Zulassungsarbeit Schneider

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Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Mathematisches Institut
WS/SS 2009/2010
Betreuer: Dr. Michael Winckler
Prüfer: Prof. Dr. Hans Georg Bock
________________________________________________________________
Nichteuklidische Geometrie im
Schulunterricht
Eine Projektarbeit zur Kugelgeometrie mit dem Hector-Seminar
in Heidelberg
________________________________________________________________
Wissenschaftliche Arbeit im Fach Mathematik
Judith Schneider
Kapellenweg 11
69121 Heidelberg
[email protected]
21. März 2010
1
Ich erkläre, dass ich die Arbeit selbständig angefertigt und nur die angegebenen
Hilfsmittel benutzt habe.
Alle Stellen, die dem Wortlaut oder dem Sinn nach anderen Werken, gegebenenfalls
auch elektronischen Medien, entnommen sind, sind von mir durch Angabe der Quelle
als Entlehnung kenntlich gemacht. Entlehnungen aus dem Internet sind durch
Ausdruck belegt.
Heidelberg, den 21.März 2010
_____________________________
Judith Schneider
2
3
INHALTSVERZEICHNIS
Teil 1 Einleitung
6
Teil 2 Mathematische Grundlagen
9
2.1 Die Entstehung nichteuklidischer Geometrie
2.1.1 Einführung in den Aufbau axiomatischer Systeme
9
9
2.1.2 Die Entstehung der euklidischen Geometrie
13
2.1.3 Das Parallelenproblem
15
2.1.4 Geschichtliches zur Entwicklung der nichteuklidischen Geometrie
16
2.1.5 Zur Bedeutung von Modellen
18
2.2 Hyperbolische Geometrie
20
2.2.1 Grundlagen der hyperbolischen Geometrie
20
2.2.2 Das Kreisscheibenmodell von Poincaré
22
2.2.3 Nichteuklidische Geometrien in unserem realen Raum
25
2.3 Die Kugelgeometrie als Modell der elliptischen Geometrie
28
2.3.1 Geschichtliches
28
2.3.2 Grundlagen der sphärischen Geometrie
30
2.3.2.1 Kugel, Sphäre, Klein- und Großkreise
31
2.3.2.2 Geraden, Strecken und Abstände auf der Sphäre
33
2.3.2.3 Sphärische Zwei- und Dreiecke
35
2.3.2.4 Polarität von Punkten und Geraden, Poldreiecke
38
2.3.2.5 Sätze über Seiten und Winkel von Kugeldreiecken
40
2.3.2.6 Das sphärische Dreikant
41
2.3.2.7 Sphärische Trigonometrie
42
2.3.2.8 Berechnungen an sphärischen Dreiecken
49
2.3.3 Anwendungen
2.3.3.1 Regelmäßige sphärische Netze
51
51
4
2.3.3.2 Mathematische Geographie
56
2.3.3.3 Mathematische Astronomie
63
Teil 3 Behandlung nichteuklidischer Geometrie im gymnasialen
Mathematikunterricht
72
3.1 Entwicklung und Verbreitung nichteuklidischer Geometrie in der Schule 72
3.2 Begründung des Themas als Unterrichtsreihe
3.2.1 Einbettung in den Bildungsplan an Gymnasien
74
74
in Baden-Württemberg
3.2.2 Fachliche Kompetenzen
76
3.2.3 Soziale und personale Kompetenzen
78
3.3 Schwerpunktsetzung und Reihenfolge
80
3.4 Unterrichtsvoraussetzungen
84
Teil 4 Durchführung einer Unterrichtsreihe zu Nichteuklidischer
Geometrie am Beispiel des Hector-Seminars Heidelberg
87
4.1 Allgemeines zum Hector-Seminar
87
4.2 Übersicht über die Planung der Unterrichtsreihe
88
4.3 Grobziele der Unterrichtsreihe
90
4.4 Hinweise zur Durchführung
94
4.5 Einsatz von Lehrmaterialien und Unterrichtsmedien
110
4.6 Aufgabensammlung (exemplarisch)
113
4.7 Evaluation der Seminarreihe
117
4.8 Ergebnis und Schlussbetrachtung
121
Literatur
124
Abbildungsverzeichnis
127
5
Teil 5 Anhang
6.1 Hinweise zur Durchführung (tabellarisch)
6.2 Modulausschreibung „Kugelgeometrie“ zum Hector-Seminar
6.3 Evaluationsbogen
6.4 Anleitung zum Bau eines Großkreislineals
6.5 Kopiervorlagen zur sphärischen Trigonometrie
6.6 Arbeitsblatt: „Die mömpfelnden Strunze“
6.7 Arbeitsblatt und Musterlösung zur Gegenüberstellung der drei
verschiedenen Geometrien
6.8 Arbeitsblatt zu „Cinderella“: Das Kreisscheibenmodell
130
6
Teil 1 Einleitung
„Felix Klein beschrieb die nichteuklidische Geometrie als `einen der wenigen Teile der
Mathematik, über den in weiten Kreisen gesprochen wird, so daß jeder Lehrer in jedem
Moment danach gefragt werden könnte.“
Dies berichtet H. S. M. Coxeter in einer Einleitung zu Trudeaus „Die geometrische
Revolution“ ([Tru98]) und könnte damit eine wohl nicht geringe Anzahl von heutigen
Lehrern wegen ihrer Unwissenheit auf diesem Gebiet in Verlegenheit bringen.
Während im 19. Jahrhundert die Entwicklung der nichteuklidischen Geometrie eine
Revolution nicht nur in der Mathematik, sondern auch in Gebieten der Philosophie
und Physik bedeutete und den Menschen klar machte, dass die Welt, wie wir sie mit
unseren zwei Augen sehen, auch durch eine andere als die euklidische Geometrie
beschrieben werden kann, scheint ihre Behandlung heute nicht nur an den
Universitäten, sondern auch im Schulunterricht anderen Gebieten gewichen zu sein.
Wie kommt es, dass ein so bedeutendes Gebiet der Mathematik aus den Lehrplänen
verschwunden ist? Lobatschewski, einer der Mitbegründer der nichteuklidischen
Geometrie, erklärte zum Beispiel in seiner berühmten Rede „Über die wichtigsten
Fragen der Erziehung“ im Jahr 1928:
„Befragt die Natur, sie enthält alle Wahrheiten ... Hier wird das gelehrt, was wirklich
existiert und nicht das, was von einem untätigen Verstand erfunden worden ist." ([Sp06])
Bei den alten Griechen bedeutete „Geometrie“ dasselbe wie „Erdvermessung“ und
geometrische Figuren waren spezielle Objekte wie Äcker oder Weiden (vgl. [Tru98],
Seite 1). Heute im Zeitalter der Globalisierung, das auch durch den internationalen
Flugverkehr geprägt ist, können wir als Äcker oder Weiden gerne auch ganze
Kontinente betrachten und so ist es doch verwunderlich, dass eine mathematische
Orientierung auf dem Globus, wie zum Beispiel die Längenberechnung einer
Fluglinie, nicht zum Bildungskanon des weltoffenen Bürgers gehört.
Doch was genau ist an der Geometrie auf der Kugeloberfläche `nicht euklidisch´ und
wie ist sie aufgebaut? Worin bestehen die Unterschiede zur gewöhnlichen Geometrie
oder aber auch zu anderen nichteuklidischen Geometrien und wo finden diese in
unserer realen Welt Anwendung?
Diesen Fragestellungen soll im ersten Teil der Arbeit mit einem historischen Teil zur
Entstehung nichteuklidischer Geometrien nachgegangen werden. Des Weiteren
7
möchte ich einen Einblick in die Grundlagen und Modelle der hyperbolischen
Geometrie geben und einen Schwerpunkt setzen auf die Kugelgeometrie – oder auch
sphärische Geometrie – (diese beiden Begriffe beziehen sich im Folgenden auf ein
und dasselbe) und ihre Anwendungen als Modell der elliptischen Geometrie.
Nach den schlechten Ergebnissen der PISA-Studie wurde immer wieder die
Gewichtung
auf
anwendungsorientiertem
Lernen
im
Mathematikunterricht
gefordert. Die vorliegende Arbeit soll nun die Eignung der nichteuklidischen
Geometrie, insbesondere der Kugelgeometrie, als Unterrichtseinheit im gymnasialen
Mathematikunterricht untersuchen und Antworten auf folgende Fragen liefern:
Wie kann das Gebiet der nichteuklidischen Geometrie für eine sinnvolle Behandlung
mit Schülern ummodelliert und aufgearbeitet werden?
Welche Anwendungen können mit Schülern durchgeführt und welche Ziele können
gesteckt werden?
Im Folgenden möchte ich versuchen diese Fragen zu klären, eine umfassende
Grundlagen –und Materialienzusammenstellung für Lehrer bereitstellen und sie dazu
motivieren eine Unterrichtsreihe zu nichteuklidischer Geometrie durchzuführen.
Dabei werden vor allem im zweiten Teil dieser Arbeit die Behandlung
nichteuklidischer Geometrie im gymnasialen Mathematikunterricht im Hinblick auf
den Bildungsplan an Gymnasien in Baden-Württemberg untersucht und zu
erlernende Kompetenzen, Schwerpunktsetzung und Unterrichtsvoraussetzungen
analysiert.
Im dritten Teil der Arbeit wird dann eine konkrete Unterrichtsreihe zu
nichteuklidischer Geometrie mit dem Schwerpunkt auf der Kugelgeometrie
vorgestellt, die in einer Modulphase des Hector-Seminars in Heidelberg mit Schülern
der 9. und 10. Jahrgangsstufe aus verschiedenen Gymnasien durchgeführt wurde.
Dieser Teil gibt nicht nur eine genaue und zielgerichtete Planung und Durchführung
der
Unterrichtsreihe
mit
Verweisen
auf
im
Anhang
bereitgestellten
Arbeitsmaterialien, sondern soll auch rückbetrachtend ein Augenmerk auf Probleme,
Fragen und Ergebnisse der Schüler legen, um eine erfolgreiche Durchführung zu
ermöglichen. Außerdem sollen durch die Auswertung einer Evaluation der
Modulphase Rückschlüsse auf die Eignung von nichteuklidischer Geometrie im
Mathematikunterricht gezogen werden.
8
Wichtige Quellen für den theoretischen Teil der Arbeit und die mathematischen
Grundlagen sind die Bücher von Filler („Euklidische und nichteuklidische
Geometrie“ siehe [Fil93]) und Trudeau („Die geometrische Revolution“ siehe
[Tru98]), die zu gleichen Teilen versuchen die Hintergründe der nichteuklidischen
Geometrie in möglichst einfacher und verständlicher Form wiederzugeben. Der
Erstellung einer Unterrichtsreihe und der Lehrmaterialien liegen in erster Linie die
Veröffentlichung von Filler in [Fil95] sowie die Materialien für den Schulunterricht
aus [Kug83] und [Aba95] zugrunde.
9
Teil 2 Mathematische Grundlagen
2.1. Die Entstehung nichteuklidischer Geometrie
2.1.1 Einführung in den Aufbau axiomatischer Systeme
Die Beschäftigung mit Mathematik erhielt nach [Fil93] im alten Griechenland eine
völlig neue Qualität, als die Idee aufkam, intuitiv aus der reinen Anschauung heraus
gefundene Zusammenhänge zu beweisen. Die Arbeit des „Vaters der griechischen
Mathematik“ Thales von Milet (etwa 624 – 547 v. Chr.), der als erster eine Methode
des Beweisens geometrischer Sätze entwickelte, gilt somit nicht nur als Grundlage der
modernen Mathematik, sondern der modernen Wissenschaft überhaupt.
Um aber mathematische Sätze zu beweisen, müssen diese auf bereits bekannte
Aussagen und Sätze oder Sachverhalte zurückgeführt werden, die dann wieder aus
gewissen Aussagen ableitbar sind. Wenn man nun aber jede Aussage aus bereits
bewiesenen Aussagen herleiten wollte, käme man irgendwann an einen Punkt, an
dem man zumindest eine davon aus dem „Nichts“ beweisen müsste (vgl. [Fil93], S.
52). Für einen wirklich wissenschaftlichen Aufbau der Geometrie bedarf es also, wie
Trudeau in seinem ersten Kapitel in [Tru98] beschreibt, einer gewissen Anzahl an
Grundaussagen (Axiome), die formuliert werden und aus denen dann die anderen
geometrischen Sätze und Eigenschaften ableitbar sind. Die Axiome wiederum
basieren nun auf einer gewissen Anzahl an Definitionen, die gemacht werden um die
verwendeten Begriffe zu beschreiben. Lange Zeit beschäftigte man sich aber mit der
Frage der richtigen Definition bestimmter Begriffe, wie zum Beispiel des Begriffs
„Punkt“ (aus [Fil93], S. 56):
Plato (ca. 380 v. Chr.): Ein Punkt ist der Anfang einer Linie
Aristoteles (ca. 340 v. Chr.): Ein Punkt ist eine unteilbare Einheit, die eine Position besitzt.
Euklid (ca. 325 v. Chr.): Was keine Teile hat, ist ein Punkt.
Heron (ca. 50 n. Chr.): Ein Punkt ist, was keine Teile hat oder eine Begrenzung ohne Dimension oder
die Grenze einer Linie.
Auch die folgende Illustration auf Seite 8 aus [Tru98] verdeutlicht das Problem des
Aufstellens von Definitionen:
10
Abbildung 1
Erst im 19. Jahrhundert kam man (vgl. [Fil93], S. 56) letztendlich zur Überzeugung,
dass es völlig unmöglich ist alle mathematischen Begriffe zu definieren, ohne dass
einige grundlegenden Begriffe zur Verfügung stehen, die dann als Grundbegriffe
bezeichnet wurden und von den Axiomen Eigenschaften zugewiesen bekamen.
Ein axiomatisches System im Allgemeinen besteht also aus folgendem Schema (vgl.
[Tru98], S. 7 und [Fil93], S. 61):
-
Einführung der Grundbegriffe
-
Aufstellen einer Liste von Grundaussagen oder Axiome über diese
Grundbegriffe
-
Definitionen aller weiteren technischen Begriffe unter Zuhilfenahme der
bereits eingeführten Terme und Begriffe
-
Sätze (Theoreme), die aus den bereits bewiesenen Aussagen oder Axiomen
logisch abgeleitet werden
Drei grundlegende Forderungen wurden nach [Fil93] zusätzlich an jedes formale
Axiomensystem gestellt, die nach der Widerspruchsfreiheit, der Unabhängigkeit oder
Minimalität und der Vollständigkeit. Dies bedeutet, dass ein Axiomensystem nur so
viele Axiome enthalten soll, wie notwendig sind, um daraus alle relevanten Aussagen
der entsprechenden Theorie abzuleiten und dass diese sich nicht widersprechen
dürfen.
Durch die Entwicklung dieser axiomatischen Methode sollte erreicht werden, dass
Geometrie losgelöst von der Anschauung auf rein deduktivem Weg betrieben werden
konnte.
Damit
kann
ein
Axiomensystem
in
einem
völlig
abstrakten
11
nichtgeometrischen Kontext aufgestellt werden, wie das folgende Beispiel aus der
Literatur ([Tru98], Seite 193) verdeutlichen soll:
Die Mömpfelnden Strunze
Grundbegriffe: mömpfeln, Strunz
Axiome:
MS1: Sind A und B zwei verschiedene Strunze, dann gilt: A mömpfelt B oder B
mömpfelt A (wobei die Möglichkeit, dass beides eintritt, nicht ausgeschlossen
wird).
MS2: Kein Strunz mömpfelt sich selbst
Sind A, B und C Strunze derart, dass gilt: A mömpfelt B und B mömpfelt C, dann
gilt auch: A mömpfelt C.
MS3
MS4: Es gibt genau vier Strunze
Satz MS1:
Wenn ein Strunz ein anderes mömpfelt, wird es nicht auch von diesem anderen
gemömpfelt.
Beweis
1. Angenommen, Strunz „A“ mömpfelt Strunz „B“
Voraussetzung
2. Angenommen, A wird auch von B gemömpfelt, d.h. also Annahme des Gegenteils
B mömpfelt A.
3. Dann mömpfelt A A.
1.,2., Ax. MS3 (A, B, A die drei
Strunze)
4. Aber A mömpfelt nicht A
Ax. MS2
5. Widerspruch
3. und 4.
6. Daher mömpfelt B nicht A
2. – 5., Logik
Korollar:
Sind zwei Strunze gegeben, dann mömpfelt entweder das erste das zweite, oder das
zweite mömpfelt das erste, aber nicht beides.
12
Beweis: Kombination aus Axiom MS1 und Satz MS1
Satz MS2:
Angenommen A mömpfelt B, und C ist verschieden von A. Dann gilt: A mömpfelt C
oder C mömpfelt B (möglicherweise beides).
Beweis
1. C mömpfelt A oder A mömpfelt C, aber nicht beides
Voraussetzung (C
verschieden von A),Korollar
2. A mömpfelt nicht C
Voraussetzung
3. C mömpfelt A
1.,2.
4. A mömpfelt B
Voraussetzung
5. C mömpfelt B
3.,4., Ax. MS3 (C, A, B die
drei Strunze)
Satz MS3:
Es gibt mindestens ein Strunz, das jedes andere Strunz mömpfelt.
Definition MS1:
Ein Strunz, das jedes andere Strunz mömpfelt, heißt schiebig.
Satz MS4:
Es gibt ein und nur ein schiebiges Strunz
So wie diese zunächst bedeutungsleer erscheinenden Sätze nach logischen Regeln aus
den Axiomen abgeleitet werden sollen, so werden durch das Aufstellen eines
Axiomensystems auch die Sätze der Geometrie nicht mehr allein der Anschauung und
„Experimenten“ entnommen. Ziel der Aufstellung von Axiomen ist es nun aber, die
aus der Anschauung bekannten und durch praktische Erfahrungen gewonnenen
Eigenschaften und Sätze der Geometrie aus den Axiomen abzuleiten. Die Betrachtung
der Realität bzw. der Anschauung spielt also eine wichtige Rolle, denn nach Filler gilt
(vgl. [Fil93], S. 60):
13
1. Die Axiome müssen den Gegebenheiten des realen Raumes (bzw. unseren
Erfahrungen damit, also unserer Anschauung) Rechnung tragen und dürfen
diesen nicht widersprechen.
2. Die Axiome müssen „ausreichend“ sein, um alle uns aus der Anschauung oder
der Praxis bekannten geometrischen Eigenschaften abzuleiten.
Die axiomatisch aufgebaute Geometrie soll also den uns umgebenden Raum
beschreiben. Wir werden später sehen, dass diese beiden Gesichtspunkte dennoch
nicht nur die eine uns bekannte `normale´ euklidische Geometrie zulassen.
Stattdessen entstehen durchaus mathematische Theorien oder Geometrien, die
vielleicht zunächst keinen unmittelbaren praktischen oder anschaulichen Bezug für
uns, aber dennoch eine Bedeutung für die Beschreibung unserer realen Welt haben.
2.1.2 Die Entstehung der euklidischen Geometrie
Den ersten überlieferten Versuch, die Geometrie als rein theoretisches System
darzustellen und die damals bekannte Geometrie aus einer Reihe von Grundaussagen
auf rein deduktivem Weg aufzubauen, enthalten, wie in der meisten gängigen
Literatur zu Geometrie berichtet wird, die um 325 v. Chr. geschriebenen „Elemente“
des Euklid von Alexandria (ca. 365 – 300 v. Chr.)(vgl. [Ko07] und [Fil93]). Die aus
13 Büchern bestehenden „Elemente der reinen Mathematik“ (Arithmetik, Analysis,
Geometrie) werden als das erste umfassende mathematische Lehrbuch der
Weltgeschichte angesehen und sind mit geschätzten 1000 Auflagen seit Erfindung
der Buchdruckerkunst (1482) nach der Bibel das am meisten vervielfältigte Buch (vgl.
[Fil93], S. 53). Euklid, der im Prolog von [Ko07] auch als „Vater der Geometrie“
bezeichnet wird, erschuf mit seinem Werk ein Vorbild für viele wissenschaftliche
Bücher
und
bis
ins
19.
Jahrhundert
die
wesentliche
Grundlage
des
Mathematikunterrichts an höheren Schulen (vgl. [Fil93], S. 53 und [Ko07], S.1).
Das erste Buch des Euklid beginnt, wie in [Fil93] erläutert, mit einer Axiomatik der
ebenen Geometrie, in der die „offensichtlichen“ Tatsachen der Geometrie als a priori
evidente Axiome formuliert und die weniger offensichtlichen Tatsachen durch
logische Folgerungen als Lehrsätze abgeleitet wurden. Auf seiner Auffassung und
Erfahrung der geometrischen Welt versuchte er die Regeln des alltäglichen Umgangs
mit Punkten, Geraden und Kreisen als Grundbegriffe in ein logisches Gebilde von
14
Axiomen und Sätzen zu ordnen. Dabei teilte er seine Grundlagen in drei Kategorien,
die
Erklärungen
(Definitionen)
der
auftretenden
Begriffe,
die
Axiome
(Grundaussagen, die für alle Wissenschaften interessant sind) und die Postulate
(Grundaussagen, die sich speziell auf die Geometrie beziehen).
Im Folgenden sind nur die 5 Postulate, die speziell für den Aufbau der Geometrie
wichtig sind und dem Prolog von [Ko07] entnommen sind, aufgeführt:
Postulate:
Gefordert soll sein:
1.
2.
3.
4.
5.
Daß man von jedem Punkt nach jedem Punkt die Strecke ziehen kann
Daß man eine begrenzte gerade Linie zusammenhängend gerade verlängern kann
Daß man mit jedem Mittelpunkt und Abstand den Kreis zeichnen kann
Daß alle rechten Winkel einander gleich sind
Und daß, wenn eine gerade Linie beim Schnitt mit zwei geraden Linien bewirkt, daß innen auf
derselben Seite entstehende Winkel zusammen kleiner als zwei Rechte werden, dann die zwei
geraden Linien bei Verlängerung ins Unendliche sich treffen auf der Seite, auf der die Winkel
liegen, die zusammen kleiner als zwei Rechte sind.
In moderner Sprache bedeuten die Postulate 1 bis 5 nach [Ko07]:
1.
2.
3.
4.
5.
Je zwei verschiedene Punkte sind durch eine Gerade verbindbar.
Jede Gerade ist „unbegrenzt“.
Man kann Abstände antragen.
Alle rechten Winkel sind gleich.
Zwei ebene nicht-parallele Geraden schneiden sich.
Obwohl das System von Euklid
mehr als 2000 Jahre lang Grundlage jeglicher
Beschäftigung mit Geometrie war, brachte es einige Probleme der Exaktheit und
Vollständigkeit mit sich und so wurde das erste logisch vollständig exakte
Axiomensystem erst 1899 von David Hilbert (1862 – 1943), also erst ca. 2300 Jahre
nach dem Elementen von Euklid entwickelt (vgl. [Fil93], S. 55).
Dieser verwendet als Grundbegriffe die Bezeichnungen Punkt, Gerade und Abstand
und teilt seine Axiome in 5 Axiomengruppen, die sich jeweils auf bestimmte Bereiche
der Geometrie beziehen (nach [Ko07], S. 5):
I. Inzidenzaxiome (Zusammengehörigkeit von Punkten und Geraden)
II. Abstandsaxiome
III.Anordnungsaxiome
IV. Bewegungsaxiome
V. Parallelenaxiom
15
Diese 5 Axiomengruppen bilden nun ein vollständiges Axiomensystem der (ebenen)
euklidischen Geometrie, wie sie im Schulunterricht behandelt wird.
2.1.3 Das Parallelenproblem
Über 2000 Jahre, noch bin ins 19. Jahrhundert hinein, haben Mathematiker versucht
das 5. Postulat von Euklid, also das Parallelenaxiom, aus den anderen Axiomen
herzuleiten, weil sie es als überflüssig empfanden und glaubten, es mit Hilfe der
anderen Axiome beweisen zu können (vgl. [Fil93], Kapitel 3.1.1). Wie Trudeau auf
Seite 139 in [Tru98] berichtet, sagt man, dass wohl selbst Euklid nicht ganz zufrieden
mit seinem 5. Postulat war. Dies zeigt sich auch in seiner recht komplizierten
Ausdrucksform und so versuchte er, seine ersten 28 Propositionen ohne es zu
beweisen. Die geometrischen Sätze, die ohne das Parallelenaxiom bewiesen werden
konnten, bezeichnet man folglich als „Absolute Geometrie“ (vgl. [Tru98]).
Die klügsten Köpfe der Mathematik, angefangen bei Ptolomäus von Alexandria (ca.
90 – 160), über John Wallis (1610 - 1703) bis Adrien Marie Legendre (1752 – 1833)
haben sich an einem Beweis des 5. Postulats versucht, aber meist den Fehler
begangen, sich auf eine Aussage zu stützen, die zum Parallelenaxiom äquivalent ist.
Die verschiedensten Beweisversuche sind in [Tru98] und [Fil93] ausgeführt. Dies
führte zu einer Grundlage an äquivalenten Aussagen des Parallelenpostulats (vgl.
[Fil93]), S. 160 und [Tru98], S. 151, zur weiteren Lektüre gibt Trudeau eine
Zusammenstellung von Ersatzpostulaten mit den Namen der Mathematiker, die diese
jeweils vorschlugen):
1. Zu jeder Geraden g und zu jedem nicht auf g liegenden Punkt A gibt es höchstens eine
Gerade, die durch A verläuft und zu g parallel ist (euklidisches Parallelenaxiom).
2. Es gilt der Stufenwinkelsatz bzw. der Wechselwinkelsatz.
3. In jedem Dreieck beträgt die Innenwinkelsumme 180°.
4. Es existiert ein spitzer Winkel derart, dass die in jedem Punkt eines seiner Schenkel
errichtete Senkrechte den anderen Schenkel trifft.
5. Abstandslinien sind Geraden.
6. Es existieren zwei ähnliche, nicht kongruente Dreiecke.
7. Wenn drei Winkel eines Vierecks rechte Winkel sind, dann ist der vierte Winkel
ebenfalls ein rechter Winkel.
16
8. Die Summe der Kathetenquadrate eines rechtwinkligen Dreiecks ist gleich dem
Hypothenusenquadrat.
Gerade aber das Scheitern der vielen Beweisversuche des Parallelenaxioms hatte laut
oben genannter Literatur eine große Bedeutung für die Entdeckung und Entwicklung
einer
neuen
Art
von
Geometrie,
der
nichteuklidischen
Geometrie.
Viele
Beweisversuche wurden nämlich „indirekt“ geführt, d.h. man nahm die Axiome und
Sätze der absoluten Geometrie und zusätzlich die Verneinung des Parallelenaxioms
als gegeben an und versuchte einen Widerspruch herzuleiten, was nie gelingen
konnte. Diese Tatsache aber brachte einige Mathematiker auf den Gedanken eine
Geometrie zu entwickeln, in der zwar die absolute Geometrie gilt, nicht aber das
Parallelenaxiom und sie versetzten der Mathematik damit einen Schock (vgl. [Fil93],
[Tru98]).
2.1.4 Geschichtliches zur Entwicklung der nichteuklidischen Geometrie
Obwohl die Beweisbarkeit des Parallelenaxioms über Jahre als Makel der
Mathematik galt und Jean le Rond d´Alembert sie, (vgl. [Tru98] auf Seite 181) sie
schon 1759 als „le scandale des éléments de géométrie“ bezeichnete, wurde seine
Nichtbeweisbarkeit lange Zeit überhaupt nicht in Betracht gezogen. Die Existenz und
Möglichkeit
einer
nichteuklidischen
Geometrie
konnten
und
wollten
sich
Mathematiker nicht vorstellen und auch die dominierenden philosophischen
Auffassungen, vor allem von Immanuel Kant (1724 – 1804), trugen
dazu bei, dass eine Geometrie, die sich unserer anschaulichen
Vorstellung widersetzte, überhaupt nicht in Erwägung gezogen wurde
(vgl. [Fil93], Kapitel 3.2.1). Trotzdem machten sich nahezu zeitgleich
die drei Mathematiker Carl Friedrich Gauss (1777 – 1855), Janos
Bolyai
(1802
–
1860,
Ungarn)
und
Nikolai
Abbildung 2
Iwanowitsch
Lobatschewski (1792 – 1856, Russland, Abbildung 2) daran, eine Geometrie zu
entwickeln, in der das Parallelenaxiom nicht gilt und gelten somit als Begründer der
nichteuklidischen Geometrie, wie in jeder gängigen Literatur berichtet wird (vgl.
[Tru98], [Fil93] und [Li07]). Der Schock, der der Mathematik damit versetzt wurde,
ist nach [Tru98] wohl vergleichbar mit dem nach der Entdeckung der irrationalen
Zahlen von den Griechen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Gauss, der als
erster seine Ideen zur nichteuklidischen Geometrie entwickelte und von dem laut
17
[Fil93] (S. 164) auch die Bezeichnung „nichteuklidische Geometrie“ stammen soll,
sich wegen der weltanschaulichen Konsequenzen nicht traute, sie zu veröffentlichen.
Filler berichtet in [Fil93] in Kapitel 3.2.1, dass Lobatschewski schließlich der erste
Mathematiker war, der zu der neuen Geometrie in seinen „Geometrischen
Untersuchungen zur Theorie der Parallellinien“ 1840 publizierte, weswegen sie heute
oftmals auch seinen Namen trägt. Allerdings sollen seine, wie auch die Arbeiten
Bolyais, erst nach ihren Lebzeiten Beachtung gefunden haben, als nämlich durch die
Arbeiten von Riemann (1826 – 1866) und den Nachlass von Gauß deutlich wurde,
dass die Lobatschewski-Geometrie oder „hyperbolische Geometrie“ nur die erste
nichteuklidische Geometrie war und unter anderen mit der sphärischen Geometrie in
einen neuen weiter gefassten Zusammenhang von nichteuklidischer Geometrie
gestellt werden konnte.
In der Entwicklung der nichteuklidischen Geometrie ist, so schreibt Filler, allerdings
vor allem zu sehen, dass es damals wie heute Wissenschaftler geben muss, die ihren
Zeitgenossen vorauseilen, bereit sind Denk- und Vorstellungsbarrieren der
wissenschaftlichen Umwelt zu überwinden und den Mut besitzen für ihre Ideen und
Erkenntnisse einzustehen.
Mit der Entdeckung der nichteuklidischen Geometrien kam schließlich die
Unterscheidung in drei grundsätzlich verschiedene Arten der ebenen Geometrie auf:
-
Die elliptische Geometrie (oder Riemannsche sphärische Geometrie)
Statt dem Parallelenaxiom gilt das Axiom: Zu einer Geraden g und einem
nicht auf g liegenden Punkt A gibt es keine Gerade, die durch A läuft und g
nicht schneidet. ([Met08], Seite 7)
-
Die euklidische Geometrie
Es gilt das Parallelenaxiom: Zu jeder Geraden g und zu jedem nicht auf g
liegenden Punkt A gibt es höchstens eine Gerade, die durch A verläuft und zu
g parallel ist. ([Fil93], Seite 110)
Die hyperbolische Geometrie
(von dem griechischen Wort hyperbole „Überschuss“) (vgl. [Tru98], S. 187)
18
Statt dem Parallelenaxiom gilt das Axiom: Zu jeder Geraden g und jedem
nicht auf g liegenden Punkt A gibt es mindestens zwei Geraden, die durch A
verlaufen und g nicht schneiden. ([Fil93], Seite 166)
Oft ist mit nichteuklidischer Geometrie auch nur die hyperbolische Geometrie
gemeint, da in ihr alle anderen Axiome der euklidischen Geometrie gewahrt werden
können und sie im Hinblick auf ihre „Entdeckung“ laut Trudeau (vgl. [Tru98]) die
erste nichteuklidische Geometrie war. In der sphärischen Geometrie (weiteres hierzu
in Kapitel 2.3.1) gelten die Anordnungsaxiome nicht mehr unverändert. Wir werden
im Folgenden aber den weiter gefassten Begriff der nichteuklidischen Geometrie
verwenden und die sphärische Geometrie als nichteuklidische Geometrie mit
einbeziehen.
2.1.5 Zur Bedeutung von Modellen
Die Theorien zur nichteuklidischen Geometrie von Gauß, Bolyai und Lobatschewski
wurden lange nur als logische Spielereien angesehen, weil man sie sich nicht
vorstellen konnte und sie nicht ins Anschauungsvermögen der Naturwissenschaft
passten. Eine Vorstellung konnte nur dann gewährleistet werden, wenn ein
anschauliches Modell gefunden werden konnte. Trudeau gibt folgende Definition
eines Modelles:
„Ein Modell für ein formales axiomatisches System ist eine Interpretation der
Grundbegriffe, unter der die Axiome wahre Aussagen werden und damit die
Widerspruchsfreiheit des Systems zeigen.“ ([Tru98], Seite 271)
Zur Verdeutlichung nehmen wir das Beispiel der mömpfelnden Strunze aus [Tru98]
(von vorher) und geben ein Modell dafür vor, dass wir verwenden können um die
Axiome in wahre Aussagen zu verwandeln:
Grundbegriff
Interpretation
Die Strunze
Vier Bücher im Stapel
mömpfeln
Sich oberhalb befinden
19
MS1: Sind A und B verschiedene Bücher im Stapel, dann befindet sich A oberhalb
von B, oder B befindet sich oberhalb von A.
MS2: Kein Buch im Stapel befindet sich oberhalb seiner selbst.
MS3: Sind A, B und C Bücher im Stapel derart, dass sich A oberhalb B und B
oberhalb von C befindet, dann befindet sich A oberhalb von C.
MS4: Es gibt genau vier Bücher in dem Stapel.
Da diese Behauptungen unserer Anschauung nach alle wahr sind und sich nicht
widersprechen, ist diese Interpretation ein Modell und alle Sätze verwandeln sich in
wahre Aussagen:
Satz MS3: Es gibt mindestens ein Buch in dem Stapel, das sich oberhalb jedes
anderen Buches im Stapel befindet.
Um die Widerspruchsfreiheit einer neuen Theorie, wie in unserem Falle der
nichteuklidischen Geometrie, zu beweisen, braucht man also ein Modell mit dem die
Grundbegriffe dieser Theorie als Objekte einer bereits bekannten Theorie
interpretiert werden (vgl. [Fil93], S. 174). Bei der Suche nach geeigneten Modellen
für die hyperbolische oder elliptische Geometrie müssen dann die Grundbegriffe
dieser Geometrien durch geeignete Objekte der euklidischen Geometrie modelliert
werden. Als Modell der elliptischen Geometrie kann eben genau die sphärische
Geometrie aufgefasst werden (vgl. [Fil93]), deren Behandlung unseren Schwerpunkt
bildet und der die euklidische Geometrie zugrunde liegt. (Ein weiteres Modell der
elliptischen Geometrie wäre die Geometrie auf einem Ellipsoid (vgl. [Fil93], Seite
141). Während die Kugelgeometrie ihren Ursprung aber bereits bei den Griechen
hatte (allein ihre Entdeckung als Modell der elliptischen Geometrie erfolgte erst im
19. Jhdt. durch Bernhard Riemann, vgl. [Fil93], S. 163 und Kapitel 2.1.3) wurden
Modelle der hyperbolischen Geometrie, beginnend mit einem Modell von Eugenio
Beltrami von 1868, laut [Tru98], S. 273 erst im letzten Drittel des neunzehnten
Jahrhunderts entwickelt. Zeitler spricht in [Ze70] auf Seite 23 von der Methode des
„Umetikettierens“: „Die Grundelemente und Grundbegriffe unserer bekannten
Schulgeometrie […] erhalten gewissermaßen neue Namensschilder.“ Besonders leicht
verständlich ist das Modell von Henri Poincaré (1854 – 1912), eine sozusagen
euklidische Veranschaulichung der hyperbolischen Geometrie, welches wir später
genauer betrachten werden.
20
2.2. Hyperbolische Geometrie
2.2.1 Grundlagen der hyperbolischen Geometrie
„Was Kopernikus war für Ptolomäus, das war Lobatschewski für Euklid. Zwischen
Kopernikus und Lobatschewski gibt es eine interessante Parallele. Kopernikus und
Lobatschewski waren beide slawischer Abstammung. Jeder von ihnen rief eine Revolution
in den wissenschaftlichen Ideen und Standpunkten hervor. Beide Revolutionen waren von
ein und derselben Bedeutung: Sie waren Revolutionen in unserer Auffassung vom Kosmos.“
Diese Zitat W. K. Cliffords bringt Filler in seiner Einleitung zu hyperbolischer
Geometrie in Kapitel 3 aus [Fil93] und bringt damit nicht nur die Bedeutung,
sondern
auch
Umsturz
zum
Entwicklung
den
gesellschaftlichen
Ausdruck,
der
den
die
hyperbolischen
Geometrie bewirkte. So hatte sie nicht
nur Auswirkungen auf die Philosophie,
wovon in
[Tru98]
[Fil93] und besonders in
berichtet
wird,
sondern
beispielsweise auch auf die Kunst, was
aus nebenstehendem Bild mit dem Titel
„Junger Mann, beunruhigt durch den
Flug einer nicht-euklidischen Fliege“ von
Max Ernst aus
[Ze70] unschwer zu
erkennen ist (Abb. 3).
Abbildung 3
Die hyperbolische Geometrie als Beispiel
für eine nichteuklidische Geometrie beschreibt Filler in [Fil93], S. 166 nun als die
„Menge der Aussagen, die sich aus den Axiomen der absoluten Geometrie und der
Verneinung des euklidischen Parallelenaxioms ableiten lassen.“ Die Verneinung des
5. Axioms von Euklid wird nach [Fil93] hyperbolisches Axiom oder auch
Lobatschewskisches Axiom genannt:
Es existiert eine Gerade g und ein nicht auf g liegender Punkt A, durch den
mindestens zwei Geraden verlaufen, die g nicht schneiden.
21
Filler zeigt in [Fil93] auf Seite 167, dass es zu gegebenem Punkt P sogar unendlich
viele nichtschneidende („Parallelen“) zu der Geraden gibt. Lobatschewski erklärt in
einem Buch aus dem Jahr 1840 seine nichteuklidische Geometrie wie folgt:
„Alle Geraden, die in einer Ebene von einem Punkt ausgehen, können bezüglich einer (nicht
durch diesen Punkt gehenden) Geraden in zwei Klassen geteilt werden – in schneidende und
nichtschneidende. Die Grenzgeraden dieser beiden Klassen sollen Parallelen zur gegebenen
Geraden genannt werden.“ ([Li07], S.6)
Wir haben also bei der Definition des Begriffes der Parallelität (vgl. [Tru98] und
[Fil93]) eine Unterteilung der nichtschneidenden Geraden in zwei Klassen:
·
zwei asymptotisch oder echt parallele Geraden oder Grenzgeraden aller
Geraden, die eine gegebene Gerade g nicht schneiden (ihr also von allen g
nicht schneidenden Geraden „am nächsten kommen“)
·
unendlich viele divergierend parallele Geraden, die g nicht schneiden
Als wir zuvor einige äquivalente Aussagen des Parallelenaxioms aufgelistet hatten,
haben wir bereits wichtige Eigenschaften der hyperbolischen Geometrie, in der diese
Aussagen ja nicht gelten können, aufgedeckt. Es folgen einige wichtige Sätze der
hyperbolischen Geometrie, zusammengefasst aus der Literatur von [Fil93], [Tru98]
und [Li07]:
·
Die Innenwinkelsumme eines Dreiecks ist kleiner als zwei Rechte.
·
Kongruentsatz „www“: Stimmen zwei Dreiecke in allen drei Winkelmaßen
überein, so sind sie kongruent.
·
Es gibt keine ähnlichen Figuren.
·
Der Flächeninhalt eines Dreiecks lässt sich aus seinen Winkelgrößen
berechnen.
·
Sätze wie der Satz des Pythagoras, der Satz von Thales oder der
Peripheriewinkelsatz können nicht gelten.
Bei der Betrachtung von Dreiecken in der hyperbolischen Ebene ist es nützlich den
Begriff des „Defektes“ gegenüber dem sphärischen „Exzess“ (siehe Kapitel 2.3.2)
einzuführen, dessen Definition [Tru98], S. 261 entnommen ist:
22
Definition: Der Defekt eines Dreiecks ist der Betrag, um den seine Winkelsumme
kleiner als 180° ist.
Bei einem Dreieck ABC und den Winkeln α, β und γ, gilt dann die Formel für den
Defekt d: d = 180° - (α + β + γ)
So wie in der sphärischen Geometrie lassen sich auch in der hyperbolischen
Geometrie trigonometrische Beziehungen für Dreiecke herleiten, was in [Fil93]
ausgeführt wird. Hier wird insbesondere deutlich, dass sich die euklidischen
Beziehungen als Grenzfall ergeben, wenn die Dreiecksseitenlängen alle gegen Null
gehen.
2.2.2 Das Kreisscheibenmodell von Poincaré
Im Kleinen kann die hyperbolische Geometrie auf einer
Sattelfläche
dargestellt
werden,
was
nebenstehende
Abbildung verdeutlicht. Um sie sich aber exakt vorstellen zu
können und sozusagen ihre euklidische Veranschaulichung
darzustellen, wurden wie oben bereits erwähnt verschiedene
Modelle entwickelt. Die wichtigsten davon
Abbildung 4
sind (vgl. [Li07], S.7):
- das Modell von Eugenio Beltrami (1835 – 1900), welches 1868
als erstes Modell vorgestellt wurde und die hyperbolische
Geometrie auf der Rotationsfläche einer Traktrix um ihre
Asymptote, auch Pseudosphäre genannt, definiert (Abb. 5)
Abbildung 5
- das Modell von Arthur Cayley (1821 – 1895)
und Felix Klein (1849 – 1925), auch Kleinsches Modell genannt
(Abb. 6), welches die hyperbolische Geometrie im Innern einer
euklidischen Kreisscheibe darstellt und Elemente der projektiven
Abbildung 6
Geometrie nutzt
- das Halbebenenmodell (in [Ze70] und [Fil93] ausgeführt),
welches die hyperbolische Ebene durch die obere Halbebene
modelliert und das Kreisscheibenmodell (Abb. 7) von Henri
Poincaré (1854 – 1912)
Abbildung 7
23
Ich möchte im Folgenden das Kreisscheibenmodell von Poincaré, wie auch in [Tru98]
und [Li07] behandelt, vorstellen. Es kann auf recht elementarer Grundlage behandelt
werden und wird in der Geometriesoftware Cinderella als „hyperbolische
Zeichenfläche“ verwendet (Abb. 7), die in Kapitel 4.6 beschrieben ist. Das
„Umetikettieren“ geschieht wie folgt (vgl. [Li07] und [Fil93]):
1. Punkte sind alle euklidischen Punkte im Innern einer Kreisscheibe ohne ihren
Rand.
2. Geraden sind alle euklidischen Durchmesser und Kreisbögen, die an beiden
Enden orthogonal zum Rand sind.
3. Die Winkelmessung erfolgt „euklidisch“ zwischen zwei Kreisbögen über deren
Tangenten am Schnittpunkt.
4. Die Abstands- und Längenmessung wird mit Hilfe des sogenannten
Doppelverhältnisses und der Funktion ln in Verbindung mit der Beschreibung
von Punkten durch komplexe Zahlen erklärt (genaueres hierzu in [Fil93],
S.178).
Das Parallelenaxiom von Euklid existiert in dieser Geometrie nicht. In Abbildung 8
([Tru98], S.278) sehen wir, dass es zu einer gegebenen Geraden durch die Punkte A
und B (hier als Durchmesser) die zwei „asymptotischen“ Parallelen YPZ und WPX
gibt, die durch die auf dem Rand der Kreisscheibe liegenden Endpunkte Y* und X*
des Durchmessers gehen. Die „divergenten“ Parallelen sind die orthogonalen
Kreisbögen, die P mit den verschiedenen Punkten auf
dem Rand der Kreisscheibe
zwischen Y* und W*
verbinden, die Nicht-Parallelen sind die orthogonalen
Kreisbögen, die P mit den Punkten auf dem Rand
zwischen W* und Z* verbinden.
Abbildung 8
Ein Dreieck in der hyperbolischen Ebene sieht wie folgt aus
(Abb. 9):
Die Innenwinkelsumme des Dreiecks ist offensichtlich kleiner
als 180°. Würde man die Eckpunkte immer weiter an den
Rand ziehen, so würden die Innenwinkel des Dreiecks immer
Abbildung 9
24
kleiner werden, der Defekt also zunehmen. Es ist hieraus leicht zu ersehen, dass der
Flächeninhalt von Dreiecken eine obere Schranke hat, was ausführlich in [Tru98] auf
Seite 266 dargestellt wird.
Wie kann man sich nun aber den unendlichen hyperbolischen Raum auf einer
endlichen Kreisscheibe vorstellen? Um zu verstehen, was auf der hyperbolischen
Welt vor sich geht, stellt man sich am besten wie von Trudeau in [Tru98] auf Seite
273 beschrieben, einen Bewohner der Kreisscheibe vor, der dieselben geometrischen
Begriffe benutzt wie wir, aber in der hyperbolischen Ebene lebt. Versucht er den
Rand der Kreisscheibe zu erreichen, wird er selbst sobald er die Hälfte des Abstandes
durchschritten hat, um die Hälfte kleiner geworden sein und somit immer weiter
schrumpfen je mehr er sich dem Rand nähert, der ihm selbst unendlich weit entfernt
vorkommt. Abbildung 10 verdeutlicht diese Vorstellung. Versucht der Kreisbewohner
in seiner Welt Geometrie zu betreiben, so wird diese Geometrie natürlich die Welt
reflektieren, wie er sie wahrnimmt. Wenn eine Gerade also den „kürzesten“ Weg
zwischen zwei Punkten darstellt, so ist diese aus unserer Perspektive eine gerade
Linie, in der Welt des Kreisbewohners wölbt sie sich aber in Richtung des
Mittelpunkts und stellt so einen Kreisbogen dar.
Abbildung 8
In der euklidischen Ebene kann man eine Fläche mit gleichseitigen Dreiecken,
Quadraten oder Sechsecken pflastern. Die hyperbolische Ebene bietet einem noch
ganz andere Möglichkeiten eine Fläche mit einer oder mehreren Sorten
untereinander kongruenter Figuren zu parkettieren (vgl. [Tru98], S. 277). Abbildung
11 aus der Literatur von [Ka] zeigt einen Versuch des niederländischen Malers
Maurits C. Escher das hyperbolische Universum zu illustrieren und eine
Parkettierung aus gleichseitigen Dreiecken und Vierecken zu unternehmen.
25
Abbildung 9
Mit der Tatsache, dass sich die hyperbolische Geometrie im Kleinen wie die
euklidische Geometrie verhält und dem Gedanken, dass der oben beschriebene
Kreisbewohner seinen in Wirklichkeit hyperbolischen Raum um sich herum ebenfalls
als euklidisch bezeichnen würde, wächst der Gedanke, dass wir auch eine sozusagen
dreidimensionale Version des Kreisbewohners sein könnten. Stellt man sich laut
Trudeau im euklidischen Raum eine riesige innen schwarz angemalte Sphäre vor, die
unser bekanntes Universum beinhaltet und die Menschen als winzige Lebewesen in
der Nähe des Mittelpunktes, in der sich Geraden genauso krümmen und Dinge mehr
und mehr schrumpfen, je näher sie sich dem Rand nähern, so sieht man, dass
derartige Überlegungen durchaus vorstellbar sind und die wahre Geometrie des
Raumes um uns herum eine hyperbolische wäre (vgl. [Tru98], Seite 273).
2.2.3 Nichteuklidische Geometrien in unserem realen Raum
Lange Zeit galt die euklidische Geometrie laut Filler ([Fil93], Kapitel 3.7) als einzig
mögliche geometrische Struktur des Raumes, da sie als einzige unserer Anschauung
entsprach. Mit dem Aufkommen der nichteuklidischen Geometrien und der Tatsache,
dass sowohl die sphärische Geometrie für kleine Teile der Kugeloberfläche die
Eigenschaften der euklidischen Geometrie übernahm, als auch die hyperbolische sich
„im Kleinen“ der euklidischen Geometrie annäherte, soll der Gedanke aufgekommen
sein, dass diese Geometrien den realen Raum vielleicht besser beschreiben könnten
als die euklidische Geometrie.
26
So wie der Legende nach Gauß zwischen
1818
und
1826
die
Hannoversche
Landvermessung leitete (Abb.12, zu sehen
auf
dem
alten
10-DM-Schein)
und
empirisch nach einer Krümmung des
Raumes
durch
Abweichungen
vom
üblichen Wert der Winkelsumme eines
Dreiecks von 180° gesucht hatte (vgl.
[Tru98], S. 174 und Kapitel 2.3.2), so
versuchte laut Filler auch Lobatschewski
in
etwas
Abweichung
größerem
vom
Wert
Sinne
180°
eine
der
Innenwinkelsumme eines Dreiecks zu
Abbildung 10
finden, indem er als Eckpunkte zwei
gegenüberliegende Punkte der Erdbahn
und einen Fixstern benutzte (vgl. [Fil93],
S. 230). Auch die Abweichung seines
Messergebnisses lag unterhalb der Messfehlergrenze. Dies zeigt, dass selbst die
Entfernung von der Erde zu einem Fixstern als „klein“ gelten kann, wenn man die
Größe unseres Universums betrachtet. Mit größer werdenden Dimensionen weichen
zwar sowohl die sphärische, als auch die hyperbolische Geometrie in entgegen
gesetzten Richtungen immer stärker von der euklidischen ab, können uns aber im
Kleinen nicht bei der Frage helfen, welche Geometrie unseren realen Raum
beschreibt. Diese Frage ist, wie Filler ausführt, eng verbunden mit der nach der
Krümmung des realen Raumes, welche gleich Null in einer euklidischen bzw.
konstant positiv oder negativ in einer elliptischen oder hyperbolischen Geometrie
wäre. Gauß' Schüler Bernhard Riemann war es, der 1854 die Differentialgeometrie
gekrümmter Räume entwickelte und damit einen wichtigen Meilenstein in der
Entwicklung der Geometrie hervorbrachte, der besonders wichtig für die Physik
werden sollte (vgl. [Fil93]). Die nichteuklidischen Geometrien sind inzwischen aus
der theoretischen Physik und Kosmologie nicht wegzudenken (besonders ausführlich
in der Literatur von [Lie99] dargestellt) und waren schließlich auch eine wichtige
Basis für Einsteins allgemeine Relativitätstheorie, gemäß der die Geometrie des
Weltalls von der euklidischen abweicht, weil Schwerefelder den Raum krümmen. Ob
die Geometrie unseres Weltalls im „Großen“ nun aber sphärisch, euklidisch oder
27
hyperbolisch ist, gehört laut [Lie99] noch heute zu den großen aktuellen Fragen der
Forschung in der Physik.
Nicht
umsonst
wurde
den
beiden
Mathematikern Janos Bolyai (1802 – 1860)
und N. I. Lobatschewski (1792 – 1856) jeweils
zu ihrem 100. Todestag in Rumänien und der
UdSSR eine Briefmarke gewidmet (vgl. [Bö]).
Auch heute noch beschäftigt sich die Forschung
in der Mathematik ganz aktuell mit den Fragen,
Abbildung 11
die die nichteuklidische Geometrie aufgeworfen hat. Erst im Mai 2009 wurde laut
einem Artikel in der Welt-online (vgl. [Be09]) in Oslo der russisch-französische
Mathematiker Michail Gromow mit dem Abelpreis, dem höchsten Preis für
Mathematik, für seine bahnbrechenden Leistungen auf dem Gebiet der Geometrie
ausgezeichnet. Er beschäftigte sich dabei mit dem Studium gewisser Klassen von
nichteuklidischen
Gruppentheorie“.
Geometrien
und
war
Mitbegründer
der
„geometrischen
28
2.3 Die Kugelgeometrie als Modell der elliptischen Geometrie
2.3.1 Geschichtliches
Zu einer Geraden g und einem nicht auf g liegenden Punkt A gibt es keine Gerade,
die durch A läuft und zu g parallel ist. ([Met08], S. 7)
Diese Variante der Verneinung des Parallelenaxioms zusammen mit den Axiomen der
„absoluten Geometrie“ bilden die Basis der
elliptischen Geometrie.
Erst circa 30 Jahre nach Herausbildung der
hyperbolischen
Bernhard
Geometrie,
Riemann
(1826
entwickelte
-1866)
die
Abbildung 14
elliptische Geometrie (oder auch Riemanngeometrie),
nachdem er „entdeckt“ hatte, dass es sich bei der
Abbildung 15
sphärischen
Geometrie
um
eine
eigenständige
nichteuklidische Geometrie handelte und diese zur allgemeineren elliptischen
Geometrie erweitert werden konnte (vgl. [Fil93], S.163). In ihr wird ein „Punkt“ mit
einem gegenüberliegenden Punktepaar identifiziert (siehe Abbildung 15).
Die sphärische Geometrie erfüllt nicht alle Axiome der absoluten Geometrie, wie
zum Beispiel die Anordnungsaxiome oder die Forderung, dass zwei verschiedene
Punkte genau eine Gerade festlegen (vgl. [Fil93]), bietet aber ein anschauliches und
einfaches Modell der elliptischen Geometrie. Der Übergang von sphärischer zu
elliptischer Geometrie erfolgt durch die Identifikation eines gegenüberliegenden
Punktepaares als einen einzigen Punkt.
Auch wenn die Kugelgeometrie als Modell der elliptischen Geometrie erst im 19.
Jahrhundert zu den nichteuklidischen Geometrien gezählt wurde, liegt ihre
Entstehung aber bereits Jahre zuvor. Aufgefasst als Teil der Raumgeometrie wurde
aber, wie Filler in [Fil93] auf Seite 163 berichtet, von einer axiomatischen
Entwicklung völlig abgelassen.
Nach [Kug83], S.30, [Fil93], Kap. 1.6 sowie [Ke88] hatte die Kugelgeometrie ihre
Wurzeln bereits im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. in der Astronomie, als griechische
und alexandrinische Geometern und babylonische Astronomen versuchten, ihre
Beobachtungen festzuhalten. Dabei standen vor allem praktische Anwendungen im
Vordergrund. Klaudius Ptolomäus von Alexandria (etwa 90 bis 160 n. Chr.)
29
verwendete die „Sphärik“ des Menelaos, das älteste Lehrbuch der sphärischen
Trigonometrie, in der Astronomie und legte damit einen Grundstein für die
Geometrie im Modell der Himmelkugel, welches bis heute genutzt wird (z. B. für
Positionsbestimmung mit Hilfe von Fixsternen). Ihre große Wichtigkeit für die
Beschreibung der Erdoberfläche erlangte die Kugelgeometrie aber erst mit dem
Durchsetzen des heliozentrischen Weltbilds durch Nikolaus Kopernikus (1473 1543).
Meist wird in der oben genannten Literatur berichtet, dass die Wurzeln der
vermehrten Beschäftigung europäischer
Mathematiker mit
der
sphärischen
Geometrie nicht in Europa selbst liegen, sondern im Osten.
Im ersten Jahrtausend nach Christus entwickelten nämlich die Inder und Araber die
Kugelgeometrie weiter. Zum ersten Mal wurden nun auch Formeln der sphärischen
Trigonometrie aufgestellt.
In Europa soll die sphärische Trigonometrie erst nach dem Hochmittelalter Einzug
erhalten haben, als mit den zunehmenden Entdeckungen des 15. und 16.
Jahrhunderts die Seefahrt und die damit verbundene Suche nach Methoden zur
Ortsbestimmung von Bedeutung wurde. Prägend für die Wissenschaft des 15.
Jahrhunderts in vielen Disziplinen war der Rechner, Instrumentenbauer, Drucker
und Wissenschaftler Regiomontanus (1436-1476), mit bürgerlichem Namen
Johannes Müller, aus Königsberg (vgl. [Fil93]). Er verfasste 1464 das Werk „De
triangulis omniodis libri quinque“, das aufgrund seines großen Einflusses auf die
europäische Mathematik die Trigonometrie zu einer von der Astronomie
unabhängigen Wissenschaft erhob, die sich in der Folge rasch entwickelte (vgl.
[Fil93], S.44).
Neben dem Mathematiker Francois Vieta (1540-1603), auf den der Zusammenhang
zwischen einem Dreieck und seinem Polardreieck und dem damit verbundenen
Winkelkosinussatz zurückgeht, war laut [Kug83]
der Engländer John NAPIER
(1550-1617) ein wichtiger Bereiter der sphärischen Trigonometrie, da er die nach ihm
benannten Neperschen Regeln zur Berechnung für rechtwinkelige sphärische
Dreiecke zusammenfasste und effektive Berechnungsmethoden entwickelte (vgl.
[Fil93], S. 44).
So wie 1626 Albert Girard (1595 – 1632) die Idee zur Verwendung des sphärischen
Exzesses
zur
Berechnung
des
Flächeninhalts
eines
sphärischen
Dreiecks
niederschrieb, tat es auch Bonaventurea Cavalieri (1592 – 1647) in seinen Schriften
30
„Directorium Generale“ (1632) und “Trigonometria plana und et spherica“
(1643)(vgl. [Fil93], S.44).
Ihre heutige übersichtliche Form erhielt die sphärische Trigonometrie, nachdem sie
lange Zeit umständlich in Worten ausgedrückt worden war, nach [Kug83] erst durch
Leonhard
Euler
(1707
–
1783)
mit
Hilfe
der
inzwischen
entstandenen
Buchstabenrechnung.
In den folgenden Jahrhunderten erlangte die sphärische Trigonometrie eine
wichtige Stellung innerhalb der Mathematik. Allerdings berichtet Filler (in [Fil93] auf
Seite 44):
„Heute scheint sie allmählich wieder in Vergessenheit zu geraten. So war die Redaktion
einer großen Tageszeitung bei der Entführung einer Lufthansa-Maschine im Jahre 1977
nicht in der Lage, die Entfernung zwischen Bonn und Mogadischu anhand der
geographischen Koordinaten dieser beiden Orte zu berechnen oder zumindest eine kundige
Person zu finden, die dazu in der Lage gewesen wäre.“
2.3.2 Grundlagen der sphärischen Geometrie
„Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist die Strecke.“ Bei dem Gedanken
an eine übliche Strecke, wie wir sie aus der „gewöhnlichen“ ebenen Geometrie
kennen, wäre die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten auf der Erdoberfläche,
die wir näherungsweise als Kugel betrachten (in Wirklichkeit ähnelt die Erde eher der
Gestalt eines Ellipsoids) ein durch die Erde gegrabener Tunnel (vgl. [Fil93], S. 1).
Wenn es aber darum geht, geeignete Routen für Flugzeuge und Schiffe zu finden,
müssen wir unsere Vorstellungen der Geometrie einer Kugeloberfläche anpassen, auf
der wir uns im Allgemeinen bewegen (z. B. auch bei Flugreisen - die Flughöhe von bis
zu 30 km ist gegenüber dem Erdradius von 6370 km sehr gering und kann
vernachlässigt werden). Bei kleineren Entfernungen (z. B. innerhalb Deutschlands)
kann dies vernachlässigt werden, bei größeren Entfernungen sind Berechnungen
schließlich nur noch mit großen Ungenauigkeiten möglich. Dieser Gedanke motiviert
zu folgender einleitenden Frage, die Ausgangspunkt der Beschäftigung mit der
Geometrie der Kugeloberfläche ist:
Wie kann man die kürzeste Verbindung zweier Punkte auf der Sphäre
(Kugeloberfläche) ermitteln?
31
Die folgenden Kapitel geben eine zusammenfassende Einführung in die Grundlagen
der sphärischen Geometrie. Ihr Inhalt ist größtenteils der Literatur von [Fil93], 1.
Kapitel, [Kug83], [Aba95], [Wa08], und [Ke88] entnommen.
2.3.2.1. Kugel, Sphäre, Klein- und Großkreise
Definition 1: Eine Sphäre (bzw. Kugeloberfläche) S mit dem Mittelpunkt O und dem
Radius R ist die Menge aller Punkte P des Raumes, die vom Punkt O den Abstand R
haben:
S = {P: |ΟΡ|=R}
Eine (abgeschlossene) Kugel mit dem Mittelpunkt O und dem Radius R ist die Menge
aller Punkte P des Raumes, die von O einen Abstand haben, der kleiner oder gleich R
ist:
K = {P:|OP|≤R}
Eine wichtige Rolle für den Aufbau der Geometrie auf der Kugeloberfläche spielen die
auf ihr liegenden Kreise, die als Schnittfiguren der Sphäre
mit Ebenen entstehen.
Ihre
Eigenschaften
werden
wir
zunächst
genauer
untersuchen:
Satz 1: Falls sich eine Sphäre S und eine Ebene ε
schneiden, so haben sie entweder genau einen
gemeinsamen Punkt, oder die Menge der
Schnittpunkte ist ein Kreis.
Abbildung 16
Beweis (nach [Fil93], S. 5): Wir fällen vom Mittelpunkt O der Sphäre das Lot auf die
Ebene ε und bezeichnen den Fußpunkt dieses Lotes mit M (siehe Abb. 18). Falls ε und
S nicht nur einen Punkt gemeinsam haben, gibt es wenigstens zwei Schnittpunkte P
und Q. Da die Dreiecke DOPM und DOQM kongruent sind (nach dem Kongruenzsatz
„ssw“: Winkel bei M jeweils rechte, |OP| = |OQ| = R, Seite OM gemeinsam), gilt |MP|
= |MQ|. Da die Punkte P und Q beliebig gewählt wurden, liegen alle Schnittpunkte
der Ebene ε und der Sphäre S auf einem Kreis k, dessen Mittelpunkt der Fußpunkt M
32
des Lotes vom Mittelpunkt O der Sphäre auf die Ebene ε ist. Umgekehrt gehört jeder
Punkt des Kreises k der Sphäre an, was aus dem Kongruenzsatz „sws“ folgt.
Abbildung 17
Abbildung 18
Wir haben nun auch die Möglichkeit den Radius eines Kreises auf der Sphäre zu
bestimmen. Aus Abb. 17, die das Dreieck DOPM aus Abb. 18 zeigt, entnehmen wir:
(1)
r = |MP| = |OP|× sin w = R × sin w .
Der Radius r eines Kreises auf der Sphäre ist also niemals größer als der Radius R der
Sphäre selbst. Aus Abbildung 18 sieht man sofort, dass nur Kreise, deren Mittelpunkt
M mit dem Mittelpunkt O der Sphäre übereinstimmt, denselben Radius haben wie
die Sphäre selbst (r = R). Diese Kreise sind somit die größten Kreise auf der Sphäre.
Für alle Kreise, die einen anderen Mittelpunkt als die Sphäre haben, gilt
demgegenüber wegen ω< 90° nach Gleichung (1) r < R. Aus diesem Grunde ist
folgende Definition sinnvoll (vgl. [Fil93], 1. Kapitel, [Kug83], [Aba95]):
Definition 2: Alle Kreise der Sphäre, deren Mittelpunkte mit dem der Sphäre
identisch sind, heißen Großkreise, alle anderen werden als Kleinkreise bezeichnet.
Ein anschauliches Beispiel für die Kugelgeometrie ist die
Geometrie auf der Erdoberfläche, wenn wir die Erde
näherungsweise als Kugel betrachten. Hier finden wir eine
Vielzahl unterschiedlicher Kreise. Bekannteste Großkreise auf
der Erdoberfläche sind der Äquator und die Meridiane
(letztere sind jedoch nur halbe Großkreise). Dagegen sind alle
Breitenkreise (außer dem Äquator) Kleinkreise.
Abbildung 19
33
Abbildung 19 zeigt einige Meridiane („senkrechte“ Bögen) und Breitenkreise („waagerechte“ Bögen).
2.3.2.2 Geraden, Strecken und Abstände auf der Sphäre
Auf der Kugeloberfläche gibt es keine Geraden, wohl aber Kreise. Daher müssen wir
einen geeigneten „Ersatz“ für Strecken und Geraden finden,
der
ihre
Eigenschaften
„gewöhnlichen“
ebenen
teilt.
Eine
Geometrie
Strecke
ist
die
in
der
kürzeste
Verbindung zwischen zwei Punkten. Wir definieren daher
eine „sphärische“ Strecke als Kurven der Kugeloberfläche, die
zwei Punkte auf kürzestem Weg verbinden. Aus der ebenen
Geometrie wissen wir (vgl. Abb. 20):
Abbildung 20
Werden zwei Punkte A und B durch einen Kreisbogen verbunden, dann gilt: Je größer
der Kreisradius, desto kürzer ist die Länge des Verbindungsbogens. Wie wir vorher
bereits gesehen haben, ist der Radius eines Großkreises stets größer als der eines
Kleinkreises, was zu folgender Definition aus ([Fil93]) führt:
Definition 3: Als sphärische Geraden (S-Geraden ) bezeichnen wir alle Großkreise,
als sphärische Strecken (S-Strecken) die Großkreisbögen, die nicht länger sind als ein
halber Großkreis. Auf der Kugeloberfläche ist die kürzeste Verbindung zweier Punkte
das Stück eines Großkreises.
Zwischen fast allen Paaren von Punkten gibt es genau eine S-Strecke. Eine Ausnahme
bilden sich gegenüberliegende Punkte (z. B. Nord- und Südpol). Diese Punktepaare
nennt man diametral oder Gegenpunkte (Abb. 21).
Abbildung 21
Definition 4: Zwei Punkte A und B der Sphäre heißen diametral oder Gegenpunkte,
falls sie auf ein und demselben Durchmesser der Sphäre liegen.
34
Da durch drei Punkte eines Raumes, die nicht auf einer Geraden liegen genau eine
Ebene bestimmt ist, Großkreise aber Schnittfiguren der Sphäre mit Ebenen, die den
Mittelpunkt enthalten, sind, gilt folgender Satz:
Satz 2: Zu zwei nichtdiametralen Punkten A, B der Sphäre existiert genau eine SGerade, welche diese beiden Punkte enthält; sind A und B diametral, so gibt
es beliebig viele solcher S-Geraden (Abb. 22).
Abbildung 22
Wir können nun auch den Abstand zweier Punkte der Sphäre definieren, wobei wir
zwischen diametralen und nichtdiametralen Punkten unterscheiden, da nur diese
genau einen kürzesten Abstand haben.
Definition 5: Es seien A und B zwei nichtdiametrale Punkte der Sphäre. Als
sphärischer Abstand |AB| wird die Bogenlänge des kürzeren Bogens des Großkreises
durch A und B bezeichnet. Der Abstand zweier diametraler Punkte ist gleich dem
halben Umfang eines Großkreises.
Der Sphärische Abstand hängt nur vom Radius R und vom Winkel α der Radien der
)
)
beiden Punkte ab. Für die Einheitssphäre (R = 1) ist |AB| = a ( a gibt das Bogenmaß
von α an). Ansonsten gilt:
(1)
AB = R ×
p
180°
)
×a = R ×a .
Abbildung 23
Häufig gibt man an Stelle der Bogenlänge auch den zugehörigen Mittelpunktswinkel
α an.
Nun können wir auch einen sphärischen Kreis definieren:
35
Definition 6: Als sphärischer Kreis wird die Menge aller Punkte der Sphäre
bezeichnet, die von einem gegebenen Punkt P der Sphäre den gleichen sphärischen
Abstand haben.
Dabei ist jeder sphärische Kreis ein ganz gewöhnlicher euklidischer Kreis. Der
maximale Radius eines sphärischen Kreises beträgt allerdings 180° und würde in
diesem Falle nur aus einem Punkt bestehen (vgl. [Fil93], S. 134). Zu beachten ist
weiterhin, dass jeder sphärische Kreis zwei mögliche Mittelpunkte hat.
2.3.2.3 Sphärische Zwei- und Dreiecke
Definition 7: Unter dem Winkel α zwischen zwei Großkreisen
versteht man den Keilwinkel zwischen den beiden zugehörigen
Großkreisebenen (Abb. 24). Dies ist der kleinere der beiden
Winkel zwischen den Ebenen ([Aba95], S. 162).
Abbildung 24
Der gleiche Winkel befindet sich auch zwischen den Tangenten an die beiden
Großkreise, die durch den Schnittpunkt gehen.
Wichtig ist bei Maßangaben zu beachten, ob es sich um Strecken oder Winkel
handelt, da wie wir gesehen haben auch Längen auf der Sphäre in Grad angegeben
werden.
Da sich in der sphärischen Geometrie zwei verschiedene
Geraden in genau zwei Punkten schneiden, gibt es auf der Kugel
Zweiecke. Die zwei Großkreise zerlegen die Kugeloberfläche in 4
Kugelzweiecke, die paarweise kongruent sind. Jedes Zweieck
besitzt 2 Ecken, 2 gleiche Seiten (die begrenzenden Halbkreise)
und 2 gleiche Winkel.
Abbildung 25
Um den Flächeninhalt eines sphärischen Zweiecks zu bestimmen, betrachten wir den
Oberflächeninhalt einer Kugel mit dem Radius R und die Tatsache, dass das
Verhältnis zwischen dem Flächeninhalts des Zweiecks und dem der Sphäre, wie in
[Kug83] auf Seite 11 beschrieben, gleich dem Verhältnis seines Winkelmaß´ und dem
eines Vollwinkels (360°) ist.
36
Satz 3: Ein Zweieck mit dem Winkel α und dem Radius R auf der Kugel hat den
a
a
Flächeninhalt
F = 4p × R 2 ×
= p × R2 ×
360°
90°
Als sphärische Dreiecke werden Teile der Sphäre bezeichnet, die durch
Großkreisbögen begrenzt sind. Dabei ist zu beachten, dass mit der Angabe von drei
Eckpunkten ein Dreieck noch nicht eindeutig beschrieben werden kann (siehe Abb.
26).
Abbildung 26
Im Folgenden betrachten wir daher nur spezielle sphärische Dreiecke, die Eulerschen
Dreiecke (vgl. [Fil93], S. 15).
Definition 8: Sphärische Dreiecke, deren sämtliche Seiten und Winkel kleiner als
180° sind, heißen eulersche Dreiecke.
Die drei Großkreise schneiden sich im Allgemeinen in
3 Paaren von Gegenpunkten (A,A´;B,B´;C,C´). Sie
zerlegen die Kugelfläche in 8 Kugeldreiecke, die
paarweise punktsymmetrisch zu M sind. Zum Dreieck
ABC gehören die 3 Nebendreiecke ABC´, BCA´, CAB´,
die 3 Scheiteldreiecke AB´C´, BC´A´, CA´B´ und das
Abbildung 27
Gegendreieck A´B´C´.
Um den Dreiecksflächeninhalt zu ermitteln, können wir diesen durch geschicktes
Abdecken der Kugel mit Zweiecken ausdrücken und eine Formel (vgl. [Wa08], S. 3)
herleiten (Abb.27):
Halbe Sphäre = Zweieck A'A + Zweieck B'B + Zweieck C'C - 2·Dreieck ABC
2·π·R² =
2·Dreieck ABC =
a
90°
×p × R2 +
a + b +g
180°
b
90°
×p × R2 +
g
90°
× 2 ×p × R2 - 2 ×p × R2
× p × R 2 - 2·Dreieck ABC
37
Dreieck ABC =
a + b + g - 180°
180°
×p × R2
Damit lässt sie folgender Satz aufstellen:
Satz 4: Ein Dreieck mit den Winkeln α, β, γ auf der Kugel und dem Radius R hat
den Flächeninhalt
a + b + g - 180°
F= p × R 2
180°
Dieser Satz zeigt, dass der Flächeninhalt eines eulerschen Dreiecks nur von der Größe
der Innenwinkel des Dreiecks abhängig ist. Da er stets positiv sein muss, ergibt
sich folgender Satz über die Innenwinkelsumme sphärischer Dreiecke:
Satz 5: Die Innenwinkelsumme in einem Kugeldreieck ist stets größer als 180°.
Bemerkungen:
· Die Bezeichnungen gleichschenklig, gleichseitig, rechtwinklig, Grundseite,
Schenkel, Grundwinkel, Hypotenuse, Kathete gebraucht man auch bei
Kugeldreiecken. Misst wenigstens eine Seite 90°, so heißt das Dreieck
rechtseitig (vgl. [Kug83], S.13)
· Die Aussage von Satz 4 gilt auch für nicht-eulersche Dreiecke, da sich diese in
eulersche Dreiecke zerlegen lassen.
Aus Satz 4 geht ebenso hervor, dass sich die Innenwinkelsumme
eines Dreiecks mit einem sehr kleinen Flächeninhalt nur wenig
von 180° unterscheidet. Sehr „kleine“ sphärische Dreiecke ähneln
in ihrer Gestalt ebenen Dreiecken, was nebenstehende Abbildung
Abbildung 28
verdeutlicht (Abb. 28).
Diese Tatsache zeigt sich auch in einer Legende von Gauß, sehr gut dargestellt von
Trudeau in [Tru98] auf Seite 174, nach der er im Jahr 1820 im Rahmen eines
Projektes zur Kartierung des Staates Hannover das Dreieck Hoher Hagen (bei
Göttingen), Brocken (im Harz) und Inselsberg (im Thüringer Wald) vermessen hatte,
um zu sehen ob seine Winkelsumme auch wirklich 180° ist. Als Resultat erhielt er
eine Winkelsumme, die im Rahmen des experimentellen Messfehlers 180° betrug.
38
Als Maß dafür, wie sehr sich ein sphärisches von einem ebenen Dreieck
unterscheidet, bezeichnet man den sphärischen Exzess, der den Überschuss einer
Winkelsumme über 180° bezeichnet (vgl. [Ke88], S. 23):
Definition 9: Ist DABC ein eulersches Dreieck mit den Innenwinkeln α, β und γ, so
heißt die Größe ε:= α+β+γ-180° sphärischer Exzess dieses Dreiecks.
Bemerkung: Die Flächeninhaltsformel kann also auch direkt mit dem sphärischen
Exzess angegeben werden:
F = p × R2 ×
e
180°
2.3.2.4 Polarität von Punkten und Geraden, Poldreiecke
Für die Herleitung wichtiger Sätze der Trigonometrie benötigt
man den Begriff des Polardreiecks und des Pols wie es z. B. in
[Wa08], S.11 oder [Fil93], S. 20 beschrieben wird.
Definition 10: Ein Punkt A und ein Großkreis g der Sphäre
heißen polar, falls A auf einer Geraden durch den Mittelpunkt der
Abbildung 29
Sphäre liegt, die zu der durch g bestimmten Ebene ε senkrecht ist.
Auf der Erdkugel sind beispielsweise der Süd- und der Nordpol polar zum Äquator.
Jeder Großkreis besitzt zwei polare Punkte, hier A und A´.
Dem Schnittwinkel α zweier Großkreise kann ein Polarbogen zugeordnet werden,
wobei jeweils die äußeren Pole der beiden Großkreise durch einen Großkreisbogen a*
verbunden werden (vgl. Abb. 30)
Abbildung 30
39
Aus einem Dreieck ABC können wir nun auf der anderen Halbsphäre das
Polardreieck bestimmen, welches aus den drei Polarbögen a*, b* und c* der Winkel α,
β und γ besteht und ebenfalls ein sphärisches Dreieck ist. Wir sagen:
Definition 11: Als Polardreieck eines eulerschen Dreiecks ABC wird das Dreieck
A*B*C* bezeichnet, dessen Eckpunkte polar zu den Großkreisen sind, auf denen die
Seiten des Ausgangsdreiecks ABC liegen und sich in der dem Dreieck ABC
gegenüberliegenden Halbsphäre befinden.
Wenn
wir
zu
dem
Dreieck
DA*B*C*
das
Polardreieck konstruieren, so entsteht als Ergebnis
gerade das Ausgangsdreieck DABC. Daher gilt wie
in [Fil93], auf S. 21 dargestellt:
Abbildung 31
Satz 6: (Dualitätsprinzip der Kugel) Jedes eulersche Dreieck ist das
Polardreieck seines Polardreiecks.
Bemerkung: Mit Hilfe dieses Satzes kann zu jedem Satz über Seiten und Winkel eines
Kugeldreiecks ein „dualer“ Satz aufgestellt werden, in dem die Rollen der Seiten und
Winkel vertauscht werden. Alle für Berechnungen am sphärischen Dreieck
notwendigen Formeln brauchen daher nur für die Winkel oder für die Seiten
hergeleitet werden.
Aus obiger Abbildung erkennen wir folgende Beziehungen, die später für die
Herleitung des Winkelkosinussatzes nötig sind (vgl. [Kug83], S. 15):
Satz 7: Die Seitenlängen a, b und c eines eulerschen Dreiecks DABC ergänzen sich
mit den zugehörigen Winkelgrößen a*, b* und g* des zugehörigen
Polardreiecks zu jeweils 180°:
a + a* = 180°,
b + b* = 180°,
c + g* = 180°.
40
2.3.2.5 Sätze über Seiten und Winkel von Kugeldreiecken:
Falls DABC ein Dreieck und DA’B’C’ das zugehörige Polardreieck ist, so ist nach Satz 6
DABC zugleich das Polardreieck von DA’B’C’. Aus Satz 7 folgt damit wie in [Kug83], S.
15):
Satz 7*: Die Winkelgrößen a, b und g eines eulerschen Dreiecks DABC ergänzen sich
mit den zugehörigen Seitenlängen a*, b* und c* des zugehörigen Polardreiecks zu
jeweils 180°.
Aus Satz 5 und 7 ergibt sich sofort folgender Satz über die Seitensumme eulerscher
Dreiecke:
Satz 8: Die Seitensumme eines jeden eulerschen Dreiecks ist kleiner als 360°.
Die folgenden zwei Sätze (vgl. z. B. in [Kug83], S. 16) ergeben sich offensichtlich und
sind für spätere Berechnungen wichtig:
Satz 9 („Dreiecksungleichung“): Die Summe der Längen zweier Seiten eines
eulerschen Dreiecks DABC ist stets größer als die Länge der dritten Seite.
Satz 10 („Beziehung größere Seite - größerer Winkel“): In jedem eulerschen
Dreieck sind die Längen zweier Seiten und die Maße der jeweils gegenüberliegenden
Innenwinkel entweder paarweise gleich oder der längeren Seite liegt der größere
Winkel gegenüber.
Hieraus folgt wegen Satz 7*:
Satz 11: Die Summe zweier Winkel ist kleiner als der um π vermehrte dritte Winkel:
α + β < π + γ, β + γ < π + α, α + γ < π + β
Dies ergibt sich, da Satz 9 auch im Poldreieck gilt: So folgt etwa aus a* + b* > c*
sofort (180° - α) + (180° - β) > 180° - γ, also - α – β > - 180° - γ und damit die
Behauptung.
41
Aus der Flächeninhaltsformel erkennt man leicht, dass es auf der Kugel keine
ähnlichen Dreiecke geben kann, da der Flächeninhalt eines Dreiecks gerade von den
Winkeln abhängt. In der folgenden Tabelle sind die Kongruenzverhältnisse in
eulerschen Dreiecken zusammengestellt (vgl. [Kug83], S. 18):
Gegebene
Dual
Kongruenzklasse
Dreiecksstücke dazu
eindeutig bestimmt?
sss
www
Ja
ssw
sww
Nein
sws
wsw
Ja
In nichteulerschen Dreiecken bestimmen ssw und wws noch keine eindeutige
Kongruenzklasse (hierauf werde ich in Kapitel 2.3.2.8 genauer eingehen).
2.3.2.6 Das sphärische Dreikant
Bei der Untersuchung der Eigenschaften eines sphärischen Dreiecks ΔABC und der
Herleitung
der trigonometrischen Beziehungen ist es nützlich, sich auf den
zugehörigen Dreikant zu beziehen. Hierzu gibt z. B. Filler in Kapitel 1.3. in [Fil93]
eine gute Ausführung. Der Dreikant entsteht durch Schnitte entlang der Ebenen, in
denen die Seiten des Dreiecks ΔABC liegen.
Abbildung 33
Wie in den Abbildungen leicht zu erkennen ist, besteht folgender Zusammenhang:
Satz 12: Die Winkelgrößen zwischen den Kanten eines Dreikants entsprechen den
Seitenlängen des zugehörigen sphärischen Dreiecks.
Satz 13: Die Winkel zwischen den Ebenen des Dreikants sind gleich den Winkeln
des zugehörigen sphärischen Dreiecks.
42
Mit Hilfe von Satz 12 lässt sich leicht auch Satz 8 erkennen. Denn sind alle Seiten a, b,
c eines sphärischen Dreiecks, beziehungsweise des zugehörigen Dreikants kleiner als
π, dann bilden die Seitenflächen des Dreikants bei O eine konvexe Spitze und daher
ist die Summe kleiner als ein Vollkreis, also a + b + c < 2π.
2.3.2.7 Sphärische Trigonometrie
a) Das rechtwinklige Dreieck
So wie bei der Behandlung der ebenen Trigonometrie in Klasse 10, werden wir wie
auch Filler in [Fil93], Kapitel 1.3 zunächst die Beziehungen an rechtwinkligen
sphärischen
Dreiecken
untersuchen
und
die
Beziehungen
für
beliebige
(schiefwinklige) sphärische Dreiecke dann anschließend aus diesen herleiten. Dabei
werden die Beziehungen zwischen den Seiten und Winkeln eines rechtwinkligen
sphärischen Dreiecks ABC mit Hilfe des zugehörigen Dreikants auf die
trigonometrischen Beziehungen in geeigneten ebenen Dreiecken zurückgeführt.
Dabei besteht ein wichtiger Unterschied zur ebenen Geometrie: Eine Dreiecksseite
kann nun auch als Winkel aufgefasst werden. Daher werden auch Seiten als
Argumente trigonometrischer Funktionen erscheinen.
Abbildung 34
Herleitung der trigonometrischen Beziehungen (nach [Fil93], S. 23):
Wir betrachten das Dreieck, dessen Eckpunkte der Punkt A und die Fußpunkte A'
und D der Lote von A auf die (euklidischen) Geraden OC bzw. OB sind (siehe Abb.34).
43
Der Winkel Ð(ADA') in diesem Dreieck hat dieselbe Größe wie der Winkel β des
sphärischen Dreiecks DABC, denn die Geraden DA und DA’ stehen senkrecht auf der
Schnittgeraden OB der Ebenen OAB und OBC. Deshalb ist der Winkel zwischen
diesen beiden Geraden so groß wie der Winkel der Ebenen OAB und OBC, der
wiederum die Größe des Winkels β des sphärischen Dreiecks DABC angibt.
In Abbildung 34 wurden die Ebenen OAB, OAC und ADA' in die Ebene OCB geklappt.
Die drei durch das Umklappen dieser Ebenen entstandenen Bilder von A sind A1, A2
und A3. Die Strecken A' A1 und A' A3 sind zwei verschiedene Bilder derselben Strecke
A' A und daher gleich lang. Auch die Strecken DA2 und DA3 , (die beide durch
Umklappen von DA entstanden sind), sind gleich lang. Es gilt also:
(1) A' A3 = A' A1 und
(2) DA2 = DA3 .
Durch Anwendung der trigonometrischen Formeln für rechtwinklige ebene Dreiecke
auf die Dreiecke DA1OA’, DA’OD, DDOA2 und DA3DA’, ergeben sich die Beziehungen:
(3) sin a =
(6) cos a =
(9) sin b =
A' D
OA'
OD
OA'
,
(4) sin b =
,
(7) cos b =
A' A3
DA3
sowie
A' A1
OA1
(10) cos b =
OA'
OA1
=
A' D
DA3
A' A1
=
R
OA'
R
,
,
(5) sin c =
(8) cos c =
DA2
OA2
OD
OA2
=
=
DA2
R
OD
R
,
,
.
Neben den Größen a, b, c und b des sphärischen Dreiecks DABC treten in jeder der
Gleichungen (1) - (10) noch Stücke der ebenen Dreiecke DA1OA’, DA’OD, DDOA2 und
DA3DA’ auf. Da es jedoch unser Ziel ist, zu Beziehungen zwischen den Seitenlängen
und Winkelgrößen sphärischer Dreiecke zu gelangen, werden wir im Folgenden aus
(1) bis (10) Gleichungen herleiten, in denen nur noch die Stücke des sphärischen
Dreiecks DABC auftreten. Zunächst ergibt sich aus (6), (7) und (8):
(11) cos a × cos b =
OD
OA'
×
OA'
R
=
Aus (2), (4), (5) und (9) folgt:
(12)
sin b
= sin b .
sin c
OD
R
= cos c .
44
Wie wir bereits festgestellt haben, treten in der sphärischen Trigonometrie Seiten a
und b, sowie die jeweils gegenüberliegenden Innenwinkel α und β völlig
„gleichberechtigt“ auf, wodurch alle aufgestellten Beziehungen auch gelten, wenn sie
durch zyklische Vertauschung geändert werden (vgl. [Wa08], S.10):
Abbildung 35
Damit ergibt sich aus (12):
(13)
sin a
= sin a .
sin c
(14) cos b × sin a = cos b ,
(15) cos a × sin b = cos a ,
(16) cos c = cot a × cot b ,
(17) sin a = cot b × tan b ,
(18) sin b = cot a × tan a ,
(19) cos a = cot c × tan b ,
(20) cos b = cot c × tan a .
Diese Beziehungen können zu einer Regel wie z. B. in [Fil93] zusammengefasst
werden (nach John Napier):
Satz 14: Nepersche Regel
Wir schreiben die Seiten und Winkel des rechtwinkligen Dreiecks in der
Reihenfolge, wie sie im Dreieck vorkommen, an einen Kreis. Dabei lassen wir den
rechten Winkel aus und ersetzen die Seiten a und b durch 90° – a bzw. 90° − b.
Dann gilt:
Der Kosinus eines jeden Stückes ist gleich
• dem Produkt der Kotangens der anliegenden Stücke
• dem Produkt der Sinus der nicht anliegenden Stücke.
Abbildung 36
Achtung:
Da Seitenlängen und Winkelmaße eulerscher Dreiecke im Intervall ]0, 180°[ liegen,
und der Sinus in diesem Intervall jeden Funktionswert zweimal annimmt, ist die
45
Größe eines Stückes durch die Angabe des Sinus noch nicht eindeutig festgelegt! Die
Berechnung von arcsin auf dem Taschenrechner ergibt zwar einen Wert zwischen 0
und 90°, dieser Wert kann jedoch falsch sein. Um die Richtigkeit eines Ergebnisses
zu überprüfen, kann herangezogen werden, dass in eulerschen Dreiecken größere
Seiten größeren Winkeln gegenüberliegen und die Dreiecksungleichung gilt (vgl.
[Fil93], S. 25).
b) Das schiefwinklige Dreieck
Abbildung 37
Zu Herleitung der trigonometrischen Beziehungen an beliebigen Dreiecken, zerlegen
wir diese wie Filler auf Seite 27 in [Fil93] in zwei rechtwinklige Teildreiecke und
gehen vor wie zuvor:
Nach der Neperschen Regel gilt innerhalb des Teildreiecks DADC
(1)
cos(90°-hc ) = sinhc = sin a × sin b
und im Teildreieck DBDC
(2)
cos(90°-hc ) = sinhc = sin b × sina ,
woraus sich
(3)
sin a × sin b = sin b × sina
beziehungsweise
(4)
sin a sin a
=
sin b sin b
Durch zyklische Vertauschung ergibt sich der folgende Satz:
Satz 15 (Sinussatz): In einem beliebigen eulerschen Dreieck mit den Seiten a, b,
und c sowie den jeweils gegenüberliegenden Innenwinkeln α, β und γ gilt
sin a sin b sin c
(2.71)
.
=
=
sin a sin b sin g
46
Im Folgenden werden die Kosinussätze für eulersche Dreiecke unter den bisherigen
Bezeichnungen abgeleitet. Mit Hilfe der Neperschen Regel auf das Teildreick BDC
ergibt sich die Beziehung (Herleitung nach [Fil93]):
(5)
cos a = cos hc × cos(c - q ) ,
die sich unter Berücksichtigung des Subtraktionstheorems für cos(c - q ) auch in der
Form
(6)
cos a = cos hc × cos c × cos q + cos hc × sin c × sin q
schreiben lässt. Im Teildreieck ADC gilt
(7)
cos b = cos hc × cos q ,
(8)
sin q = cot a × tan hc =
(9)
sin hc = sina × sin b .
cos a sin hc
×
sowie
sin a coshc
Aus (8) und (9) folgt
(10)
cos hc × sin q = sin b × cos a
und durch Einsetzen von (7) und (10) in (6) erhalten wir schließlich
(11)
cos a = cos b × cos c + sin b × sinc × cos a .
Wieder können wir durch zyklische Vertauschung analoge Beziehungen für cos b
und cos c aufstellen und in folgendem Satz zusammenfassen:
Satz 16 (Seitenkosinussatz): In einem beliebigen eulerschen Dreieck mit den
Seiten a, b, und c, sowie den jeweils gegenüberliegenden Innenwinkeln α,
β und γ gelten die Beziehungen
cos a = cos b × cos c + sin b × sinc × cos a ,
cos b = cos a × cos c + sin a × sin c × cos b und
(2.72)
(2.73)
cos c = cos a × cos b + sin a × sin b × cos g
(2.74)
Wegen
des
Dualitätsprinzips
der
Kugel,
also
durch
Anwendung
des
Seitenkosinussatzes auf das Polardreieck des betrachteten Dreiecks, folgt analog zum
Seitenkosinussatz der Winkelkosinussatz:
47
Satz 17 (Winkelkosinussatz): In einem beliebigen eulerschen Dreieck mit den
Seiten a, b und c, sowie den jeweils gegenüberliegenden Innenwinkeln α, β
und γ gelten die Beziehungen
(2.75)
cos a = - cos b × cos g + sin b × sin g × cos a ,
(2.76)
cos b = - cos a × cos g + sina × sin g × cos b und
(2.77)
cos g = - cos a × cos b + sina × sin b × cos c
Die Neperschen Analogien (ebenfalls nach John Napier, 1550 – 1617, `Analogie´
hier im Sinne von Verhältnis), die zum Beispiel in [He05], Kapitel 2.8 angeführt sind,
werden verwendet um aus zwei Seiten und dem eingeschlossenen Winkel (oder aus
zwei Winkeln und der eingeschlossenen Seite) eines sphärischen Dreiecks die beiden
übrigen Winkel (Seiten) zu berechnen. Sie entsprechen dem Tangenssatz der ebenen
Geometrie.
Satz 18: Sind a und b zwei beliebige Seiten und γ der von ihnen eingeschlossene
Winkel eines (eulerschen) sphärischen Dreiecks, so gelten (vgl. ([He05], Seite 39):
(2.78)
(2.79)
a -b
)
2 cot( g )
tan(
)=
a+b
2
2
cos(
)
2
a -b
sin(
)
a -b
g
2
cot( )
tan(
)=
a+b
2
2
sin(
)
2
a +b
cos(
Sind analog α und β zwei beliebige Winkel und c die ihnen gemeinsame Seite
eines (eulerschen) sphärischen Dreiecks, so gelten
cos(
(2.710)
(2.711)
a -b
)
a+b
c
2
tan(
)=
tan( )
a +b
2
2
cos(
)
2
a -b
sin(
)
a -b
c
2
tan( )
tan(
)=
a +b
2
2
sin(
)
2
48
Zusammenhang mit der Trigonometrie des ebenen Dreiecks
Für ein sehr kleines sphärisches Dreieck oder ein sphärisches Dreieck auf einer Kugel
mit sehr großem Radius haben wir gesehen, dass sich die Innenwinkelsumme derer
eines ebenen Dreiecks annähert. Genauso können zum Beispiel für kleine Teile der
Erdoberfläche die Anwendungen des ebenen Sinussatzes und Kosinussatzes für
Berechnungen geeignet sein, wie im Folgenden deutlich wird:
1. Wegen lim x ®0
sin x
= 1 geht der Sinussatz für sehr kleine Seitenlängen in
x
den Sinussatz der ebenen Trigonometrie über. Für x = 1° beträgt die
Abweichung zwischen x und sin x nur noch 0,005% (vgl. [Fil93], S. 14)
2. Wenn die drei Seiten a, b und c des sphärischen Dreieckes sehr klein
werden (die drei Winkel werden dabei nicht klein!), führt uns die
Grundidee, die trigonometrischen Funktionen in eine TAYLOR-Reihe zu
entwickeln und höhere Glieder wegzulassen, zu folgender Beziehung (vgl.
[Wa08], Kap. 3.2.1):
Für kleine x gilt: cos(x ) » 1 -
x2
und sin (x ) » x , damit erhalten wir aus
2
dem Seiten-Kosinus-Satz cos(c) = cos(a)cos(b) + sin(a)sin(b)cos(γ) die
Beziehung:
1-
c2 æ a2 ö æ b2 ö
» ç1 - ÷÷ × çç1 - ÷÷ + ab × cos(g )
2 çè
2 ø è
2ø
Ausmultiplizieren ergibt:
1Der Summand
c2
a2 b2 a2 b2
» 1+
× + ab × cos(g )
2
2
2
2 2
a2 b2
×
ist vom vierten Grad und kann daher weggelassen
2 2
werden.
Es folgt: c 2 » a 2 + b 2 - 2ab × cos(g ) , der Kosinussatz der ebenen Geometrie.
49
2.3.2.8 Berechnungen an sphärischen Dreiecken
Die trigonometrischen Beziehungen machen es im Allgemeinen möglich, aus drei
beliebigen seiner Elemente (Seiten und Winkel) ein sphärisches Dreieck zu
berechnen.
Bei der Berechnung können, wie z. B. auf Seite 30 in [Fil95] oder Seite 18 in [Kug83]
dargestellt, die folgenden Fälle auftreten:
1.
Drei Seiten sind gegeben (sss)
2.
Zwei Seiten und der eingeschlossene Winkel sind gegeben (sws)
3.
Zwei Seiten und ein gegenüberliegender Winkel sind gegeben (ssw)
4.
Drei Winkel sind gegeben (www)
5.
Zwei Winkel und die dazwischenliegende Seite sind gegeben (wsw)
6.
Zwei Winkel und eine gegenüberliegende Seite sind gegeben (wws)
Die letzten drei Fälle sind wegen der Beziehungen eines Dreiecks zu seinem
Polardreieck auf die ersten drei Fälle zurückzuführen, man sagt, sie sind dual
zueinander (siehe Kapitel 2.4).
Da die Kosinusfunktionn zwischen 0 und π aufgrund des Vorzeichenwechsels bijektiv
ist, ist eine Seitenlänge oder ein Winkelmaß eines Eulerschen Dreiecks durch die
Angabe des Kosinus eindeutig bestimmt. Bei Berechnungen an sphärischen
Dreiecken ist nach Filler daher die Anwendung eines der beiden Kosinussätze stets
der Möglichkeit der Anwendung des Sinussatzes zu bevorzugen.
Bei Fall 3 und 6 muss allerdings auf den Sinussatz
zurückgegriffen werden, weswegen ein Dreieck in diesen
Fällen nicht eindeutig bestimmt ist, wie das nebenstehende
Beispiel zeigt. Hier sind die zwei Winkel α und β, sowie eine
Seite b gegeben, womit allerdings sowohl das Dreieck AB1C,
als auch das Dreieck AB2C möglich sind.
Abbildung 38
Allerdings wird auf Seite 198 in [Ag09] eine Möglichkeit angegeben, diese beiden
Fälle wie folgt umzuformen, so dass eine Eindeutigkeit gegeben ist:
50
3'.
Zwei Seiten und der Gegenwinkel einer Seite, wobei der Gegenwinkel der
anderen Seite in beiden der zu vergleichenden Dreiecken spitz oder in
beiden Dreiecken stumpf ist, sind gegeben (ssw')
6'.
Zwei Winkel und die Gegenseite eines Winkels, wobei die Gegenseite des
anderen Winkels in beiden zu vergleichenden Dreiecken kleiner als π/2
oder in beiden Dreiecken größer als π/2 ist, sind gegeben (wws')
Zur Berechnung der fehlenden Stücke in jedem der sechs Fälle lassen sich die
folgenden Formeln verwenden (nach [He05], Kapitel 2.9):
1.
Der Seitenkosinussatz liefert
cos(a ) =
2.
cos(a) - cos(b) × cos(c)
und analog Ausdrücke für β und γ.
sin(b) × sin(c)
Mit den Formeln (2.78) und (2.79) können die anderen beiden Winkel
ermittelt werden. Die restliche Seite erhält man durch den Sinussatz oder
den Winkelkosinussatz.
3.
Mit dem Sinussatz erhält man den der zweiten gegebenen Seite
gegenüberliegenden Winkel. An dieser Stelle ist auf die Mehrdeutigkeit zu
achten. Die Neperschen Analogien führen dann zu der fehlenden dritten
Seite und dem dritten Winkel.
4.
Der Winkelkosinussatz liefert
cos(a) =
5.
cos(a ) - cos( b ) × cos(g )
und analog Ausdrücke für b und c.
sin( b ) × sin(g )
Mit den Formeln (2.710) und (2.711) können die anderen beiden Seiten
ermittelt werden. Den restlichen Winkel erhält man durch den Sinussatz
oder den Seitenkosinussatz.
6.
Mit dem Sinussatz erhält man die dem zweiten gegebenen Winkel
gegenüberliegende Seite. An dieser Stelle ist auf Mehrdeutigkeit zu achten.
Die Neperschen Analogien führen dann zu der fehlenden dritten Seite und
dem dritten Winkel.
51
2.3.3 Anwendungen
2.3.3.1 Regelmäßige sphärische Netze
Eine mit der sphärischen Trigonometrie zu bearbeitende interessante Frage ist die
Überlegung der Parkettierung einer Kugel mit sphärischen Netzen. Während im
Alltag auch häufig Kugeln mit sphärischen Netzen aus unterschiedlichen Vielecken
auftreten, – beispielsweise der Fußball - wollen wir nun allerdings nur einfache
regelmäßige sphärische Netze betrachten und genauer untersuchen. Die folgenden
Ausführungen sind größtenteils der Literatur von [Wa08] entnommen.
Für den Flächeninhalt eines sphärischen Dreiecks mit den Winkeln α, β, γ auf der
Kugel und dem Radius R galt der Flächeninhalt:
F= p × R 2
a + b + g - 180°
180°
Im Folgenden wollen wir zur Vereinfachung von der Möglichkeit Gebrauch machen α
im Bogenmaß zu schreiben, wir erhalten also:
F = R 2 × (a + b + g - 180°)
Durch Zerlegen eines sphärischen Vierecks mit den Innenwinkeln a, b, g und d in
zwei Dreiecke folgt für den Flächeninhalt des Vierecks
F = R 2 × (a + b + g + d - 360°)
Für die Berechnung des Flächeninhaltes eines sphärischen n-Eckes mit den
Innenwinkeln j i unterteilen wir dieses mit geeigneten Diagonalen in (n-2) sphärische
Dreiecke und erhalten dann wie auf Seite 3 in [Wa08] dargestellt die Formel:
n
Fn- Eck = R 2 (å j i - (n - 2) × p )
i =1
Dabei ist wie gehabt der sphärische Exzess der Überschuss der Winkelsumme des
sphärischen n-Eckes über die Winkelsumme des entsprechenden ebenen n-Eckes.
In der Ebene gibt es nur drei Typen von Netzen aus kongruenten regelmäßigen
Vielecken, aus gleichseitigen Dreiecken, aus Quadraten und aus regelmäßigen
Sechsecken (vgl. [Wa08], Abb.39).
52
Abbildung 39
Wie auch bei Dreiecken erkennen wir aus der Flächeninhaltsformel, dass bei allen
regelmäßigen sphärischen Vielecken der Innenwinkel größer ist als beim
entsprechenden ebenen Vieleck. An den Ecken müssen k Vielecke mit k ≥ 3
zusammenkommen, daher erhalten wir für die Innenwinkel die Bedingung, dass sie
360° messen müssen. Regelmäßige sphärische Sechsecke kommen also nicht mehr in
Frage, ebenso regelmäßige sphärische Vielecke mit mehr als sechs Ecken. Im
Gegensatz zur Ebene ist hier allerdings ein Netz aus sphärischen Fünfecken möglich.
Wir erhalten folgende Fälle (nach [Wa08], Seite 5):
1. Regelmäßige sphärische Dreiecke
Für die Innenwinkel α gilt:
·
60°< α ≤120°
·
α muss ein Teiler von 360° sein.
Für α bleiben somit die Werte 72°, 90° und 120° übrig.
1.1 Regelmäßige sphärische Dreiecke mit α = 72°
An jeder Ecke kommen fünf Dreiecke zusammen. Für den
Flächeninhalt eines einzelnen Dreieckes erhalten wir:
FD = R 2 (3 ×
p
2p
1 2
- p ) = R2 =
R × 4p
5
5 20
Ein einzelnes Dreieck bedeckt also 1/20 der gesamten
Abbildung 40
Kugeloberfläche.
Ein solches Dreiecksnetz zeigt Abbildung 40, bei der ein regelmäßiger Ikosaeder von
seinem Mittelpunkt aus auf die Umkugel projiziert wurde.
1.2 Regelmäßige sphärische Dreiecke mit α=90°
Hier kommen an jeder Ecke vier Dreiecke zusammen. Wir
erhalten für den Flächeninhalt:
Abbildung 41
53
FD = R 2 (3 ×
p
2
- p ) = R2
p
2
=
1 2
R 4p
8
Hier bedeckt nun ein einzelnes Dreieck genau ein Achtel der Kugeloberfläche.
Anschaulich wird dieses Kugelnetz durch die Zentralprojektion eines Oktaeders auf
die Umkugel (Abb. 41).
1.3 Regelmäßige sphärische Dreiecke mit α=120°
An jeder Ecke kommen drei Dreiecke zusammen und der
Flächeninhalt ergibt sich aus:
FD = R 2 (3 ×
Ein
1
2p
- p ) = R 2p = R 2 4p
4
3
Dreieck
bedeckt
also
ein
Viertel
der
gesamten
Kugeloberfläche. Die Zentralprojektion eines Tetraeders ergibt
das zugehörige Kugelnetz.
Abbildung 42
2. Regelmäßige sphärische Vierecke
Für die Innenwinkel α muss gelten:
·
90°<α £ 120°
·
α muss ein Teiler von 360° sein
Es bleiben für α also nur 120° übrig, woraufhin wir für den
Flächeninhalt eines einzelnen Vierecks erhalten:
Abbildung 43
FViereck = R 2 (4
2p
2
1
- 2p ) = R 2 p = R 2 4p
3
3
6
Das einzelne Viereck bedeckt also ein Sechstel der Kugeloberfläche. Das Kugelnetz, in
dem an jeder Ecke drei regelmäßige sphärische Vierecke zusammentreffen, ist die
Zentralprojektion des Würfels auf die Umkugel.
3. Regelmäßige sphärische Fünfecke
Für die Innenwinkel α gilt:
·
108°<α £ 120°
·
α muss Teiler von 360° sein
Abbildung 44
54
Es bleibt nur α=120° übrig. Wir erhalten für den Flächeninhalt:
FFünfeck = R 2 (5
1
1
2p
- 3p ) = R 2 p = R 2 4p
3
12
3
Das einzelne Fünfeck bedeckt also ein Zwölftel der Kugeloberfläche und am jeder
Ecke stoßen drei regelmäßige Fünfecke zusammen. Die Zentralprojektion des
Dodekaeders ist das zugehörige Kugelnetz.
Die fünf Platonischen Körper:
Mit den oben genannten Fällen regelmäßiger sphärischer Netze sind alle
Möglichkeiten erschöpft. Man erhält also gerade die Projektionen der fünf
regelmäßigen Polyeder (platonische Körper) auf ihre Umkugel. Dies zeigt auch, dass
es nicht noch weitere regelmäßige Polyeder
geben kann, denn jeder weitere regelmäßige
Polyeder würde durch Zentralprojektion auf
die Umkugel zu einem weiteren regelmäßigen
Netz auf der Sphäre führen.
Abbildung 45
Berechnung der Seitenlängen regelmäßiger sphärischer Vielecke (nach [Wa08], S.
13):
Mit Hilfe der sphärischen Trigonometrie können die
Seitenlängen regelmäßiger sphärischer Vielecke, hier
eines regelmäßigen Fünfecks berechnet werden.
2
3
Ein Innenwinkel misst jeweils p , da an jeder Ecke drei
Fünfecke
zusammenstoßen.
erhält man
10
p . Da die Innenwinkelsumme eines ebenen
3
Abbildung 46
Als
Fünfecks 3π entspricht, ergibt sich für den sphärischen Exzess:
Innenwinkelsumme
1
10
p - 3p = p . Dies
3
3
ist aber genau ein Zwölftel der Kugeloberfläche der Einheitskugel, es gibt also genau
12 regelmäßige Fünfecke auf der Kugel.
55
Für die Berechnung der Seitenlänge s unterteilt man wie in der ebenen Geometrie das
Fünfeck vom Mittelpunkt aus in fünf gleichschenklige sphärische Dreiecke:
Man erhält Basiswinkel von
Winkel
von
2p
an
5
der
1
p und einen
3
Spitze
des
gleichschenkligen Dreiecks. In der Ebene
könnte man nun allein mit den Angaben
dreier Winkel keine Seite bestimmen, daher
Abbildung 47
existiert hier auch kein Winkelkosinussatz. Auf der Sphäre erhalten wir aber durch
Einsetzen mit Hilfe des Winkelkosinussatzes:
cos(
2p
p
p
p
p
) = - cos( ) × cos( ) + sin( ) × sin( ) cos(s)
5
3
3
3
3
Daraus erhält man: s≈0.7297≈41.81°
56
2.3.3.2 Mathematische Geographie
Die Verfahren und Sätze der Kugelgeometrie sind in vielen Anwendungen und
Aufgaben der Geographie und zur mathematischen Beschreibung der Erdoberfläche
von Nutzen. Der folgende Abschnitt bezieht sich hauptsächlich auf [Fil93], [Kug83]
und [Aba95]. Die Erde wird hier näherungsweise als Kugel mit dem Radius R=6370
km aufgefasst, der Erdumfang beträgt am Äquator 40008 km. (In besserer
Annäherung wird die Erde als Rotationsellipsoid mit einem Äquatorradius von etwa
6378,1 km und einer Entfernung Erdmittelpunkt – Pol von etwa 6356,8 km
betrachtet (vgl. [Kug83], Seite 31).
Punkte auf der Erdoberfläche werden hier durch die aus der Geographie bekannten
Kugelkoordinaten dargestellt. Dabei wird die Lage eines Punktes durch folgende
Koordinaten beschrieben:
Abbildung 48
Abbildung 49
· den Abstand r (in unserem Fall der Erdradius R=6370 km) der Punkte O
(Koordinatenursprung) und P,
· das Maß des orientierten Winkels λ zwischen dem positiven Strahl der x-Achse
und OP' (P’ ist die Projektion von P auf die x-y-Ebene) sowie
· das Maß des orientierten Winkels φ zwischen den Strahlen OP' und OP.
Zur Orientierung auf der Erdkugel hat man sie mit einem Gradnetz bestehend aus
Breitenkreisen und Meridianen (Längenkreisen) überzogen und zur Festlegung der
geographischen Koordinaten eines Punktes A als Grundkreise den Äquator und den
Nullmeridian von Greenwich gewählt.
Die Punkte der Sphäre werden dann anhand der zwei Koordinaten λ (Längenkoordinate oder kurz Länge) und φ (Breitenkoordinate bzw. Breite) beschrieben. Es
57
ist üblich statt der Vorzeichen „+“ und „-“ die Zusätze N - nördliche Breite, S südliche Breite, W - westliche Länge und O - Östliche Länge zu verwenden. Dabei gilt:
-180° < λ £ 180°; -90° £ φ £ 90°
Bsp. Berlin: 52,5°N, 13,3°O
Die Punkte φ = 90° und φ = -90° werden als Nord- bzw. Südpol bezeichnet.
Bewegt man sich am Äquator um einen Längenkreis weiter in westliche oder östliche
Richtung legt man also folgende Strecke zurück (vgl. [Kug83], Seite 32):
s=
40.008km
» 111,1km
360
d.h. 1°=111,1km
Da die Länge eines Meridians dem halben Erdumfang entspricht und durch diesen
180 Breitengrade verlaufen, legt man zwischen zwei Breitengraden folgende Strecke
zurück:
s=
20.004km
» 111,1km
180
2.3.3.2.1 Berechnung der Orthodromen und der Kurswinkel
Definition 12: Die sphärische Strecke zwischen zwei
Punkten A und B der Erdoberfläche wird als Orthodrome
(griech. Orthos = gerade, vgl. [Aba95], Seite 176), ihre
Länge als orthodrome Entfernung lort zwischen den
Punkten A und B bezeichnet ([Fil93], Seite 33).
Für die Entfernung zweier Städte auf demselben
Längenkreis lässt sich die orthodrome Entfernung ganz
einfach wie folgt berechnen:
Abbildung 50
Beispiel:
Boston: 42,25°N,71°W
Santiago: 33,16°S,71°W
Der sphärische Abstand beträgt also φ= 42,25° + 33,16° = 75,41°.
Um nun die Entfernung der Städte als Strecke zu erhalten, muss man diesen Winkel
in das Bogenmaß umrechnen und den Wert anschließend mit dem Radius R der
Erdkugel multiplizieren.
Es gilt also die Formel: S =
p
180°
×f × R
58
Setzt man die Werte ein ergibt sich:
S=
p
180°
× 75,41° × 6370km » 8383km
Die Strecke von Boston nach Santiago beträgt also etwa 8.383 km.
Will man die orthodrome Entfernung zweier
beliebiger Punkte A und B (gegeben durch ihre
Koordinaten λa, φa sowie λb, φb) berechnen, so
betrachtet man wie in [Fil93], Seite 33 das
Poldreieck in Abbildung 51 mit den Eckpunkten
A, B und entweder Nord- oder Südpol.
Abbildung 51
Nach dem Seitenkosinussatz ergibt sich:
cos lort = cos(90° - f A ) cos(90° - fB ) + sin(90° - f A ) sin(90° - fB ) cos(lB - l A ) oder
cos l ort = sinf A sinf B + cos f A cos f B cos (l B - l A )
Für die Strecke von Berlin (λ1 = 13,4° O, φ1 = 52,5° N) nach Melbourne (λ2 = 144,7° O,
φ2 = 38,5° S) ergibt sich also:
cos lort = cos(90° - 52,5°) cos(90° + 38,5°)
+ sin(90° - 52,5°) sin(90° + 38,5°) cos(144,7° - 13,4°) = -0,808
Mit Hilfe der Umkehrfunktion:
lort = 134,9° @ 16000km
In der Luft- und Schifffahrt sind auch die Kurswinkel, unter denen eine Strecke zu
fahren oder zu fliegen ist, von Interesse (vgl. [Fil93] Seite 34). Sie geben stets den
Winkel zwischen der Kompassnadel und der Nordrichtung an, entsprechen also den
Winkeln der Orthodromen am Anfangs- und Endpunkt der Strecke.
Die Nordrichtung wird daher mit 0°, die Ostrichtung mit 90°, die Südrichtung mit
180° und die Westrichtung mit 270° angegeben. Der Winkel α in Abbildung 51 wird
als Anfangskurswinkel, der Winkel β als Endkurswinkel der Reiseroute von A nach B
bezeichnet. Wollte man von B aus auf derselben Orthodromen weiterreisen, so
müsste man den Anfangskurswinkel 180°- β wählen.
Nach dem Seitenkosinussatz ergibt sich für die Kurswinkel:
59
cos a =
sin f B - cos lort sin f A
sin f A - cos lort sin f B
, cos b =
sin lort cos f A
sin lort cos f B
d.h. in unserem konkreten Beispiel: α =87°, β = 51°
2.3.3.2.2 Orthodrome und Loxodrome im Vergleich
Bei der Navigation von Punkt A nach B mit einem Kompass ist es schwierig auf einer
Orthodromen den Kurs zu halten, da dieser sich ständig ändert. Daher wird
bevorzugt, zumindest abschnittsweise auf Strecken mit konstantem Kurswinkel, den
sogenannten Loxodromen, zu fahren (vgl. [Fil93], Seite 34 und [Aba95], Seite 188).
Definition 13: Als Loxodrome (griech. Loxos = schief, dromos = Weg [Aba95])
werden Linien auf der Erdoberfläche bezeichnet, die alle Meridiane unter dem
gleichen Winkel schneiden([Fil93], Seite 34).
Auf einer Mercator-Karte (hier wird die Sphäre so in die Ebene abgebildet, dass
Winkelmaße erhalten bleiben, siehe Abbildung 52) werden dabei Loxodrome als
Geraden (violette Linie) abgebildet. Dadurch ist es für Kapitäne in Luft- und
Schifffahrt besonders leicht loxodrome Reiserouten nach diesen Karten zu fahren
(vgl. [Kö05]).
Abbildung 53
Abbildung 52
Orthodrome haben in der Mercator-Karte offenbar eine ziemlich
gekrümmte Form, dabei sind sie von West nach Ost umso stärker
gekrümmt je näher sie an die Pole reichen. Würde man auf der
violetten Kurve immer weiter fahren, so käme man auf einem
spiralförmigen
Kurs
mit
immer
enger
werdenden
"Runden"
Abbildung 54
60
irgendwann am Südpol an (siehe Abb. 54), während einen die gelbe Linie nach einer
Umrundung der Erde wieder an den Ausgangspunkt zurückbringt.
Während Loxodrome hier die vermeintlich kürzere Route darstellen, wird bei der
Betrachtung der Routen auf der Erdkugel (Abb. 53) schnell klar, dass die Orthodrome
(gelbe Linie) in Wirklichkeit kürzer ist.
So werden bei längeren Seefahrten oder Flügen die Orthodrome meist in mehrere
Abschnitte
zerlegt
(vgl.
Abb.
55)
und
die
Zwischenpunkte
durch
Loxodromenabschnitte verbunden, wie in [Aba95], auf Seite 188 ausgeführt wird. Bei
einer sehr feinen Aufteilung (mit modernen elektronischen Navigationssystemen)
kann die tatsächlich zurückgelegte Strecke der orthodromen Entfernung sehr nah
kommen.
Abbildung 55
Der Äquator selbst, sowie die Längenkreise, die ja ebenfalls Großkreise sind, werden
auf der Mercator-Karte immer als Geraden dargestellt. Haben zwei Orte also die
gleiche geographische Länge, so ist die Loxodrome gerade der Großkreisbogen (in
diesem Fall Teil des Meridians), auf dem beide Orte liegen. Bei gleicher Breite zweier
Orte ist die Loxodrome der Bogen des Breitenkreises (also i. A. ein Kleinkreisbogen)
auf dem beide Orte liegen. Zur Berechnung von Länge und Verlauf der Loxodrome
beliebiger Punkte werden Hilfsmittel aus der Differentialgeometrie benötigt, die an
dieser Stelle nicht betrachtet werden sollen.
61
Auf kurzen Strecken ist eine Loxodrome nur unwesentlich länger als eine
Orthodrome. So liegt bei hoher Breite und Entfernungen unterhalb von 30
Längengraden der relative Längenunterschied bei weniger als 1%. Danach steigt er
deutlich an. Eine Reise entlang des 50. Breitengrades über 180 Längengrade ist zum
Beispiel 45% länger als der Weg über einen Großkreis (vgl. Abbildung 56).
Abbildung 56
2.3.3.2.3 Bestimmung des Scheitelpunkts
In der Meteorologie ist es oft nützlich den nördlichsten bzw. südlichsten Punkt einer
Orthodromen zu bestimmen, den man als Scheitelpunkt PS bezeichnet, falls er
innerhalb
der
Orthodromen
liegt
(also weder Anfangs- noch Endpunkt
ist). Er ist einer der beiden Punkte
des betreffenden Großkreises, die
einen Meridian im rechten Winkel
schneiden (vgl. [Fil93], Seite 35).
Zur Berechnung der Koordinaten des
Abbildung 57
Scheitelpunkts PS ergibt sich aus der Neperschen Regel:
cos fS = cos f1 × sin a und
cos(lS - l1 ) = cot fS × tanf1
62
2.2.3.2.4 Die Methode der Funkpeilung
Die Funkpeilung ist ein Verfahren, mittels Richtungsbestimmung oder Zeitmessung
eines Funksignales die eigene Position oder die Position oder Richtung des Senders
zu bestimmen. Dabei wird zur Bestimmung des aktuellen Aufenthaltsortes eines
Abbildung 59
Abbildung 58
Schiffes oder Flugzeuges, wie in [Bu02] genauer beschrieben, ein Funksignal des
betreffenden Objekts an zwei Orten A und B aufgenommen (auch Fremdpeilung
genannt) und anschließend die jeweiligen Winkel δ1 sowie δ2 des Signals zum
Meridian des entsprechenden Ortes gemessen.
Mit Hilfe von Abbildung 58 lässt sich folgender Lösungsplan nach [Fil93], Seite 236
zur Berechnung der Koordinaten eines Flugzeugs F anhand der Koordinaten der
beiden anpeilenden Orte und der Peilungswinkel δ1 und δ2 aufstellen:
Zunächst sind die Gleichungen für <(AFB) und AF herzuleiten:
cos < ( AFB ) = - cos(a - d 1 ) × cos(b - d 2 ) + sin(a - d 1 ) × sin( b - d 2 ) cos lort
cos AF =
cos( b - d 2 ) + cos(a - d 1 ) cos < ( AFB )
sin(a - d 1 ) sin < ( AFB )
Daraus ergeben sich dann mit den folgenden Gleichungen die gesuchten
Koordinaten:
sin f F = sin f1 cos AF + cos f1 sin AF cos d 1
cos(l F - l1 ) =
cos AF - sin f F sin f1
cos f F cos f1
63
2.3.3.3 Mathematische Astronomie
Die sphärische Geometrie und vor allem Trigonometrie hat zahlreiche Anwendungen
in der Astronomie. Die sehr komplexen Zusammenhänge sollen im Folgenden in
einer vereinfachten Form dargestellt werden. Der Inhalt bezieht sich dabei
hauptsächlich auf [Fil93], [Kug83], [Aba95] und [Sc09].
2.3.3.3.1 Die Himmelskugel
Von jedem Punkt der Erde aus erscheint der Himmel als eine Kugelfläche, in deren
Mittelpunkt wir uns befinden. Diese Kugel, auf der die Gestirne angeordnet sind,
nennt
man wie in
der
angegebenen
Literatur
Himmelskugel
oder auch
Himmelssphäre und nutzt sie um die sphärische Geometrie und Trigonometrie auf
astronomische Sachverhalte anwenden zu können. Ihren Radius denkt man sich so
unendlich groß, dass die Erde als Mittelpunkt betrachtet werden kann, wobei der
Erdradius vernachlässigt wird. In der mathematischen Himmelskunde werden die
einzelnen Sterne vom Erdmittelpunkt aus auf die Himmelskugel projiziert, woraufhin
die entstandenen Bilder an Stelle der Sterne selbst betrachtet werden.
2.3.3.3.2. Astronomische Koordinatensysteme
Diese fiktive Himmelskugel wird nun je nach Bedarf mit unterschiedlichen
Koordinatensystemen versehen, um beispielsweise die Position von Objekten auf der
Erdoberfläche mit Hilfe von Fixsternen zu bestimmen. Die astronomischen
Koordinatensysteme werden dabei nach Lage der Bezugsebene benannt (z.B.
Horizontal-, Äquatorial-, Ekliptikal- oder Galaktische Koordinaten, vgl. [Sc09], Seite
44ff.). Wir werden im Folgenden das vom Standort des Beobachters abhängige
Horizontalsystem und zwei Äquatorsysteme, von denen eines beobachterunabhängig
ist, betrachten. Andere Koordinatensysteme werden in [Sc09] genauer ausgeführt.
Das Horizontalsystem
Als Bezugsebene dient hier der Horizont des jeweiligen Beobachters, also der
Schnittkreis der Tangentialebene an die Erdkugel im Standpunkt des Beobachters B.
Die Pole des Horizonts sind der Zenit Z senkrecht über dem Beobachter und der
Nadir Na als Gegenpunkt des Zenits. Die Koordinaten eines Gestirns G vom Horizont
aus sind die Höhe h und das Azimut a. Dabei wird die Höhe h vom Horizont nach
64
oben
positiv
(entsprechend
der
Breitenkoordinate
φ
im
geographischen
Kugelkoordinatensystem), nach unten negativ gerechnet (vgl. [Kug83], Seite 40).
Weiterhin bezeichnet man die Schnittpunkte der verlängerten Erdachse, also die
Gerade durch Nord- und Südpol, mit der Himmelskugel als Himmelsnordpol N und
Himmelssüdpol S. Der Himmelsnordpol ist leicht zu finden, da der Polarstern fast
genau am Himmelsnordpol steht, in [Aba95] wird die genaue Position mit Hilfe von
Sternbildern beschrieben. Der Großkreis durch Z, Na, N, S heißt Ortsmeridian des
Beobachters, die dabei entstehenden Schnittpunkte mit dem Horizont bezeichnen wir
mit HN und HS (vgl. [Fil93], Kapitel 1.5). Der Azimut a tritt im Punkt Z als Winkel
zwischen dem Ortsmeridian und dem Großkreis durch das Gestirn G und Z auf
(entsprechend
der
Längenkoordinate
λ
in
einem
gewöhnlichen
Kugelkoordinatensystem).
Abbildung 60
Abbildung 61
Die Höhe des sichtbaren Pols, die Polhöhe, hängt von der geographischen Breite des
Beobachtungsortes ab. Aus Abbildung 61 erkennt man sogar, dass die Polhöhe gleich
der geographischen Breite ist, wodurch man auf See mit einem einfachen Verfahren
die geographische Breite bestimmen kann (vgl. [Aba95], Seite 159).
Der
Himmelsnordpol ist nämlich leicht zu finden, da er sich in unmittelbarer Nähe des
Polarsterns befindet.
Die Äquatorsysteme
Die Äquatorsysteme entsprechen einer Projektion des Gradnetzes der Erde auf die
Himmelskugel. Die Bezugsebene beider Systeme ist, wie in [Fil93] auf Seite 38
beschrieben, der Himmelsäquator, der beobachterunabhängig ist. Die Pole des
65
Himmelsäquators sind, wie vorher, die Punkte N und S (Himmelsnord- und
Himmelssüdpol).
Dabei unterscheidet man wie zum Beispiel in [Sc09] auf Seite 45 ff. ausgeführt, zwei
verschiedene Systeme:
· Im ersten ortsfesten Äquatorsystem, dem Stundenwinkelsystem, werden die
Koordinaten eines Gestirns mit der Deklination δ und dem Stundenwinkel t
angegeben. Die Höhenkoordinate δ gibt dabei den sphärischen Abstand eines
Gestirns zum Äquator an (sie wird vom Äquator aus gegen N positiv, gegen S
negativ gerechnet), t bezeichnet den Winkel zwischen dem oben betrachteten
Ortsmeridian und dem Großkreis durch die Pole N, S und G. Die
Schnittpunkte des Ortsmeridians mit dem Äquator bezeichnen wir hier wie
Filler in [Fil93] mit AN und AS, den Fußpunkt des (sphärischen) Lotes von G
auf den Äquator mit A. Dieses in Abbildung 60 dargestellte ortsabhängige
Koordinatensystem wird laut der Literatur von [Vl00] für die Einstellung von
Teleskopen auf äquatorialen Montierungen verwendet.
· Mit dem zweiten bewegten Äquatorsystem, dem Rektaszensionssystem, wird
ein vom Standpunkt des Beobachters völlig unabhängiges Koordinatensystem
geschaffen,
welches
besonders
zu
allgemeingültigen
Messungen
für
astronomische bzw. nautische Jahrbücher verwendet wird (vgl. [Sc09] und
[Fil93]). Der beobachterabhängige Stundenwinkel t wird hier durch die
Rektaszension α ersetzt (Abbildung 60), die den Winkel zwischen den
Meridianen des Gestirns G und des Frühlingspunktes F beschreibt. Dieser
feste Bezugspunkt ist der Schnittpunkt des Himmelsäquators mit der Ebene
der (scheinbaren) jährlichen Sonnenbahn am Himmel, in dem diese sich zum
astronomischen Frühlingsanfang befindet (vgl. auch [He05]). Der Winkel α
wird vom Frühlingspunkt aus gegen den Uhrzeigersinn gezählt. Weiterhin
wird auch hier die Deklination δ verwendet.
2.3.3.3.3 Zeitmessung
Der Stundenwinkel t wird von AS aus im Sinne der täglichen Drehung der
Himmelskugel, also im Uhrzeigersinn von 0° bis 360° gezählt (vgl. [Kug83], Seite
40). Da er aber für den Beobachter von der Erddrehung und somit von der Zeit der
66
Messung abhängt, wird er, wie in [Kug83] erläutert, im Zeitmaß von 0h bis 24h
angegeben, wobei folgende Beziehung gilt:
Zeitmaß
Winkelmaß
24h(Tag)
= 360°
1h(Stunde)
=
15° (Bogengrad)
1min(Zeitminute)
=
15' (Bogenminuten)
1s(Zeitsekunde)
=
15'' (Bogensekunden)
Filler geht in [Fil93] auf einige der folgenden Begriffe wie Zirkumpolarstern, Tagund Nachtbogen oder Kulmination nicht mehr ein, da sie für eine konkrete
Berechnung am nautischen Dreieck nicht notwendig sind. Die in [Vl00], [Kug83]
sowie
[Sc09] genauer erläuterten Begriffe verdeutlichen aber nur zu gut die
räumliche Darstellung der Kugel.
Bestimmte Sterne scheinen sich im
Lauf einer Nacht auf Kreisbahnen um
die Himmelsachse zu bewegen, was
eigentlich eine Widerspiegelung der
täglichen Drehung der Erde um ihre
eigene Achse ist. Die Zeit, die ein Stern
für
einen
vollständigen
Umlauf
benötigt, bezeichnet man als Sterntag.
Dabei sind die Kreisbahnen parallel
zum Himmelsäquator (entsprechen also
Abbildung 62
den Breitenkreisen der Erdoberfläche).
Der Bogen der Kreisbahn über dem Horizont heißt Tagbogen, der unter ihm
Nachtbogen. Ein Gestirn, dessen Kreisbahn einen genügend kleinen Radius hat und
sich
damit
vollständig
oberhalb
der
Horizontlinie
befindet,
nennt
man
Zirkumpolarstern.
Der höchste Punkt des Tagbogens
eines Gestirns wird auch als obere
Kulmination KO (d.h. t = 0), der tiefste
als untere Kulmination KU (d.h. t =
12h) bezeichnet (vgl. [Kl05]).
Abbildung 63
67
Die beiden Äquatorsysteme sind über die Sternzeit tF miteinander gekoppelt, wobei
die Sternzeit dem Winkel zwischen Ortsmeridian und dem Meridian des
Frühlingspunktes, also dem Stundenwinkel des Frühlingspunktes entspricht und
durch oben genanntes Zeitmaß berechnet wird. Dabei gilt, wie in [Sc09] und auch
[Fil93] dargestellt:
(1) Sternzeit tF = Rektaszension α + Stundenwinkel t
Geht beispielsweise für einen Beobachtungsort der Frühlingspunkt durch den
Meridian, so ist es 0 Uhr Sternzeit. Umgekehrt lässt sich daraus ableiten: Geht ein
Gestirn durch den Ortsmeridian, so hat es einen Stundenwinkel von t = 0h (oder 0°).
Seine Rektaszension entspricht dann der Sternzeit.
Die Differenz der Sternzeiten zweier Orte entspricht so der Differenz ihrer
geographischen Längen (vgl. Fil93], Seite 40).
Aus den Bezeichnungen ergeben sich folgende möglichen Übungsaufgaben
(ausgewählt aus [Kug83]):
· Welche Kulminationshöhe erreicht der Stern Atair (δ = +8°52`) in Stuttgart (φ
= 48°47`)?
→Lösung: hO= 90°-
+ δ = 50°5`
· Die obere und untere Kulminationshöhe eines Zirkumpolarsterns sind
ho=75,3°
und
hu=15,9°.
Was
ist
die
geographische
Breite
des
Beobachtungsortes?
→Lösung: φ = ½ (hO + hU) = 45,6°
· Wie groß ist die Deklination eines Gestirns, wenn Tag- und Nachtbogen gleich
sind (der Tagbogen größer ist als der Nachtbogen)?
→Lösung: δ = 0° (δ > 0°)
2.3.3.3.4 Ortsbestimmung mit Hilfe des nautischen Dreiecks
Beziehungen zwischen den Koordinatensystemen
Für zahlreiche Anwendungen ist es notwendig die Koordinaten eines Systems in das
andere umzurechnen. Eine Reihe von Beziehungen zwischen dem Horizontalsystem
und dem Äquatorsystem können mit Hilfe des Meridianschnitts (vgl. [Kl05]) in
Abbildung 64 dargestellt werden:
68
φ = Polhöhe
(geographische Breite)
90° - φ = Äquatorhöhe
(Äquatorkulm)
δ = Deklination
(Winkel Äquator – Stern)
Abbildung 64
Bei der Vereinigung von Horizontal- und den beiden Äquatorsystemen schneiden
sich der Horizont und der Äquator im Ostpunkt O und im Westpunkt W. Wir
erhalten also insgesamt sechs Koordinaten (Filler lässt in seiner Auflistung auf Seite
39 in [Fil93] die geographische Breite φ weg, vgl. auch [Sc09] und [Kl05]):
Ortsabhängig:
Wertebereich
· Höhe: h = |HG|
-90° ≤ h ≤ 90° (Horizont = 0°)
· Azimut: a = |HHN|
0 ≤ a ≤ 360° (Ortsmeridian HN =0°)
· Stundenwinkel: t = |ASA|
0h≤ t ≤ 24h
· Geographische Breite (Polhöhe):
-90°≤ φ ≤ 90° (Äquator = 0°)
(AS = 0h)
φ = |HNN|
Ortsunabhängig:
· Deklination: δ = |AG|
-90° ≤ δ ≤ 90° (Äquator = 0°)
· Rektaszension α = |AF|
0h ≤ α ≤ 24h
(Frühlingspunkt F = 0h)
Bei Bezeichnungen ist nach [Fil93] zu beachten, dass die Koordinaten von
Himmelskörpern zur Übersicht oft mit bestimmten astrologischen Zeichen indiziert
werden, wie zum Beispiel δ#, t# für die Koordinaten eines Fixsterns und δΘ, tΘ für die
Koordinaten der Sonne.
Als Spezialfall von (1) ergibt sich die Sonnenzeit, die man angenähert auch als tF = αΘ
+ tΘ angeben kann, mit der Rektaszension αΘ der Sonne (die nautischen Jahrbüchern
entnommen werden kann) und ihrem beobachterabhängigen Stundenwinkel tΘ (vgl.
[Fil93], Seite 40). Der wahre Sonnentag, also die Zeit für einen vollständigen Umlauf
69
der Sonne um die Himmelsachse, ist zwar etwas länger als der Sterntag (Er umfasst
nach [Sc09] 23h56m und 4,091s mittlere Sonnenzeit), aber man rechnet hier mit
angenäherten Werten.
Der Zeitunterschied eines Ortes zur mittleren Greenwich-Zeit (MGZ) ergibt sich, wie
in [Fil93] ausgeführt, aus der Differenz MGZ - tΘ und entspricht der geographischen
Länge λ eines Ortes.
Das nautische Dreieck
Für Berechnungen, wie beispielsweise die
Bestimmung der Koordinaten des eigenen
Aufenthaltsortes mit Hilfe von Fixsternen,
betrachtet man das nautische Dreieck
(Abb. 65) mit den Eckpunkten Z (Zenit), N
(Himmelspol) und G (Gestirn), dessen
Name wegen seiner großen Bedeutung für
die Seefahrt entstand (vgl. [Fil93], Seite 41
und [Kug83], Seite 43).
Abbildung 65
Sind von den 6 Größen φ, a, h, δ, t, α wenigstens drei gegeben, so lassen sich die
übrigen unter Anwendung der sphärischen Trigonometrie und des nautischen
Dreiecks berechnen.
Hierbei ergeben sich folgende Anwendungen (zusammengestellt aus der Literatur
von [Fil93], [Kug83], [Kl05] und [Sc09]):
A: Umrechnungen vom (ortsfesten) Äquator- ins Horizontalsystem
Gegeben: φ, δ und t
Gesucht: a und h
Lösungsweg: Mit Hilfe des Seitenkosinussatzes ergibt sich:
cos(90° - h) = cos(90° - j ) × cos(90° - d ) + sin(90° - j ) × sin(90° - d ) cos(t )
(2)
Also: sin(h) = sin(f ) × sin(d ) + cos(f ) × cos(d ) cos(t )
70
Mit Hilfe des Sinussatzes ergibt sich:
sin(a) sin(90° - d )
=
sin(t ) sin(90° - h)
(3)
Also: sin(a) =
cos(d ) × sin(t )
cos(h)
Beispiel:
Wie hoch und in welcher Richtung a steht Atair (δ = +8,9°) in Tübingen (φ =
48,5°) wenn sein Stundenwinkel 21h 30 min ist?
→Lösung: h =39,44°; a = 128,86°
B: Umrechnungen vom Horizontal- ins (ortsfeste)Äquatorsystem
Gegeben: φ, a und h
Gesucht: δ und t
Lösungsweg: Mit Hilfe des Seitenkosinus- und Sinussatzes ergibt sich wie oben:
(4)
sin(d ) = - cos(h) × cos(a) × cos(j ) + sin(h) × sin(j )
(5)
sin(t ) =
sin(a) × cos(h)
cos(d )
Beispiel:
In Berlin (φ = 52°30‘) wird die Sonne in Richtung a = 115° 45´in Höhe h = 35°20´
beobachtet. Wie viele Stunden vor der Kulmination fand die Beobachtung statt
und wie groß war δΘ?
→Lösung: t = 3h 16 min 59 s = 49,25°; δ = + 14,07°
C: Berechnungen der geographischen Breite (Koordinaten des Beobachters)
Gegeben: δ# und α# (z.B. aus einem Sternenatlas), a# und h# (durch Messung), αΘ
(datumsabhängig, aus nautischen Jahrbüchern)
Gesucht: φ (Lage des Beobachters)
Lösungsweg: Nach dem Sinussatz gilt:
sin(t # ) =
sin(a# ) × cos(h# )
cos(d # )
71
Mit Hilfe des Seiten- und Winkelkosinussatzes ergibt sich:
(6)
sin(f ) =
sin(d # ) × sin(h# ) - cos(d # ) × cos(h# ) × cos(t # ) × cos(a # )
1 - cos(d # ) × cos(h# ) × sin(t # ) × sin(a # )
Die Berechnung der geographischen Länge λ des Beobachters (die ja
gleich MGZ – tΘ ist) ergibt sich wie folgt:
Aus tF = αΘ + tΘ = α# + t# folgt
(7)
t Θ = α # + t # - αΘ
Beispiel:
Ein Beobachter misst für den Atair (α# = 19h 48 min, δ# = 8,73°) unter dem
Azimut 139,2° die Höhe 56,7°. Seine auf MGZ eingestellte Uhr zeigt dabei die Zeit
20:53 an. Die Rektaszension der Sonne beträgt 12h 35 min. Gesucht sind die
Koordinaten des Beobachters.
Lösung:
Mittels (5) und (6) ergibt sich φ = 35,7° und t # = 21,2°, was t# = 1h 25 min
entspricht. Wegen (7) ist tΘ = 8h 38 min und der Zeitunterschied zwischen dem
betrachteten Ort und Greenwich (MGZ - tΘ) beträgt 12h 15 min. Dem entspricht
eine geographische Länge von 183,5° westlich bzw. 176,5° östlich von Greenwich.
Der Beobachter befindet sich also auf 35,7° nördlicher Breite und 176,5° östlicher
Länge.
Zahlreiche weitere Anwendungen zur astronomischen Ortsbestimmung oder
Koordinatentransformation sind außerdem in [Sc09] beschrieben. Hier wird zum
Beispiel auf Seite 54 auch erklärt, wie heute mittels GPS-System (Global Positioning
System) geographische Koordinaten eines Standorts schneller und einfacher
abgeleitet werden können.
72
Teil 3 Behandlung nichteuklidischer Geometrie im gymnasialen
Mathematikunterricht
3.1 Entwicklung und Verbreitung nichteuklidischer Geometrie in der Schule
Für
die
Behandlung
der
sphärischen
Geometrie
und
Trigonometrie
im
Schulunterricht kann, wie Christl in [Chr98] berichtet, auf reiche Erfahrungen
zurückgegriffen werden. Seit Ende des 18. Jahrhunderts war die sphärische
Geometrie
in
Deutschland
Unterrichtsstoff
an
Gymnasien
und
höheren
Bürgerschulen. Inhalte waren dabei meist Klein- und Großkreise, die Fläche eines
Kugeldreiecks
und
Berechnungen
an
rechtwinkligen
und
allgemeinen
Kugeldreiecken, sowie Übungsaufgaben in der mathematischen Erdkunde und der
Himmelskunde (vgl. [Chr98]). Filler berichtet in [Fil95], dass noch in der ersten
Hälfte unseres Jahrhunderts
diese Themen zu den festen Bestandteilen des
Mathematikunterrichts in Deutschland gehörten. In den 50er Jahren fiel die
sphärische Geometrie dann Neuerungsbestrebungen in den Lehrplänen der
Gymnasien zum Opfer, die eine Ausweitung der Analysis, der linearen Algebra und
die Behandlung moderner und als universeller angesehene Themen wie die
Wahrscheinlichkeitstheorie oder Statistik vorsahen (vgl. [Fil95]). Karlhorst Meyer
schreibt hierzu in seiner Kritik am „Ausdünnen“ der Gymnasialmathematik seit den
50ern in [Me07]: „Sphärische Trigonometrie war umfassendes Thema; sie wurde
abgeschafft, gerade als die Weltraumfahrt aufkam. Welch ein Irrsinn!“
Mit Einführung der Taschenrechner und der zunehmenden Bedeutung von
anwendungsorientiertem Unterricht
wurde in den 80er Jahren die sphärische
Geometrie in vielen Ländern wieder neu entdeckt (vgl. [Fil95]). Heute findet man in
einigen Bundesländern das Gebiet meist in vom Lehrplan vorgesehenen Profil- oder
Wahlpflichtkursen wieder. So war sie beispielsweise im bayrischen Lehrplan von
1990 an einem mathematisch-naturwissenschaftlichem Gymnasium ein mögliches
Wahlpflichtgebiet in der 11. Klasse. Vorgesehen war ein Umfang von 28 Stunden für
die Behandlung der Grundlagen der Geometrie auf der Kugel und der Berechnungen
im Kugeldreieck und weiteren 28 Stunden für die Behandlung der sphärischen
Trigonometrie und ihren Anwendungen auf der Erd- und Himmelskugel (vgl.
[Ba90]).
73
Auch im Berliner Rahmenplan ([Ra06]) für den Mathematikunterricht der
Sekundarstufe II bietet das zweite Kurshalbjahr in Zusatzkursen, „in denen die
Schülerinnen und Schüler ihre in den jeweiligen Grund- oder Leistungskursen
erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten vertiefen und erweitern“, die Möglichkeit
der Behandlung eines frei wählbaren Gebiet mit einem Umfang von 15 Stunden.
Dabei sollen die Unterrichtsinhalte für einen großen Gestaltungsspielraum so
„global“ angegeben werden, dass möglichst viele eigene Ideen und Konzeptionen mit
einfließen können ([Ra06]). Unter den möglichen Gebieten findet sich sowohl ein
Zusatzkurs Inzidenzgeometrie mit der Behandlung von Axiomatik und Modellen, als
auch ein Kurs zur nichteuklidischen Geometrie. Statt der sphärischen Geometrie wird
hier aber die Behandlung der hyperbolischen Geometrie, möglicher Modelle,
Konstruktionsaufgaben und geometrischer Zusammenhänge zwischen euklidischer
und hyperbolischer Geometrie vorgeschlagen. Im Allgemeinen ist diese Themenwahl
aber kaum in den Bildungslehrplänen für Mathematik vorzufinden.
Während die axiomatische Methode mit den „Elementen“ des Euklid (siehe Kapitel
2.1) bis zum Beginn dieses Jahrhunderts als besonderes Muster an Klarheit dem
Unterricht als Ideal vorschwebte (vgl. [Vo69]), ist man heute allgemein der Meinung,
dass es unsinnig ist in der Schule „global“ Axiomatik zu betreiben: „Wissenschaftlich
unterrichten kann nur heißen, den Menschen dahin bringen, dass er wissenschaftlich
denkt, keineswegs aber ihm von Anfang an mit einer kalten wissenschaftlich
aufgeputzten Systematik ins Gesicht springen.“(Felix Klein in [Kl24], S. 290)
Ein ebenso verdrängtes Themengebiet aus dem Unterricht ist insbesondere auch die
nichteuklidische Geometrie mit der Behandlung der hyperbolischen Geometrie. Im
Rahmen einer Staatsexamensarbeit von 1979 untersucht Schweers in [Sch79] die
geschichtliche Entwicklung der „nichteuklidischen Geometrie im Hinblick auf den
Geometrieunterricht“
und
spricht
von
einem
„zu
Unrecht“
verdrängten
Themenkomplex. In einer Schulbuchanalyse vergleicht er die zu gegebenem
Zeitpunkt
beiden
einzigen
Arbeitshefte
zu
nichteuklidischer
Geometrie,
„Nichteuklidische Geometrie“ von H. Meschkowski und „Hyperbolische Geometrie“
von H. Zeitler ([Ze70]) und kritisiert in beiden Fällen ihre stark theoretischen und
wenig schülerfreundlichen Ausführungen ([Sch79], S. 98):
„(…)die Ankündigung, sich mit dem Wesen der Geometrie überhaupt auseinanderzusetzen,
wird mit einem Hinweis auf angeführte Literatur erledigt“, (…) „Im Vorwort des
74
Arbeitsheftes von Zeitler heißt es: `Die Schüler sollen das Gefühl haben, Forscher zu sein.
(…)So könnte man vielleicht erreichen, daß die Schüler die Mathematik wirklich erleben,
und zwar nicht als starres Instrument, sondern als lebendigen Organismus.´ ([Ze70]) Die
Aktivität des Schülers muss sich jedoch bei der Arbeit mit dem Lehrbuch auf Nachvollziehen
der vorgesetzten Theorie oder die Durchführung übergangener Beweise beschränken.“
Besonders deutlich werden in seiner Arbeit aber die großen Schwierigkeiten, die sich
bei einer Behandlung nichteuklidischer Geometrie in einem angemessenen
Zeitrahmen und Niveau ergeben. Vielleicht ist dies ein Grund für die Tatsache, dass
das die Behandlung der nichteuklidischen Geometrie fast ausschließlich an
gesonderten Projekttagen für Schüler oder Schülerakademien durchgeführt wird. Ein
Beispiel hierfür ist die Schülerakademie Schelklingen 2000 mit dem Thema
„Konforme
Abbildungen
und
nichteuklidische
Geometrie“
(http://
www.schelklingen2000.werner-knoben.de/) oder der mathematische Samstag zu
nichteuklidischer Geometrie des Söderblom-Gymnasiums Espelkamp (http://
www.soedernet.de/math/1samstage/01/inhalt11.html).
3.2 Begründung des Themas als Unterrichtsreihe
Seit der landesweiten Umstellung in Baden-Württemberg sowie in einigen anderen
Bundesländern
von
G9
auf
G8
für
alle
Gymnasien,
fielen
zahlreiche
Unterrichtsgebiete im Fach Mathematik den Kürzungen des Bildungsplans zum
Opfer, was eine landesweite Diskussion anregte. Trotz der von vielen beklagten
Stofffülle durch eine verkürzte Schulzeit sprechen viele Argumente dennoch für eine
Behandlung der nichteuklidischen Geometrie im gymnasialen Mathematikunterricht,
insbesondere in Schulen mit mathematisch-naturwissenschaftlicher Ausrichtung. Im
folgenden Teil werden diese Argumente bei gleichzeitiger Betrachtung des
Bildungsplans von Baden-Württemberg für Mathematik [Bil04] angeführt.
3.2.1 Einbettung in den Bildungsplan für Mathematik an Gymnasien in BW
Die Bildungsstandards [Bil04] der verschiedenen Länder legen fest, welche
fachlichen, personalen, sozialen und methodischen Kompetenzen die Schüler am
Ende einer bestimmten Klassenstufe erlernt haben sollen. Dabei werden zwei
Dimensionen fachlicher Kompetenzen unterschieden: die inhaltsbezogenen und die
75
prozessbezogenen Kompetenzen. Die Strukturierung der geforderten inhaltlichen
Kompetenzen für die einzelnen Klassenstufen erfolgt hierbei anhand der neun
Leitideen: Zahl, Algorithmus, Variable, Messen, Raum und Form, funktionaler
Zusammenhang,
Daten und Zufall, Vernetzung und Modellieren. Neben einem
verständnisorientierten Umgang mit Mathematik durch diese Leitideen und ihre
Vernetzung soll der Mathematikunterricht auch einen Beitrag zur Gewinnung
überfachlicher oder prozessbezogener Kompetenzen leisten. Angepasst an die
jeweilige Entwicklungsstufe der Schüler werden diese überfachlichen Kompetenzen
für alle Klassen des Gymnasiums in [Bil04] unter den Oberbegriffen Lernen,
Begründen, Problemlösen und Kommunizieren angeführt. Diese allgemeinen
Lernziele bauen stark auf den NCTM-Standards (National Council of Teachers of
Mathematics, USA) Problemlösen, Begründen und Beweisen, Kommunizieren,
Verbindungen
(Vernetzen,
Anwenden,
Begriffsbilden)
(Darstellen und Modellieren) auf, die Einfluss auf
und
Repräsentieren
die Diskussion um die
Entwicklung der Bildungsstandards in Deutschland hatten (vgl. [Bar07], S. 30 und
[Fil09]). Wie im Folgenden deutlich werden soll, fördert die Behandlung der
nichteuklidischen
Geometrie
die
Entwicklung
dieser
prozessorientierten
Kompetenzen in besonderem Maße.
Eine der drei Grunderfahrungen, durch die nach Heinrich Winter in [Wi95], Seite 37
-46 Mathematikunterricht gekennzeichnet ist, ist die Fähigkeit „Erscheinungen der
Welt um uns, die uns alle angehen oder angehen sollten, aus Natur, Gesellschaft und
Kultur, in einer spezifischen Art wahrzunehmen und zu verstehen“. Gerade für diese
Grunderfahrung stellt die Behandlung der nichteuklidischen Geometrie ein
hervorragendes Potential an Möglichkeiten bereit, die die Schüler erkennen lassen
„welche Rolle Mathematik in der Welt einnimmt“(aus [Bar07]).
Das Potential der nichteuklidischen Geometrie deckt bezüglich der inhaltsbezogenen
Kompetenzen besonders die Leitideen Messen, Raum und Form, Vernetzung und
Modellieren ab. Auf die speziell nach einer Klassenstufe gerichteten Inhalte möchte
ich nach einer Betrachtung der Unterrichtsvoraussetzungen an späterer Stelle
genauer eingehen. Im Folgenden sollen nun besonders die prozessorientierten
fachlichen, sozialen und personalen Kompetenzen analysiert und zusammengestellt
werden.
76
3.2.2 Fachliche Kompetenzen
·
Modellieren und Darstellen
Ein wesentliches Ziel des Mathematikunterrichts am Gymnasium besteht nach
Freudenthal (vgl. [Fr73]) darin, die Schüler zum Anwenden von Mathematik zu
befähigen. Anwendungsorientierung im Mathematikunterricht sollte dabei nicht
auf ein Vorführen von Standardanwendungen beschränkt sein, sondern ein
bewusstes Arbeiten mit und Erarbeiten von Modellen beinhalten. Die sphärische
Geometrie entstand als Modell der Realität, aus der Notwendigkeit heraus für
größere Teile der Erdoberfläche Berechnungen auszuführen (vgl. [Fil95]). Da die
den Schülern vertraute ebene Geometrie und Trigonometrie nur unbefriedigende
Ergebnisse liefert, können die Schüler anhand der sphärischen Geometrie
erkennen, wie aus praktischen Erfordernissen heraus mathematische Modelle zur
Beschreibung der Realität entwickelt werden. Sie ermöglicht also das Erkennen
der Nützlichkeit der Mathematik zur Beschreibung realer Gegebenheiten.
Empirische Untersuchungen (vgl. [Sj00], S. 618 – 621) zeigen, dass viele Schüler
im Laufe ihrer Schuljahre überhaupt keine Vorstellung von der Bedeutung der
Modelle für Theorien entwickelt haben. Vor allem durch das Erkunden eines
Modells der hyperbolischen Geometrie wird den Schülern nun deutlich gemacht,
was genau ein anschauliches Modell für eine abstrakte Theorie ausmacht und
woraus es besteht.
·
Vernetzen, Anwenden, Begriffe bilden
Modellbildung ist dabei eng verbunden mit dem Verständnis mathematischer
Begriffe, deren unterschiedliche Interpretation ja gerade Modelle ausmachen
(siehe auch Kapitel 2.1.5 und [Tru98]). Auch hier leisten sowohl die sphärische als
auch die hyperbolische Geometrie einen Beitrag zu einem abstrakteren
verallgemeinerten Verständnis mathematischer Begriffe, da in ihnen grundlegende
geometrische
Begriffe
wie
Strecke,
Gerade,
Abstand,
Dreieck
u.a.
aus
nachvollziehbaren praktischen Gründen anders interpretiert werden, ihre
Wesenseigenschaften
aber
beibehalten.
Durch
einen
Vergleich
der
Grundeigenschaften der nichteuklidischen und ebenen Geometrie erlangen die
Schüler ein allgemeines Begriffsverständnis (siehe auch der Punkt „gleichartige
Strukturen erkennen, verallgemeinern und spezialisieren“ in [Bil04]) und werden
77
an die Grundlagen des geometrischen Axiomatik herangeführt. Sjuts erklärt in
[Sj00] diesbezüglich, dass viele Schüler nicht nur Schwierigkeiten haben, Sätze
und Definitionen richtig zu formulieren, sondern sogar bereits Probleme haben die
beiden Begriffe zu unterscheiden. Durch eine Betrachtung des axiomatischen
Aufbaus der Geometrie werden die Schüler mit dem allgemeinen Schema eines
axiomatischen Systems, aufbauend auf Grundbegriffen, Definitionen, Axiomen
und Sätzen vertraut gemacht und können dieses Schema in viele andere Bereiche
der Mathematik übertragen.
·
Begründen und Beweisen
Diese axiomatische Methode, die laut Freudenthal (vgl. [Fr73]) der modernen
Mathematik ihren Charakter verliehen hat, leistet gleichzeitig aber einen wichtigen
Beitrag im Erlernen einer Beweisführung, im Argumentieren und Deduzieren.
Durch die Betrachtung der Entstehung der euklidischen Geometrie, angefangen
mit der Definition eines Punktes, über die Aufstellung der Axiome, bis hin zum
Beweisen erster Sätze, lernen die Schüler Beweise als eine logische Schrittfolge
kennen, wobei jeder Schritt seinerseits durch Axiome, logische Grundregeln oder
bereits bewiesene Sätze zu legitimieren ist.
Doch neben der Fähigkeit Beweismethoden zu kennen, gezielt auszuwählen und
anzuwenden (vgl. hierzu [Bil04]) sollten die Schüler zu einem rationalen
Argumentieren auch lernen, Lösungswege zu analysieren, Behauptungen
anzuzweifeln
und
Scheinbeweise
zu
entlarven.
Die
Entstehung
der
nichteuklidischen Geometrie durch Anzweifeln der Evidenz des Parallelenaxioms
und das Aufdecken zahlreicher seiner Scheinbeweise liefert hier einen besonders
geeigneten Hintergrund.
·
Problemlösen
Während der gesamten Schullaufbahn wird großer Wert auf die Kompetenz der
Schüler zum Problemlösen gelegt. Unter [Bil04] ist dieser Punkt mit
„problemhaltige Aspekte in inner- und außermathematischen Situationen
erkennen und beschreiben“ aufgelistet. Da die sphärische Geometrie enge
Praxisbezüge aufweist und die Schüler mit Fragen aus ihrer eigenen Umgebung
(wie z. B. der Frage nach der kürzesten Verbindung zweier Orte auf der
78
Erdoberfläche) konfrontiert, stellt sie eine gute Motivation zum Erlernen
verschiedener
Problemlösetechniken
und
–strategien
dar.
Durch
diese
Bezugnahme auf anwendungspraktische Erfordernisse werden die Schüler selbst
zu anspruchsvollen innermathematischen Zusammenhängen und Herleitungen
wichtiger Gesetzmäßigkeiten, wie zum Beispiel den sphärischen trigonometrischen
Beziehungen, motiviert (vgl. [Fil95]). Viele interessante und anspruchsvolle
Anwendungen in der Geographie und Astronomie eignen sich hier vortrefflich für
die Gestaltung eines anwendungsorientierten Unterrichts.
·
Kommunizieren
"Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle. Es ist das Grundgefühl,
das an der Wiege von wahrer Kunst und Wissenschaft steht. Wer es nicht kennt und sich
nicht mehr wundern, nicht mehr staunen kann, der ist sozusagen tot und sein Auge
erloschen"
(aus [Ei34]).
Dieses von Albert Einstein stammende Zitat präsentiert das Staunen und sich
Wundern als eine Grundvoraussetzung des Lernens und der Beschäftigung mit
Wissenschaft. Sowohl die sphärische Geometrie mit ihren „gekrümmten“ Geraden,
der ungewöhnlichen Innenwinkelsumme von Dreiecken und dem plötzlichen
Fehlen von Parallelen, als auch insbesondere die hyperbolische Geometrie fordern
das Staunen der Schüler nur zu gut heraus. Dabei zeigt vor allem die hyperbolische
Geometrie, dass Mathematik erstaunlicherweise auch da noch weiterführen kann,
wo die Anschauung längst versagt, sie ist sozusagen eine Sonde in eine durchaus
existente Wirklichkeit, die allerdings der Anschauung unzugänglich ist. Wo aber
die Anschauung versagt, ist es besonders wichtig, richtig zu kommunizieren,
„mathematische Sachverhalte mithilfe von Sprache, Bildern und Symbolen zu
beschreiben
und
veranschaulichen“
(aus
[Bil04]).
Die
Schüler
müssen
Überlegungen und Schlussfolgerungen, wie etwa die Tatsache, dass es keine
vollkommen ähnliche Abbildung oder Kartierung der Kugel auf die Ebene geben
kann, oder die Möglichkeit, dass wir in einer hyperbolischen Welt leben könnten,
verständlich darstellen und präsentieren und begründen können.
3.2.3 Soziale und personale Kompetenzen
Die Aufgabe des Mathematikunterrichts besteht auch darin den Schülern dabei zu
helfen, ihre Rolle in der gegenwärtigen und zukünftigen Welt zu finden und sie durch
79
die
Vermittlung
sozialer
und
personaler
Kompetenzen
auf
eine
spätere
Berufsausbildung, beziehungsweise Berufsausübung vorbereiten (vgl. [Bil04]). Dies
wird durch die Unterrichtsreihe zu nichteuklidischer Geometrie folgendermaßen
gefördert:
·
Für ein bewusstes Fördern des Kommunikations- und Kooperationsvermögens
ist vor allem ein gemeinsames Entdecken und Erforschen nützlich. Bereits in
der 6. Klasse sollen die Schüler durch Zusammenarbeit lernen, dass zur
sinnvollen Erstellung von Lösungswegen Kooperation und die Offenlegung der
eigenen Gedanken gehört. In Klassenstufe 10 wird erneut auf kooperative
Arbeitsformen hingewiesen. Durch das Erforschen der Grundlagen der
sphärischen Geometrie anhand unterschiedlicher Kugeln, Materialien und
Hilfsgegenstände werden die Schüler zu sinnvoller Zusammenarbeit gebracht
und sehen sich als Mitwirkende im Forschungsprozess. In dieser praktischen
und erforschenden Arbeit werden auch schwächere Schüler zu zielorientierter
Arbeit motiviert.
·
Gerade in der Kursstufe wird vermehrt auf Kreativität, Durchhaltevermögen
und Eigeninitiative durch offene und projektartige Phasen gesetzt. Die Schüler
sollen lernen „selbstständig erarbeitete mathematische Sachverhalte und
Lösungswege schriftlich und mündlich fachlich korrekt und in ansprechender
Form zu präsentieren“ ([Bil04]). Das Gebiet der nichteuklidischen Geometrie
bietet dafür zahlreiche Themen, wie die sphärische Astronomie oder
Geographie, die das Interesse der Schüler wecken und sie zu einer vertieften
weiteren Beschäftigung ermutigen. Dabei kann auch insbesondere die
Tatsache, dass nichteuklidische Geometrie auch heute noch Fragen offen lässt
und aus der aktuellen Forschung in der Physik nicht mehr wegzudenken ist, die
Neugier der Schüler wecken.
·
Die Entwicklung der nichteuklidischen Geometrie, die im ausgehenden 19.
Jahrhundert einer Revolution in der Mathematik gleichkam, war vor allem
dadurch möglich, dass Mathematiker wie Gauß, Lobatschewski oder Bolyai sich
über dominierende philosophische Auffassungen und anschauliche Vorstellung
hinwegsetzten und für ihre Entdeckungen eintraten. Die Schüler erkennen
hieraus, dass es damals wie heute Wissenschaftler geben muss, die ihren
Zeitgenossen vorauseilen, bereit sind Denk- und Vorstellungsbarrieren der
wissenschaftlichen Umwelt zu überwinden und
den Mut besitzen für ihre
80
Ideen und Erkenntnisse einzustehen. Personale und soziale Kompetenzen wie
Toleranz auf der einen und kritisches Urteilsvermögen auf der anderen Seite,
gesellschaftliche
Verantwortung
und
Mitwirkung
sowie
Fähigkeit
zur
Selbstverwirklichung (vgl. [Bar07], S.33) werden hier besonders gut vor Augen
geführt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die zahlreichen Möglichkeiten, welche die
nichteuklidische
Geometrie
für
den
Erwerb
zentraler
prozessorientierter
Kompetenzen bietet, für ihre Behandlung als Unterrichtseinheit sprechen. Es ist
allerdings die Frage zu klären, in wie fern die zur Verfügung stehende Zeit im
Unterricht ausreicht, um ein grundlegendes Verständnis des Gebiets zu erreichen.
Die Tatsache, dass die sphärische und besonders die hyperbolische Geometrie ein
weites Feld an Fragen eröffnen, lässt Schwierigkeiten bei der zeitlichen Planung
erwarten. Bei sorgfältiger Vorbereitung und geeigneter Schwerpunktsetzung bin ich
allerdings der Ansicht, dass eine sinnvolle Behandlung im vorgegebenen zeitlichen
Umfang möglich ist. Dabei muss und darf eine größtmögliche stoffliche
Vollständigkeit nicht das Ziel sein (vgl. auch [Fil95]). Eine geeignete Setzung von
Schwerpunkten und sinnvolle thematische Reihenfolge soll im folgenden Kapitel
aufgezeigt werden.
3.3. Schwerpunktsetzung und Reihenfolge
Eine
wichtige
Voraussetzung
für
die
erfolgreiche
Durchführung
einer
Unterrichtsreihe zu nichteuklidischer Geometrie ist eine sorgfältige Stoffauswahl mit
genauer Zielbestimmung und Schwerpunktsetzung, sowie die Berücksichtigung der
Unterrichtsvoraussetzungen, die im nächsten Kapitel noch genauer unter die Lupe
genommen werden sollen. Zunächst sollten bei der Behandlung des ersten Teiles zur
sphärischen Geometrie folgende Punkte beachtet werden:
· Da viele Eigenschaften und Sätze der sphärischen Geometrie gut auf
anschaulichem Weg zu erarbeiten sind, muss, wie auch in [Fil95] angeführt,
keine lückenlose Beweisführung angestrebt werden. Dies entspricht voll und
ganz dem Wunsch des Lehrplans, „den Unterricht so zu gestalten, dass er
neben
deduktiven
Behandlungsweisen
Ansätzen
ermöglicht“
auch
(aus
experimentelle,
[Bil04]).
Es
genügt
induktive
also,
wie
81
beispielsweise bei der Erarbeitung der trigonometrischen Beziehungen auf der
Kugel, exemplarisch vorzugehen, um Zeit zu sparen.
· Die Eigenschaften und Anwendungen der sphärischen Geometrie bieten sehr
gute Möglichkeiten für die Entwicklung des Raumvorstellungsvermögens. Um
den Schülern eine bestmögliche Veranschaulichung raumgeometrischer
Zusammenhänge
zu
ermöglichen,
sollten
möglichst
viele
geeignete
Unterrichtsmedien wie Globus und Plastikkugeln verwendet werden (siehe
Kapitel 4.6).
·
Da
die
sphärische
Geometrie
als
Modell
der
Realität
aus
anwendungspraktischen Erfordernissen heraus entstand und den Schülern so
den Nutzen der Mathematik besonders deutlich machen kann, sollte bei ihrer
Behandlung großer Wert auf den Modellbildungs- und Anwendungsaspekt
gelegt werden. Hierzu schreibt Freudenthal in [Fr73] auf Seite 79: „Nicht dass
das, was man von der Mathematik gelernt hat, unvergessen, sondern dass es
wirksam bleibt, spielt eine Rolle, und dies soll ermöglicht werden, indem man
beziehungsvolle Mathematik unterrichtet.“
In [Fil95] wird der Praxisbezug als ein „roter Faden“ des Unterrichts
beschrieben, der den Schülern die Zielrichtung des Unterrichts vor jeder
Stunde
immer
direkt
innermathematischer
vor
Augen
führt
Betrachtungen
und
die
verdeutlicht.
Notwendigkeit
Die
Lösung
anwendungspraktischer Aufgaben soll dabei in zwei Stufen erfolgen:
1. Die Entwicklung eines mathematischen Modells für einen realen
Sachverhalt
2. Die Nutzung des Modells für die Lösung der aus diesem Sachverhalt
resultierenden Aufgaben
Die sphärische Geometrie bietet viele Möglichkeiten diese beiden Stufen auf
unterschiedlichem Niveau durchzuführen. Da für die Behandlung sowohl der
sphärischen Geometrie, als auch der sphärischen Astronomie viele Begriffe
eingeführt und Hintergründe geklärt werden müssen, kann in der zur
Verfügung stehenden Zeit aber nur ein Teil der Anwendungen besprochen
werden. Dies schafft ein weites Feld an möglichen Zusatzarbeiten (GFS) für die
Schüler.
Wegen
mathematischen
des
großen
Astronomie,
Umfangs
und
ist
Behandlung
die
der
Komplexität
der
geographischer
Anwendungen während des Unterrichts vorzuziehen. Der bayrische Lehrplan
82
von 1990 nach [Ba90] schlägt für die Behandlung des Wahlpflichtgebiets
„Mathematische Geographie“ neben den Grundaufgaben wie der Entfernung
zweier Orte auf der Erde oder dem Peilungsproblem auch das Thema
Kartenentwürfe vor. Da hierfür aber eine große Breite an Grundwissen aus
dem Geographieunterricht notwendig ist, halte ich es für sinnvoll, sich hier
darauf zu beschränken, den Schülern die Unmöglichkeit der Abwicklung einer
Kugeloberfläche in die Ebene deutlich zu machen.
Die Eigenschaft der sphärischen Geometrie, eine eigenständige nichteuklidische
Geometrie zu sein, soll nun erst Gegenstand des zweiten Teils der Unterrichtsreihe
sein. Während die Schüler im ersten Teil ein mathematisches Modell entwickelt und
zur Lösung von Problemen verwendet haben, soll ihnen jetzt mit einem Einblick in
den axiomatischen Aufbau einer Geometrie, deutlich gemacht werden, was ein
Modell überhaupt ist. Nur durch das Grundverstehen des axiomatischen Aufbaus,
also des Aufstellens bestimmter Grundwahrheiten, wird es später möglich sein, den
Schülern neben der Entstehung der elliptischen Geometrie, unter die ja die
sphärische Geometrie einzuordnen ist, auch die Entwicklung einer hyperbolischen
Geometrie verständlich zu machen. Während sie bei der Behandlung der Grundlagen
eines axiomatischen Systems, des Parallelenproblems und der daraus resultierenden
Entstehung dreier grundsätzlich verschiedener Arten der ebenen Geometrie zunächst
vielleicht noch keinen Zusammenhang zum ersten Teil der Unterrichtsreihe sehen,
soll dieser nun rückwirkend deutlich gemacht werden. Durch diese Reihenfolge der
Behandlung sollen die Schüler feststellen, dass sie bereits während der ersten
Sitzungen, ohne es zu wissen, mit einer nichteuklidischen Geometrie gearbeitet
haben.
Bei der Behandlung des axiomatischen Aufbaus ist dabei keineswegs eine
größtmögliche
Vollständigkeit
(etwa
in
der
Behandlung
unterschiedlicher
Axiomengruppen) anzustreben. Vielmehr sollten die Schüler einen Einblick in das
Grundgerüst und Wesen eines Axiomensystems und des Beweisens erhalten. Auch
wenn sich Schüler gegen das Beweisen offensichtlich wahrer Sätze wie `Jede Strecke
besitzt genau einen Mittelpunkt´ sträuben, können sie nur durch derartig
grundlegende Gedanken um Definitionen wie `Was genau ist ein Punkt? ´ und
Axiome wie `Was demselben gleich ist, ist auch einander gleich´ (aus [Tru98])
verstehen, wie letztendlich eine nichteuklidische Geometrie entstehen konnte.
83
Die Kenntnis eines Modells der elliptischen Geometrie und das Wissen darüber, dass
die in der Schule behandelte euklidische Geometrie nicht die einzige mögliche
Geometrie in unserer realen Welt ist, soll die Schüler nun genügend motivieren, ein
Modell der hyperbolischen Geometrie kennenzulernen, was Gegenstand des letzten
Teils der Unterrichtsreihe sein soll. Dabei ist folgendes zu beachten:
· Die Vorstellung sich mit einer „abstrakten“ Geometrie zu befassen, in der es
plötzlich mehrere Parallelen zu einer Geraden durch einen Punkt geben soll,
scheint natürlich zunächst schwer mit dem Wunsch eines praxisnahen,
anschaulichen
Unterrichts
vereinbaren
zu
sein.
Diesem
entgegnet
Enzensberger in [Enz98]:
„(…)der übliche Mathematikunterricht langweilt nicht nur, er unterfordert vor allem
die Intelligenz der Schüler. Es scheint eine fixe Idee der Pädagogik zu sein, dass
Kinder nicht in der Lage sind, abstrakt zu denken. Eher ist das Gegenteil richtig. (…)
Wahrscheinlich ist ihre Aufnahmefähigkeit für mathematische Ideen überhaupt
größer als die der meisten Erwachsenen (…)“
· Dennoch sollte natürlich auf eine vertiefte ausführliche Untersuchung der
hyperbolischen Geometrie und ihrer Modelle verzichtet werden, da dies den
Rahmen einer Unterrichtsreihe für Schüler bei Weitem sprengen würde.
Durch den Vergleich mit der ebenen euklidischen und der bereits behandelten
sphärischen Geometrie sollen die Schüler die wichtigsten Eigenschaften der
hyperbolischen
Geometrie
und
ein
geeignetes
Modell
(z.
B.
das
Kreisscheibenmodell) kennenlernen. Dies kann gut durch eine entdeckende
und erkundende Unterrichtsphase etwa mit Hilfe eines Geometriesoftwareprogramms (siehe Kapitel 4.6) erfolgen. Diese Entdeckung der zugrunde
liegenden Theorie nach Betrachtung eines Modells entspricht voll und ganz
der Auffassung vieler Didaktiker, so beispielsweise Kratz in [Kr74]:
„Er sollte daher zunächst ein Modell der hyperbolischen Geometrie kennenlernen,
daß er mit seinen bis dahin entwickelten mathematischen Fähigkeiten verstehen
kann. Beim Überdenken des Modells und bei geschichtlichen Betrachtungen sollen
sich die in der Mittelstufe gesammelten Erfahrungen über die Grundlagen der
Beweise mit den neuen Einsichten zu einem ersten Verständnis der logischen
Grundlagen dessen verbinden, was bis zu diesem Zeitpunkt `Geometrie´ genannt
wurde.“ (vgl. [Sch79])
84
·
Um einen direkten Bezug zur realen Welt herzustellen und die hyperbolische
Geometrie, wie vorher die sphärische Geometrie, als mathematisches Modell
zur Beschreibung der Realität vorzuführen, ist es nun absolut notwendig ihre
Bedeutung in der modernen Physik und Kosmologie zu erläutern. Filler zitiert
in
[Fil95],
Seite
84
bei
der
Aufstellung
von
Zielen
eines
anwendungsorientierten Unterrichts Kaiser-Meßmer (aus [Kai86]) und stellt
u.a. folgende zwei Punkte auf:
(I)
„Vermittlung eines angemessenen Bildes vom Verhältnis zwischen Mathematik und
Realität sowie Befähigung, über das Anwenden von Mathematik kritisch zu
reflektieren, d. h. über die Notwendigkeit von Vereinfachungen, Grenzen der
Aussagekraft von Modellen etc.“
(II)
„Darbietung eines realistischen und angemessenen Bildes von der Mathematik als
Wissenschaft, d. h. Vermittlung von Einsicht in das Ineinandergreifen von
mathematischen und außermathematischen Überlegungen bei der Entwicklung der
Mathematik und von Einsicht in die historische und aktuelle Bedeutung der
Mathematik für die Gesellschaft.“
Der Schwerpunkt bei der Behandlung der hyperbolischen Geometrie soll
sowohl in diesem angesprochenen Verhältnis zwischen Mathematik und
Realität, als auch in der historischen und aktuellen Bedeutung der
nichteuklidischen Geometrie für die Gesellschaft liegen.
3.4 Unterrichtsvoraussetzungen
Für die Behandlung der nichteuklidischen Geometrie als Unterrichtsreihe werden als
Grundvoraussetzungen zunächst ausreichend Kenntnisse der ebenen und räumlichen
euklidischen Geometrie sowie der ebenen Trigonometrie benötigt. Insbesondere sind
dabei für die Erarbeitung der sphärischen Geometrie Themen wie Umfang und Inhalt
von Kugeln und Figuren, begrenzt durch Kreise und Kreisbögen sowie die
trigonometrischen Beziehungen an rechtwinkligen ebenen Dreiecken unerlässlich.
Weiterhin sollten Themen wie Strahlensätze, grundlegende Sätze zur Berechnung von
Streckenlängen und Inhalten und z. B. der Satz des Pythagoras von den Schülern
beherrscht werden.
Im Hinblick auf die stufenspezifischen Kompetenzen und Inhalte des Bildungsplans
für Gymnasien in Baden-Württemberg, dargestellt in
[Bil04], würde die
85
Durchführung der Unterrichtsreihe zu nichteuklidischer Geometrie zum Ende der 10.
Klasse besonders in Frage kommen. Bereits in den einleitenden Hinweisen zu Klasse
10 (vgl. [Bil04])
wird die Methode der Modellbildung verbunden mit
Problemlösetechniken als ein Schwerpunkt des Unterrichts vorgestellt. Die Schüler
sollen unter der Leitidee „Vernetzung“ mathematisches Denken und Modellieren in
außermathematischen Gebieten wie Kunst, Naturwissenschaft und Gesellschaft
anwenden und unter der Leitidee „Modellieren“ die oben bereits erwähnten zwei
Stufen des Entwickeln und Anwendens von Modellen beherrschen. Diese Kompetenz
stellt einen wichtigen Punkt in der Unterrichtsreihe dar. Unter den Leitideen
„Messen“ und „Raum und Form“ haben die Schüler dieser Stufe wichtige
Voraussetzungen wie Umfang und Inhalt von Figuren, die auch von Kreisen und
Kreisbögen begrenzt sind, zentrische Streckung, Strahlensätze, den Satz des
Pythagoras, Berechnung von Streckenlängen und Inhalten bei Körpern und die ebene
Trigonometrie
bereits
erlernt
und
können
diese
Kenntnisse
in
unserer
Unterrichtsreihe somit hervorragend anwenden und wiederholen. Auch der Wunsch
des Bildungsplans die „Fähigkeiten der Schüler, Behauptungen zu beweisen“, weiter
auszubauen, wird zum Beispiel durch einen Einblick in die axiomatische Methode
erfüllt. Unter der Leitidee „Vernetzung“ wird der „Umgang mit Hilfsmitteln wie
Rechner mit geeigneter Software, elektronischen Medien und Internet“ gefordert. Die
Unterrichtsreihe zu nichteuklidischer Geometrie unterstützt dies nicht nur wegen
ihrer hervorragenden Möglichkeiten zur Integration von Computerprogrammen zu
Raumgeometrie
(siehe
Kapitel
4.6),
sondern
auch
durch
die
vielfältigen
Möglichkeiten zur Vertiefung des Stoffes in Zusatzarbeiten (GFS).
Der bayrische Lehrplan von 1990 (vgl. [Ba90]) bot die sphärische Geometrie als
Wahlpflichtgebiet für die mathematisch-naturwissenschaftliche Ausrichtung im 13jährigen Gymnasium zu Beginn der 11. Klasse an. Auch dies wäre denkbar, da die
Unterrichtsreihe eine gute Wiederholung der geometrischen Grundlagen bietet und
besonders die hyperbolische Geometrie sehr abstrakte Denkleistungen der Schüler
fordert. Allerdings dürfte eine Einbettung des Stoffes in den durch G8 bereits extrem
kompakten Lehrplan der Kursstufe schwierig werden.
Neben Voraussetzungen aus der Mathematik sind auch solche aus der Geographie für
die Behandlung nichteuklidischer Geometrie von Bedeutung.
86
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Durchführung der Unterrichtsreihe ist nämlich
die Möglichkeit des fächerübergreifenden Unterrichts. „Durch die Hinzunahme von
Fragestellungen aus anderen Fachgebieten werden die Problemlösefähigkeiten
erweitert und eine horizontale Vernetzung auch über Fachgrenzen hinaus erzielt“,
wird in den stufenspezifischen Hinweisen aus [Bil04]
zu Klasse 10 gefordert.
Themen der mathematischen Geographie und Astronomie werden allerdings nach
den
Bildungsplänen
[BilG04]
und
[BilP04]
weder
im
Erdkunde-
oder
Physikunterricht der Sekundarstufe I, noch in dem der Sekundarstufe II behandelt.
Allerdings erlernen die Schüler bereits in der 6. Klasse eine räumliche Vorstellung
von Entfernung und Richtung und die Fähigkeit, Gradnetz und Maßstab für die
räumliche Anordnung von Objekten, zu nutzen. An diese Kenntnisse kann etwa bei
der
mathematischen
Kugelkoordinaten
Beschreibung
angeknüpft
geographischer
werden.
Alle
weiteren
Koordinaten
geographischen
durch
und
astronomischen Anwendungen müssen allerdings im Unterricht beziehungsweise in
Eigenarbeit bei einer GFS erarbeitet werden.
87
Teil 4 Durchführung einer Unterrichtsreihe zu nichteuklidischer
Geometrie am Beispiel des Hector-Seminars Heidelberg
4.1 Allgemeines zum Hector-Seminar
Eine Unterrichtsreihe zu nichteuklidischer Geometrie wurde in einer Modulphase des
Hector-Seminars in Heidelberg durchgeführt. Das Hector-Seminar, im Jahr 2000
entstanden als Zusammenarbeit zwischen den staatlichen Schulen und der privaten
Hector-Stiftung, ist eine Einrichtung zur Förderung hochbegabter Jugendlicher mit
einer Spezialisierung auf die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften
und Technik (MINT) ([He06]). Während die durch Eingangstests ausgewählten
Schüler an ihren Schulen im gewohnten sozialen Umfeld der Schulen integriert
bleiben, bietet das Hector-Seminar eine „Ergänzung zum schulischen Angebot an
Gymnasien beginnend von der Klassenstufe 6 bis zur gymnasialen Oberstufe“
([He06], Seite 11). Die meist interdisziplinären Projekte sollen nicht nur theoretische
Inhalte vermitteln, sondern vor allem auch die Planung und Durchführung von
Experimenten, sowie die Dokumentation und öffentliche Präsentation der Ergebnisse
beinhalten. Dadurch werden „neben fachlichen und methodischen Kompetenzen
auch personale und soziale Fähigkeiten gefördert“ ([He06], Seite 14). Durch
Kooperationen mit Instituten der Universität Heidelberg oder Einrichtungen der
Forschung Bildung und Lehre wird das Ziel verfolgt, die Jugendlichen Neues
entdecken zu lassen und mit Problemen zu konfrontieren, deren Lösungen noch offen
sind. Die nichteuklidische Geometrie bietet hier hervorragende Einsatzmöglichkeiten
und eröffnet den Teilnehmern ein weites Spektrum von der Mathematik, über die
Geographie zur Astronomie und Kosmologie.
Eine Modulphase des Seminars umfasst mehrere Monate, während derer sich die
verschiedenen Kurse mit jeweils 10-15 Schülern an einem Nachmittag pro Woche in
ausgewählten Standortschulen treffen um sich, betreut von zwei Lehrkräften, intensiv
mit einem von ihnen gewählten Projekt zu beschäftigen. Im Anschluss an eine
sogenannte „Input-Phase“ sollen die Schüler unter Hilfestellung vertiefenden und
weiterführenden Fragestellungen nachgehen und ihre Ergebnisse am Ende
der
Öffentlichkeit und den Eltern präsentieren.
Die vorliegende Unterrichtsreihe wurde mit 14 Hector-Schülern der 9. und 10.
Klassenstufe an fünf Nachmittagen zu drei Stunden durchgeführt, woraufhin dann
88
weitere fünf Nachmittage zur Erarbeitung der Projekte vorgesehen waren (vgl.
Anhang 6.2, Modulausschreibung „Kugelgeometrie“ zum Hector-Seminar).
Es ist offensichtlich, dass eine derartige Zeiteinteilung und ein aufgrund der
Auswahlkriterien des Hector-Seminars überdurchschnittlich motiviertes Publikum
im normalen Schulalltag nur selten der Realität entsprechen. Dennoch kann die
Unterrichtsreihe durch eine vorgenommene Einteilung des Stoffes durchaus in
Schulklassen mit einer ausgeprägten Leistungsbereitschaft behandelt werden, was in
den folgenden Kapiteln gezeigt werden soll. Insbesondere ist außerdem an eine
Durchführung an gesonderten Projekttagen oder mathematischen Nachmittagen zu
denken.
4.2 Übersicht über die Planung der Unterrichtsreihe
Die folgende Einteilung (vgl. [Fil95], Kapitel 3.3) ist ein Vorschlag für die Aufteilung
des Stoffes in fünf Unterrichtsabschnitte. Da die Modulphase des Hector-Seminars in
Sitzungen von jeweils drei Stunden abgehalten wird, werden hier fünf Sitzungen zu
drei Stunden beschrieben. Diese insgesamt 15 Stunden können für die Behandlung
im Schulunterricht aber gut pro Sitzung in zwei Doppelstunden aufgeteilt werden, so
dass sich ein Umfang von 10 Schul-Doppelstunden ergibt. Zusätzlich zu den Themen
des Abschnitts, den jeweils angestrebten Zielen aus Kapitel 4.3 und verwendeten
Materialien (vgl. Kapitel 4.5) werden Angaben zu den in Teil 2 dargestellten
mathematischen Grundlagen und Hintergrundinformationen gemacht. Bei der
Behandlung des Stoffes im Schulunterricht werden mögliche Hausaufgaben genannt,
die sich insbesondere positiv auf die Einhaltung der veranschlagten Zeit auswirken
sollen (vgl. Kapitel 4.6, Aufgabensammlung).
Nr. Themen der Sitzung
Ziele
Materialien
Mögliche
Hausaufgaben
(bei Behandlung
im Schulunterricht)
1
Einführung in die
K1,
Globus, Faden,
Basteln eines
Grundlagen der sphärischen
K2,
Stecknadeln,
Großkreislineals
Geometrie:
Ü1-5
Styropor- und
(kann zur
89
Großkreise/Kleinkreise,
Plastikkugeln,
Vorbereitung auf
Geraden, Strecken,
Schuhkarton,
diese erste Sitzung
Abstände, Winkel
Schere, Zirkel,
aufgegeben
(Kapitel 2.3.2.1 und 2.3.2.2)
Klebeband,
werden)
Geodreieck
(Kapitel 4.6,
Aufgabe 6)
2
Sphärische Zweiecke und ihr
K3,
Globus,
Kapitel 4.6
Flächeninhalt, eulersche
K4,
Pauspapier,
Aufgaben 13 - 16
Dreiecke, sphärische
K5,
Maßband, Stifte,
Dreiecke und ihr
Ü1-5
Styropor-
Flächeninhalt, sphärischer
/Glaskugeln,
Innenwinkelsatz
Folienstifte,
(Kapitel 2.3.2.3 – 2.3.2.6)
Stecknadeln,
Faden,
Großkreislineal
3
Sphärischer Dreikant,
K6 –
Globus,
Evtl. Kapitel 4.6
sphärische Trigonometrie an
K11,
Kopiervorlagen
Aufgaben 20 – 22
rechtwinkligen und
Ü1-5
zur sphärischen
(falls nicht im
schiefwinkligen Dreiecken,
Trigonometrie
Unterricht
(Nepersche Regel, Sinussatz
(Anhang 6.5),
behandelt)
und Kosinussätze),
Pappe, Schere,
Geographische Koordinaten,
Kleber
Berechnung der
Orthodromen zwischen zwei
Punkten der Erdoberfläche
(Kapitel 2.3.2.7, 2.3.2.8
sowie 2.3.3.2)
4
Axiomatischer Aufbau der
N1-7,
Kopien
Geometrie, Entstehung der
Ü1, Ü4 bekannter
euklidischen und
Beweise aus dem
nichteuklidischen
Schulbuch (vgl.
Geometrie, das
Kapitel 2.1.3),
Parallelenproblem,
Arbeitsblätter 6.6
Gegenüberstellung
und 6.7
Kapitel 4.6
Aufgaben 23 - 25
90
euklidische - sphärische
Geometrie, Bedeutung von
mathematischen Modellen
(Kapitel 2.1.1 – 2.1.5)
5
Das Kreisscheibenmodell,
N8-11,
Computerzugang, Kapitel 4.6
Eigenschaften und Sätze der
Ü2,
Software
hyperbolischen Geometrie,
Ü4,
Cinderella 1.4,
nichteuklidische Geometrie
Ü5
Arbeitsblatt 6.8
Aufgabe 26
im realen Raum
(Kapitel 2.2.1 – 2.2.3 sowie
4.5)
4.3 Grobziele der Unterrichtsreihe
Unter Einbezug der in Kapitel 3.2 dargestellten Begründung des Themas als
Unterrichtsreihe und der Festlegung von Schwerpunkten bei der Stoffauswahl, sowie
der
in
[Kai86],
Seite
83f.
dargestellten
allgemeinen
Ziele
eines
anwendungsorientierten Mathematikunterrichts, können wie auch bei Filler in
[Fil95], Kapitel 3.2 folgende Grobziele aufgestellte werden (G1-G10 berücksichtigen
konkret den Bereich der sphärischen Geometrie):
K1:
Die Schüler erkennen, dass die ebene Geometrie nicht ausreicht, um die
Verhältnisse
auf
der
Erdoberfläche
zu
beschreiben
und
sehen
die
Notwendigkeit, die Geometrie der Kugeloberfläche genauer zu untersuchen, um
geographische Anwendungen in der Praxis zu ermöglichen.
K2: Durch logische Überlegungen und Vergleich mit der ebenen Geometrie
entwickeln sie Definitionen für Strecken, Geraden, Abstände, Kreise und
Winkel auf der Sphäre und erlangen anschauliche Vorstellungen von diesen
Begriffen.
K3:
Die Schüler wissen von der Existenz sphärischer Zweiecke und können durch
Plausibilitätsüberlegungen Aussagen über deren Umfang, Seitenlänge und
Winkel treffen sowie ihren Flächeninhalt herleiten.
91
K4:
Sie kennen die grundlegenden Eigenschaften sphärischer Dreiecke und können
eulersche Dreiecke von anderen Dreiecken unterscheiden.
K5:
Mit Hilfe der Flächeninhaltsformel der Zweiecke können sie diese für Dreiecke
herleiten und Schlussfolgerungen über deren Innenwinkelsumme ziehen.
K6:
Die Schüler gewinnen ein Verständnis von geographischen Koordinaten und
sehen die Notwendigkeit einer neuen Berechnungsmethode um geographische
Berechnungen anzustellen.
K7: Sie gewinnen eine anschauliche Vorstellung vom Zusammenhang zwischen den
Stücken eines sphärischen Dreiecks und des zugehörigen Dreikants, bzw. der
körperlichen Ecke.
K8:
Unter Anwendung dieser Zusammenhänge können die Schüler in Ansätzen die
trigonometrischen Grundformeln für rechtwinklige sphärische Dreiecke
herleiten.
K9:
Sie kennen die wichtigsten trigonometrischen Beziehungen an rechtwinkligen
sphärischen Dreiecken und können diese für einfache Berechnungen anwenden.
K10:
Die
Schüler
wissen
von
der
Vorgehensweise
einer
Herleitung
der
trigonometrischen Beziehungen eines schiefwinkligen sphärischen Dreiecks,
kennen den daraus resultierenden Sinussatz und die Kosinussätze und können
diese für Berechnungen auf der Erdoberfläche anwenden.
K10: Sie kennen den Begriff der Orthodromen und sind in der Lage durch
Einzeichnen des Poldreiecks orthodrome Entfernungen für Reiserouten zu
berechnen.
K11: Die Schüler können erklären, warum auf einer ebenen Weltkarte Flugrouten
gekrümmt dargestellt werden.
Zusätzlich
kommen
die
folgenden
Ziele
hinzu,
die
durch
die
einzelnen
Projektarbeiten angestrebt werden können:
P1:
Die Schüler können aus dem Flächeninhalt eines Dreiecks denjenigen eines
Vielecks herleiten.
92
P2:
Durch logische Überlegungen zu der Innenwinkelsumme auf der Kugel können
sie mögliche regelmäßige sphärische Netze beschreiben und den Flächeninhalt
der einzelnen Stücke berechnen.
P3:
Sie gewinnen eine Vorstellung vom Zusammenhang platonischer Körper und
regelmäßiger sphärischer Netze.
P4:
Die Schüler können für gegebene Anfangs- und Endpunkte von Reiserouten die
Kurswinkel bestimmen.
P5:
Sie kennen den Unterschied zwischen Orthodromen und Loxodromen und den
Nutzen der jeweiligen Verbindung für die Reiseroutenbestimmung.
P6:
Sie sind in der Lage die nördlichsten und südlichsten Punkte (Scheitelpunkte)
einer Reiseroute zu berechnen.
P6:
Sie können einen Lösungsplan zur Berechnung der Koordinaten eines Objekts,
das von zwei Orten angepeilt wird, anhand der Koordinaten der beiden Orte
und der Peilungswinkel aufstellen.
Im zweiten Teil der Unterrichtsreihe lassen sich folgende Grobziele aufstellen, die
teilweise aber auch auf die Ziele K1-K11 aufbauen oder rückwirkend den Nutzen
einiger der dort angestrebten Ziele aufzeigen.
N1:
Die Schüler sehen die Notwendigkeit der Aufstellung von Grundaussagen in der
Geometrie und der Einführung eines axiomatischen Systems.
N2: Sie kennen das Grundgerüst eines Axiomensystems und entwickeln Fähigkeiten
im Führen mathematischer Herleitungen und Beweise.
N3:
Die Schüler kennen den Begriff und Ursprung der euklidischen Geometrie und
sehen darin die von ihnen in der Schule behandelte Geometrie.
N4:
Sie gewinnen eine Vorstellung von der Bedeutung des Parallelenaxioms in der
Geometrie und sehen Bezüge und Übereinstimmungen mit äquivalenten
Aussagen des Parallelenaxioms.
N5:
Durch Überlegungen zur Umformung des Parallelenaxioms sehen sie die
Möglichkeit der Aufstellung nichteuklidischer Geometrien und kennen die
Bezeichnungen elliptische und hyperbolische Geometrie.
93
N6:
Die Schüler erkennen rückwirkend die Einordnung der Kugelgeometrie in den
Bereich der elliptischen Geometrie.
N7:
Sie machen sich den Nutzen eines mathematischen Modells bewusst und sind
in der Lage Axiome anhand eines einfachen Modells umzuinterpretieren.
N8:
Mit dem Kreisscheiben-Modell entdecken die Schüler ein mögliches Modell der
hyperbolischen Geometrie, können die Uminterpretation der geometrischen
Grundbegriffe beschreiben und Eigenschaften der hyperbolischen Geometrie
ausmachen.
N9:
Die Schüler können Analogien und Unterschiede zwischen den wichtigsten
Objekten und Eigenschaften der sphärischen, ebenen und hyperbolischen
Geometrie aufstellen.
N10: Sie erkennen, dass sich sowohl in sphärischer als auch in hyperbolischer
Geometrie euklidische Beziehungen als Grenzfall ergeben und können hieraus
Rückschlüsse über mögliche Berechnungen auf der Erdoberfläche oder im
Weltall ziehen.
N11: Sie gewinnen eine anschauliche Vorstellung der hyperbolischen Geometrie und
gelangen zur Einsicht, dass unsere reale Welt durchaus mit ihr beschrieben
werden kann.
Während die meisten der unter K1-K11, P1-P6 und N1-N11 aufgestellten Ziele
größtenteils stark aufeinander aufbauen und sich schwerpunktmäßig auf die
jeweilige Sitzung beziehen, lassen sich weiterhin für die gesamte Unterrichtsreihe
folgende übergreifenden Ziele aufstellen, die sich auf die Literatur von [Fil95] sowie
[Kai86] beziehen:
Ü1: Die Schüler wiederholen und festigen ihre Kenntnisse aus der euklidischen
Geometrie und der ebenen Trigonometrie.
Ü2:
Sie entwickeln Fähigkeiten im experimentierenden und forschenden Lösen von
mathematischen Fragestellungen durch Modelle (plastisch oder mit Hilfe des
Computers).
Ü3: Sie verbessern und entwickeln ihr räumliches Vorstellungsvermögen.
94
Ü4:
Sie entwickeln Fähigkeiten im Definieren mathematischer Begriffe und in einer
verallgemeinerten Betrachtungsweise geometrischer Begriffe.
Ü5:
Sie gewinnen einen umfassenden Einblick in das Verhältnis von Mathematik
und Realität, sowie in die praktische Bedeutung der Mathematik in unserer
realen Welt.
Ü1 – Ü5 sind langfristige Ziele, die sich auf die gesamte Unterrichtsreihe beziehen.
Sie sind eng verbunden mit dem in Kapitel 3.2 dargestellten Gewinn an fachlichen,
sozialen und personalen Kompetenzen.
4.4 Hinweise zur Durchführung der Seminarreihe
Dieses Kapitel enthält Hinweise zur Gestaltung und Durchführung des Seminars, die
gegliedert sind nach den einzelnen Sitzungen. Der Gliederung liegt die in Kapitel 4.2
vorgenommene Aufteilung des Stoffes und der Grobziele zugrunde, die im
Zusammenhang betrachtet werden sollten. Außerdem wird Bezug auf die
Ausführungen von Filler in [Fil95] und auf Teil 2 genommen, der eine Darstellung
der fachlichen Inhalte für Lehrer liefert und somit Grundlage für die Durchführung
ist. Eine Zusammenfassung des Ablaufs wird in der im Anhang 6.1 gemachten
tabellarischen Form gegeben.
1. Der Einstieg in die Seminarreihe (1. Sitzung)
Um die Bedeutung der sphärischen Geometrie als mathematisches Modell der
geometrischen Verhältnisse auf der Erdoberfläche zu erkennen, müssen sich die
Schüler zunächst die Notwendigkeit, sich mit der Geometrie der Erdoberfläche
auseinanderzusetzen, bewusst machen. Als Einstieg bieten sich daher folgende
Fragen an:
Was ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei weit voneinander entfernten Orten
auf der Erde (Berlin und Melbourne)? Ist es in der Praxis möglich auf diesem Wege
von einem Ort zum anderen zu gelangen? (vgl. [Fil93], S.1)
Die Schüler werden recht schnell zu der Erkenntnis kommen, dass die euklidische
Strecke zwischen zwei Punkten der Erde zwar theoretisch die kürzeste Verbindung
darstellt, allerdings (außer als ein durch die Erde gegrabener Tunnel) nicht geeignet
95
ist, um eine mögliche Reiseroute zu bestimmen. Somit kommt die Frage nach der
kürzesten Verbindung zweier Punkte auf der Erde auf und damit der Gedanke, eine
solche Verbindung durch Spannen eines Gummibandes oder Fadens auf dem Globus
experimentell zu bestimmen. Durch das Variieren der Lage der zwei Punkte auf dem
Globus, wie etwa zwei Punkte auf einem Meridian, auf dem Äquator oder auf einem
beliebigen Breitenkreis, können die Schüler bereits wichtige Eigenschaften der
kürzesten Verbindung anschaulich erfassen. So werden sie beispielsweise sehen, dass
der Bogen eines Breitenkreises i. Allg. nicht die kürzeste Verbindung zweier Punkte
darstellt.
Die Diskussion dieser Fragen liefert eine anwendungsorientierte Motivation der
Schüler für die sphärische Geometrie. Ihnen sollte deutlich gemacht werden, dass es
für die Lösung der gestellten Einstiegsfrage zunächst erforderlich ist, die Grundlagen
der Geometrie auf der Sphäre genauer zu betrachten. Mit Hilfe dieser Grundlagen
wird es dann möglich sein geeignete Formeln herzuleiten und diese dann auf Fragen
der Geographie und Astronomie zu beziehen. Die Schüler erhalten damit einen
groben Überblick über den ersten Teil der Seminarreihe.
Nach diesem Einstieg sollten die verwendeten Begriffe nun mathematisch fundiert
werden. Dazu ist zunächst eine kurze Wiederholung der Begriffe Kreis und Kugel
sinnvoll, um anschließend eine Definition der Sphäre zu geben. Während der
gesamten Sitzung sollten an der Tafel die erarbeiteten Definitionen nach und nach
festgehalten werden und den Schülern dort für die gesamte Sitzung vor Augen sein
(siehe Tafelbild 1, Anhang 6.1). Ein Rückgriff auf das Eingangsexperiment, bei dem
bereits durch Spannen des Gummibandes wichtige Eigenschaften erkannt wurden,
führt nun zur Definition von Großkreisen und Kleinkreisen. Basierend auf den
Kenntnissen der Schüler aus dem Erdkundeunterricht sollte zur Veranschaulichung
erneut der Bezug zu den Meridianen und Breitenkreisen auf der Erdoberfläche
hergestellt werden und anhand eines Beispiels erörtert werden, dass nur Großkreise
Punkte auf dem kürzesten Wege verbinden.
Damit die Schüler in der gesamten Einheit möglichst viel selbst experimentieren
können, sollten sie gleich mit der Frage konfrontiert werden, wie es denn überhaupt
möglich ist, einen Großkreis auf einer Kugel mit gegebenem Radius einzuzeichnen.
Nachdem sie zunächst eigene Versuche anstellen, kann dann der Bau eines
Großkreislineals (siehe Anhang 6.3) anhand eines fertigen Modells vorgestellt
96
werden, welcher dann von den Schülern in Partnerarbeit mit Hilfe eines
Schuhkartons nachgebaut wird. Für die Behandlung im Schulunterricht, kann die
Herstellung des Großkreislineals mit Hilfe einer Anleitung und eines vorgegebenen
Radius auch bereits als Hausaufgabe zur ersten Stunde gestellt werden.
Nach einer kurzen Wiederholung der Wesenseigenschaften von Punkten, Strecken
und Geraden in der Ebene sollen die Schüler sich mit den Fragen beschäftigen, wie
viele Geraden durch zwei Punkte auf der Kugel verlaufen und wie man eine Strecke
auf der Kugel eindeutig definieren kann. Hierzu können sie Überlegungen anhand
einer Styroporkugel, auf der mit Stecknadel und Faden gearbeitet werden kann,
anstellen. Um die Begriffe festzuhalten, folgt die Definition von Punkten, Geraden,
Strecken und diametralen Punkten an der Tafel (Tafelbild 1, Anhang 6.1). Um sich die
Entsprechung der Gerade aus der Ebene mit dem Großkreis auf der Kugel klar zu
machen, eignet sich sehr gut die Vorstellung, mit einem Auto oder Rad auf einer
Straße entlang des Großkreises zu fahren. Die Schüler werden zu dem Ergebnis
kommen, dass es nicht nötig ist zu steuern um „geradeaus“ zu fahren, wenn sie mit
dem Auge ganz dicht an die Kugel herangehen.
Vor der genauen Definition des Abstandes kann erneut die Frage gestellt werden,
warum denn der Großkreis die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist. Hier
liefert eine Veranschaulichung in der ebenen Geometrie eine gute Antwort
(Abbildung 20), denn der kürzeste Kreisbogen zwischen zwei Punkten ist genau der
des Kreises mit dem größten Radius, auf der Kugel also der eines Großkreises. Bei der
Definition
des
Abstandes
wird
den
Schülern
auch
durch
das
vorherige
Experimentieren bewusst, dass zwei nichtdiametrale Punkte durch zwei verschieden
lange Bögen miteinander verbunden werden können. Der Abstand allerdings
bezeichnet die Bogenlänge des kürzeren der beiden Bögen (Tafelbild 1). Da Abstände
auf der Sphäre häufig als Winkelmaße der Radien zwischen den betreffenden
Punkten angegeben werden, wird die entsprechende Umrechnungsformel benötigt,
die nach einer kurzen Wiederholung des Begriffes der Bogenlänge gemeinsam
erarbeitet wird. Besonders deutlich gemacht werden sollte die Tatsache, dass
Abstände auf der Kugel auch in Grad angegeben werden können. Als Beispiel kann
die Frage gestellt werden welche Punkte der Erde vom Nordpol den Abstand 90°
haben, bei der die Schüler leicht auf den Äquator als Antwort stoßen werden. Zur
Verdeutlichung kann auch eine Aufgabe dienen, die von den Schülern rechnerisch
gelöst werden muss: Wie groß ist der Winkel zwischen den Radien zweier Orte auf
97
der Erde, deren kürzeste Verbindung (Großkreisbogen) 3000 km auf der
Erdoberfläche lang ist? Zur Beantwortung könnte man die Schüler zunächst nach
dem Radius oder Umfang der Erde fragen, da diese Zahlen im Laufe der Sitzungen
häufiger gebraucht werden. Eine für die Schüler vielleicht verblüffende Frage könnte
die nach dem größtmöglichen Abstand zweier Punkte auf der Sphäre sein. Es sollte
ihnen bewusst sein, dass im Gegensatz zur ebenen Geometrie der Abstand auf der
Sphäre beschränkt ist.
Ein Begriff, der den Schülern die Gestalt der Kugel besonders gut vor Auge führt ist
der Begriff des sphärischen Kreises. Zum Experimentieren bietet es sich an, mit
Klebeband einen Stift an den Schenkel eines Zirkels zu befestigen, um Kreise auf
einer Styroporkugel zu konstruieren. So sollen die Schüler sich nach einer Definition
des sphärischen Kreises (siehe Tafelbild 1) experimentell mit der Frage beschäftigen,
für welchen maximalen Radius sie einen Kreis auf der Kugel zeichnen können und
eine Möglichkeit finden, einen Kreis mit einem größeren Radius einzuzeichnen.
Dabei dürften sie schnell feststellen, dass ein gegebener Kreis auf der Kugel immer
zwei mögliche Mittelpunkte hat und damit auch durch zwei verschiedene Radien
gegeben ist. Die Konstruktion der Menge der Punkte R, die von zwei verschiedenen
Punkten P und Q jeweils den gleichen Abstand haben macht den Schülern erneut die
Bedeutung des Großkreises deutlich.
Eine gute Hinleitung zum Begriff des Winkels zwischen zwei sphärischen Geraden
ergibt sich aus der Aufgabe, zu einem vorgegebenen Punkt P und einem Großkreis g
auf der Sphäre den zu P nächstgelegenen Punkt auf g zu konstruieren. Bei der Frage
nach der Bezeichnung dieses Punktes werden die Schüler schnell auf den Begriff des
Lotfußpunktes kommen und so mit dem 90°-Winkel einen ersten Winkel zwischen
zwei sphärischen Geraden ansprechen.
Die Schüler sollten sich erneut klar machen, dass sich zwei verschiedene Geraden in
genau zwei Punkten im selben Winkel schneiden und erkennen, dass dieser Winkel
gleich dem Winkel der Tangenten an die beiden Großkreise ist. Um experimentell
diesen Winkel zu bestimmen, können sie versuchen an kleinen und großen Kugeln
ein Geodreieck anzulegen. Sie werden schnell sehen, dass es vor allem bei kleinen
Kugeln schwer ist, den Winkel auf diese Weise genau zu bestimmen. Man sollte
großen Wert darauf legen, dass ihnen der Zusammenhang zwischen den
Winkelmaßen der Tangenten und dem der Ebenen, in denen die betroffenen
98
Großkreise liegen, plastisch deutlich wird. Besonders anschaulich kann dies mit Hilfe
des bereits gebastelten Großkreislineals gezeigt werden. Hierfür wird in eine Pappe
ein Halbkreis mit dem Radius der Kugel eingeschnitten und aufgelegt (siehe Anhang
Großkreislineal), woraufhin dann leicht der Winkel zwischen den beiden Ebenen
gemessen werden kann. An dieser Stelle sollte eine Definition des Winkelmaßes an
der Tafel festgehalten werden, wobei auch auf die Frage nach entstehenden gleichen
Winkeln, also Gegenwinkel und Nebenwinkel eingegangen werden kann.
Einen ersten Hinweis zur Nichtexistenz von Parallelen auf der Kugel könnte die Frage
bringen, welche Geraden im 90°-Winkel auf den Äquator treffen und worin hier ein
Unterschied zur ebenen Geometrie zu erkennen ist. Da sich die Meridiane im
Nordpol schneiden, sollte den Schülern schnell klar sein, dass sie nicht parallel sein
können. Die Tatsache der Nichtexistenz von Parallelen gibt einen guten Ausblick auf
die nächsten Sitzungen.
2. Sitzung
Die zweite Sitzung, deren Hauptziel die Behandlung von sphärischen Dreiecken und
die Berechnung ihres Flächeninhalts ist, sollte dementsprechend mit einer besonders
anschaulichen Einstiegsfrage motivieren. Hierfür bietet sich die folgende Frage an:
Wie kann ich den Flächeninhalt eines Dreiecks auf dem Globus (als Beispiel den
Kontinent Afrika) bestimmen?
Bevor die Schüler jedoch eigenständige Lösungsmöglichkeiten suchen, wird die
Definition eines sphärischen Dreiecks als Fläche, die durch drei Großkreisbögen
begrenzt ist, deutlich gemacht werden. Dies gewährleistet auch eine gute
Wiederholung des Zusammenhangs von Großkreis auf der Kugel und Gerade in der
Ebene, da ja ein Dreieck in der Ebene auch durch drei Geraden begrenzt ist. So
selbstverständlich dies in der Ebene auch sein mag, kann es doch vorkommen, dass
Schüler Bögen von Breitenkreisen als Seiten sphärischer Dreiecke nutzen wollen.
Anschließend kann auf dem Globus angenähert ein solches sphärisches Dreieck um
den Kontinent Afrika gezeichnet werden. Nun sollen die Schüler experimentell
Versuche anstellen, den Flächeninhalt des Dreiecks zu bestimmen. So könnten
beispielsweise das Anlegen und Kopieren des Dreiecks auf Pauspapier, das Messen
mit Hilfe eines Maßbandes, das Anpassen eines Stücks Stoffes und viele andere
99
Möglichkeiten angenäherte Lösungen liefern. Der Vergleich der Ergebnisse liefert
den Schülern eine gute Motivation zur Notwendigkeit der Aufstellung einer
geeigneten Rechenherleitung für den Flächeninhalt sphärischer Dreiecke liefern.
Vor der weiteren Behandlung der sphärischen Dreiecke verdeutlicht man jedoch die
Existenz eines sphärischen Zweiecks, was zunächst allein aufgrund des Wortes
Verwunderung auslösen, aber schnell einleuchten wird. Hierfür können die Schüler
zwei verschiedene Großkreise auf ihre Kugel zeichnen und die paarweise kongruenten
Zweiecke betrachten. An dieser Stelle muss auch auf den Umfang, die Seitenlänge
und den Winkel α eines Zweiecks eingegangen werden. Für die Berechnung des
Flächeninhalts sphärischer Dreiecke wird der Flächeninhalt von Zweiecken benötigt.
Hierfür sollte kurz die Formel für den Flächeninhalt einer Kugel wiederholt werden,
um dann den Schülern die Möglichkeit zu geben, eigenständig auf die recht leichte
Flächeninhaltsformel für Zweiecke zu stoßen.
Besonders wichtig bei der Betrachtung sphärischer Dreiecke ist es, den Schülern klar
zu machen, welch vielfältige Formen ein solches Dreieck auf der Kugel haben kann
und dass insbesondere durch drei Punkte der Sphäre nicht eindeutig ein sphärisches
Dreieck festgelegt ist. Hierfür kann man die Schüler bitten drei Stecknadeln in eine
Styroporkugel zu stecken und mit einem Faden möglichst viele verschiedene Dreiecke
zu spannen. Diese enorme Vielfalt spricht für die Betrachtung und Definition
spezieller sphärischer Dreiecke, der eulerschen Dreiecke, deren Definition von den
Schülern in Ansätzen selbst entwickelt werden kann. Hierfür stellt man ihnen die
Aufgabe, eine Gruppe von sphärischen Dreiecken herauszuheben, die besonders viele
Ähnlichkeiten mit den Dreiecken in der Ebene aufweisen und die Eindeutigkeit der
Zuordnung eines Dreiecks zu drei Punkten gewährleisten.
Ausgehend von dieser Definition kann durch Einzeichnen von drei Großkreisen auf
einer Glaskugel von den Schülern herausgearbeitet werden, dass die Großkreise die
Kugel in genau acht eulersche Dreiecke zerlegen und jeweils paarweise kongruente
Dreiecke auftreten. Diese Kongruenzen, also Nebendreiecke, Scheiteldreiecke und
Gegendreieck sind auf einer Glaskugel besonders gut zu erkennen und für die
Herleitung der Flächeninhaltsformel von Bedeutung. Diese sollten die Schüler mit
dem Tipp, das Wissen über den Flächeninhalt von Zweiecken auszunutzen, möglichst
eigenständig aufstellen. Hierfür müssen die Winkel α, β, γ des gefragten Dreiecks
kenntlich gemacht und die Kugel geschickt farblich (Folienstifte) mit Zweiecken
100
überdeckt werden. Als Hilfestellung kann nach einiger Zeit auch ein gemeinsamer
Ansatz in der Form (Halbe Sphäre = Zweieck A'A + Zweieck B'B + Zweieck C'C 2·Dreieck ABC) erfolgen. In jedem Fall muss die Herleitung an der Tafel festgehalten
werden.
Da der Innenwinkelsatz besonders deutlich grundlegende Unterschiede zwischen
ebener und sphärischer Geometrie sowie ihre Ursachen verdeutlicht, sollte hierauf
ein besonderes Augenmerk gelegt werden. Angeführt werden könnte dies mit einer
Aufforderung der Schüler ein gleichseitiges und rechtseitiges (dieser Begriff wird auf
Verwunderung stoßen und sollte genau erläutert werden) Dreieck auf dem Globus
einzuzeichnen, etwa begrenzt von Äquator und zwei Meridianen, und die dabei
entstehende Innenwinkelsumme genauer zu betrachten. Die Schüler werden
feststellen, dass drei rechte Winkel auftreten, die Innenwinkelsumme also 270°
beträgt und motiviert sein, anschließend verschieden große Dreiecke auf ihrer
Glaskugel
einzuzeichnen,
deren
Innenwinkelsumme
sie
mit
Hilfe
des
Großkreislineals messen. Sie gelangen dabei zu der Feststellung, dass der Überschuss
an Innenwinkelsumme über 180°, den man ihnen als sphärischen Exzess vorstellt,
für Dreiecke mit großem Flächeninhalt größer ist, als für kleinere Dreiecke. Zur
Verdeutlichung sollte man durch Einbeziehen der Flächeninhaltsformel den Schülern
die Frage stellen, ob es denn überhaupt Dreiecke auf der Kugel mit einer
Innenwinkelsumme kleiner oder gleich 180° geben kann. Um einen Bezug zu der
realen Umwelt herzustellen, kann an dieser Stelle die Legende der Gauß´schen
Landvermessung vorgetragen werden mit der Frage, warum Gauß im Rahmen des
experimentellen Fehlers trotzdem eine Winkelsumme von 180° errechnete.
Die wichtige Eigenschaft, dass der Flächeninhalt eines sphärischen Dreiecks wirklich
nur von seinen Innenwinkeln abhängt, sollte den Schülern durch die Frage nach der
Existenz ähnlicher Dreiecke oder Figuren auf der Kugel deutlich werden. Die
Unmöglichkeit ähnlicher Figuren auf der Sphäre wird für große Verblüffung sorgen
und man kann bei der Gegenüberstellung nichteuklidischer Geometrien in der 4.
Sitzung auf diese Erkenntnis zurückweisen. Bei ausreichender Zeit können nun zur
Vertiefung Aufgaben bezüglich des Flächeninhalts, der Innenwinkelsumme und des
sphärischen Exzess` bearbeitet werden (siehe Aufgabensammlung).
Zum Ende der Stunde bietet es sich bei Bedarf an, einen kleinen Ausblick und
Motivation für ein mögliches Projektthema oder GFS über regelmäßige sphärische
101
Netze zu geben. Da zuvor bereits das gleichseitige, rechtseitige Dreieck besprochen
wurde, kann dies als Modellbeispiel, z. B. aus Draht, vorgestellt werden und nach
einer Wiederholung der möglichen Parkettierungen der Ebene mit regelmäßigen
Vielecken die Frage gestellt werden, welche möglichen Netze aus regelmäßigen
Vielecken auf der Kugel möglich sind. Je nachdem wie tief das Projektthema gehen
soll, kann auch ein Fußball zum Einstieg mitgebracht werden. Als erste Überlegung
sollten die Schüler sich die Gestalt eines Vierecks durch Einzeichnen von vier
Großkreisen auf ihrer Kugel bewusst machen und untersuchen, ob es ein Rechteck
auf der Sphäre geben kann. Die Frage nach möglichen regelmäßigen sphärischen
Fünf-, Sechs- oder anderen Vielecken sollte dann offen gelassen werden und für das
Projektthema aufgespart bleiben.
3. Sitzung
Die Herleitung der Grundformeln der sphärischen Trigonometrie für recht- und
schiefwinklige Dreiecke fordert und fördert die Schüler zwar darin, anspruchsvolle
mathematische Tätigkeiten (z. B. Beweisen und Herleiten) auszuführen, sollte sie
aber durch die große Menge an theoretischen Formeln und Beziehungen nicht
entmutigen und abschrecken. Es ist daher besonders wichtig, einen motivierenden
Einstieg für das Thema zu wählen und dann nur einen kleinen Teil der Herleitung
auszuführen, um den Schwerpunkt eher auf die praktische Anwendung zu setzen.
Zu Beginn der Stunde können mit Hilfe eines Witzes die Eigenschaften eulerscher
Dreiecke, um die es ja auch weiterhin gehen soll, wiederholt werden: Ein Schafhirte,
ein Physiker und ein Mathematiker bekommen einen Klappzaun und sollen eine
Herde Schafe umzäunen. Wie machen sie das? Der Schafhirte treibt die Herde
zusammen und baut den Zaun drum herum. Der Physiker baut den Zaun kreisförmig
auf und treibt die Schafherde hinein. Der Mathematiker baut den Zaun um sich
herum und sagt: „Hier ist außen!“.
Als Einstieg auf das Hauptthema der Stunde sollte dann auf die Eingangsfrage der
Unterrichtsreihe (Wie lang ist die kürzeste Verbindung zwischen Berlin und
Melbourne?) zurückgegriffen werden, die aber vorerst noch offen gelassen wird.
Zunächst machen sich die Schüler durch Rückgriff auf mögliches Wissen aus dem
Erdkundeunterricht mit dem Gradnetz der Erde vertraut machen und Begriffe wie
102
Längengrade, Breitengrade, Nullmeridian werden an der Tafel festgehalten. Zur
Übung können sie die Lage verschiedener Städte mit Hilfe ihrer Koordinaten
bestimmen und eine Verbindung zwischen zwei Orten, die auf demselben Meridian
liegen (etwa Istanbul und Johannesburg), durch Berechnung der Bogenlänge
berechnen. An dieser Stelle sollte den Schülern erneut die Aufgabe gestellt werden,
die Entfernung zwischen zwei auf verschiedenen Meridianen und Breitengraden
liegenden Orten (wie Berlin und Melbourne) zu bestimmen, um eigene Ideen und
Überlegungen anzustellen. Nach einiger Zeit sollten sie feststellen, dass dies mit der
bisherigen Berechnungsmethode nicht möglich ist und die Notwendigkeit der
Herleitung einer neuen Methode sehen.
Als Voraussetzung des weiteren Ablaufs werden nun die trigonometrischen
Beziehungen an rechtwinkligen Dreiecken in der Ebene wiederholt oder vorgestellt
werden. Besonders wichtig für die Herleitung im Fall der Sphäre ist nun der
Zusammenhang zwischen sphärischem Dreieck und körperlicher Ecke (sphärisches
Dreikant). Dieser sollte unter anderem an der Tafel erläutert werden und kann dann
durch ein Modell aus Zeichenkarton, welches die Schüler mit Hilfe der Bastelvorlage
(siehe Anhang 6.5) erstellen können, gut veranschaulicht werden. Die Herleitung der
Grundformeln stützt sich dann darauf, dass die einzelnen Seiten des betrachteten
Dreiecks in die Ebene geklappt werden (siehe Anhang 6.4) und die trigonometrischen
Beziehungen in den dabei entstehenden ebenen rechtwinkligen Dreiecken untersucht
werden. Sobald die grundlegende Herangehensweise deutlich geworden ist, sollte das
Aufstellen der einzelnen Gleichungen nicht zu große Schwierigkeiten bereiten und zu
großen Teilen von den Schülern eigenständig ausgeführt und gemeinsam an der Tafel
zusammengestellt werden. Es ist dabei nicht notwendig, wirklich alle der
Gleichungen
herzuleiten,
ein
exemplarisches
Vorgehen
genügt.
Zur
Zusammenfassung der Beziehungen wird dann die Nepersche Regel an der Tafel
vorgestellt und von den Schülern durch Vergleich mit den zuvor aufgestellten
Beziehungen nachvollzogen. Zur Festigung der Formeln sollten die Schüler nun
einige einfache Berechnungen an rechtwinkligen Kugeldreiecken ausführen (siehe
Kapitel 4.6).
Auf die ausführliche Herleitung des Sinus-, Seitenkosinus- und Winkelkosinussatzes
der sphärischen Trigonometrie sollte im Rahmen der Unterrichtsreihe aus
Zeitgründen, aber auch im Hinblick auf den Schwerpunkt einer stark praxis- und
anwendungsorientierten
Einheit
verzichtet
werden.
Für
die
folgenden
103
geographischen Anwendungen kann aber eine Vorstellung der Formeln nicht
weggelassen werden. Zumindest die Vorgehensweise der Herleitung, die in enger
Analogie zur Herleitung der betreffenden Sätze der ebenen Trigonometrie durch
Zerlegen eines schiefwinkligen Dreiecks in zwei rechtwinklige Dreiecke erfolgt, sollte
kurz behandelt werden. Eine Übersicht über die vielen theoretischen Formeln wird
den Schülern auf einem zusammenfassenden Arbeitsblatt ausgeteilt und für die
weiteren
Anwendungen
Anwendungsaufgaben,
mathematischer
dienen.
auch
Geographie
im
Für
Hinblick
und
die
Berechnung
auf
weiterführende
Astronomie
ist
es
verschiedener
Arbeiten
nützlich,
auf
in
die
Berechnungsmethoden fehlender Größen an schiefwinkligen Dreiecken einzugehen.
Hierfür können die Schüler das Arbeitsblatt… bearbeiten, um einen Überblick zu
erhalten. Anschließend sollen sie sich für die sechs möglichen Fälle bei der
Berechnung der Größen eines sphärischen Dreiecks aus drei gegeben Größen
überlegen, für welche der Fälle sie mit Hilfe ihres Arbeitsblattes bereits Formeln
notieren können. Es wird deutlich, dass dies für die Fälle „ssw“ und „wws“ nicht
eindeutig möglich ist, was vor allem in Aufgabe 22 (siehe Kapitel 4.6) zu sehen ist.
Die am Ende der 2. Sitzung angesprochene Eigenschaft, dass es keine ähnlichen
Figuren auf der Kugel geben kann, kann mit Hilfe des Kongruenzsatzes „www“
wiederholt werden.
Besonders wichtig ist es nun, einen Gewinn aus den gelernten trigonometrischen
Beziehungen
und
der
aufgebauten
Theorie
der
vorangegangenen
Stunden
aufzuzeigen und endlich eine Lösung der gestellten Eingangsfrage nach der kürzesten
Verbindung zwischen Berlin (λ1 = 13,4° O, φ1 = 52,5° N) und Melbourne (λ2 = 144,7°
O, φ2 = 38,5° S) (vgl. [Fil95]) aufzustellen. Mit ihrer Behandlung wird auf den
Ausgangspunkt der Unterrichtsreihe zurückgegriffen, der ja gerade darauf baute, eine
mathematische Theorie für die Beschreibung der geometrischen Eigenschaften der
Erdoberfläche zu bestimmen. Hierfür müssen die Schüler zunächst am Globus
untersuchen, welches sphärische Dreieck sich für die Durchführung der Berechnung
anbietet und welche trigonometrischen Beziehungen genutzt werden können. Das
Einzeichnen eines sphärischen Dreiecks, dessen Eckpunkte die betrachteten Orte
sowie der Nordpol sind (das sogenannte Poldreieck) dürfte ihnen schnell einleuchten.
An dieser Stelle wäre es auch sinnvoll die Begriffe orthodrome Entfernung und
Orthodrome einzuführen. Durch Anwendung des Seitenkosinussatzes sollen die
Schüler dann erst die orthodrome Entfernung am konkreten Beispiel Berlin,
104
Melbourne berechnen und dann eine Gleichung für die orthodrome Entfernung
herleiten. Diese Berechnungen werden neben den Bezeichnungen im Poldreieck
genau an der Tafel festgehalten werden.
Als Abschluss dieser Sitzung und des ersten Teils der Unterrichtsreihe sollen die
Schüler nun anhand eines anschaulichen Beispiels ihre gelernten Kenntnisse über die
Eigenschaften der Kugeloberfläche anwenden und Aussagen treffen. Hierfür bietet
sich der Ausschnitt einer Mercatorkarte mit der eingezeichneten Flugroute eines
Transatlantikfluges, einmal als orthodrome Entfernung und einmal als Gerade
zwischen zwei Orten, an. Die Schüler sollen nun erklären können, warum das
Flugzeug, wie es auf der Karte aussieht, eine Kurve über Grönland fliegt und nicht
den
direkten
Weg
nimmt.
Dabei
können
die
gleichen
Flugrouten
zur
Veranschaulichung auf einem nebenstehenden Globus eingezeichnet werden. Da die
Schüler schnell einsehen werden, dass die ebene Karte das Gradnetz der
Erdoberfläche nur sehr verzerrt wiedergibt, dürfte die Frage, ob es denn überhaupt
möglich ist, die Erdoberfläche vollkommen ähnlich auf einer ebenen Fläche
abzubilden, von Interesse sein. Hier kann ein Hinweis auf die Betrachtung der
Innenwinkelsumme hilfreich sein.
Als Ausblick auf ein mögliches Projektthema oder eine GFS können an dieser Stelle
auch die Kurswinkel einer Route angesprochen werden, aufgrund derer es oft trotz
Umweg sinnvoll ist die gerade Verbindung (Loxodrome) auf der Mercatorkarte zu
wählen. Außerdem kann die Methode der Funkpeilung zur Motivation für eine tiefer
gehende Beschäftigung angeführt werden.
4. Sitzung
Die vierte Sitzung wird nun zunächst thematisch für die Schüler einen kleinen
Einschnitt in den bisherigen Verlauf darstellen, da die Geometrie aus einem
Blickwinkel betrachtet werden soll, der ihnen möglicherweise noch fremd ist. Sie
sollten zunächst eine Vorstellung vom axiomatischen Aufbau der Geometrie erhalten,
ihr also regelrecht „auf den Zahn fühlen“ und dann neben geschichtlichen
Hintergründen
die
Entstehung
der
euklidischen
Geometrie
sowie
des
Parallelenproblems kennenlernen. Mit der Einbettung der sphärischen Geometrie in
den Bereich der nichteuklidischen Geometrien wird nun der Bezug zu den vorherigen
105
Stunden wiederhergestellt und die Schüler können ihre gelernten Kenntnisse in einer
Gegenüberstellung der sphärischen und euklidischen Geometrie wiederholen. Im
Hinblick auf die darauffolgende Stunde und zum anschaulichen Verständnis der
nichteuklidischen Geometrien sollten sie sich auch mit dem Begriff des Modells
bekannt machen und auch hier rückgreifend erkennen, dass die betrachtete
sphärische Kugelgeometrie genau ein solches Modell darstellt.
Den Einstieg zur Einführung in den axiomatischen Aufbau der Geometrie könnte
nach einem kurzen Vortrag zu den Anfängen des Beweisens in der Geometrie (siehe
Kapitel 2.1) die Frage sein, wie man folgenden Satz beweist:
Wenn ein Viereck eine Raute ist, dann stehen die Diagonalen aufeinander senkrecht.
Die Schüler werden, nachdem sie aus dem Vortrag wissen, dass Beweise immer auf
bekannten Aussagen, Sätzen und Definitionen beruhen, schnell merken, dass es nicht
möglich ist, diesen Satz zu beweisen, ohne immer wieder auf definierte Begriffe
zurückzugreifen. So folgt etwa auf die Frage, was denn überhaupt eine Raute ist, die
Frage nach der Definition einer Seite bis hin zur Frage nach der Definition eines
Punktes. Möglicherweise werden sie verblüfft sein, wie schwer es ist, eine eigene
Definition des Punktes zu geben und dann, wie in Kapitel 2.1.1 ausgeführt, verstehen,
warum auch die großen Mathematiker der Geschichte wie Platon, Aristoteles und
Euklid sich damit schwer taten. Das Beispiel einer Endlosschleife von Definitionen im
Comic-ausschnitt von Mutt und Jeff (siehe Abbildung 1) soll ihnen schließlich die
Notwendigkeit von Grundaussagen und der Aufstellung eines axiomatischen Systems
sowohl in der Geometrie als auch in der Sprache aufzeigen.
Was genau ein Axiomensystem ist und welche Rolle dabei die Grundbegriffe, Axiome,
Definitionen und Sätze einnehmen, sollten die Schüler möglichst gut an einem völlig
abstrakten nichtgeometrischen Beispiel entdecken. Denn genau in der Methode, die
Geometrie losgelöst von der Anschauung auf abstraktem Wege zu betrachten, steckt
ja auch der Ursprung der nichteuklidischen Geometrien. Das Beispiel der
„mömpfelnden Strunze“ (siehe Anhang 6.6), welches den Schülern auf Folie
vorgestellt wird, gibt eine gute und einfache Aufstellung der Begriffe. Nach einer
Vorstellung der Grundbegriffe, Axiome und des ersten Satzes sollen die Schüler sich
darin versuchen, Satz MS2 in der vorgeführten Art und Weise selbst zu beweisen. Die
Tatsache, einen völlig bedeutungsleeren Satz bewiesen zu haben, wird sie vielleicht
106
verblüffen, ihnen aber gerade die Wesenszüge eines Beweises und Axiomensystems
deutlich machen.
Nach diesem sehr abstrakten Beispiel wird man nun auf die Geometrie
zurückkommen und mit einem kurzen Vortrag zur Entstehung der euklidischen
Geometrie (siehe Kapitel 2.1.2) die fünf Postulate von Euklid und die fünf
Axiomengruppen von Hilbert auf Folie vorstellen. Es ist dabei nicht unbedingt nötig,
mit den Schülern den genauen Aussagengehalt der einzelnen Postulate und Axiome
durchzugehen. Ihnen sollte vielmehr klar sein, dass die gesamte Geometrie, wie sie
sie
aus
ihrem
Schulunterricht
kennen,
auf
diesem
Grundgerüst
eines
Axiomensystems aufbaut, welches vor vielen tausend Jahren ein Mathematiker
aufgestellt hat.
Dass dabei das fünfte Postulat von Euklid, das sogenannte Parallelenpostulat,
keineswegs als von vornherein gegeben galt und über Jahrhunderte hinweg die
klügsten Mathematiker versuchten, es aus den anderen Postulaten heraus zu
beweisen, kann den Schülern in einer kurzen Darstellung des Parallelenproblems
erläutert werden. Dabei sollte ihnen das euklidische Parallelenaxiom (Zu jeder
Geraden g und zu jedem nicht auf g liegenden Punkt A gibt es höchstens eine
Gerade, die durch A verläuft und zu g parallel ist) an der Tafel präsent sein und
durch eine Zeichnung anschaulich gemacht werden. So wie früher die vielen
fehlgeschlagenen
Beweisversuche
des
Parallelenaxioms
bereits
wichtige
Eigenschaften einer nichteuklidischen Geometrie aufzeigten, können die Schüler nun
im Untersuchen der von den Mathematikern verwendeten Aussagen bereits wichtige
Eigenschaften einer möglichen Geometrie ohne Parallelenaxiom vorhersehen. Dafür
erhalten sie Kopien von Beweisen ihnen bekannter mathematischer Sätze aus dem
Schulbuch, wie den des Stufenwinkelsatzes, des Satzes von Pythagoras, der Existenz
von ähnlichen Dreiecken, der Innenwinkelsumme von Dreiecken etc. und sollen in
Partnerarbeit herausfinden, warum Beweise des Parallelenaxioms unter Verwendung
dieser Sätze fehlschlugen. Es wird schnell deutlich, dass in den Beweisen jedes Mal
von der Existenz von Parallelen Gebrauch gemacht wird und daher die verschiedenen
Aussagen letztendlich alle zum Parallelenaxiom äquivalent sind.
In einem kurzen Vortrag zur Entwicklung der nichteuklidischen Geometrien (Kapitel
2.1.4) verdeutlicht man den Schülern, dass sich schließlich im 19. Jahrhundert, also
erst Jahre später, eine kleine Gruppe von Mathematikern überlegte, was passiere,
107
wenn man das Parallelenaxiom ändere und damit den Grundstein für die Entdeckung
der nichteuklidischen Geometrien setzten (siehe Teil 2). Dazu kann die Frage gestellt
werden, auf welche Art und Weise man denn das Axiom ändern könne, wenn es in
seiner ursprünglichen Form nicht gelten soll. Während sie eventuell die Möglichkeit,
dass es überhaupt keine Parallelen geben könnte, noch nennen werden, wird die
Möglichkeit der Existenz mehrerer Parallelen sicherlich stark verwirren, gleichzeitig
aber für Neugier sorgen. Die verschiedenen Varianten sollten alle an der Tafel oder
auf Folie festgehalten und mit Namen benannt werden. Auf die Frage, welche dieser
Varianten ihnen möglicherweise bekannt vorkommt, wird den Schülern an dieser
Stelle bewusst, dass sie während der ersten Sitzungen schon die ganze Zeit über eine
nichteuklidische Geometrie behandelt haben. Zur Verdeutlichung und Wiederholung
sollen sie anhand einer vorgefertigten Tabelle mit Hilfe einiger Ansatzpunkte (siehe
Anhang 6.7) die wichtigsten Eigenschaften der euklidischen und sphärischen
Geometrie gegenüberstellen, worauf dann eine gemeinsame Besprechung folgt. Die
Spalte der hyperbolischen Geometrie wird dabei völlig leer gelassen.
Mit der Feststellung, dass die bekannte Kugelgeometrie also ein Beispiel oder ein
Modell der elliptischen Geometrie ist, wird die Überlegung eingeleitet, was denn
überhaupt ein Modell einer Theorie sei. Dies kann gut mit Hilfe des anfangs
behandelten Beispiels der „mömpfelnden Strunze“ deutlich gemacht werden, indem
den Grundbegriffen eine Interpretation (in unserem Falle „vier Bücher in einem
Stapel“ und „sich oberhalb befinden“) zugeordnet wird. Die Schüler wandeln nun die
Axiome über die Strunze in Aussagen über den Bücherstapel um und erkennen, dass
es keinen Widerspruch gibt. Anschließend können auch die Sätze in Sätze über den
Bücherstapel uminterpretiert werden. Nun sollte den Schülern klar sein, dass man,
um sich eine mathematische Theorie vorstellen zu können, immer ein anschauliches
Modell braucht, wie etwa die Geometrie auf der Kugeloberfläche als Modell der
elliptischen Geometrie.
An dieser Stelle wird nun zum Abschluss mit folgender Frage und den beiden
Graphiken ein Ausblick auf die nächste Sitzung gegeben und die Neugier der Schüler
geweckt:
Wie könnte ein Modell für die hyperbolische Geometrie, in der es viele verschiedene
Parallelen durch einen Punkt gibt, aussehen und wie können wir uns diese
Geometrie in unserem realen Raum vorstellen?
108
5. Sitzung
In der fünften Sitzung sollen die Schüler nun durch das anschauliche
Kreisscheibenmodell einen kleinen Einblick in die fremde Welt der hyperbolischen
Geometrie erlangen, einige wichtige Eigenschaften und Sätze dieser Geometrie
kennenlernen und schließlich eine Idee davon bekommen, wie sie in unserem realen
Raum vorstellbar ist.
Nach einer kurzen Wiederholung der Bedeutung von Modellen machen die Schüler
sich nun anhand des Computerprogramms Cinderella mit dem Kreisscheibenmodell
der hyperbolischen Ebene vertraut (siehe Kapitel 4.6). Der größte Teil dieser Sitzung
findet also in einem Raum mit Computerzugang statt, wobei jeweils zwei Schüler an
einem PC arbeiten sollten. Nach einer kurzen Einführung und Erklärung der
wichtigsten Funktionen von Cinderella erhalten die Schüler anhand eines
Arbeitsblattes (siehe Anhang 6.8) Forschungsaufträge, anhand derer sie die
wichtigsten Eigenschaften der hyperbolischen Ebene und Geometrie selbständig
untersuchen und herausfinden sollen. Die Ergebnisse sollten dabei festgehalten
werden. So können sie in einer spielerischen Art und Weise selbst entdecken, dass
Geraden hier zum Beispiel durch Kreisbögen dargestellt werden, zu einer
vorgegebenen Geraden durch einen Punkt immer zwei Parallelen existieren oder dass
die Innenwinkelsumme eines Dreiecks kleiner als 180° ist. Danach erfolgt eine
gemeinsame Besprechung der Auftragsergebnisse, anhand derer die Schüler dann die
Spalte der hyperbolischen Geometrie in ihrer Gegenüberstellung der wichtigsten
Eigenschaften der drei Geometrien (siehe Anhang 6.7) vervollständigen können.
Einige Punkte der Vergleichstabelle werden die Schüler vermutlich nicht nennen,
diese sollten zur Vollkommenheit gemeinsam nachgetragen werden.
An dieser Stelle geht es nun darum, den Schülern eine möglichst anschauliche
Vorstellung von dem sehr verwirrenden Grundgerüst der hyperbolischen Geometrie
zu geben. Zunächst könnte man durch das Anzeichnen verschieden großer Dreiecke
mit dementsprechenden Innenwinkeln, die mit zunehmender Dreiecksgröße
abnehmen (Abbildung 91), deutlich machen, dass sich genau wie in der sphärischen
Geometrie auch hier trigonometrische Beziehungen herleiten lassen, bei denen sich
die euklidischen Beziehungen als Grenzfall ergeben, wenn die Dreiecksseiten gegen
Null gehen. Allein diese Überlegung bringt die Schüler auf den Gedanken, dass sich
die hyperbolische Geometrie im „Kleinen“ genauso verhält wie die euklidische
109
Geometrie, die ja unserer Anschauung entspricht. Eine weitere Hilfe stellt die
Abbildung 92 dar, die den Schülern als Folie präsentiert werden kann. Hier sehen sie
die sich ändernde Gestalt eines Dreiecks in den unterschiedlichen Geometrien,
außerdem das Bild einer Traktrix, die ungefähr die Form des Endes einer Trompete
hat. Hier lassen sich die vielen nebeneinanderliegenden Parallelen gut erkennen.
Dennoch werden die Schüler an dieser Stelle wohl immer noch nicht zufrieden und
die Frage offen sein, wo denn in unserer realen Umwelt die hyperbolische Geometrie
stecken solle. Hier ist die anschauliche Vorstellung und Erläuterung des Bildes eines
Kreisscheibenbewohners, der sich dem Rand der Kreisscheibe nähert (siehe Kapitel
2.2) gut einsetzbar, woraufhin folgende Frage gestellt werden sollte:
Was
wäre,
wenn
wir
eine
sozusagen
dreidimensionale
Version
des
Kreisscheibenbewohners wären? Wenn wir uns eine riesige innen schwarz
angemalte Sphäre vorstellen, die unser bekanntes Universum beinhaltet und die
Menschen als winzige Lebewesen in der Nähe des Mittelpunktes, in der sich Geraden
genauso krümmen und Dinge mehr und mehr schrumpfen, je näher sie sich dem
Rand nähern…
Wünschenswert wäre, die Schüler an dieser Stelle zum Grübeln und zu der Einsicht
zu bringen, dass wir als Menschen gar nicht so ganz genau sagen können, wie sich die
wahre Geometrie des Raumes um uns herum verhält.
Einen wichtigen Abschluss bildet nun ein kurzer Vortrag zur Bedeutung der
nichteuklidischen Geometrie in der modernen Physik und Kosmologie. Hier spielt sie
eine wichtige Rolle in Forschung und Lehre, wie etwa Einsteins allgemeiner
Relativitätstheorie (siehe Kapitel 2.2.3). Im besten Falle könnte ein Fachmann aus
der Physik eingeladen werden, der den Schülern die Verbindung zur angewandten
Physik genau erläutert und Fragen beantwortet. Für das Modul des Hector-Seminars
konnte beispielsweise Herr Prof. Dr. Carlo Ewerz, Mitarbeiter des ExtreMe Matter
Institutes EMMI vom GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in
Darmstadt und Gastprofessor am Institut für Theoretische Physik der Universität
Heidelberg, gewonnen werden, der mit viel Engagement das Interesse der Schüler
weckte und einen gelungenen Abschluss der Unterrichtseinheit bot.
Mit dem Hinweis darauf, dass die Frage, ob die Geometrie unseres Weltalls im
„Großen“ nun aber sphärisch, euklidisch oder hyperbolisch ist, noch heute zu den
110
großen aktuellen Fragen der Forschung in der Physik zählt, sollte den Schülern die
Aktualität des von ihnen behandelten Stoffes bewusst werden.
Zur Motivation der Schüler kann noch verdeutlicht werden, dass die Entdeckung der
nichteuklidischen Geometrien, die eine regelrechte Revolution in der Mathematik
auslöste, einzig und allein der Tatsache zu verdanken ist, dass es Wissenschaftler gab,
die den Mut besaßen für ihre Ideen und Erkenntnisse einzustehen. Der Gedanke
nämlich, zu einer vorgegebenen Geraden durch einen Punkt plötzlich mehr als eine
Gerade zu zeichnen, stieß in der wissenschaftlichen Umwelt auf heftigen
Widerspruch und so musste es damals wie heute Wissenschaftler geben, die ihren
Zeitgenossen vorauseilten. Dieser Gedanke sollte die Schüler im besten Falle für die
Wissenschaft und Forschung anregen und damit eine gute Motivation für ihre
eigenen Projektthemen darstellen.
4.5 Der Einsatz von Lehrmaterialien und Unterrichtsmedien
Für die Durchführung einer Unterrichtsreihe zu nichteuklidischer Geometrie ist der
Einsatz geeigneter Lehrmaterialien, besonders im Hinblick auf die sphärische
Geometrie, nach Filler (vgl. [Fil95], Kapitel 3.4) aus folgenden Gründen von großer
Bedeutung:
· Ein Verständnis des Stoffes wird meist erst durch eine gute Veranschaulichung
der behandelten Begriffe und Zusammenhänge erreicht
· Durch
geeignete
Materialien
kann
die
Entwicklung
des
räumlichen
Vorstellungsvermögens der Schüler stark motiviert werden
· Geographische Unterrichtsmedien wie Globus oder Atlas machen den starken
Anwendungsbezug des Unterrichtsstoffes deutlich
· Durch die Herstellung von Modellen werden die Schüler zu einer interessanten
und
kommunikativen
Schülertätigkeit
motiviert
und
erleben
einen
abwechslungsreichen Unterricht
Speziell für den Teil der sphärischen Geometrie können dabei neben OH-Folien und
Arbeitsblättern (siehe Anhang) folgende Unterrichtsmedien verwendet werden:
-
Evtl. Atlanten, geographische Karten
111
-
Globus
-
Aufblasbarer Plastikglobus (kann mit wasserlöslichen
Folienstiften bemalt werden)
-
Schieferglobus (kann mit Kreide bemalt und abgewaschen
werden)
-
Styropor- und Plastikkugeln (können mit wasserlöslichen
Folienstiften bemalt werden)
-
Schuhkartons und Pappe zum Bau eines Großkreislineals
-
Pappmodell
eines
sphärischen
Dreikants
mit
Abbildung 95
herunterklappbaren
Begrenzungsflächen und Stützdreiecken (siehe Vorlage Anhang 6.5)
Der Einsatz von Globus, aufblasbarem Plastikglobus und Schieferglobus bietet sich
vor allem zu Darstellungszwecken „räumlicher Skizzen“ an, die parallel zur
Entwicklung an Tafel oder auf Folien erstellt werden. Sie ermöglichen es dem Lehrer,
die Schüler in ein entwickelndes Lehrer-Schülergespräch zu bringen und gemeinsame
Lösungen zu erarbeiten. Die kleineren Styroporkugeln, auf denen mit Pinnadeln und
Faden Großkreise befestigt werden können, und Plastikkugeln erlauben es, dem
Schüler, allein oder in Partnerarbeit eigene Experimente und Versuche anzustellen.
Das Großkreislineal, dessen Bau in Anhang 6.4 beschrieben wird, ermöglicht ein
schnelles und korrektes Zeichnen von Großkreisen. Das Modell eines Dreikants kann
nach Anleitung (siehe Anhang 6.5) mit Zeichenkarton angefertigt werden und soll die
Zusammenhänge von sphärischem Dreieck und Dreikant für die Herleitung der
trigonometrischen Beziehungen veranschaulichen. Für einzelne Experimente oder
Aufgaben sind von den Schülern zusätzlich Materialien wie Zirkel, Schere oder
Geodreieck, sowie auf eigene Ideen beruhendes Material (z. B. Maßband oder
Pauspapier) mitzubringen.
Für die Behandlung des axiomatischen Aufbaus der Geometrie und den damit
verbundenen Themen der 4. Sitzung wird außer den angeführten Folien und
Arbeitsblättern kein weiteres Material benötigt.
Bei der Behandlung der hyperbolischen Geometrie ist nun der Einsatz
der interaktiven Geometrie-Software Cinderella von großer Bedeutung.
Die kostenfreie Cinderella Version 1.4, entwickelt 1993 – 1998 von J.
Abbildung 96
Richter-Gebert und U. Kortenkamp (vgl. [Ko99] und [Lo09]) an der
TU München, ist wie das Computerprogramm Sphäri (Mayer 1997 bis 1999) eine
112
dynamische Geometrie-Software zur Kugelgeometrie. Während Sphäri, wie in
[Chr98]
genauer
dargestellt,
allerdings
nur
Konstruktions-
und
Visualisierungsmöglichkeiten auf der Kugeloberfläche mit
Hilfe des Computers entwickelt, lassen sich mit Cinderella
neben Figuren der euklidischen Geometrie auch solche der
elliptischen und hyperbolischen Geometrie darstellen.
Dabei umfasst der Funktionenumfang von Cinderella alle
Abbildung 97
für die Behandlung der hyperbolischen Geometrie im Unterricht notwendigen
Befehle, wie das Einzeichnen von Punkten, Geraden, Winkelhalbierenden, Parallelen,
Senkrechten oder das Messen von Strecken, Winkeln und Flächen.
Durch Betätigung des Schalters „Hyp“ und im Menü des Schalters
„hyperbolic“ erscheinen alle Zeichnungen auf Basis der Cayley-KleinGeometrie in der hyperbolischen Ebene, dem
Abbildung 98
Kreisscheibenmodell.
Zum Weiterlesen wird in [Ko99] ein ausführlicher „Crashkurs in die
Theorie und Hintergründe der dem Modell zugrundegelegten Cayley-KleinGeometrien gegeben. Die Handhabung der nichteuklidischen Geometrien wird laut
Kortenkamp und Richter-Gebert ebenso einfach wie die der normalen euklidischen
Geometrie.
In [Chr98] beschreibt Monika Christl einen computerintegrierten Lehrgang zu
Kugelgeometrie mit Sphäri in 28 Unterrichtsstunden und arbeitet dabei die große
Bereicherung und methodische Erweiterung des Unterrichts durch digitale Medien
heraus. Hier werden als Pluspunkte neben der enormen Zeitersparnis viele von den
Schülern erlernte Kompetenzen wie das Verbalisieren und Präsentieren
von
Beobachtungen und Entdeckungen, die Erweiterung der Medienkompetenz,
Selbständigkeit durch eigenständiges Bearbeiten von Arbeitsblättern oder die
Kommunikationsfähigkeit
Unterrichtseinheit
ein
mit
Sitznachbarn
Schwerpunkt
bei
angeführt.
der
Da
in
Kugelgeometrie
unserer
auf
dem
Experimentieren und Forschen an plastischen Modellen liegt, beziehen sich diese zu
erwerbenden Kompetenzen nun genauso auf die Behandlung der hyperbolischen
Geometrie, deren Veranschaulichung an realen Modellen weitaus schwieriger ist. Für
einen
Einblick
in
die
wichtigsten
Grundeigenschaften
und
Begriffe
der
hyperbolischen Geometrie erarbeiten die Schüler eigenständig ein für sie konzipiertes
Arbeitsblatt (siehe Anhang 6.8).
Cinderella (Version 1.4) kann kostenlos aus dem Netz heruntergeladen werden
(www.cinderella.de). Zur weiteren Lektüre findet man hier auch ein vollständiges
113
Benutzerhandbuch, sowie unter [Lo09] eine Einführung der Geometriesoftware
Cinderella, die sich aber vor allem auf Konstruktionen in euklidischer Geometrie
bezieht.
An Unterrichtsmedien und technischen Voraussetzungen werden also für diesen Teil
der Einheit folgende Punkte benötigt:
-
Rechner in ausreichender Anzahl
-
evtl. Beamer
-
Download und Installation der kostenfreien Cinderella-Version 1.4
-
Arbeitsblätter (siehe Anhang 6.8)
4.6 Aufgabensammlung (exemplarisch):
Die folgende Aufgabensammlung gibt exemplarisch mögliche Hausaufgaben für die
Behandlung der Unterrichtseinheit im Schulunterricht. Darunter sind sowohl
Aufgaben zur Übung als auch Aufgaben, die die nächste Stunde vorbereiten können
und dabei helfen, den zeitlichen Ablauf zu verkürzen. Dabei kann bei der Trennung
der 5 Sitzungen in jeweils zwei Doppelstunden oft auch der zweite Teil einer Sitzung
mit einer Hausaufgabe vorbereitet werden (z.B. Aufgaben 15, 17, 20). Hierfür bieten
sich auch viele der in Kapitel 4.4 beschriebenen Fragestellungen an. Allgemein sollte
bei der Hausaufgabenstellung klar sein, ob die Schüler benötigtes Material, wie
Styropor- oder Plastikkugeln zur Verfügung haben oder ob bei den Hausaufgaben
darauf verzichtet werden kann. Die folgenden Aufgaben sind der Literatur von
[Kug83], [Aba95], [Fil93] entnommen.
Sitzung 1:
Zur Übung:
1. Wie viele Großkreise gehen durch einen Kugelpunkt (durch 2, 3
Kugelpunkte)?
2. Zwei Jäger brechen am Morgen aus ihrem Lager auf und gehen gemeinsam
eine Stunde nach Süden. Dann trennen sie sich. Der eine geht etwa drei
Stunden nach Osten, der andere etwa drei Stunden nach Westen. Plötzlich
sehen beide in der Ferne eine Bewegung vor sich und schießen gleichzeitig.
Danach hat man nie wieder etwas von ihnen gehört.
114
Erkläre, warum diese Tragödie nicht passiert wäre, wenn die Jäger sich mit
der Geometrie auf der Kugel besser ausgekannt hätten. Voraussetzung ist
allerdings, dass sie ihren ganz speziellen Ausgangspunkt genau kennen.
3. Der Mittelpunkt O eines Kleinkreises auf der Erdkugel liegt 3185 km über dem
Erdmittelpunkt. Berechne den Umfang des Kleinkreises (Erdradius R=6370
km)
4. Berechne die Länge (in km) eines Großkreisbogens auf der Erde mit dem
Mittelpunktswinkel von 1°.
5. Stelle mit Hilfe einer Weltkarte fest, wo ungefähr der Gegenpunkt deines
Heimatortes liegt.
Als Vorbereitung zur nächsten Sitzung:
6. Wiederholung der aufgestellten Definitionen und Begriffserklärungen der 1.
Sitzung
Sitzung 2:
Zur Übung:
7. Welchen Teil der Kugeloberfläche umfasst ein Zweieck mit α=30°, 75°, 67½°?
Was ergibt sich für α=180° und α=360°?
8. Wann sind zwei Kugelzweiecke deckungsgleich?
9. Erläutere, unter welchen Umständen es möglich ist, dass alle vier
Kugelzweiecke, die von zwei Großkreisen erzeugt werden, kongruent sind. Wie
müssen insbesondere die beiden Großkreisebenen angeordnet sein?
10. Zeige: Ist α im Bogenmaß gemessen, so ist die Zweiecksfläche A=2r2α
11. Welchen Teil der Kugeloberfläche umfasst ein Dreieck mit
a) α=90°; β=90°; γ=60°
b) α=β=γ=135°
c) α=70°; β=80°; γ=120°
d) α=β=γ=60°
12. Wie viele Quadratkilometer misst auf der nördlichen Erdhalbkugel die Fläche
zwischen dem Nullmeridian und dem 30°-Meridian (östliche Länge)?
(Erdradius: 6370 km)
Als Vorbereitung zur nächsten Sitzung:
13. Stelle mit Hilfe der Weltkarte fest, wo ungefähr der Gegenpunkt deines
Heimatortes liegt.
115
14. Auf welchem Breitenkreis liegt Karlsruhe (Mainz, Dresden, London, St.
Petersburg, Philadelphia)
Auf welchem Meridian liegt Hamburg (Görlitz, Essen, Dortmund, Warschau,
Pittsburgh)?
15. Basteln des Dreikants nach der Bastelvorlage
16. Wiederholung der Gleichungen der ebenen Trigonometrie
Sitzung 3:
17. Prüfe die Nepersche Regel für die ersten 6 der aufgestellten trigonometrischen
Beziehungen nach.
18. Berechne die fehlenden Teile eines rechtwinkligen Kugeldreiecks aus
1. a = 50°; b = 60°
2. b = 90°; c = 90°; ß = 90°
19. Bestimme rechnerisch die Länge des kürzesten Weges für den Flug
a) Von Frankfurt (-8,7°/50,1°) nach San Francisco (+122,4°/37,8°)
b) Von Paris (-2,4°/48,9°) nach Colombo (-79,8°/6,9°)
c) Bestimme die Durchschnittsgeschwindigkeit bei folgenden Flugzeiten:
a) 25 h 30 min b) 23 h 12 min
20. Bearbeitung des Arbeitsblattes „Überblick über die Grundformeln“ (Anhang
6.5.5)
21. Welche Fälle können auftreten, wenn in einem sphärischen Dreieck drei
Größen gegeben sind, aus denen die anderen berechnet werden sollen?
Für welche der Fälle kannst du mit Hilfe von Arbeitsblatt 6.5.5 Formeln
notieren?
22. Zwei Dreiecke DABC und DA'B'C' mit den Seitenlängen a = a' und b = b' sowie
den Winkelgrößen α = α ' sind wegen c ≠ c' nicht kongruent.
Gib eine geometrische Interpretation des Beispiels.
Sitzung 4:
23. Beweisen von Satz MS3 über die mömpfelnden Strunze nach dem
behandelten Schema
24. Evtl. Untersuchen der Beweise von den zum Parallelenaxiom äquivalenten
Aussagen (falls nicht im Unterricht durchgeführt)
116
25. Evtl. Bearbeiten der Gegenüberstellung der wichtigsten Eigenschaften und
Sätze der euklidischen und sphärischen Geometrie (siehe Arbeitsblatt 6.7)
Sitzung 5:
26. Vervollständigung der Gegenüberstellung (siehe Anhang 6.7) in der Spalte der
hyperbolischen Geometrie
Ausgewählte Lösungen:
7. 1/12; 5/24; 3/16
8. Wenn sie in r und α übereinstimmen
11. a) 1/12 b) 1/8 c) 5/16 d) 0
12. 21,2·106 km2
15. a) Entfernung e = 82,1°≈9124 km; v= 358 km/h b) e = 76,5°≈8503 km; v=366
km/h
18. 1. c = 71,25°, α = 53,99°, β = 66,14°
2. a, c, β = 90°
19. a) lort = 82,1° ≈ 9124 km, v = 358 km/h
b) lort = 76,5° ≈ 8503 km, v = 366 km/h
22. Die geometrische Ursache dafür, dass ein Dreieck durch die angegebenen
Stücke nicht eindeutig bestimmt ist, besteht darin, dass der durch b und a
vorgegebene Großkreis (auf dem B liegen muss) und der sphärische Kreis um
C mit dem Radius a (auf dem B ebenfalls liegen muss) zwei Schnittpunkte
haben und daher zwei Dreiecke mit den vorgegebenen Größen existieren
(vergleiche hierzu auch Abbildung 38).
117
4.7 Evaluation der Seminarreihe
Hauptziel einer Evaluation ist es unter anderem „die Qualitätssicherung und -entwicklung an den Schulen selbst zu stärken“[LS07a]. Diese innerschulische
Qualitätssicherung und -entwicklung
benötigt eine klare Zielorientierung, deren
Erreichen durch systematische Datenerhebung und -auswertung einer Evaluation
kontrolliert werden kann [LS07a]. Die folgende Evaluation soll sowohl Rückschlüsse
darüber liefern, inwiefern eine Behandlung von nichteuklidischer Geometrie im
gymnasialen Schulunterricht geeignet ist als auch die Verwendbarkeit der
Unterrichtsmaterialien und -verläufe prüfen. Dabei wurde die Analyse mit Hilfe der
Materialien zur Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation des Landesinstituts für
Schulentwicklung Baden-Württemberg (vgl. [LS07b] und [LS07a]) erstellt. Die
Analyse stützt sich dabei auf die Angaben, die die teilnehmenden Schüler des HectorSeminars nach der Durchführung der fünf Sitzungen zu nichteuklidischer Geometrie
gemacht haben.
Im Evaluationsbogen (siehe Anlage 6.3), der in fünf einzelne Themenbereiche
gegliedert ist, sollen dabei zunächst allgemeine Fragen zu Themenwahl, Niveau,
Verständnis und Interesse beantwortet werden. Außerdem werden der Wissensstand
und die Voraussetzungen der Schüler genauer betrachtet, Fragen zu Nutzen und Hilfe
der Arbeitsmaterialien gestellt sowie die Motivation der Schüler zur Weiterarbeit
durch spaßbringende Gestaltung und anwendungsorientierte Themen untersucht.
Durch eine offene Fragestellung sollen am Schluss eventuelle Änderungen und
Verbesserungsvorschläge ermöglicht werden.
Die Evaluationsbögen wurden am 11.03.10 im Hölderlin-Gymnasium von 12 der 14
teilnehmenden Schüler des Moduls „Jetzt geht’s rund! - Kugelgeometrie“ ausgefüllt
(8 Jungen und 4 Mädchen). Eine Hälfte der Schüler ging in die 9. Klasse, die andere
Hälfte in die 10. Klasse. Die Aussagen, die den Schülern gegeben wurden, sollten mit
einer Notenskala von 1 für „trifft absolut zu“ bis 6 für „trifft überhaupt nicht zu“
bewertet werden. In den folgenden Balkendiagrammen sind die Ergebnisse der
abgegebenen Stimmen ausgewertet und graphisch dargestellt (bei einigen der
Verteilungen wurde eine Unterscheidung zwischen den Klassenstufen gemacht):
Themenbereich A: Allgemeine Fragen
(1) Verteilung zu: Das Thema hat mir gefallen
(2) Verteilung zu: Ich habe fachlich viel Neues dazu gelernt
118
8
8
(1)
6
(2)
6
4
4
alle
Schüler
2
0
Klasse 10
2
Klasse 9
0
1 2 3 4 5 6
1 2 3 4 5 6
(3) Verteilung zu: Ich fand das Thema realitätsnah und anwendungsorientiert
(4) Verteilung zu: Das Niveau der Themen war angemessen
(4)
(3)
6
4
alle
Schüler
2
0
8
6
4
2
0
Klasse 10
Klasse 9
1 2 3 4 5 6
1 2 3 4 5 6
(5) Verteilung zu: Ich fand die geschichtlichen Hintergründe interessant
(6) Verteilung zu: Ich fand den Teil zum axiomatischen Aufbau der Geometrie
interessant
6
4
(6)
(5)
4
2
alle
Schüler
alle
Schüler
2
0
0
1 2 3 4 5 6
1 2 3 4 5 6
(7) Verteilung zu: Ich habe das Thema Kugelgeometrie verstanden
(8) Verteilung zu: Ich habe das Thema nichteuklidische Geometrie allgemein
verstanden
8
(8)
(7)
6
4
alle
Schüler
2
0
1 2 3 4 5 6
8
6
4
2
0
alle
Schüler
1 2 3 4 5 6
119
(9) Verteilung zu: Die Behandlung
6
nichteuklidischer Geometrie könnte
(9)
4
ich mir auch im Schulunterricht
2
vorstellen
alle
Schüler
0
1 2 3 4 5 6
Themenbereich B: Wissensstand und Voraussetzungen
(10) Verteilung zu: Ich habe vor Beginn des Moduls schon etwas von
nichteuklidischer Geometrie gehört
(11) Verteilung zu: Ich bin schon einmal auf ein Problem gestoßen, das mit
Kugelgeometrie zu tun hat
(12) Verteilung zu: Das Niveau entsprach meinem Wissensstand und persönlichen
Voraussetzungen
(12)
(10)
(11)
6
6
4
Klasse 10
2
4
alle
Schüler
2
Klasse 9
0
0
1 2 3 4 5 6
8
6
4
2
0
Klasse 10
Klasse 9
1 2 3 4 5 6
1 2 3 4 5 6
Themenbereich C: Arbeitsmaterialien
(13) Verteilung zu: Die Arbeitsmaterialien waren hilfreich und gut zur
Veranschaulichung
(14) Verteilung zu: Die praktische Arbeit an den Modellen (Kugeln, Globus, etc.)
hat Spaß gemacht
(15) Verteilung zu: Der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben war angemessen
(13)
(14)
6
(15)
6
4
4
alle
Schüler
2
0
alle
Schüler
2
0
1 2 3 4 5 6
1 2 3 4 5 6
8
6
4
2
0
Klasse 10
Klasse 9
1 2 3 4 5 6
120
(16) Verteilung zu: Die Arbeit am Computer mit Cinderella hat Spaß gemacht
(17) Verteilung zu: Die Arbeit am Computer hat mir geholfen das Thema besser zu
verstehen
6
8
(17)
(16)
6
4
4
alle
Schüler
2
0
alle
Schüler
2
0
1 2 3 4 5 6
1 2 3 4 5 6
Themenbereich D: Motivation
(18) Verteilung zu: Ich wurde durch den ersten Teil der Modulphase motiviert an
einem Thema weiterzuarbeiten und dieses zu präsentieren
(19) Verteilung zu: Ich bin zufrieden mit der Gestaltung und Durchführung des
ersten Modulteils
8
(18)
6
8
(19)
6
4
4
alle
Schüler
2
0
alle
Schüler
2
0
1 2 3 4 5 6
1 2 3 4 5 6
Themenbereich E: Offene Fragestellungen
·
Frage: Was hat dir besonders gut gefallen?
Antworten
Nennungen
Malen, Zeichnen und Experimentieren an der Kugel
4
Praktische Aufgaben zum Alltag
3
Selbständiges Erarbeiten der Formeln
2
Arbeit am Computer
3
Vortrag zu Anwendungen in der modernen Physik
5
Das Thema Kugelgeometrie
1
·
Frage: Was hat dir weniger gefallen?
121
Zeitweise zu trocken
2
Verbesserungsvorschläge:
-
Mehr Zeit für Wiederholungen und Erklärungen
-
Weniger Definitionen
-
Mehr Übungs- und Knobelaufgaben
4.8 Ergebnis und Schlussbetrachtung
Die Diagramme zeigen allgemein eine sehr positive Resonanz der Schüler. Sowohl die
erste Aussage über das Gefallen des Themas als auch die abschließende Aussage über
die allgemeine Zufriedenheit mit der Wahl des Moduls wurden bis auf eine
Ausnahme mit den Schulnoten 1 bis 3 bewertet. 11 von 12 Schülern geben an, fachlich
sehr viel Neues gelernt zu haben, was in erster Linie einen großen Erfolg für die
Durchführung bedeutet. Die Mehrheit der Schüler gab insbesondere an, vor Beginn
des Moduls nur wenig bis zu kaum etwas über nichteuklidische Geometrie gewusst zu
haben (Diagramm (10)).
Ein Mittelwert von 2,6 bei der Verteilung von Diagramm (3) zeigt zwar, dass es
durchaus
möglich
ist
ein
derart
komplexes
Thema
realitätsnah
und
anwendungsorientiert zu gestalten, dies aber durchaus zu verbessern ist. Die
Überlegung, weniger Definitionen vorzugeben und mehr
Anwendungsaufgaben
durchzuführen, spiegelt sich auch in den Verbesserungsvorschlägen der Schüler
wider. Gerade die praktischen Aufgaben zum Alltag wurden von drei Schülern auf die
Frage hin, was ihnen am besten gefallen hat, genannt. Erstaunlicherweise zeigt
Diagramm (6) aber auch, dass die Schüler den eher theoretischen Teil zum
axiomatischen Aufbau der Geometrie sehr interessant fanden.
Es überrascht nicht, dass die Schüler die Verwendung der Arbeitsmaterialien und
deren Veranschaulichung als sehr hilfreich bewerteten. Besonders die praktische
Arbeit an den Modellen wurde wie erwartet sehr positiv angenommen und auch auf
die Frage hin, was ihnen am besten gefallen hat, wurde das Arbeiten am Modell der
Kugel mit vier Stimmen genannt. Auch die Arbeit am Computer mit dem
Softwareprogramm Cinderella kam offensichtlich recht gut an, scheint allerdings im
Vergleich zum Umgang mit praktischen Modellen wie Kugel und Globus weniger zum
122
Verständnis des Thema beigetragen zu haben. Dies mag allgemein an der hier zu
untersuchenden sehr abstrakten Theorie der hyperbolischen Geometrie liegen, kann
aber auch auf eine ungenügende Einführung in das Programm hindeuten.
Möglicherweise sollten die selbst zu erarbeitenden Forschungsaufträge am Computer
noch genauer besprochen und erläutert werden.
Fünf der Schüler nannten den abschließenden Vortrag von Herrn Ewerz zu
Anwendungen nichteuklidischer Geometrie in der modernen Physik und Kosmologie
als einen Punkt, der ihnen besonders gut gefallen hat. Dieser rundete die „Inputphase“ hervorragend ab und motivierte die sehr interessierten Schüler zu zahlreichen
weiterführenden Fragen. Eine derartige Beendigung der Unterrichtsreihe ist daher
sehr zu empfehlen und sicherlich auch mit Grund für die in Diagramm (18) mit
einem Mittelwert von 2,3 aufgezeigte Motivation der Schüler, an einem
weiterführenden Thema zu arbeiten und dieses zu präsentieren.
Die genauere Betrachtung der Bewertungen von Schülern der 9. im Vergleich mit
Schülern der 10. Klassenstufe vor allem bei Aussagen (2), (4), (12) und (15), die das
Niveau der Themen und Aufgaben, Schwierigkeitsgrad, eigenen Wissensstand und
persönliche Voraussetzungen hinterfragen sollten, zeigt keine hervorstechenden
Unterschiede. Auffallend ist allerdings, dass sich gerade bei diesen Fragen ein
Schüler der 9. Klasse von der Mehrheit abzusetzen scheint und sowohl Aussagen (2),
(4) und (12), als auch Aussagen (7) und (8) über das Verstehen der Inhalte stark
abweichend von den übrigen Schülern mit Schulnoten 5 und 6 bewertete. Eine
mögliche Interpretation dieser Abweichung in Verbindung mit seiner
in (9)
dargestellten Unzufriedenheit über das gesamte Modul wäre, dass das behandelte
Thema die Gefahr mit sich bringt, schwächere Schüler schnell „abzuhängen“. Der
Verbesserungsvorschlag,
mehr
Zeit
für
Wiederholungen
und
Erklärungen
einzuplanen, könnte dies vermeiden. Die Betrachtung der Diagramme (7) und (8),
welche eine Selbsteinschätzung der Schüler bezüglich ihres Verständnisses der
Themen darstellen, lässt dennoch allgemein ein sehr positives Ergebnis zu. Daraus
kann als Konsequenz gezogen werden, dass das Niveau der Unterrichtsreihe für die
Schüler des Hector-Seminars
angemessen war. Die ideale Altersstufe für die
Behandlung im Schulunterricht könnte daher vom Ende der 10. Klasse bis in die
Oberstufe angesiedelt werden. Allerdings sollte, als Rückschluss auf die allgemeine
Verwendbarkeit
des
Themas
im
Schulunterricht,
die
besondere
Gruppenzusammensetzung berücksichtigt werden. Es handelte sich hier um
123
hochbegabte, mathematikinteressierte Schüler in einem Kurs von insgesamt 14
Schülern. Dies ermöglichte individuelles Eingehen und gewinnbringendes Arbeiten
auf einem sehr hohen Niveau. Über die Möglichkeit einer Behandlung des Themas im
alltäglichen Mathematikunterricht waren auch die Schüler, wie Diagramm (9) zu
entnehmen ist, sehr geteilter Meinung. Um Aussagen über die Verwendbarkeit im
Schulunterricht machen zu können, wäre es sicherlich sinnvoll, dort eine erneute
Studie durchzuführen. Es lässt sich allerdings zusammenfassend sagen, dass die
Resonanz der Schüler auf das Thema und die gesamte Unterrichtsreihe sehr positiv
ausfielen.
Rückblickend auf die in der Einleitung gestellte Frage nach einer Erarbeitung und
Modellierung des Gebiets der nichteuklidischen Geometrie für eine sinnvolle
Behandlung im Schulunterricht lässt sich die vorliegende Arbeit also als eine
mögliche Antwort sehen. Die in Kapitel 4.3 gesteckten Ziele konnten größtenteils
erfüllt und den Schülern die Realitätsnähe der Mathematik durch zahlreiche
Anwendungen aufgezeigt werden. Offen bleibt natürlich die Frage, inwiefern das
Thema im alltäglichen Schulunterricht, insbesondere mit schwächeren Schülern
durchführbar ist. Betrachtet man allerdings erneut das zu Beginn erwähnte Zitat
Lobatschewskis „befragt die Natur, sie enthält alle Wahrheiten ... Hier wird das gelehrt,
was wirklich existiert und nicht das, was von einem untätigen Verstand erfunden worden
ist" ([Sp06]), so sollte meines Erachtens diese Motivation und das Staunen darüber,
Mathematik in der Natur und Wirklichkeit zu finden, nicht nur besonders begabten
Schülern vorbehalten sein.
Die Begeisterung und das Interesse der Schüler im Anschluss an den Vortrag zu
Anwendungen nichteuklidischer Geometrie in der modernen Physik und Kosmologie
– von der Krümmung im Raum, über Einsteins Relativitätstheorie bis hin zu
Gravitationslinsen - zeigte, welch enorme Bedeutung diese Anwendungsorientierung
für die Motivation der Erarbeitung schwieriger Formeln und Berechnungen hat.
Besonders die Tatsache, dass in der aktuellen Forschung auch in Verbindung mit
nichteuklidischer Geometrie noch etliche Fragen offen bleiben, gab den Schülern das
Gefühl selbst an einem wichtigen Prozess teilzuhaben und zeigte ihnen, dass
Mathematik eine lebendige Wissenschaft ist. Dies versucht die vorliegende Arbeit zu
verdeutlichen und damit dem Gebiet einen wichtigen Stellenwert im mathematischen
Bildungsweg eines Schülers zu geben.
124
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für Geographie Gymnasium - Klassen 6, 8, 10, Kursstufe, URL:
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1970
ABBILDUNSVERZEICHNIS
Abbildung 1: [Tru98], Seite 8
Abbildung 2: [Sp06]
Abbildung 3: [Ze70], Seite 1
Abbildung 4: online unter: de.wikipedia.org/wiki/Dreieck (Stand:21.03.10)
Abbildung 5: online unter: www.scienceblogs.de/mathlog/Pseudosphere.gif (Stand:21.03.10)
Abbildung 6: online unter: http://servix.mathematik.uni
stuttgart.de/B1/mathb1_CayleyKleinModell.gif (Stand:21.03.10)
Abbildung 7: [Ko99]
Abbildung 8: [Tru98], Seite 278
Abbildung 9: online unter: http://www.ijon.de/mathe/htrig/bilder/dreieck1.png (Stand:21.03.10)
Abbildung 10: [Tru98], Seite 273
Abbildung 11: [Ka], Abbildung 6
Abbildung 12: [Tru98], Seite 174
Abbildung 13: [Be09]
Abbildung 14: online unter: www.mathematik.ch/mathematiker/Riemann.jpg (Stand:21.03.10)
Abbildung 16: online unter: http://www.didaktik.mathematik.uniwuerzburg.de/projekt/mathei/kugelgeo/ebenenschnitt2.jpg (Stand:21.03.10)
Abbildung 17: [Fil93], Seite 5
Abbildung 18: [Fil93], Seite 5
Abbildung 19: online unter: http://www.rainerstumpe.de/bilder/ortho03.jpg (Stand:21.03.10)
128
Abbildung 20: online unter:
http://www.fkccp.de/Geometrie%20auf%20der%20Kugel%20(Facharbeit).pdf
(Stand:21.03.10)
Abbildung 21: [Fil95], Seite 4
Abbildung 22: [Ag09], Seite 183
Abbildung23: [Fil93], Seite 8
Abbildung 24: [Wa08], Seite 2
Abbildung 25: online unter: http://www.mathepedia.de/Kugelzweieck.aspx (Stand:21.03.10)
Abbildung 26: [Fil95], Seite 7
Abbildung 27: [Wa08], Seite 2
Abbildung 28: online unter:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Triangles_(spherical_geometry).jpg
(Stand:21.03.10)
Abbildung 29/30 [Wa08], Seite 11
Abbildung 31: [Wa08], Seite 12
Abbildung 33: [Fil93], Seite 17
Abbildung 34: [Fil93], Seite 22
Abbildung 35: [Wa08], Seite 10
Abbildung 36: [Fil93], Seite 24
Abbildung 37: [Fil95], Seite 13
Abbildung 38: online unter: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sww_sphaerisch.png
(Stand:21.03.10)
Abbildung 39-44: [Wa08], Seiten 4-7
Abbildung 45: online unter: http://www.fhfriedberg.de/users/boergens/problem/problem_03_04loe.htm (Stand:21.03.10)
Abbildung 46/47: [Wa08], Seite 13
Abbildung 48: [Fil95], Seite 17
Abbildung 49: online unter: http://www.klett.de/sixcms/media.php/76/gradnetz00.jp
(Stand:21.03.10)
Abbildung 50/51: [Fil93], Seite 33
Abbildung 52-54: [Kö05]
Abbildung 55: [Aba95], Seite 188
Abbildung 56: online unter: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Ortholoxorp.svg&filetimestamp=20090207114322 (Stand:21.03.10)
Abbildung 57/58: [Fil93], Seite 35/36
Abbildung 59: [Bu02]
Abbildung 60: [Fil93], Seite 38
Abbildung 61: [Aba95], Seite 159
Abbildung 62-64: [Kl05], Seiten 5-8
Abbildung 65: [Fil93], Seite 40
Abbildung 66: online unter:
http://www.fkccp.de/Geometrie%20auf%20der%20Kugel%20(Facharbeit).pdf
(Stand:21.03.10)
Abbildung 67: [Fil93], Seite 8
Abbildung 68: [Fil95], Seite 7
Abbildung 69: [Fil95], Seite 7
Abbildung 70: online unter: http://www.didaktik.mathematik.uniwuerzburg.de/projekt/mathei/kugelgeo/main.html (Stand:21.03.10)
Abbildung 71: [Wa08], Seite 2
Abbildung 72/73: [Wa08], Seite 3
Abbildung 74: online unter: de.wikipedia.org/wiki/Fullerene (Stand:21.03.10)
Abbildung 75: online unter: http://www.klett.de/sixcms/media.php/76/gradnetz00.jpg
(Stand:21.03.10)
129
Abbildung 76: online unter: http://leifi.physik.unimuenchen.de/web_ph12/grundwissen/12himmelskugel/winkelerde.gif
(Stand:21.03.10)
Abbildung 77-83: [Fil93], Seiten 17-27
Abbildung 85/86: [Kö05]
Abbildung 87: [Tru98], Seite 8
Abbildung 88: online unter: www.scienceblogs.de/mathlog/Pseudosphere.gif (Stand:21.03.10)
Abbildung 89: online unter:
http://www.math.unibas.ch/~walser/institut/vorlesungen/09hs/SLA/Vorlesung/303_
PPT_SphaerVielecke.ppt.pdf (Stand:21.03.10)
Abbildung 90: [Ko99]
Abbildung 91: [Tru98], Seite 266
Abbildung 92: online unter: http://www.thur.de/philo/project/raum/raum4a.gif (Stand:21.03.10)
Abbildung 94: [Tru98], Seite 174
Abbildung 96-98: [Ko99]
6.1 Hinweise zur Durchführung (tabellarisch)
Frage: Welche Eigenschaften haben Kreisbögen auf der Kugeloberfläche,
die Punkte auf kürzestem Wege verbinden?
Ø Motivation der Schüler zur Erforderlichkeit die Grundlagen der
Kugelgeometrie in den kommenden Stunden genauer zu
untersuchen
Wdh. der Begriffe Kreis und Kugel, Definition der Sphäre (Tafelbild 1)
Rückgriff auf das Eingangsexperiment
Erarbeitung der Definition von Großkreisen/Kleinkreisen (Tafelbild 1)
Frage: Wie kann man Großkreise auf der Kugel zeichnen?
Frage: Was ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei weit voneinander
entfernten Orten auf der Erde (Berlin und Melbourne)? Ist es in der Praxis
möglich auf diesem Wege von einem Ort zum anderen zu gelangen?
Durchführung
Abstand
Definition des Abstandes (Tafelbild 1)
Erarbeitung der Umrechnungsformel (Wdh.
Bogenlänge)
Frage: Warum ist der Großkreis die kürzeste
Verbindung?
Ø Veranschaulichung in der ebenen Geometrie
Tafelbild:
Abbildung 66
Punkt/Gerade/Strecke Fragen:
· Was sind Punkt, Gerade und Strecke in der ebenen Geometrie?
· Wie viele Geraden verlaufen durch zwei Punkte auf der Kugel (gibt
es Ausnahmen)?
· Wie könnte man eine sphärische Strecke eindeutig definieren?
Ø Erarbeitung der Definition von Punkt, Gerade, Strecke und
diametralen Punktepaaren (Tafelbild 1)
Sphäre
Großkreis/Kleinkreis
Einstieg in das
Seminar
Inhalt
Auftrag: Stelle dir vor du wärst mit dem Rad auf einer
Straße entlang eines Großkreises auf der Kugel
unterwegs. Geh mit dem Auge ganz dicht an die Kugel.
Musst du steuern um auf der Straße zu bleiben?
Globus, Styropor/Holzkugel, Schuhkarton, Schere,
Zirkel
Veranschaulichung durch Meridiane, Breitenkreise
auf dem Globus
Experimentieren an der Kugel
Bau eines Großkreislineals (siehe Anhang 6.3)
Styroporkugel, Stecknadeln, Faden
Experimentieren durch Konstruktionen von Geraden,
Strecken etc.
Globus (Stecknadel, Gummiband o. Aufkleber, Faden)
Spannen eines Gummibandes zwischen zwei Punkten
auf dem Globus:
1. Zwei Punkte auf einem Meridian
2. Zwei Punkte auf dem Äquator
3. Zwei Punkte auf einem beliebigem Breitenkreis
Schülerexperiment/Arbeitsauftrag/Modell
Zu behandelnde Themen: Grundlagen der sphärischen Geometrie: Großkreise/Kleinkreise, Geraden, Strecken, Abstände, Winkel
1. Sitzung
Teil 6 Anhang
Winkel zwischen
sphärischen Geraden
Sphärischer Kreis
Abbildung 67
|AB|=r·
p
× a =r· â ( â gibt das Bogenmaß an)
180°
Erarbeitung der Definition des Winkelmaßes (Tafelbild 1)
Fragen:
· Wo entstehen gleiche Winkel beim Schnitt zweier Geraden
(Gegenwinkel, Nebenwinkel)?
· Welche Geraden treffen im 90°-Winkel auf den Äquator? Was kann
man im Gegensatz zur ebenen Geometrie feststellen?
Frage: In wie vielen Punkten schneiden sich zwei sphärische Geraden?
Wie könnte man den entstehenden Winkel messen?
Frage: Was ist der größte Abstand, den zwei Punkte auf der Sphäre haben?
Ø Vergleich mit Abständen in der Ebene
Rückgriff auf die Definition eines Kreises der Ebene
Erarbeitung der Definition eines sphärischen Kreises (Tafelbild 1)
Fragen:
· Für welchen maximalen Radius kannst du einen Kreis auf die Kugel
zeichnen? Wie kann man einen Kreis mit größerem Radius
einzeichnen?
· Konstruiere zu zwei verschiedenen Punkten P und Q die Menge der
Punkte R, die von P und Q jeweils den gleichen Abstand haben.
· Zu einem vorgegebenen Punkt P und einem Großkreis g auf der
Sphäre, konstruiere den zu P nächstgelegenen Punkt auf g. Wie
würdest du diesen Punkt in der Ebene bezeichnen?
Ø Hinleitung zum Begriff des Winkels zwischen sphärischen Geraden
Deutlich machen der Tatsache, dass Abstände auf der Kugel
auch in Grad angegeben werden können.
Frage: Welche Punkte der Erde haben vom Nordpol den Abstand 90°?
(Wer weiß Radius, Umfang der Erdkugel?)
Tafelbild:
p ×r
AB ×180°
=
3000km 180°
×
= 27,0°
6370km p
Styroporkugel klein und groß, Geodreieck
Experimentieren durch Messen eines Winkels
zwischen Großkreisen auf kleinen und großen Kugeln
Veranschaulichung und Messen mit Hilfe von
Großkreislineal und Pappe mit ausgeschnittenem
Halbkreis (siehe Anhang 6.3)
Styroporkugel, Zirkel, Klebeband, Stift
Befestigung eines Stiftes mit Klebeband an den
Schenkeln des Zirkels:
Experimentieren durch Konstruktion von Kreisen mit
dem Zirkel auf der Kugel
a=
Aufgabe: Wie groß ist der Winkel zwischen den Radien
zweier Orte auf der Erde, deren kürzeste Verbindung
(Großkreisbogen) 3000 km auf der Erdoberfläche lang
ist?
Sphärische Strecke: Eine sphärische
Strecke ist der Großkreisbogen, der nicht
länger ist als ein halber Großkreis.
Sphärische Gerade = Großkreis
Großkreis/Kleinkreis: Alle Kreise der
Sphäre, deren Mittelpunkt mit dem der
Sphäre identisch ist, heißen Großkreise, alle
anderen werden als Kleinkreise bezeichnet
Sphäre: Eine Sphäre S (Kugeloberfläche) mit
dem Mittelpunkt O und dem Radius r ist die
Menge aller Punkte P des Raumes, die vom
Punkt O den Abstand r haben.
Tafelbild 1:
Sphärischer Kreis: Die Menge aller Punkte der
Sphäre, die von einem Punkt P der Sphäre den
gleichen sphärischen Abstand haben, heißt
sphärischer Kreis.
Winkelmaß zwischen zwei Geraden: Als Winkelmaß
zwischen zwei sphärischen Geraden (Großkreisen),
bezeichnet man das Maß des Winkels zwischen den
beiden Ebenen, in denen die Großkreise liegen.
Hier können
die Begriffe
anschaulich
skizziert
werden
Gegenpunkte (diametral): Zwei Punkte der
Sphäre heißen Gegenpunkte oder diametral,
wenn sie auf ein und demselben Durchmesser
der Sphäre liegen
Abstand: Der sphärische Abstand |AB| zweier nicht diametraler
Punkte der Sphäre ist die Bogenlänge des kürzeren Bogens des
Großkreises durch A und B. Der Abstand zweier diametraler
Punkte ist gleich dem halben Umfang eines Großkreises.
Sphärisches Zweieck
und sein
Flächeninhalt
Einstieg
Inhalt
Abbildung 68
Tafelbild
2.
a
90°
a
360°
→Einsetzen: AZweieck =
1. ASphäre= 4·π·r²
AZweieck
ASphäre
×p × r 2
=
Vorgabe bzw. Wiederholung des Flächeninhalts einer Kugel und
Hilfestellung bei der Aufstellung einer Formel für den Flächeninhalt eines
Zweiecks mit Winkel α und Radius r
Was kann man über Umfang, Seitenlänge und Winkel eines
Zweiecks sagen?
Ø Motivation der Schüler zur Notwendigkeit der Aufstellung einer
geeigneten Rechenherleitung für den Flächeninhalt sphärischer
Dreiecke
Fragen: Wie viele Ecken hat das kleinste Vieleck der Ebene, warum?
Wie ist das bei Vielecken auf der Kugeloberfläche?
Definition von sphärischen Dreiecken als Flächen, die durch
Großkreisbögen begrenzt sind
Frage: Wie kann ich den Flächeninhalt eines Dreiecks auf dem Globus (als
Beispiel den Kontinent Afrika) bestimmen?
Durchführung
Erarbeitung der Flächeninhaltsformel
Globus, Pauspapier, Maßband, Stifte…
Einzeichnen eines Dreiecks auf dem Globus,
welches ungefähr Afrika umfasst
ACHTUNG: Wie müssen die Dreieckseiten
gezeichnet werden? (→ Großkreisbögen) Warum?
Versuch den Flächeninhalt zu messen durch:
- Anlegen und Kopieren auf Pauspapier
- Messen mit Hilfe eines Maßbandes
- Anpassen eines Stück Stoffes
Entwickeln eigener Ideen
Vergleich der Ergebnisse
Glaskugel, Folienstifte
Einzeichnen von zwei Großkreisen auf der Kugel
und Erkennen der vier paarweise kongruenten
Zweiecke
Schülerexperiment/Arbeitsauftrag/Modell
Zu behandelnde Themen: Sphärische Zweiecke, Sphärische Dreiecke und ihr Flächeninhalt, Sphärischer Innenwinkelsatz
2.Sitzung
Sphärischer
Innenwinkelsatz
Flächeninhalt
eulerscher Dreiecke
Eulersche Dreiecke
180°
90°
×p × r 2
× 2 ×p × r2 - 2 ×p × r2
a + b + g - 180°
180°
a + b +g
90°
Tafelbild:
Die Winkelsumme eines jeden eulerschen Dreiecks ist stets größer als 180°
Kann es sphärische Dreiecke mit einer Innenwinkelsumme kleiner
als 180° geben? (Hinweis: Flächeninhaltsformel)
Fragen: Was könnte die Eigenschaft bedeuten: Ein rechtseitiges Dreieck?
Gibt es ein rechtseitiges und gleichseitiges Dreieck?
Welchen Teil der Kugeloberfläche bedeckt es?
Was fällt auf bei der Summe der Innenwinkel?
Dreieck ABC =
2·Dreieck ABC =
90°
2·π·R² = a × p × r 2 + b × p × r 2 + g × p × r 2 - 2·Dreieck ABC
Halbe Sphäre = Zweieck A'A + Zweieck B'B + Zweieck C'C - 2·Dreieck
ABC
Globus
Einzeichnen eines rechtseitigen und gleichseitigen
Dreiecks ( z. B. begrenzt durch Äquator und zwei
Meridiane) und darauffolgendes Untersuchen
Abbildung 71
Versuch den Dreiecksflächeninhalt durch
geschicktes Abdecken der Kugel mit farbigen
Zweiecken (farbige Folienstifte) auszudrücken und
eine Formel herzuleiten
Frage: Wie könnte man mit dem Wissen über Zweiecke die Fläche eines
Dreiecks berechnen?
Hilfestellung für die Herleitung des Flächeninhalts eines Sphärischen
Dreiecks mit den Winkel α, β, γ und dem Kugelradius r mit Hilfe des
Flächeninhalts von Zweiecken
Tafelbild: (Bsp.)
Glaskugel, Folienstifte
Einzeichnen dreier Großkreise und Untersuchen
der entstehenden Dreiecke
Abbildung 70
Styroporkugel, Stecknadeln, Faden
Feststecken dreier Punkte
auf der Kugel und Darstellen
verschiedener Dreiecke auf
der Kugel mit dem Faden
Frage: In wie viele Dreiecke zerlegen drei Großkreise die Kugel?
Gibt es zueinander kongruente Dreiecke?
Definition Nebendreiecke, Scheiteldreiecke, Gegendreieck
Abbildung 69
Erarbeitung der Definition eulerscher Dreiecke (als Dreiecke, deren
sämtliche Seiten und Winkel kleiner als 180° sind)
Frage: Kann man drei Punkten der Sphäre eindeutig ein Dreieck zuordnen?
Ausblick:
Regelmäßige
sphärische Netze
(Projektthema)
Evtl. Aufgaben zur
Vertiefung
Frage: Wie sieht ein Viereck auf der Sphäre aus?
Kann man ein Rechteck auf der Sphäre konstruieren?
Wie berechnet man den Flächeninhalt eines sphärischen Vierecks?
Abbildung 74
Als Modellbeispiel: Fußball
Frage: Welche möglichen Netze aus regelmäßigen Vielecken gibt es auf der
Kugel?
Abbildung 73
Abbildung 72
Rückgriff auf rechtseitiges gleichseitiges Dreieck als Netz auf der
Kugeloberfläche
(Modell)
Wdh. der möglichen Parkettierungen mit
regelmäßigen Vielecken der Ebene:
Tafelbild:
Bsp: Berechne den sphärische Exzess und die Winkelsumme eines Dreiecks
auf der Erdoberfläche, dessen Flächeninhalt 360000 km2 beträgt (etwa
die Oberfläche der Bundesrepublik Deutschland).
Definition des sphärischen Exzesses ε:= α+β+γ-180°
Frage: Warum gibt es auf der Kugel keine ähnlichen Dreiecke?
Kurzer Vortrag über die Legende der Gauß´schen Landvermessung (siehe
Kapitel 2.1)
Frage: Warum erhielt Gauß für die Winkelsumme seines Dreiecks im
Rahmen des experimentellen Fehlers trotzdem 180°?
→Hinweis auf die Tatsache, dass der Flächeninhalt eines Dreiecks nur von
der Größe der Innenwinkel abhängt!
Glaskugel, Folienstifte, Großkreislineal
Konstruieren eines Viereckes auf der Kugel durch
Einzeichnen von vier Großkreisen und
e
× p × r 2 . Demnach ist
180°
A × 180° 360000km2 × 180°
e=
=
= 0,508° .
p ×r2
p × (6370km)2
Die Winkelsumme eines Dreiecks mit einem
Flächeninhalt, der dem der Bundesrepublik
entspricht, beträgt also 180,5°.
A=
Einzeichnen verschieden großer Dreiecke auf der
Glaskugel und anschließendes Berechnen und
Vergleich ihrer Flächeninhalte und
Innenwinkelsummen ( mit Hilfe von
Großkreislineal und Pappebene)
Einstieg
Inhalt
Abbildung 76
Abbildung 75
Ø Motivation der Schüler zur Notwendigkeit der Herleitung einer
neuen Berechnungsmethode, der sphärischen Trigonometrie
Frage: Kann man derart auch die Verbindung zwischen zwei Orten, die nicht
auf einem Meridian liegen berechnen? (Berlin, Melbourne)
Frage: Wie lang ist die kürzeste Verbindung zwischen Istanbul und
Johannesburg? (Lage auf dem gleichen Meridian)
Vorgabe Radius der Erde: 6370 km, Wdh. der Berechnung einer Bogenlänge
Tafelbild/Folie:
φ= Breitenkoordinate
λ=Längenkoordinate
-180° < λ £ 180° ; -90° £ φ
£ 90°
Bsp. Berlin: 52,5°N, 13,3°O
Gemeinsame Betrachtung des Gradnetzes der
Erde auf dem Globus und Rückgriff auf Wissen
aus dem Geographieunterricht:
(Längengrade, Breitengrade, Nullmeridian…)
Rückgriff auf Eingangsfrage: (offen lassen)
Wie lang ist die kürzeste Verbindung zwischen Berlin und Melbourne?
Wdh. der Eigenschaften Eulerscher Dreiecke mit Hilfe eines Witzes:
Ein Schafhirte, ein Physiker und ein Mathematiker bekommen einen
Klappzaun und sollen eine Herde Schafe umzäunen. Wie machen sie das?
Der Schafhirte treibt die Herde zusammen und baut den Zaun drum
herum. Der Physiker baut den Zaun kreisförmig auf und treibt die
Schafherde hinein. Der Mathematiker baut den Zaun um sich herum und
sagt: „Hier ist außen!“.
Durchführung
Entwickeln eigener Ideen zur Berechnung der
Entfernung zweier Orte
Beschreiben der Lage verschiedener Städte auf der
Erdkugel mit Hilfe der Kugelkoordinaten
Globus
Vertraut machen mit dem Gradnetz der Erde
Schülerexperiment/Arbeitsauftrag/Modell
Zu behandelnde Themen: Sphärische Trigonometrie an rechtwinkligen und schiefwinkligen Dreiecken
3. Sitzung
Trigonometrische
Beziehungen im
rechtwinkligen
Dreieck
Wiederholung/
Vorgabe ebene
Trigonometrie
Sphärisches Dreikant
sin b =
cos a =
sin a =
OA1
OA'
=
=
r
OA'
OA2
r
, (8) cos c = OD = OD ,
A' A1 , (5)
DA2
DA2 ,
sin c =
=
r
OA2
r
DA2 = DA3 .
A' D
A' A3 sowie (10)
.
cos b =
DA3
DA3
cos b =
OD , (7)
OA'
OA1
A' A1
(2)
sin b =
und
A' D , (4)
OA'
A' A3 = A' A1
r
r
sin c
(12) sin b = sin b
(14) cos b × sin a = cos b , (15) cos a × sin b = cos a ,
(16) cos c = cot a × cot b , (17) sin a = cot b × tan b ,
(18) sin b = cot a × tan a , (19) cos a = cot c × tan b
OA'
11) cos a × cos b = OD × OA' = OD = cos c
(13)
sin a
= sin a
sin c
Umformen in Beziehungen , in denen nur Stücke des sphärischen Dreiecks
auftreten.
(9)
(6)
(3)
(1)
Tafelbild:
2 . Die Winkel zwischen den Ebenen des Dreikants sind gleich den Winkeln
des zugehörigen sphärischen Dreiecks.
Hilfe bei der Herleitung der Grundformeln der sphärischen Trigonometrie
durch Zurückführung auf trigonometrische Beziehungen in geeigneten
ebenen Dreiecken
Abbildung 77
1. Die Winkelgrößen
zwischen den Kanten eines
Dreikants entsprechen den
Seitenlängen des
zugehörigen sphärischen
Dreiecks.
Tafelbild:
Erläuterung des Zusammenhangs zwischen sphärischem Dreieck ABC und
zugehörigem Dreikant OABC
Wiederholung der Grundformeln der ebenen Trigonometrie nach
Wissensstand der Schüler
Abbildung 79
Aufstellen von ebenen trigonometrischen
Beziehungen mit Hilfe der Methode des
Umklappens
Abbildung 78
Bastelvorlage (2fach) sphärischer Dreikant (siehe
Anhang 6.5), Pappe, Schere, Kleber
Basteln eines Dreikants und Nachvollziehen der
Zusammenhänge
Geschichtliches
Trigonometrische
Beziehungen im
schiefwinkligen
Dreieck
Eventuell kurzer Vortrag zur Geschichte der Kugelgeometrie
(kann als Zeitpuffer eingeschoben oder weggelassen werden (siehe Kapitel
2.3.1)
Besprechung der Kongruenzsätze an sphärischen Dreiecken anhand einer
Tabelle (siehe Kapitel 2.3.2.5), Hinweis auf die Schwierigkeiten, die sich bei
der Berechnung der Fälle „ssw“ und „wws“ ergeben.
Vorgabe des Sinussatzes, Seitenkosinussatzes und Winkelkosinussatzes auf
einem zusammenfassenden Arbeitsblatt (siehe Anhang 6.5)
Abbildung 81
Erläutern der Vorgehensweise bei der Herleitung der Beziehungen durch
Zerlegen eines schiefwinkligen Dreiecks in zwei rechtwinklige Dreiecke.
Abbildung 80
2. dem Produkt der Sinus der nicht benachbarten Stücke.
1. dem Produkt der Kotangenten der benachbarten Stücke und
Nepersche Regel: Werden die Stücke a, b, c, α und β eines bei C
rechtwinkligen eulerschen Dreiecks DABC in ihrer im Dreieck
auftretenden Reihenfolge auf einem Ring angeordnet (Abb. 80)
und dabei die Seitenlängen a und b durch die Größen 90°- a und
90°- b ersetzt, so ist der Kosinus eines beliebigen Stückes dieses
Ringes gleich
Tafelbild:
Vorstellen der Neperschen Regel zur Zusammenfassung der Beziehungen
(20) cos b = cot c × tan a .
Die Beziehungen müssen nur exemplarisch aufgestellt werden
Aufgabe 22 (Kapitel 4.6)
Frage: Welche Fälle können auftreten, wenn in
einem sphärischen Dreieck drei Größen gegeben
sind aus denen die anderen berechnet werden
sollen?
Für welche der Fälle kannst du mit Hilfe von
Arbeitsblatt 6.5.5 (siehe Anhang 6.5) Formeln
notieren?
Bearbeitung des Arbeitsblattes zum Überblick über
die Grundformeln
Berechne von einem rechtwinkligen Eulerschen
Dreieck mit den Kathetenlängen a = 75,2° und
b = 87,6° den sphärischen Exzess und den
Flächeninhalt (R = 1)
(sphärischer Exzeß e = 72,3° und Flächeninhalt F
= 1,26)
Berechnen eines rechtwinkligen Kugeldreiecks aus:
1. a= 50°; b=60°
(c=71,25°, α=53,99°, β=66,14°)
2. b=90°; α=90°
(a=90°, c=90°, β=90°)
…
Geographische
Anwendung und
Ausblick auf
Projektthema
Abbildung 82
Warum wählen Kapitäne
von Luft- und
Wasserfahrzeugen dennoch
oft die längere (gelb
markierte) Strecke als
Route? (Hinweis
Kurswinkel)
Abbildung 85
Anwendung und Erklärung von Großkreisen und Entfernungen auf der
Erdoberfläche im Zusammenhang mit Flugrouten von Transatlantikflügen:
Fragen: Warum fliegt das Flugzeug über Grönland, wenn es doch direkt viel
näher wäre?
Kann es eine Möglichkeit geben die Erdoberfläche vollkommen ähnlich auf
einer ebenen Fläche
abzubilden? (Hinweis
Innenwinkelsumme)
cos l ort = sinf A sinf B + cos f A cos f B cos (l B - l A )
Gleichung für die orthodrome Entfernung:
l ort = 134,9° @ 16000km
+ sin(90° - 52,5°) sin(90° + 38,5°) cos(144,7° - 13,4°) = -0,808 .
cos l ort = cos(90° - 52,5°) cos(90° + 38,5°)
Durch Anwendung des Seitenkosinussatzes auf das Poldreieck ergibt
sich für die orthodrome Entfernung
Tafelbild Lösung:
Tafelbild:
Berlin (λ1 = 13,4° O, φ1 = 52,5° N)
Melbourne
(α2 = 144,7° O, β2 = 38,5° S)
Rückgriff auf die Eingangsfrage: Wie lang ist
die kürzeste Verbindung (orthodrome
Entfernung) zwischen Berlin und Melbourne?
Abbildung 86
Vergleich der beiden Flugrouten auf dem Globus
Aufgabe 19 (Kapitel 4.6)
Abbildung 83
Einzeichnen der gegebenen Strecken auf dem
Schieferglobus und Überlegungen zur Berechnung
der fehlenden Teile. Es ergibt sich das Poldreieck:
Zur Entstehung der
euklidischen
Geometrie
Einführung in den
axiomatischen
Aufbau der
Geometrie
Einstieg
Inhalt
Beispiel: Die mömpfelnden Strunze (siehe Anhang 6.6) auf Folie
Kurzer Vortrag zur Entstehung der euklidischen Geometrie (siehe Kapitel 2.1.2)
Auf Folie die Postulate 1-5 von Euklid und die 5 Axiomengruppen von Hilbert (evtl. mit
Beispielen zu jeder Gruppe)
Ø Aufzeigen der Notwendigkeit von Grundaussagen in der Geometrie und der
Aufstellung eines axiomatischen Systems
Abbildung 87
Comicausschnitt (siehe Kapitel 2.1) auf Folie
Beweisen von Satz MS2:
Angenommen A mömpfelt B, und C ist
verschieden von A. Dann gilt: A mömpfelt
C oder C mömpfelt B (möglicherweise
beides)
Lösung siehe Anhang 6.6 auf Folie
Eigene Definitionen von Punkt und Linie
Schülerexperiment/Arbeitsauftrag/Modell
Kurzer Vortrag zu den Anfängen des Beweisens in der Geometrie (Kapitel 2.1.1)
Frage: Wie beweist man: Wenn ein Viereck eine Raute ist, dann stehen die Diagonalen
aufeinander senkrecht?
→ Was ist eine Raute, was ist eine Seite, was ist ein Punkt?
Bsp: Platon (ca. 380 v. Chr.): Ein Punkt ist der Anfang einer Linie
Aristoteles (ca. 340 v. Chr.): Ein Punkt ist eine unteilbare Einheit, die eine
Position besitzt.
Euklid (ca. 325 v. Chr.): Was keine Teile hat, ist ein Punkt.
Heron (ca. 50 n. Chr.): Ein Punkt ist, was keine Teile hat oder eine Begrenzung
ohne Dimension oder die Grenze einer Linie.
Durchführung
Zu behandelnde Themen: Axiomatischer Aufbau der Geometrie, Entstehung der euklidischen und nichteuklidischen Geometrie, das
Parallelenproblem, Gegenüberstellung euklidische - sphärische Geometrie, Modelle
4. Sitzung
Gegenüberstellung
euklidischer –
sphärischer
Geometrie
Zur Entwicklung
nichteuklidischer
Geometrien
Das
Parallelenproblem
Untersuchen von Beweisen der den
Schülern bekannten Aussagen mithilfe der
Schulbuchauszüge
(jedes Mal wird von der Existenz von
Parallelen Gebrauch gemacht)
Kopien der bekannten Beweise aus dem
Schulbuch
Gemeinsame Besprechung der Gegenüberstellung (siehe Anhang 6.7)
Ergebnis festhalten: die Kugelgeometrie ist ein Beispiel (Modell) der elliptischen
Geometrie
Frage: Welche Geometrie kommt euch bekannt vor? Gibt es ein Beispiel für eine solche
Geometrie?
Gegenüberstellung der wichtigsten
Eigenschaften und Sätze der euklidischen
und sphärischen Geometrie anhand einer
Tabelle mit Vorgabe von einigen
Ansatzpunkten (siehe Anhang 6.7)
Frage: Auf welche Weise könnte man das Parallelenaxiom ändern, wenn es nicht gelten Überlegungen zu Umformungen des
soll?
Parallelenaxioms
→Darstellung der drei grundsätzlichen Arten der Geometrie
Tafelbild (oder Folie)
- Die Elliptische Geometrie (oder Riemannsche sphärische Geometrie)
(Statt dem Parallelenaxiom gilt das Axiom: Zu einer Geraden g und einem nicht
auf g liegenden Punkt A gibt es keine Gerade, die durch A läuft und g nicht
schneidet.)
- Die Euklidische Geometrie
(Es gilt das Parallelenaxiom: Zu jeder Geraden g und zu jedem nicht auf g
liegenden Punkt A gibt es höchstens eine Gerade, die durch A verläuft und g
nicht schneidet.)
- Die Hyperbolische Geometrie
(Statt dem Parallelenaxiom gilt das Axiom: Zu einer Geraden g und einem nicht
auf g liegenden Punkt A gibt es mindestens zwei Geraden, die durch A
verlaufen und g nicht schneiden.)
Einige Aussagen, die Mathematiker benutzten um das Parallelenaxiom aus den anderen
Axiomen heraus zu beweisen:
1. Es gilt der Stufenwinkelsatz bzw. der Wechselwinkelsatz
2. In jedem Dreieck beträgt die Innenwinkelsumme 180°
3. Satz des Pythagoras
4. Es existieren zwei ähnliche, nicht kongruente Dreiecke.
5. Wenn drei Winkel eines Vierecks rechte Winkel sind, dann ist der vierte Winkel
ebenfalls ein rechter Winkel.
Ø Verdeutlichen der Äquivalenz der Aussagen
Kurzer Vortrag zur Entwicklung nichteuklidischer Geometrien (siehe Kapitel 2.1.4)
Darstellung des Problems mit geschichtlichem Hintergrund (siehe Kapitel 2.1.3)
Tafelbild:
Zu jeder Geraden g und zu jedem nicht auf g liegenden Punkt A gibt es höchstens eine
Gerade, die durch A verläuft und zu g parallel ist (euklidisches Parallelenaxiom)
(Parallelen an die Tafel zeichnen)
Ausblick auf die
nächste Sitzung
Was ist ein Modell?
Interpretation
Vier Bücher im Stapel
Sich oberhalb
befinden
Abbildung 88
Zur Motivation für die nächste Sitzung:
Folie
Abbildung 89
Frage: Wie könnte ein Modell für die hyperbolische Geometrie, in der es viele
verschiedene Parallelen durch einen Punkt gibt, aussehen und wie können wir uns diese
Geometrie in unserem realen Raum
vorstellen?
Feststellung: Die Kugelgeometrie ist ein Modell für die elliptische Geometrie, in der es
keine Parallelen gibt.
Versuch einer Uminterpretation der aufgestellten Sätze über die Strunze mit Hilfe
eines Modelles.
Definition: Ein Modell für ein formales axiomatisches System ist eine Interpretation
der primitiven Terme, unter der die Axiome wahre Aussagen werden.
Grundbegriff
Die Strunze
mömpfeln
Erläuterung der Notwendigkeit eines anschaulichen Modells zur Vorstellung einer
Theorie anhand des Beispiels der mömpfelnden Strunze (Tafelbild):
Ø Es ergibt sich kein Widerspruch
MS1: Sind A und B verschiedene
Bücher im Stapel, dann befindet sich A
oberhalb von B, oder B befindet sich
oberhalb von A.
MS2 : Kein Buch im Stapel befindet
sich oberhalb seiner selbst.
MS3 :Sind A, B und C Bücher im Stapel
derart, dass sich A oberhalb B und B
oberhalb von C befindet, dann befindet
sich A oberhalb von C.
MS4 : Es gibt genau vier Bücher in dem
Stapel.
Umgestalten der Axiome über die Strunze
in Aussagen über den Bücherstapel:
Anschauliche
Vorstellung der
hyperbolischen
Geometrie
Einstieg
Das
Kreisscheibenmodell
Inhalt
Abbildung 90
Abbildung 92
Abbildung 93
Frage: Wie können wir uns die hyperbolische Welt vorstellen? Folie:
Tafelbild:
Abbildung 91
→Deutlich machen, dass sich auch in der hyperbolischen Geometrie
trigonometrische Beziehungen herleiten lassen, bei denen sich die
euklidischen Beziehungen als Grenzfall ergeben, wenn die Dreiecksseiten
gegen Null gehen.
Rückgriff auf die Frage nach der Form verschieden großer Dreiecke im
Kreisscheibenmodell:
Gemeinsame Vervollständigung der
Vergleichstabelle in der Spalte der hyperbolischen
Geometrie
Gemeinsame Besprechung der Auftragsergebnisse
Wiederholung der drei verschiedenen Arten von Geometrien
Kennenlernen des Kreisscheibenmodells der hyperbolischen Ebene mit
Hilfe des Computerprogramms Cinderella
Durchführung
Computerraum, Cinderella 1.4
Untersuchen der wichtigsten Eigenschaften der
hyperbolischen Ebene und Geometrie durch
Arbeitsaufträge mit Cinderella,
Partnerarbeit am Computer
(Arbeitsauftrag siehe Anhang 6.8)
Schülerexperiment/Arbeitsauftrag/Modell
Zu behandelnde Themen: Das Kreisscheibenmodell, Eigenschaften und Sätze der hyperbolischen Geometrie, Nichteuklidische Geometrie im realen
Raum
5. Sitzung
Ausblick:
Nichteuklidische
Geometrie in
unserem realen Raum
Abschluss
Abbildung 94
Vorstellung und Besprechung der möglichen Projektarbeiten bzw. GFS
(siehe Kapitel 2.3.3)
Vortrag zur Bedeutung der nichteuklidischen Geometrie in der modernen
Physik und Kosmologie (siehe Kapitel 2.2), wenn möglich Einladung eines
Fachmanns aus der Physik
Frage: Was wäre, wenn
wir eine sozusagen
dreidimensionale Version
des
Kreisscheibenbewohners
wären? (siehe Kapitel
2.2)
Bild
Kreisscheibenbewohner
Vorstellung und Erläuterung des Bildes eines Kreisscheibenbewohners, der
sich dem Rand der Kreisscheibe nähert:
Beginn der Projektarbeiten
Jetzt geht’s rund!
2010
Modulausschreibung
Zeitraum: A, B und C
•
Was ist die kürzeste Verbindung
zwischen zwei weit voneinander
entfernten Orten auf der Erde?
•
Wie lassen sich durch kürzeste
Verbindungen Flug- und Schiffsrouten
festlegen und einhalten?
•
Wie können wir mit Hilfe von Fixsternen
die Position von Objekten auf der
Erdoberfläche bestimmen?
•
Kann man authentische Karten von
Teilen der Erdoberfläche erstellen?
Wer
Geometrie auf einer Kugeloberfläche betreiben will, muss der
Tatsache ins Auge sehen, dass die uns aus der Schule
bekannte ebene Geometrie, die man auch als euklidische
Geometrie bezeichnet, nicht immer weiterhilft. Er muss
eine nichteuklidische Geometrie betrachten, in der es
keine Parallelen gibt, Dreiecke sehr große
Winkelsummen haben können und die noch viele
andere verblüffende Eigenschaften besitzt.
Wir werden auch den axiomatischen Aufbau der Geometrie
betrachten und sehen, dass neben unserer Kugelgeometrie im
19.Jahrhundert noch ganz andere nichteuklidische Geometrien
entdeckt wurden. In der hyperbolischen Geometrie zum Beispiel
gibt es unendlich viele Parallelen. Sie stellt einen wichtigen
Meilenstein für Forschungen in der theoretischen Physik und in
der Kosmologie dar.
Das Seminar wird einen kleinen Einblick in die fremde Welt der nichteuklidischen Geometrie
geben. Dabei sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Ideen in Form von Postern,
Bastelarbeiten oder Tagebüchern umsetzen und am Ende der Öffentlichkeit präsentieren.
Modulausschreibung Kugelgeometrie
Gisela Döbbeling
Seite 1 von 2 Seiten
2010
Jetzt geht’s rund!
Modulausschreibung
Zeitraum: A, B und C
Vorraussetzungen:
-
Besondere mathematische Kenntnisse werden nicht vorausgesetzt.
Erwartet wird eine regelmäßige Teilnahme und selbstständige, aktive Mitarbeit.
Eine Vorbereitung zu Hause ist besonders für die Bastelarbeiten notwendig.
Während des Projekts ist ein Tagebuch zu führen. Ein Vortrag und eine Posterpräsentation
müssen erstellt werden.
Mitzubringen sind neben dem Laborbuch auch Schere, Stifte, Kleber und Zirkel.
Voraussichtliche Termine:
Ort:
Di 12.01.2010
14:30 Uhr – 17:30 Uhr
Bunsen-Gymnasium
Humboldtstr. 23, 69120 Heidelberg
Do 28.01.2010
14:30 Uhr – 17:30 Uhr
Di 09.02.2010
14:30 Uhr – 17:30 Uhr
Mi 24.02.2010
14:30 Uhr – 17:30 Uhr
Do 11.03.2010
14:30 Uhr – 17:30 Uhr
Do 25.03.2010
14:30 Uhr – 17:00 Uhr
Di 13.04.2010
14:30 Uhr – 17:00 Uhr
Vom Hauptbahnhof HD
mit der Straßenbahn Nr. 24 Richtung
Handschuhsheim Nord (Haltestelle
Bunsen-Gymnasium) oder
mit der Straßenbahn Nr. 21 Richtung
Handschuhsheim OEG-Bahnhof
(Haltestelle Bunsen-Gymnasium)
Di 11.05.2010
14:30 Uhr – 17:00 Uhr
Teilnehmerzahl: 10 -15
Do 17.06.2010
14:30 Uhr – 17:00 Uhr
Verantwortliche:
Mi 30.06.2010
14:30 Uhr – 17:00 Uhr
Modulphasenfest
voraussichtlich 03.07.2009 ganztägig
Modulausschreibung Kugelgeometrie
Gisela Döbbeling
Anfahrt:
Judith Schneider
(Studentin der Mathematik im 7.Semester)
Gisela Döbbeling
(Kursleiterin des Hector-Seminars)
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6.3 Evaluationsbogen
Umfrage zur Modulphase „Jetzt geht´s rund!-Kugelgeometrie“
Hector-Seminar am Bunsen-Gymnasium Heidelberg
Modulphase vom 12.01.10 – 11.03.10
Datum: 11.03.10
Klassenstufe:________ Kreuze bitte an: männlich__/weiblich__
Kreuze an: 1 bedeutet „trifft absolut zu“…6 bedeutet „trifft überhaupt nicht zu“.
Allgemeines
1
2
3
4
5
6
1
2
3
4
5
6
1
2
3
4
5
6
1
2
3
4
5
6
(1) Das Thema hat mir gefallen.
(2) Ich habe fachlich viel Neues dazu gelernt.
(3) Ich fand das Thema realitätsnah und anwendungsorientiert.
(4) Das Niveau der Themen war angemessen.
(5) Ich fand die geschichtlichen Hintergründe interessant.
(6) Ich fand den Teil zum axiomatischen Aufbau der Geometrie interessant.
(7) Ich habe das Thema Kugelgeometrie verstanden.
(8) Ich habe das Thema nichteuklidische Geometrie allgemein verstanden.
(9) Die Behandlung nichteuklidischer Geometrie könnte ich mir auch im Schulunterricht
vorstellen
Wissensstand und Voraussetzungen
(10) Ich habe vor Beginn des Moduls schon etwas von nichteuklidischer Geometrie gehört.
(11) Ich bin schon einmal auf ein Problem gestoßen, das mit Kugelgeometrie zu tun hat.
(12) Das Niveau entsprach meinem Wissensstand und persönlichen Voraussetzungen.
Arbeitsmaterialien:
(13) Die Arbeitsmaterialien waren hilfreich und gut zur Veranschaulichung.
(14) Die praktische Arbeit an den Modellen (Kugeln, Globus, etc.) hat mir Spaß gemacht.
(15) Der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben war angemessen.
(16) Die Arbeit am Computer mit Cinderella hat Spaß gemacht.
(17) Die Arbeit am Computer hat mir geholfen das Thema besser zu verstehen.
Motivation:
(18) Ich wurde durch den ersten Teil der Modulphase motiviert an einem Thema
weiterzuarbeiten und dieses zu präsentieren.
(19) Ich bin zufrieden mit der Gestaltung und Durchführung des ersten Modulteils.
Was hat dir besonders gut gefallen?
Was hat dir nicht gefallen?
Verbesserungsvorschläge:
Vielen Dank für deine Mitarbeit!!!
6.4 Anleitung zum Bau eines Großkreislineals
1. Zeichnen von Großkreisen auf der Kugel
Mit Hilfe eines Großkreislineals kannst du schnell und einfach verschiedene
Großkreise auf einer Kugel zeichnen.
Hierfür benötigst du natürlich eine Kugel und einen Schuhkarton. In den Boden des
Schuhkartons schneidest du ein rundes Loch mit dem Radius der Kugel aus und kürzt
die Seitenwände so, dass die Höhe des Kartons genau dem Radius der Kugel
entspricht. Wenn du jetzt den Karton umdrehst und die Kugel in das Loch steckst,
sollte die Kugel genau zur Hälfte darin verschwinden. Nun kannst du mit einem Stift
(evtl. einem wasserlöslichen Folienstift) beliebige Großkreise auf deiner Kugel
einzeichnen, indem du damit am Rand des Loches auf der Kugel entlang zeichnest.
Nebenstehende Abbildung zeigt ein aus
Holzplatten angefertigtes Großkreislineal.
2. Messen eines Winkels zwischen zwei Großkreisen
Um den Winkel zwischen zwei Großkreisen auf der Kugel zu messen schneidest du
aus einem ebenen Stück Karton am Rand einen Halbkreis mit dem Radius der Kugel
aus. Anschließend drehst du die Kugel so, dass der eine Großkreis entlang des
Großkreislineals zu liegen kommt und hältst das angefertigte Stück Karton an den
zweiten Großkreis. Wenn du dir von deinem Sitzpartner helfen lässt, kannst du nun
mit einem Geodreieck den Winkel zwischen den beiden „Ebenen“ von der Seite her
messen.
6.5 Kopiervorlagen zur sphärischen Trigonometrie
1. Raummodell für die Herleitung der trigonometrischen Beziehungen an
rechtwinkligen eulerschen Dreiecken (Kopiervorlage für Arbeitsblätter)
2. OH-Folie zur Veranschaulichung der geographischen Koordinaten
([Fil95])
N
l
Berlin
W
Äquator (f=0)
f
O
M
Meridian
durch
Berlin
Nullmeridian
(Greenwich,
l = 0)
S
3. Abbildung eines Globus
(Kopiervorlage für OH-Folien und Arbeitsblätter [Fil95])
4. Abbildung einer Erdkarte
(Kopiervorlage für OH-Folien und Arbeitsblätter [Fil95])
5. Überblick über die Grundformeln der sphärischen Trigonometrie für
schiefwinklige Dreiecke (Kopiervorlage für Arbeitsblätter aus [Fil95])
· Markiere in den Dreiecken farbig, zwischen welchen Größen eines sphärischen Dreiecks
die angegebenen Sätze Beziehungen herstellen!
· Stelle den Seitenkosinussatz nach den Winkeln und den Winkelkosinussatz nach den
Seiten eines sphärischen Dreiecks um!
Sinussatz:
In einem beliebigen eulerschen Dreieck mit den Seiten
a, b, und c sowie den jeweils gegenüberliegenden
Innenwinkeln a, b und g gilt
sin a sin b sin c
.
=
=
sin a sin b sin g
Seitenkosinussatz:
In einem beliebigen eulerschen Dreieck mit den
Seiten a, b, und c sowie den jeweils
gegenüberliegenden Innenwinkeln α, β und γ gelten
die Beziehungen
cos a = cos b × cos c + sin b × sinc × cos a ,
cos b = cos a × cos c + sin a × sin c × cos b und
cos c = cos a × cos b + sin a × sin b × cos g .
cos a =
cos b =
cos g =
Winkelkosinussatz:
In einem beliebigen eulerschen Dreieck mit den Seiten
a, b und c sowie den jeweils gegenüberliegenden
Innenwinkeln a, b und g gelten die Beziehungen
cos a = - cos b × cos g + sin b × sin g × cos a ,
cos b = - cos a × cos g + sina × sin g × cos b und
cos g = - cos a × cos b + sina × sin b × cos c .
cos a =
cos b =
cos c =
6.6 Beispiel eines Axiomensystems:
Die Mömpfelnden Strunze
Grundbegriffe: mömpfeln, Strunz
Axiome:
MS1: Sind A und B zwei verschiedene Strunze, dann gilt: A mömpfelt B oder B
mömpfelt A (wobei die Möglichkeit, dass beides eintritt, nicht
ausgeschlossen wird).
MS2: Kein Strunz mömpfelt sich selbst
MS3
MS4:
Sind A, B und C Strunze derart, dass gilt: A mömpfelt B und B mömpfelt C,
dann gilt auch: A mömpfelt C.
Es gibt genau vier Strunze
Satz MS1:
Wenn ein Strunz ein anderes mömpfelt, wird es nicht auch von diesem anderen
gemömpfelt.
Beweis
1. Angenommen, Strunz „A“ mömpfelt Strunz „B“
2. Angenommen, A wird auch von B gemömpfelt,
d.h. also B mömpfelt A.
3. Dann mömpfelt A A.
Vorraussetzung
Annahme des Gegenteils
4. Aber A mömpfelt nicht A
1.,2., Ax. MS3 (A, B, A die
drei Strunze)
Ax. MS2
5. Widerspruch
3. und 4.
6. Daher mömpfelt B nicht A
2. – 5., Logik
Korollar:
Sind zwei Strunze gegeben, dann mömpfelt entweder das erste das zweite, oder das
zweite mömpfelt das erste, aber nicht beides.
Beweis: Kombination aus Axiom MS1 und Satz MS1
Satz MS2:
Angenommen A mömpfelt B, und C ist verschieden von A. Dann gilt: A mömpfelt C
oder C mömpfelt B (möglicherweise beides).
Beweis
1. C mömpfelt A oder A mömpfelt C, aber nicht
beides
2. A mömpfelt nicht C
3. C mömpfelt A
Voraussetzung (C
verschieden von
A),Korollar
Vorraussetzung
1.,2.
4. A mömpfelt B
Vorraussetzung
5. C mömpfelt B
3.,4., Ax MS3 (C, A, B die
drei Strunze)
Satz MS3:
Es gibt mindestens ein Strunz, das jedes andere Strunz mömpfelt.
Definition MS1:
Ein Strunz, das jedes andere Strunz mömpfelt, heißt schiebig.
Satz MS4:
Es gibt ein und nur ein schiebiges Strunz
Ein Modell der mömpfelnden Strunze
Grundbegriff
Die Strunze
mömpfeln
Interpretation
Vier Bücher im Stapel
Sich oberhalb
befinden
MS1: Sind A und B verschiedene Bücher im Stapel, dann befindet sich A oberhalb
von B, oder B befindet sich oberhalb von A.
MS2: Kein Buch im Stapel befindet sich oberhalb seiner selbst.
MS3: Sind A, B und C Bücher im Stapel derart, dass sich A oberhalb B und B
oberhalb von C befindet, dann befindet sich A oberhalb von C.
MS4: Es gibt genau vier Bücher in dem Stapel
Die Innenwinkelsumme eines Dreiecks ist
genau 180°.
Es gibt Figuren die einander ähnlich, aber
nicht kongruent sind.
Blau gekennzeichnet: Informationen für den Lehrer
Ähnlichkeit von Figuren
Innenwinkelsumme
Flächengröße
Abstände
Die Innenwinkelsumme eines Dreiecks ist
kleiner als 180°.
Es gibt keine ähnlichen Figuren, die nicht
kongruent sind.
Die Kenntnis der Innenwinkel eines
Dreiecks erlaubt die Flächenberechnung
Die Kenntnis der Innenwinkel eines Dreiecks
erlaubt die Flächenberechnung
Die Innenwinkelsumme eines Dreiecks ist
größer als 180°
Es gibt keine ähnlichen Figuren, die nicht
kongruent sind.
Es gibt eine endliche Flächengröße
Es gibt genau eine kürzeste Verbindung
zwischen zwei Punkten, die Gerade.
Es existiert eine absolute Länge.
Definition des Abstandes mit Hilfe des
Doppelverhältnisses von Punkten.
Es gibt unendlich viele Geraden, die
paarweise zueinander orthogonal sind.
Zwei voneinander verschiedene Geraden
haben höchstens einen gemeinsamen
Punkt.
Durch zwei Punkte wird genau eine
Gerade bestimmt.
Zu einer Geraden g und einem nicht auf g
liegenden Punkt P gibt es mindestens
zwei Geraden, die durch A verlaufen und
g nicht schneiden.
Hyperbolische Geometrie
Es gibt eine endliche Flächengröße
Es gibt genau eine kürzeste Verbindung
zwischen zwei Punkten, die Gerade.
Jede Strecke hat höchstens die Länge πR. Ist P
ein Punkt der Sphäre, so existiert kein Punkt A
mit |PA| > πR
Es gibt genau eine kürzeste Verbindung
zwischen zwei Punkten, die Gerade.
Es gibt beliebig lange Strecken. Auf jedem
Strahl mit dem Anfangspunkt P gibt es zu
jeder nichtnegativen reellen Zahl a genau
einen Punkt mit a= /a/
Es gibt keine endliche Flächengröße
Es gibt nur jeweils zwei Geraden, die
paarweise orthogonal zueinander sind.
Zwei voneinander verschiedene Geraden haben
genau zwei gemeinsame Punkte. (einen
gemeinsamen Punkt)
Durch zwei nicht diametrale Punkte wird genau
eine Gerade bestimmt; durch zwei diametrale
Punkte gibt es unendlich viele Geraden.
Es gibt drei Geraden, die paarweise orthogonal
zueinander sind.
Zwei voneinander verschiedene Geraden
haben höchstens einen gemeinsamen
Punkt.
Durch zwei Punkte wird genau eine Gerade
bestimmt.
Beziehungen zwischen
Geraden und Punkten
Zu einer Geraden g und einem nicht auf g
liegenden Punkt A gibt es keine Gerade, die
durch A läuft und g nicht schneidet.
Zu jeder Geraden g und zu jedem nicht auf
g liegenden Punkt A gibt es höchstens eine
Gerade, die durch A verläuft und g nicht
schneidet.
Sphärische Geometrie (Elliptische Geometrie)
Gültigkeit des
Parallelenaxioms
Euklidische Geometrie der Ebene
6.7 Gegenüberstellung der drei verschiedenen Geometrien (Musterlösung)
Ähnlichkeit von Figuren
Innenwinkelsumme
Flächengröße
Abstände
Beziehungen zwischen
Geraden und Punkten
Gültigkeit des
Parallelenaxioms
Fällt dir noch mehr ein?
Es gibt Figuren die einander ähnlich, aber
nicht kongruent sind.
Es gibt keine endliche Flächengröße
Es gibt genau eine kürzeste Verbindung
zwischen zwei Punkten, die Gerade.
Es gibt beliebig lange Strecken.
Es gibt nur jeweils zwei Geraden, die
paarweise orthogonal zueinander sind.
Euklidische Geometrie der Ebene
Zu jeder Geraden g und zu jedem nicht auf
g liegenden Punkt A gibt es höchstens eine
Gerade, die durch A verläuft und g nicht
schneidet.
Zwei voneinander verschiedene Geraden
haben höchstens einen gemeinsamen
Punkt.
Durch zwei Punkte wird genau eine Gerade
bestimmt.
Sphärische Geometrie
Versuche die Tabelle mit Hilfe deiner bisherigen Notizen zu vervollständigen
Gegenüberstellung der drei verschiedenen Geometrien
Es existiert eine absolute Länge.
Durch zwei Punkte wird genau eine
Gerade bestimmt.
Hyperbolische Geometrie
6.8 Arbeitsblatt zu Cinderella
Das Kreisscheibenmodell
Arbeitsauftrag mit dem Computerprogramm Cinderella
Zu einer Geraden g soll es mehr als eine Parallele durch einen
Punkt P geben, der nicht auf dieser Geraden liegt? Wie ist das
denn möglich?
Wie genau sich die hyperbolische Geometrie verhält und welche
Eigenschaften sie hat, sollst du nun mit Hilfe des
Kreisscheibenmodells im Programm Cinderella kennenlernen.
In diesem Programm kann man Zeichnungen in der
hyperbolischen Ebene erstellen.
Dafür betätigst du den Schalter „Hyp“ und zusätzlich im Menü „Ansichten“ den Schalter
„Hyperbolische Zeichenoberfläche“. Dann erscheint die Kreiswelt auf deinem Bildschirm, die
du am besten so verschiebst, dass du die alte Zeichenfläche und die Kreiswelt gleichzeitig
siehst. Alles was du zeichnest erscheint in beiden Ebenen.
Mache dich ein wenig mit dem Programm vertraut, wenn du die Maus auf die ausgewählten
Symbole führst erscheint automatisch eine Kurzinfo wie:
Zwei Punkte mit Verbindungsgerade
Punkt hinzufügen
Strecke zwischen zwei Punkten
Senkrechte
Parallele
Winkel messen
Elemente bewegen
Abstand messen
Wenn du dich genügend eingearbeitet hast, versuche die folgenden Aufträge und Fragen zu
bearbeiten und notiere deine Beobachtungen:
-
Was genau ist hier die hyperbolische Ebene?
___________________________________________________________________________
-
Wie werden Geraden und Strecken dargestellt?
___________________________________________________________________________
___________________________________________________________________________
-
Zeichne zwei Punkte und ihren Mittelpunkt („Mittelpunkt zweier Punkte“)
Wie ändert sich die Lage des Mittelpunkts beim Verschieben der Punkte?
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
-
Zeichne eine Gerade g und ihre Parallele durch einen nicht auf der Geraden g
liegenden Punkt P. Was fällt dir auf?
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
-
Zeichne eine Senkrechte zu einer Geraden g, dann eine Senkrechte zu
dieser Senkrechten. Was fällt dir auf?
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Konstruiere ein Dreieck und versuche seine Winkel zu messen. Was kannst
du über seine Innenwinkelsumme sagen? Was passiert, wenn du das
Dreieck vergrößerst oder verkleinerst?
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Konstruiere einen Kreis und verschiebe ihn auf der Kreisscheibe. Was fällt
dir auf? Was passiert mit seinem Mittelpunkt und dem Radius?
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Versuche ein Rechteck zu konstruieren
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