃t = Mt −
231 / 263
232 / 263
Zur Black-Scholes-Formel mittels
einer No-Arbitrage-Bewertung
Unter Verwendung des Martingaldarstellungssatzes konnten wir
zeigen, dass ein vorhersagbarer Prozess ϕ existiert, so dass
Z t
−rT
∗
ϕ1 (s)σ S̃s d W̃s f.s. (t ∈ [0, T ])
X | Ft ) = V0 +
EP (e
Wir betrachten wieder das Marktmodell M:
I
0
I
Wäre das Integral auf der rechten Seite ein gewöhnliches
Riemann-Integral, könnte ϕ1 durch Differentation dieser
Integralgleichung nach t bestimmt werden:
ϕ1 (t) =
Bt = B0 exp(rt),
I
1 d −rT
e
EP ∗ (X | Ft )
σ S̃t dt
Unter Verwendung der Malliavin-Ableitungsoperators Dt kann
gezeigt werden, dass
ϕ1 (t) =
WR (Ω, F, P) mit Filtration F (wie oben)
Bond B mit Preisprozess
t ∈ [0, T ]
mit stetigem Zinssatz r > 0 und Startkapital B0 = 1.
Aktie S mit Aktienpreisprozess einer geometrische BB mit
Trend µ und Volatilität σ, d.h.
1 2
St = S0 exp σWt + (µ − σ )t , t ∈ [0, T ]
2
und ein Portfolio (ϕ, ψ) = (ϕt , ψt )t∈[0,T ] , welches zum Zeitpunkt t
ϕt Einheiten der Aktie und ψt Einheiten im Bond beinhaltet
Wert des Portfolios zum Zeitpunkt t:
1 −rT
e
EP ∗ (Dt X | Ft )
σ S̃t
V (t, St ) := Vt = ψt Bt + ϕt St
233 / 263
Im Folgenden betrachten wir der Einfachheit halber nur Derivate
der Form X = h(ST ) (die europäische Call-Option ist von diesem
Typ).
Satz 5.8. Sei V : [0, T ] × R+ → R eine stetige Funktion, welche
die PDG
1
Vt (t, s)+ σ 2 s 2 Vss (t, s)+rsVs (t, s) = rV (t, s),
2
(t, s) ∈ [0, T )×R+
löst.
Dann ist die Handelsstrategie (ϕ, ψ) mit ϕ(t, St ) = ϕt = Vs (t, St )
und Wertprozess V (t, St ) (t ∈ [0, T ]) selbstfinanzierend.
Erfüllt V die Randbedingung V (T , ST ) = h(ST ), ist (ϕ, ψ) eine
das Derivat X replizierende Handelsstrategie. Der faire Wert des
Derivats X ist V (t, St ) (t ∈ [0, T ]).
234 / 263
Payoff der europäischen Call-Option: h(ST ) = (ST − K )+
Bestimmung der dazugehörigen Lösung der PDG in Satz 5.8:
Lemma 5.3. Seien τ (t) = σ 2 (T − t) und
z(t, s) = log s − ( 21 σ 2 − r )(T − t).
Die Funktion u(t, z) : [0, T ] × R → R löse die
Wärmeleitungsgleichung ut = 12 uzz mit Anfangsbedingung
u(0, z) = (e z − K )+ .
Dann löst
C (t, s) := e −r (T −t) u(τ (t), z(t, s))
das Randwertproblem für den Preis des europäischen Calls.
235 / 263
236 / 263
Die Feynman-Kac-Formel
Satz 5.9. Der arbitragefreie Preis des europäischen Calls mit
Ausübungspreis K und Laufzeitende T im Black-Scholes-Modell
mit Volatilität σ und stetiger Zinsrate r ist gegeben durch
∀
Die Feynman-Kac-Formel stellt die Lösung einer partiellen
Differentialgleichung in Form einer bedingten Erwartung dar.
Satz 5.10 (Feynman-Kac-Formel) Seien µ : R → R und
σ : R → (0, ∞) zwei Lipschitz-stetige Funktionen, F die Lösung
der PDG
1
Ft + µ(x)Fx + σ 2 (x)Fxx = 0
2
C (t) = St Φ(d1 ) − e −r (T −t) K Φ(d2 )
t∈[0,T ]
mit
d1 =
log St /K + (r + 12 σ 2 )(T − t)
√
σ T −t
mit Randbedingung F (T , x) = h(x), wobei h ∈ C02 .
Dann besitzt F die Darstellung
√
und d2 = d1 − σ T − t
F (t, x) = E (h(XT )|Xt = x),
Das dazugehörige Hedge-Portfolio besteht aus
∂
∂s C (t)
= Φ(d1 ) ∈ (0, 1) Einheiten der Aktie und
I
ϕt =
I
ψt = (C (t) − Φ(d1 )St )/e rt = −e −rt K Φ(d2 ) < 0 Einheiten
des Bonds
wobei X die stochastische Differentialgleichung
dXu = µ(Xu )du + σ(Xu )dWu
(t ≤ u ≤ T )
mit Anfangsbedingung Xt = x löst (W Standard-BB bzgl. P).
237 / 263
238 / 263
Wir betrachten einen Bond B und eine Aktie S, die sich gemäß
dBt = rBt dt
dSt = µSt dt + σSt dWt
Mit der Formel für die risikoneutrale Bewertung von Derivaten folgt
entwickeln.
Unter dem risikoneutralen Maß P ∗ genügt der Aktienpreisprozess
der SDG
ΠX (t) = e rt E ∗ (e −rT X |Ft ) = e rt F (t, St )
Unter Verwendung der Tatsache, dass durch Mt := F (t, St ) ein
P ∗ -Martingal definiert wird, zeigen wir, dass durch
dSt = rSt dt + σSt d W̃t
wobei W̃ bzgl. P ∗ eine Standard-BB.
Mit µ(s) = rs und σ(s) = σs hat diese SDG die Form der SDG in
der Feynman-Kac-Formel.
Sei jetzt X ein Derivat der Form X = h(ST ).
Ferner löse F : [t, T ] × R → R die PDG
ϕ0 (t) := F (t, St ) − Fs (t, St )St
ϕ1 (t) := Fs (t, St )Bt
ein das Derivat X replizierendes Portfolio ϕ = (ϕ0 , ϕ1 ) gegeben ist.
1
Fs + µ(s)Fs + σ 2 (s)Fss = 0
2
mit Randbedingung F (T , s) = e −rT h(s).
239 / 263
240 / 263
Risikokennziffern im Black-Scholes-Modell
Gamma-Faktor:
Hedgeratio oder Delta:
∆ :=
γ :=
∂C
= . . . = Φ(d1 ) ∈ (0, 1)
∂s
Kassa-Hedge
=:ψt ∈(−∞,0)
=⇒ mit steigendem Aktienkurs wächst die Hedgeratio
Theta-Faktor
∂C
σ
−σ(T −t)
√
Φ(d2 ) + r Φ(d2 ) < 0
Θ :=
= . . . = −Ke
∂t
2 T −t
Ct = Φ(d1 ) ·St + (−Ke −r (T −t) Φ(d2 )) ·1
|
{z
}
| {z }
=:ϕt ∈(0,1)
monoton wachsend in S
>0
Interpretation des Wertes Ct eines europäischen Calls als Portfolios
bestehend aus ϕt Einheiten der zugrundeliegenden Aktie und ψt
Einheiten des Bonds (short!)
Hedgeratio
1
∂2C
√
= ... =
φ(d1 )
∂S 2
St σ T − t
{z
}
|
=⇒ Wert des europäischen Calls ist wachsend in der Restlaufzeit
(T − t)
(ϕt , ψt ) Portfolio zur Duplizierung des europäischen Calls
242 / 263
241 / 263
Hedging-Strategien
Rho-Faktor
ρ :=
Beispiel: Europäischer Call
Aktueller ZP t
Laufzeit T
Restlaufzeit τ = T − t
Stetiger Jahreszins r
Jahresvolatilität σ
aktueller Aktienkurs St
Ausübungspreis K
∂C
= . . . = (T − t)Ke −r (T −t) Φ(d2 ) > 0
∂r
=⇒ Wert des Calls steigt mit wachsendem Zins
Omega- oder auch Vega-Faktor
ω :=
√
∂C
= . . . = T − t St φ(d1 ) > 0
∂σ
6 Wochen
26 Wochen
20 Wochen = 0.3846 a
5% p.a.
20%
98 e
100 e
Bank verkauft europäischen Call auf 105 Aktien für
Wert nach Black-Scholes
”Risikoprämie”
Wir betrachten im Folgenden verschiedene
Risikomanagementstrategien
=⇒ Wert des europäischen Calls steigt mit wachsender Volatilität
243 / 263
(≈)
6.0 · 105 e
4.8 · 105 e
1.2 · 105 e
244 / 263
2. Gedeckte Position (covered position)
Nach Verkauf der Option zum Zeitpunkt t kauft die Bank sofort
105 Aktien zum Preis von 105 · 98 e = 9.8 · 106 e
Falls ST > K , Lieferung der Aktien zum Zeitpunkt T zum Preis
von
105 · 100 e = 107 e
1. Ungedeckte Position (naked position): Nichts tun
Falls ST = 120 e entstehen für die Bank Kosten in Höhe von
105 · (ST − K )+ = 2 · 106 e 6 · 105 e
| {z }
Dieser Betrag wird abgezinst auf den Zeitpunkt t und beträgt dann
≈ 9.8 · 106
20 Euro
Falls ST ≤ 100 e beträgt der Gewinn der Bank
Der Gewinn der Bank beträgt in diesem Fall also
6 · 105 e
≈ 6 · 105 e
Falls ST ≤ K , z.B. ST = 80 e, entsteht ein Kursverlust in Höhe
von
105 · 18 e = 106 · 1.8 e 6 · 105 e
Ergo: Die beiden Strategien 1 und 2 sind unbefriedigend!
Nach Black-Scholes entstehen im Mittel Kosten von 4.8 · 105 e
245 / 263
3. Stop-Loss-Strategie
Kauf der Aktien sobald St 0 > K
Verkauf der Aktien sobald St 0 < K
=⇒ Kosten entstehen nur, falls S0 > K
=⇒ Kosten für Stop-Loss-Hedgen:
4. Delta-Hedgen
Mache Wert des Portfolios unempfindlich gegen kleine
Schwankungen der zugrundeliegenden Aktie innerhalb kleiner
Zeitintervalle ∆t:
max(S0 − K , 0)
|
{z
}
Kaufe ∆C ≈ ∆S ·
<C (S0 ,T )!
Arbitrage-Möglichkeit?
I
Transaktionskosten nicht berücksichtigt
I
Zinsverluste durch Kapitalbindung
I
Verluste durch Einkaufspreis K + δ und Verkaufspreis K − δ
für ein δ > 0
246 / 263
∂C
∂S
|{z}
Anteile an Aktie
Delta-/Hedgeratio
247 / 263
248 / 263
Beispiel:
Bank verkaufe europäischen Call auf 2000 Aktien zum Preis von
C = 10 e/Aktie
Ferner sei ∆ = 0.4
Zum Hedgen kauft die Bank ∆ · 2000 = 800 Aktien
Aktie steigt um 1 e =⇒ Wert des Portfolios steigt um 800 e
=⇒ Wertsteigerung des Calls auf 1 Aktie: ∆C = ∆ · ∆S = 0.4 e
=⇒ Wertsteigerung aller Calls 0.4 e · 2000 = 800 e
( = Verlust für die Bank)
Also nimmt die Bank eine sog. ∆-neutrale Position ein.
5. Dynamisches Hedgen
Umstrukturierung des Portfolios gemäß der die Option
duzplizierenden Handelsstrategie
Probleme:
I
Transaktionskosten
I
Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis der Aktien
249 / 263
Schätzung der Volatilität
6. Verfeinerung des Delta-Hedgens
∆C
250 / 263
= (S + ∆S, t + ∆t) − C (S, t)
∂C
1 ∂2C
∂C
=
·∆S +
·∆t +
∆S 2 +0(∆t)
2 |{z}
∂S
∂t
2
∂S
|{z}
|{z}
|{z}
I
∼∆t
∆
Θ
Zeitverfall
Γ
aus historischen Daten
Probleme:
I
I
Also
I
1
∆C ≈ ∆ · ∆S + Θ · ∆t + Γ · ∆S 2
2
Liegt beim Verkäufer der Call-Option ein bereits ∆-neutrales
Portfolio vor, so kann dieses durch Kauf oder Verkauf von
Derivaten auch Γ-neutral gemacht werden (Aktien oder
Terminkontrakte sind dazu nicht geeignet, da diese ein konstantes
∆ besitzen, also Γ = 0).
251 / 263
log-Returns sind nicht unabhängig
Volatilität zeitlich nicht konstant
mittels impliziter (implizierter) Volatilität
Beobachtung: implizite Volatilität hängt vom Strike K und
der Restlaufzeit τ = T − t ab (bei demselben Underlying).
252 / 263
6. Spezielle Derivate
Die Wahrscheinlichkeit von Börsencrashs wie 1987 ist bei Annahme
des BS-Modells praktisch gleich Null
=⇒ linke Tails (Flanken) der rechtsschiefen Lognormalverteilung
zu dünn
Die tatsächlich höher liegende Wahrscheinlichkeit eines Crashs wird
durch eine Erhöhung der angenommenen Volatility in der
Bewertung von Optionen mit niedrigem Strike K vom Markt
vorgenommen
Beispiele für spezielle Derivate:
I
Aktien-, Devisen-, Rohstoff- und Energiederivate
I
Zinsderivate
I
Kreditderivate
I
Realoptionen
253 / 263
Kreditderivate
Credit Default Swaps
Das Risiko, dass eine Einzelperson, eine Firma oder ein Staat einen
Kredit nicht wie vereinbart zurückzahlt, wird als Kreditrisiko
bezeichnet. Kreditderivate dienen zur Absicherung dieses Risikos.
I
I
254 / 263
Das am häufigsten gehandelte Kreditderivat ist der Credit Default
Swap (CDS).
Definition. Ein Credit Default Swap ist ein Vertrag zwischen
zwei Parteien A und B, dass A an B eine Zahlung in Höhe von
Verlustquote · Nominalbetrag
Ausfallwahrscheinlichkeit (probability of default, PD):
Wahrscheinlichkeit, dass ein Kredit oder eine Anleihe nicht
wie vereinbart zurückgezahlt wird
(= LGD · N)
bezahlt, falls bei Partei C zu einem zufälligen Zeitpunkt τ innerhalb
eines Zeitraumes [0, T ] ein Kreditereignis auftritt. Im Gegenzug
zahlt B an A regelmäßig einen festen Betrag s (Prämie).
Verlustquote (loss given default, LGD): prozentualer Verlust
gemessen am gesamten Kreditvolumen, den ein Kreditgeber
verliert, wenn der Schuldner ausfällt.
I
A: Sicherungsverkäufer (protection seller), z.B. Versicherung
I
Erlösquote (recovery rate, RR): 1 − LGD
I
B: Sicherungskäufer (protection buyer), z.B. Bank, Spekulant
I
Nominal (N): Nominalbetrag, z.B. die Kreditsumme oder eine
frei vereinbarte Größe
I
C : Referenzaddresse (reference entity), z.B. Firma oder Staat
I
τ : zufälliger Zeitpunkt des Kreditereignisses (credit event),
z.B. Verzug oder Ausfall der Zins- oder Tilgungszahlungen,
Insolvenz
255 / 263
256 / 263
T Laufzeitende des CDS
0 = t0 < t1 < . . . < tn = T vorgegebene Zeitpunkte
Die Prämienzahlung s bei einem CDS wird in der Regel in
Basispunkten angegeben (Vielfache von hundertstel Prozent,
bezogen auf den vereinbarten Nominalbetrag N) und dann über die
Laufzeit des CDS bis zum (zufälligen) Ausfallzeitpunkt τ
regelmäßig gezahlt (beginnend mit t1 ).
s bezieht sich dabei auf die gewählte Zeiteinheit (typischerweise
1 Jahr). Bei einer vierteljährlichen Zahlweise muss A also Ns/4
Geldeinheiten an B leisten.
Der oben definierte CDS ist ein single name CDS, da er sich nur
auf eine Referenzadresse stützt.
Es gibt auch multi name CDS, die auf einem Pool von
Referenzadressen basieren, z.B. die Collateralized Debt Obligation
(CDO) oder die Index-CDS.
Ähnlich einem Zinsswap, bei dem feste Zinszahlungen mit
variablen Zinszahlungen getauscht werden, weist ein CDS zwei
Zahlungsströme auf:
I
den Premium Leg, der bis zum Kreditereignis τ feste
Zahlungen garantiert, und
I
den Protection Leg, der, falls das Kreditereignis τ zum
Verfallsdatum T eingetreten ist, eine Zahlung in einer von der
zufallsabhängigen Verlustquote abgeleiteten Höhe garantiert.
Tritt das Kreditereignis τ zwischen zwei Zeitpunkten auf, so
bezahlt der Sicherungskäufer B noch die anteilige Prämie (accrued
τ −t
s an den Sicherungsverkäufer A.
premium) ti −ti−1
i−1
s wird auch CDS-Spread genannt.
257 / 263
Zur Bewertung eines CDS gehen wir davon aus, dass der
Werteprozess S der Referenzadresse C (z.B. Unternehmenswert)
bekannt ist und diese Werte wie eine Aktie handelbar sind. Man
könnte z.B. im einfachsten Fall davon ausgehen, dass dieser
Werteprozess einer geometrischen Brownschen Bewegung folgt.
Weiter gehen wir davon aus, dass ein Tagesgeldkonto mit
möglicherweise zeitabhängiger stochastischer Zinsrate r verfügbar
ist. Unter geeigneten Voraussetzungen an diesen Werteprozess
kann angenommen werden, dass dieser Markt arbitragefrei und
vollständig ist.
Desweiteren nehmen wir an, dass die zugrundeliegende Filtration
die von der zufälligen Zeit τ erzeugte σ-Algebra enthält.
Unter gewissen Voraussetzungen kann dann angenommen werden,
dass ein zum zugrundeliegenden Wahrscheinlichkeitsmaß P
äquivalentes W-Maß P ∗ existiert, unter dem der abgezinste
Werteprozess der Referenzadresse C ein Martingal ist.
258 / 263
Für den nächsten Satz verwenden wir:
∆i := ti − ti−1
∆(ti−1 , u) := u − ti−1
und
S(t, u) := P ∗ (τ > u | Ft )
die bedingte Wahrscheinlichkeit ist, dass bis u kein Kreditereignis
stattgefunden hat, gegeben die bis zum Zeitpunkt t verfügbare
Information.
259 / 263
260 / 263
Löst man VCDS (t) = 0 für einen festen Zeitpunkt t nach s auf,
erhält man den für die Laufzeit [t, T ] fairen CDS-Spread sfair .
Bewertung des CDS
Satz 6.1. Der zum Zeitpunkt t ∈ [0, T ] gültige Wert eines CDS
mit Nominal N, bekannter Recovery Rate RR, CDS-Spread s und
Fälligkeit in T , der sich auf eine Referenzadresse mit zufälligem
Ausfallzeitpunkt τ > t bezieht, lautet aus Sicht des
Sicherungsnehmers
VCDS (t) = VProtection (t) − VPremium (t),
Die obigen Integrale werden in der Praxis mittels numerischer
Integration approximiert.
Im Intensitätsmodell wird der zufällige Ausfallzeitpunkt τ als
exponentialverteilte Zufallsvariable
Z t
∗
S(0, t) = P (τ > t) = exp −
h(s) ds
t ∈ [0, T ]
wobei
Z
T
VProtection (t) = N(1 − RR)
Z
exp −
VPremium (t) = Ns
Z
∆i exp −
+ Ns
rv dv
(−dS(t, u))
ti
mit einer integrierbaren nichtnegativen deterministischen
Funktion h (Intensitätsfunktion, Hazardrate) modelliert.
rv dv
S(t, ti )
t
i=1
n
X
0
t
0
n
X
u
Z
∆(ti−1 , u) exp −
u
rv dv
(−dS(t, u))
t
i=1
In der Praxis wird zur Bestimmung der Hazardrate h angenommen,
dass h zwischen den am Markt notierten Spreads stückweise
konstant ist. Unter Verwendung der laufzeitabhängigen Zinsraten
kann daraus h geschätzt werden (Bootstrapping).
262 / 263
261 / 263
Zur Einstimmung:
I
Im Fall h(s) = λ > 0 gilt
Adelmeyer M, Warmuth E. Finanzmathematik für Einsteiger
— Eine Einführung für Studierende, Schüler und Lehrer.
2. Aufl., Vieweg 2004.
S(0, t) = e −λt
Lehrbücher, Monographien und Originalarbeiten zur
Finanzmathematik (insbesondere zur Bewertung von
Derivaten)
Nimmt man eine konstante laufzeitunabhängige stetige Zinsrate r ,
eine konstante Hazardfunktion h(s) = λ, eine feste Erlösquote RR
und eine zeitstetige Prämienzahlung (∆i → 0) an, so ergibt sich
die als credit triangle bezeichnete Formel:
λ=
sfair
1 − RR
263 / 263
I
Bingham NH, Kiesel R. Risk-Neutral Valuation — Pricing and
Hedging of Financial Derivatives. 2nd ed. Springer 2004.
I
Delbaen F, Schachermayer W. The Mathematics of Arbitrage.
Springer 2006.
I
Di Nunno G, Øksendal B, Proske F. Malliavin Calculus for
Lévy Processes with Applications to Finance. Springer 2009.
I
Elliot RJ, Kopp PE. Mathematics of Financial Markets. 2nd
ed. Springer 2005.
263 / 263
I
I
I
I
I
I
I
I
Franke J, Härdle W, Hafner C. Einführung in die Statistik der
Finanzmärkte. Springer 2001.
Hausmann W, Diener K, Käsler J. Derivate, Arbitrage und
Portfolio-Selection — Stochastische Finanzmarktmodelle und
ihre Anwendungen. Vieweg 2002.
Harrison JM, Pliska SR. Martingales and Stochastic Integrals
in the Theory of Continuous Trading. Stochastic Processes
and their Applications 11, 1981, pp 215–226.
Hull JC. Optionen, Futures und andere Derivative. 7th ed.
Pearson Studium 2009.
Hull JC. Fundamentals of Futures and Options Markets. 4th
ed. Prentice Hall 2001.
Hunt PJ, Kennedy JE. Financial Derivatives in Theory and
Practice. Rev. ed. Wiley 2005.
Irle A. Finanzmathematik: die Bewertung von Derivaten.
2. Aufl., Vieweg+Teubner 2003.
Jeanblanc M, Yor M, Chesney M. Mathematical Methods for
Financial Markets. Springer 2009.
I
I
I
I
I
I
I
I
I
Korn R, Korn E. Optionsbewertung und
Portfolio-Optimierung. Vieweg 1999.
Lamberton D, Lapeyre B. Stochastic Calculus Applied to
Finance. Chapman and Hall 1996
Musiela M, Rutkowski M. Martingale Methods in Financial
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