Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Mathematisches Institut WS/SS 2009/2010 Betreuer: Dr. Michael Winckler Prüfer: Prof. Dr. Hans Georg Bock ________________________________________________________________ Nichteuklidische Geometrie im Schulunterricht Eine Projektarbeit zur Kugelgeometrie mit dem Hector-Seminar in Heidelberg ________________________________________________________________ Wissenschaftliche Arbeit im Fach Mathematik Judith Schneider Kapellenweg 11 69121 Heidelberg [email protected] 21. März 2010 1 Ich erkläre, dass ich die Arbeit selbständig angefertigt und nur die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle Stellen, die dem Wortlaut oder dem Sinn nach anderen Werken, gegebenenfalls auch elektronischen Medien, entnommen sind, sind von mir durch Angabe der Quelle als Entlehnung kenntlich gemacht. Entlehnungen aus dem Internet sind durch Ausdruck belegt. Heidelberg, den 21.März 2010 _____________________________ Judith Schneider 2 3 INHALTSVERZEICHNIS Teil 1 Einleitung 6 Teil 2 Mathematische Grundlagen 9 2.1 Die Entstehung nichteuklidischer Geometrie 2.1.1 Einführung in den Aufbau axiomatischer Systeme 9 9 2.1.2 Die Entstehung der euklidischen Geometrie 13 2.1.3 Das Parallelenproblem 15 2.1.4 Geschichtliches zur Entwicklung der nichteuklidischen Geometrie 16 2.1.5 Zur Bedeutung von Modellen 18 2.2 Hyperbolische Geometrie 20 2.2.1 Grundlagen der hyperbolischen Geometrie 20 2.2.2 Das Kreisscheibenmodell von Poincaré 22 2.2.3 Nichteuklidische Geometrien in unserem realen Raum 25 2.3 Die Kugelgeometrie als Modell der elliptischen Geometrie 28 2.3.1 Geschichtliches 28 2.3.2 Grundlagen der sphärischen Geometrie 30 2.3.2.1 Kugel, Sphäre, Klein- und Großkreise 31 2.3.2.2 Geraden, Strecken und Abstände auf der Sphäre 33 2.3.2.3 Sphärische Zwei- und Dreiecke 35 2.3.2.4 Polarität von Punkten und Geraden, Poldreiecke 38 2.3.2.5 Sätze über Seiten und Winkel von Kugeldreiecken 40 2.3.2.6 Das sphärische Dreikant 41 2.3.2.7 Sphärische Trigonometrie 42 2.3.2.8 Berechnungen an sphärischen Dreiecken 49 2.3.3 Anwendungen 2.3.3.1 Regelmäßige sphärische Netze 51 51 4 2.3.3.2 Mathematische Geographie 56 2.3.3.3 Mathematische Astronomie 63 Teil 3 Behandlung nichteuklidischer Geometrie im gymnasialen Mathematikunterricht 72 3.1 Entwicklung und Verbreitung nichteuklidischer Geometrie in der Schule 72 3.2 Begründung des Themas als Unterrichtsreihe 3.2.1 Einbettung in den Bildungsplan an Gymnasien 74 74 in Baden-Württemberg 3.2.2 Fachliche Kompetenzen 76 3.2.3 Soziale und personale Kompetenzen 78 3.3 Schwerpunktsetzung und Reihenfolge 80 3.4 Unterrichtsvoraussetzungen 84 Teil 4 Durchführung einer Unterrichtsreihe zu Nichteuklidischer Geometrie am Beispiel des Hector-Seminars Heidelberg 87 4.1 Allgemeines zum Hector-Seminar 87 4.2 Übersicht über die Planung der Unterrichtsreihe 88 4.3 Grobziele der Unterrichtsreihe 90 4.4 Hinweise zur Durchführung 94 4.5 Einsatz von Lehrmaterialien und Unterrichtsmedien 110 4.6 Aufgabensammlung (exemplarisch) 113 4.7 Evaluation der Seminarreihe 117 4.8 Ergebnis und Schlussbetrachtung 121 Literatur 124 Abbildungsverzeichnis 127 5 Teil 5 Anhang 6.1 Hinweise zur Durchführung (tabellarisch) 6.2 Modulausschreibung „Kugelgeometrie“ zum Hector-Seminar 6.3 Evaluationsbogen 6.4 Anleitung zum Bau eines Großkreislineals 6.5 Kopiervorlagen zur sphärischen Trigonometrie 6.6 Arbeitsblatt: „Die mömpfelnden Strunze“ 6.7 Arbeitsblatt und Musterlösung zur Gegenüberstellung der drei verschiedenen Geometrien 6.8 Arbeitsblatt zu „Cinderella“: Das Kreisscheibenmodell 130 6 Teil 1 Einleitung „Felix Klein beschrieb die nichteuklidische Geometrie als `einen der wenigen Teile der Mathematik, über den in weiten Kreisen gesprochen wird, so daß jeder Lehrer in jedem Moment danach gefragt werden könnte.“ Dies berichtet H. S. M. Coxeter in einer Einleitung zu Trudeaus „Die geometrische Revolution“ ([Tru98]) und könnte damit eine wohl nicht geringe Anzahl von heutigen Lehrern wegen ihrer Unwissenheit auf diesem Gebiet in Verlegenheit bringen. Während im 19. Jahrhundert die Entwicklung der nichteuklidischen Geometrie eine Revolution nicht nur in der Mathematik, sondern auch in Gebieten der Philosophie und Physik bedeutete und den Menschen klar machte, dass die Welt, wie wir sie mit unseren zwei Augen sehen, auch durch eine andere als die euklidische Geometrie beschrieben werden kann, scheint ihre Behandlung heute nicht nur an den Universitäten, sondern auch im Schulunterricht anderen Gebieten gewichen zu sein. Wie kommt es, dass ein so bedeutendes Gebiet der Mathematik aus den Lehrplänen verschwunden ist? Lobatschewski, einer der Mitbegründer der nichteuklidischen Geometrie, erklärte zum Beispiel in seiner berühmten Rede „Über die wichtigsten Fragen der Erziehung“ im Jahr 1928: „Befragt die Natur, sie enthält alle Wahrheiten ... Hier wird das gelehrt, was wirklich existiert und nicht das, was von einem untätigen Verstand erfunden worden ist." ([Sp06]) Bei den alten Griechen bedeutete „Geometrie“ dasselbe wie „Erdvermessung“ und geometrische Figuren waren spezielle Objekte wie Äcker oder Weiden (vgl. [Tru98], Seite 1). Heute im Zeitalter der Globalisierung, das auch durch den internationalen Flugverkehr geprägt ist, können wir als Äcker oder Weiden gerne auch ganze Kontinente betrachten und so ist es doch verwunderlich, dass eine mathematische Orientierung auf dem Globus, wie zum Beispiel die Längenberechnung einer Fluglinie, nicht zum Bildungskanon des weltoffenen Bürgers gehört. Doch was genau ist an der Geometrie auf der Kugeloberfläche `nicht euklidisch´ und wie ist sie aufgebaut? Worin bestehen die Unterschiede zur gewöhnlichen Geometrie oder aber auch zu anderen nichteuklidischen Geometrien und wo finden diese in unserer realen Welt Anwendung? Diesen Fragestellungen soll im ersten Teil der Arbeit mit einem historischen Teil zur Entstehung nichteuklidischer Geometrien nachgegangen werden. Des Weiteren 7 möchte ich einen Einblick in die Grundlagen und Modelle der hyperbolischen Geometrie geben und einen Schwerpunkt setzen auf die Kugelgeometrie – oder auch sphärische Geometrie – (diese beiden Begriffe beziehen sich im Folgenden auf ein und dasselbe) und ihre Anwendungen als Modell der elliptischen Geometrie. Nach den schlechten Ergebnissen der PISA-Studie wurde immer wieder die Gewichtung auf anwendungsorientiertem Lernen im Mathematikunterricht gefordert. Die vorliegende Arbeit soll nun die Eignung der nichteuklidischen Geometrie, insbesondere der Kugelgeometrie, als Unterrichtseinheit im gymnasialen Mathematikunterricht untersuchen und Antworten auf folgende Fragen liefern: Wie kann das Gebiet der nichteuklidischen Geometrie für eine sinnvolle Behandlung mit Schülern ummodelliert und aufgearbeitet werden? Welche Anwendungen können mit Schülern durchgeführt und welche Ziele können gesteckt werden? Im Folgenden möchte ich versuchen diese Fragen zu klären, eine umfassende Grundlagen –und Materialienzusammenstellung für Lehrer bereitstellen und sie dazu motivieren eine Unterrichtsreihe zu nichteuklidischer Geometrie durchzuführen. Dabei werden vor allem im zweiten Teil dieser Arbeit die Behandlung nichteuklidischer Geometrie im gymnasialen Mathematikunterricht im Hinblick auf den Bildungsplan an Gymnasien in Baden-Württemberg untersucht und zu erlernende Kompetenzen, Schwerpunktsetzung und Unterrichtsvoraussetzungen analysiert. Im dritten Teil der Arbeit wird dann eine konkrete Unterrichtsreihe zu nichteuklidischer Geometrie mit dem Schwerpunkt auf der Kugelgeometrie vorgestellt, die in einer Modulphase des Hector-Seminars in Heidelberg mit Schülern der 9. und 10. Jahrgangsstufe aus verschiedenen Gymnasien durchgeführt wurde. Dieser Teil gibt nicht nur eine genaue und zielgerichtete Planung und Durchführung der Unterrichtsreihe mit Verweisen auf im Anhang bereitgestellten Arbeitsmaterialien, sondern soll auch rückbetrachtend ein Augenmerk auf Probleme, Fragen und Ergebnisse der Schüler legen, um eine erfolgreiche Durchführung zu ermöglichen. Außerdem sollen durch die Auswertung einer Evaluation der Modulphase Rückschlüsse auf die Eignung von nichteuklidischer Geometrie im Mathematikunterricht gezogen werden. 8 Wichtige Quellen für den theoretischen Teil der Arbeit und die mathematischen Grundlagen sind die Bücher von Filler („Euklidische und nichteuklidische Geometrie“ siehe [Fil93]) und Trudeau („Die geometrische Revolution“ siehe [Tru98]), die zu gleichen Teilen versuchen die Hintergründe der nichteuklidischen Geometrie in möglichst einfacher und verständlicher Form wiederzugeben. Der Erstellung einer Unterrichtsreihe und der Lehrmaterialien liegen in erster Linie die Veröffentlichung von Filler in [Fil95] sowie die Materialien für den Schulunterricht aus [Kug83] und [Aba95] zugrunde. 9 Teil 2 Mathematische Grundlagen 2.1. Die Entstehung nichteuklidischer Geometrie 2.1.1 Einführung in den Aufbau axiomatischer Systeme Die Beschäftigung mit Mathematik erhielt nach [Fil93] im alten Griechenland eine völlig neue Qualität, als die Idee aufkam, intuitiv aus der reinen Anschauung heraus gefundene Zusammenhänge zu beweisen. Die Arbeit des „Vaters der griechischen Mathematik“ Thales von Milet (etwa 624 – 547 v. Chr.), der als erster eine Methode des Beweisens geometrischer Sätze entwickelte, gilt somit nicht nur als Grundlage der modernen Mathematik, sondern der modernen Wissenschaft überhaupt. Um aber mathematische Sätze zu beweisen, müssen diese auf bereits bekannte Aussagen und Sätze oder Sachverhalte zurückgeführt werden, die dann wieder aus gewissen Aussagen ableitbar sind. Wenn man nun aber jede Aussage aus bereits bewiesenen Aussagen herleiten wollte, käme man irgendwann an einen Punkt, an dem man zumindest eine davon aus dem „Nichts“ beweisen müsste (vgl. [Fil93], S. 52). Für einen wirklich wissenschaftlichen Aufbau der Geometrie bedarf es also, wie Trudeau in seinem ersten Kapitel in [Tru98] beschreibt, einer gewissen Anzahl an Grundaussagen (Axiome), die formuliert werden und aus denen dann die anderen geometrischen Sätze und Eigenschaften ableitbar sind. Die Axiome wiederum basieren nun auf einer gewissen Anzahl an Definitionen, die gemacht werden um die verwendeten Begriffe zu beschreiben. Lange Zeit beschäftigte man sich aber mit der Frage der richtigen Definition bestimmter Begriffe, wie zum Beispiel des Begriffs „Punkt“ (aus [Fil93], S. 56): Plato (ca. 380 v. Chr.): Ein Punkt ist der Anfang einer Linie Aristoteles (ca. 340 v. Chr.): Ein Punkt ist eine unteilbare Einheit, die eine Position besitzt. Euklid (ca. 325 v. Chr.): Was keine Teile hat, ist ein Punkt. Heron (ca. 50 n. Chr.): Ein Punkt ist, was keine Teile hat oder eine Begrenzung ohne Dimension oder die Grenze einer Linie. Auch die folgende Illustration auf Seite 8 aus [Tru98] verdeutlicht das Problem des Aufstellens von Definitionen: 10 Abbildung 1 Erst im 19. Jahrhundert kam man (vgl. [Fil93], S. 56) letztendlich zur Überzeugung, dass es völlig unmöglich ist alle mathematischen Begriffe zu definieren, ohne dass einige grundlegenden Begriffe zur Verfügung stehen, die dann als Grundbegriffe bezeichnet wurden und von den Axiomen Eigenschaften zugewiesen bekamen. Ein axiomatisches System im Allgemeinen besteht also aus folgendem Schema (vgl. [Tru98], S. 7 und [Fil93], S. 61): - Einführung der Grundbegriffe - Aufstellen einer Liste von Grundaussagen oder Axiome über diese Grundbegriffe - Definitionen aller weiteren technischen Begriffe unter Zuhilfenahme der bereits eingeführten Terme und Begriffe - Sätze (Theoreme), die aus den bereits bewiesenen Aussagen oder Axiomen logisch abgeleitet werden Drei grundlegende Forderungen wurden nach [Fil93] zusätzlich an jedes formale Axiomensystem gestellt, die nach der Widerspruchsfreiheit, der Unabhängigkeit oder Minimalität und der Vollständigkeit. Dies bedeutet, dass ein Axiomensystem nur so viele Axiome enthalten soll, wie notwendig sind, um daraus alle relevanten Aussagen der entsprechenden Theorie abzuleiten und dass diese sich nicht widersprechen dürfen. Durch die Entwicklung dieser axiomatischen Methode sollte erreicht werden, dass Geometrie losgelöst von der Anschauung auf rein deduktivem Weg betrieben werden konnte. Damit kann ein Axiomensystem in einem völlig abstrakten 11 nichtgeometrischen Kontext aufgestellt werden, wie das folgende Beispiel aus der Literatur ([Tru98], Seite 193) verdeutlichen soll: Die Mömpfelnden Strunze Grundbegriffe: mömpfeln, Strunz Axiome: MS1: Sind A und B zwei verschiedene Strunze, dann gilt: A mömpfelt B oder B mömpfelt A (wobei die Möglichkeit, dass beides eintritt, nicht ausgeschlossen wird). MS2: Kein Strunz mömpfelt sich selbst Sind A, B und C Strunze derart, dass gilt: A mömpfelt B und B mömpfelt C, dann gilt auch: A mömpfelt C. MS3 MS4: Es gibt genau vier Strunze Satz MS1: Wenn ein Strunz ein anderes mömpfelt, wird es nicht auch von diesem anderen gemömpfelt. Beweis 1. Angenommen, Strunz „A“ mömpfelt Strunz „B“ Voraussetzung 2. Angenommen, A wird auch von B gemömpfelt, d.h. also Annahme des Gegenteils B mömpfelt A. 3. Dann mömpfelt A A. 1.,2., Ax. MS3 (A, B, A die drei Strunze) 4. Aber A mömpfelt nicht A Ax. MS2 5. Widerspruch 3. und 4. 6. Daher mömpfelt B nicht A 2. – 5., Logik Korollar: Sind zwei Strunze gegeben, dann mömpfelt entweder das erste das zweite, oder das zweite mömpfelt das erste, aber nicht beides. 12 Beweis: Kombination aus Axiom MS1 und Satz MS1 Satz MS2: Angenommen A mömpfelt B, und C ist verschieden von A. Dann gilt: A mömpfelt C oder C mömpfelt B (möglicherweise beides). Beweis 1. C mömpfelt A oder A mömpfelt C, aber nicht beides Voraussetzung (C verschieden von A),Korollar 2. A mömpfelt nicht C Voraussetzung 3. C mömpfelt A 1.,2. 4. A mömpfelt B Voraussetzung 5. C mömpfelt B 3.,4., Ax. MS3 (C, A, B die drei Strunze) Satz MS3: Es gibt mindestens ein Strunz, das jedes andere Strunz mömpfelt. Definition MS1: Ein Strunz, das jedes andere Strunz mömpfelt, heißt schiebig. Satz MS4: Es gibt ein und nur ein schiebiges Strunz So wie diese zunächst bedeutungsleer erscheinenden Sätze nach logischen Regeln aus den Axiomen abgeleitet werden sollen, so werden durch das Aufstellen eines Axiomensystems auch die Sätze der Geometrie nicht mehr allein der Anschauung und „Experimenten“ entnommen. Ziel der Aufstellung von Axiomen ist es nun aber, die aus der Anschauung bekannten und durch praktische Erfahrungen gewonnenen Eigenschaften und Sätze der Geometrie aus den Axiomen abzuleiten. Die Betrachtung der Realität bzw. der Anschauung spielt also eine wichtige Rolle, denn nach Filler gilt (vgl. [Fil93], S. 60): 13 1. Die Axiome müssen den Gegebenheiten des realen Raumes (bzw. unseren Erfahrungen damit, also unserer Anschauung) Rechnung tragen und dürfen diesen nicht widersprechen. 2. Die Axiome müssen „ausreichend“ sein, um alle uns aus der Anschauung oder der Praxis bekannten geometrischen Eigenschaften abzuleiten. Die axiomatisch aufgebaute Geometrie soll also den uns umgebenden Raum beschreiben. Wir werden später sehen, dass diese beiden Gesichtspunkte dennoch nicht nur die eine uns bekannte `normale´ euklidische Geometrie zulassen. Stattdessen entstehen durchaus mathematische Theorien oder Geometrien, die vielleicht zunächst keinen unmittelbaren praktischen oder anschaulichen Bezug für uns, aber dennoch eine Bedeutung für die Beschreibung unserer realen Welt haben. 2.1.2 Die Entstehung der euklidischen Geometrie Den ersten überlieferten Versuch, die Geometrie als rein theoretisches System darzustellen und die damals bekannte Geometrie aus einer Reihe von Grundaussagen auf rein deduktivem Weg aufzubauen, enthalten, wie in der meisten gängigen Literatur zu Geometrie berichtet wird, die um 325 v. Chr. geschriebenen „Elemente“ des Euklid von Alexandria (ca. 365 – 300 v. Chr.)(vgl. [Ko07] und [Fil93]). Die aus 13 Büchern bestehenden „Elemente der reinen Mathematik“ (Arithmetik, Analysis, Geometrie) werden als das erste umfassende mathematische Lehrbuch der Weltgeschichte angesehen und sind mit geschätzten 1000 Auflagen seit Erfindung der Buchdruckerkunst (1482) nach der Bibel das am meisten vervielfältigte Buch (vgl. [Fil93], S. 53). Euklid, der im Prolog von [Ko07] auch als „Vater der Geometrie“ bezeichnet wird, erschuf mit seinem Werk ein Vorbild für viele wissenschaftliche Bücher und bis ins 19. Jahrhundert die wesentliche Grundlage des Mathematikunterrichts an höheren Schulen (vgl. [Fil93], S. 53 und [Ko07], S.1). Das erste Buch des Euklid beginnt, wie in [Fil93] erläutert, mit einer Axiomatik der ebenen Geometrie, in der die „offensichtlichen“ Tatsachen der Geometrie als a priori evidente Axiome formuliert und die weniger offensichtlichen Tatsachen durch logische Folgerungen als Lehrsätze abgeleitet wurden. Auf seiner Auffassung und Erfahrung der geometrischen Welt versuchte er die Regeln des alltäglichen Umgangs mit Punkten, Geraden und Kreisen als Grundbegriffe in ein logisches Gebilde von 14 Axiomen und Sätzen zu ordnen. Dabei teilte er seine Grundlagen in drei Kategorien, die Erklärungen (Definitionen) der auftretenden Begriffe, die Axiome (Grundaussagen, die für alle Wissenschaften interessant sind) und die Postulate (Grundaussagen, die sich speziell auf die Geometrie beziehen). Im Folgenden sind nur die 5 Postulate, die speziell für den Aufbau der Geometrie wichtig sind und dem Prolog von [Ko07] entnommen sind, aufgeführt: Postulate: Gefordert soll sein: 1. 2. 3. 4. 5. Daß man von jedem Punkt nach jedem Punkt die Strecke ziehen kann Daß man eine begrenzte gerade Linie zusammenhängend gerade verlängern kann Daß man mit jedem Mittelpunkt und Abstand den Kreis zeichnen kann Daß alle rechten Winkel einander gleich sind Und daß, wenn eine gerade Linie beim Schnitt mit zwei geraden Linien bewirkt, daß innen auf derselben Seite entstehende Winkel zusammen kleiner als zwei Rechte werden, dann die zwei geraden Linien bei Verlängerung ins Unendliche sich treffen auf der Seite, auf der die Winkel liegen, die zusammen kleiner als zwei Rechte sind. In moderner Sprache bedeuten die Postulate 1 bis 5 nach [Ko07]: 1. 2. 3. 4. 5. Je zwei verschiedene Punkte sind durch eine Gerade verbindbar. Jede Gerade ist „unbegrenzt“. Man kann Abstände antragen. Alle rechten Winkel sind gleich. Zwei ebene nicht-parallele Geraden schneiden sich. Obwohl das System von Euklid mehr als 2000 Jahre lang Grundlage jeglicher Beschäftigung mit Geometrie war, brachte es einige Probleme der Exaktheit und Vollständigkeit mit sich und so wurde das erste logisch vollständig exakte Axiomensystem erst 1899 von David Hilbert (1862 – 1943), also erst ca. 2300 Jahre nach dem Elementen von Euklid entwickelt (vgl. [Fil93], S. 55). Dieser verwendet als Grundbegriffe die Bezeichnungen Punkt, Gerade und Abstand und teilt seine Axiome in 5 Axiomengruppen, die sich jeweils auf bestimmte Bereiche der Geometrie beziehen (nach [Ko07], S. 5): I. Inzidenzaxiome (Zusammengehörigkeit von Punkten und Geraden) II. Abstandsaxiome III.Anordnungsaxiome IV. Bewegungsaxiome V. Parallelenaxiom 15 Diese 5 Axiomengruppen bilden nun ein vollständiges Axiomensystem der (ebenen) euklidischen Geometrie, wie sie im Schulunterricht behandelt wird. 2.1.3 Das Parallelenproblem Über 2000 Jahre, noch bin ins 19. Jahrhundert hinein, haben Mathematiker versucht das 5. Postulat von Euklid, also das Parallelenaxiom, aus den anderen Axiomen herzuleiten, weil sie es als überflüssig empfanden und glaubten, es mit Hilfe der anderen Axiome beweisen zu können (vgl. [Fil93], Kapitel 3.1.1). Wie Trudeau auf Seite 139 in [Tru98] berichtet, sagt man, dass wohl selbst Euklid nicht ganz zufrieden mit seinem 5. Postulat war. Dies zeigt sich auch in seiner recht komplizierten Ausdrucksform und so versuchte er, seine ersten 28 Propositionen ohne es zu beweisen. Die geometrischen Sätze, die ohne das Parallelenaxiom bewiesen werden konnten, bezeichnet man folglich als „Absolute Geometrie“ (vgl. [Tru98]). Die klügsten Köpfe der Mathematik, angefangen bei Ptolomäus von Alexandria (ca. 90 – 160), über John Wallis (1610 - 1703) bis Adrien Marie Legendre (1752 – 1833) haben sich an einem Beweis des 5. Postulats versucht, aber meist den Fehler begangen, sich auf eine Aussage zu stützen, die zum Parallelenaxiom äquivalent ist. Die verschiedensten Beweisversuche sind in [Tru98] und [Fil93] ausgeführt. Dies führte zu einer Grundlage an äquivalenten Aussagen des Parallelenpostulats (vgl. [Fil93]), S. 160 und [Tru98], S. 151, zur weiteren Lektüre gibt Trudeau eine Zusammenstellung von Ersatzpostulaten mit den Namen der Mathematiker, die diese jeweils vorschlugen): 1. Zu jeder Geraden g und zu jedem nicht auf g liegenden Punkt A gibt es höchstens eine Gerade, die durch A verläuft und zu g parallel ist (euklidisches Parallelenaxiom). 2. Es gilt der Stufenwinkelsatz bzw. der Wechselwinkelsatz. 3. In jedem Dreieck beträgt die Innenwinkelsumme 180°. 4. Es existiert ein spitzer Winkel derart, dass die in jedem Punkt eines seiner Schenkel errichtete Senkrechte den anderen Schenkel trifft. 5. Abstandslinien sind Geraden. 6. Es existieren zwei ähnliche, nicht kongruente Dreiecke. 7. Wenn drei Winkel eines Vierecks rechte Winkel sind, dann ist der vierte Winkel ebenfalls ein rechter Winkel. 16 8. Die Summe der Kathetenquadrate eines rechtwinkligen Dreiecks ist gleich dem Hypothenusenquadrat. Gerade aber das Scheitern der vielen Beweisversuche des Parallelenaxioms hatte laut oben genannter Literatur eine große Bedeutung für die Entdeckung und Entwicklung einer neuen Art von Geometrie, der nichteuklidischen Geometrie. Viele Beweisversuche wurden nämlich „indirekt“ geführt, d.h. man nahm die Axiome und Sätze der absoluten Geometrie und zusätzlich die Verneinung des Parallelenaxioms als gegeben an und versuchte einen Widerspruch herzuleiten, was nie gelingen konnte. Diese Tatsache aber brachte einige Mathematiker auf den Gedanken eine Geometrie zu entwickeln, in der zwar die absolute Geometrie gilt, nicht aber das Parallelenaxiom und sie versetzten der Mathematik damit einen Schock (vgl. [Fil93], [Tru98]). 2.1.4 Geschichtliches zur Entwicklung der nichteuklidischen Geometrie Obwohl die Beweisbarkeit des Parallelenaxioms über Jahre als Makel der Mathematik galt und Jean le Rond d´Alembert sie, (vgl. [Tru98] auf Seite 181) sie schon 1759 als „le scandale des éléments de géométrie“ bezeichnete, wurde seine Nichtbeweisbarkeit lange Zeit überhaupt nicht in Betracht gezogen. Die Existenz und Möglichkeit einer nichteuklidischen Geometrie konnten und wollten sich Mathematiker nicht vorstellen und auch die dominierenden philosophischen Auffassungen, vor allem von Immanuel Kant (1724 – 1804), trugen dazu bei, dass eine Geometrie, die sich unserer anschaulichen Vorstellung widersetzte, überhaupt nicht in Erwägung gezogen wurde (vgl. [Fil93], Kapitel 3.2.1). Trotzdem machten sich nahezu zeitgleich die drei Mathematiker Carl Friedrich Gauss (1777 – 1855), Janos Bolyai (1802 – 1860, Ungarn) und Nikolai Abbildung 2 Iwanowitsch Lobatschewski (1792 – 1856, Russland, Abbildung 2) daran, eine Geometrie zu entwickeln, in der das Parallelenaxiom nicht gilt und gelten somit als Begründer der nichteuklidischen Geometrie, wie in jeder gängigen Literatur berichtet wird (vgl. [Tru98], [Fil93] und [Li07]). Der Schock, der der Mathematik damit versetzt wurde, ist nach [Tru98] wohl vergleichbar mit dem nach der Entdeckung der irrationalen Zahlen von den Griechen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Gauss, der als erster seine Ideen zur nichteuklidischen Geometrie entwickelte und von dem laut 17 [Fil93] (S. 164) auch die Bezeichnung „nichteuklidische Geometrie“ stammen soll, sich wegen der weltanschaulichen Konsequenzen nicht traute, sie zu veröffentlichen. Filler berichtet in [Fil93] in Kapitel 3.2.1, dass Lobatschewski schließlich der erste Mathematiker war, der zu der neuen Geometrie in seinen „Geometrischen Untersuchungen zur Theorie der Parallellinien“ 1840 publizierte, weswegen sie heute oftmals auch seinen Namen trägt. Allerdings sollen seine, wie auch die Arbeiten Bolyais, erst nach ihren Lebzeiten Beachtung gefunden haben, als nämlich durch die Arbeiten von Riemann (1826 – 1866) und den Nachlass von Gauß deutlich wurde, dass die Lobatschewski-Geometrie oder „hyperbolische Geometrie“ nur die erste nichteuklidische Geometrie war und unter anderen mit der sphärischen Geometrie in einen neuen weiter gefassten Zusammenhang von nichteuklidischer Geometrie gestellt werden konnte. In der Entwicklung der nichteuklidischen Geometrie ist, so schreibt Filler, allerdings vor allem zu sehen, dass es damals wie heute Wissenschaftler geben muss, die ihren Zeitgenossen vorauseilen, bereit sind Denk- und Vorstellungsbarrieren der wissenschaftlichen Umwelt zu überwinden und den Mut besitzen für ihre Ideen und Erkenntnisse einzustehen. Mit der Entdeckung der nichteuklidischen Geometrien kam schließlich die Unterscheidung in drei grundsätzlich verschiedene Arten der ebenen Geometrie auf: - Die elliptische Geometrie (oder Riemannsche sphärische Geometrie) Statt dem Parallelenaxiom gilt das Axiom: Zu einer Geraden g und einem nicht auf g liegenden Punkt A gibt es keine Gerade, die durch A läuft und g nicht schneidet. ([Met08], Seite 7) - Die euklidische Geometrie Es gilt das Parallelenaxiom: Zu jeder Geraden g und zu jedem nicht auf g liegenden Punkt A gibt es höchstens eine Gerade, die durch A verläuft und zu g parallel ist. ([Fil93], Seite 110) Die hyperbolische Geometrie (von dem griechischen Wort hyperbole „Überschuss“) (vgl. [Tru98], S. 187) 18 Statt dem Parallelenaxiom gilt das Axiom: Zu jeder Geraden g und jedem nicht auf g liegenden Punkt A gibt es mindestens zwei Geraden, die durch A verlaufen und g nicht schneiden. ([Fil93], Seite 166) Oft ist mit nichteuklidischer Geometrie auch nur die hyperbolische Geometrie gemeint, da in ihr alle anderen Axiome der euklidischen Geometrie gewahrt werden können und sie im Hinblick auf ihre „Entdeckung“ laut Trudeau (vgl. [Tru98]) die erste nichteuklidische Geometrie war. In der sphärischen Geometrie (weiteres hierzu in Kapitel 2.3.1) gelten die Anordnungsaxiome nicht mehr unverändert. Wir werden im Folgenden aber den weiter gefassten Begriff der nichteuklidischen Geometrie verwenden und die sphärische Geometrie als nichteuklidische Geometrie mit einbeziehen. 2.1.5 Zur Bedeutung von Modellen Die Theorien zur nichteuklidischen Geometrie von Gauß, Bolyai und Lobatschewski wurden lange nur als logische Spielereien angesehen, weil man sie sich nicht vorstellen konnte und sie nicht ins Anschauungsvermögen der Naturwissenschaft passten. Eine Vorstellung konnte nur dann gewährleistet werden, wenn ein anschauliches Modell gefunden werden konnte. Trudeau gibt folgende Definition eines Modelles: „Ein Modell für ein formales axiomatisches System ist eine Interpretation der Grundbegriffe, unter der die Axiome wahre Aussagen werden und damit die Widerspruchsfreiheit des Systems zeigen.“ ([Tru98], Seite 271) Zur Verdeutlichung nehmen wir das Beispiel der mömpfelnden Strunze aus [Tru98] (von vorher) und geben ein Modell dafür vor, dass wir verwenden können um die Axiome in wahre Aussagen zu verwandeln: Grundbegriff Interpretation Die Strunze Vier Bücher im Stapel mömpfeln Sich oberhalb befinden 19 MS1: Sind A und B verschiedene Bücher im Stapel, dann befindet sich A oberhalb von B, oder B befindet sich oberhalb von A. MS2: Kein Buch im Stapel befindet sich oberhalb seiner selbst. MS3: Sind A, B und C Bücher im Stapel derart, dass sich A oberhalb B und B oberhalb von C befindet, dann befindet sich A oberhalb von C. MS4: Es gibt genau vier Bücher in dem Stapel. Da diese Behauptungen unserer Anschauung nach alle wahr sind und sich nicht widersprechen, ist diese Interpretation ein Modell und alle Sätze verwandeln sich in wahre Aussagen: Satz MS3: Es gibt mindestens ein Buch in dem Stapel, das sich oberhalb jedes anderen Buches im Stapel befindet. Um die Widerspruchsfreiheit einer neuen Theorie, wie in unserem Falle der nichteuklidischen Geometrie, zu beweisen, braucht man also ein Modell mit dem die Grundbegriffe dieser Theorie als Objekte einer bereits bekannten Theorie interpretiert werden (vgl. [Fil93], S. 174). Bei der Suche nach geeigneten Modellen für die hyperbolische oder elliptische Geometrie müssen dann die Grundbegriffe dieser Geometrien durch geeignete Objekte der euklidischen Geometrie modelliert werden. Als Modell der elliptischen Geometrie kann eben genau die sphärische Geometrie aufgefasst werden (vgl. [Fil93]), deren Behandlung unseren Schwerpunkt bildet und der die euklidische Geometrie zugrunde liegt. (Ein weiteres Modell der elliptischen Geometrie wäre die Geometrie auf einem Ellipsoid (vgl. [Fil93], Seite 141). Während die Kugelgeometrie ihren Ursprung aber bereits bei den Griechen hatte (allein ihre Entdeckung als Modell der elliptischen Geometrie erfolgte erst im 19. Jhdt. durch Bernhard Riemann, vgl. [Fil93], S. 163 und Kapitel 2.1.3) wurden Modelle der hyperbolischen Geometrie, beginnend mit einem Modell von Eugenio Beltrami von 1868, laut [Tru98], S. 273 erst im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts entwickelt. Zeitler spricht in [Ze70] auf Seite 23 von der Methode des „Umetikettierens“: „Die Grundelemente und Grundbegriffe unserer bekannten Schulgeometrie […] erhalten gewissermaßen neue Namensschilder.“ Besonders leicht verständlich ist das Modell von Henri Poincaré (1854 – 1912), eine sozusagen euklidische Veranschaulichung der hyperbolischen Geometrie, welches wir später genauer betrachten werden. 20 2.2. Hyperbolische Geometrie 2.2.1 Grundlagen der hyperbolischen Geometrie „Was Kopernikus war für Ptolomäus, das war Lobatschewski für Euklid. Zwischen Kopernikus und Lobatschewski gibt es eine interessante Parallele. Kopernikus und Lobatschewski waren beide slawischer Abstammung. Jeder von ihnen rief eine Revolution in den wissenschaftlichen Ideen und Standpunkten hervor. Beide Revolutionen waren von ein und derselben Bedeutung: Sie waren Revolutionen in unserer Auffassung vom Kosmos.“ Diese Zitat W. K. Cliffords bringt Filler in seiner Einleitung zu hyperbolischer Geometrie in Kapitel 3 aus [Fil93] und bringt damit nicht nur die Bedeutung, sondern auch Umsturz zum Entwicklung den gesellschaftlichen Ausdruck, der den die hyperbolischen Geometrie bewirkte. So hatte sie nicht nur Auswirkungen auf die Philosophie, wovon in [Tru98] [Fil93] und besonders in berichtet wird, sondern beispielsweise auch auf die Kunst, was aus nebenstehendem Bild mit dem Titel „Junger Mann, beunruhigt durch den Flug einer nicht-euklidischen Fliege“ von Max Ernst aus [Ze70] unschwer zu erkennen ist (Abb. 3). Abbildung 3 Die hyperbolische Geometrie als Beispiel für eine nichteuklidische Geometrie beschreibt Filler in [Fil93], S. 166 nun als die „Menge der Aussagen, die sich aus den Axiomen der absoluten Geometrie und der Verneinung des euklidischen Parallelenaxioms ableiten lassen.“ Die Verneinung des 5. Axioms von Euklid wird nach [Fil93] hyperbolisches Axiom oder auch Lobatschewskisches Axiom genannt: Es existiert eine Gerade g und ein nicht auf g liegender Punkt A, durch den mindestens zwei Geraden verlaufen, die g nicht schneiden. 21 Filler zeigt in [Fil93] auf Seite 167, dass es zu gegebenem Punkt P sogar unendlich viele nichtschneidende („Parallelen“) zu der Geraden gibt. Lobatschewski erklärt in einem Buch aus dem Jahr 1840 seine nichteuklidische Geometrie wie folgt: „Alle Geraden, die in einer Ebene von einem Punkt ausgehen, können bezüglich einer (nicht durch diesen Punkt gehenden) Geraden in zwei Klassen geteilt werden – in schneidende und nichtschneidende. Die Grenzgeraden dieser beiden Klassen sollen Parallelen zur gegebenen Geraden genannt werden.“ ([Li07], S.6) Wir haben also bei der Definition des Begriffes der Parallelität (vgl. [Tru98] und [Fil93]) eine Unterteilung der nichtschneidenden Geraden in zwei Klassen: · zwei asymptotisch oder echt parallele Geraden oder Grenzgeraden aller Geraden, die eine gegebene Gerade g nicht schneiden (ihr also von allen g nicht schneidenden Geraden „am nächsten kommen“) · unendlich viele divergierend parallele Geraden, die g nicht schneiden Als wir zuvor einige äquivalente Aussagen des Parallelenaxioms aufgelistet hatten, haben wir bereits wichtige Eigenschaften der hyperbolischen Geometrie, in der diese Aussagen ja nicht gelten können, aufgedeckt. Es folgen einige wichtige Sätze der hyperbolischen Geometrie, zusammengefasst aus der Literatur von [Fil93], [Tru98] und [Li07]: · Die Innenwinkelsumme eines Dreiecks ist kleiner als zwei Rechte. · Kongruentsatz „www“: Stimmen zwei Dreiecke in allen drei Winkelmaßen überein, so sind sie kongruent. · Es gibt keine ähnlichen Figuren. · Der Flächeninhalt eines Dreiecks lässt sich aus seinen Winkelgrößen berechnen. · Sätze wie der Satz des Pythagoras, der Satz von Thales oder der Peripheriewinkelsatz können nicht gelten. Bei der Betrachtung von Dreiecken in der hyperbolischen Ebene ist es nützlich den Begriff des „Defektes“ gegenüber dem sphärischen „Exzess“ (siehe Kapitel 2.3.2) einzuführen, dessen Definition [Tru98], S. 261 entnommen ist: 22 Definition: Der Defekt eines Dreiecks ist der Betrag, um den seine Winkelsumme kleiner als 180° ist. Bei einem Dreieck ABC und den Winkeln α, β und γ, gilt dann die Formel für den Defekt d: d = 180° - (α + β + γ) So wie in der sphärischen Geometrie lassen sich auch in der hyperbolischen Geometrie trigonometrische Beziehungen für Dreiecke herleiten, was in [Fil93] ausgeführt wird. Hier wird insbesondere deutlich, dass sich die euklidischen Beziehungen als Grenzfall ergeben, wenn die Dreiecksseitenlängen alle gegen Null gehen. 2.2.2 Das Kreisscheibenmodell von Poincaré Im Kleinen kann die hyperbolische Geometrie auf einer Sattelfläche dargestellt werden, was nebenstehende Abbildung verdeutlicht. Um sie sich aber exakt vorstellen zu können und sozusagen ihre euklidische Veranschaulichung darzustellen, wurden wie oben bereits erwähnt verschiedene Modelle entwickelt. Die wichtigsten davon Abbildung 4 sind (vgl. [Li07], S.7): - das Modell von Eugenio Beltrami (1835 – 1900), welches 1868 als erstes Modell vorgestellt wurde und die hyperbolische Geometrie auf der Rotationsfläche einer Traktrix um ihre Asymptote, auch Pseudosphäre genannt, definiert (Abb. 5) Abbildung 5 - das Modell von Arthur Cayley (1821 – 1895) und Felix Klein (1849 – 1925), auch Kleinsches Modell genannt (Abb. 6), welches die hyperbolische Geometrie im Innern einer euklidischen Kreisscheibe darstellt und Elemente der projektiven Abbildung 6 Geometrie nutzt - das Halbebenenmodell (in [Ze70] und [Fil93] ausgeführt), welches die hyperbolische Ebene durch die obere Halbebene modelliert und das Kreisscheibenmodell (Abb. 7) von Henri Poincaré (1854 – 1912) Abbildung 7 23 Ich möchte im Folgenden das Kreisscheibenmodell von Poincaré, wie auch in [Tru98] und [Li07] behandelt, vorstellen. Es kann auf recht elementarer Grundlage behandelt werden und wird in der Geometriesoftware Cinderella als „hyperbolische Zeichenfläche“ verwendet (Abb. 7), die in Kapitel 4.6 beschrieben ist. Das „Umetikettieren“ geschieht wie folgt (vgl. [Li07] und [Fil93]): 1. Punkte sind alle euklidischen Punkte im Innern einer Kreisscheibe ohne ihren Rand. 2. Geraden sind alle euklidischen Durchmesser und Kreisbögen, die an beiden Enden orthogonal zum Rand sind. 3. Die Winkelmessung erfolgt „euklidisch“ zwischen zwei Kreisbögen über deren Tangenten am Schnittpunkt. 4. Die Abstands- und Längenmessung wird mit Hilfe des sogenannten Doppelverhältnisses und der Funktion ln in Verbindung mit der Beschreibung von Punkten durch komplexe Zahlen erklärt (genaueres hierzu in [Fil93], S.178). Das Parallelenaxiom von Euklid existiert in dieser Geometrie nicht. In Abbildung 8 ([Tru98], S.278) sehen wir, dass es zu einer gegebenen Geraden durch die Punkte A und B (hier als Durchmesser) die zwei „asymptotischen“ Parallelen YPZ und WPX gibt, die durch die auf dem Rand der Kreisscheibe liegenden Endpunkte Y* und X* des Durchmessers gehen. Die „divergenten“ Parallelen sind die orthogonalen Kreisbögen, die P mit den verschiedenen Punkten auf dem Rand der Kreisscheibe zwischen Y* und W* verbinden, die Nicht-Parallelen sind die orthogonalen Kreisbögen, die P mit den Punkten auf dem Rand zwischen W* und Z* verbinden. Abbildung 8 Ein Dreieck in der hyperbolischen Ebene sieht wie folgt aus (Abb. 9): Die Innenwinkelsumme des Dreiecks ist offensichtlich kleiner als 180°. Würde man die Eckpunkte immer weiter an den Rand ziehen, so würden die Innenwinkel des Dreiecks immer Abbildung 9 24 kleiner werden, der Defekt also zunehmen. Es ist hieraus leicht zu ersehen, dass der Flächeninhalt von Dreiecken eine obere Schranke hat, was ausführlich in [Tru98] auf Seite 266 dargestellt wird. Wie kann man sich nun aber den unendlichen hyperbolischen Raum auf einer endlichen Kreisscheibe vorstellen? Um zu verstehen, was auf der hyperbolischen Welt vor sich geht, stellt man sich am besten wie von Trudeau in [Tru98] auf Seite 273 beschrieben, einen Bewohner der Kreisscheibe vor, der dieselben geometrischen Begriffe benutzt wie wir, aber in der hyperbolischen Ebene lebt. Versucht er den Rand der Kreisscheibe zu erreichen, wird er selbst sobald er die Hälfte des Abstandes durchschritten hat, um die Hälfte kleiner geworden sein und somit immer weiter schrumpfen je mehr er sich dem Rand nähert, der ihm selbst unendlich weit entfernt vorkommt. Abbildung 10 verdeutlicht diese Vorstellung. Versucht der Kreisbewohner in seiner Welt Geometrie zu betreiben, so wird diese Geometrie natürlich die Welt reflektieren, wie er sie wahrnimmt. Wenn eine Gerade also den „kürzesten“ Weg zwischen zwei Punkten darstellt, so ist diese aus unserer Perspektive eine gerade Linie, in der Welt des Kreisbewohners wölbt sie sich aber in Richtung des Mittelpunkts und stellt so einen Kreisbogen dar. Abbildung 8 In der euklidischen Ebene kann man eine Fläche mit gleichseitigen Dreiecken, Quadraten oder Sechsecken pflastern. Die hyperbolische Ebene bietet einem noch ganz andere Möglichkeiten eine Fläche mit einer oder mehreren Sorten untereinander kongruenter Figuren zu parkettieren (vgl. [Tru98], S. 277). Abbildung 11 aus der Literatur von [Ka] zeigt einen Versuch des niederländischen Malers Maurits C. Escher das hyperbolische Universum zu illustrieren und eine Parkettierung aus gleichseitigen Dreiecken und Vierecken zu unternehmen. 25 Abbildung 9 Mit der Tatsache, dass sich die hyperbolische Geometrie im Kleinen wie die euklidische Geometrie verhält und dem Gedanken, dass der oben beschriebene Kreisbewohner seinen in Wirklichkeit hyperbolischen Raum um sich herum ebenfalls als euklidisch bezeichnen würde, wächst der Gedanke, dass wir auch eine sozusagen dreidimensionale Version des Kreisbewohners sein könnten. Stellt man sich laut Trudeau im euklidischen Raum eine riesige innen schwarz angemalte Sphäre vor, die unser bekanntes Universum beinhaltet und die Menschen als winzige Lebewesen in der Nähe des Mittelpunktes, in der sich Geraden genauso krümmen und Dinge mehr und mehr schrumpfen, je näher sie sich dem Rand nähern, so sieht man, dass derartige Überlegungen durchaus vorstellbar sind und die wahre Geometrie des Raumes um uns herum eine hyperbolische wäre (vgl. [Tru98], Seite 273). 2.2.3 Nichteuklidische Geometrien in unserem realen Raum Lange Zeit galt die euklidische Geometrie laut Filler ([Fil93], Kapitel 3.7) als einzig mögliche geometrische Struktur des Raumes, da sie als einzige unserer Anschauung entsprach. Mit dem Aufkommen der nichteuklidischen Geometrien und der Tatsache, dass sowohl die sphärische Geometrie für kleine Teile der Kugeloberfläche die Eigenschaften der euklidischen Geometrie übernahm, als auch die hyperbolische sich „im Kleinen“ der euklidischen Geometrie annäherte, soll der Gedanke aufgekommen sein, dass diese Geometrien den realen Raum vielleicht besser beschreiben könnten als die euklidische Geometrie. 26 So wie der Legende nach Gauß zwischen 1818 und 1826 die Hannoversche Landvermessung leitete (Abb.12, zu sehen auf dem alten 10-DM-Schein) und empirisch nach einer Krümmung des Raumes durch Abweichungen vom üblichen Wert der Winkelsumme eines Dreiecks von 180° gesucht hatte (vgl. [Tru98], S. 174 und Kapitel 2.3.2), so versuchte laut Filler auch Lobatschewski in etwas Abweichung größerem vom Wert Sinne 180° eine der Innenwinkelsumme eines Dreiecks zu Abbildung 10 finden, indem er als Eckpunkte zwei gegenüberliegende Punkte der Erdbahn und einen Fixstern benutzte (vgl. [Fil93], S. 230). Auch die Abweichung seines Messergebnisses lag unterhalb der Messfehlergrenze. Dies zeigt, dass selbst die Entfernung von der Erde zu einem Fixstern als „klein“ gelten kann, wenn man die Größe unseres Universums betrachtet. Mit größer werdenden Dimensionen weichen zwar sowohl die sphärische, als auch die hyperbolische Geometrie in entgegen gesetzten Richtungen immer stärker von der euklidischen ab, können uns aber im Kleinen nicht bei der Frage helfen, welche Geometrie unseren realen Raum beschreibt. Diese Frage ist, wie Filler ausführt, eng verbunden mit der nach der Krümmung des realen Raumes, welche gleich Null in einer euklidischen bzw. konstant positiv oder negativ in einer elliptischen oder hyperbolischen Geometrie wäre. Gauß' Schüler Bernhard Riemann war es, der 1854 die Differentialgeometrie gekrümmter Räume entwickelte und damit einen wichtigen Meilenstein in der Entwicklung der Geometrie hervorbrachte, der besonders wichtig für die Physik werden sollte (vgl. [Fil93]). Die nichteuklidischen Geometrien sind inzwischen aus der theoretischen Physik und Kosmologie nicht wegzudenken (besonders ausführlich in der Literatur von [Lie99] dargestellt) und waren schließlich auch eine wichtige Basis für Einsteins allgemeine Relativitätstheorie, gemäß der die Geometrie des Weltalls von der euklidischen abweicht, weil Schwerefelder den Raum krümmen. Ob die Geometrie unseres Weltalls im „Großen“ nun aber sphärisch, euklidisch oder 27 hyperbolisch ist, gehört laut [Lie99] noch heute zu den großen aktuellen Fragen der Forschung in der Physik. Nicht umsonst wurde den beiden Mathematikern Janos Bolyai (1802 – 1860) und N. I. Lobatschewski (1792 – 1856) jeweils zu ihrem 100. Todestag in Rumänien und der UdSSR eine Briefmarke gewidmet (vgl. [Bö]). Auch heute noch beschäftigt sich die Forschung in der Mathematik ganz aktuell mit den Fragen, Abbildung 11 die die nichteuklidische Geometrie aufgeworfen hat. Erst im Mai 2009 wurde laut einem Artikel in der Welt-online (vgl. [Be09]) in Oslo der russisch-französische Mathematiker Michail Gromow mit dem Abelpreis, dem höchsten Preis für Mathematik, für seine bahnbrechenden Leistungen auf dem Gebiet der Geometrie ausgezeichnet. Er beschäftigte sich dabei mit dem Studium gewisser Klassen von nichteuklidischen Gruppentheorie“. Geometrien und war Mitbegründer der „geometrischen 28 2.3 Die Kugelgeometrie als Modell der elliptischen Geometrie 2.3.1 Geschichtliches Zu einer Geraden g und einem nicht auf g liegenden Punkt A gibt es keine Gerade, die durch A läuft und zu g parallel ist. ([Met08], S. 7) Diese Variante der Verneinung des Parallelenaxioms zusammen mit den Axiomen der „absoluten Geometrie“ bilden die Basis der elliptischen Geometrie. Erst circa 30 Jahre nach Herausbildung der hyperbolischen Bernhard Geometrie, Riemann (1826 entwickelte -1866) die Abbildung 14 elliptische Geometrie (oder auch Riemanngeometrie), nachdem er „entdeckt“ hatte, dass es sich bei der Abbildung 15 sphärischen Geometrie um eine eigenständige nichteuklidische Geometrie handelte und diese zur allgemeineren elliptischen Geometrie erweitert werden konnte (vgl. [Fil93], S.163). In ihr wird ein „Punkt“ mit einem gegenüberliegenden Punktepaar identifiziert (siehe Abbildung 15). Die sphärische Geometrie erfüllt nicht alle Axiome der absoluten Geometrie, wie zum Beispiel die Anordnungsaxiome oder die Forderung, dass zwei verschiedene Punkte genau eine Gerade festlegen (vgl. [Fil93]), bietet aber ein anschauliches und einfaches Modell der elliptischen Geometrie. Der Übergang von sphärischer zu elliptischer Geometrie erfolgt durch die Identifikation eines gegenüberliegenden Punktepaares als einen einzigen Punkt. Auch wenn die Kugelgeometrie als Modell der elliptischen Geometrie erst im 19. Jahrhundert zu den nichteuklidischen Geometrien gezählt wurde, liegt ihre Entstehung aber bereits Jahre zuvor. Aufgefasst als Teil der Raumgeometrie wurde aber, wie Filler in [Fil93] auf Seite 163 berichtet, von einer axiomatischen Entwicklung völlig abgelassen. Nach [Kug83], S.30, [Fil93], Kap. 1.6 sowie [Ke88] hatte die Kugelgeometrie ihre Wurzeln bereits im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. in der Astronomie, als griechische und alexandrinische Geometern und babylonische Astronomen versuchten, ihre Beobachtungen festzuhalten. Dabei standen vor allem praktische Anwendungen im Vordergrund. Klaudius Ptolomäus von Alexandria (etwa 90 bis 160 n. Chr.) 29 verwendete die „Sphärik“ des Menelaos, das älteste Lehrbuch der sphärischen Trigonometrie, in der Astronomie und legte damit einen Grundstein für die Geometrie im Modell der Himmelkugel, welches bis heute genutzt wird (z. B. für Positionsbestimmung mit Hilfe von Fixsternen). Ihre große Wichtigkeit für die Beschreibung der Erdoberfläche erlangte die Kugelgeometrie aber erst mit dem Durchsetzen des heliozentrischen Weltbilds durch Nikolaus Kopernikus (1473 1543). Meist wird in der oben genannten Literatur berichtet, dass die Wurzeln der vermehrten Beschäftigung europäischer Mathematiker mit der sphärischen Geometrie nicht in Europa selbst liegen, sondern im Osten. Im ersten Jahrtausend nach Christus entwickelten nämlich die Inder und Araber die Kugelgeometrie weiter. Zum ersten Mal wurden nun auch Formeln der sphärischen Trigonometrie aufgestellt. In Europa soll die sphärische Trigonometrie erst nach dem Hochmittelalter Einzug erhalten haben, als mit den zunehmenden Entdeckungen des 15. und 16. Jahrhunderts die Seefahrt und die damit verbundene Suche nach Methoden zur Ortsbestimmung von Bedeutung wurde. Prägend für die Wissenschaft des 15. Jahrhunderts in vielen Disziplinen war der Rechner, Instrumentenbauer, Drucker und Wissenschaftler Regiomontanus (1436-1476), mit bürgerlichem Namen Johannes Müller, aus Königsberg (vgl. [Fil93]). Er verfasste 1464 das Werk „De triangulis omniodis libri quinque“, das aufgrund seines großen Einflusses auf die europäische Mathematik die Trigonometrie zu einer von der Astronomie unabhängigen Wissenschaft erhob, die sich in der Folge rasch entwickelte (vgl. [Fil93], S.44). Neben dem Mathematiker Francois Vieta (1540-1603), auf den der Zusammenhang zwischen einem Dreieck und seinem Polardreieck und dem damit verbundenen Winkelkosinussatz zurückgeht, war laut [Kug83] der Engländer John NAPIER (1550-1617) ein wichtiger Bereiter der sphärischen Trigonometrie, da er die nach ihm benannten Neperschen Regeln zur Berechnung für rechtwinkelige sphärische Dreiecke zusammenfasste und effektive Berechnungsmethoden entwickelte (vgl. [Fil93], S. 44). So wie 1626 Albert Girard (1595 – 1632) die Idee zur Verwendung des sphärischen Exzesses zur Berechnung des Flächeninhalts eines sphärischen Dreiecks niederschrieb, tat es auch Bonaventurea Cavalieri (1592 – 1647) in seinen Schriften 30 „Directorium Generale“ (1632) und “Trigonometria plana und et spherica“ (1643)(vgl. [Fil93], S.44). Ihre heutige übersichtliche Form erhielt die sphärische Trigonometrie, nachdem sie lange Zeit umständlich in Worten ausgedrückt worden war, nach [Kug83] erst durch Leonhard Euler (1707 – 1783) mit Hilfe der inzwischen entstandenen Buchstabenrechnung. In den folgenden Jahrhunderten erlangte die sphärische Trigonometrie eine wichtige Stellung innerhalb der Mathematik. Allerdings berichtet Filler (in [Fil93] auf Seite 44): „Heute scheint sie allmählich wieder in Vergessenheit zu geraten. So war die Redaktion einer großen Tageszeitung bei der Entführung einer Lufthansa-Maschine im Jahre 1977 nicht in der Lage, die Entfernung zwischen Bonn und Mogadischu anhand der geographischen Koordinaten dieser beiden Orte zu berechnen oder zumindest eine kundige Person zu finden, die dazu in der Lage gewesen wäre.“ 2.3.2 Grundlagen der sphärischen Geometrie „Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist die Strecke.“ Bei dem Gedanken an eine übliche Strecke, wie wir sie aus der „gewöhnlichen“ ebenen Geometrie kennen, wäre die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten auf der Erdoberfläche, die wir näherungsweise als Kugel betrachten (in Wirklichkeit ähnelt die Erde eher der Gestalt eines Ellipsoids) ein durch die Erde gegrabener Tunnel (vgl. [Fil93], S. 1). Wenn es aber darum geht, geeignete Routen für Flugzeuge und Schiffe zu finden, müssen wir unsere Vorstellungen der Geometrie einer Kugeloberfläche anpassen, auf der wir uns im Allgemeinen bewegen (z. B. auch bei Flugreisen - die Flughöhe von bis zu 30 km ist gegenüber dem Erdradius von 6370 km sehr gering und kann vernachlässigt werden). Bei kleineren Entfernungen (z. B. innerhalb Deutschlands) kann dies vernachlässigt werden, bei größeren Entfernungen sind Berechnungen schließlich nur noch mit großen Ungenauigkeiten möglich. Dieser Gedanke motiviert zu folgender einleitenden Frage, die Ausgangspunkt der Beschäftigung mit der Geometrie der Kugeloberfläche ist: Wie kann man die kürzeste Verbindung zweier Punkte auf der Sphäre (Kugeloberfläche) ermitteln? 31 Die folgenden Kapitel geben eine zusammenfassende Einführung in die Grundlagen der sphärischen Geometrie. Ihr Inhalt ist größtenteils der Literatur von [Fil93], 1. Kapitel, [Kug83], [Aba95], [Wa08], und [Ke88] entnommen. 2.3.2.1. Kugel, Sphäre, Klein- und Großkreise Definition 1: Eine Sphäre (bzw. Kugeloberfläche) S mit dem Mittelpunkt O und dem Radius R ist die Menge aller Punkte P des Raumes, die vom Punkt O den Abstand R haben: S = {P: |ΟΡ|=R} Eine (abgeschlossene) Kugel mit dem Mittelpunkt O und dem Radius R ist die Menge aller Punkte P des Raumes, die von O einen Abstand haben, der kleiner oder gleich R ist: K = {P:|OP|≤R} Eine wichtige Rolle für den Aufbau der Geometrie auf der Kugeloberfläche spielen die auf ihr liegenden Kreise, die als Schnittfiguren der Sphäre mit Ebenen entstehen. Ihre Eigenschaften werden wir zunächst genauer untersuchen: Satz 1: Falls sich eine Sphäre S und eine Ebene ε schneiden, so haben sie entweder genau einen gemeinsamen Punkt, oder die Menge der Schnittpunkte ist ein Kreis. Abbildung 16 Beweis (nach [Fil93], S. 5): Wir fällen vom Mittelpunkt O der Sphäre das Lot auf die Ebene ε und bezeichnen den Fußpunkt dieses Lotes mit M (siehe Abb. 18). Falls ε und S nicht nur einen Punkt gemeinsam haben, gibt es wenigstens zwei Schnittpunkte P und Q. Da die Dreiecke DOPM und DOQM kongruent sind (nach dem Kongruenzsatz „ssw“: Winkel bei M jeweils rechte, |OP| = |OQ| = R, Seite OM gemeinsam), gilt |MP| = |MQ|. Da die Punkte P und Q beliebig gewählt wurden, liegen alle Schnittpunkte der Ebene ε und der Sphäre S auf einem Kreis k, dessen Mittelpunkt der Fußpunkt M 32 des Lotes vom Mittelpunkt O der Sphäre auf die Ebene ε ist. Umgekehrt gehört jeder Punkt des Kreises k der Sphäre an, was aus dem Kongruenzsatz „sws“ folgt. Abbildung 17 Abbildung 18 Wir haben nun auch die Möglichkeit den Radius eines Kreises auf der Sphäre zu bestimmen. Aus Abb. 17, die das Dreieck DOPM aus Abb. 18 zeigt, entnehmen wir: (1) r = |MP| = |OP|× sin w = R × sin w . Der Radius r eines Kreises auf der Sphäre ist also niemals größer als der Radius R der Sphäre selbst. Aus Abbildung 18 sieht man sofort, dass nur Kreise, deren Mittelpunkt M mit dem Mittelpunkt O der Sphäre übereinstimmt, denselben Radius haben wie die Sphäre selbst (r = R). Diese Kreise sind somit die größten Kreise auf der Sphäre. Für alle Kreise, die einen anderen Mittelpunkt als die Sphäre haben, gilt demgegenüber wegen ω< 90° nach Gleichung (1) r < R. Aus diesem Grunde ist folgende Definition sinnvoll (vgl. [Fil93], 1. Kapitel, [Kug83], [Aba95]): Definition 2: Alle Kreise der Sphäre, deren Mittelpunkte mit dem der Sphäre identisch sind, heißen Großkreise, alle anderen werden als Kleinkreise bezeichnet. Ein anschauliches Beispiel für die Kugelgeometrie ist die Geometrie auf der Erdoberfläche, wenn wir die Erde näherungsweise als Kugel betrachten. Hier finden wir eine Vielzahl unterschiedlicher Kreise. Bekannteste Großkreise auf der Erdoberfläche sind der Äquator und die Meridiane (letztere sind jedoch nur halbe Großkreise). Dagegen sind alle Breitenkreise (außer dem Äquator) Kleinkreise. Abbildung 19 33 Abbildung 19 zeigt einige Meridiane („senkrechte“ Bögen) und Breitenkreise („waagerechte“ Bögen). 2.3.2.2 Geraden, Strecken und Abstände auf der Sphäre Auf der Kugeloberfläche gibt es keine Geraden, wohl aber Kreise. Daher müssen wir einen geeigneten „Ersatz“ für Strecken und Geraden finden, der ihre Eigenschaften „gewöhnlichen“ ebenen teilt. Eine Geometrie Strecke ist die in der kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten. Wir definieren daher eine „sphärische“ Strecke als Kurven der Kugeloberfläche, die zwei Punkte auf kürzestem Weg verbinden. Aus der ebenen Geometrie wissen wir (vgl. Abb. 20): Abbildung 20 Werden zwei Punkte A und B durch einen Kreisbogen verbunden, dann gilt: Je größer der Kreisradius, desto kürzer ist die Länge des Verbindungsbogens. Wie wir vorher bereits gesehen haben, ist der Radius eines Großkreises stets größer als der eines Kleinkreises, was zu folgender Definition aus ([Fil93]) führt: Definition 3: Als sphärische Geraden (S-Geraden ) bezeichnen wir alle Großkreise, als sphärische Strecken (S-Strecken) die Großkreisbögen, die nicht länger sind als ein halber Großkreis. Auf der Kugeloberfläche ist die kürzeste Verbindung zweier Punkte das Stück eines Großkreises. Zwischen fast allen Paaren von Punkten gibt es genau eine S-Strecke. Eine Ausnahme bilden sich gegenüberliegende Punkte (z. B. Nord- und Südpol). Diese Punktepaare nennt man diametral oder Gegenpunkte (Abb. 21). Abbildung 21 Definition 4: Zwei Punkte A und B der Sphäre heißen diametral oder Gegenpunkte, falls sie auf ein und demselben Durchmesser der Sphäre liegen. 34 Da durch drei Punkte eines Raumes, die nicht auf einer Geraden liegen genau eine Ebene bestimmt ist, Großkreise aber Schnittfiguren der Sphäre mit Ebenen, die den Mittelpunkt enthalten, sind, gilt folgender Satz: Satz 2: Zu zwei nichtdiametralen Punkten A, B der Sphäre existiert genau eine SGerade, welche diese beiden Punkte enthält; sind A und B diametral, so gibt es beliebig viele solcher S-Geraden (Abb. 22). Abbildung 22 Wir können nun auch den Abstand zweier Punkte der Sphäre definieren, wobei wir zwischen diametralen und nichtdiametralen Punkten unterscheiden, da nur diese genau einen kürzesten Abstand haben. Definition 5: Es seien A und B zwei nichtdiametrale Punkte der Sphäre. Als sphärischer Abstand |AB| wird die Bogenlänge des kürzeren Bogens des Großkreises durch A und B bezeichnet. Der Abstand zweier diametraler Punkte ist gleich dem halben Umfang eines Großkreises. Der Sphärische Abstand hängt nur vom Radius R und vom Winkel α der Radien der ) ) beiden Punkte ab. Für die Einheitssphäre (R = 1) ist |AB| = a ( a gibt das Bogenmaß von α an). Ansonsten gilt: (1) AB = R × p 180° ) ×a = R ×a . Abbildung 23 Häufig gibt man an Stelle der Bogenlänge auch den zugehörigen Mittelpunktswinkel α an. Nun können wir auch einen sphärischen Kreis definieren: 35 Definition 6: Als sphärischer Kreis wird die Menge aller Punkte der Sphäre bezeichnet, die von einem gegebenen Punkt P der Sphäre den gleichen sphärischen Abstand haben. Dabei ist jeder sphärische Kreis ein ganz gewöhnlicher euklidischer Kreis. Der maximale Radius eines sphärischen Kreises beträgt allerdings 180° und würde in diesem Falle nur aus einem Punkt bestehen (vgl. [Fil93], S. 134). Zu beachten ist weiterhin, dass jeder sphärische Kreis zwei mögliche Mittelpunkte hat. 2.3.2.3 Sphärische Zwei- und Dreiecke Definition 7: Unter dem Winkel α zwischen zwei Großkreisen versteht man den Keilwinkel zwischen den beiden zugehörigen Großkreisebenen (Abb. 24). Dies ist der kleinere der beiden Winkel zwischen den Ebenen ([Aba95], S. 162). Abbildung 24 Der gleiche Winkel befindet sich auch zwischen den Tangenten an die beiden Großkreise, die durch den Schnittpunkt gehen. Wichtig ist bei Maßangaben zu beachten, ob es sich um Strecken oder Winkel handelt, da wie wir gesehen haben auch Längen auf der Sphäre in Grad angegeben werden. Da sich in der sphärischen Geometrie zwei verschiedene Geraden in genau zwei Punkten schneiden, gibt es auf der Kugel Zweiecke. Die zwei Großkreise zerlegen die Kugeloberfläche in 4 Kugelzweiecke, die paarweise kongruent sind. Jedes Zweieck besitzt 2 Ecken, 2 gleiche Seiten (die begrenzenden Halbkreise) und 2 gleiche Winkel. Abbildung 25 Um den Flächeninhalt eines sphärischen Zweiecks zu bestimmen, betrachten wir den Oberflächeninhalt einer Kugel mit dem Radius R und die Tatsache, dass das Verhältnis zwischen dem Flächeninhalts des Zweiecks und dem der Sphäre, wie in [Kug83] auf Seite 11 beschrieben, gleich dem Verhältnis seines Winkelmaß´ und dem eines Vollwinkels (360°) ist. 36 Satz 3: Ein Zweieck mit dem Winkel α und dem Radius R auf der Kugel hat den a a Flächeninhalt F = 4p × R 2 × = p × R2 × 360° 90° Als sphärische Dreiecke werden Teile der Sphäre bezeichnet, die durch Großkreisbögen begrenzt sind. Dabei ist zu beachten, dass mit der Angabe von drei Eckpunkten ein Dreieck noch nicht eindeutig beschrieben werden kann (siehe Abb. 26). Abbildung 26 Im Folgenden betrachten wir daher nur spezielle sphärische Dreiecke, die Eulerschen Dreiecke (vgl. [Fil93], S. 15). Definition 8: Sphärische Dreiecke, deren sämtliche Seiten und Winkel kleiner als 180° sind, heißen eulersche Dreiecke. Die drei Großkreise schneiden sich im Allgemeinen in 3 Paaren von Gegenpunkten (A,A´;B,B´;C,C´). Sie zerlegen die Kugelfläche in 8 Kugeldreiecke, die paarweise punktsymmetrisch zu M sind. Zum Dreieck ABC gehören die 3 Nebendreiecke ABC´, BCA´, CAB´, die 3 Scheiteldreiecke AB´C´, BC´A´, CA´B´ und das Abbildung 27 Gegendreieck A´B´C´. Um den Dreiecksflächeninhalt zu ermitteln, können wir diesen durch geschicktes Abdecken der Kugel mit Zweiecken ausdrücken und eine Formel (vgl. [Wa08], S. 3) herleiten (Abb.27): Halbe Sphäre = Zweieck A'A + Zweieck B'B + Zweieck C'C - 2·Dreieck ABC 2·π·R² = 2·Dreieck ABC = a 90° ×p × R2 + a + b +g 180° b 90° ×p × R2 + g 90° × 2 ×p × R2 - 2 ×p × R2 × p × R 2 - 2·Dreieck ABC 37 Dreieck ABC = a + b + g - 180° 180° ×p × R2 Damit lässt sie folgender Satz aufstellen: Satz 4: Ein Dreieck mit den Winkeln α, β, γ auf der Kugel und dem Radius R hat den Flächeninhalt a + b + g - 180° F= p × R 2 180° Dieser Satz zeigt, dass der Flächeninhalt eines eulerschen Dreiecks nur von der Größe der Innenwinkel des Dreiecks abhängig ist. Da er stets positiv sein muss, ergibt sich folgender Satz über die Innenwinkelsumme sphärischer Dreiecke: Satz 5: Die Innenwinkelsumme in einem Kugeldreieck ist stets größer als 180°. Bemerkungen: · Die Bezeichnungen gleichschenklig, gleichseitig, rechtwinklig, Grundseite, Schenkel, Grundwinkel, Hypotenuse, Kathete gebraucht man auch bei Kugeldreiecken. Misst wenigstens eine Seite 90°, so heißt das Dreieck rechtseitig (vgl. [Kug83], S.13) · Die Aussage von Satz 4 gilt auch für nicht-eulersche Dreiecke, da sich diese in eulersche Dreiecke zerlegen lassen. Aus Satz 4 geht ebenso hervor, dass sich die Innenwinkelsumme eines Dreiecks mit einem sehr kleinen Flächeninhalt nur wenig von 180° unterscheidet. Sehr „kleine“ sphärische Dreiecke ähneln in ihrer Gestalt ebenen Dreiecken, was nebenstehende Abbildung Abbildung 28 verdeutlicht (Abb. 28). Diese Tatsache zeigt sich auch in einer Legende von Gauß, sehr gut dargestellt von Trudeau in [Tru98] auf Seite 174, nach der er im Jahr 1820 im Rahmen eines Projektes zur Kartierung des Staates Hannover das Dreieck Hoher Hagen (bei Göttingen), Brocken (im Harz) und Inselsberg (im Thüringer Wald) vermessen hatte, um zu sehen ob seine Winkelsumme auch wirklich 180° ist. Als Resultat erhielt er eine Winkelsumme, die im Rahmen des experimentellen Messfehlers 180° betrug. 38 Als Maß dafür, wie sehr sich ein sphärisches von einem ebenen Dreieck unterscheidet, bezeichnet man den sphärischen Exzess, der den Überschuss einer Winkelsumme über 180° bezeichnet (vgl. [Ke88], S. 23): Definition 9: Ist DABC ein eulersches Dreieck mit den Innenwinkeln α, β und γ, so heißt die Größe ε:= α+β+γ-180° sphärischer Exzess dieses Dreiecks. Bemerkung: Die Flächeninhaltsformel kann also auch direkt mit dem sphärischen Exzess angegeben werden: F = p × R2 × e 180° 2.3.2.4 Polarität von Punkten und Geraden, Poldreiecke Für die Herleitung wichtiger Sätze der Trigonometrie benötigt man den Begriff des Polardreiecks und des Pols wie es z. B. in [Wa08], S.11 oder [Fil93], S. 20 beschrieben wird. Definition 10: Ein Punkt A und ein Großkreis g der Sphäre heißen polar, falls A auf einer Geraden durch den Mittelpunkt der Abbildung 29 Sphäre liegt, die zu der durch g bestimmten Ebene ε senkrecht ist. Auf der Erdkugel sind beispielsweise der Süd- und der Nordpol polar zum Äquator. Jeder Großkreis besitzt zwei polare Punkte, hier A und A´. Dem Schnittwinkel α zweier Großkreise kann ein Polarbogen zugeordnet werden, wobei jeweils die äußeren Pole der beiden Großkreise durch einen Großkreisbogen a* verbunden werden (vgl. Abb. 30) Abbildung 30 39 Aus einem Dreieck ABC können wir nun auf der anderen Halbsphäre das Polardreieck bestimmen, welches aus den drei Polarbögen a*, b* und c* der Winkel α, β und γ besteht und ebenfalls ein sphärisches Dreieck ist. Wir sagen: Definition 11: Als Polardreieck eines eulerschen Dreiecks ABC wird das Dreieck A*B*C* bezeichnet, dessen Eckpunkte polar zu den Großkreisen sind, auf denen die Seiten des Ausgangsdreiecks ABC liegen und sich in der dem Dreieck ABC gegenüberliegenden Halbsphäre befinden. Wenn wir zu dem Dreieck DA*B*C* das Polardreieck konstruieren, so entsteht als Ergebnis gerade das Ausgangsdreieck DABC. Daher gilt wie in [Fil93], auf S. 21 dargestellt: Abbildung 31 Satz 6: (Dualitätsprinzip der Kugel) Jedes eulersche Dreieck ist das Polardreieck seines Polardreiecks. Bemerkung: Mit Hilfe dieses Satzes kann zu jedem Satz über Seiten und Winkel eines Kugeldreiecks ein „dualer“ Satz aufgestellt werden, in dem die Rollen der Seiten und Winkel vertauscht werden. Alle für Berechnungen am sphärischen Dreieck notwendigen Formeln brauchen daher nur für die Winkel oder für die Seiten hergeleitet werden. Aus obiger Abbildung erkennen wir folgende Beziehungen, die später für die Herleitung des Winkelkosinussatzes nötig sind (vgl. [Kug83], S. 15): Satz 7: Die Seitenlängen a, b und c eines eulerschen Dreiecks DABC ergänzen sich mit den zugehörigen Winkelgrößen a*, b* und g* des zugehörigen Polardreiecks zu jeweils 180°: a + a* = 180°, b + b* = 180°, c + g* = 180°. 40 2.3.2.5 Sätze über Seiten und Winkel von Kugeldreiecken: Falls DABC ein Dreieck und DA’B’C’ das zugehörige Polardreieck ist, so ist nach Satz 6 DABC zugleich das Polardreieck von DA’B’C’. Aus Satz 7 folgt damit wie in [Kug83], S. 15): Satz 7*: Die Winkelgrößen a, b und g eines eulerschen Dreiecks DABC ergänzen sich mit den zugehörigen Seitenlängen a*, b* und c* des zugehörigen Polardreiecks zu jeweils 180°. Aus Satz 5 und 7 ergibt sich sofort folgender Satz über die Seitensumme eulerscher Dreiecke: Satz 8: Die Seitensumme eines jeden eulerschen Dreiecks ist kleiner als 360°. Die folgenden zwei Sätze (vgl. z. B. in [Kug83], S. 16) ergeben sich offensichtlich und sind für spätere Berechnungen wichtig: Satz 9 („Dreiecksungleichung“): Die Summe der Längen zweier Seiten eines eulerschen Dreiecks DABC ist stets größer als die Länge der dritten Seite. Satz 10 („Beziehung größere Seite - größerer Winkel“): In jedem eulerschen Dreieck sind die Längen zweier Seiten und die Maße der jeweils gegenüberliegenden Innenwinkel entweder paarweise gleich oder der längeren Seite liegt der größere Winkel gegenüber. Hieraus folgt wegen Satz 7*: Satz 11: Die Summe zweier Winkel ist kleiner als der um π vermehrte dritte Winkel: α + β < π + γ, β + γ < π + α, α + γ < π + β Dies ergibt sich, da Satz 9 auch im Poldreieck gilt: So folgt etwa aus a* + b* > c* sofort (180° - α) + (180° - β) > 180° - γ, also - α – β > - 180° - γ und damit die Behauptung. 41 Aus der Flächeninhaltsformel erkennt man leicht, dass es auf der Kugel keine ähnlichen Dreiecke geben kann, da der Flächeninhalt eines Dreiecks gerade von den Winkeln abhängt. In der folgenden Tabelle sind die Kongruenzverhältnisse in eulerschen Dreiecken zusammengestellt (vgl. [Kug83], S. 18): Gegebene Dual Kongruenzklasse Dreiecksstücke dazu eindeutig bestimmt? sss www Ja ssw sww Nein sws wsw Ja In nichteulerschen Dreiecken bestimmen ssw und wws noch keine eindeutige Kongruenzklasse (hierauf werde ich in Kapitel 2.3.2.8 genauer eingehen). 2.3.2.6 Das sphärische Dreikant Bei der Untersuchung der Eigenschaften eines sphärischen Dreiecks ΔABC und der Herleitung der trigonometrischen Beziehungen ist es nützlich, sich auf den zugehörigen Dreikant zu beziehen. Hierzu gibt z. B. Filler in Kapitel 1.3. in [Fil93] eine gute Ausführung. Der Dreikant entsteht durch Schnitte entlang der Ebenen, in denen die Seiten des Dreiecks ΔABC liegen. Abbildung 33 Wie in den Abbildungen leicht zu erkennen ist, besteht folgender Zusammenhang: Satz 12: Die Winkelgrößen zwischen den Kanten eines Dreikants entsprechen den Seitenlängen des zugehörigen sphärischen Dreiecks. Satz 13: Die Winkel zwischen den Ebenen des Dreikants sind gleich den Winkeln des zugehörigen sphärischen Dreiecks. 42 Mit Hilfe von Satz 12 lässt sich leicht auch Satz 8 erkennen. Denn sind alle Seiten a, b, c eines sphärischen Dreiecks, beziehungsweise des zugehörigen Dreikants kleiner als π, dann bilden die Seitenflächen des Dreikants bei O eine konvexe Spitze und daher ist die Summe kleiner als ein Vollkreis, also a + b + c < 2π. 2.3.2.7 Sphärische Trigonometrie a) Das rechtwinklige Dreieck So wie bei der Behandlung der ebenen Trigonometrie in Klasse 10, werden wir wie auch Filler in [Fil93], Kapitel 1.3 zunächst die Beziehungen an rechtwinkligen sphärischen Dreiecken untersuchen und die Beziehungen für beliebige (schiefwinklige) sphärische Dreiecke dann anschließend aus diesen herleiten. Dabei werden die Beziehungen zwischen den Seiten und Winkeln eines rechtwinkligen sphärischen Dreiecks ABC mit Hilfe des zugehörigen Dreikants auf die trigonometrischen Beziehungen in geeigneten ebenen Dreiecken zurückgeführt. Dabei besteht ein wichtiger Unterschied zur ebenen Geometrie: Eine Dreiecksseite kann nun auch als Winkel aufgefasst werden. Daher werden auch Seiten als Argumente trigonometrischer Funktionen erscheinen. Abbildung 34 Herleitung der trigonometrischen Beziehungen (nach [Fil93], S. 23): Wir betrachten das Dreieck, dessen Eckpunkte der Punkt A und die Fußpunkte A' und D der Lote von A auf die (euklidischen) Geraden OC bzw. OB sind (siehe Abb.34). 43 Der Winkel Ð(ADA') in diesem Dreieck hat dieselbe Größe wie der Winkel β des sphärischen Dreiecks DABC, denn die Geraden DA und DA’ stehen senkrecht auf der Schnittgeraden OB der Ebenen OAB und OBC. Deshalb ist der Winkel zwischen diesen beiden Geraden so groß wie der Winkel der Ebenen OAB und OBC, der wiederum die Größe des Winkels β des sphärischen Dreiecks DABC angibt. In Abbildung 34 wurden die Ebenen OAB, OAC und ADA' in die Ebene OCB geklappt. Die drei durch das Umklappen dieser Ebenen entstandenen Bilder von A sind A1, A2 und A3. Die Strecken A' A1 und A' A3 sind zwei verschiedene Bilder derselben Strecke A' A und daher gleich lang. Auch die Strecken DA2 und DA3 , (die beide durch Umklappen von DA entstanden sind), sind gleich lang. Es gilt also: (1) A' A3 = A' A1 und (2) DA2 = DA3 . Durch Anwendung der trigonometrischen Formeln für rechtwinklige ebene Dreiecke auf die Dreiecke DA1OA’, DA’OD, DDOA2 und DA3DA’, ergeben sich die Beziehungen: (3) sin a = (6) cos a = (9) sin b = A' D OA' OD OA' , (4) sin b = , (7) cos b = A' A3 DA3 sowie A' A1 OA1 (10) cos b = OA' OA1 = A' D DA3 A' A1 = R OA' R , , (5) sin c = (8) cos c = DA2 OA2 OD OA2 = = DA2 R OD R , , . Neben den Größen a, b, c und b des sphärischen Dreiecks DABC treten in jeder der Gleichungen (1) - (10) noch Stücke der ebenen Dreiecke DA1OA’, DA’OD, DDOA2 und DA3DA’ auf. Da es jedoch unser Ziel ist, zu Beziehungen zwischen den Seitenlängen und Winkelgrößen sphärischer Dreiecke zu gelangen, werden wir im Folgenden aus (1) bis (10) Gleichungen herleiten, in denen nur noch die Stücke des sphärischen Dreiecks DABC auftreten. Zunächst ergibt sich aus (6), (7) und (8): (11) cos a × cos b = OD OA' × OA' R = Aus (2), (4), (5) und (9) folgt: (12) sin b = sin b . sin c OD R = cos c . 44 Wie wir bereits festgestellt haben, treten in der sphärischen Trigonometrie Seiten a und b, sowie die jeweils gegenüberliegenden Innenwinkel α und β völlig „gleichberechtigt“ auf, wodurch alle aufgestellten Beziehungen auch gelten, wenn sie durch zyklische Vertauschung geändert werden (vgl. [Wa08], S.10): Abbildung 35 Damit ergibt sich aus (12): (13) sin a = sin a . sin c (14) cos b × sin a = cos b , (15) cos a × sin b = cos a , (16) cos c = cot a × cot b , (17) sin a = cot b × tan b , (18) sin b = cot a × tan a , (19) cos a = cot c × tan b , (20) cos b = cot c × tan a . Diese Beziehungen können zu einer Regel wie z. B. in [Fil93] zusammengefasst werden (nach John Napier): Satz 14: Nepersche Regel Wir schreiben die Seiten und Winkel des rechtwinkligen Dreiecks in der Reihenfolge, wie sie im Dreieck vorkommen, an einen Kreis. Dabei lassen wir den rechten Winkel aus und ersetzen die Seiten a und b durch 90° – a bzw. 90° − b. Dann gilt: Der Kosinus eines jeden Stückes ist gleich • dem Produkt der Kotangens der anliegenden Stücke • dem Produkt der Sinus der nicht anliegenden Stücke. Abbildung 36 Achtung: Da Seitenlängen und Winkelmaße eulerscher Dreiecke im Intervall ]0, 180°[ liegen, und der Sinus in diesem Intervall jeden Funktionswert zweimal annimmt, ist die 45 Größe eines Stückes durch die Angabe des Sinus noch nicht eindeutig festgelegt! Die Berechnung von arcsin auf dem Taschenrechner ergibt zwar einen Wert zwischen 0 und 90°, dieser Wert kann jedoch falsch sein. Um die Richtigkeit eines Ergebnisses zu überprüfen, kann herangezogen werden, dass in eulerschen Dreiecken größere Seiten größeren Winkeln gegenüberliegen und die Dreiecksungleichung gilt (vgl. [Fil93], S. 25). b) Das schiefwinklige Dreieck Abbildung 37 Zu Herleitung der trigonometrischen Beziehungen an beliebigen Dreiecken, zerlegen wir diese wie Filler auf Seite 27 in [Fil93] in zwei rechtwinklige Teildreiecke und gehen vor wie zuvor: Nach der Neperschen Regel gilt innerhalb des Teildreiecks DADC (1) cos(90°-hc ) = sinhc = sin a × sin b und im Teildreieck DBDC (2) cos(90°-hc ) = sinhc = sin b × sina , woraus sich (3) sin a × sin b = sin b × sina beziehungsweise (4) sin a sin a = sin b sin b Durch zyklische Vertauschung ergibt sich der folgende Satz: Satz 15 (Sinussatz): In einem beliebigen eulerschen Dreieck mit den Seiten a, b, und c sowie den jeweils gegenüberliegenden Innenwinkeln α, β und γ gilt sin a sin b sin c (2.71) . = = sin a sin b sin g 46 Im Folgenden werden die Kosinussätze für eulersche Dreiecke unter den bisherigen Bezeichnungen abgeleitet. Mit Hilfe der Neperschen Regel auf das Teildreick BDC ergibt sich die Beziehung (Herleitung nach [Fil93]): (5) cos a = cos hc × cos(c - q ) , die sich unter Berücksichtigung des Subtraktionstheorems für cos(c - q ) auch in der Form (6) cos a = cos hc × cos c × cos q + cos hc × sin c × sin q schreiben lässt. Im Teildreieck ADC gilt (7) cos b = cos hc × cos q , (8) sin q = cot a × tan hc = (9) sin hc = sina × sin b . cos a sin hc × sowie sin a coshc Aus (8) und (9) folgt (10) cos hc × sin q = sin b × cos a und durch Einsetzen von (7) und (10) in (6) erhalten wir schließlich (11) cos a = cos b × cos c + sin b × sinc × cos a . Wieder können wir durch zyklische Vertauschung analoge Beziehungen für cos b und cos c aufstellen und in folgendem Satz zusammenfassen: Satz 16 (Seitenkosinussatz): In einem beliebigen eulerschen Dreieck mit den Seiten a, b, und c, sowie den jeweils gegenüberliegenden Innenwinkeln α, β und γ gelten die Beziehungen cos a = cos b × cos c + sin b × sinc × cos a , cos b = cos a × cos c + sin a × sin c × cos b und (2.72) (2.73) cos c = cos a × cos b + sin a × sin b × cos g (2.74) Wegen des Dualitätsprinzips der Kugel, also durch Anwendung des Seitenkosinussatzes auf das Polardreieck des betrachteten Dreiecks, folgt analog zum Seitenkosinussatz der Winkelkosinussatz: 47 Satz 17 (Winkelkosinussatz): In einem beliebigen eulerschen Dreieck mit den Seiten a, b und c, sowie den jeweils gegenüberliegenden Innenwinkeln α, β und γ gelten die Beziehungen (2.75) cos a = - cos b × cos g + sin b × sin g × cos a , (2.76) cos b = - cos a × cos g + sina × sin g × cos b und (2.77) cos g = - cos a × cos b + sina × sin b × cos c Die Neperschen Analogien (ebenfalls nach John Napier, 1550 – 1617, `Analogie´ hier im Sinne von Verhältnis), die zum Beispiel in [He05], Kapitel 2.8 angeführt sind, werden verwendet um aus zwei Seiten und dem eingeschlossenen Winkel (oder aus zwei Winkeln und der eingeschlossenen Seite) eines sphärischen Dreiecks die beiden übrigen Winkel (Seiten) zu berechnen. Sie entsprechen dem Tangenssatz der ebenen Geometrie. Satz 18: Sind a und b zwei beliebige Seiten und γ der von ihnen eingeschlossene Winkel eines (eulerschen) sphärischen Dreiecks, so gelten (vgl. ([He05], Seite 39): (2.78) (2.79) a -b ) 2 cot( g ) tan( )= a+b 2 2 cos( ) 2 a -b sin( ) a -b g 2 cot( ) tan( )= a+b 2 2 sin( ) 2 a +b cos( Sind analog α und β zwei beliebige Winkel und c die ihnen gemeinsame Seite eines (eulerschen) sphärischen Dreiecks, so gelten cos( (2.710) (2.711) a -b ) a+b c 2 tan( )= tan( ) a +b 2 2 cos( ) 2 a -b sin( ) a -b c 2 tan( ) tan( )= a +b 2 2 sin( ) 2 48 Zusammenhang mit der Trigonometrie des ebenen Dreiecks Für ein sehr kleines sphärisches Dreieck oder ein sphärisches Dreieck auf einer Kugel mit sehr großem Radius haben wir gesehen, dass sich die Innenwinkelsumme derer eines ebenen Dreiecks annähert. Genauso können zum Beispiel für kleine Teile der Erdoberfläche die Anwendungen des ebenen Sinussatzes und Kosinussatzes für Berechnungen geeignet sein, wie im Folgenden deutlich wird: 1. Wegen lim x ®0 sin x = 1 geht der Sinussatz für sehr kleine Seitenlängen in x den Sinussatz der ebenen Trigonometrie über. Für x = 1° beträgt die Abweichung zwischen x und sin x nur noch 0,005% (vgl. [Fil93], S. 14) 2. Wenn die drei Seiten a, b und c des sphärischen Dreieckes sehr klein werden (die drei Winkel werden dabei nicht klein!), führt uns die Grundidee, die trigonometrischen Funktionen in eine TAYLOR-Reihe zu entwickeln und höhere Glieder wegzulassen, zu folgender Beziehung (vgl. [Wa08], Kap. 3.2.1): Für kleine x gilt: cos(x ) » 1 - x2 und sin (x ) » x , damit erhalten wir aus 2 dem Seiten-Kosinus-Satz cos(c) = cos(a)cos(b) + sin(a)sin(b)cos(γ) die Beziehung: 1- c2 æ a2 ö æ b2 ö » ç1 - ÷÷ × çç1 - ÷÷ + ab × cos(g ) 2 çè 2 ø è 2ø Ausmultiplizieren ergibt: 1Der Summand c2 a2 b2 a2 b2 » 1+ × + ab × cos(g ) 2 2 2 2 2 a2 b2 × ist vom vierten Grad und kann daher weggelassen 2 2 werden. Es folgt: c 2 » a 2 + b 2 - 2ab × cos(g ) , der Kosinussatz der ebenen Geometrie. 49 2.3.2.8 Berechnungen an sphärischen Dreiecken Die trigonometrischen Beziehungen machen es im Allgemeinen möglich, aus drei beliebigen seiner Elemente (Seiten und Winkel) ein sphärisches Dreieck zu berechnen. Bei der Berechnung können, wie z. B. auf Seite 30 in [Fil95] oder Seite 18 in [Kug83] dargestellt, die folgenden Fälle auftreten: 1. Drei Seiten sind gegeben (sss) 2. Zwei Seiten und der eingeschlossene Winkel sind gegeben (sws) 3. Zwei Seiten und ein gegenüberliegender Winkel sind gegeben (ssw) 4. Drei Winkel sind gegeben (www) 5. Zwei Winkel und die dazwischenliegende Seite sind gegeben (wsw) 6. Zwei Winkel und eine gegenüberliegende Seite sind gegeben (wws) Die letzten drei Fälle sind wegen der Beziehungen eines Dreiecks zu seinem Polardreieck auf die ersten drei Fälle zurückzuführen, man sagt, sie sind dual zueinander (siehe Kapitel 2.4). Da die Kosinusfunktionn zwischen 0 und π aufgrund des Vorzeichenwechsels bijektiv ist, ist eine Seitenlänge oder ein Winkelmaß eines Eulerschen Dreiecks durch die Angabe des Kosinus eindeutig bestimmt. Bei Berechnungen an sphärischen Dreiecken ist nach Filler daher die Anwendung eines der beiden Kosinussätze stets der Möglichkeit der Anwendung des Sinussatzes zu bevorzugen. Bei Fall 3 und 6 muss allerdings auf den Sinussatz zurückgegriffen werden, weswegen ein Dreieck in diesen Fällen nicht eindeutig bestimmt ist, wie das nebenstehende Beispiel zeigt. Hier sind die zwei Winkel α und β, sowie eine Seite b gegeben, womit allerdings sowohl das Dreieck AB1C, als auch das Dreieck AB2C möglich sind. Abbildung 38 Allerdings wird auf Seite 198 in [Ag09] eine Möglichkeit angegeben, diese beiden Fälle wie folgt umzuformen, so dass eine Eindeutigkeit gegeben ist: 50 3'. Zwei Seiten und der Gegenwinkel einer Seite, wobei der Gegenwinkel der anderen Seite in beiden der zu vergleichenden Dreiecken spitz oder in beiden Dreiecken stumpf ist, sind gegeben (ssw') 6'. Zwei Winkel und die Gegenseite eines Winkels, wobei die Gegenseite des anderen Winkels in beiden zu vergleichenden Dreiecken kleiner als π/2 oder in beiden Dreiecken größer als π/2 ist, sind gegeben (wws') Zur Berechnung der fehlenden Stücke in jedem der sechs Fälle lassen sich die folgenden Formeln verwenden (nach [He05], Kapitel 2.9): 1. Der Seitenkosinussatz liefert cos(a ) = 2. cos(a) - cos(b) × cos(c) und analog Ausdrücke für β und γ. sin(b) × sin(c) Mit den Formeln (2.78) und (2.79) können die anderen beiden Winkel ermittelt werden. Die restliche Seite erhält man durch den Sinussatz oder den Winkelkosinussatz. 3. Mit dem Sinussatz erhält man den der zweiten gegebenen Seite gegenüberliegenden Winkel. An dieser Stelle ist auf die Mehrdeutigkeit zu achten. Die Neperschen Analogien führen dann zu der fehlenden dritten Seite und dem dritten Winkel. 4. Der Winkelkosinussatz liefert cos(a) = 5. cos(a ) - cos( b ) × cos(g ) und analog Ausdrücke für b und c. sin( b ) × sin(g ) Mit den Formeln (2.710) und (2.711) können die anderen beiden Seiten ermittelt werden. Den restlichen Winkel erhält man durch den Sinussatz oder den Seitenkosinussatz. 6. Mit dem Sinussatz erhält man die dem zweiten gegebenen Winkel gegenüberliegende Seite. An dieser Stelle ist auf Mehrdeutigkeit zu achten. Die Neperschen Analogien führen dann zu der fehlenden dritten Seite und dem dritten Winkel. 51 2.3.3 Anwendungen 2.3.3.1 Regelmäßige sphärische Netze Eine mit der sphärischen Trigonometrie zu bearbeitende interessante Frage ist die Überlegung der Parkettierung einer Kugel mit sphärischen Netzen. Während im Alltag auch häufig Kugeln mit sphärischen Netzen aus unterschiedlichen Vielecken auftreten, – beispielsweise der Fußball - wollen wir nun allerdings nur einfache regelmäßige sphärische Netze betrachten und genauer untersuchen. Die folgenden Ausführungen sind größtenteils der Literatur von [Wa08] entnommen. Für den Flächeninhalt eines sphärischen Dreiecks mit den Winkeln α, β, γ auf der Kugel und dem Radius R galt der Flächeninhalt: F= p × R 2 a + b + g - 180° 180° Im Folgenden wollen wir zur Vereinfachung von der Möglichkeit Gebrauch machen α im Bogenmaß zu schreiben, wir erhalten also: F = R 2 × (a + b + g - 180°) Durch Zerlegen eines sphärischen Vierecks mit den Innenwinkeln a, b, g und d in zwei Dreiecke folgt für den Flächeninhalt des Vierecks F = R 2 × (a + b + g + d - 360°) Für die Berechnung des Flächeninhaltes eines sphärischen n-Eckes mit den Innenwinkeln j i unterteilen wir dieses mit geeigneten Diagonalen in (n-2) sphärische Dreiecke und erhalten dann wie auf Seite 3 in [Wa08] dargestellt die Formel: n Fn- Eck = R 2 (å j i - (n - 2) × p ) i =1 Dabei ist wie gehabt der sphärische Exzess der Überschuss der Winkelsumme des sphärischen n-Eckes über die Winkelsumme des entsprechenden ebenen n-Eckes. In der Ebene gibt es nur drei Typen von Netzen aus kongruenten regelmäßigen Vielecken, aus gleichseitigen Dreiecken, aus Quadraten und aus regelmäßigen Sechsecken (vgl. [Wa08], Abb.39). 52 Abbildung 39 Wie auch bei Dreiecken erkennen wir aus der Flächeninhaltsformel, dass bei allen regelmäßigen sphärischen Vielecken der Innenwinkel größer ist als beim entsprechenden ebenen Vieleck. An den Ecken müssen k Vielecke mit k ≥ 3 zusammenkommen, daher erhalten wir für die Innenwinkel die Bedingung, dass sie 360° messen müssen. Regelmäßige sphärische Sechsecke kommen also nicht mehr in Frage, ebenso regelmäßige sphärische Vielecke mit mehr als sechs Ecken. Im Gegensatz zur Ebene ist hier allerdings ein Netz aus sphärischen Fünfecken möglich. Wir erhalten folgende Fälle (nach [Wa08], Seite 5): 1. Regelmäßige sphärische Dreiecke Für die Innenwinkel α gilt: · 60°< α ≤120° · α muss ein Teiler von 360° sein. Für α bleiben somit die Werte 72°, 90° und 120° übrig. 1.1 Regelmäßige sphärische Dreiecke mit α = 72° An jeder Ecke kommen fünf Dreiecke zusammen. Für den Flächeninhalt eines einzelnen Dreieckes erhalten wir: FD = R 2 (3 × p 2p 1 2 - p ) = R2 = R × 4p 5 5 20 Ein einzelnes Dreieck bedeckt also 1/20 der gesamten Abbildung 40 Kugeloberfläche. Ein solches Dreiecksnetz zeigt Abbildung 40, bei der ein regelmäßiger Ikosaeder von seinem Mittelpunkt aus auf die Umkugel projiziert wurde. 1.2 Regelmäßige sphärische Dreiecke mit α=90° Hier kommen an jeder Ecke vier Dreiecke zusammen. Wir erhalten für den Flächeninhalt: Abbildung 41 53 FD = R 2 (3 × p 2 - p ) = R2 p 2 = 1 2 R 4p 8 Hier bedeckt nun ein einzelnes Dreieck genau ein Achtel der Kugeloberfläche. Anschaulich wird dieses Kugelnetz durch die Zentralprojektion eines Oktaeders auf die Umkugel (Abb. 41). 1.3 Regelmäßige sphärische Dreiecke mit α=120° An jeder Ecke kommen drei Dreiecke zusammen und der Flächeninhalt ergibt sich aus: FD = R 2 (3 × Ein 1 2p - p ) = R 2p = R 2 4p 4 3 Dreieck bedeckt also ein Viertel der gesamten Kugeloberfläche. Die Zentralprojektion eines Tetraeders ergibt das zugehörige Kugelnetz. Abbildung 42 2. Regelmäßige sphärische Vierecke Für die Innenwinkel α muss gelten: · 90°<α £ 120° · α muss ein Teiler von 360° sein Es bleiben für α also nur 120° übrig, woraufhin wir für den Flächeninhalt eines einzelnen Vierecks erhalten: Abbildung 43 FViereck = R 2 (4 2p 2 1 - 2p ) = R 2 p = R 2 4p 3 3 6 Das einzelne Viereck bedeckt also ein Sechstel der Kugeloberfläche. Das Kugelnetz, in dem an jeder Ecke drei regelmäßige sphärische Vierecke zusammentreffen, ist die Zentralprojektion des Würfels auf die Umkugel. 3. Regelmäßige sphärische Fünfecke Für die Innenwinkel α gilt: · 108°<α £ 120° · α muss Teiler von 360° sein Abbildung 44 54 Es bleibt nur α=120° übrig. Wir erhalten für den Flächeninhalt: FFünfeck = R 2 (5 1 1 2p - 3p ) = R 2 p = R 2 4p 3 12 3 Das einzelne Fünfeck bedeckt also ein Zwölftel der Kugeloberfläche und am jeder Ecke stoßen drei regelmäßige Fünfecke zusammen. Die Zentralprojektion des Dodekaeders ist das zugehörige Kugelnetz. Die fünf Platonischen Körper: Mit den oben genannten Fällen regelmäßiger sphärischer Netze sind alle Möglichkeiten erschöpft. Man erhält also gerade die Projektionen der fünf regelmäßigen Polyeder (platonische Körper) auf ihre Umkugel. Dies zeigt auch, dass es nicht noch weitere regelmäßige Polyeder geben kann, denn jeder weitere regelmäßige Polyeder würde durch Zentralprojektion auf die Umkugel zu einem weiteren regelmäßigen Netz auf der Sphäre führen. Abbildung 45 Berechnung der Seitenlängen regelmäßiger sphärischer Vielecke (nach [Wa08], S. 13): Mit Hilfe der sphärischen Trigonometrie können die Seitenlängen regelmäßiger sphärischer Vielecke, hier eines regelmäßigen Fünfecks berechnet werden. 2 3 Ein Innenwinkel misst jeweils p , da an jeder Ecke drei Fünfecke zusammenstoßen. erhält man 10 p . Da die Innenwinkelsumme eines ebenen 3 Abbildung 46 Als Fünfecks 3π entspricht, ergibt sich für den sphärischen Exzess: Innenwinkelsumme 1 10 p - 3p = p . Dies 3 3 ist aber genau ein Zwölftel der Kugeloberfläche der Einheitskugel, es gibt also genau 12 regelmäßige Fünfecke auf der Kugel. 55 Für die Berechnung der Seitenlänge s unterteilt man wie in der ebenen Geometrie das Fünfeck vom Mittelpunkt aus in fünf gleichschenklige sphärische Dreiecke: Man erhält Basiswinkel von Winkel von 2p an 5 der 1 p und einen 3 Spitze des gleichschenkligen Dreiecks. In der Ebene könnte man nun allein mit den Angaben dreier Winkel keine Seite bestimmen, daher Abbildung 47 existiert hier auch kein Winkelkosinussatz. Auf der Sphäre erhalten wir aber durch Einsetzen mit Hilfe des Winkelkosinussatzes: cos( 2p p p p p ) = - cos( ) × cos( ) + sin( ) × sin( ) cos(s) 5 3 3 3 3 Daraus erhält man: s≈0.7297≈41.81° 56 2.3.3.2 Mathematische Geographie Die Verfahren und Sätze der Kugelgeometrie sind in vielen Anwendungen und Aufgaben der Geographie und zur mathematischen Beschreibung der Erdoberfläche von Nutzen. Der folgende Abschnitt bezieht sich hauptsächlich auf [Fil93], [Kug83] und [Aba95]. Die Erde wird hier näherungsweise als Kugel mit dem Radius R=6370 km aufgefasst, der Erdumfang beträgt am Äquator 40008 km. (In besserer Annäherung wird die Erde als Rotationsellipsoid mit einem Äquatorradius von etwa 6378,1 km und einer Entfernung Erdmittelpunkt – Pol von etwa 6356,8 km betrachtet (vgl. [Kug83], Seite 31). Punkte auf der Erdoberfläche werden hier durch die aus der Geographie bekannten Kugelkoordinaten dargestellt. Dabei wird die Lage eines Punktes durch folgende Koordinaten beschrieben: Abbildung 48 Abbildung 49 · den Abstand r (in unserem Fall der Erdradius R=6370 km) der Punkte O (Koordinatenursprung) und P, · das Maß des orientierten Winkels λ zwischen dem positiven Strahl der x-Achse und OP' (P’ ist die Projektion von P auf die x-y-Ebene) sowie · das Maß des orientierten Winkels φ zwischen den Strahlen OP' und OP. Zur Orientierung auf der Erdkugel hat man sie mit einem Gradnetz bestehend aus Breitenkreisen und Meridianen (Längenkreisen) überzogen und zur Festlegung der geographischen Koordinaten eines Punktes A als Grundkreise den Äquator und den Nullmeridian von Greenwich gewählt. Die Punkte der Sphäre werden dann anhand der zwei Koordinaten λ (Längenkoordinate oder kurz Länge) und φ (Breitenkoordinate bzw. Breite) beschrieben. Es 57 ist üblich statt der Vorzeichen „+“ und „-“ die Zusätze N - nördliche Breite, S südliche Breite, W - westliche Länge und O - Östliche Länge zu verwenden. Dabei gilt: -180° < λ £ 180°; -90° £ φ £ 90° Bsp. Berlin: 52,5°N, 13,3°O Die Punkte φ = 90° und φ = -90° werden als Nord- bzw. Südpol bezeichnet. Bewegt man sich am Äquator um einen Längenkreis weiter in westliche oder östliche Richtung legt man also folgende Strecke zurück (vgl. [Kug83], Seite 32): s= 40.008km » 111,1km 360 d.h. 1°=111,1km Da die Länge eines Meridians dem halben Erdumfang entspricht und durch diesen 180 Breitengrade verlaufen, legt man zwischen zwei Breitengraden folgende Strecke zurück: s= 20.004km » 111,1km 180 2.3.3.2.1 Berechnung der Orthodromen und der Kurswinkel Definition 12: Die sphärische Strecke zwischen zwei Punkten A und B der Erdoberfläche wird als Orthodrome (griech. Orthos = gerade, vgl. [Aba95], Seite 176), ihre Länge als orthodrome Entfernung lort zwischen den Punkten A und B bezeichnet ([Fil93], Seite 33). Für die Entfernung zweier Städte auf demselben Längenkreis lässt sich die orthodrome Entfernung ganz einfach wie folgt berechnen: Abbildung 50 Beispiel: Boston: 42,25°N,71°W Santiago: 33,16°S,71°W Der sphärische Abstand beträgt also φ= 42,25° + 33,16° = 75,41°. Um nun die Entfernung der Städte als Strecke zu erhalten, muss man diesen Winkel in das Bogenmaß umrechnen und den Wert anschließend mit dem Radius R der Erdkugel multiplizieren. Es gilt also die Formel: S = p 180° ×f × R 58 Setzt man die Werte ein ergibt sich: S= p 180° × 75,41° × 6370km » 8383km Die Strecke von Boston nach Santiago beträgt also etwa 8.383 km. Will man die orthodrome Entfernung zweier beliebiger Punkte A und B (gegeben durch ihre Koordinaten λa, φa sowie λb, φb) berechnen, so betrachtet man wie in [Fil93], Seite 33 das Poldreieck in Abbildung 51 mit den Eckpunkten A, B und entweder Nord- oder Südpol. Abbildung 51 Nach dem Seitenkosinussatz ergibt sich: cos lort = cos(90° - f A ) cos(90° - fB ) + sin(90° - f A ) sin(90° - fB ) cos(lB - l A ) oder cos l ort = sinf A sinf B + cos f A cos f B cos (l B - l A ) Für die Strecke von Berlin (λ1 = 13,4° O, φ1 = 52,5° N) nach Melbourne (λ2 = 144,7° O, φ2 = 38,5° S) ergibt sich also: cos lort = cos(90° - 52,5°) cos(90° + 38,5°) + sin(90° - 52,5°) sin(90° + 38,5°) cos(144,7° - 13,4°) = -0,808 Mit Hilfe der Umkehrfunktion: lort = 134,9° @ 16000km In der Luft- und Schifffahrt sind auch die Kurswinkel, unter denen eine Strecke zu fahren oder zu fliegen ist, von Interesse (vgl. [Fil93] Seite 34). Sie geben stets den Winkel zwischen der Kompassnadel und der Nordrichtung an, entsprechen also den Winkeln der Orthodromen am Anfangs- und Endpunkt der Strecke. Die Nordrichtung wird daher mit 0°, die Ostrichtung mit 90°, die Südrichtung mit 180° und die Westrichtung mit 270° angegeben. Der Winkel α in Abbildung 51 wird als Anfangskurswinkel, der Winkel β als Endkurswinkel der Reiseroute von A nach B bezeichnet. Wollte man von B aus auf derselben Orthodromen weiterreisen, so müsste man den Anfangskurswinkel 180°- β wählen. Nach dem Seitenkosinussatz ergibt sich für die Kurswinkel: 59 cos a = sin f B - cos lort sin f A sin f A - cos lort sin f B , cos b = sin lort cos f A sin lort cos f B d.h. in unserem konkreten Beispiel: α =87°, β = 51° 2.3.3.2.2 Orthodrome und Loxodrome im Vergleich Bei der Navigation von Punkt A nach B mit einem Kompass ist es schwierig auf einer Orthodromen den Kurs zu halten, da dieser sich ständig ändert. Daher wird bevorzugt, zumindest abschnittsweise auf Strecken mit konstantem Kurswinkel, den sogenannten Loxodromen, zu fahren (vgl. [Fil93], Seite 34 und [Aba95], Seite 188). Definition 13: Als Loxodrome (griech. Loxos = schief, dromos = Weg [Aba95]) werden Linien auf der Erdoberfläche bezeichnet, die alle Meridiane unter dem gleichen Winkel schneiden([Fil93], Seite 34). Auf einer Mercator-Karte (hier wird die Sphäre so in die Ebene abgebildet, dass Winkelmaße erhalten bleiben, siehe Abbildung 52) werden dabei Loxodrome als Geraden (violette Linie) abgebildet. Dadurch ist es für Kapitäne in Luft- und Schifffahrt besonders leicht loxodrome Reiserouten nach diesen Karten zu fahren (vgl. [Kö05]). Abbildung 53 Abbildung 52 Orthodrome haben in der Mercator-Karte offenbar eine ziemlich gekrümmte Form, dabei sind sie von West nach Ost umso stärker gekrümmt je näher sie an die Pole reichen. Würde man auf der violetten Kurve immer weiter fahren, so käme man auf einem spiralförmigen Kurs mit immer enger werdenden "Runden" Abbildung 54 60 irgendwann am Südpol an (siehe Abb. 54), während einen die gelbe Linie nach einer Umrundung der Erde wieder an den Ausgangspunkt zurückbringt. Während Loxodrome hier die vermeintlich kürzere Route darstellen, wird bei der Betrachtung der Routen auf der Erdkugel (Abb. 53) schnell klar, dass die Orthodrome (gelbe Linie) in Wirklichkeit kürzer ist. So werden bei längeren Seefahrten oder Flügen die Orthodrome meist in mehrere Abschnitte zerlegt (vgl. Abb. 55) und die Zwischenpunkte durch Loxodromenabschnitte verbunden, wie in [Aba95], auf Seite 188 ausgeführt wird. Bei einer sehr feinen Aufteilung (mit modernen elektronischen Navigationssystemen) kann die tatsächlich zurückgelegte Strecke der orthodromen Entfernung sehr nah kommen. Abbildung 55 Der Äquator selbst, sowie die Längenkreise, die ja ebenfalls Großkreise sind, werden auf der Mercator-Karte immer als Geraden dargestellt. Haben zwei Orte also die gleiche geographische Länge, so ist die Loxodrome gerade der Großkreisbogen (in diesem Fall Teil des Meridians), auf dem beide Orte liegen. Bei gleicher Breite zweier Orte ist die Loxodrome der Bogen des Breitenkreises (also i. A. ein Kleinkreisbogen) auf dem beide Orte liegen. Zur Berechnung von Länge und Verlauf der Loxodrome beliebiger Punkte werden Hilfsmittel aus der Differentialgeometrie benötigt, die an dieser Stelle nicht betrachtet werden sollen. 61 Auf kurzen Strecken ist eine Loxodrome nur unwesentlich länger als eine Orthodrome. So liegt bei hoher Breite und Entfernungen unterhalb von 30 Längengraden der relative Längenunterschied bei weniger als 1%. Danach steigt er deutlich an. Eine Reise entlang des 50. Breitengrades über 180 Längengrade ist zum Beispiel 45% länger als der Weg über einen Großkreis (vgl. Abbildung 56). Abbildung 56 2.3.3.2.3 Bestimmung des Scheitelpunkts In der Meteorologie ist es oft nützlich den nördlichsten bzw. südlichsten Punkt einer Orthodromen zu bestimmen, den man als Scheitelpunkt PS bezeichnet, falls er innerhalb der Orthodromen liegt (also weder Anfangs- noch Endpunkt ist). Er ist einer der beiden Punkte des betreffenden Großkreises, die einen Meridian im rechten Winkel schneiden (vgl. [Fil93], Seite 35). Zur Berechnung der Koordinaten des Abbildung 57 Scheitelpunkts PS ergibt sich aus der Neperschen Regel: cos fS = cos f1 × sin a und cos(lS - l1 ) = cot fS × tanf1 62 2.2.3.2.4 Die Methode der Funkpeilung Die Funkpeilung ist ein Verfahren, mittels Richtungsbestimmung oder Zeitmessung eines Funksignales die eigene Position oder die Position oder Richtung des Senders zu bestimmen. Dabei wird zur Bestimmung des aktuellen Aufenthaltsortes eines Abbildung 59 Abbildung 58 Schiffes oder Flugzeuges, wie in [Bu02] genauer beschrieben, ein Funksignal des betreffenden Objekts an zwei Orten A und B aufgenommen (auch Fremdpeilung genannt) und anschließend die jeweiligen Winkel δ1 sowie δ2 des Signals zum Meridian des entsprechenden Ortes gemessen. Mit Hilfe von Abbildung 58 lässt sich folgender Lösungsplan nach [Fil93], Seite 236 zur Berechnung der Koordinaten eines Flugzeugs F anhand der Koordinaten der beiden anpeilenden Orte und der Peilungswinkel δ1 und δ2 aufstellen: Zunächst sind die Gleichungen für <(AFB) und AF herzuleiten: cos < ( AFB ) = - cos(a - d 1 ) × cos(b - d 2 ) + sin(a - d 1 ) × sin( b - d 2 ) cos lort cos AF = cos( b - d 2 ) + cos(a - d 1 ) cos < ( AFB ) sin(a - d 1 ) sin < ( AFB ) Daraus ergeben sich dann mit den folgenden Gleichungen die gesuchten Koordinaten: sin f F = sin f1 cos AF + cos f1 sin AF cos d 1 cos(l F - l1 ) = cos AF - sin f F sin f1 cos f F cos f1 63 2.3.3.3 Mathematische Astronomie Die sphärische Geometrie und vor allem Trigonometrie hat zahlreiche Anwendungen in der Astronomie. Die sehr komplexen Zusammenhänge sollen im Folgenden in einer vereinfachten Form dargestellt werden. Der Inhalt bezieht sich dabei hauptsächlich auf [Fil93], [Kug83], [Aba95] und [Sc09]. 2.3.3.3.1 Die Himmelskugel Von jedem Punkt der Erde aus erscheint der Himmel als eine Kugelfläche, in deren Mittelpunkt wir uns befinden. Diese Kugel, auf der die Gestirne angeordnet sind, nennt man wie in der angegebenen Literatur Himmelskugel oder auch Himmelssphäre und nutzt sie um die sphärische Geometrie und Trigonometrie auf astronomische Sachverhalte anwenden zu können. Ihren Radius denkt man sich so unendlich groß, dass die Erde als Mittelpunkt betrachtet werden kann, wobei der Erdradius vernachlässigt wird. In der mathematischen Himmelskunde werden die einzelnen Sterne vom Erdmittelpunkt aus auf die Himmelskugel projiziert, woraufhin die entstandenen Bilder an Stelle der Sterne selbst betrachtet werden. 2.3.3.3.2. Astronomische Koordinatensysteme Diese fiktive Himmelskugel wird nun je nach Bedarf mit unterschiedlichen Koordinatensystemen versehen, um beispielsweise die Position von Objekten auf der Erdoberfläche mit Hilfe von Fixsternen zu bestimmen. Die astronomischen Koordinatensysteme werden dabei nach Lage der Bezugsebene benannt (z.B. Horizontal-, Äquatorial-, Ekliptikal- oder Galaktische Koordinaten, vgl. [Sc09], Seite 44ff.). Wir werden im Folgenden das vom Standort des Beobachters abhängige Horizontalsystem und zwei Äquatorsysteme, von denen eines beobachterunabhängig ist, betrachten. Andere Koordinatensysteme werden in [Sc09] genauer ausgeführt. Das Horizontalsystem Als Bezugsebene dient hier der Horizont des jeweiligen Beobachters, also der Schnittkreis der Tangentialebene an die Erdkugel im Standpunkt des Beobachters B. Die Pole des Horizonts sind der Zenit Z senkrecht über dem Beobachter und der Nadir Na als Gegenpunkt des Zenits. Die Koordinaten eines Gestirns G vom Horizont aus sind die Höhe h und das Azimut a. Dabei wird die Höhe h vom Horizont nach 64 oben positiv (entsprechend der Breitenkoordinate φ im geographischen Kugelkoordinatensystem), nach unten negativ gerechnet (vgl. [Kug83], Seite 40). Weiterhin bezeichnet man die Schnittpunkte der verlängerten Erdachse, also die Gerade durch Nord- und Südpol, mit der Himmelskugel als Himmelsnordpol N und Himmelssüdpol S. Der Himmelsnordpol ist leicht zu finden, da der Polarstern fast genau am Himmelsnordpol steht, in [Aba95] wird die genaue Position mit Hilfe von Sternbildern beschrieben. Der Großkreis durch Z, Na, N, S heißt Ortsmeridian des Beobachters, die dabei entstehenden Schnittpunkte mit dem Horizont bezeichnen wir mit HN und HS (vgl. [Fil93], Kapitel 1.5). Der Azimut a tritt im Punkt Z als Winkel zwischen dem Ortsmeridian und dem Großkreis durch das Gestirn G und Z auf (entsprechend der Längenkoordinate λ in einem gewöhnlichen Kugelkoordinatensystem). Abbildung 60 Abbildung 61 Die Höhe des sichtbaren Pols, die Polhöhe, hängt von der geographischen Breite des Beobachtungsortes ab. Aus Abbildung 61 erkennt man sogar, dass die Polhöhe gleich der geographischen Breite ist, wodurch man auf See mit einem einfachen Verfahren die geographische Breite bestimmen kann (vgl. [Aba95], Seite 159). Der Himmelsnordpol ist nämlich leicht zu finden, da er sich in unmittelbarer Nähe des Polarsterns befindet. Die Äquatorsysteme Die Äquatorsysteme entsprechen einer Projektion des Gradnetzes der Erde auf die Himmelskugel. Die Bezugsebene beider Systeme ist, wie in [Fil93] auf Seite 38 beschrieben, der Himmelsäquator, der beobachterunabhängig ist. Die Pole des 65 Himmelsäquators sind, wie vorher, die Punkte N und S (Himmelsnord- und Himmelssüdpol). Dabei unterscheidet man wie zum Beispiel in [Sc09] auf Seite 45 ff. ausgeführt, zwei verschiedene Systeme: · Im ersten ortsfesten Äquatorsystem, dem Stundenwinkelsystem, werden die Koordinaten eines Gestirns mit der Deklination δ und dem Stundenwinkel t angegeben. Die Höhenkoordinate δ gibt dabei den sphärischen Abstand eines Gestirns zum Äquator an (sie wird vom Äquator aus gegen N positiv, gegen S negativ gerechnet), t bezeichnet den Winkel zwischen dem oben betrachteten Ortsmeridian und dem Großkreis durch die Pole N, S und G. Die Schnittpunkte des Ortsmeridians mit dem Äquator bezeichnen wir hier wie Filler in [Fil93] mit AN und AS, den Fußpunkt des (sphärischen) Lotes von G auf den Äquator mit A. Dieses in Abbildung 60 dargestellte ortsabhängige Koordinatensystem wird laut der Literatur von [Vl00] für die Einstellung von Teleskopen auf äquatorialen Montierungen verwendet. · Mit dem zweiten bewegten Äquatorsystem, dem Rektaszensionssystem, wird ein vom Standpunkt des Beobachters völlig unabhängiges Koordinatensystem geschaffen, welches besonders zu allgemeingültigen Messungen für astronomische bzw. nautische Jahrbücher verwendet wird (vgl. [Sc09] und [Fil93]). Der beobachterabhängige Stundenwinkel t wird hier durch die Rektaszension α ersetzt (Abbildung 60), die den Winkel zwischen den Meridianen des Gestirns G und des Frühlingspunktes F beschreibt. Dieser feste Bezugspunkt ist der Schnittpunkt des Himmelsäquators mit der Ebene der (scheinbaren) jährlichen Sonnenbahn am Himmel, in dem diese sich zum astronomischen Frühlingsanfang befindet (vgl. auch [He05]). Der Winkel α wird vom Frühlingspunkt aus gegen den Uhrzeigersinn gezählt. Weiterhin wird auch hier die Deklination δ verwendet. 2.3.3.3.3 Zeitmessung Der Stundenwinkel t wird von AS aus im Sinne der täglichen Drehung der Himmelskugel, also im Uhrzeigersinn von 0° bis 360° gezählt (vgl. [Kug83], Seite 40). Da er aber für den Beobachter von der Erddrehung und somit von der Zeit der 66 Messung abhängt, wird er, wie in [Kug83] erläutert, im Zeitmaß von 0h bis 24h angegeben, wobei folgende Beziehung gilt: Zeitmaß Winkelmaß 24h(Tag) = 360° 1h(Stunde) = 15° (Bogengrad) 1min(Zeitminute) = 15' (Bogenminuten) 1s(Zeitsekunde) = 15'' (Bogensekunden) Filler geht in [Fil93] auf einige der folgenden Begriffe wie Zirkumpolarstern, Tagund Nachtbogen oder Kulmination nicht mehr ein, da sie für eine konkrete Berechnung am nautischen Dreieck nicht notwendig sind. Die in [Vl00], [Kug83] sowie [Sc09] genauer erläuterten Begriffe verdeutlichen aber nur zu gut die räumliche Darstellung der Kugel. Bestimmte Sterne scheinen sich im Lauf einer Nacht auf Kreisbahnen um die Himmelsachse zu bewegen, was eigentlich eine Widerspiegelung der täglichen Drehung der Erde um ihre eigene Achse ist. Die Zeit, die ein Stern für einen vollständigen Umlauf benötigt, bezeichnet man als Sterntag. Dabei sind die Kreisbahnen parallel zum Himmelsäquator (entsprechen also Abbildung 62 den Breitenkreisen der Erdoberfläche). Der Bogen der Kreisbahn über dem Horizont heißt Tagbogen, der unter ihm Nachtbogen. Ein Gestirn, dessen Kreisbahn einen genügend kleinen Radius hat und sich damit vollständig oberhalb der Horizontlinie befindet, nennt man Zirkumpolarstern. Der höchste Punkt des Tagbogens eines Gestirns wird auch als obere Kulmination KO (d.h. t = 0), der tiefste als untere Kulmination KU (d.h. t = 12h) bezeichnet (vgl. [Kl05]). Abbildung 63 67 Die beiden Äquatorsysteme sind über die Sternzeit tF miteinander gekoppelt, wobei die Sternzeit dem Winkel zwischen Ortsmeridian und dem Meridian des Frühlingspunktes, also dem Stundenwinkel des Frühlingspunktes entspricht und durch oben genanntes Zeitmaß berechnet wird. Dabei gilt, wie in [Sc09] und auch [Fil93] dargestellt: (1) Sternzeit tF = Rektaszension α + Stundenwinkel t Geht beispielsweise für einen Beobachtungsort der Frühlingspunkt durch den Meridian, so ist es 0 Uhr Sternzeit. Umgekehrt lässt sich daraus ableiten: Geht ein Gestirn durch den Ortsmeridian, so hat es einen Stundenwinkel von t = 0h (oder 0°). Seine Rektaszension entspricht dann der Sternzeit. Die Differenz der Sternzeiten zweier Orte entspricht so der Differenz ihrer geographischen Längen (vgl. Fil93], Seite 40). Aus den Bezeichnungen ergeben sich folgende möglichen Übungsaufgaben (ausgewählt aus [Kug83]): · Welche Kulminationshöhe erreicht der Stern Atair (δ = +8°52`) in Stuttgart (φ = 48°47`)? →Lösung: hO= 90°- + δ = 50°5` · Die obere und untere Kulminationshöhe eines Zirkumpolarsterns sind ho=75,3° und hu=15,9°. Was ist die geographische Breite des Beobachtungsortes? →Lösung: φ = ½ (hO + hU) = 45,6° · Wie groß ist die Deklination eines Gestirns, wenn Tag- und Nachtbogen gleich sind (der Tagbogen größer ist als der Nachtbogen)? →Lösung: δ = 0° (δ > 0°) 2.3.3.3.4 Ortsbestimmung mit Hilfe des nautischen Dreiecks Beziehungen zwischen den Koordinatensystemen Für zahlreiche Anwendungen ist es notwendig die Koordinaten eines Systems in das andere umzurechnen. Eine Reihe von Beziehungen zwischen dem Horizontalsystem und dem Äquatorsystem können mit Hilfe des Meridianschnitts (vgl. [Kl05]) in Abbildung 64 dargestellt werden: 68 φ = Polhöhe (geographische Breite) 90° - φ = Äquatorhöhe (Äquatorkulm) δ = Deklination (Winkel Äquator – Stern) Abbildung 64 Bei der Vereinigung von Horizontal- und den beiden Äquatorsystemen schneiden sich der Horizont und der Äquator im Ostpunkt O und im Westpunkt W. Wir erhalten also insgesamt sechs Koordinaten (Filler lässt in seiner Auflistung auf Seite 39 in [Fil93] die geographische Breite φ weg, vgl. auch [Sc09] und [Kl05]): Ortsabhängig: Wertebereich · Höhe: h = |HG| -90° ≤ h ≤ 90° (Horizont = 0°) · Azimut: a = |HHN| 0 ≤ a ≤ 360° (Ortsmeridian HN =0°) · Stundenwinkel: t = |ASA| 0h≤ t ≤ 24h · Geographische Breite (Polhöhe): -90°≤ φ ≤ 90° (Äquator = 0°) (AS = 0h) φ = |HNN| Ortsunabhängig: · Deklination: δ = |AG| -90° ≤ δ ≤ 90° (Äquator = 0°) · Rektaszension α = |AF| 0h ≤ α ≤ 24h (Frühlingspunkt F = 0h) Bei Bezeichnungen ist nach [Fil93] zu beachten, dass die Koordinaten von Himmelskörpern zur Übersicht oft mit bestimmten astrologischen Zeichen indiziert werden, wie zum Beispiel δ#, t# für die Koordinaten eines Fixsterns und δΘ, tΘ für die Koordinaten der Sonne. Als Spezialfall von (1) ergibt sich die Sonnenzeit, die man angenähert auch als tF = αΘ + tΘ angeben kann, mit der Rektaszension αΘ der Sonne (die nautischen Jahrbüchern entnommen werden kann) und ihrem beobachterabhängigen Stundenwinkel tΘ (vgl. [Fil93], Seite 40). Der wahre Sonnentag, also die Zeit für einen vollständigen Umlauf 69 der Sonne um die Himmelsachse, ist zwar etwas länger als der Sterntag (Er umfasst nach [Sc09] 23h56m und 4,091s mittlere Sonnenzeit), aber man rechnet hier mit angenäherten Werten. Der Zeitunterschied eines Ortes zur mittleren Greenwich-Zeit (MGZ) ergibt sich, wie in [Fil93] ausgeführt, aus der Differenz MGZ - tΘ und entspricht der geographischen Länge λ eines Ortes. Das nautische Dreieck Für Berechnungen, wie beispielsweise die Bestimmung der Koordinaten des eigenen Aufenthaltsortes mit Hilfe von Fixsternen, betrachtet man das nautische Dreieck (Abb. 65) mit den Eckpunkten Z (Zenit), N (Himmelspol) und G (Gestirn), dessen Name wegen seiner großen Bedeutung für die Seefahrt entstand (vgl. [Fil93], Seite 41 und [Kug83], Seite 43). Abbildung 65 Sind von den 6 Größen φ, a, h, δ, t, α wenigstens drei gegeben, so lassen sich die übrigen unter Anwendung der sphärischen Trigonometrie und des nautischen Dreiecks berechnen. Hierbei ergeben sich folgende Anwendungen (zusammengestellt aus der Literatur von [Fil93], [Kug83], [Kl05] und [Sc09]): A: Umrechnungen vom (ortsfesten) Äquator- ins Horizontalsystem Gegeben: φ, δ und t Gesucht: a und h Lösungsweg: Mit Hilfe des Seitenkosinussatzes ergibt sich: cos(90° - h) = cos(90° - j ) × cos(90° - d ) + sin(90° - j ) × sin(90° - d ) cos(t ) (2) Also: sin(h) = sin(f ) × sin(d ) + cos(f ) × cos(d ) cos(t ) 70 Mit Hilfe des Sinussatzes ergibt sich: sin(a) sin(90° - d ) = sin(t ) sin(90° - h) (3) Also: sin(a) = cos(d ) × sin(t ) cos(h) Beispiel: Wie hoch und in welcher Richtung a steht Atair (δ = +8,9°) in Tübingen (φ = 48,5°) wenn sein Stundenwinkel 21h 30 min ist? →Lösung: h =39,44°; a = 128,86° B: Umrechnungen vom Horizontal- ins (ortsfeste)Äquatorsystem Gegeben: φ, a und h Gesucht: δ und t Lösungsweg: Mit Hilfe des Seitenkosinus- und Sinussatzes ergibt sich wie oben: (4) sin(d ) = - cos(h) × cos(a) × cos(j ) + sin(h) × sin(j ) (5) sin(t ) = sin(a) × cos(h) cos(d ) Beispiel: In Berlin (φ = 52°30‘) wird die Sonne in Richtung a = 115° 45´in Höhe h = 35°20´ beobachtet. Wie viele Stunden vor der Kulmination fand die Beobachtung statt und wie groß war δΘ? →Lösung: t = 3h 16 min 59 s = 49,25°; δ = + 14,07° C: Berechnungen der geographischen Breite (Koordinaten des Beobachters) Gegeben: δ# und α# (z.B. aus einem Sternenatlas), a# und h# (durch Messung), αΘ (datumsabhängig, aus nautischen Jahrbüchern) Gesucht: φ (Lage des Beobachters) Lösungsweg: Nach dem Sinussatz gilt: sin(t # ) = sin(a# ) × cos(h# ) cos(d # ) 71 Mit Hilfe des Seiten- und Winkelkosinussatzes ergibt sich: (6) sin(f ) = sin(d # ) × sin(h# ) - cos(d # ) × cos(h# ) × cos(t # ) × cos(a # ) 1 - cos(d # ) × cos(h# ) × sin(t # ) × sin(a # ) Die Berechnung der geographischen Länge λ des Beobachters (die ja gleich MGZ – tΘ ist) ergibt sich wie folgt: Aus tF = αΘ + tΘ = α# + t# folgt (7) t Θ = α # + t # - αΘ Beispiel: Ein Beobachter misst für den Atair (α# = 19h 48 min, δ# = 8,73°) unter dem Azimut 139,2° die Höhe 56,7°. Seine auf MGZ eingestellte Uhr zeigt dabei die Zeit 20:53 an. Die Rektaszension der Sonne beträgt 12h 35 min. Gesucht sind die Koordinaten des Beobachters. Lösung: Mittels (5) und (6) ergibt sich φ = 35,7° und t # = 21,2°, was t# = 1h 25 min entspricht. Wegen (7) ist tΘ = 8h 38 min und der Zeitunterschied zwischen dem betrachteten Ort und Greenwich (MGZ - tΘ) beträgt 12h 15 min. Dem entspricht eine geographische Länge von 183,5° westlich bzw. 176,5° östlich von Greenwich. Der Beobachter befindet sich also auf 35,7° nördlicher Breite und 176,5° östlicher Länge. Zahlreiche weitere Anwendungen zur astronomischen Ortsbestimmung oder Koordinatentransformation sind außerdem in [Sc09] beschrieben. Hier wird zum Beispiel auf Seite 54 auch erklärt, wie heute mittels GPS-System (Global Positioning System) geographische Koordinaten eines Standorts schneller und einfacher abgeleitet werden können. 72 Teil 3 Behandlung nichteuklidischer Geometrie im gymnasialen Mathematikunterricht 3.1 Entwicklung und Verbreitung nichteuklidischer Geometrie in der Schule Für die Behandlung der sphärischen Geometrie und Trigonometrie im Schulunterricht kann, wie Christl in [Chr98] berichtet, auf reiche Erfahrungen zurückgegriffen werden. Seit Ende des 18. Jahrhunderts war die sphärische Geometrie in Deutschland Unterrichtsstoff an Gymnasien und höheren Bürgerschulen. Inhalte waren dabei meist Klein- und Großkreise, die Fläche eines Kugeldreiecks und Berechnungen an rechtwinkligen und allgemeinen Kugeldreiecken, sowie Übungsaufgaben in der mathematischen Erdkunde und der Himmelskunde (vgl. [Chr98]). Filler berichtet in [Fil95], dass noch in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts diese Themen zu den festen Bestandteilen des Mathematikunterrichts in Deutschland gehörten. In den 50er Jahren fiel die sphärische Geometrie dann Neuerungsbestrebungen in den Lehrplänen der Gymnasien zum Opfer, die eine Ausweitung der Analysis, der linearen Algebra und die Behandlung moderner und als universeller angesehene Themen wie die Wahrscheinlichkeitstheorie oder Statistik vorsahen (vgl. [Fil95]). Karlhorst Meyer schreibt hierzu in seiner Kritik am „Ausdünnen“ der Gymnasialmathematik seit den 50ern in [Me07]: „Sphärische Trigonometrie war umfassendes Thema; sie wurde abgeschafft, gerade als die Weltraumfahrt aufkam. Welch ein Irrsinn!“ Mit Einführung der Taschenrechner und der zunehmenden Bedeutung von anwendungsorientiertem Unterricht wurde in den 80er Jahren die sphärische Geometrie in vielen Ländern wieder neu entdeckt (vgl. [Fil95]). Heute findet man in einigen Bundesländern das Gebiet meist in vom Lehrplan vorgesehenen Profil- oder Wahlpflichtkursen wieder. So war sie beispielsweise im bayrischen Lehrplan von 1990 an einem mathematisch-naturwissenschaftlichem Gymnasium ein mögliches Wahlpflichtgebiet in der 11. Klasse. Vorgesehen war ein Umfang von 28 Stunden für die Behandlung der Grundlagen der Geometrie auf der Kugel und der Berechnungen im Kugeldreieck und weiteren 28 Stunden für die Behandlung der sphärischen Trigonometrie und ihren Anwendungen auf der Erd- und Himmelskugel (vgl. [Ba90]). 73 Auch im Berliner Rahmenplan ([Ra06]) für den Mathematikunterricht der Sekundarstufe II bietet das zweite Kurshalbjahr in Zusatzkursen, „in denen die Schülerinnen und Schüler ihre in den jeweiligen Grund- oder Leistungskursen erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten vertiefen und erweitern“, die Möglichkeit der Behandlung eines frei wählbaren Gebiet mit einem Umfang von 15 Stunden. Dabei sollen die Unterrichtsinhalte für einen großen Gestaltungsspielraum so „global“ angegeben werden, dass möglichst viele eigene Ideen und Konzeptionen mit einfließen können ([Ra06]). Unter den möglichen Gebieten findet sich sowohl ein Zusatzkurs Inzidenzgeometrie mit der Behandlung von Axiomatik und Modellen, als auch ein Kurs zur nichteuklidischen Geometrie. Statt der sphärischen Geometrie wird hier aber die Behandlung der hyperbolischen Geometrie, möglicher Modelle, Konstruktionsaufgaben und geometrischer Zusammenhänge zwischen euklidischer und hyperbolischer Geometrie vorgeschlagen. Im Allgemeinen ist diese Themenwahl aber kaum in den Bildungslehrplänen für Mathematik vorzufinden. Während die axiomatische Methode mit den „Elementen“ des Euklid (siehe Kapitel 2.1) bis zum Beginn dieses Jahrhunderts als besonderes Muster an Klarheit dem Unterricht als Ideal vorschwebte (vgl. [Vo69]), ist man heute allgemein der Meinung, dass es unsinnig ist in der Schule „global“ Axiomatik zu betreiben: „Wissenschaftlich unterrichten kann nur heißen, den Menschen dahin bringen, dass er wissenschaftlich denkt, keineswegs aber ihm von Anfang an mit einer kalten wissenschaftlich aufgeputzten Systematik ins Gesicht springen.“(Felix Klein in [Kl24], S. 290) Ein ebenso verdrängtes Themengebiet aus dem Unterricht ist insbesondere auch die nichteuklidische Geometrie mit der Behandlung der hyperbolischen Geometrie. Im Rahmen einer Staatsexamensarbeit von 1979 untersucht Schweers in [Sch79] die geschichtliche Entwicklung der „nichteuklidischen Geometrie im Hinblick auf den Geometrieunterricht“ und spricht von einem „zu Unrecht“ verdrängten Themenkomplex. In einer Schulbuchanalyse vergleicht er die zu gegebenem Zeitpunkt beiden einzigen Arbeitshefte zu nichteuklidischer Geometrie, „Nichteuklidische Geometrie“ von H. Meschkowski und „Hyperbolische Geometrie“ von H. Zeitler ([Ze70]) und kritisiert in beiden Fällen ihre stark theoretischen und wenig schülerfreundlichen Ausführungen ([Sch79], S. 98): „(…)die Ankündigung, sich mit dem Wesen der Geometrie überhaupt auseinanderzusetzen, wird mit einem Hinweis auf angeführte Literatur erledigt“, (…) „Im Vorwort des 74 Arbeitsheftes von Zeitler heißt es: `Die Schüler sollen das Gefühl haben, Forscher zu sein. (…)So könnte man vielleicht erreichen, daß die Schüler die Mathematik wirklich erleben, und zwar nicht als starres Instrument, sondern als lebendigen Organismus.´ ([Ze70]) Die Aktivität des Schülers muss sich jedoch bei der Arbeit mit dem Lehrbuch auf Nachvollziehen der vorgesetzten Theorie oder die Durchführung übergangener Beweise beschränken.“ Besonders deutlich werden in seiner Arbeit aber die großen Schwierigkeiten, die sich bei einer Behandlung nichteuklidischer Geometrie in einem angemessenen Zeitrahmen und Niveau ergeben. Vielleicht ist dies ein Grund für die Tatsache, dass das die Behandlung der nichteuklidischen Geometrie fast ausschließlich an gesonderten Projekttagen für Schüler oder Schülerakademien durchgeführt wird. Ein Beispiel hierfür ist die Schülerakademie Schelklingen 2000 mit dem Thema „Konforme Abbildungen und nichteuklidische Geometrie“ (http:// www.schelklingen2000.werner-knoben.de/) oder der mathematische Samstag zu nichteuklidischer Geometrie des Söderblom-Gymnasiums Espelkamp (http:// www.soedernet.de/math/1samstage/01/inhalt11.html). 3.2 Begründung des Themas als Unterrichtsreihe Seit der landesweiten Umstellung in Baden-Württemberg sowie in einigen anderen Bundesländern von G9 auf G8 für alle Gymnasien, fielen zahlreiche Unterrichtsgebiete im Fach Mathematik den Kürzungen des Bildungsplans zum Opfer, was eine landesweite Diskussion anregte. Trotz der von vielen beklagten Stofffülle durch eine verkürzte Schulzeit sprechen viele Argumente dennoch für eine Behandlung der nichteuklidischen Geometrie im gymnasialen Mathematikunterricht, insbesondere in Schulen mit mathematisch-naturwissenschaftlicher Ausrichtung. Im folgenden Teil werden diese Argumente bei gleichzeitiger Betrachtung des Bildungsplans von Baden-Württemberg für Mathematik [Bil04] angeführt. 3.2.1 Einbettung in den Bildungsplan für Mathematik an Gymnasien in BW Die Bildungsstandards [Bil04] der verschiedenen Länder legen fest, welche fachlichen, personalen, sozialen und methodischen Kompetenzen die Schüler am Ende einer bestimmten Klassenstufe erlernt haben sollen. Dabei werden zwei Dimensionen fachlicher Kompetenzen unterschieden: die inhaltsbezogenen und die 75 prozessbezogenen Kompetenzen. Die Strukturierung der geforderten inhaltlichen Kompetenzen für die einzelnen Klassenstufen erfolgt hierbei anhand der neun Leitideen: Zahl, Algorithmus, Variable, Messen, Raum und Form, funktionaler Zusammenhang, Daten und Zufall, Vernetzung und Modellieren. Neben einem verständnisorientierten Umgang mit Mathematik durch diese Leitideen und ihre Vernetzung soll der Mathematikunterricht auch einen Beitrag zur Gewinnung überfachlicher oder prozessbezogener Kompetenzen leisten. Angepasst an die jeweilige Entwicklungsstufe der Schüler werden diese überfachlichen Kompetenzen für alle Klassen des Gymnasiums in [Bil04] unter den Oberbegriffen Lernen, Begründen, Problemlösen und Kommunizieren angeführt. Diese allgemeinen Lernziele bauen stark auf den NCTM-Standards (National Council of Teachers of Mathematics, USA) Problemlösen, Begründen und Beweisen, Kommunizieren, Verbindungen (Vernetzen, Anwenden, Begriffsbilden) (Darstellen und Modellieren) auf, die Einfluss auf und Repräsentieren die Diskussion um die Entwicklung der Bildungsstandards in Deutschland hatten (vgl. [Bar07], S. 30 und [Fil09]). Wie im Folgenden deutlich werden soll, fördert die Behandlung der nichteuklidischen Geometrie die Entwicklung dieser prozessorientierten Kompetenzen in besonderem Maße. Eine der drei Grunderfahrungen, durch die nach Heinrich Winter in [Wi95], Seite 37 -46 Mathematikunterricht gekennzeichnet ist, ist die Fähigkeit „Erscheinungen der Welt um uns, die uns alle angehen oder angehen sollten, aus Natur, Gesellschaft und Kultur, in einer spezifischen Art wahrzunehmen und zu verstehen“. Gerade für diese Grunderfahrung stellt die Behandlung der nichteuklidischen Geometrie ein hervorragendes Potential an Möglichkeiten bereit, die die Schüler erkennen lassen „welche Rolle Mathematik in der Welt einnimmt“(aus [Bar07]). Das Potential der nichteuklidischen Geometrie deckt bezüglich der inhaltsbezogenen Kompetenzen besonders die Leitideen Messen, Raum und Form, Vernetzung und Modellieren ab. Auf die speziell nach einer Klassenstufe gerichteten Inhalte möchte ich nach einer Betrachtung der Unterrichtsvoraussetzungen an späterer Stelle genauer eingehen. Im Folgenden sollen nun besonders die prozessorientierten fachlichen, sozialen und personalen Kompetenzen analysiert und zusammengestellt werden. 76 3.2.2 Fachliche Kompetenzen · Modellieren und Darstellen Ein wesentliches Ziel des Mathematikunterrichts am Gymnasium besteht nach Freudenthal (vgl. [Fr73]) darin, die Schüler zum Anwenden von Mathematik zu befähigen. Anwendungsorientierung im Mathematikunterricht sollte dabei nicht auf ein Vorführen von Standardanwendungen beschränkt sein, sondern ein bewusstes Arbeiten mit und Erarbeiten von Modellen beinhalten. Die sphärische Geometrie entstand als Modell der Realität, aus der Notwendigkeit heraus für größere Teile der Erdoberfläche Berechnungen auszuführen (vgl. [Fil95]). Da die den Schülern vertraute ebene Geometrie und Trigonometrie nur unbefriedigende Ergebnisse liefert, können die Schüler anhand der sphärischen Geometrie erkennen, wie aus praktischen Erfordernissen heraus mathematische Modelle zur Beschreibung der Realität entwickelt werden. Sie ermöglicht also das Erkennen der Nützlichkeit der Mathematik zur Beschreibung realer Gegebenheiten. Empirische Untersuchungen (vgl. [Sj00], S. 618 – 621) zeigen, dass viele Schüler im Laufe ihrer Schuljahre überhaupt keine Vorstellung von der Bedeutung der Modelle für Theorien entwickelt haben. Vor allem durch das Erkunden eines Modells der hyperbolischen Geometrie wird den Schülern nun deutlich gemacht, was genau ein anschauliches Modell für eine abstrakte Theorie ausmacht und woraus es besteht. · Vernetzen, Anwenden, Begriffe bilden Modellbildung ist dabei eng verbunden mit dem Verständnis mathematischer Begriffe, deren unterschiedliche Interpretation ja gerade Modelle ausmachen (siehe auch Kapitel 2.1.5 und [Tru98]). Auch hier leisten sowohl die sphärische als auch die hyperbolische Geometrie einen Beitrag zu einem abstrakteren verallgemeinerten Verständnis mathematischer Begriffe, da in ihnen grundlegende geometrische Begriffe wie Strecke, Gerade, Abstand, Dreieck u.a. aus nachvollziehbaren praktischen Gründen anders interpretiert werden, ihre Wesenseigenschaften aber beibehalten. Durch einen Vergleich der Grundeigenschaften der nichteuklidischen und ebenen Geometrie erlangen die Schüler ein allgemeines Begriffsverständnis (siehe auch der Punkt „gleichartige Strukturen erkennen, verallgemeinern und spezialisieren“ in [Bil04]) und werden 77 an die Grundlagen des geometrischen Axiomatik herangeführt. Sjuts erklärt in [Sj00] diesbezüglich, dass viele Schüler nicht nur Schwierigkeiten haben, Sätze und Definitionen richtig zu formulieren, sondern sogar bereits Probleme haben die beiden Begriffe zu unterscheiden. Durch eine Betrachtung des axiomatischen Aufbaus der Geometrie werden die Schüler mit dem allgemeinen Schema eines axiomatischen Systems, aufbauend auf Grundbegriffen, Definitionen, Axiomen und Sätzen vertraut gemacht und können dieses Schema in viele andere Bereiche der Mathematik übertragen. · Begründen und Beweisen Diese axiomatische Methode, die laut Freudenthal (vgl. [Fr73]) der modernen Mathematik ihren Charakter verliehen hat, leistet gleichzeitig aber einen wichtigen Beitrag im Erlernen einer Beweisführung, im Argumentieren und Deduzieren. Durch die Betrachtung der Entstehung der euklidischen Geometrie, angefangen mit der Definition eines Punktes, über die Aufstellung der Axiome, bis hin zum Beweisen erster Sätze, lernen die Schüler Beweise als eine logische Schrittfolge kennen, wobei jeder Schritt seinerseits durch Axiome, logische Grundregeln oder bereits bewiesene Sätze zu legitimieren ist. Doch neben der Fähigkeit Beweismethoden zu kennen, gezielt auszuwählen und anzuwenden (vgl. hierzu [Bil04]) sollten die Schüler zu einem rationalen Argumentieren auch lernen, Lösungswege zu analysieren, Behauptungen anzuzweifeln und Scheinbeweise zu entlarven. Die Entstehung der nichteuklidischen Geometrie durch Anzweifeln der Evidenz des Parallelenaxioms und das Aufdecken zahlreicher seiner Scheinbeweise liefert hier einen besonders geeigneten Hintergrund. · Problemlösen Während der gesamten Schullaufbahn wird großer Wert auf die Kompetenz der Schüler zum Problemlösen gelegt. Unter [Bil04] ist dieser Punkt mit „problemhaltige Aspekte in inner- und außermathematischen Situationen erkennen und beschreiben“ aufgelistet. Da die sphärische Geometrie enge Praxisbezüge aufweist und die Schüler mit Fragen aus ihrer eigenen Umgebung (wie z. B. der Frage nach der kürzesten Verbindung zweier Orte auf der 78 Erdoberfläche) konfrontiert, stellt sie eine gute Motivation zum Erlernen verschiedener Problemlösetechniken und –strategien dar. Durch diese Bezugnahme auf anwendungspraktische Erfordernisse werden die Schüler selbst zu anspruchsvollen innermathematischen Zusammenhängen und Herleitungen wichtiger Gesetzmäßigkeiten, wie zum Beispiel den sphärischen trigonometrischen Beziehungen, motiviert (vgl. [Fil95]). Viele interessante und anspruchsvolle Anwendungen in der Geographie und Astronomie eignen sich hier vortrefflich für die Gestaltung eines anwendungsorientierten Unterrichts. · Kommunizieren "Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle. Es ist das Grundgefühl, das an der Wiege von wahrer Kunst und Wissenschaft steht. Wer es nicht kennt und sich nicht mehr wundern, nicht mehr staunen kann, der ist sozusagen tot und sein Auge erloschen" (aus [Ei34]). Dieses von Albert Einstein stammende Zitat präsentiert das Staunen und sich Wundern als eine Grundvoraussetzung des Lernens und der Beschäftigung mit Wissenschaft. Sowohl die sphärische Geometrie mit ihren „gekrümmten“ Geraden, der ungewöhnlichen Innenwinkelsumme von Dreiecken und dem plötzlichen Fehlen von Parallelen, als auch insbesondere die hyperbolische Geometrie fordern das Staunen der Schüler nur zu gut heraus. Dabei zeigt vor allem die hyperbolische Geometrie, dass Mathematik erstaunlicherweise auch da noch weiterführen kann, wo die Anschauung längst versagt, sie ist sozusagen eine Sonde in eine durchaus existente Wirklichkeit, die allerdings der Anschauung unzugänglich ist. Wo aber die Anschauung versagt, ist es besonders wichtig, richtig zu kommunizieren, „mathematische Sachverhalte mithilfe von Sprache, Bildern und Symbolen zu beschreiben und veranschaulichen“ (aus [Bil04]). Die Schüler müssen Überlegungen und Schlussfolgerungen, wie etwa die Tatsache, dass es keine vollkommen ähnliche Abbildung oder Kartierung der Kugel auf die Ebene geben kann, oder die Möglichkeit, dass wir in einer hyperbolischen Welt leben könnten, verständlich darstellen und präsentieren und begründen können. 3.2.3 Soziale und personale Kompetenzen Die Aufgabe des Mathematikunterrichts besteht auch darin den Schülern dabei zu helfen, ihre Rolle in der gegenwärtigen und zukünftigen Welt zu finden und sie durch 79 die Vermittlung sozialer und personaler Kompetenzen auf eine spätere Berufsausbildung, beziehungsweise Berufsausübung vorbereiten (vgl. [Bil04]). Dies wird durch die Unterrichtsreihe zu nichteuklidischer Geometrie folgendermaßen gefördert: · Für ein bewusstes Fördern des Kommunikations- und Kooperationsvermögens ist vor allem ein gemeinsames Entdecken und Erforschen nützlich. Bereits in der 6. Klasse sollen die Schüler durch Zusammenarbeit lernen, dass zur sinnvollen Erstellung von Lösungswegen Kooperation und die Offenlegung der eigenen Gedanken gehört. In Klassenstufe 10 wird erneut auf kooperative Arbeitsformen hingewiesen. Durch das Erforschen der Grundlagen der sphärischen Geometrie anhand unterschiedlicher Kugeln, Materialien und Hilfsgegenstände werden die Schüler zu sinnvoller Zusammenarbeit gebracht und sehen sich als Mitwirkende im Forschungsprozess. In dieser praktischen und erforschenden Arbeit werden auch schwächere Schüler zu zielorientierter Arbeit motiviert. · Gerade in der Kursstufe wird vermehrt auf Kreativität, Durchhaltevermögen und Eigeninitiative durch offene und projektartige Phasen gesetzt. Die Schüler sollen lernen „selbstständig erarbeitete mathematische Sachverhalte und Lösungswege schriftlich und mündlich fachlich korrekt und in ansprechender Form zu präsentieren“ ([Bil04]). Das Gebiet der nichteuklidischen Geometrie bietet dafür zahlreiche Themen, wie die sphärische Astronomie oder Geographie, die das Interesse der Schüler wecken und sie zu einer vertieften weiteren Beschäftigung ermutigen. Dabei kann auch insbesondere die Tatsache, dass nichteuklidische Geometrie auch heute noch Fragen offen lässt und aus der aktuellen Forschung in der Physik nicht mehr wegzudenken ist, die Neugier der Schüler wecken. · Die Entwicklung der nichteuklidischen Geometrie, die im ausgehenden 19. Jahrhundert einer Revolution in der Mathematik gleichkam, war vor allem dadurch möglich, dass Mathematiker wie Gauß, Lobatschewski oder Bolyai sich über dominierende philosophische Auffassungen und anschauliche Vorstellung hinwegsetzten und für ihre Entdeckungen eintraten. Die Schüler erkennen hieraus, dass es damals wie heute Wissenschaftler geben muss, die ihren Zeitgenossen vorauseilen, bereit sind Denk- und Vorstellungsbarrieren der wissenschaftlichen Umwelt zu überwinden und den Mut besitzen für ihre 80 Ideen und Erkenntnisse einzustehen. Personale und soziale Kompetenzen wie Toleranz auf der einen und kritisches Urteilsvermögen auf der anderen Seite, gesellschaftliche Verantwortung und Mitwirkung sowie Fähigkeit zur Selbstverwirklichung (vgl. [Bar07], S.33) werden hier besonders gut vor Augen geführt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die zahlreichen Möglichkeiten, welche die nichteuklidische Geometrie für den Erwerb zentraler prozessorientierter Kompetenzen bietet, für ihre Behandlung als Unterrichtseinheit sprechen. Es ist allerdings die Frage zu klären, in wie fern die zur Verfügung stehende Zeit im Unterricht ausreicht, um ein grundlegendes Verständnis des Gebiets zu erreichen. Die Tatsache, dass die sphärische und besonders die hyperbolische Geometrie ein weites Feld an Fragen eröffnen, lässt Schwierigkeiten bei der zeitlichen Planung erwarten. Bei sorgfältiger Vorbereitung und geeigneter Schwerpunktsetzung bin ich allerdings der Ansicht, dass eine sinnvolle Behandlung im vorgegebenen zeitlichen Umfang möglich ist. Dabei muss und darf eine größtmögliche stoffliche Vollständigkeit nicht das Ziel sein (vgl. auch [Fil95]). Eine geeignete Setzung von Schwerpunkten und sinnvolle thematische Reihenfolge soll im folgenden Kapitel aufgezeigt werden. 3.3. Schwerpunktsetzung und Reihenfolge Eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung einer Unterrichtsreihe zu nichteuklidischer Geometrie ist eine sorgfältige Stoffauswahl mit genauer Zielbestimmung und Schwerpunktsetzung, sowie die Berücksichtigung der Unterrichtsvoraussetzungen, die im nächsten Kapitel noch genauer unter die Lupe genommen werden sollen. Zunächst sollten bei der Behandlung des ersten Teiles zur sphärischen Geometrie folgende Punkte beachtet werden: · Da viele Eigenschaften und Sätze der sphärischen Geometrie gut auf anschaulichem Weg zu erarbeiten sind, muss, wie auch in [Fil95] angeführt, keine lückenlose Beweisführung angestrebt werden. Dies entspricht voll und ganz dem Wunsch des Lehrplans, „den Unterricht so zu gestalten, dass er neben deduktiven Behandlungsweisen Ansätzen ermöglicht“ auch (aus experimentelle, [Bil04]). Es genügt induktive also, wie 81 beispielsweise bei der Erarbeitung der trigonometrischen Beziehungen auf der Kugel, exemplarisch vorzugehen, um Zeit zu sparen. · Die Eigenschaften und Anwendungen der sphärischen Geometrie bieten sehr gute Möglichkeiten für die Entwicklung des Raumvorstellungsvermögens. Um den Schülern eine bestmögliche Veranschaulichung raumgeometrischer Zusammenhänge zu ermöglichen, sollten möglichst viele geeignete Unterrichtsmedien wie Globus und Plastikkugeln verwendet werden (siehe Kapitel 4.6). · Da die sphärische Geometrie als Modell der Realität aus anwendungspraktischen Erfordernissen heraus entstand und den Schülern so den Nutzen der Mathematik besonders deutlich machen kann, sollte bei ihrer Behandlung großer Wert auf den Modellbildungs- und Anwendungsaspekt gelegt werden. Hierzu schreibt Freudenthal in [Fr73] auf Seite 79: „Nicht dass das, was man von der Mathematik gelernt hat, unvergessen, sondern dass es wirksam bleibt, spielt eine Rolle, und dies soll ermöglicht werden, indem man beziehungsvolle Mathematik unterrichtet.“ In [Fil95] wird der Praxisbezug als ein „roter Faden“ des Unterrichts beschrieben, der den Schülern die Zielrichtung des Unterrichts vor jeder Stunde immer direkt innermathematischer vor Augen führt Betrachtungen und die verdeutlicht. Notwendigkeit Die Lösung anwendungspraktischer Aufgaben soll dabei in zwei Stufen erfolgen: 1. Die Entwicklung eines mathematischen Modells für einen realen Sachverhalt 2. Die Nutzung des Modells für die Lösung der aus diesem Sachverhalt resultierenden Aufgaben Die sphärische Geometrie bietet viele Möglichkeiten diese beiden Stufen auf unterschiedlichem Niveau durchzuführen. Da für die Behandlung sowohl der sphärischen Geometrie, als auch der sphärischen Astronomie viele Begriffe eingeführt und Hintergründe geklärt werden müssen, kann in der zur Verfügung stehenden Zeit aber nur ein Teil der Anwendungen besprochen werden. Dies schafft ein weites Feld an möglichen Zusatzarbeiten (GFS) für die Schüler. Wegen mathematischen des großen Astronomie, Umfangs und ist Behandlung die der Komplexität der geographischer Anwendungen während des Unterrichts vorzuziehen. Der bayrische Lehrplan 82 von 1990 nach [Ba90] schlägt für die Behandlung des Wahlpflichtgebiets „Mathematische Geographie“ neben den Grundaufgaben wie der Entfernung zweier Orte auf der Erde oder dem Peilungsproblem auch das Thema Kartenentwürfe vor. Da hierfür aber eine große Breite an Grundwissen aus dem Geographieunterricht notwendig ist, halte ich es für sinnvoll, sich hier darauf zu beschränken, den Schülern die Unmöglichkeit der Abwicklung einer Kugeloberfläche in die Ebene deutlich zu machen. Die Eigenschaft der sphärischen Geometrie, eine eigenständige nichteuklidische Geometrie zu sein, soll nun erst Gegenstand des zweiten Teils der Unterrichtsreihe sein. Während die Schüler im ersten Teil ein mathematisches Modell entwickelt und zur Lösung von Problemen verwendet haben, soll ihnen jetzt mit einem Einblick in den axiomatischen Aufbau einer Geometrie, deutlich gemacht werden, was ein Modell überhaupt ist. Nur durch das Grundverstehen des axiomatischen Aufbaus, also des Aufstellens bestimmter Grundwahrheiten, wird es später möglich sein, den Schülern neben der Entstehung der elliptischen Geometrie, unter die ja die sphärische Geometrie einzuordnen ist, auch die Entwicklung einer hyperbolischen Geometrie verständlich zu machen. Während sie bei der Behandlung der Grundlagen eines axiomatischen Systems, des Parallelenproblems und der daraus resultierenden Entstehung dreier grundsätzlich verschiedener Arten der ebenen Geometrie zunächst vielleicht noch keinen Zusammenhang zum ersten Teil der Unterrichtsreihe sehen, soll dieser nun rückwirkend deutlich gemacht werden. Durch diese Reihenfolge der Behandlung sollen die Schüler feststellen, dass sie bereits während der ersten Sitzungen, ohne es zu wissen, mit einer nichteuklidischen Geometrie gearbeitet haben. Bei der Behandlung des axiomatischen Aufbaus ist dabei keineswegs eine größtmögliche Vollständigkeit (etwa in der Behandlung unterschiedlicher Axiomengruppen) anzustreben. Vielmehr sollten die Schüler einen Einblick in das Grundgerüst und Wesen eines Axiomensystems und des Beweisens erhalten. Auch wenn sich Schüler gegen das Beweisen offensichtlich wahrer Sätze wie `Jede Strecke besitzt genau einen Mittelpunkt´ sträuben, können sie nur durch derartig grundlegende Gedanken um Definitionen wie `Was genau ist ein Punkt? ´ und Axiome wie `Was demselben gleich ist, ist auch einander gleich´ (aus [Tru98]) verstehen, wie letztendlich eine nichteuklidische Geometrie entstehen konnte. 83 Die Kenntnis eines Modells der elliptischen Geometrie und das Wissen darüber, dass die in der Schule behandelte euklidische Geometrie nicht die einzige mögliche Geometrie in unserer realen Welt ist, soll die Schüler nun genügend motivieren, ein Modell der hyperbolischen Geometrie kennenzulernen, was Gegenstand des letzten Teils der Unterrichtsreihe sein soll. Dabei ist folgendes zu beachten: · Die Vorstellung sich mit einer „abstrakten“ Geometrie zu befassen, in der es plötzlich mehrere Parallelen zu einer Geraden durch einen Punkt geben soll, scheint natürlich zunächst schwer mit dem Wunsch eines praxisnahen, anschaulichen Unterrichts vereinbaren zu sein. Diesem entgegnet Enzensberger in [Enz98]: „(…)der übliche Mathematikunterricht langweilt nicht nur, er unterfordert vor allem die Intelligenz der Schüler. Es scheint eine fixe Idee der Pädagogik zu sein, dass Kinder nicht in der Lage sind, abstrakt zu denken. Eher ist das Gegenteil richtig. (…) Wahrscheinlich ist ihre Aufnahmefähigkeit für mathematische Ideen überhaupt größer als die der meisten Erwachsenen (…)“ · Dennoch sollte natürlich auf eine vertiefte ausführliche Untersuchung der hyperbolischen Geometrie und ihrer Modelle verzichtet werden, da dies den Rahmen einer Unterrichtsreihe für Schüler bei Weitem sprengen würde. Durch den Vergleich mit der ebenen euklidischen und der bereits behandelten sphärischen Geometrie sollen die Schüler die wichtigsten Eigenschaften der hyperbolischen Geometrie und ein geeignetes Modell (z. B. das Kreisscheibenmodell) kennenlernen. Dies kann gut durch eine entdeckende und erkundende Unterrichtsphase etwa mit Hilfe eines Geometriesoftwareprogramms (siehe Kapitel 4.6) erfolgen. Diese Entdeckung der zugrunde liegenden Theorie nach Betrachtung eines Modells entspricht voll und ganz der Auffassung vieler Didaktiker, so beispielsweise Kratz in [Kr74]: „Er sollte daher zunächst ein Modell der hyperbolischen Geometrie kennenlernen, daß er mit seinen bis dahin entwickelten mathematischen Fähigkeiten verstehen kann. Beim Überdenken des Modells und bei geschichtlichen Betrachtungen sollen sich die in der Mittelstufe gesammelten Erfahrungen über die Grundlagen der Beweise mit den neuen Einsichten zu einem ersten Verständnis der logischen Grundlagen dessen verbinden, was bis zu diesem Zeitpunkt `Geometrie´ genannt wurde.“ (vgl. [Sch79]) 84 · Um einen direkten Bezug zur realen Welt herzustellen und die hyperbolische Geometrie, wie vorher die sphärische Geometrie, als mathematisches Modell zur Beschreibung der Realität vorzuführen, ist es nun absolut notwendig ihre Bedeutung in der modernen Physik und Kosmologie zu erläutern. Filler zitiert in [Fil95], Seite 84 bei der Aufstellung von Zielen eines anwendungsorientierten Unterrichts Kaiser-Meßmer (aus [Kai86]) und stellt u.a. folgende zwei Punkte auf: (I) „Vermittlung eines angemessenen Bildes vom Verhältnis zwischen Mathematik und Realität sowie Befähigung, über das Anwenden von Mathematik kritisch zu reflektieren, d. h. über die Notwendigkeit von Vereinfachungen, Grenzen der Aussagekraft von Modellen etc.“ (II) „Darbietung eines realistischen und angemessenen Bildes von der Mathematik als Wissenschaft, d. h. Vermittlung von Einsicht in das Ineinandergreifen von mathematischen und außermathematischen Überlegungen bei der Entwicklung der Mathematik und von Einsicht in die historische und aktuelle Bedeutung der Mathematik für die Gesellschaft.“ Der Schwerpunkt bei der Behandlung der hyperbolischen Geometrie soll sowohl in diesem angesprochenen Verhältnis zwischen Mathematik und Realität, als auch in der historischen und aktuellen Bedeutung der nichteuklidischen Geometrie für die Gesellschaft liegen. 3.4 Unterrichtsvoraussetzungen Für die Behandlung der nichteuklidischen Geometrie als Unterrichtsreihe werden als Grundvoraussetzungen zunächst ausreichend Kenntnisse der ebenen und räumlichen euklidischen Geometrie sowie der ebenen Trigonometrie benötigt. Insbesondere sind dabei für die Erarbeitung der sphärischen Geometrie Themen wie Umfang und Inhalt von Kugeln und Figuren, begrenzt durch Kreise und Kreisbögen sowie die trigonometrischen Beziehungen an rechtwinkligen ebenen Dreiecken unerlässlich. Weiterhin sollten Themen wie Strahlensätze, grundlegende Sätze zur Berechnung von Streckenlängen und Inhalten und z. B. der Satz des Pythagoras von den Schülern beherrscht werden. Im Hinblick auf die stufenspezifischen Kompetenzen und Inhalte des Bildungsplans für Gymnasien in Baden-Württemberg, dargestellt in [Bil04], würde die 85 Durchführung der Unterrichtsreihe zu nichteuklidischer Geometrie zum Ende der 10. Klasse besonders in Frage kommen. Bereits in den einleitenden Hinweisen zu Klasse 10 (vgl. [Bil04]) wird die Methode der Modellbildung verbunden mit Problemlösetechniken als ein Schwerpunkt des Unterrichts vorgestellt. Die Schüler sollen unter der Leitidee „Vernetzung“ mathematisches Denken und Modellieren in außermathematischen Gebieten wie Kunst, Naturwissenschaft und Gesellschaft anwenden und unter der Leitidee „Modellieren“ die oben bereits erwähnten zwei Stufen des Entwickeln und Anwendens von Modellen beherrschen. Diese Kompetenz stellt einen wichtigen Punkt in der Unterrichtsreihe dar. Unter den Leitideen „Messen“ und „Raum und Form“ haben die Schüler dieser Stufe wichtige Voraussetzungen wie Umfang und Inhalt von Figuren, die auch von Kreisen und Kreisbögen begrenzt sind, zentrische Streckung, Strahlensätze, den Satz des Pythagoras, Berechnung von Streckenlängen und Inhalten bei Körpern und die ebene Trigonometrie bereits erlernt und können diese Kenntnisse in unserer Unterrichtsreihe somit hervorragend anwenden und wiederholen. Auch der Wunsch des Bildungsplans die „Fähigkeiten der Schüler, Behauptungen zu beweisen“, weiter auszubauen, wird zum Beispiel durch einen Einblick in die axiomatische Methode erfüllt. Unter der Leitidee „Vernetzung“ wird der „Umgang mit Hilfsmitteln wie Rechner mit geeigneter Software, elektronischen Medien und Internet“ gefordert. Die Unterrichtsreihe zu nichteuklidischer Geometrie unterstützt dies nicht nur wegen ihrer hervorragenden Möglichkeiten zur Integration von Computerprogrammen zu Raumgeometrie (siehe Kapitel 4.6), sondern auch durch die vielfältigen Möglichkeiten zur Vertiefung des Stoffes in Zusatzarbeiten (GFS). Der bayrische Lehrplan von 1990 (vgl. [Ba90]) bot die sphärische Geometrie als Wahlpflichtgebiet für die mathematisch-naturwissenschaftliche Ausrichtung im 13jährigen Gymnasium zu Beginn der 11. Klasse an. Auch dies wäre denkbar, da die Unterrichtsreihe eine gute Wiederholung der geometrischen Grundlagen bietet und besonders die hyperbolische Geometrie sehr abstrakte Denkleistungen der Schüler fordert. Allerdings dürfte eine Einbettung des Stoffes in den durch G8 bereits extrem kompakten Lehrplan der Kursstufe schwierig werden. Neben Voraussetzungen aus der Mathematik sind auch solche aus der Geographie für die Behandlung nichteuklidischer Geometrie von Bedeutung. 86 Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Durchführung der Unterrichtsreihe ist nämlich die Möglichkeit des fächerübergreifenden Unterrichts. „Durch die Hinzunahme von Fragestellungen aus anderen Fachgebieten werden die Problemlösefähigkeiten erweitert und eine horizontale Vernetzung auch über Fachgrenzen hinaus erzielt“, wird in den stufenspezifischen Hinweisen aus [Bil04] zu Klasse 10 gefordert. Themen der mathematischen Geographie und Astronomie werden allerdings nach den Bildungsplänen [BilG04] und [BilP04] weder im Erdkunde- oder Physikunterricht der Sekundarstufe I, noch in dem der Sekundarstufe II behandelt. Allerdings erlernen die Schüler bereits in der 6. Klasse eine räumliche Vorstellung von Entfernung und Richtung und die Fähigkeit, Gradnetz und Maßstab für die räumliche Anordnung von Objekten, zu nutzen. An diese Kenntnisse kann etwa bei der mathematischen Kugelkoordinaten Beschreibung angeknüpft geographischer werden. Alle weiteren Koordinaten geographischen durch und astronomischen Anwendungen müssen allerdings im Unterricht beziehungsweise in Eigenarbeit bei einer GFS erarbeitet werden. 87 Teil 4 Durchführung einer Unterrichtsreihe zu nichteuklidischer Geometrie am Beispiel des Hector-Seminars Heidelberg 4.1 Allgemeines zum Hector-Seminar Eine Unterrichtsreihe zu nichteuklidischer Geometrie wurde in einer Modulphase des Hector-Seminars in Heidelberg durchgeführt. Das Hector-Seminar, im Jahr 2000 entstanden als Zusammenarbeit zwischen den staatlichen Schulen und der privaten Hector-Stiftung, ist eine Einrichtung zur Förderung hochbegabter Jugendlicher mit einer Spezialisierung auf die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) ([He06]). Während die durch Eingangstests ausgewählten Schüler an ihren Schulen im gewohnten sozialen Umfeld der Schulen integriert bleiben, bietet das Hector-Seminar eine „Ergänzung zum schulischen Angebot an Gymnasien beginnend von der Klassenstufe 6 bis zur gymnasialen Oberstufe“ ([He06], Seite 11). Die meist interdisziplinären Projekte sollen nicht nur theoretische Inhalte vermitteln, sondern vor allem auch die Planung und Durchführung von Experimenten, sowie die Dokumentation und öffentliche Präsentation der Ergebnisse beinhalten. Dadurch werden „neben fachlichen und methodischen Kompetenzen auch personale und soziale Fähigkeiten gefördert“ ([He06], Seite 14). Durch Kooperationen mit Instituten der Universität Heidelberg oder Einrichtungen der Forschung Bildung und Lehre wird das Ziel verfolgt, die Jugendlichen Neues entdecken zu lassen und mit Problemen zu konfrontieren, deren Lösungen noch offen sind. Die nichteuklidische Geometrie bietet hier hervorragende Einsatzmöglichkeiten und eröffnet den Teilnehmern ein weites Spektrum von der Mathematik, über die Geographie zur Astronomie und Kosmologie. Eine Modulphase des Seminars umfasst mehrere Monate, während derer sich die verschiedenen Kurse mit jeweils 10-15 Schülern an einem Nachmittag pro Woche in ausgewählten Standortschulen treffen um sich, betreut von zwei Lehrkräften, intensiv mit einem von ihnen gewählten Projekt zu beschäftigen. Im Anschluss an eine sogenannte „Input-Phase“ sollen die Schüler unter Hilfestellung vertiefenden und weiterführenden Fragestellungen nachgehen und ihre Ergebnisse am Ende der Öffentlichkeit und den Eltern präsentieren. Die vorliegende Unterrichtsreihe wurde mit 14 Hector-Schülern der 9. und 10. Klassenstufe an fünf Nachmittagen zu drei Stunden durchgeführt, woraufhin dann 88 weitere fünf Nachmittage zur Erarbeitung der Projekte vorgesehen waren (vgl. Anhang 6.2, Modulausschreibung „Kugelgeometrie“ zum Hector-Seminar). Es ist offensichtlich, dass eine derartige Zeiteinteilung und ein aufgrund der Auswahlkriterien des Hector-Seminars überdurchschnittlich motiviertes Publikum im normalen Schulalltag nur selten der Realität entsprechen. Dennoch kann die Unterrichtsreihe durch eine vorgenommene Einteilung des Stoffes durchaus in Schulklassen mit einer ausgeprägten Leistungsbereitschaft behandelt werden, was in den folgenden Kapiteln gezeigt werden soll. Insbesondere ist außerdem an eine Durchführung an gesonderten Projekttagen oder mathematischen Nachmittagen zu denken. 4.2 Übersicht über die Planung der Unterrichtsreihe Die folgende Einteilung (vgl. [Fil95], Kapitel 3.3) ist ein Vorschlag für die Aufteilung des Stoffes in fünf Unterrichtsabschnitte. Da die Modulphase des Hector-Seminars in Sitzungen von jeweils drei Stunden abgehalten wird, werden hier fünf Sitzungen zu drei Stunden beschrieben. Diese insgesamt 15 Stunden können für die Behandlung im Schulunterricht aber gut pro Sitzung in zwei Doppelstunden aufgeteilt werden, so dass sich ein Umfang von 10 Schul-Doppelstunden ergibt. Zusätzlich zu den Themen des Abschnitts, den jeweils angestrebten Zielen aus Kapitel 4.3 und verwendeten Materialien (vgl. Kapitel 4.5) werden Angaben zu den in Teil 2 dargestellten mathematischen Grundlagen und Hintergrundinformationen gemacht. Bei der Behandlung des Stoffes im Schulunterricht werden mögliche Hausaufgaben genannt, die sich insbesondere positiv auf die Einhaltung der veranschlagten Zeit auswirken sollen (vgl. Kapitel 4.6, Aufgabensammlung). Nr. Themen der Sitzung Ziele Materialien Mögliche Hausaufgaben (bei Behandlung im Schulunterricht) 1 Einführung in die K1, Globus, Faden, Basteln eines Grundlagen der sphärischen K2, Stecknadeln, Großkreislineals Geometrie: Ü1-5 Styropor- und (kann zur 89 Großkreise/Kleinkreise, Plastikkugeln, Vorbereitung auf Geraden, Strecken, Schuhkarton, diese erste Sitzung Abstände, Winkel Schere, Zirkel, aufgegeben (Kapitel 2.3.2.1 und 2.3.2.2) Klebeband, werden) Geodreieck (Kapitel 4.6, Aufgabe 6) 2 Sphärische Zweiecke und ihr K3, Globus, Kapitel 4.6 Flächeninhalt, eulersche K4, Pauspapier, Aufgaben 13 - 16 Dreiecke, sphärische K5, Maßband, Stifte, Dreiecke und ihr Ü1-5 Styropor- Flächeninhalt, sphärischer /Glaskugeln, Innenwinkelsatz Folienstifte, (Kapitel 2.3.2.3 – 2.3.2.6) Stecknadeln, Faden, Großkreislineal 3 Sphärischer Dreikant, K6 – Globus, Evtl. Kapitel 4.6 sphärische Trigonometrie an K11, Kopiervorlagen Aufgaben 20 – 22 rechtwinkligen und Ü1-5 zur sphärischen (falls nicht im schiefwinkligen Dreiecken, Trigonometrie Unterricht (Nepersche Regel, Sinussatz (Anhang 6.5), behandelt) und Kosinussätze), Pappe, Schere, Geographische Koordinaten, Kleber Berechnung der Orthodromen zwischen zwei Punkten der Erdoberfläche (Kapitel 2.3.2.7, 2.3.2.8 sowie 2.3.3.2) 4 Axiomatischer Aufbau der N1-7, Kopien Geometrie, Entstehung der Ü1, Ü4 bekannter euklidischen und Beweise aus dem nichteuklidischen Schulbuch (vgl. Geometrie, das Kapitel 2.1.3), Parallelenproblem, Arbeitsblätter 6.6 Gegenüberstellung und 6.7 Kapitel 4.6 Aufgaben 23 - 25 90 euklidische - sphärische Geometrie, Bedeutung von mathematischen Modellen (Kapitel 2.1.1 – 2.1.5) 5 Das Kreisscheibenmodell, N8-11, Computerzugang, Kapitel 4.6 Eigenschaften und Sätze der Ü2, Software hyperbolischen Geometrie, Ü4, Cinderella 1.4, nichteuklidische Geometrie Ü5 Arbeitsblatt 6.8 Aufgabe 26 im realen Raum (Kapitel 2.2.1 – 2.2.3 sowie 4.5) 4.3 Grobziele der Unterrichtsreihe Unter Einbezug der in Kapitel 3.2 dargestellten Begründung des Themas als Unterrichtsreihe und der Festlegung von Schwerpunkten bei der Stoffauswahl, sowie der in [Kai86], Seite 83f. dargestellten allgemeinen Ziele eines anwendungsorientierten Mathematikunterrichts, können wie auch bei Filler in [Fil95], Kapitel 3.2 folgende Grobziele aufgestellte werden (G1-G10 berücksichtigen konkret den Bereich der sphärischen Geometrie): K1: Die Schüler erkennen, dass die ebene Geometrie nicht ausreicht, um die Verhältnisse auf der Erdoberfläche zu beschreiben und sehen die Notwendigkeit, die Geometrie der Kugeloberfläche genauer zu untersuchen, um geographische Anwendungen in der Praxis zu ermöglichen. K2: Durch logische Überlegungen und Vergleich mit der ebenen Geometrie entwickeln sie Definitionen für Strecken, Geraden, Abstände, Kreise und Winkel auf der Sphäre und erlangen anschauliche Vorstellungen von diesen Begriffen. K3: Die Schüler wissen von der Existenz sphärischer Zweiecke und können durch Plausibilitätsüberlegungen Aussagen über deren Umfang, Seitenlänge und Winkel treffen sowie ihren Flächeninhalt herleiten. 91 K4: Sie kennen die grundlegenden Eigenschaften sphärischer Dreiecke und können eulersche Dreiecke von anderen Dreiecken unterscheiden. K5: Mit Hilfe der Flächeninhaltsformel der Zweiecke können sie diese für Dreiecke herleiten und Schlussfolgerungen über deren Innenwinkelsumme ziehen. K6: Die Schüler gewinnen ein Verständnis von geographischen Koordinaten und sehen die Notwendigkeit einer neuen Berechnungsmethode um geographische Berechnungen anzustellen. K7: Sie gewinnen eine anschauliche Vorstellung vom Zusammenhang zwischen den Stücken eines sphärischen Dreiecks und des zugehörigen Dreikants, bzw. der körperlichen Ecke. K8: Unter Anwendung dieser Zusammenhänge können die Schüler in Ansätzen die trigonometrischen Grundformeln für rechtwinklige sphärische Dreiecke herleiten. K9: Sie kennen die wichtigsten trigonometrischen Beziehungen an rechtwinkligen sphärischen Dreiecken und können diese für einfache Berechnungen anwenden. K10: Die Schüler wissen von der Vorgehensweise einer Herleitung der trigonometrischen Beziehungen eines schiefwinkligen sphärischen Dreiecks, kennen den daraus resultierenden Sinussatz und die Kosinussätze und können diese für Berechnungen auf der Erdoberfläche anwenden. K10: Sie kennen den Begriff der Orthodromen und sind in der Lage durch Einzeichnen des Poldreiecks orthodrome Entfernungen für Reiserouten zu berechnen. K11: Die Schüler können erklären, warum auf einer ebenen Weltkarte Flugrouten gekrümmt dargestellt werden. Zusätzlich kommen die folgenden Ziele hinzu, die durch die einzelnen Projektarbeiten angestrebt werden können: P1: Die Schüler können aus dem Flächeninhalt eines Dreiecks denjenigen eines Vielecks herleiten. 92 P2: Durch logische Überlegungen zu der Innenwinkelsumme auf der Kugel können sie mögliche regelmäßige sphärische Netze beschreiben und den Flächeninhalt der einzelnen Stücke berechnen. P3: Sie gewinnen eine Vorstellung vom Zusammenhang platonischer Körper und regelmäßiger sphärischer Netze. P4: Die Schüler können für gegebene Anfangs- und Endpunkte von Reiserouten die Kurswinkel bestimmen. P5: Sie kennen den Unterschied zwischen Orthodromen und Loxodromen und den Nutzen der jeweiligen Verbindung für die Reiseroutenbestimmung. P6: Sie sind in der Lage die nördlichsten und südlichsten Punkte (Scheitelpunkte) einer Reiseroute zu berechnen. P6: Sie können einen Lösungsplan zur Berechnung der Koordinaten eines Objekts, das von zwei Orten angepeilt wird, anhand der Koordinaten der beiden Orte und der Peilungswinkel aufstellen. Im zweiten Teil der Unterrichtsreihe lassen sich folgende Grobziele aufstellen, die teilweise aber auch auf die Ziele K1-K11 aufbauen oder rückwirkend den Nutzen einiger der dort angestrebten Ziele aufzeigen. N1: Die Schüler sehen die Notwendigkeit der Aufstellung von Grundaussagen in der Geometrie und der Einführung eines axiomatischen Systems. N2: Sie kennen das Grundgerüst eines Axiomensystems und entwickeln Fähigkeiten im Führen mathematischer Herleitungen und Beweise. N3: Die Schüler kennen den Begriff und Ursprung der euklidischen Geometrie und sehen darin die von ihnen in der Schule behandelte Geometrie. N4: Sie gewinnen eine Vorstellung von der Bedeutung des Parallelenaxioms in der Geometrie und sehen Bezüge und Übereinstimmungen mit äquivalenten Aussagen des Parallelenaxioms. N5: Durch Überlegungen zur Umformung des Parallelenaxioms sehen sie die Möglichkeit der Aufstellung nichteuklidischer Geometrien und kennen die Bezeichnungen elliptische und hyperbolische Geometrie. 93 N6: Die Schüler erkennen rückwirkend die Einordnung der Kugelgeometrie in den Bereich der elliptischen Geometrie. N7: Sie machen sich den Nutzen eines mathematischen Modells bewusst und sind in der Lage Axiome anhand eines einfachen Modells umzuinterpretieren. N8: Mit dem Kreisscheiben-Modell entdecken die Schüler ein mögliches Modell der hyperbolischen Geometrie, können die Uminterpretation der geometrischen Grundbegriffe beschreiben und Eigenschaften der hyperbolischen Geometrie ausmachen. N9: Die Schüler können Analogien und Unterschiede zwischen den wichtigsten Objekten und Eigenschaften der sphärischen, ebenen und hyperbolischen Geometrie aufstellen. N10: Sie erkennen, dass sich sowohl in sphärischer als auch in hyperbolischer Geometrie euklidische Beziehungen als Grenzfall ergeben und können hieraus Rückschlüsse über mögliche Berechnungen auf der Erdoberfläche oder im Weltall ziehen. N11: Sie gewinnen eine anschauliche Vorstellung der hyperbolischen Geometrie und gelangen zur Einsicht, dass unsere reale Welt durchaus mit ihr beschrieben werden kann. Während die meisten der unter K1-K11, P1-P6 und N1-N11 aufgestellten Ziele größtenteils stark aufeinander aufbauen und sich schwerpunktmäßig auf die jeweilige Sitzung beziehen, lassen sich weiterhin für die gesamte Unterrichtsreihe folgende übergreifenden Ziele aufstellen, die sich auf die Literatur von [Fil95] sowie [Kai86] beziehen: Ü1: Die Schüler wiederholen und festigen ihre Kenntnisse aus der euklidischen Geometrie und der ebenen Trigonometrie. Ü2: Sie entwickeln Fähigkeiten im experimentierenden und forschenden Lösen von mathematischen Fragestellungen durch Modelle (plastisch oder mit Hilfe des Computers). Ü3: Sie verbessern und entwickeln ihr räumliches Vorstellungsvermögen. 94 Ü4: Sie entwickeln Fähigkeiten im Definieren mathematischer Begriffe und in einer verallgemeinerten Betrachtungsweise geometrischer Begriffe. Ü5: Sie gewinnen einen umfassenden Einblick in das Verhältnis von Mathematik und Realität, sowie in die praktische Bedeutung der Mathematik in unserer realen Welt. Ü1 – Ü5 sind langfristige Ziele, die sich auf die gesamte Unterrichtsreihe beziehen. Sie sind eng verbunden mit dem in Kapitel 3.2 dargestellten Gewinn an fachlichen, sozialen und personalen Kompetenzen. 4.4 Hinweise zur Durchführung der Seminarreihe Dieses Kapitel enthält Hinweise zur Gestaltung und Durchführung des Seminars, die gegliedert sind nach den einzelnen Sitzungen. Der Gliederung liegt die in Kapitel 4.2 vorgenommene Aufteilung des Stoffes und der Grobziele zugrunde, die im Zusammenhang betrachtet werden sollten. Außerdem wird Bezug auf die Ausführungen von Filler in [Fil95] und auf Teil 2 genommen, der eine Darstellung der fachlichen Inhalte für Lehrer liefert und somit Grundlage für die Durchführung ist. Eine Zusammenfassung des Ablaufs wird in der im Anhang 6.1 gemachten tabellarischen Form gegeben. 1. Der Einstieg in die Seminarreihe (1. Sitzung) Um die Bedeutung der sphärischen Geometrie als mathematisches Modell der geometrischen Verhältnisse auf der Erdoberfläche zu erkennen, müssen sich die Schüler zunächst die Notwendigkeit, sich mit der Geometrie der Erdoberfläche auseinanderzusetzen, bewusst machen. Als Einstieg bieten sich daher folgende Fragen an: Was ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei weit voneinander entfernten Orten auf der Erde (Berlin und Melbourne)? Ist es in der Praxis möglich auf diesem Wege von einem Ort zum anderen zu gelangen? (vgl. [Fil93], S.1) Die Schüler werden recht schnell zu der Erkenntnis kommen, dass die euklidische Strecke zwischen zwei Punkten der Erde zwar theoretisch die kürzeste Verbindung darstellt, allerdings (außer als ein durch die Erde gegrabener Tunnel) nicht geeignet 95 ist, um eine mögliche Reiseroute zu bestimmen. Somit kommt die Frage nach der kürzesten Verbindung zweier Punkte auf der Erde auf und damit der Gedanke, eine solche Verbindung durch Spannen eines Gummibandes oder Fadens auf dem Globus experimentell zu bestimmen. Durch das Variieren der Lage der zwei Punkte auf dem Globus, wie etwa zwei Punkte auf einem Meridian, auf dem Äquator oder auf einem beliebigen Breitenkreis, können die Schüler bereits wichtige Eigenschaften der kürzesten Verbindung anschaulich erfassen. So werden sie beispielsweise sehen, dass der Bogen eines Breitenkreises i. Allg. nicht die kürzeste Verbindung zweier Punkte darstellt. Die Diskussion dieser Fragen liefert eine anwendungsorientierte Motivation der Schüler für die sphärische Geometrie. Ihnen sollte deutlich gemacht werden, dass es für die Lösung der gestellten Einstiegsfrage zunächst erforderlich ist, die Grundlagen der Geometrie auf der Sphäre genauer zu betrachten. Mit Hilfe dieser Grundlagen wird es dann möglich sein geeignete Formeln herzuleiten und diese dann auf Fragen der Geographie und Astronomie zu beziehen. Die Schüler erhalten damit einen groben Überblick über den ersten Teil der Seminarreihe. Nach diesem Einstieg sollten die verwendeten Begriffe nun mathematisch fundiert werden. Dazu ist zunächst eine kurze Wiederholung der Begriffe Kreis und Kugel sinnvoll, um anschließend eine Definition der Sphäre zu geben. Während der gesamten Sitzung sollten an der Tafel die erarbeiteten Definitionen nach und nach festgehalten werden und den Schülern dort für die gesamte Sitzung vor Augen sein (siehe Tafelbild 1, Anhang 6.1). Ein Rückgriff auf das Eingangsexperiment, bei dem bereits durch Spannen des Gummibandes wichtige Eigenschaften erkannt wurden, führt nun zur Definition von Großkreisen und Kleinkreisen. Basierend auf den Kenntnissen der Schüler aus dem Erdkundeunterricht sollte zur Veranschaulichung erneut der Bezug zu den Meridianen und Breitenkreisen auf der Erdoberfläche hergestellt werden und anhand eines Beispiels erörtert werden, dass nur Großkreise Punkte auf dem kürzesten Wege verbinden. Damit die Schüler in der gesamten Einheit möglichst viel selbst experimentieren können, sollten sie gleich mit der Frage konfrontiert werden, wie es denn überhaupt möglich ist, einen Großkreis auf einer Kugel mit gegebenem Radius einzuzeichnen. Nachdem sie zunächst eigene Versuche anstellen, kann dann der Bau eines Großkreislineals (siehe Anhang 6.3) anhand eines fertigen Modells vorgestellt 96 werden, welcher dann von den Schülern in Partnerarbeit mit Hilfe eines Schuhkartons nachgebaut wird. Für die Behandlung im Schulunterricht, kann die Herstellung des Großkreislineals mit Hilfe einer Anleitung und eines vorgegebenen Radius auch bereits als Hausaufgabe zur ersten Stunde gestellt werden. Nach einer kurzen Wiederholung der Wesenseigenschaften von Punkten, Strecken und Geraden in der Ebene sollen die Schüler sich mit den Fragen beschäftigen, wie viele Geraden durch zwei Punkte auf der Kugel verlaufen und wie man eine Strecke auf der Kugel eindeutig definieren kann. Hierzu können sie Überlegungen anhand einer Styroporkugel, auf der mit Stecknadel und Faden gearbeitet werden kann, anstellen. Um die Begriffe festzuhalten, folgt die Definition von Punkten, Geraden, Strecken und diametralen Punkten an der Tafel (Tafelbild 1, Anhang 6.1). Um sich die Entsprechung der Gerade aus der Ebene mit dem Großkreis auf der Kugel klar zu machen, eignet sich sehr gut die Vorstellung, mit einem Auto oder Rad auf einer Straße entlang des Großkreises zu fahren. Die Schüler werden zu dem Ergebnis kommen, dass es nicht nötig ist zu steuern um „geradeaus“ zu fahren, wenn sie mit dem Auge ganz dicht an die Kugel herangehen. Vor der genauen Definition des Abstandes kann erneut die Frage gestellt werden, warum denn der Großkreis die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist. Hier liefert eine Veranschaulichung in der ebenen Geometrie eine gute Antwort (Abbildung 20), denn der kürzeste Kreisbogen zwischen zwei Punkten ist genau der des Kreises mit dem größten Radius, auf der Kugel also der eines Großkreises. Bei der Definition des Abstandes wird den Schülern auch durch das vorherige Experimentieren bewusst, dass zwei nichtdiametrale Punkte durch zwei verschieden lange Bögen miteinander verbunden werden können. Der Abstand allerdings bezeichnet die Bogenlänge des kürzeren der beiden Bögen (Tafelbild 1). Da Abstände auf der Sphäre häufig als Winkelmaße der Radien zwischen den betreffenden Punkten angegeben werden, wird die entsprechende Umrechnungsformel benötigt, die nach einer kurzen Wiederholung des Begriffes der Bogenlänge gemeinsam erarbeitet wird. Besonders deutlich gemacht werden sollte die Tatsache, dass Abstände auf der Kugel auch in Grad angegeben werden können. Als Beispiel kann die Frage gestellt werden welche Punkte der Erde vom Nordpol den Abstand 90° haben, bei der die Schüler leicht auf den Äquator als Antwort stoßen werden. Zur Verdeutlichung kann auch eine Aufgabe dienen, die von den Schülern rechnerisch gelöst werden muss: Wie groß ist der Winkel zwischen den Radien zweier Orte auf 97 der Erde, deren kürzeste Verbindung (Großkreisbogen) 3000 km auf der Erdoberfläche lang ist? Zur Beantwortung könnte man die Schüler zunächst nach dem Radius oder Umfang der Erde fragen, da diese Zahlen im Laufe der Sitzungen häufiger gebraucht werden. Eine für die Schüler vielleicht verblüffende Frage könnte die nach dem größtmöglichen Abstand zweier Punkte auf der Sphäre sein. Es sollte ihnen bewusst sein, dass im Gegensatz zur ebenen Geometrie der Abstand auf der Sphäre beschränkt ist. Ein Begriff, der den Schülern die Gestalt der Kugel besonders gut vor Auge führt ist der Begriff des sphärischen Kreises. Zum Experimentieren bietet es sich an, mit Klebeband einen Stift an den Schenkel eines Zirkels zu befestigen, um Kreise auf einer Styroporkugel zu konstruieren. So sollen die Schüler sich nach einer Definition des sphärischen Kreises (siehe Tafelbild 1) experimentell mit der Frage beschäftigen, für welchen maximalen Radius sie einen Kreis auf der Kugel zeichnen können und eine Möglichkeit finden, einen Kreis mit einem größeren Radius einzuzeichnen. Dabei dürften sie schnell feststellen, dass ein gegebener Kreis auf der Kugel immer zwei mögliche Mittelpunkte hat und damit auch durch zwei verschiedene Radien gegeben ist. Die Konstruktion der Menge der Punkte R, die von zwei verschiedenen Punkten P und Q jeweils den gleichen Abstand haben macht den Schülern erneut die Bedeutung des Großkreises deutlich. Eine gute Hinleitung zum Begriff des Winkels zwischen zwei sphärischen Geraden ergibt sich aus der Aufgabe, zu einem vorgegebenen Punkt P und einem Großkreis g auf der Sphäre den zu P nächstgelegenen Punkt auf g zu konstruieren. Bei der Frage nach der Bezeichnung dieses Punktes werden die Schüler schnell auf den Begriff des Lotfußpunktes kommen und so mit dem 90°-Winkel einen ersten Winkel zwischen zwei sphärischen Geraden ansprechen. Die Schüler sollten sich erneut klar machen, dass sich zwei verschiedene Geraden in genau zwei Punkten im selben Winkel schneiden und erkennen, dass dieser Winkel gleich dem Winkel der Tangenten an die beiden Großkreise ist. Um experimentell diesen Winkel zu bestimmen, können sie versuchen an kleinen und großen Kugeln ein Geodreieck anzulegen. Sie werden schnell sehen, dass es vor allem bei kleinen Kugeln schwer ist, den Winkel auf diese Weise genau zu bestimmen. Man sollte großen Wert darauf legen, dass ihnen der Zusammenhang zwischen den Winkelmaßen der Tangenten und dem der Ebenen, in denen die betroffenen 98 Großkreise liegen, plastisch deutlich wird. Besonders anschaulich kann dies mit Hilfe des bereits gebastelten Großkreislineals gezeigt werden. Hierfür wird in eine Pappe ein Halbkreis mit dem Radius der Kugel eingeschnitten und aufgelegt (siehe Anhang Großkreislineal), woraufhin dann leicht der Winkel zwischen den beiden Ebenen gemessen werden kann. An dieser Stelle sollte eine Definition des Winkelmaßes an der Tafel festgehalten werden, wobei auch auf die Frage nach entstehenden gleichen Winkeln, also Gegenwinkel und Nebenwinkel eingegangen werden kann. Einen ersten Hinweis zur Nichtexistenz von Parallelen auf der Kugel könnte die Frage bringen, welche Geraden im 90°-Winkel auf den Äquator treffen und worin hier ein Unterschied zur ebenen Geometrie zu erkennen ist. Da sich die Meridiane im Nordpol schneiden, sollte den Schülern schnell klar sein, dass sie nicht parallel sein können. Die Tatsache der Nichtexistenz von Parallelen gibt einen guten Ausblick auf die nächsten Sitzungen. 2. Sitzung Die zweite Sitzung, deren Hauptziel die Behandlung von sphärischen Dreiecken und die Berechnung ihres Flächeninhalts ist, sollte dementsprechend mit einer besonders anschaulichen Einstiegsfrage motivieren. Hierfür bietet sich die folgende Frage an: Wie kann ich den Flächeninhalt eines Dreiecks auf dem Globus (als Beispiel den Kontinent Afrika) bestimmen? Bevor die Schüler jedoch eigenständige Lösungsmöglichkeiten suchen, wird die Definition eines sphärischen Dreiecks als Fläche, die durch drei Großkreisbögen begrenzt ist, deutlich gemacht werden. Dies gewährleistet auch eine gute Wiederholung des Zusammenhangs von Großkreis auf der Kugel und Gerade in der Ebene, da ja ein Dreieck in der Ebene auch durch drei Geraden begrenzt ist. So selbstverständlich dies in der Ebene auch sein mag, kann es doch vorkommen, dass Schüler Bögen von Breitenkreisen als Seiten sphärischer Dreiecke nutzen wollen. Anschließend kann auf dem Globus angenähert ein solches sphärisches Dreieck um den Kontinent Afrika gezeichnet werden. Nun sollen die Schüler experimentell Versuche anstellen, den Flächeninhalt des Dreiecks zu bestimmen. So könnten beispielsweise das Anlegen und Kopieren des Dreiecks auf Pauspapier, das Messen mit Hilfe eines Maßbandes, das Anpassen eines Stücks Stoffes und viele andere 99 Möglichkeiten angenäherte Lösungen liefern. Der Vergleich der Ergebnisse liefert den Schülern eine gute Motivation zur Notwendigkeit der Aufstellung einer geeigneten Rechenherleitung für den Flächeninhalt sphärischer Dreiecke liefern. Vor der weiteren Behandlung der sphärischen Dreiecke verdeutlicht man jedoch die Existenz eines sphärischen Zweiecks, was zunächst allein aufgrund des Wortes Verwunderung auslösen, aber schnell einleuchten wird. Hierfür können die Schüler zwei verschiedene Großkreise auf ihre Kugel zeichnen und die paarweise kongruenten Zweiecke betrachten. An dieser Stelle muss auch auf den Umfang, die Seitenlänge und den Winkel α eines Zweiecks eingegangen werden. Für die Berechnung des Flächeninhalts sphärischer Dreiecke wird der Flächeninhalt von Zweiecken benötigt. Hierfür sollte kurz die Formel für den Flächeninhalt einer Kugel wiederholt werden, um dann den Schülern die Möglichkeit zu geben, eigenständig auf die recht leichte Flächeninhaltsformel für Zweiecke zu stoßen. Besonders wichtig bei der Betrachtung sphärischer Dreiecke ist es, den Schülern klar zu machen, welch vielfältige Formen ein solches Dreieck auf der Kugel haben kann und dass insbesondere durch drei Punkte der Sphäre nicht eindeutig ein sphärisches Dreieck festgelegt ist. Hierfür kann man die Schüler bitten drei Stecknadeln in eine Styroporkugel zu stecken und mit einem Faden möglichst viele verschiedene Dreiecke zu spannen. Diese enorme Vielfalt spricht für die Betrachtung und Definition spezieller sphärischer Dreiecke, der eulerschen Dreiecke, deren Definition von den Schülern in Ansätzen selbst entwickelt werden kann. Hierfür stellt man ihnen die Aufgabe, eine Gruppe von sphärischen Dreiecken herauszuheben, die besonders viele Ähnlichkeiten mit den Dreiecken in der Ebene aufweisen und die Eindeutigkeit der Zuordnung eines Dreiecks zu drei Punkten gewährleisten. Ausgehend von dieser Definition kann durch Einzeichnen von drei Großkreisen auf einer Glaskugel von den Schülern herausgearbeitet werden, dass die Großkreise die Kugel in genau acht eulersche Dreiecke zerlegen und jeweils paarweise kongruente Dreiecke auftreten. Diese Kongruenzen, also Nebendreiecke, Scheiteldreiecke und Gegendreieck sind auf einer Glaskugel besonders gut zu erkennen und für die Herleitung der Flächeninhaltsformel von Bedeutung. Diese sollten die Schüler mit dem Tipp, das Wissen über den Flächeninhalt von Zweiecken auszunutzen, möglichst eigenständig aufstellen. Hierfür müssen die Winkel α, β, γ des gefragten Dreiecks kenntlich gemacht und die Kugel geschickt farblich (Folienstifte) mit Zweiecken 100 überdeckt werden. Als Hilfestellung kann nach einiger Zeit auch ein gemeinsamer Ansatz in der Form (Halbe Sphäre = Zweieck A'A + Zweieck B'B + Zweieck C'C 2·Dreieck ABC) erfolgen. In jedem Fall muss die Herleitung an der Tafel festgehalten werden. Da der Innenwinkelsatz besonders deutlich grundlegende Unterschiede zwischen ebener und sphärischer Geometrie sowie ihre Ursachen verdeutlicht, sollte hierauf ein besonderes Augenmerk gelegt werden. Angeführt werden könnte dies mit einer Aufforderung der Schüler ein gleichseitiges und rechtseitiges (dieser Begriff wird auf Verwunderung stoßen und sollte genau erläutert werden) Dreieck auf dem Globus einzuzeichnen, etwa begrenzt von Äquator und zwei Meridianen, und die dabei entstehende Innenwinkelsumme genauer zu betrachten. Die Schüler werden feststellen, dass drei rechte Winkel auftreten, die Innenwinkelsumme also 270° beträgt und motiviert sein, anschließend verschieden große Dreiecke auf ihrer Glaskugel einzuzeichnen, deren Innenwinkelsumme sie mit Hilfe des Großkreislineals messen. Sie gelangen dabei zu der Feststellung, dass der Überschuss an Innenwinkelsumme über 180°, den man ihnen als sphärischen Exzess vorstellt, für Dreiecke mit großem Flächeninhalt größer ist, als für kleinere Dreiecke. Zur Verdeutlichung sollte man durch Einbeziehen der Flächeninhaltsformel den Schülern die Frage stellen, ob es denn überhaupt Dreiecke auf der Kugel mit einer Innenwinkelsumme kleiner oder gleich 180° geben kann. Um einen Bezug zu der realen Umwelt herzustellen, kann an dieser Stelle die Legende der Gauß´schen Landvermessung vorgetragen werden mit der Frage, warum Gauß im Rahmen des experimentellen Fehlers trotzdem eine Winkelsumme von 180° errechnete. Die wichtige Eigenschaft, dass der Flächeninhalt eines sphärischen Dreiecks wirklich nur von seinen Innenwinkeln abhängt, sollte den Schülern durch die Frage nach der Existenz ähnlicher Dreiecke oder Figuren auf der Kugel deutlich werden. Die Unmöglichkeit ähnlicher Figuren auf der Sphäre wird für große Verblüffung sorgen und man kann bei der Gegenüberstellung nichteuklidischer Geometrien in der 4. Sitzung auf diese Erkenntnis zurückweisen. Bei ausreichender Zeit können nun zur Vertiefung Aufgaben bezüglich des Flächeninhalts, der Innenwinkelsumme und des sphärischen Exzess` bearbeitet werden (siehe Aufgabensammlung). Zum Ende der Stunde bietet es sich bei Bedarf an, einen kleinen Ausblick und Motivation für ein mögliches Projektthema oder GFS über regelmäßige sphärische 101 Netze zu geben. Da zuvor bereits das gleichseitige, rechtseitige Dreieck besprochen wurde, kann dies als Modellbeispiel, z. B. aus Draht, vorgestellt werden und nach einer Wiederholung der möglichen Parkettierungen der Ebene mit regelmäßigen Vielecken die Frage gestellt werden, welche möglichen Netze aus regelmäßigen Vielecken auf der Kugel möglich sind. Je nachdem wie tief das Projektthema gehen soll, kann auch ein Fußball zum Einstieg mitgebracht werden. Als erste Überlegung sollten die Schüler sich die Gestalt eines Vierecks durch Einzeichnen von vier Großkreisen auf ihrer Kugel bewusst machen und untersuchen, ob es ein Rechteck auf der Sphäre geben kann. Die Frage nach möglichen regelmäßigen sphärischen Fünf-, Sechs- oder anderen Vielecken sollte dann offen gelassen werden und für das Projektthema aufgespart bleiben. 3. Sitzung Die Herleitung der Grundformeln der sphärischen Trigonometrie für recht- und schiefwinklige Dreiecke fordert und fördert die Schüler zwar darin, anspruchsvolle mathematische Tätigkeiten (z. B. Beweisen und Herleiten) auszuführen, sollte sie aber durch die große Menge an theoretischen Formeln und Beziehungen nicht entmutigen und abschrecken. Es ist daher besonders wichtig, einen motivierenden Einstieg für das Thema zu wählen und dann nur einen kleinen Teil der Herleitung auszuführen, um den Schwerpunkt eher auf die praktische Anwendung zu setzen. Zu Beginn der Stunde können mit Hilfe eines Witzes die Eigenschaften eulerscher Dreiecke, um die es ja auch weiterhin gehen soll, wiederholt werden: Ein Schafhirte, ein Physiker und ein Mathematiker bekommen einen Klappzaun und sollen eine Herde Schafe umzäunen. Wie machen sie das? Der Schafhirte treibt die Herde zusammen und baut den Zaun drum herum. Der Physiker baut den Zaun kreisförmig auf und treibt die Schafherde hinein. Der Mathematiker baut den Zaun um sich herum und sagt: „Hier ist außen!“. Als Einstieg auf das Hauptthema der Stunde sollte dann auf die Eingangsfrage der Unterrichtsreihe (Wie lang ist die kürzeste Verbindung zwischen Berlin und Melbourne?) zurückgegriffen werden, die aber vorerst noch offen gelassen wird. Zunächst machen sich die Schüler durch Rückgriff auf mögliches Wissen aus dem Erdkundeunterricht mit dem Gradnetz der Erde vertraut machen und Begriffe wie 102 Längengrade, Breitengrade, Nullmeridian werden an der Tafel festgehalten. Zur Übung können sie die Lage verschiedener Städte mit Hilfe ihrer Koordinaten bestimmen und eine Verbindung zwischen zwei Orten, die auf demselben Meridian liegen (etwa Istanbul und Johannesburg), durch Berechnung der Bogenlänge berechnen. An dieser Stelle sollte den Schülern erneut die Aufgabe gestellt werden, die Entfernung zwischen zwei auf verschiedenen Meridianen und Breitengraden liegenden Orten (wie Berlin und Melbourne) zu bestimmen, um eigene Ideen und Überlegungen anzustellen. Nach einiger Zeit sollten sie feststellen, dass dies mit der bisherigen Berechnungsmethode nicht möglich ist und die Notwendigkeit der Herleitung einer neuen Methode sehen. Als Voraussetzung des weiteren Ablaufs werden nun die trigonometrischen Beziehungen an rechtwinkligen Dreiecken in der Ebene wiederholt oder vorgestellt werden. Besonders wichtig für die Herleitung im Fall der Sphäre ist nun der Zusammenhang zwischen sphärischem Dreieck und körperlicher Ecke (sphärisches Dreikant). Dieser sollte unter anderem an der Tafel erläutert werden und kann dann durch ein Modell aus Zeichenkarton, welches die Schüler mit Hilfe der Bastelvorlage (siehe Anhang 6.5) erstellen können, gut veranschaulicht werden. Die Herleitung der Grundformeln stützt sich dann darauf, dass die einzelnen Seiten des betrachteten Dreiecks in die Ebene geklappt werden (siehe Anhang 6.4) und die trigonometrischen Beziehungen in den dabei entstehenden ebenen rechtwinkligen Dreiecken untersucht werden. Sobald die grundlegende Herangehensweise deutlich geworden ist, sollte das Aufstellen der einzelnen Gleichungen nicht zu große Schwierigkeiten bereiten und zu großen Teilen von den Schülern eigenständig ausgeführt und gemeinsam an der Tafel zusammengestellt werden. Es ist dabei nicht notwendig, wirklich alle der Gleichungen herzuleiten, ein exemplarisches Vorgehen genügt. Zur Zusammenfassung der Beziehungen wird dann die Nepersche Regel an der Tafel vorgestellt und von den Schülern durch Vergleich mit den zuvor aufgestellten Beziehungen nachvollzogen. Zur Festigung der Formeln sollten die Schüler nun einige einfache Berechnungen an rechtwinkligen Kugeldreiecken ausführen (siehe Kapitel 4.6). Auf die ausführliche Herleitung des Sinus-, Seitenkosinus- und Winkelkosinussatzes der sphärischen Trigonometrie sollte im Rahmen der Unterrichtsreihe aus Zeitgründen, aber auch im Hinblick auf den Schwerpunkt einer stark praxis- und anwendungsorientierten Einheit verzichtet werden. Für die folgenden 103 geographischen Anwendungen kann aber eine Vorstellung der Formeln nicht weggelassen werden. Zumindest die Vorgehensweise der Herleitung, die in enger Analogie zur Herleitung der betreffenden Sätze der ebenen Trigonometrie durch Zerlegen eines schiefwinkligen Dreiecks in zwei rechtwinklige Dreiecke erfolgt, sollte kurz behandelt werden. Eine Übersicht über die vielen theoretischen Formeln wird den Schülern auf einem zusammenfassenden Arbeitsblatt ausgeteilt und für die weiteren Anwendungen Anwendungsaufgaben, mathematischer dienen. auch Geographie im Für Hinblick und die Berechnung auf weiterführende Astronomie ist es verschiedener Arbeiten nützlich, auf in die Berechnungsmethoden fehlender Größen an schiefwinkligen Dreiecken einzugehen. Hierfür können die Schüler das Arbeitsblatt… bearbeiten, um einen Überblick zu erhalten. Anschließend sollen sie sich für die sechs möglichen Fälle bei der Berechnung der Größen eines sphärischen Dreiecks aus drei gegeben Größen überlegen, für welche der Fälle sie mit Hilfe ihres Arbeitsblattes bereits Formeln notieren können. Es wird deutlich, dass dies für die Fälle „ssw“ und „wws“ nicht eindeutig möglich ist, was vor allem in Aufgabe 22 (siehe Kapitel 4.6) zu sehen ist. Die am Ende der 2. Sitzung angesprochene Eigenschaft, dass es keine ähnlichen Figuren auf der Kugel geben kann, kann mit Hilfe des Kongruenzsatzes „www“ wiederholt werden. Besonders wichtig ist es nun, einen Gewinn aus den gelernten trigonometrischen Beziehungen und der aufgebauten Theorie der vorangegangenen Stunden aufzuzeigen und endlich eine Lösung der gestellten Eingangsfrage nach der kürzesten Verbindung zwischen Berlin (λ1 = 13,4° O, φ1 = 52,5° N) und Melbourne (λ2 = 144,7° O, φ2 = 38,5° S) (vgl. [Fil95]) aufzustellen. Mit ihrer Behandlung wird auf den Ausgangspunkt der Unterrichtsreihe zurückgegriffen, der ja gerade darauf baute, eine mathematische Theorie für die Beschreibung der geometrischen Eigenschaften der Erdoberfläche zu bestimmen. Hierfür müssen die Schüler zunächst am Globus untersuchen, welches sphärische Dreieck sich für die Durchführung der Berechnung anbietet und welche trigonometrischen Beziehungen genutzt werden können. Das Einzeichnen eines sphärischen Dreiecks, dessen Eckpunkte die betrachteten Orte sowie der Nordpol sind (das sogenannte Poldreieck) dürfte ihnen schnell einleuchten. An dieser Stelle wäre es auch sinnvoll die Begriffe orthodrome Entfernung und Orthodrome einzuführen. Durch Anwendung des Seitenkosinussatzes sollen die Schüler dann erst die orthodrome Entfernung am konkreten Beispiel Berlin, 104 Melbourne berechnen und dann eine Gleichung für die orthodrome Entfernung herleiten. Diese Berechnungen werden neben den Bezeichnungen im Poldreieck genau an der Tafel festgehalten werden. Als Abschluss dieser Sitzung und des ersten Teils der Unterrichtsreihe sollen die Schüler nun anhand eines anschaulichen Beispiels ihre gelernten Kenntnisse über die Eigenschaften der Kugeloberfläche anwenden und Aussagen treffen. Hierfür bietet sich der Ausschnitt einer Mercatorkarte mit der eingezeichneten Flugroute eines Transatlantikfluges, einmal als orthodrome Entfernung und einmal als Gerade zwischen zwei Orten, an. Die Schüler sollen nun erklären können, warum das Flugzeug, wie es auf der Karte aussieht, eine Kurve über Grönland fliegt und nicht den direkten Weg nimmt. Dabei können die gleichen Flugrouten zur Veranschaulichung auf einem nebenstehenden Globus eingezeichnet werden. Da die Schüler schnell einsehen werden, dass die ebene Karte das Gradnetz der Erdoberfläche nur sehr verzerrt wiedergibt, dürfte die Frage, ob es denn überhaupt möglich ist, die Erdoberfläche vollkommen ähnlich auf einer ebenen Fläche abzubilden, von Interesse sein. Hier kann ein Hinweis auf die Betrachtung der Innenwinkelsumme hilfreich sein. Als Ausblick auf ein mögliches Projektthema oder eine GFS können an dieser Stelle auch die Kurswinkel einer Route angesprochen werden, aufgrund derer es oft trotz Umweg sinnvoll ist die gerade Verbindung (Loxodrome) auf der Mercatorkarte zu wählen. Außerdem kann die Methode der Funkpeilung zur Motivation für eine tiefer gehende Beschäftigung angeführt werden. 4. Sitzung Die vierte Sitzung wird nun zunächst thematisch für die Schüler einen kleinen Einschnitt in den bisherigen Verlauf darstellen, da die Geometrie aus einem Blickwinkel betrachtet werden soll, der ihnen möglicherweise noch fremd ist. Sie sollten zunächst eine Vorstellung vom axiomatischen Aufbau der Geometrie erhalten, ihr also regelrecht „auf den Zahn fühlen“ und dann neben geschichtlichen Hintergründen die Entstehung der euklidischen Geometrie sowie des Parallelenproblems kennenlernen. Mit der Einbettung der sphärischen Geometrie in den Bereich der nichteuklidischen Geometrien wird nun der Bezug zu den vorherigen 105 Stunden wiederhergestellt und die Schüler können ihre gelernten Kenntnisse in einer Gegenüberstellung der sphärischen und euklidischen Geometrie wiederholen. Im Hinblick auf die darauffolgende Stunde und zum anschaulichen Verständnis der nichteuklidischen Geometrien sollten sie sich auch mit dem Begriff des Modells bekannt machen und auch hier rückgreifend erkennen, dass die betrachtete sphärische Kugelgeometrie genau ein solches Modell darstellt. Den Einstieg zur Einführung in den axiomatischen Aufbau der Geometrie könnte nach einem kurzen Vortrag zu den Anfängen des Beweisens in der Geometrie (siehe Kapitel 2.1) die Frage sein, wie man folgenden Satz beweist: Wenn ein Viereck eine Raute ist, dann stehen die Diagonalen aufeinander senkrecht. Die Schüler werden, nachdem sie aus dem Vortrag wissen, dass Beweise immer auf bekannten Aussagen, Sätzen und Definitionen beruhen, schnell merken, dass es nicht möglich ist, diesen Satz zu beweisen, ohne immer wieder auf definierte Begriffe zurückzugreifen. So folgt etwa auf die Frage, was denn überhaupt eine Raute ist, die Frage nach der Definition einer Seite bis hin zur Frage nach der Definition eines Punktes. Möglicherweise werden sie verblüfft sein, wie schwer es ist, eine eigene Definition des Punktes zu geben und dann, wie in Kapitel 2.1.1 ausgeführt, verstehen, warum auch die großen Mathematiker der Geschichte wie Platon, Aristoteles und Euklid sich damit schwer taten. Das Beispiel einer Endlosschleife von Definitionen im Comic-ausschnitt von Mutt und Jeff (siehe Abbildung 1) soll ihnen schließlich die Notwendigkeit von Grundaussagen und der Aufstellung eines axiomatischen Systems sowohl in der Geometrie als auch in der Sprache aufzeigen. Was genau ein Axiomensystem ist und welche Rolle dabei die Grundbegriffe, Axiome, Definitionen und Sätze einnehmen, sollten die Schüler möglichst gut an einem völlig abstrakten nichtgeometrischen Beispiel entdecken. Denn genau in der Methode, die Geometrie losgelöst von der Anschauung auf abstraktem Wege zu betrachten, steckt ja auch der Ursprung der nichteuklidischen Geometrien. Das Beispiel der „mömpfelnden Strunze“ (siehe Anhang 6.6), welches den Schülern auf Folie vorgestellt wird, gibt eine gute und einfache Aufstellung der Begriffe. Nach einer Vorstellung der Grundbegriffe, Axiome und des ersten Satzes sollen die Schüler sich darin versuchen, Satz MS2 in der vorgeführten Art und Weise selbst zu beweisen. Die Tatsache, einen völlig bedeutungsleeren Satz bewiesen zu haben, wird sie vielleicht 106 verblüffen, ihnen aber gerade die Wesenszüge eines Beweises und Axiomensystems deutlich machen. Nach diesem sehr abstrakten Beispiel wird man nun auf die Geometrie zurückkommen und mit einem kurzen Vortrag zur Entstehung der euklidischen Geometrie (siehe Kapitel 2.1.2) die fünf Postulate von Euklid und die fünf Axiomengruppen von Hilbert auf Folie vorstellen. Es ist dabei nicht unbedingt nötig, mit den Schülern den genauen Aussagengehalt der einzelnen Postulate und Axiome durchzugehen. Ihnen sollte vielmehr klar sein, dass die gesamte Geometrie, wie sie sie aus ihrem Schulunterricht kennen, auf diesem Grundgerüst eines Axiomensystems aufbaut, welches vor vielen tausend Jahren ein Mathematiker aufgestellt hat. Dass dabei das fünfte Postulat von Euklid, das sogenannte Parallelenpostulat, keineswegs als von vornherein gegeben galt und über Jahrhunderte hinweg die klügsten Mathematiker versuchten, es aus den anderen Postulaten heraus zu beweisen, kann den Schülern in einer kurzen Darstellung des Parallelenproblems erläutert werden. Dabei sollte ihnen das euklidische Parallelenaxiom (Zu jeder Geraden g und zu jedem nicht auf g liegenden Punkt A gibt es höchstens eine Gerade, die durch A verläuft und zu g parallel ist) an der Tafel präsent sein und durch eine Zeichnung anschaulich gemacht werden. So wie früher die vielen fehlgeschlagenen Beweisversuche des Parallelenaxioms bereits wichtige Eigenschaften einer nichteuklidischen Geometrie aufzeigten, können die Schüler nun im Untersuchen der von den Mathematikern verwendeten Aussagen bereits wichtige Eigenschaften einer möglichen Geometrie ohne Parallelenaxiom vorhersehen. Dafür erhalten sie Kopien von Beweisen ihnen bekannter mathematischer Sätze aus dem Schulbuch, wie den des Stufenwinkelsatzes, des Satzes von Pythagoras, der Existenz von ähnlichen Dreiecken, der Innenwinkelsumme von Dreiecken etc. und sollen in Partnerarbeit herausfinden, warum Beweise des Parallelenaxioms unter Verwendung dieser Sätze fehlschlugen. Es wird schnell deutlich, dass in den Beweisen jedes Mal von der Existenz von Parallelen Gebrauch gemacht wird und daher die verschiedenen Aussagen letztendlich alle zum Parallelenaxiom äquivalent sind. In einem kurzen Vortrag zur Entwicklung der nichteuklidischen Geometrien (Kapitel 2.1.4) verdeutlicht man den Schülern, dass sich schließlich im 19. Jahrhundert, also erst Jahre später, eine kleine Gruppe von Mathematikern überlegte, was passiere, 107 wenn man das Parallelenaxiom ändere und damit den Grundstein für die Entdeckung der nichteuklidischen Geometrien setzten (siehe Teil 2). Dazu kann die Frage gestellt werden, auf welche Art und Weise man denn das Axiom ändern könne, wenn es in seiner ursprünglichen Form nicht gelten soll. Während sie eventuell die Möglichkeit, dass es überhaupt keine Parallelen geben könnte, noch nennen werden, wird die Möglichkeit der Existenz mehrerer Parallelen sicherlich stark verwirren, gleichzeitig aber für Neugier sorgen. Die verschiedenen Varianten sollten alle an der Tafel oder auf Folie festgehalten und mit Namen benannt werden. Auf die Frage, welche dieser Varianten ihnen möglicherweise bekannt vorkommt, wird den Schülern an dieser Stelle bewusst, dass sie während der ersten Sitzungen schon die ganze Zeit über eine nichteuklidische Geometrie behandelt haben. Zur Verdeutlichung und Wiederholung sollen sie anhand einer vorgefertigten Tabelle mit Hilfe einiger Ansatzpunkte (siehe Anhang 6.7) die wichtigsten Eigenschaften der euklidischen und sphärischen Geometrie gegenüberstellen, worauf dann eine gemeinsame Besprechung folgt. Die Spalte der hyperbolischen Geometrie wird dabei völlig leer gelassen. Mit der Feststellung, dass die bekannte Kugelgeometrie also ein Beispiel oder ein Modell der elliptischen Geometrie ist, wird die Überlegung eingeleitet, was denn überhaupt ein Modell einer Theorie sei. Dies kann gut mit Hilfe des anfangs behandelten Beispiels der „mömpfelnden Strunze“ deutlich gemacht werden, indem den Grundbegriffen eine Interpretation (in unserem Falle „vier Bücher in einem Stapel“ und „sich oberhalb befinden“) zugeordnet wird. Die Schüler wandeln nun die Axiome über die Strunze in Aussagen über den Bücherstapel um und erkennen, dass es keinen Widerspruch gibt. Anschließend können auch die Sätze in Sätze über den Bücherstapel uminterpretiert werden. Nun sollte den Schülern klar sein, dass man, um sich eine mathematische Theorie vorstellen zu können, immer ein anschauliches Modell braucht, wie etwa die Geometrie auf der Kugeloberfläche als Modell der elliptischen Geometrie. An dieser Stelle wird nun zum Abschluss mit folgender Frage und den beiden Graphiken ein Ausblick auf die nächste Sitzung gegeben und die Neugier der Schüler geweckt: Wie könnte ein Modell für die hyperbolische Geometrie, in der es viele verschiedene Parallelen durch einen Punkt gibt, aussehen und wie können wir uns diese Geometrie in unserem realen Raum vorstellen? 108 5. Sitzung In der fünften Sitzung sollen die Schüler nun durch das anschauliche Kreisscheibenmodell einen kleinen Einblick in die fremde Welt der hyperbolischen Geometrie erlangen, einige wichtige Eigenschaften und Sätze dieser Geometrie kennenlernen und schließlich eine Idee davon bekommen, wie sie in unserem realen Raum vorstellbar ist. Nach einer kurzen Wiederholung der Bedeutung von Modellen machen die Schüler sich nun anhand des Computerprogramms Cinderella mit dem Kreisscheibenmodell der hyperbolischen Ebene vertraut (siehe Kapitel 4.6). Der größte Teil dieser Sitzung findet also in einem Raum mit Computerzugang statt, wobei jeweils zwei Schüler an einem PC arbeiten sollten. Nach einer kurzen Einführung und Erklärung der wichtigsten Funktionen von Cinderella erhalten die Schüler anhand eines Arbeitsblattes (siehe Anhang 6.8) Forschungsaufträge, anhand derer sie die wichtigsten Eigenschaften der hyperbolischen Ebene und Geometrie selbständig untersuchen und herausfinden sollen. Die Ergebnisse sollten dabei festgehalten werden. So können sie in einer spielerischen Art und Weise selbst entdecken, dass Geraden hier zum Beispiel durch Kreisbögen dargestellt werden, zu einer vorgegebenen Geraden durch einen Punkt immer zwei Parallelen existieren oder dass die Innenwinkelsumme eines Dreiecks kleiner als 180° ist. Danach erfolgt eine gemeinsame Besprechung der Auftragsergebnisse, anhand derer die Schüler dann die Spalte der hyperbolischen Geometrie in ihrer Gegenüberstellung der wichtigsten Eigenschaften der drei Geometrien (siehe Anhang 6.7) vervollständigen können. Einige Punkte der Vergleichstabelle werden die Schüler vermutlich nicht nennen, diese sollten zur Vollkommenheit gemeinsam nachgetragen werden. An dieser Stelle geht es nun darum, den Schülern eine möglichst anschauliche Vorstellung von dem sehr verwirrenden Grundgerüst der hyperbolischen Geometrie zu geben. Zunächst könnte man durch das Anzeichnen verschieden großer Dreiecke mit dementsprechenden Innenwinkeln, die mit zunehmender Dreiecksgröße abnehmen (Abbildung 91), deutlich machen, dass sich genau wie in der sphärischen Geometrie auch hier trigonometrische Beziehungen herleiten lassen, bei denen sich die euklidischen Beziehungen als Grenzfall ergeben, wenn die Dreiecksseiten gegen Null gehen. Allein diese Überlegung bringt die Schüler auf den Gedanken, dass sich die hyperbolische Geometrie im „Kleinen“ genauso verhält wie die euklidische 109 Geometrie, die ja unserer Anschauung entspricht. Eine weitere Hilfe stellt die Abbildung 92 dar, die den Schülern als Folie präsentiert werden kann. Hier sehen sie die sich ändernde Gestalt eines Dreiecks in den unterschiedlichen Geometrien, außerdem das Bild einer Traktrix, die ungefähr die Form des Endes einer Trompete hat. Hier lassen sich die vielen nebeneinanderliegenden Parallelen gut erkennen. Dennoch werden die Schüler an dieser Stelle wohl immer noch nicht zufrieden und die Frage offen sein, wo denn in unserer realen Umwelt die hyperbolische Geometrie stecken solle. Hier ist die anschauliche Vorstellung und Erläuterung des Bildes eines Kreisscheibenbewohners, der sich dem Rand der Kreisscheibe nähert (siehe Kapitel 2.2) gut einsetzbar, woraufhin folgende Frage gestellt werden sollte: Was wäre, wenn wir eine sozusagen dreidimensionale Version des Kreisscheibenbewohners wären? Wenn wir uns eine riesige innen schwarz angemalte Sphäre vorstellen, die unser bekanntes Universum beinhaltet und die Menschen als winzige Lebewesen in der Nähe des Mittelpunktes, in der sich Geraden genauso krümmen und Dinge mehr und mehr schrumpfen, je näher sie sich dem Rand nähern… Wünschenswert wäre, die Schüler an dieser Stelle zum Grübeln und zu der Einsicht zu bringen, dass wir als Menschen gar nicht so ganz genau sagen können, wie sich die wahre Geometrie des Raumes um uns herum verhält. Einen wichtigen Abschluss bildet nun ein kurzer Vortrag zur Bedeutung der nichteuklidischen Geometrie in der modernen Physik und Kosmologie. Hier spielt sie eine wichtige Rolle in Forschung und Lehre, wie etwa Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie (siehe Kapitel 2.2.3). Im besten Falle könnte ein Fachmann aus der Physik eingeladen werden, der den Schülern die Verbindung zur angewandten Physik genau erläutert und Fragen beantwortet. Für das Modul des Hector-Seminars konnte beispielsweise Herr Prof. Dr. Carlo Ewerz, Mitarbeiter des ExtreMe Matter Institutes EMMI vom GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt und Gastprofessor am Institut für Theoretische Physik der Universität Heidelberg, gewonnen werden, der mit viel Engagement das Interesse der Schüler weckte und einen gelungenen Abschluss der Unterrichtseinheit bot. Mit dem Hinweis darauf, dass die Frage, ob die Geometrie unseres Weltalls im „Großen“ nun aber sphärisch, euklidisch oder hyperbolisch ist, noch heute zu den 110 großen aktuellen Fragen der Forschung in der Physik zählt, sollte den Schülern die Aktualität des von ihnen behandelten Stoffes bewusst werden. Zur Motivation der Schüler kann noch verdeutlicht werden, dass die Entdeckung der nichteuklidischen Geometrien, die eine regelrechte Revolution in der Mathematik auslöste, einzig und allein der Tatsache zu verdanken ist, dass es Wissenschaftler gab, die den Mut besaßen für ihre Ideen und Erkenntnisse einzustehen. Der Gedanke nämlich, zu einer vorgegebenen Geraden durch einen Punkt plötzlich mehr als eine Gerade zu zeichnen, stieß in der wissenschaftlichen Umwelt auf heftigen Widerspruch und so musste es damals wie heute Wissenschaftler geben, die ihren Zeitgenossen vorauseilten. Dieser Gedanke sollte die Schüler im besten Falle für die Wissenschaft und Forschung anregen und damit eine gute Motivation für ihre eigenen Projektthemen darstellen. 4.5 Der Einsatz von Lehrmaterialien und Unterrichtsmedien Für die Durchführung einer Unterrichtsreihe zu nichteuklidischer Geometrie ist der Einsatz geeigneter Lehrmaterialien, besonders im Hinblick auf die sphärische Geometrie, nach Filler (vgl. [Fil95], Kapitel 3.4) aus folgenden Gründen von großer Bedeutung: · Ein Verständnis des Stoffes wird meist erst durch eine gute Veranschaulichung der behandelten Begriffe und Zusammenhänge erreicht · Durch geeignete Materialien kann die Entwicklung des räumlichen Vorstellungsvermögens der Schüler stark motiviert werden · Geographische Unterrichtsmedien wie Globus oder Atlas machen den starken Anwendungsbezug des Unterrichtsstoffes deutlich · Durch die Herstellung von Modellen werden die Schüler zu einer interessanten und kommunikativen Schülertätigkeit motiviert und erleben einen abwechslungsreichen Unterricht Speziell für den Teil der sphärischen Geometrie können dabei neben OH-Folien und Arbeitsblättern (siehe Anhang) folgende Unterrichtsmedien verwendet werden: - Evtl. Atlanten, geographische Karten 111 - Globus - Aufblasbarer Plastikglobus (kann mit wasserlöslichen Folienstiften bemalt werden) - Schieferglobus (kann mit Kreide bemalt und abgewaschen werden) - Styropor- und Plastikkugeln (können mit wasserlöslichen Folienstiften bemalt werden) - Schuhkartons und Pappe zum Bau eines Großkreislineals - Pappmodell eines sphärischen Dreikants mit Abbildung 95 herunterklappbaren Begrenzungsflächen und Stützdreiecken (siehe Vorlage Anhang 6.5) Der Einsatz von Globus, aufblasbarem Plastikglobus und Schieferglobus bietet sich vor allem zu Darstellungszwecken „räumlicher Skizzen“ an, die parallel zur Entwicklung an Tafel oder auf Folien erstellt werden. Sie ermöglichen es dem Lehrer, die Schüler in ein entwickelndes Lehrer-Schülergespräch zu bringen und gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Die kleineren Styroporkugeln, auf denen mit Pinnadeln und Faden Großkreise befestigt werden können, und Plastikkugeln erlauben es, dem Schüler, allein oder in Partnerarbeit eigene Experimente und Versuche anzustellen. Das Großkreislineal, dessen Bau in Anhang 6.4 beschrieben wird, ermöglicht ein schnelles und korrektes Zeichnen von Großkreisen. Das Modell eines Dreikants kann nach Anleitung (siehe Anhang 6.5) mit Zeichenkarton angefertigt werden und soll die Zusammenhänge von sphärischem Dreieck und Dreikant für die Herleitung der trigonometrischen Beziehungen veranschaulichen. Für einzelne Experimente oder Aufgaben sind von den Schülern zusätzlich Materialien wie Zirkel, Schere oder Geodreieck, sowie auf eigene Ideen beruhendes Material (z. B. Maßband oder Pauspapier) mitzubringen. Für die Behandlung des axiomatischen Aufbaus der Geometrie und den damit verbundenen Themen der 4. Sitzung wird außer den angeführten Folien und Arbeitsblättern kein weiteres Material benötigt. Bei der Behandlung der hyperbolischen Geometrie ist nun der Einsatz der interaktiven Geometrie-Software Cinderella von großer Bedeutung. Die kostenfreie Cinderella Version 1.4, entwickelt 1993 – 1998 von J. Abbildung 96 Richter-Gebert und U. Kortenkamp (vgl. [Ko99] und [Lo09]) an der TU München, ist wie das Computerprogramm Sphäri (Mayer 1997 bis 1999) eine 112 dynamische Geometrie-Software zur Kugelgeometrie. Während Sphäri, wie in [Chr98] genauer dargestellt, allerdings nur Konstruktions- und Visualisierungsmöglichkeiten auf der Kugeloberfläche mit Hilfe des Computers entwickelt, lassen sich mit Cinderella neben Figuren der euklidischen Geometrie auch solche der elliptischen und hyperbolischen Geometrie darstellen. Dabei umfasst der Funktionenumfang von Cinderella alle Abbildung 97 für die Behandlung der hyperbolischen Geometrie im Unterricht notwendigen Befehle, wie das Einzeichnen von Punkten, Geraden, Winkelhalbierenden, Parallelen, Senkrechten oder das Messen von Strecken, Winkeln und Flächen. Durch Betätigung des Schalters „Hyp“ und im Menü des Schalters „hyperbolic“ erscheinen alle Zeichnungen auf Basis der Cayley-KleinGeometrie in der hyperbolischen Ebene, dem Abbildung 98 Kreisscheibenmodell. Zum Weiterlesen wird in [Ko99] ein ausführlicher „Crashkurs in die Theorie und Hintergründe der dem Modell zugrundegelegten Cayley-KleinGeometrien gegeben. Die Handhabung der nichteuklidischen Geometrien wird laut Kortenkamp und Richter-Gebert ebenso einfach wie die der normalen euklidischen Geometrie. In [Chr98] beschreibt Monika Christl einen computerintegrierten Lehrgang zu Kugelgeometrie mit Sphäri in 28 Unterrichtsstunden und arbeitet dabei die große Bereicherung und methodische Erweiterung des Unterrichts durch digitale Medien heraus. Hier werden als Pluspunkte neben der enormen Zeitersparnis viele von den Schülern erlernte Kompetenzen wie das Verbalisieren und Präsentieren von Beobachtungen und Entdeckungen, die Erweiterung der Medienkompetenz, Selbständigkeit durch eigenständiges Bearbeiten von Arbeitsblättern oder die Kommunikationsfähigkeit Unterrichtseinheit ein mit Sitznachbarn Schwerpunkt bei angeführt. der Da in Kugelgeometrie unserer auf dem Experimentieren und Forschen an plastischen Modellen liegt, beziehen sich diese zu erwerbenden Kompetenzen nun genauso auf die Behandlung der hyperbolischen Geometrie, deren Veranschaulichung an realen Modellen weitaus schwieriger ist. Für einen Einblick in die wichtigsten Grundeigenschaften und Begriffe der hyperbolischen Geometrie erarbeiten die Schüler eigenständig ein für sie konzipiertes Arbeitsblatt (siehe Anhang 6.8). Cinderella (Version 1.4) kann kostenlos aus dem Netz heruntergeladen werden (www.cinderella.de). Zur weiteren Lektüre findet man hier auch ein vollständiges 113 Benutzerhandbuch, sowie unter [Lo09] eine Einführung der Geometriesoftware Cinderella, die sich aber vor allem auf Konstruktionen in euklidischer Geometrie bezieht. An Unterrichtsmedien und technischen Voraussetzungen werden also für diesen Teil der Einheit folgende Punkte benötigt: - Rechner in ausreichender Anzahl - evtl. Beamer - Download und Installation der kostenfreien Cinderella-Version 1.4 - Arbeitsblätter (siehe Anhang 6.8) 4.6 Aufgabensammlung (exemplarisch): Die folgende Aufgabensammlung gibt exemplarisch mögliche Hausaufgaben für die Behandlung der Unterrichtseinheit im Schulunterricht. Darunter sind sowohl Aufgaben zur Übung als auch Aufgaben, die die nächste Stunde vorbereiten können und dabei helfen, den zeitlichen Ablauf zu verkürzen. Dabei kann bei der Trennung der 5 Sitzungen in jeweils zwei Doppelstunden oft auch der zweite Teil einer Sitzung mit einer Hausaufgabe vorbereitet werden (z.B. Aufgaben 15, 17, 20). Hierfür bieten sich auch viele der in Kapitel 4.4 beschriebenen Fragestellungen an. Allgemein sollte bei der Hausaufgabenstellung klar sein, ob die Schüler benötigtes Material, wie Styropor- oder Plastikkugeln zur Verfügung haben oder ob bei den Hausaufgaben darauf verzichtet werden kann. Die folgenden Aufgaben sind der Literatur von [Kug83], [Aba95], [Fil93] entnommen. Sitzung 1: Zur Übung: 1. Wie viele Großkreise gehen durch einen Kugelpunkt (durch 2, 3 Kugelpunkte)? 2. Zwei Jäger brechen am Morgen aus ihrem Lager auf und gehen gemeinsam eine Stunde nach Süden. Dann trennen sie sich. Der eine geht etwa drei Stunden nach Osten, der andere etwa drei Stunden nach Westen. Plötzlich sehen beide in der Ferne eine Bewegung vor sich und schießen gleichzeitig. Danach hat man nie wieder etwas von ihnen gehört. 114 Erkläre, warum diese Tragödie nicht passiert wäre, wenn die Jäger sich mit der Geometrie auf der Kugel besser ausgekannt hätten. Voraussetzung ist allerdings, dass sie ihren ganz speziellen Ausgangspunkt genau kennen. 3. Der Mittelpunkt O eines Kleinkreises auf der Erdkugel liegt 3185 km über dem Erdmittelpunkt. Berechne den Umfang des Kleinkreises (Erdradius R=6370 km) 4. Berechne die Länge (in km) eines Großkreisbogens auf der Erde mit dem Mittelpunktswinkel von 1°. 5. Stelle mit Hilfe einer Weltkarte fest, wo ungefähr der Gegenpunkt deines Heimatortes liegt. Als Vorbereitung zur nächsten Sitzung: 6. Wiederholung der aufgestellten Definitionen und Begriffserklärungen der 1. Sitzung Sitzung 2: Zur Übung: 7. Welchen Teil der Kugeloberfläche umfasst ein Zweieck mit α=30°, 75°, 67½°? Was ergibt sich für α=180° und α=360°? 8. Wann sind zwei Kugelzweiecke deckungsgleich? 9. Erläutere, unter welchen Umständen es möglich ist, dass alle vier Kugelzweiecke, die von zwei Großkreisen erzeugt werden, kongruent sind. Wie müssen insbesondere die beiden Großkreisebenen angeordnet sein? 10. Zeige: Ist α im Bogenmaß gemessen, so ist die Zweiecksfläche A=2r2α 11. Welchen Teil der Kugeloberfläche umfasst ein Dreieck mit a) α=90°; β=90°; γ=60° b) α=β=γ=135° c) α=70°; β=80°; γ=120° d) α=β=γ=60° 12. Wie viele Quadratkilometer misst auf der nördlichen Erdhalbkugel die Fläche zwischen dem Nullmeridian und dem 30°-Meridian (östliche Länge)? (Erdradius: 6370 km) Als Vorbereitung zur nächsten Sitzung: 13. Stelle mit Hilfe der Weltkarte fest, wo ungefähr der Gegenpunkt deines Heimatortes liegt. 115 14. Auf welchem Breitenkreis liegt Karlsruhe (Mainz, Dresden, London, St. Petersburg, Philadelphia) Auf welchem Meridian liegt Hamburg (Görlitz, Essen, Dortmund, Warschau, Pittsburgh)? 15. Basteln des Dreikants nach der Bastelvorlage 16. Wiederholung der Gleichungen der ebenen Trigonometrie Sitzung 3: 17. Prüfe die Nepersche Regel für die ersten 6 der aufgestellten trigonometrischen Beziehungen nach. 18. Berechne die fehlenden Teile eines rechtwinkligen Kugeldreiecks aus 1. a = 50°; b = 60° 2. b = 90°; c = 90°; ß = 90° 19. Bestimme rechnerisch die Länge des kürzesten Weges für den Flug a) Von Frankfurt (-8,7°/50,1°) nach San Francisco (+122,4°/37,8°) b) Von Paris (-2,4°/48,9°) nach Colombo (-79,8°/6,9°) c) Bestimme die Durchschnittsgeschwindigkeit bei folgenden Flugzeiten: a) 25 h 30 min b) 23 h 12 min 20. Bearbeitung des Arbeitsblattes „Überblick über die Grundformeln“ (Anhang 6.5.5) 21. Welche Fälle können auftreten, wenn in einem sphärischen Dreieck drei Größen gegeben sind, aus denen die anderen berechnet werden sollen? Für welche der Fälle kannst du mit Hilfe von Arbeitsblatt 6.5.5 Formeln notieren? 22. Zwei Dreiecke DABC und DA'B'C' mit den Seitenlängen a = a' und b = b' sowie den Winkelgrößen α = α ' sind wegen c ≠ c' nicht kongruent. Gib eine geometrische Interpretation des Beispiels. Sitzung 4: 23. Beweisen von Satz MS3 über die mömpfelnden Strunze nach dem behandelten Schema 24. Evtl. Untersuchen der Beweise von den zum Parallelenaxiom äquivalenten Aussagen (falls nicht im Unterricht durchgeführt) 116 25. Evtl. Bearbeiten der Gegenüberstellung der wichtigsten Eigenschaften und Sätze der euklidischen und sphärischen Geometrie (siehe Arbeitsblatt 6.7) Sitzung 5: 26. Vervollständigung der Gegenüberstellung (siehe Anhang 6.7) in der Spalte der hyperbolischen Geometrie Ausgewählte Lösungen: 7. 1/12; 5/24; 3/16 8. Wenn sie in r und α übereinstimmen 11. a) 1/12 b) 1/8 c) 5/16 d) 0 12. 21,2·106 km2 15. a) Entfernung e = 82,1°≈9124 km; v= 358 km/h b) e = 76,5°≈8503 km; v=366 km/h 18. 1. c = 71,25°, α = 53,99°, β = 66,14° 2. a, c, β = 90° 19. a) lort = 82,1° ≈ 9124 km, v = 358 km/h b) lort = 76,5° ≈ 8503 km, v = 366 km/h 22. Die geometrische Ursache dafür, dass ein Dreieck durch die angegebenen Stücke nicht eindeutig bestimmt ist, besteht darin, dass der durch b und a vorgegebene Großkreis (auf dem B liegen muss) und der sphärische Kreis um C mit dem Radius a (auf dem B ebenfalls liegen muss) zwei Schnittpunkte haben und daher zwei Dreiecke mit den vorgegebenen Größen existieren (vergleiche hierzu auch Abbildung 38). 117 4.7 Evaluation der Seminarreihe Hauptziel einer Evaluation ist es unter anderem „die Qualitätssicherung und -entwicklung an den Schulen selbst zu stärken“[LS07a]. Diese innerschulische Qualitätssicherung und -entwicklung benötigt eine klare Zielorientierung, deren Erreichen durch systematische Datenerhebung und -auswertung einer Evaluation kontrolliert werden kann [LS07a]. Die folgende Evaluation soll sowohl Rückschlüsse darüber liefern, inwiefern eine Behandlung von nichteuklidischer Geometrie im gymnasialen Schulunterricht geeignet ist als auch die Verwendbarkeit der Unterrichtsmaterialien und -verläufe prüfen. Dabei wurde die Analyse mit Hilfe der Materialien zur Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation des Landesinstituts für Schulentwicklung Baden-Württemberg (vgl. [LS07b] und [LS07a]) erstellt. Die Analyse stützt sich dabei auf die Angaben, die die teilnehmenden Schüler des HectorSeminars nach der Durchführung der fünf Sitzungen zu nichteuklidischer Geometrie gemacht haben. Im Evaluationsbogen (siehe Anlage 6.3), der in fünf einzelne Themenbereiche gegliedert ist, sollen dabei zunächst allgemeine Fragen zu Themenwahl, Niveau, Verständnis und Interesse beantwortet werden. Außerdem werden der Wissensstand und die Voraussetzungen der Schüler genauer betrachtet, Fragen zu Nutzen und Hilfe der Arbeitsmaterialien gestellt sowie die Motivation der Schüler zur Weiterarbeit durch spaßbringende Gestaltung und anwendungsorientierte Themen untersucht. Durch eine offene Fragestellung sollen am Schluss eventuelle Änderungen und Verbesserungsvorschläge ermöglicht werden. Die Evaluationsbögen wurden am 11.03.10 im Hölderlin-Gymnasium von 12 der 14 teilnehmenden Schüler des Moduls „Jetzt geht’s rund! - Kugelgeometrie“ ausgefüllt (8 Jungen und 4 Mädchen). Eine Hälfte der Schüler ging in die 9. Klasse, die andere Hälfte in die 10. Klasse. Die Aussagen, die den Schülern gegeben wurden, sollten mit einer Notenskala von 1 für „trifft absolut zu“ bis 6 für „trifft überhaupt nicht zu“ bewertet werden. In den folgenden Balkendiagrammen sind die Ergebnisse der abgegebenen Stimmen ausgewertet und graphisch dargestellt (bei einigen der Verteilungen wurde eine Unterscheidung zwischen den Klassenstufen gemacht): Themenbereich A: Allgemeine Fragen (1) Verteilung zu: Das Thema hat mir gefallen (2) Verteilung zu: Ich habe fachlich viel Neues dazu gelernt 118 8 8 (1) 6 (2) 6 4 4 alle Schüler 2 0 Klasse 10 2 Klasse 9 0 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 (3) Verteilung zu: Ich fand das Thema realitätsnah und anwendungsorientiert (4) Verteilung zu: Das Niveau der Themen war angemessen (4) (3) 6 4 alle Schüler 2 0 8 6 4 2 0 Klasse 10 Klasse 9 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 (5) Verteilung zu: Ich fand die geschichtlichen Hintergründe interessant (6) Verteilung zu: Ich fand den Teil zum axiomatischen Aufbau der Geometrie interessant 6 4 (6) (5) 4 2 alle Schüler alle Schüler 2 0 0 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 (7) Verteilung zu: Ich habe das Thema Kugelgeometrie verstanden (8) Verteilung zu: Ich habe das Thema nichteuklidische Geometrie allgemein verstanden 8 (8) (7) 6 4 alle Schüler 2 0 1 2 3 4 5 6 8 6 4 2 0 alle Schüler 1 2 3 4 5 6 119 (9) Verteilung zu: Die Behandlung 6 nichteuklidischer Geometrie könnte (9) 4 ich mir auch im Schulunterricht 2 vorstellen alle Schüler 0 1 2 3 4 5 6 Themenbereich B: Wissensstand und Voraussetzungen (10) Verteilung zu: Ich habe vor Beginn des Moduls schon etwas von nichteuklidischer Geometrie gehört (11) Verteilung zu: Ich bin schon einmal auf ein Problem gestoßen, das mit Kugelgeometrie zu tun hat (12) Verteilung zu: Das Niveau entsprach meinem Wissensstand und persönlichen Voraussetzungen (12) (10) (11) 6 6 4 Klasse 10 2 4 alle Schüler 2 Klasse 9 0 0 1 2 3 4 5 6 8 6 4 2 0 Klasse 10 Klasse 9 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 Themenbereich C: Arbeitsmaterialien (13) Verteilung zu: Die Arbeitsmaterialien waren hilfreich und gut zur Veranschaulichung (14) Verteilung zu: Die praktische Arbeit an den Modellen (Kugeln, Globus, etc.) hat Spaß gemacht (15) Verteilung zu: Der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben war angemessen (13) (14) 6 (15) 6 4 4 alle Schüler 2 0 alle Schüler 2 0 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 8 6 4 2 0 Klasse 10 Klasse 9 1 2 3 4 5 6 120 (16) Verteilung zu: Die Arbeit am Computer mit Cinderella hat Spaß gemacht (17) Verteilung zu: Die Arbeit am Computer hat mir geholfen das Thema besser zu verstehen 6 8 (17) (16) 6 4 4 alle Schüler 2 0 alle Schüler 2 0 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 Themenbereich D: Motivation (18) Verteilung zu: Ich wurde durch den ersten Teil der Modulphase motiviert an einem Thema weiterzuarbeiten und dieses zu präsentieren (19) Verteilung zu: Ich bin zufrieden mit der Gestaltung und Durchführung des ersten Modulteils 8 (18) 6 8 (19) 6 4 4 alle Schüler 2 0 alle Schüler 2 0 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 Themenbereich E: Offene Fragestellungen · Frage: Was hat dir besonders gut gefallen? Antworten Nennungen Malen, Zeichnen und Experimentieren an der Kugel 4 Praktische Aufgaben zum Alltag 3 Selbständiges Erarbeiten der Formeln 2 Arbeit am Computer 3 Vortrag zu Anwendungen in der modernen Physik 5 Das Thema Kugelgeometrie 1 · Frage: Was hat dir weniger gefallen? 121 Zeitweise zu trocken 2 Verbesserungsvorschläge: - Mehr Zeit für Wiederholungen und Erklärungen - Weniger Definitionen - Mehr Übungs- und Knobelaufgaben 4.8 Ergebnis und Schlussbetrachtung Die Diagramme zeigen allgemein eine sehr positive Resonanz der Schüler. Sowohl die erste Aussage über das Gefallen des Themas als auch die abschließende Aussage über die allgemeine Zufriedenheit mit der Wahl des Moduls wurden bis auf eine Ausnahme mit den Schulnoten 1 bis 3 bewertet. 11 von 12 Schülern geben an, fachlich sehr viel Neues gelernt zu haben, was in erster Linie einen großen Erfolg für die Durchführung bedeutet. Die Mehrheit der Schüler gab insbesondere an, vor Beginn des Moduls nur wenig bis zu kaum etwas über nichteuklidische Geometrie gewusst zu haben (Diagramm (10)). Ein Mittelwert von 2,6 bei der Verteilung von Diagramm (3) zeigt zwar, dass es durchaus möglich ist ein derart komplexes Thema realitätsnah und anwendungsorientiert zu gestalten, dies aber durchaus zu verbessern ist. Die Überlegung, weniger Definitionen vorzugeben und mehr Anwendungsaufgaben durchzuführen, spiegelt sich auch in den Verbesserungsvorschlägen der Schüler wider. Gerade die praktischen Aufgaben zum Alltag wurden von drei Schülern auf die Frage hin, was ihnen am besten gefallen hat, genannt. Erstaunlicherweise zeigt Diagramm (6) aber auch, dass die Schüler den eher theoretischen Teil zum axiomatischen Aufbau der Geometrie sehr interessant fanden. Es überrascht nicht, dass die Schüler die Verwendung der Arbeitsmaterialien und deren Veranschaulichung als sehr hilfreich bewerteten. Besonders die praktische Arbeit an den Modellen wurde wie erwartet sehr positiv angenommen und auch auf die Frage hin, was ihnen am besten gefallen hat, wurde das Arbeiten am Modell der Kugel mit vier Stimmen genannt. Auch die Arbeit am Computer mit dem Softwareprogramm Cinderella kam offensichtlich recht gut an, scheint allerdings im Vergleich zum Umgang mit praktischen Modellen wie Kugel und Globus weniger zum 122 Verständnis des Thema beigetragen zu haben. Dies mag allgemein an der hier zu untersuchenden sehr abstrakten Theorie der hyperbolischen Geometrie liegen, kann aber auch auf eine ungenügende Einführung in das Programm hindeuten. Möglicherweise sollten die selbst zu erarbeitenden Forschungsaufträge am Computer noch genauer besprochen und erläutert werden. Fünf der Schüler nannten den abschließenden Vortrag von Herrn Ewerz zu Anwendungen nichteuklidischer Geometrie in der modernen Physik und Kosmologie als einen Punkt, der ihnen besonders gut gefallen hat. Dieser rundete die „Inputphase“ hervorragend ab und motivierte die sehr interessierten Schüler zu zahlreichen weiterführenden Fragen. Eine derartige Beendigung der Unterrichtsreihe ist daher sehr zu empfehlen und sicherlich auch mit Grund für die in Diagramm (18) mit einem Mittelwert von 2,3 aufgezeigte Motivation der Schüler, an einem weiterführenden Thema zu arbeiten und dieses zu präsentieren. Die genauere Betrachtung der Bewertungen von Schülern der 9. im Vergleich mit Schülern der 10. Klassenstufe vor allem bei Aussagen (2), (4), (12) und (15), die das Niveau der Themen und Aufgaben, Schwierigkeitsgrad, eigenen Wissensstand und persönliche Voraussetzungen hinterfragen sollten, zeigt keine hervorstechenden Unterschiede. Auffallend ist allerdings, dass sich gerade bei diesen Fragen ein Schüler der 9. Klasse von der Mehrheit abzusetzen scheint und sowohl Aussagen (2), (4) und (12), als auch Aussagen (7) und (8) über das Verstehen der Inhalte stark abweichend von den übrigen Schülern mit Schulnoten 5 und 6 bewertete. Eine mögliche Interpretation dieser Abweichung in Verbindung mit seiner in (9) dargestellten Unzufriedenheit über das gesamte Modul wäre, dass das behandelte Thema die Gefahr mit sich bringt, schwächere Schüler schnell „abzuhängen“. Der Verbesserungsvorschlag, mehr Zeit für Wiederholungen und Erklärungen einzuplanen, könnte dies vermeiden. Die Betrachtung der Diagramme (7) und (8), welche eine Selbsteinschätzung der Schüler bezüglich ihres Verständnisses der Themen darstellen, lässt dennoch allgemein ein sehr positives Ergebnis zu. Daraus kann als Konsequenz gezogen werden, dass das Niveau der Unterrichtsreihe für die Schüler des Hector-Seminars angemessen war. Die ideale Altersstufe für die Behandlung im Schulunterricht könnte daher vom Ende der 10. Klasse bis in die Oberstufe angesiedelt werden. Allerdings sollte, als Rückschluss auf die allgemeine Verwendbarkeit des Themas im Schulunterricht, die besondere Gruppenzusammensetzung berücksichtigt werden. Es handelte sich hier um 123 hochbegabte, mathematikinteressierte Schüler in einem Kurs von insgesamt 14 Schülern. Dies ermöglichte individuelles Eingehen und gewinnbringendes Arbeiten auf einem sehr hohen Niveau. Über die Möglichkeit einer Behandlung des Themas im alltäglichen Mathematikunterricht waren auch die Schüler, wie Diagramm (9) zu entnehmen ist, sehr geteilter Meinung. Um Aussagen über die Verwendbarkeit im Schulunterricht machen zu können, wäre es sicherlich sinnvoll, dort eine erneute Studie durchzuführen. Es lässt sich allerdings zusammenfassend sagen, dass die Resonanz der Schüler auf das Thema und die gesamte Unterrichtsreihe sehr positiv ausfielen. Rückblickend auf die in der Einleitung gestellte Frage nach einer Erarbeitung und Modellierung des Gebiets der nichteuklidischen Geometrie für eine sinnvolle Behandlung im Schulunterricht lässt sich die vorliegende Arbeit also als eine mögliche Antwort sehen. Die in Kapitel 4.3 gesteckten Ziele konnten größtenteils erfüllt und den Schülern die Realitätsnähe der Mathematik durch zahlreiche Anwendungen aufgezeigt werden. Offen bleibt natürlich die Frage, inwiefern das Thema im alltäglichen Schulunterricht, insbesondere mit schwächeren Schülern durchführbar ist. Betrachtet man allerdings erneut das zu Beginn erwähnte Zitat Lobatschewskis „befragt die Natur, sie enthält alle Wahrheiten ... Hier wird das gelehrt, was wirklich existiert und nicht das, was von einem untätigen Verstand erfunden worden ist" ([Sp06]), so sollte meines Erachtens diese Motivation und das Staunen darüber, Mathematik in der Natur und Wirklichkeit zu finden, nicht nur besonders begabten Schülern vorbehalten sein. Die Begeisterung und das Interesse der Schüler im Anschluss an den Vortrag zu Anwendungen nichteuklidischer Geometrie in der modernen Physik und Kosmologie – von der Krümmung im Raum, über Einsteins Relativitätstheorie bis hin zu Gravitationslinsen - zeigte, welch enorme Bedeutung diese Anwendungsorientierung für die Motivation der Erarbeitung schwieriger Formeln und Berechnungen hat. Besonders die Tatsache, dass in der aktuellen Forschung auch in Verbindung mit nichteuklidischer Geometrie noch etliche Fragen offen bleiben, gab den Schülern das Gefühl selbst an einem wichtigen Prozess teilzuhaben und zeigte ihnen, dass Mathematik eine lebendige Wissenschaft ist. Dies versucht die vorliegende Arbeit zu verdeutlichen und damit dem Gebiet einen wichtigen Stellenwert im mathematischen Bildungsweg eines Schülers zu geben. 124 LITERATUR [Aba95] Dustmann, Friedrich Wilhelm: Abakus, angewandte Mathematik, Materialien für den Unterricht im Differenzierungsbereich, Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn, 1995 [Ag09] Agricola I./Friedrich T., Elementargeometrie, 2. 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Ø Motivation der Schüler zur Erforderlichkeit die Grundlagen der Kugelgeometrie in den kommenden Stunden genauer zu untersuchen Wdh. der Begriffe Kreis und Kugel, Definition der Sphäre (Tafelbild 1) Rückgriff auf das Eingangsexperiment Erarbeitung der Definition von Großkreisen/Kleinkreisen (Tafelbild 1) Frage: Wie kann man Großkreise auf der Kugel zeichnen? Frage: Was ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei weit voneinander entfernten Orten auf der Erde (Berlin und Melbourne)? Ist es in der Praxis möglich auf diesem Wege von einem Ort zum anderen zu gelangen? Durchführung Abstand Definition des Abstandes (Tafelbild 1) Erarbeitung der Umrechnungsformel (Wdh. Bogenlänge) Frage: Warum ist der Großkreis die kürzeste Verbindung? Ø Veranschaulichung in der ebenen Geometrie Tafelbild: Abbildung 66 Punkt/Gerade/Strecke Fragen: · Was sind Punkt, Gerade und Strecke in der ebenen Geometrie? · Wie viele Geraden verlaufen durch zwei Punkte auf der Kugel (gibt es Ausnahmen)? · Wie könnte man eine sphärische Strecke eindeutig definieren? Ø Erarbeitung der Definition von Punkt, Gerade, Strecke und diametralen Punktepaaren (Tafelbild 1) Sphäre Großkreis/Kleinkreis Einstieg in das Seminar Inhalt Auftrag: Stelle dir vor du wärst mit dem Rad auf einer Straße entlang eines Großkreises auf der Kugel unterwegs. Geh mit dem Auge ganz dicht an die Kugel. Musst du steuern um auf der Straße zu bleiben? Globus, Styropor/Holzkugel, Schuhkarton, Schere, Zirkel Veranschaulichung durch Meridiane, Breitenkreise auf dem Globus Experimentieren an der Kugel Bau eines Großkreislineals (siehe Anhang 6.3) Styroporkugel, Stecknadeln, Faden Experimentieren durch Konstruktionen von Geraden, Strecken etc. Globus (Stecknadel, Gummiband o. Aufkleber, Faden) Spannen eines Gummibandes zwischen zwei Punkten auf dem Globus: 1. Zwei Punkte auf einem Meridian 2. Zwei Punkte auf dem Äquator 3. Zwei Punkte auf einem beliebigem Breitenkreis Schülerexperiment/Arbeitsauftrag/Modell Zu behandelnde Themen: Grundlagen der sphärischen Geometrie: Großkreise/Kleinkreise, Geraden, Strecken, Abstände, Winkel 1. Sitzung Teil 6 Anhang Winkel zwischen sphärischen Geraden Sphärischer Kreis Abbildung 67 |AB|=r· p × a =r· â ( â gibt das Bogenmaß an) 180° Erarbeitung der Definition des Winkelmaßes (Tafelbild 1) Fragen: · Wo entstehen gleiche Winkel beim Schnitt zweier Geraden (Gegenwinkel, Nebenwinkel)? · Welche Geraden treffen im 90°-Winkel auf den Äquator? Was kann man im Gegensatz zur ebenen Geometrie feststellen? Frage: In wie vielen Punkten schneiden sich zwei sphärische Geraden? Wie könnte man den entstehenden Winkel messen? Frage: Was ist der größte Abstand, den zwei Punkte auf der Sphäre haben? Ø Vergleich mit Abständen in der Ebene Rückgriff auf die Definition eines Kreises der Ebene Erarbeitung der Definition eines sphärischen Kreises (Tafelbild 1) Fragen: · Für welchen maximalen Radius kannst du einen Kreis auf die Kugel zeichnen? Wie kann man einen Kreis mit größerem Radius einzeichnen? · Konstruiere zu zwei verschiedenen Punkten P und Q die Menge der Punkte R, die von P und Q jeweils den gleichen Abstand haben. · Zu einem vorgegebenen Punkt P und einem Großkreis g auf der Sphäre, konstruiere den zu P nächstgelegenen Punkt auf g. Wie würdest du diesen Punkt in der Ebene bezeichnen? Ø Hinleitung zum Begriff des Winkels zwischen sphärischen Geraden Deutlich machen der Tatsache, dass Abstände auf der Kugel auch in Grad angegeben werden können. Frage: Welche Punkte der Erde haben vom Nordpol den Abstand 90°? (Wer weiß Radius, Umfang der Erdkugel?) Tafelbild: p ×r AB ×180° = 3000km 180° × = 27,0° 6370km p Styroporkugel klein und groß, Geodreieck Experimentieren durch Messen eines Winkels zwischen Großkreisen auf kleinen und großen Kugeln Veranschaulichung und Messen mit Hilfe von Großkreislineal und Pappe mit ausgeschnittenem Halbkreis (siehe Anhang 6.3) Styroporkugel, Zirkel, Klebeband, Stift Befestigung eines Stiftes mit Klebeband an den Schenkeln des Zirkels: Experimentieren durch Konstruktion von Kreisen mit dem Zirkel auf der Kugel a= Aufgabe: Wie groß ist der Winkel zwischen den Radien zweier Orte auf der Erde, deren kürzeste Verbindung (Großkreisbogen) 3000 km auf der Erdoberfläche lang ist? Sphärische Strecke: Eine sphärische Strecke ist der Großkreisbogen, der nicht länger ist als ein halber Großkreis. Sphärische Gerade = Großkreis Großkreis/Kleinkreis: Alle Kreise der Sphäre, deren Mittelpunkt mit dem der Sphäre identisch ist, heißen Großkreise, alle anderen werden als Kleinkreise bezeichnet Sphäre: Eine Sphäre S (Kugeloberfläche) mit dem Mittelpunkt O und dem Radius r ist die Menge aller Punkte P des Raumes, die vom Punkt O den Abstand r haben. Tafelbild 1: Sphärischer Kreis: Die Menge aller Punkte der Sphäre, die von einem Punkt P der Sphäre den gleichen sphärischen Abstand haben, heißt sphärischer Kreis. Winkelmaß zwischen zwei Geraden: Als Winkelmaß zwischen zwei sphärischen Geraden (Großkreisen), bezeichnet man das Maß des Winkels zwischen den beiden Ebenen, in denen die Großkreise liegen. Hier können die Begriffe anschaulich skizziert werden Gegenpunkte (diametral): Zwei Punkte der Sphäre heißen Gegenpunkte oder diametral, wenn sie auf ein und demselben Durchmesser der Sphäre liegen Abstand: Der sphärische Abstand |AB| zweier nicht diametraler Punkte der Sphäre ist die Bogenlänge des kürzeren Bogens des Großkreises durch A und B. Der Abstand zweier diametraler Punkte ist gleich dem halben Umfang eines Großkreises. Sphärisches Zweieck und sein Flächeninhalt Einstieg Inhalt Abbildung 68 Tafelbild 2. a 90° a 360° →Einsetzen: AZweieck = 1. ASphäre= 4·π·r² AZweieck ASphäre ×p × r 2 = Vorgabe bzw. Wiederholung des Flächeninhalts einer Kugel und Hilfestellung bei der Aufstellung einer Formel für den Flächeninhalt eines Zweiecks mit Winkel α und Radius r Was kann man über Umfang, Seitenlänge und Winkel eines Zweiecks sagen? Ø Motivation der Schüler zur Notwendigkeit der Aufstellung einer geeigneten Rechenherleitung für den Flächeninhalt sphärischer Dreiecke Fragen: Wie viele Ecken hat das kleinste Vieleck der Ebene, warum? Wie ist das bei Vielecken auf der Kugeloberfläche? Definition von sphärischen Dreiecken als Flächen, die durch Großkreisbögen begrenzt sind Frage: Wie kann ich den Flächeninhalt eines Dreiecks auf dem Globus (als Beispiel den Kontinent Afrika) bestimmen? Durchführung Erarbeitung der Flächeninhaltsformel Globus, Pauspapier, Maßband, Stifte… Einzeichnen eines Dreiecks auf dem Globus, welches ungefähr Afrika umfasst ACHTUNG: Wie müssen die Dreieckseiten gezeichnet werden? (→ Großkreisbögen) Warum? Versuch den Flächeninhalt zu messen durch: - Anlegen und Kopieren auf Pauspapier - Messen mit Hilfe eines Maßbandes - Anpassen eines Stück Stoffes Entwickeln eigener Ideen Vergleich der Ergebnisse Glaskugel, Folienstifte Einzeichnen von zwei Großkreisen auf der Kugel und Erkennen der vier paarweise kongruenten Zweiecke Schülerexperiment/Arbeitsauftrag/Modell Zu behandelnde Themen: Sphärische Zweiecke, Sphärische Dreiecke und ihr Flächeninhalt, Sphärischer Innenwinkelsatz 2.Sitzung Sphärischer Innenwinkelsatz Flächeninhalt eulerscher Dreiecke Eulersche Dreiecke 180° 90° ×p × r 2 × 2 ×p × r2 - 2 ×p × r2 a + b + g - 180° 180° a + b +g 90° Tafelbild: Die Winkelsumme eines jeden eulerschen Dreiecks ist stets größer als 180° Kann es sphärische Dreiecke mit einer Innenwinkelsumme kleiner als 180° geben? (Hinweis: Flächeninhaltsformel) Fragen: Was könnte die Eigenschaft bedeuten: Ein rechtseitiges Dreieck? Gibt es ein rechtseitiges und gleichseitiges Dreieck? Welchen Teil der Kugeloberfläche bedeckt es? Was fällt auf bei der Summe der Innenwinkel? Dreieck ABC = 2·Dreieck ABC = 90° 2·π·R² = a × p × r 2 + b × p × r 2 + g × p × r 2 - 2·Dreieck ABC Halbe Sphäre = Zweieck A'A + Zweieck B'B + Zweieck C'C - 2·Dreieck ABC Globus Einzeichnen eines rechtseitigen und gleichseitigen Dreiecks ( z. B. begrenzt durch Äquator und zwei Meridiane) und darauffolgendes Untersuchen Abbildung 71 Versuch den Dreiecksflächeninhalt durch geschicktes Abdecken der Kugel mit farbigen Zweiecken (farbige Folienstifte) auszudrücken und eine Formel herzuleiten Frage: Wie könnte man mit dem Wissen über Zweiecke die Fläche eines Dreiecks berechnen? Hilfestellung für die Herleitung des Flächeninhalts eines Sphärischen Dreiecks mit den Winkel α, β, γ und dem Kugelradius r mit Hilfe des Flächeninhalts von Zweiecken Tafelbild: (Bsp.) Glaskugel, Folienstifte Einzeichnen dreier Großkreise und Untersuchen der entstehenden Dreiecke Abbildung 70 Styroporkugel, Stecknadeln, Faden Feststecken dreier Punkte auf der Kugel und Darstellen verschiedener Dreiecke auf der Kugel mit dem Faden Frage: In wie viele Dreiecke zerlegen drei Großkreise die Kugel? Gibt es zueinander kongruente Dreiecke? Definition Nebendreiecke, Scheiteldreiecke, Gegendreieck Abbildung 69 Erarbeitung der Definition eulerscher Dreiecke (als Dreiecke, deren sämtliche Seiten und Winkel kleiner als 180° sind) Frage: Kann man drei Punkten der Sphäre eindeutig ein Dreieck zuordnen? Ausblick: Regelmäßige sphärische Netze (Projektthema) Evtl. Aufgaben zur Vertiefung Frage: Wie sieht ein Viereck auf der Sphäre aus? Kann man ein Rechteck auf der Sphäre konstruieren? Wie berechnet man den Flächeninhalt eines sphärischen Vierecks? Abbildung 74 Als Modellbeispiel: Fußball Frage: Welche möglichen Netze aus regelmäßigen Vielecken gibt es auf der Kugel? Abbildung 73 Abbildung 72 Rückgriff auf rechtseitiges gleichseitiges Dreieck als Netz auf der Kugeloberfläche (Modell) Wdh. der möglichen Parkettierungen mit regelmäßigen Vielecken der Ebene: Tafelbild: Bsp: Berechne den sphärische Exzess und die Winkelsumme eines Dreiecks auf der Erdoberfläche, dessen Flächeninhalt 360000 km2 beträgt (etwa die Oberfläche der Bundesrepublik Deutschland). Definition des sphärischen Exzesses ε:= α+β+γ-180° Frage: Warum gibt es auf der Kugel keine ähnlichen Dreiecke? Kurzer Vortrag über die Legende der Gauß´schen Landvermessung (siehe Kapitel 2.1) Frage: Warum erhielt Gauß für die Winkelsumme seines Dreiecks im Rahmen des experimentellen Fehlers trotzdem 180°? →Hinweis auf die Tatsache, dass der Flächeninhalt eines Dreiecks nur von der Größe der Innenwinkel abhängt! Glaskugel, Folienstifte, Großkreislineal Konstruieren eines Viereckes auf der Kugel durch Einzeichnen von vier Großkreisen und e × p × r 2 . Demnach ist 180° A × 180° 360000km2 × 180° e= = = 0,508° . p ×r2 p × (6370km)2 Die Winkelsumme eines Dreiecks mit einem Flächeninhalt, der dem der Bundesrepublik entspricht, beträgt also 180,5°. A= Einzeichnen verschieden großer Dreiecke auf der Glaskugel und anschließendes Berechnen und Vergleich ihrer Flächeninhalte und Innenwinkelsummen ( mit Hilfe von Großkreislineal und Pappebene) Einstieg Inhalt Abbildung 76 Abbildung 75 Ø Motivation der Schüler zur Notwendigkeit der Herleitung einer neuen Berechnungsmethode, der sphärischen Trigonometrie Frage: Kann man derart auch die Verbindung zwischen zwei Orten, die nicht auf einem Meridian liegen berechnen? (Berlin, Melbourne) Frage: Wie lang ist die kürzeste Verbindung zwischen Istanbul und Johannesburg? (Lage auf dem gleichen Meridian) Vorgabe Radius der Erde: 6370 km, Wdh. der Berechnung einer Bogenlänge Tafelbild/Folie: φ= Breitenkoordinate λ=Längenkoordinate -180° < λ £ 180° ; -90° £ φ £ 90° Bsp. Berlin: 52,5°N, 13,3°O Gemeinsame Betrachtung des Gradnetzes der Erde auf dem Globus und Rückgriff auf Wissen aus dem Geographieunterricht: (Längengrade, Breitengrade, Nullmeridian…) Rückgriff auf Eingangsfrage: (offen lassen) Wie lang ist die kürzeste Verbindung zwischen Berlin und Melbourne? Wdh. der Eigenschaften Eulerscher Dreiecke mit Hilfe eines Witzes: Ein Schafhirte, ein Physiker und ein Mathematiker bekommen einen Klappzaun und sollen eine Herde Schafe umzäunen. Wie machen sie das? Der Schafhirte treibt die Herde zusammen und baut den Zaun drum herum. Der Physiker baut den Zaun kreisförmig auf und treibt die Schafherde hinein. Der Mathematiker baut den Zaun um sich herum und sagt: „Hier ist außen!“. Durchführung Entwickeln eigener Ideen zur Berechnung der Entfernung zweier Orte Beschreiben der Lage verschiedener Städte auf der Erdkugel mit Hilfe der Kugelkoordinaten Globus Vertraut machen mit dem Gradnetz der Erde Schülerexperiment/Arbeitsauftrag/Modell Zu behandelnde Themen: Sphärische Trigonometrie an rechtwinkligen und schiefwinkligen Dreiecken 3. Sitzung Trigonometrische Beziehungen im rechtwinkligen Dreieck Wiederholung/ Vorgabe ebene Trigonometrie Sphärisches Dreikant sin b = cos a = sin a = OA1 OA' = = r OA' OA2 r , (8) cos c = OD = OD , A' A1 , (5) DA2 DA2 , sin c = = r OA2 r DA2 = DA3 . A' D A' A3 sowie (10) . cos b = DA3 DA3 cos b = OD , (7) OA' OA1 A' A1 (2) sin b = und A' D , (4) OA' A' A3 = A' A1 r r sin c (12) sin b = sin b (14) cos b × sin a = cos b , (15) cos a × sin b = cos a , (16) cos c = cot a × cot b , (17) sin a = cot b × tan b , (18) sin b = cot a × tan a , (19) cos a = cot c × tan b OA' 11) cos a × cos b = OD × OA' = OD = cos c (13) sin a = sin a sin c Umformen in Beziehungen , in denen nur Stücke des sphärischen Dreiecks auftreten. (9) (6) (3) (1) Tafelbild: 2 . Die Winkel zwischen den Ebenen des Dreikants sind gleich den Winkeln des zugehörigen sphärischen Dreiecks. Hilfe bei der Herleitung der Grundformeln der sphärischen Trigonometrie durch Zurückführung auf trigonometrische Beziehungen in geeigneten ebenen Dreiecken Abbildung 77 1. Die Winkelgrößen zwischen den Kanten eines Dreikants entsprechen den Seitenlängen des zugehörigen sphärischen Dreiecks. Tafelbild: Erläuterung des Zusammenhangs zwischen sphärischem Dreieck ABC und zugehörigem Dreikant OABC Wiederholung der Grundformeln der ebenen Trigonometrie nach Wissensstand der Schüler Abbildung 79 Aufstellen von ebenen trigonometrischen Beziehungen mit Hilfe der Methode des Umklappens Abbildung 78 Bastelvorlage (2fach) sphärischer Dreikant (siehe Anhang 6.5), Pappe, Schere, Kleber Basteln eines Dreikants und Nachvollziehen der Zusammenhänge Geschichtliches Trigonometrische Beziehungen im schiefwinkligen Dreieck Eventuell kurzer Vortrag zur Geschichte der Kugelgeometrie (kann als Zeitpuffer eingeschoben oder weggelassen werden (siehe Kapitel 2.3.1) Besprechung der Kongruenzsätze an sphärischen Dreiecken anhand einer Tabelle (siehe Kapitel 2.3.2.5), Hinweis auf die Schwierigkeiten, die sich bei der Berechnung der Fälle „ssw“ und „wws“ ergeben. Vorgabe des Sinussatzes, Seitenkosinussatzes und Winkelkosinussatzes auf einem zusammenfassenden Arbeitsblatt (siehe Anhang 6.5) Abbildung 81 Erläutern der Vorgehensweise bei der Herleitung der Beziehungen durch Zerlegen eines schiefwinkligen Dreiecks in zwei rechtwinklige Dreiecke. Abbildung 80 2. dem Produkt der Sinus der nicht benachbarten Stücke. 1. dem Produkt der Kotangenten der benachbarten Stücke und Nepersche Regel: Werden die Stücke a, b, c, α und β eines bei C rechtwinkligen eulerschen Dreiecks DABC in ihrer im Dreieck auftretenden Reihenfolge auf einem Ring angeordnet (Abb. 80) und dabei die Seitenlängen a und b durch die Größen 90°- a und 90°- b ersetzt, so ist der Kosinus eines beliebigen Stückes dieses Ringes gleich Tafelbild: Vorstellen der Neperschen Regel zur Zusammenfassung der Beziehungen (20) cos b = cot c × tan a . Die Beziehungen müssen nur exemplarisch aufgestellt werden Aufgabe 22 (Kapitel 4.6) Frage: Welche Fälle können auftreten, wenn in einem sphärischen Dreieck drei Größen gegeben sind aus denen die anderen berechnet werden sollen? Für welche der Fälle kannst du mit Hilfe von Arbeitsblatt 6.5.5 (siehe Anhang 6.5) Formeln notieren? Bearbeitung des Arbeitsblattes zum Überblick über die Grundformeln Berechne von einem rechtwinkligen Eulerschen Dreieck mit den Kathetenlängen a = 75,2° und b = 87,6° den sphärischen Exzess und den Flächeninhalt (R = 1) (sphärischer Exzeß e = 72,3° und Flächeninhalt F = 1,26) Berechnen eines rechtwinkligen Kugeldreiecks aus: 1. a= 50°; b=60° (c=71,25°, α=53,99°, β=66,14°) 2. b=90°; α=90° (a=90°, c=90°, β=90°) … Geographische Anwendung und Ausblick auf Projektthema Abbildung 82 Warum wählen Kapitäne von Luft- und Wasserfahrzeugen dennoch oft die längere (gelb markierte) Strecke als Route? (Hinweis Kurswinkel) Abbildung 85 Anwendung und Erklärung von Großkreisen und Entfernungen auf der Erdoberfläche im Zusammenhang mit Flugrouten von Transatlantikflügen: Fragen: Warum fliegt das Flugzeug über Grönland, wenn es doch direkt viel näher wäre? Kann es eine Möglichkeit geben die Erdoberfläche vollkommen ähnlich auf einer ebenen Fläche abzubilden? (Hinweis Innenwinkelsumme) cos l ort = sinf A sinf B + cos f A cos f B cos (l B - l A ) Gleichung für die orthodrome Entfernung: l ort = 134,9° @ 16000km + sin(90° - 52,5°) sin(90° + 38,5°) cos(144,7° - 13,4°) = -0,808 . cos l ort = cos(90° - 52,5°) cos(90° + 38,5°) Durch Anwendung des Seitenkosinussatzes auf das Poldreieck ergibt sich für die orthodrome Entfernung Tafelbild Lösung: Tafelbild: Berlin (λ1 = 13,4° O, φ1 = 52,5° N) Melbourne (α2 = 144,7° O, β2 = 38,5° S) Rückgriff auf die Eingangsfrage: Wie lang ist die kürzeste Verbindung (orthodrome Entfernung) zwischen Berlin und Melbourne? Abbildung 86 Vergleich der beiden Flugrouten auf dem Globus Aufgabe 19 (Kapitel 4.6) Abbildung 83 Einzeichnen der gegebenen Strecken auf dem Schieferglobus und Überlegungen zur Berechnung der fehlenden Teile. Es ergibt sich das Poldreieck: Zur Entstehung der euklidischen Geometrie Einführung in den axiomatischen Aufbau der Geometrie Einstieg Inhalt Beispiel: Die mömpfelnden Strunze (siehe Anhang 6.6) auf Folie Kurzer Vortrag zur Entstehung der euklidischen Geometrie (siehe Kapitel 2.1.2) Auf Folie die Postulate 1-5 von Euklid und die 5 Axiomengruppen von Hilbert (evtl. mit Beispielen zu jeder Gruppe) Ø Aufzeigen der Notwendigkeit von Grundaussagen in der Geometrie und der Aufstellung eines axiomatischen Systems Abbildung 87 Comicausschnitt (siehe Kapitel 2.1) auf Folie Beweisen von Satz MS2: Angenommen A mömpfelt B, und C ist verschieden von A. Dann gilt: A mömpfelt C oder C mömpfelt B (möglicherweise beides) Lösung siehe Anhang 6.6 auf Folie Eigene Definitionen von Punkt und Linie Schülerexperiment/Arbeitsauftrag/Modell Kurzer Vortrag zu den Anfängen des Beweisens in der Geometrie (Kapitel 2.1.1) Frage: Wie beweist man: Wenn ein Viereck eine Raute ist, dann stehen die Diagonalen aufeinander senkrecht? → Was ist eine Raute, was ist eine Seite, was ist ein Punkt? Bsp: Platon (ca. 380 v. Chr.): Ein Punkt ist der Anfang einer Linie Aristoteles (ca. 340 v. Chr.): Ein Punkt ist eine unteilbare Einheit, die eine Position besitzt. Euklid (ca. 325 v. Chr.): Was keine Teile hat, ist ein Punkt. Heron (ca. 50 n. Chr.): Ein Punkt ist, was keine Teile hat oder eine Begrenzung ohne Dimension oder die Grenze einer Linie. Durchführung Zu behandelnde Themen: Axiomatischer Aufbau der Geometrie, Entstehung der euklidischen und nichteuklidischen Geometrie, das Parallelenproblem, Gegenüberstellung euklidische - sphärische Geometrie, Modelle 4. Sitzung Gegenüberstellung euklidischer – sphärischer Geometrie Zur Entwicklung nichteuklidischer Geometrien Das Parallelenproblem Untersuchen von Beweisen der den Schülern bekannten Aussagen mithilfe der Schulbuchauszüge (jedes Mal wird von der Existenz von Parallelen Gebrauch gemacht) Kopien der bekannten Beweise aus dem Schulbuch Gemeinsame Besprechung der Gegenüberstellung (siehe Anhang 6.7) Ergebnis festhalten: die Kugelgeometrie ist ein Beispiel (Modell) der elliptischen Geometrie Frage: Welche Geometrie kommt euch bekannt vor? Gibt es ein Beispiel für eine solche Geometrie? Gegenüberstellung der wichtigsten Eigenschaften und Sätze der euklidischen und sphärischen Geometrie anhand einer Tabelle mit Vorgabe von einigen Ansatzpunkten (siehe Anhang 6.7) Frage: Auf welche Weise könnte man das Parallelenaxiom ändern, wenn es nicht gelten Überlegungen zu Umformungen des soll? Parallelenaxioms →Darstellung der drei grundsätzlichen Arten der Geometrie Tafelbild (oder Folie) - Die Elliptische Geometrie (oder Riemannsche sphärische Geometrie) (Statt dem Parallelenaxiom gilt das Axiom: Zu einer Geraden g und einem nicht auf g liegenden Punkt A gibt es keine Gerade, die durch A läuft und g nicht schneidet.) - Die Euklidische Geometrie (Es gilt das Parallelenaxiom: Zu jeder Geraden g und zu jedem nicht auf g liegenden Punkt A gibt es höchstens eine Gerade, die durch A verläuft und g nicht schneidet.) - Die Hyperbolische Geometrie (Statt dem Parallelenaxiom gilt das Axiom: Zu einer Geraden g und einem nicht auf g liegenden Punkt A gibt es mindestens zwei Geraden, die durch A verlaufen und g nicht schneiden.) Einige Aussagen, die Mathematiker benutzten um das Parallelenaxiom aus den anderen Axiomen heraus zu beweisen: 1. Es gilt der Stufenwinkelsatz bzw. der Wechselwinkelsatz 2. In jedem Dreieck beträgt die Innenwinkelsumme 180° 3. Satz des Pythagoras 4. Es existieren zwei ähnliche, nicht kongruente Dreiecke. 5. Wenn drei Winkel eines Vierecks rechte Winkel sind, dann ist der vierte Winkel ebenfalls ein rechter Winkel. Ø Verdeutlichen der Äquivalenz der Aussagen Kurzer Vortrag zur Entwicklung nichteuklidischer Geometrien (siehe Kapitel 2.1.4) Darstellung des Problems mit geschichtlichem Hintergrund (siehe Kapitel 2.1.3) Tafelbild: Zu jeder Geraden g und zu jedem nicht auf g liegenden Punkt A gibt es höchstens eine Gerade, die durch A verläuft und zu g parallel ist (euklidisches Parallelenaxiom) (Parallelen an die Tafel zeichnen) Ausblick auf die nächste Sitzung Was ist ein Modell? Interpretation Vier Bücher im Stapel Sich oberhalb befinden Abbildung 88 Zur Motivation für die nächste Sitzung: Folie Abbildung 89 Frage: Wie könnte ein Modell für die hyperbolische Geometrie, in der es viele verschiedene Parallelen durch einen Punkt gibt, aussehen und wie können wir uns diese Geometrie in unserem realen Raum vorstellen? Feststellung: Die Kugelgeometrie ist ein Modell für die elliptische Geometrie, in der es keine Parallelen gibt. Versuch einer Uminterpretation der aufgestellten Sätze über die Strunze mit Hilfe eines Modelles. Definition: Ein Modell für ein formales axiomatisches System ist eine Interpretation der primitiven Terme, unter der die Axiome wahre Aussagen werden. Grundbegriff Die Strunze mömpfeln Erläuterung der Notwendigkeit eines anschaulichen Modells zur Vorstellung einer Theorie anhand des Beispiels der mömpfelnden Strunze (Tafelbild): Ø Es ergibt sich kein Widerspruch MS1: Sind A und B verschiedene Bücher im Stapel, dann befindet sich A oberhalb von B, oder B befindet sich oberhalb von A. MS2 : Kein Buch im Stapel befindet sich oberhalb seiner selbst. MS3 :Sind A, B und C Bücher im Stapel derart, dass sich A oberhalb B und B oberhalb von C befindet, dann befindet sich A oberhalb von C. MS4 : Es gibt genau vier Bücher in dem Stapel. Umgestalten der Axiome über die Strunze in Aussagen über den Bücherstapel: Anschauliche Vorstellung der hyperbolischen Geometrie Einstieg Das Kreisscheibenmodell Inhalt Abbildung 90 Abbildung 92 Abbildung 93 Frage: Wie können wir uns die hyperbolische Welt vorstellen? Folie: Tafelbild: Abbildung 91 →Deutlich machen, dass sich auch in der hyperbolischen Geometrie trigonometrische Beziehungen herleiten lassen, bei denen sich die euklidischen Beziehungen als Grenzfall ergeben, wenn die Dreiecksseiten gegen Null gehen. Rückgriff auf die Frage nach der Form verschieden großer Dreiecke im Kreisscheibenmodell: Gemeinsame Vervollständigung der Vergleichstabelle in der Spalte der hyperbolischen Geometrie Gemeinsame Besprechung der Auftragsergebnisse Wiederholung der drei verschiedenen Arten von Geometrien Kennenlernen des Kreisscheibenmodells der hyperbolischen Ebene mit Hilfe des Computerprogramms Cinderella Durchführung Computerraum, Cinderella 1.4 Untersuchen der wichtigsten Eigenschaften der hyperbolischen Ebene und Geometrie durch Arbeitsaufträge mit Cinderella, Partnerarbeit am Computer (Arbeitsauftrag siehe Anhang 6.8) Schülerexperiment/Arbeitsauftrag/Modell Zu behandelnde Themen: Das Kreisscheibenmodell, Eigenschaften und Sätze der hyperbolischen Geometrie, Nichteuklidische Geometrie im realen Raum 5. Sitzung Ausblick: Nichteuklidische Geometrie in unserem realen Raum Abschluss Abbildung 94 Vorstellung und Besprechung der möglichen Projektarbeiten bzw. GFS (siehe Kapitel 2.3.3) Vortrag zur Bedeutung der nichteuklidischen Geometrie in der modernen Physik und Kosmologie (siehe Kapitel 2.2), wenn möglich Einladung eines Fachmanns aus der Physik Frage: Was wäre, wenn wir eine sozusagen dreidimensionale Version des Kreisscheibenbewohners wären? (siehe Kapitel 2.2) Bild Kreisscheibenbewohner Vorstellung und Erläuterung des Bildes eines Kreisscheibenbewohners, der sich dem Rand der Kreisscheibe nähert: Beginn der Projektarbeiten Jetzt geht’s rund! 2010 Modulausschreibung Zeitraum: A, B und C • Was ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei weit voneinander entfernten Orten auf der Erde? • Wie lassen sich durch kürzeste Verbindungen Flug- und Schiffsrouten festlegen und einhalten? • Wie können wir mit Hilfe von Fixsternen die Position von Objekten auf der Erdoberfläche bestimmen? • Kann man authentische Karten von Teilen der Erdoberfläche erstellen? Wer Geometrie auf einer Kugeloberfläche betreiben will, muss der Tatsache ins Auge sehen, dass die uns aus der Schule bekannte ebene Geometrie, die man auch als euklidische Geometrie bezeichnet, nicht immer weiterhilft. Er muss eine nichteuklidische Geometrie betrachten, in der es keine Parallelen gibt, Dreiecke sehr große Winkelsummen haben können und die noch viele andere verblüffende Eigenschaften besitzt. Wir werden auch den axiomatischen Aufbau der Geometrie betrachten und sehen, dass neben unserer Kugelgeometrie im 19.Jahrhundert noch ganz andere nichteuklidische Geometrien entdeckt wurden. In der hyperbolischen Geometrie zum Beispiel gibt es unendlich viele Parallelen. Sie stellt einen wichtigen Meilenstein für Forschungen in der theoretischen Physik und in der Kosmologie dar. Das Seminar wird einen kleinen Einblick in die fremde Welt der nichteuklidischen Geometrie geben. Dabei sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Ideen in Form von Postern, Bastelarbeiten oder Tagebüchern umsetzen und am Ende der Öffentlichkeit präsentieren. Modulausschreibung Kugelgeometrie Gisela Döbbeling Seite 1 von 2 Seiten 2010 Jetzt geht’s rund! Modulausschreibung Zeitraum: A, B und C Vorraussetzungen: - Besondere mathematische Kenntnisse werden nicht vorausgesetzt. Erwartet wird eine regelmäßige Teilnahme und selbstständige, aktive Mitarbeit. Eine Vorbereitung zu Hause ist besonders für die Bastelarbeiten notwendig. Während des Projekts ist ein Tagebuch zu führen. Ein Vortrag und eine Posterpräsentation müssen erstellt werden. Mitzubringen sind neben dem Laborbuch auch Schere, Stifte, Kleber und Zirkel. Voraussichtliche Termine: Ort: Di 12.01.2010 14:30 Uhr – 17:30 Uhr Bunsen-Gymnasium Humboldtstr. 23, 69120 Heidelberg Do 28.01.2010 14:30 Uhr – 17:30 Uhr Di 09.02.2010 14:30 Uhr – 17:30 Uhr Mi 24.02.2010 14:30 Uhr – 17:30 Uhr Do 11.03.2010 14:30 Uhr – 17:30 Uhr Do 25.03.2010 14:30 Uhr – 17:00 Uhr Di 13.04.2010 14:30 Uhr – 17:00 Uhr Vom Hauptbahnhof HD mit der Straßenbahn Nr. 24 Richtung Handschuhsheim Nord (Haltestelle Bunsen-Gymnasium) oder mit der Straßenbahn Nr. 21 Richtung Handschuhsheim OEG-Bahnhof (Haltestelle Bunsen-Gymnasium) Di 11.05.2010 14:30 Uhr – 17:00 Uhr Teilnehmerzahl: 10 -15 Do 17.06.2010 14:30 Uhr – 17:00 Uhr Verantwortliche: Mi 30.06.2010 14:30 Uhr – 17:00 Uhr Modulphasenfest voraussichtlich 03.07.2009 ganztägig Modulausschreibung Kugelgeometrie Gisela Döbbeling Anfahrt: Judith Schneider (Studentin der Mathematik im 7.Semester) Gisela Döbbeling (Kursleiterin des Hector-Seminars) Seite 2 von 2 Seiten 6.3 Evaluationsbogen Umfrage zur Modulphase „Jetzt geht´s rund!-Kugelgeometrie“ Hector-Seminar am Bunsen-Gymnasium Heidelberg Modulphase vom 12.01.10 – 11.03.10 Datum: 11.03.10 Klassenstufe:________ Kreuze bitte an: männlich__/weiblich__ Kreuze an: 1 bedeutet „trifft absolut zu“…6 bedeutet „trifft überhaupt nicht zu“. Allgemeines 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 (1) Das Thema hat mir gefallen. (2) Ich habe fachlich viel Neues dazu gelernt. (3) Ich fand das Thema realitätsnah und anwendungsorientiert. (4) Das Niveau der Themen war angemessen. (5) Ich fand die geschichtlichen Hintergründe interessant. (6) Ich fand den Teil zum axiomatischen Aufbau der Geometrie interessant. (7) Ich habe das Thema Kugelgeometrie verstanden. (8) Ich habe das Thema nichteuklidische Geometrie allgemein verstanden. (9) Die Behandlung nichteuklidischer Geometrie könnte ich mir auch im Schulunterricht vorstellen Wissensstand und Voraussetzungen (10) Ich habe vor Beginn des Moduls schon etwas von nichteuklidischer Geometrie gehört. (11) Ich bin schon einmal auf ein Problem gestoßen, das mit Kugelgeometrie zu tun hat. (12) Das Niveau entsprach meinem Wissensstand und persönlichen Voraussetzungen. Arbeitsmaterialien: (13) Die Arbeitsmaterialien waren hilfreich und gut zur Veranschaulichung. (14) Die praktische Arbeit an den Modellen (Kugeln, Globus, etc.) hat mir Spaß gemacht. (15) Der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben war angemessen. (16) Die Arbeit am Computer mit Cinderella hat Spaß gemacht. (17) Die Arbeit am Computer hat mir geholfen das Thema besser zu verstehen. Motivation: (18) Ich wurde durch den ersten Teil der Modulphase motiviert an einem Thema weiterzuarbeiten und dieses zu präsentieren. (19) Ich bin zufrieden mit der Gestaltung und Durchführung des ersten Modulteils. Was hat dir besonders gut gefallen? Was hat dir nicht gefallen? Verbesserungsvorschläge: Vielen Dank für deine Mitarbeit!!! 6.4 Anleitung zum Bau eines Großkreislineals 1. Zeichnen von Großkreisen auf der Kugel Mit Hilfe eines Großkreislineals kannst du schnell und einfach verschiedene Großkreise auf einer Kugel zeichnen. Hierfür benötigst du natürlich eine Kugel und einen Schuhkarton. In den Boden des Schuhkartons schneidest du ein rundes Loch mit dem Radius der Kugel aus und kürzt die Seitenwände so, dass die Höhe des Kartons genau dem Radius der Kugel entspricht. Wenn du jetzt den Karton umdrehst und die Kugel in das Loch steckst, sollte die Kugel genau zur Hälfte darin verschwinden. Nun kannst du mit einem Stift (evtl. einem wasserlöslichen Folienstift) beliebige Großkreise auf deiner Kugel einzeichnen, indem du damit am Rand des Loches auf der Kugel entlang zeichnest. Nebenstehende Abbildung zeigt ein aus Holzplatten angefertigtes Großkreislineal. 2. Messen eines Winkels zwischen zwei Großkreisen Um den Winkel zwischen zwei Großkreisen auf der Kugel zu messen schneidest du aus einem ebenen Stück Karton am Rand einen Halbkreis mit dem Radius der Kugel aus. Anschließend drehst du die Kugel so, dass der eine Großkreis entlang des Großkreislineals zu liegen kommt und hältst das angefertigte Stück Karton an den zweiten Großkreis. Wenn du dir von deinem Sitzpartner helfen lässt, kannst du nun mit einem Geodreieck den Winkel zwischen den beiden „Ebenen“ von der Seite her messen. 6.5 Kopiervorlagen zur sphärischen Trigonometrie 1. Raummodell für die Herleitung der trigonometrischen Beziehungen an rechtwinkligen eulerschen Dreiecken (Kopiervorlage für Arbeitsblätter) 2. OH-Folie zur Veranschaulichung der geographischen Koordinaten ([Fil95]) N l Berlin W Äquator (f=0) f O M Meridian durch Berlin Nullmeridian (Greenwich, l = 0) S 3. Abbildung eines Globus (Kopiervorlage für OH-Folien und Arbeitsblätter [Fil95]) 4. Abbildung einer Erdkarte (Kopiervorlage für OH-Folien und Arbeitsblätter [Fil95]) 5. Überblick über die Grundformeln der sphärischen Trigonometrie für schiefwinklige Dreiecke (Kopiervorlage für Arbeitsblätter aus [Fil95]) · Markiere in den Dreiecken farbig, zwischen welchen Größen eines sphärischen Dreiecks die angegebenen Sätze Beziehungen herstellen! · Stelle den Seitenkosinussatz nach den Winkeln und den Winkelkosinussatz nach den Seiten eines sphärischen Dreiecks um! Sinussatz: In einem beliebigen eulerschen Dreieck mit den Seiten a, b, und c sowie den jeweils gegenüberliegenden Innenwinkeln a, b und g gilt sin a sin b sin c . = = sin a sin b sin g Seitenkosinussatz: In einem beliebigen eulerschen Dreieck mit den Seiten a, b, und c sowie den jeweils gegenüberliegenden Innenwinkeln α, β und γ gelten die Beziehungen cos a = cos b × cos c + sin b × sinc × cos a , cos b = cos a × cos c + sin a × sin c × cos b und cos c = cos a × cos b + sin a × sin b × cos g . cos a = cos b = cos g = Winkelkosinussatz: In einem beliebigen eulerschen Dreieck mit den Seiten a, b und c sowie den jeweils gegenüberliegenden Innenwinkeln a, b und g gelten die Beziehungen cos a = - cos b × cos g + sin b × sin g × cos a , cos b = - cos a × cos g + sina × sin g × cos b und cos g = - cos a × cos b + sina × sin b × cos c . cos a = cos b = cos c = 6.6 Beispiel eines Axiomensystems: Die Mömpfelnden Strunze Grundbegriffe: mömpfeln, Strunz Axiome: MS1: Sind A und B zwei verschiedene Strunze, dann gilt: A mömpfelt B oder B mömpfelt A (wobei die Möglichkeit, dass beides eintritt, nicht ausgeschlossen wird). MS2: Kein Strunz mömpfelt sich selbst MS3 MS4: Sind A, B und C Strunze derart, dass gilt: A mömpfelt B und B mömpfelt C, dann gilt auch: A mömpfelt C. Es gibt genau vier Strunze Satz MS1: Wenn ein Strunz ein anderes mömpfelt, wird es nicht auch von diesem anderen gemömpfelt. Beweis 1. Angenommen, Strunz „A“ mömpfelt Strunz „B“ 2. Angenommen, A wird auch von B gemömpfelt, d.h. also B mömpfelt A. 3. Dann mömpfelt A A. Vorraussetzung Annahme des Gegenteils 4. Aber A mömpfelt nicht A 1.,2., Ax. MS3 (A, B, A die drei Strunze) Ax. MS2 5. Widerspruch 3. und 4. 6. Daher mömpfelt B nicht A 2. – 5., Logik Korollar: Sind zwei Strunze gegeben, dann mömpfelt entweder das erste das zweite, oder das zweite mömpfelt das erste, aber nicht beides. Beweis: Kombination aus Axiom MS1 und Satz MS1 Satz MS2: Angenommen A mömpfelt B, und C ist verschieden von A. Dann gilt: A mömpfelt C oder C mömpfelt B (möglicherweise beides). Beweis 1. C mömpfelt A oder A mömpfelt C, aber nicht beides 2. A mömpfelt nicht C 3. C mömpfelt A Voraussetzung (C verschieden von A),Korollar Vorraussetzung 1.,2. 4. A mömpfelt B Vorraussetzung 5. C mömpfelt B 3.,4., Ax MS3 (C, A, B die drei Strunze) Satz MS3: Es gibt mindestens ein Strunz, das jedes andere Strunz mömpfelt. Definition MS1: Ein Strunz, das jedes andere Strunz mömpfelt, heißt schiebig. Satz MS4: Es gibt ein und nur ein schiebiges Strunz Ein Modell der mömpfelnden Strunze Grundbegriff Die Strunze mömpfeln Interpretation Vier Bücher im Stapel Sich oberhalb befinden MS1: Sind A und B verschiedene Bücher im Stapel, dann befindet sich A oberhalb von B, oder B befindet sich oberhalb von A. MS2: Kein Buch im Stapel befindet sich oberhalb seiner selbst. MS3: Sind A, B und C Bücher im Stapel derart, dass sich A oberhalb B und B oberhalb von C befindet, dann befindet sich A oberhalb von C. MS4: Es gibt genau vier Bücher in dem Stapel Die Innenwinkelsumme eines Dreiecks ist genau 180°. Es gibt Figuren die einander ähnlich, aber nicht kongruent sind. Blau gekennzeichnet: Informationen für den Lehrer Ähnlichkeit von Figuren Innenwinkelsumme Flächengröße Abstände Die Innenwinkelsumme eines Dreiecks ist kleiner als 180°. Es gibt keine ähnlichen Figuren, die nicht kongruent sind. Die Kenntnis der Innenwinkel eines Dreiecks erlaubt die Flächenberechnung Die Kenntnis der Innenwinkel eines Dreiecks erlaubt die Flächenberechnung Die Innenwinkelsumme eines Dreiecks ist größer als 180° Es gibt keine ähnlichen Figuren, die nicht kongruent sind. Es gibt eine endliche Flächengröße Es gibt genau eine kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten, die Gerade. Es existiert eine absolute Länge. Definition des Abstandes mit Hilfe des Doppelverhältnisses von Punkten. Es gibt unendlich viele Geraden, die paarweise zueinander orthogonal sind. Zwei voneinander verschiedene Geraden haben höchstens einen gemeinsamen Punkt. Durch zwei Punkte wird genau eine Gerade bestimmt. Zu einer Geraden g und einem nicht auf g liegenden Punkt P gibt es mindestens zwei Geraden, die durch A verlaufen und g nicht schneiden. Hyperbolische Geometrie Es gibt eine endliche Flächengröße Es gibt genau eine kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten, die Gerade. Jede Strecke hat höchstens die Länge πR. Ist P ein Punkt der Sphäre, so existiert kein Punkt A mit |PA| > πR Es gibt genau eine kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten, die Gerade. Es gibt beliebig lange Strecken. Auf jedem Strahl mit dem Anfangspunkt P gibt es zu jeder nichtnegativen reellen Zahl a genau einen Punkt mit a= /a/ Es gibt keine endliche Flächengröße Es gibt nur jeweils zwei Geraden, die paarweise orthogonal zueinander sind. Zwei voneinander verschiedene Geraden haben genau zwei gemeinsame Punkte. (einen gemeinsamen Punkt) Durch zwei nicht diametrale Punkte wird genau eine Gerade bestimmt; durch zwei diametrale Punkte gibt es unendlich viele Geraden. Es gibt drei Geraden, die paarweise orthogonal zueinander sind. Zwei voneinander verschiedene Geraden haben höchstens einen gemeinsamen Punkt. Durch zwei Punkte wird genau eine Gerade bestimmt. Beziehungen zwischen Geraden und Punkten Zu einer Geraden g und einem nicht auf g liegenden Punkt A gibt es keine Gerade, die durch A läuft und g nicht schneidet. Zu jeder Geraden g und zu jedem nicht auf g liegenden Punkt A gibt es höchstens eine Gerade, die durch A verläuft und g nicht schneidet. Sphärische Geometrie (Elliptische Geometrie) Gültigkeit des Parallelenaxioms Euklidische Geometrie der Ebene 6.7 Gegenüberstellung der drei verschiedenen Geometrien (Musterlösung) Ähnlichkeit von Figuren Innenwinkelsumme Flächengröße Abstände Beziehungen zwischen Geraden und Punkten Gültigkeit des Parallelenaxioms Fällt dir noch mehr ein? Es gibt Figuren die einander ähnlich, aber nicht kongruent sind. Es gibt keine endliche Flächengröße Es gibt genau eine kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten, die Gerade. Es gibt beliebig lange Strecken. Es gibt nur jeweils zwei Geraden, die paarweise orthogonal zueinander sind. Euklidische Geometrie der Ebene Zu jeder Geraden g und zu jedem nicht auf g liegenden Punkt A gibt es höchstens eine Gerade, die durch A verläuft und g nicht schneidet. Zwei voneinander verschiedene Geraden haben höchstens einen gemeinsamen Punkt. Durch zwei Punkte wird genau eine Gerade bestimmt. Sphärische Geometrie Versuche die Tabelle mit Hilfe deiner bisherigen Notizen zu vervollständigen Gegenüberstellung der drei verschiedenen Geometrien Es existiert eine absolute Länge. Durch zwei Punkte wird genau eine Gerade bestimmt. Hyperbolische Geometrie 6.8 Arbeitsblatt zu Cinderella Das Kreisscheibenmodell Arbeitsauftrag mit dem Computerprogramm Cinderella Zu einer Geraden g soll es mehr als eine Parallele durch einen Punkt P geben, der nicht auf dieser Geraden liegt? Wie ist das denn möglich? Wie genau sich die hyperbolische Geometrie verhält und welche Eigenschaften sie hat, sollst du nun mit Hilfe des Kreisscheibenmodells im Programm Cinderella kennenlernen. In diesem Programm kann man Zeichnungen in der hyperbolischen Ebene erstellen. Dafür betätigst du den Schalter „Hyp“ und zusätzlich im Menü „Ansichten“ den Schalter „Hyperbolische Zeichenoberfläche“. Dann erscheint die Kreiswelt auf deinem Bildschirm, die du am besten so verschiebst, dass du die alte Zeichenfläche und die Kreiswelt gleichzeitig siehst. Alles was du zeichnest erscheint in beiden Ebenen. Mache dich ein wenig mit dem Programm vertraut, wenn du die Maus auf die ausgewählten Symbole führst erscheint automatisch eine Kurzinfo wie: Zwei Punkte mit Verbindungsgerade Punkt hinzufügen Strecke zwischen zwei Punkten Senkrechte Parallele Winkel messen Elemente bewegen Abstand messen Wenn du dich genügend eingearbeitet hast, versuche die folgenden Aufträge und Fragen zu bearbeiten und notiere deine Beobachtungen: - Was genau ist hier die hyperbolische Ebene? ___________________________________________________________________________ - Wie werden Geraden und Strecken dargestellt? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ - Zeichne zwei Punkte und ihren Mittelpunkt („Mittelpunkt zweier Punkte“) Wie ändert sich die Lage des Mittelpunkts beim Verschieben der Punkte? ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ - Zeichne eine Gerade g und ihre Parallele durch einen nicht auf der Geraden g liegenden Punkt P. Was fällt dir auf? ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ - Zeichne eine Senkrechte zu einer Geraden g, dann eine Senkrechte zu dieser Senkrechten. Was fällt dir auf? ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ - Konstruiere ein Dreieck und versuche seine Winkel zu messen. Was kannst du über seine Innenwinkelsumme sagen? Was passiert, wenn du das Dreieck vergrößerst oder verkleinerst? ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ - Konstruiere einen Kreis und verschiebe ihn auf der Kreisscheibe. Was fällt dir auf? Was passiert mit seinem Mittelpunkt und dem Radius? ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ - Versuche ein Rechteck zu konstruieren ________________________________________________________________________