PharmaForum Ramucirumab Neue Behandlungsoption für die Palliativtherapie des Magenkarzinoms in der Zweitlinie Die Behandlungsmöglichkeiten bei Magenkrebs hängen vom Tumorstadium und Patientenwunsch ab [3]. Da Magenkrebs im Frühstadium bei bis zu 80% der Patienten nur wenige Symptome verursacht [3], wird der Tumor oft erst dann festgestellt, wenn die Erkrankung bereits fortgeschritten ist. Bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem, nicht resektablem Magenkarzinom ist neben der Therapie mit Trastuzumab bei Her2-neu positivem Magenkarzinom (in Kombination mit Platin und Fluoropyrimidin) eine Polychemotherapie zurzeit die einzige verfügbare Option für die Erstlinienbehandlung [3–5]. Im Fall einer Tumorprogression, die im Verlauf dieser palliativ intendierten Therapie fast immer eintritt, sollte bei Patienten in gutem Allgemeinzustand eine Zweitlinienchemotherapie begonnen werden [3]. Ramucirumab in Monotherapie ®Lilly Onkologie Abb. 1. Adenokarzinom des Magens nach Behandlung: Kapillargefäß (rotbraun) umgeben von noch lebenden Tumorzellen (grün) und nekrotischen Zonen (graublau) mit bereits abgestorbenen Krebszellen. EU-Zulassung für Ramucirumab Mit der europaweiten Zulassung von Ramucirumab (CYRAMZA®) steht nun eine zielgerichtete Immuntherapie zur Verfügung: Der monoklonale Immunglobulin IgG1-Antikörper kann sowohl allein als auch in Kombination mit Paclitaxel für die Zweitlinientherapie von Patienten mit fortgeschrittenem Adenokarzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs eingesetzt werden. Ausschlaggebend für die Zulassungsentscheidung der Europäischen Kommission vom 19.12.2014 waren die Daten aus den beiden randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Phase-III-Studien RAINBOW [1] und REGARD [2]. In diesen konnte gezeigt werden, dass Patienten von einer Zweitlinientherapie mit Ramucirumab plus Paclitaxel oder Ramucirumab Monotherapie durch eine signifikante Prognoseverbesserung profitieren können [1, 2]. Tab. 1. REGARD-Studie: Tumorregression in Abhängigkeit von der Therapie; modifiziert nach [2] a Ramucirumab (n = 238) Placebo (n = 117) p-Wert 1 (< 1%) 7 (3%) 0 3 (3%) – – 108 (45%) 24 (21%) – Progression 78 (33%) 63 (54%) – Nicht ermittelbar 44 (18%) 27 (23%) – Gesamtansprechen Komplette Remission Partielle Remission Stabile Erkrankung Ansprechrate Krankheitskontrollrate* 8 (3%) 3 (3%) 116 (49%) 27 (23%) 0,76 < 0,0001 *Quote der Patienten mit vollständigem Ansprechen, Teilansprechen oder Stabilisierung der Erkrankung. © 2015 S. Karger GmbH, Freiburg Fax + 49 761 4 52 07 14 [email protected] www.karger.com In der internationalen multizentrischen Studie REGARD wurde geprüft, ob Patienten mit fortgeschrittenem Adenokarzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs von einer Monotherapie mit Ramucirumab plus bestmöglicher supportiver Therapie (BSC = Best Supportive Care) einen Überlebensvorteil erfahren können [2]. Voraussetzung für die Aufnahme in die Studie war das Versagen einer Platin- oder Fluoropyrimidin-haltigen Kombinationstherapie in der Erstlinie. Die 355 Studienteilnehmer erhielten im Verhältnis 2:1 randomisiert entweder Ramucirumab (8 mg/kg Körpergewicht intravenös (i.v.) alle 2 Wochen; n = 238) oder Placebo (n = 117), jeweils plus BSC. Primärer Studienendpunkt war das Gesamtüberleben (OS), zu den sekundären Endpunkten zählten unter anderem das progressionsfreie Überleben (PFS), die Gesamtansprechrate (ORR) und die Sicherheit. Signifikanter Überlebensvorteil Unter der Behandlung mit Ramucirumab plus BSC verlängerte sich die Dauer des OS im Vergleich zu Placebo plus BSC allein signifikant (5,2 vs. 3,8 Monate; Hazard Ratio (HR) 0,776; 95%-Konfidenzintervall (KI) 0,603– 0,998; p = 0,0473). Dieser Überlebensvorteil blieb auch nach Überprüfung wichtiger prognostischer Faktoren wie dem PerformanceStatus, der Lokalisierung des Primärtumors oder dem Vorliegen von Peritonealmetastasen unverändert erhalten (multivariable HR 0,774; 95%-KI 0,605–0,991; p = 0,042). Das PFS war im Ramucirumab-Arm im Vergleich zu Placebo signifikant länger bzw. das Risiko für eine Krankheitsprogression oder den Tod um mehr als die Hälfte niedriger (2,1 vs. 1,3 Monate; HR 0,483; 95%-KI 0,376– 0,620; p < 0,0001). Die Krankheitskontrollrate (komplette und partielle Remissionen und Krankheitsstabilisierung) erreichte unter der Therapie mit dem Angiogenesehemmer 49% und unter Placebo 23% (p < 0,0001; Tab. 1). Mit 4,2 Monaten überstieg zudem die mediane Dauer der Krankheitskontrolle in der Ramucirumab-Gruppe die der Placebo-Gruppe mit 2,9 Monaten signifikant (p = 0,036). Downloaded by: 88.99.70.242 - 10/23/2017 1:09:35 AM Am 19.12.2014 hat die Europäische Kommission Ramucirumab (CYRAMZA®) in Kombination mit Paclitaxel für die Zweitlinientherapie bei erwachsenen Patienten mit fortgeschrittenem Adenokarzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs zugelassen. Gleichzeitig wurde dem Angiogenesehemmer in dieser Indikation als Monotherapie die Zulassung für Patienten erteilt, für die eine Kombinationstherapie mit Paclitaxel nicht geeignet ist. Damit steht für die Palliativtherapie in der Zweitlinie nun erstmals eine zugelassene Antikörpertherapie zur Verfügung. Für die Zulassungsentscheidung relevant waren die Ergebnisse der randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Phase-III-Studien RAINBOW und REGARD, die für die Ramucirumab-haltige Therapie einen signifikanten Überlebensvorteil belegen konnten [1, 2]. PharmaForum Behandlungserfolg auch in der Kombination mit Paclitaxel In die internationale Multizentrenstudie RAINBOW wurden 665 Patienten mit fortgeschrittenem Adenokarzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs eingeschlossen, deren Erkrankung während einer Erstlinientherapie oder innerhalb von 4 Monaten nach einer Erstlinientherapie mit einer Platinverbindung plus Fluorpyrimidin mit oder ohne Anthrazyklin fortgeschritten war [1]. Die Studienteilnehmer erhielten randomisiert im Verhältnis 1:1 entweder alle 4 Wochen eine Therapie mit Ramucirumab (8 mg/kg Körpergewicht i.v. an den Tagen 1 und 15) plus Paclitaxel (80 mg/m2 i.v. an den Tagen 1, 8 und 15; n = 330) oder wurden mit Paclitaxel in der genannten Dosierung plus Placebo behandelt (n = 335). Unter Ramucirumab/Paclitaxel wurde im Vergleich zu Placebo/Paclitaxel eine signifikante Verlängerung des OS (9,6 vs. 7,4 Monate; HR 0,807; 95%-KI 0,678–0,962; p = 0,017) erzielt. Eine signifikante Verlängerung wurde unter der Kombinationstherapie im Vergleich zur Kontrollgruppe auch Gesamtansprechen Ramucirumab plus Paclitaxel (n = 330) Komplette Remission Partielle Remission Stabile Erkrankung Progression Nicht ermittelbar oder nicht bestimmt beim PFS erzielt (4,4 vs. 2,9 Monate; HR 0,635; 95%-KI 0,536–0,752; p < 0,0001). Hohe Krankheitskontrollrate Zudem erreichten unter Ramucirumab/ Paclitaxel signifikant mehr Patienten eine Krankheitskontrolle als unter Placebo/Paclitaxel (n = 264 (80%) vs. n = 213 (64%); p < 0,0001). Die mediane Dauer des Ansprechens auf die Therapie war unter Ramucirumab/Paclitaxel mit 4,4 Monaten länger als unter Placebo/Paclitaxel mit 2,8 Monaten. Schließlich wurde im Ramucirumab/Paclitaxel-Arm bei 92 von 330 Patienten (28%) eine signifikant bessere objektive Ansprechrate (komplette plus partielle Remissionen) als im Placebo/Paclitaxel-Arm bei 54 von 335 Patienten (16%; p = 0,0001; Tab. 2) erreicht. Die Lebensqualität der Patienten wurde alle 6 Wochen mithilfe der standardisierten Fragebögen EORTC QLQ-C30 (European Organisation for Research and Treatment of Cancer Quality-of-Life Questionnaire) und EQ-5D-3L (EuroQoL five-dimension, threelevel health status questionnaire) erfasst und erwies sich in beiden Studienarmen als vergleichbar [1]. Unerwünschte Ereignisse vom Grad 3 und 4 traten im Ramucirumab-Arm häufiger auf als unter Placebo, darunter Neutropenie (41 vs. 19%) und Leukopenie (17 vs. 7%). RAINBOW ist die bislang größte Studie für die Zweitlinientherapie des fortgeschrit- 1 (< 1%) 53 (16%) 159 (47%) 83 (25%) 39 (12%) tenen Magenkarzinoms und zugleich die erste Studie, die einen Überlebensvorteil mit einem Anti-VEGFR-2 (Vascular Endothelial Growth Factor Receptor 2)-Antikörper in Kombination mit einer Chemotherapie zeigen konnte. Fazit • Beide Therapieregime sind für die palliative Zweitlinientherapie eine geeignete neue Behandlungsoption. • REGARD und RAINBOW bestätigen den VEGFR-2-Signalweg als wichtiges therapeutisches Angriffsziel bei Patienten mit fortgeschrittenem Adenokarzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs. • Sowohl eine Ramucirumab-Monotherapie als auch die Kombinationstherapie aus Ramucirumab und Paclitaxel können das OS signifikant verlängern, was für Patienten mit fortgeschrittenem Magenkarzinom von großer klinischer Relevanz ist. Dr. Dorothea Fricke, Magdeburg Literatur 1 2 3 4 5 6 7 8 Wilke H et al.: Lancet Oncol 2014;15:1224–1235. Fuchs CS et al.: Lancet 2014;383:31–39. Moehler M et al.: Z Gastroenterol 2011;49:461–531. Van Cutsem E et al.: Eur J Cancer 2008;44:182–194. Okines A et al.: Ann Oncol 2010;21(suppl 5): v50– v54. Olsson AK et al.: Nat Rev Mol Cell Biol 2006;7: 359–371. Spratlin J: Curr Oncol Rep 2011;13:97–102. Shibuya M: BMB Rep 2008;41:278–286. Impressum Ramucirumab, ein anti-angiogener Wirkstoff Ramucirumab ist ein humaner, monoklonaler Immunglobulin IgG1-Antikörper, der sich spezifisch gegen die extrazelluläre Domäne des VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor)Rezeptors 2 richtet [6, 7]. Erhöhte VEGF-Spiegel sind in verschiedenen Tumoren mit einer schlechteren Prognose und mit einer Chemotherapieresistenz assoziiert [7]. Für die Tumorangiogenese sind insbesondere die VEGF-Rezeptoren 1 und 2 relevant, der VEGF-Rezeptor 2 gilt als wichtigster Mediator sowohl der physiologischen als auch der pathologischen Angiogenese [7, 8]. Durch seine Stimulierung werden darüber hinaus weitere Faktoren gefördert, die das Tumorwachstum und die Metastasierung begünstigen [6]. Mit der Hemmung der VEGF-Achse durch antiangiogene Wirkstoffe wie Ramucirumab soll eine Rückbildung des Tumors erreicht werden. © 2015 S. Karger GmbH, Freiburg Fax + 49 761 4 52 07 14 [email protected] www.karger.com 2 (< 1%) 90 (27%) 172 (52%) 43 (13%) 23 (7%) Placebo plus Paclitaxel (n = 335) Ramucirumab Neue Behandlungsoption für die Palliativtherapie des Magenkarzinoms in der Zweitlinie PharmaForum in ONCOLOGY RESEARCH AND TREATMENT 38 l 1–2 l 15 © 2015 by S. Karger Verlag für Medizin und Naturwissenschaften GmbH Wilhelmstraße 20A 79098 Freiburg, Deutschland Mit freundlicher Unterstützung durch Lilly Deutschland GmbH Verlag, Herausgeber, Redaktion und Verlagsgeschäftsführung übernehmen keine Verantwortung für den Inhalt dieser Rubrik. Downloaded by: 88.99.70.242 - 10/23/2017 1:09:35 AM Unerwünschte Ereignisse kamen in beiden Behandlungsgruppen insgesamt ähnlich häufig vor (94 vs. 88%), mit Ausnahme der Hypertonie, die unter der Ramucirumab-Therapie öfter auftrat (16 vs. 8% unter Placebo). Schwere Nebenwirkungen (Grad t 3) kamen bei 57% der Patienten im Ramucirumab-Arm und 58% der Patienten im Placebo-Arm vor. REGARD ist die erste Phase-III-Studie, in der bei Patienten mit fortgeschrittenem Magenkarzinom nach dem Versagen einer Kombinationschemotherapie in der Erstlinie eine OS- und PFS-Verlängerung mit einem biologischen Wirkstoff in Monotherapie erreicht werden konnte [2]. Tab. 2. RAINBOW-Studie: Gesamtansprechen; modifiziert nach [1] DERAM00044 Vergleichsweise gut verträgliche Therapie