Interdisziplinäres Management von chronischen Darmerkrankungen

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Abstracts
Interdisziplinäres Management
von chronischen Darmerkrankungen
Kiel
5. Juli 2008
Bamberg
Samstag, 21.Juni 2008
9.00 – 15.30 Uhr
Veranstaltungsort:
Konzert- und Kongresshalle
Hegel-Saal
Bamberg
Wissenschaftliche Leitung:
Prof. Dr. M. Sackmann, Bamberg
Prof. Dr. G. Pistorius, Bamberg
Osnabrück
12. April 2008
Essen
1. März 2008
Gießen
17. Mai 2008
Berlin
28. Juni 2008
Jena
27. September 2008
Bamberg
21. Juni 2008
Freiburg
11. Oktober 2008
Programm
9.00 Uhr
Begrüßung und Einführung
Prof. Dr. M. Sackmann, Bamberg
1. Dünndarm
Vorsitz:
Prof. Dr. H. Weis, Bamberg
Prof. Dr. H. Koop, Berlin
9.15 Uhr
Diagnostik bei Darmerkrankungen:
Doppelballonenteroskopie
PD Dr. A. May, Wiesbaden
9.35 Uhr
Kasuistik: 63-jähriger Patient mit chronischer Diarrhö und
Gewichtsverlust
Dr. K.D. Schmidt, Bamberg
9.55 Uhr
Aktuelle Diagnostik und Therapie der Sprue
Prof. Dr. B. Lembcke, Gladbeck
10.15 Uhr
Funktionelle Darmbeschwerden:
Rationelle Diagnostik und Therapie
Prof. Dr. H. Koop, Berlin
10.35–11.05 Uhr
Kaffeepause
2. Dickdarm
Vorsitz:
PD Dr. T. Ochsenkühn, München
Prof. Dr. M. Sackmann, Bamberg
11.05 Uhr
Pathogenese chronisch entzündlicher Darmerkrankungen
PD Dr. S. Brand, München
11.25 Uhr
Endoskopie bei CED: Färbung, Zoom, NBI, FICE
(ohne Abstract)
Dr. M. Götz, Mainz
11.45 Uhr
Histopathologische Diagnostik und Differenzialdiagnostik
der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
Prof. Dr. G. Seitz, Bamberg
12.05 Uhr
Aktuelle konservative Therapie von chronisch entzündlichen
Darmerkrankungen
Prof. Dr. M. Raithel, Erlangen
1
12.25–13.15 Uhr
Mittagspause mit Imbiss
3. Dick- und Enddarm
Vorsitz:
Prof. Dr. M. Raithel, Erlangen
Prof. Dr. G.A. Pistorius, Bamberg
13.15 Uhr
Diagnostik von Fisteln
PD Dr. C. Pehl, Vilsbiburg
13.35 Uhr
Therapie der Fisteln bei Morbus Crohn
PD Dr. T. Ochsenkühn, München
13.55 Uhr
Moderne chirurgische Therapie bei CED und Karzinom
Prof. Dr. G.A. Pistorius, Bamberg
14.15 Uhr
Aktuelle Chemotherapie beim kolorektalen Karzinom
Dr. R.-M. Zippel, Bamberg
14.35 Uhr
Interdisziplinäre Darmkrebszentren: Fortschritt oder
notwendiges Übel?
Dr. C. Pox, Bochum
14.55 Uhr
Schlussworte
Prof. Dr. G.A. Pistorius, Bamberg
Anschriften der Referenten und Vorsitzenden siehe Seiten 39–40
2
Diagnostik bei Darmerkrankungen: Doppelballonenteroskopie
A. May
HSK Dr. Horst Schmidt Klinik, Wiesbaden
Die Doppelballonenteroskopie (DBE) wurde 2001 von Yamamoto in Japan (1) und
2003 von unserer Arbeitsgruppe (2) in der westlichen Welt eingeführt. Bis dahin
konnte mithilfe der Kapselendoskopie die rein diagnostische Evaluation des
Dünndarms erfolgen, aber es bestand keine Möglichkeit zur Histologiegewinnung
mittels Biopsie oder zur Durchführung endoskopischer therapeutischer Interventionen. Vor Einführung der DBE war die intraoperative Enteroskopie (mit Laparotomie) die einzige Möglichkeit, um endoskopisch-therapeutische Maßnahmen im
tieferen Dünndarm durchzuführen, da die Eindringtiefe mit dem konventionellen
Push-Enteroskop begrenzt ist.
Diese Lücke konnte jetzt mit der DBE geschlossen werden. Das System (Fujinon
Inc., Japan) besteht aus einem hochauflösenden Video-Endoskop mit einer Arbeitslänge von 200 cm und einem Außendurchmesser von 8,5 mm (p-Typ) oder 9,4 mm
(t-Typ) und derzeitig (noch) einem Arbeitskanal von 2,2 mm bzw. 2,8 mm. Der
Übertubus zeichnet sich durch einen kleinen Außendurchmesser (12 bzw. 13 mm)
und hohe Flexibilität aus, was die Untersuchung komfortabel gestaltet. Durch
alternierendes Insufflieren und Desufflieren der Ballons, die sich an der Endoskopspitze und an der Übertubusspitze befinden, durch alternierenden Vorschub von
Enteroskop und Übertubus und Rückzug beider wird der Dünndarm Schritt für Schritt
aufgefädelt (1, 2). Durch den regelmäßigen Rückzug werden sich beim Vorschub
ausbildende Schleifen im Gegensatz zur konventionellen Push-Enteroskopie
weitestgehend begradigt, was wiederum z. B. den Einsatz von Instrumentarien wie
Biopsiezangen, APC-Sonden u. ä. sehr erleichtert, eine gute Übersicht und
Steuerbarkeit beim Vorschub und Rückzug ermöglicht und wahrscheinlich die
Verletzungsgefahr des Dünndarms reduziert. Durch Kombination von oralem und
analem Zugang kann im Optimalfall der komplette Dünndarm eingesehen werden
(etwa 40–80%) (3, 4, 5). Limitationen stellen im Wesentlichen nur Verwachsungen
durch vorherige abdominelle chirurgische Eingriffe dar.
3
Nach den bisherigen Erfahrungen handelt es sich um ein sicheres Verfahren, das in
konventioneller Sedoanalgesie oder Propofolsedierung durchgeführt werden kann
(3, 4, 5, 6, 7). Eine Intubationsnarkose ist nur in Ausnahmefällen (z. B. bei Kindern)
nötig. Bei der oralen DBE ist als wesentliche Komplikation die Pankreatitis zu nennen
(Risiko 0,3%) (3, 5, 8). Die diagnostische Ausbeute ist mit 70–80% sehr hoch (3–7),
was durch die Selektion der Patienten erklärt werden kann, da die Methode personalund zeitaufwendiger als z. B. die Kapselendoskopie ist. Mit der Kapselendoskopie
oder durch andere bildgebende Verfahren erhobene Befunde können kontrolliert und
ggf. mit Biopsie verifiziert werden. Therapeutische Interventionen können – wo nötig
– im gleichen Arbeitsgang ohne chirurgische Laparotomie angeschlossen werden.
Durchgeführt werden können prinzipiell alle mit der konventionellen Endoskopie
anbietbare endoskopische Interventionen. Aufgrund der anatomischen Bedingungen
im Dünndarm und der technischen Gegebenheiten (langes Endoskop, dünne
Arbeitskanäle) sind diese Interventionen oft anspruchsvoll in der Durchführung. Die
Rate der endoskopischen therapeutischen Interventionen liegt bei etwa 40–50% mit
einem Komplikationsrisiko von etwa 3–4% (3–7). Außerdem ergeben sich zu einem
nicht unerheblichen Prozentsatz Konsequenzen bezüglich einer medikamentösen
oder chirurgischen Therapie (jeweils etwa 10–15%). Hauptindikation stellt derzeit die
mittlere GI-Blutung dar. Als mittlere GI-Blutung wird eine Blutung zwischen Papille
und Ileozökalklappe definiert (9). Attraktiv, aber derzeit noch unter Evaluation
stehend, sind der obstruktive Morbus Crohn, die Polyposissyndrome und die
therapierefraktäre Zöliakie. Die DBE ermöglicht auch den Zugang zu sonst endoskopisch nicht erreichbaren Arealen nach chirurgisch modifiziertem GI-Trakt
(z. B. ERCP nach Roux-Y-Konstruktion, Endoskopie nach Adipositaschirurgie).
Ein großer Vorteil der DBE im Vergleich zur Laparotomie und intraoperativen
Enteroskopie liegt darin, dass das Verfahren jederzeit wiederholt werden kann, was
z. B. bei Patienten mit rezidivierenden Angiodysplasien oder mit Polyposissyndromen
von hoher klinischer Relevanz sein kann.
Fazit: Die Doppelballonenteroskopie hat sich als ein Standardverfahren bei der
diagnostischen und therapeutischen Endoskopie des Dünndarms etabliert und lässt
die intraoperative Enteroskopie zum Reserveverfahren werden.
4
Literatur:
1.
Yamamoto H, Sekine Y, Sato Y, et al. Total enteroscopy with a nonsurgical
steerable double-balloon method. Gastrointest Endosc 2001; 53: 216–220.
2.
May A, Nachbar L, Wardak A, Yamamoto H, Ell C. Double-balloon enteroscopy:
preliminary experience in patients with obscure gastrointestinal bleeding or
chronic abdominal pain. Endoscopy 2003; 35: 985–991.
3.
Yamamoto H, Kita H, Sunada K, et al. Clinical outcomes of double-balloon
endoscopy for the diagnosis and treatment of small-intestinal diseases. Clin
Gastroenterol Hepatol 2004; 2: 1010–1016.
4.
May A, Nachbar L, Ell C. Double-balloon enteroscopy (push-and-pull
enteroscopy) of the small bowel: feasibility and diagnostic and therapeutic yield
in patients with suspected small bowel disease. Gastrointest Endosc 2005; 62:
62–70.
5.
Heine GD, Hadithi M, Groenen MJ, et al. Double-balloon enteroscopy: indications, diagnostic yield, and complications in a series of 275 patients with
suspected small-bowel disease. Endoscopy 2006; 38: 42–48.
6.
Ell C, May A, Nachbar L, et al. Push-and-pull enteroscopy in the small bowel
using the double-balloon technique: results of a prospective European multicenter study. Endoscopy 2005; 37: 613–616.
7.
Zhong J, Ma T, Zhang C, et al.: A retrospective study of the application on
double-balloon enteroscopy in 378 patients with suspected small-bowel diseases. Endoscopy 2007; 39: 208–215.
8.
Möschler, O, May, A, Müller MK, Ell C und die deutsche DBE-Studiengruppe.
Ergebnisse des deutschen Registers für Doppelballonenteroskopie. Z Gastroenterol 2007, in press.
9.
Ell C, May A. Mid-gastrointestinal bleeding: capsule endoscopy and push-andpull enteroscopy give rise to a new medical term. Endoscopy 2006; 38: 73–75.
Korrespondenzadresse:
PD Dr. Andrea May
HSK Wiesbaden
Ludwig-Erhard-Str. 100
65199 Wiesbaden
Tel.: (06 11) 43-23 98 oder 43-0
Fax: (06 11) 43-24 18
E-Mail: [email protected]
5
Kasuistik: 63-jähriger Patient mit chronischer Diarrhö und
Gewichtsverlust
K.D. Schmidt
II. Medizinische Klinik, Zentrum Innere Medizin, Klinikum am Bruderwald der
Sozialstiftung Bamberg
Seit 2000 rezidivierende Arthralgien mit Befall verschiedener Gelenke.
2004 auswärts Diagnose einer Sarkoidose (Histologie: epitheloidzellige Granulome)
aus einer Halslymphknoten-PE.
Stationäre Aufnahme wegen zunehmend wässriger Diarrhö (ca. 10 x pro 24 Stunden) und Gewichtsverlust von 8 kg innerhalb eines halben Jahres.
Anamnese und entsprechende Laborveränderungen führten zur Arbeitsdiagnose:
chronische Diarrhö unklarer Genese mit Malassimilationssyndrom.
Aktuelle Diagnostik: Thorax, Lactose-Atemtest, Sonografie, CT-Abdomen sowie
Gastroskopie und Koloskopie.
Das Thoraxbild ist unauffällig (kein Hinweis auf Lymphadenopathie), im H2-Atemtest
kein Nachweis eines Laktasemangels.
Sonografisch sowie im CT-Abdomen erweiterte Dünndarmschlingen sowie leicht
vergrößerte intraabdominelle Lymphknoten, vereinbar mit einer unspezifischen
Enteritis.
Endoskopisch fallen im Duodenum weißlich noduläre Schleimhautveränderungen auf
(Bild einer Lymphangiektasie; Abb. 1).
6
Abb. 1: Endoskopischer Aspekt der Duodenalschleimhaut bei Diagnosestellung
Die Biopsien aus dem Duodenum ergeben eine hochgradige Infiltration der Mukosa
mit PAS-positiven Makrophagen (Abb. 2), somit Diagnose eines Morbus Whipple des
Duodenums mit hochgradigem Tropheryma-whipplei-Befall.
Abb. 2: Histologie der Duodenalbiopsie bei Diagnosestellung (PAS-positive Makrophagen)
7
Die Diagnose wird bestätigt durch die PCR-Analyse der Duodenalbiopsien. Im
weiteren Staging ergibt auch die PCR-Analyse des Liquors einen positiven Nachweis
von Tropheryma-whipplei-DNA.
Es wird eine Therapie mit liquorgängigen Antibiotika (Ceftriaxon und Streptromycin)
für 14 Tage eingeleitet; anschließend antibiotische Dauertherapie mit Trimethoprim/
Sulfamethoxazol für 1 Jahr.
Kontrolluntersuchungen nach 3 (Abb. 3), 6 und 12 Monaten.
Abb. 3: Endoskopischer Aspekt der Duodenalschleimhaut bei Kontrolluntersuchung
(3 Monate nach Therapiebeginn)
Bereits bei der ersten Kontrolluntersuchung zeigt sich der Patient wieder in einem
guten Allgemeinzustand mit Normalisierung des Stuhlgangs und Gewichtszunahme
von 5 kg. Die Biopsien aus dem Duodenum zeigen über die Kontrollintervalle eine
Reduzierung der PAS-positiven Makrophagen.
Die abschließende PCR aus dem Liquor ist negativ, sodass von einer Heilung des
M. Whipple ausgegangen werden kann.
Der M. Whipple ist eine bakterielle schleichende Systemerkrankung, die unbehandelt
zum Tode führt. Insbesondere bei Erkrankungen mit chronischer Entzündungskonstellation und Gelenkbeschwerden muss an diese Erkrankung gedacht werden.
Sie gehört somit zu den klassischen Differenzialdiagnosen in der Gastroenterologie,
Rheumatologie, Hämatologie, Kardiologie und Neurologie.
8
Die Prävalenz wird mit ca. 0,4 Neuerkrankungen pro 1 Million Einwohner angegeben.
Männer erkranken viermal häufiger als Frauen. Das Durchschnittserkrankungsalter
liegt bei 45–55 Jahren.
Bei M. Whipple gibt es noch viele ungeklärte Fragen zur Pathophysiologie und zum
Krankheitsverlauf, die Gegenstand der Forschung sind.
9
Aktuelle Diagnostik und Therapie der Sprue
B. Lembcke
Medizinische Klinik, St. Barbara-Hospital, Gladbeck
Unter den Erkrankungen des Dünndarms sind als Hauptursachen für ein globales
Malassimilationssyndrom die ausgedehnte Resektion (Kurzdarmsyndrom), die einheimische Sprue (= Zöliakie), die Lambliasis, der Morbus Whipple und die tropische
Sprue (schwere bakterielle Überwucherung mit partieller Zottenatrophie nach
Tropenaufenthalt) zu nennen.
Dabei beinhaltet die einheimische Sprue (die jetzt einheitlich auch bei erwachsenen
Patienten als Zöliakie angesprochen werden soll), eine facettenreiche Erkrankung,
die ihre originäre pathophysiologische Problematik im Dünndarm hat und daher eine
entsprechende Klinik aufweist. Bei subtiler oder subklinischer intestinaler Symptomatik stehen aber mitunter durchaus auch andere, extraintestinale Symptome im
Vordergrund. Das (zeitgerechte) Erkennen einer Zöliakie hat für den betroffenen
Patienten eine dramatische Bedeutung, bedingt aber ärztlicherseits profunde
differenzialdiagnostische Kenntnisse und Erfahrungen. Neue methodische Entwicklungen haben jedoch den diagnostischen Zugang zu dieser Dünndarmerkrankung
deutlich verbessert.
Definition: Als einheimische Sprue (Zöliakie) wird die lebenslang persistierende
Unverträglichkeit des menschlichen Organismus gegenüber Gliadin, einer Fraktion
des sog. Klebereiweißes (Gluten) verstanden, die zu tief greifenden Störungen der
Morphologie und Funktion des Dünndarms führt. Charakteristisch, aber nur die
„Spitze des Eisbergs“, ist die Abflachung der Dünndarmmukosa im Sinne einer
totalen oder subtotalen villösen Atrophie (manifeste Sprue).
Diese klassische Definition der einheimischen Sprue umfasste also grundsätzlich
•
den Nachweis der Zottenatrophie (duodenale Biopsie oder jejunale Dünndarmbiopsie) sowie
•
den Nachweis des Ansprechens auf diätetischen Glutenentzug (klinische und
morphologische Besserung sowie Besserung der Funktionsparameter).
10
Mit der Verfügbarkeit des Gewebstransglutaminase (tissue transglutaminase)-Antikörpers (IgA-t-TG-AK) wurde die Definition der Erkrankung dahingehend geändert,
dass es sich um eine durch Gluten ausgelöste, immunologisch vermittelte
Erkrankung handelt, deren Diagnose durch den serologischen t-TG-AK-Nachweis in
Verbindung mit einer positiven Dünndarmhistologie gestellt wird.
Der Begriff Sprue leitet sich vom holländischen Wort „sprouw“ (Aphthe, Bläschen) ab.
Hintergrund ist ein gehäuftes Vorkommen von oralen Aphthen bei Sprue-Patienten.
Pädiater bevorzugen den Begriff Zöliakie (abgeleitet aus dem griechischen Wort
„koilia“ für eine „den Bauch betreffende Erkrankung“), Gastroenterologen sprechen
von der einheimischen Sprue. Im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch wird von
„celiac disease“ oder – salomonisch – von „celiac sprue“ gesprochen.
Der Begriff „einheimische Sprue“ grenzt die Erkrankung von der sog. „tropischen
Sprue“ ab, die Folge einer bakteriellen Überwucherung mit schwerem Vitamin(insbesondere Folsäure-)mangel ist und ebenfalls zu einer villösen Atrophie führen
kann, jedoch keinen Bezug zu einer Gluten- bzw. Gliadinunverträglichkeit aufweist.
Epidemiologie: Die Zöliakie weist als klinisch manifeste Erkrankung eine Prävalenz
von 50–100/100.000 auf; die Dunkelziffer ist dabei jedoch groß. In einigen Regionen
Europas (z. B. im Distrikt Galway in Irland) liegt die Häufigkeit bedeutend höher
(1:300); darüber hinaus sind eine sehr enge Assoziation mit der Dermatitis
herpetiformis Duhring sowie eine Häufung beim Diabetes mellitus Typ 1 (etwa 4%)
bekannt. Bei etwa 10% der Verwandten ersten Grades von Sprue-Patienten lässt
sich eine Zottenatrophie nachweisen. Ein HLA-DQ2- oder DQ8-positiver-Haplotyp ist
Voraussetzung, eine Zöliakie zu bekommen.
Diese Assoziationen zeigen, dass der Zöliakie a) eine genetische Komponente
zugrunde liegt und dass b) klinisch inapparente Formen vorkommen.
Unter Zugrundelegung der Gewebstransglutaminase-AK-Bestimmung (IgA-t-TG-AK;
Endomysium-Autoantikörper [EMA] als Indikator einer potenziellen Zöliakie) liegt die
Häufigkeit bei 1:150–300. Inwieweit dies jedoch eine klinisch bereits relevante Entität
darstellt, ist im Einzelfall unterschiedlich zu beurteilen. Da die frühkindliche
Ernährung (glutenreich vs. glutenarm) eine wesentliche Rolle für die Entwicklung
einer Zöliakie spielt, ist die Kenntnis einer potenziellen Sprue durchaus von
Bedeutung.
11
Pathogenese: Die Permeabilität der intestinalen Mukosabarriere ist bei der einheimischen Sprue erhöht. Ob dies Folge der Erkrankung oder eine genetisch bedingte
Voraussetzung für einen verstärkten antigenen Gliadineinstrom ist, lässt sich derzeit
nicht mit Sicherheit sagen. Sicher ist, dass das weitere Schicksal des vermehrt
aufgenommenen
Gliadins
dann
im
Zusammenspiel
mit
dem
Enzym
t-TG
(Gewebstransglutaminase) nach derzeitigem Kenntnisstand eine Schlüsselrolle in
der Pathogenese der Erkrankung innehat. Mit der Desamidierung des Į-Gliadins
durch die intestinale Gewebstransglutaminase entsteht ein Gliadin-t-TG-Komplex,
der als Neoepitop (Autoantigen) für autoreaktive B-Zellen fungiert und als „Sensitizer“
zu einer stärkeren T-Zellantwort aktivierter Į/ȕ-T-Zellen führt.G
Als Target der Autoimmunantwort wird die intestinale Gewebstransglutaminase auch
in ihrer Funktion als Katalysator bei der Aktivierung des latenten Wachstumsfaktors
TGF-ȕ (transforming growth factor ȕ) zu aktivem TGF-ȕ blockiert, wodurch die
Ausreifung des normalen Mukosaepithels ausbleibt, mithin das Sprue-typische Bild
der flachen Schleimhaut resultiert.
Diese klinisch für die Malassimilationssymptomatik relevante Läsion mit drastischer
Verminderung der Dünndarmoberfläche durch die Zottenatrophie, die auch den
Verlust der digestiven Enzyme im Mukosaepithel bedeutet, führt zu einer komplexen
Resorptionsstörung für Nahrungsstoffe, Vitamine und Spurenelemente und zu entsprechenden Symptomen, z. B. der Kohlenhydratmaldigestion. Von besonderer
Bedeutung ist hierbei der Verlust der Laktaseaktivität (sekundärer Laktasemangel).
Andere Erkrankungen, bei denen es zu einer Abflachung der Mukosa kommen kann,
sind z. B. die Lambliasis, die HIV-Enteropathie, die Autoimmunenteropathie oder bei
Kindern eine Kuhmilchproteinintoleranz. Bei Kindern kann davon ausgegangen
werden, dass unter Glutenentzug spätestens nach 6 Monaten eine deutliche morphologische Restitution zu beobachten ist.
Klinik: Beim Erwachsenen ist das klinische Bild bunter. Das Spektrum der Symptome
umfasst gastroenterologische und extraintestinale Beschwerden, die außerordentlich
vielgestaltig und damit uncharakteristisch sind. Entsprechend lang (im Mittel fast 10
Jahre) ist oft die diagnostische Latenz (Tabelle).
12
Gastrointestinale und extraintestinale Symptome bei einheimischer Sprue
(n = 408).
P.G. Lankisch, A. Marinez Schramm, F. Petersen, M. Dröge, D. Lehnick,
B. Lembcke. Diagnostic latency in coeliac disease. Z. Gastroenterol. 1996; 34:
473–477.
•
Diarrhö
92,4%
Adynamie
82,3%
•
Flatulenz
91,4%
Knochenschmerz
52,9%
•
Gewichtsverlust
84,0%
Depression
48,0%
•
Bauchschmerz
69,1%
Myalgien
46,8%
•
Übelkeit
49,7%
Angstsyndrome
38,2%
•
Stomatitis
40,9%
Ödeme
31,1%
•
Tenesmen
34,3%
Exanthem
30,3%
•
Obstipation
18,6%
Dermatitis herpetiformis
14,9%
•
Erbrechen
18,3%
Im Ultraschallbild imponiert bei unbehandelter Zöliakie ein besonderes dynamisches
Bild, das (nüchtern) einen vermehrten Flüssigkeitsgehalt des Dünndarms, darin
enthaltene größere echoreiche Reflexe (Luft, Nahrungspartikel), eine Vor- und
Zurück-Hypermotilität, eine Reduktion und Ungleichmäßigkeit der Kerckring’schen
Falten und eine ödematöse, weiche Verdickung der Jejunalwand beinhaltet. Dieses
charakteristische
Bild
ist
1992
als
Waschmaschinenphänomen
(Lembcke)
beschrieben und 1999 validiert worden. Daneben können eine Vermehrung
mesenterialer LK, eine Erhöhung des enddiastolischen Flusses der AMS, eine kleine
Milz und eine große Gallenblase beobachtet werden.
Bei der ÖGD wird gehäuft eine kleinwulstige Berandung der duodenalen Falten (sog.
Muschelkammphänomen/shell sign bzw. Corazza-Zeichen) gefunden, die aber nicht
spezifisch für die Erkrankung ist und andererseits auch fehlen kann.
Hauptproblem der Zöliakie-Diagnostik bei Erwachsenen ist es daher, „daran zu
denken“.
Diagnostik: Bei entsprechendem Verdacht sollte eine Bestimmung des IgA-t-TGAutoantikörpers erfolgen. Die Gliadin-Antikörperbestimmung ist beim Erwachsenen
nicht hinreichend diagnostisch zuverlässig. Ca. 10% der Zöliakie-Patienten weisen
allerdings einen IgA-Antikörpermangel auf, sodass in diesen Fällen nur der IgG-t-TGAK zielführend ist.
13
Die Diagnose lässt sich bei positivem IgA-t-TG-AK zuverlässig durch tiefe, jenseits
der Papilla Vateri entnommene, multiple (• 4) Duodenalbiopsien sichern. Wichtiger
Aspekt ist die Quantifizierung der intraepithelialen Lymphozyten (IEL) durch den
Pathologen und die Graduierung der Mukosaläsion entsprechend der Einteilung nach
Marsh.
Der histologische Befund der endoskopisch durch Zangenbiopsien entnommenen
Duodenalmukosa ist weniger gleichförmig als im Biopsiematerial von Kindern, das
üblicherweise durch eine jejunale Saugbiopsie entnommen wird. Hier ist durch
Kapselendoskopie und Ballonenteroskopie mit jejunalen PE eine Verbesserung zu
erwarten. Der diagnostisch herausragende Wert dieser neuen Verfahren dürfte
jedoch in erster Linie die Erfassung von Langzeitkomplikationen (Adenokarzinom des
Dünndarms, ulzeröse Jejunitis DD intestinales T-Zell-Lymphom) betreffen. Der von
Corazza beschriebene endoskopische Aspekt bei der ÖGD (Muschelkammphänomen/shell-sign) ist nicht spezifisch und auch nicht hinreichend sensitiv, um
diagnostische Aussagen zu treffen, sollte jedoch in jedem Fall Anlass zu tiefen
Duodenalbiopsien sein.
Begleitend zur Diagnose der Sprue kann die detailliertere Erfassung nutritiver
Störungen und Komplikationen sinnvoll sein, wenn durch langjährigen Verlauf
Defizite klinisch relevant geworden sind (Vitaminmangel, Zn) oder Komplikationen
bestehen.
Die Therapie der einheimischen Sprue/Zöliakie mit einer glutenfreien Diät ist
notwendig, wirksam und ausreichend. „...but if the disease can be cured at all, it will
be by means of diet“ (Samuel Gee, 1888). Die diätetische Schulung ist condition sine
qua non in der Therapie der Zöliakie. Sie sollte kompetent und standardisiert
durchgeführt werden; hierfür existieren Schulungsmaterialien (DÄV). Überaus
sinnvoll ist zudem die Mitgliedschaft in der DZG (Deutsche Zöliakie-Gesellschaft), die
Betroffene und Angehörige mit aktuellen Informationen sowie Koch- und Küchentipps
versorgt und überdies Listen mit glutenfreien Nahrungsmitteln (und Tabletten) zur
Verfügung stellt.
Die glutenfreie Ernährung führt i. d. R. zu einer objektiv und subjektiv eindrucksvollen
Besserung der Beschwerden und des klinischen Gesamtbildes. 80% der Patienten
sprechen direkt auf die Therapie an, weitere 10–15% nach einer erneuten
Überprüfung der Ernährungsweise. Initial ist eine laktosearme Ernährung aufgrund
des sekundären Laktasemangels ratsam.
14
Sog. refraktäre Sprue-Formen sind verdächtig auf die Entwicklung eines intestinalen
Lymphoms. Bei primär eindeutigem Ansprechen auf die glutenfreie Ernährung und
einer danach eintretenden Verschlechterung der Symptomatik trotz Diättreue ist
ebenfalls an die Entstehung eines intestinalen Lymphoms als Komplikation der
langjährig unbehandelten Sprue zu denken. Die meisten derartigen Enteropathieassoziierten T-Zell-Lymphome (EATCL) werden im Erwachsenenalter wenige
Monate bis Jahre nach Diagnosestellung der Zöliakie diagnostiziert. Die Prognose
des EATCL ist i. d. R. ungünstig und wird durch Chemotherapie und Operation nur
gering beeinflusst. Auch dies ist ein Grund für die Prävention durch eine strikt
glutenfreie Kost und eine möglichst frühe Diagnose.
Die strikt glutenfreie Ernährung muss lebenslang erfolgen. Eine Liberalisierung nach
der klinischen Symptomatik muss unterbleiben, da die glutenfreie Ernährung nicht
nur das Ziel der Symptomfreiheit verfolgt, sondern auch eine langfristige Prävention
des bei der Zöliakie deutlich erhöhten Malignomrisikos. Dabei ist das allgemeine
Karzinomrisiko etwa doppelt so hoch wie in der Normalbevölkerung; etwa 10–15%
der Sprue-Patienten entwickeln meist gastrointestinale Tumoren. Das relative Risiko
für intestinale Lymphome ist demgegenüber etwa 80–100-fach erhöht. Wie Langzeitbeobachtungen (> 10 Jahre) zeigen, wird dieses Risiko durch eine konsequente
glutenfreie Ernährung völlig normalisiert, nicht jedoch durch eine zeitlich oder
inhaltlich inkonsequente Einhaltung einer „glutenfreien“ Diät.
Ob eine glutenfreie Ernährung auch für Patienten mit potenzieller Zöliakie (t-TG-AKpositiv, unauffällige Mukosa) empfohlen werden soll, ist gegenwärtig nicht geklärt.
Wenn die Diagnostik aufgrund einer intestinalen Symptomatik erfolgte, die auf eine
Zöliakie zurückgeführt werden kann, dann kann dies ein zweckmäßiges Vorgehen
sein; bewiesen ist die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens nicht.
15
Abb. 1: Einheimische Sprue, Marsh 3b
16
Abb. 2: Ultraschallmuster bei einheimischer Sprue (a,b). Multiple echoarme rundliche mesenteriale Lymphknoten (2–7 mm) bei Enteropathie-assoziiertem T-ZellLymphom als Komplikation der Zöliakie (c).
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Bernhard Lembcke
Medizinische Klinik
St. Barbara-Hospital
Katholische Kliniken Emscher Lippe
Barbarastr. 1
45964 Gladbeck
Tel.: (0 20 43) 2 78-55 01
Fax: (0 20 43) 2 78-55 09
E-Mail: [email protected]
17
Funktionelle Darmbeschwerden: Rationelle Diagnostik und
Therapie
H. Koop
Klinik für Innere Medizin II – Gastroenterologie, HELIOS Klinikum Berlin-Buch, Berlin
Funktionelle Darmbeschwerden sind eine häufige gastroenterologische Diagnose bei
ca. 4–7 Millionen Betroffenen in Deutschland, allerdings nimmt nur ein Teil ärztliche
Hilfe in Anspruch. Eine Einteilung der verschiedenen Entitäten innerhalb des Krankheitsbildes wird mit den Rom-Kriterien versucht (gegenwärtig gültige Fassung sind
die Rom-III-Kriterien).
In der Diagnostik spielt eine subtile Anamnese eine zentrale Rolle: Sie muss neben
den Krankheitssymptomen auch die Medikamentenanamnese und das psychosoziale Umfeld berücksichtigen. Besonders ist auf Alarmsymptome („red flags“) wie
Gewichtsabnahme, Blut im Stuhl, Fieber, nächtliche Stuhlentleerungen etc. zu
achten, da sie eine sofortige, gezielte und intensive Diagnostik erfordern. Wichtig ist
für die Diagnosestellung auch die Frage nach Symptomen von anderen Organsystemen (skelettomuskuläres Systems, Puls, Rückenbeschwerden, Schlafstörungen,
Kopfschmerzen etc.) wie eine gründliche körperliche Untersuchung.
Zur Basisdiagnostik zählen labormedizinische Untersuchungen mit einem begrenzten
Spektrum (Blutbild, CRP, K, Ca, Albumin, TSH). Die Indikation zur Bestimmung der
t-Transglutaminase-Antikörper sollte großzügig erfolgen. Vielfach wird – zumindest
im Verlauf – eine Koloskopie unverzichtbar sein, insbesondere beim Reizdarm vom
Diarrhö-Typ. Auf Biopsien sollte dann nicht verzichtet werden (in 4–6% findet sich bei
normalem makroskopischen Befund eine lymphozytäre, mikroskopische oder kollagene Kolitis).
Kontrovers wird beurteilt, ob H2-Atemtests mit Laktose bzw. Fruktose Teil der
obligaten Diagnostik darstellen. Nur wenn während des Tests, z. B. mit Laktose,
auch klinische Symptome auftreten, kann ein signifikanter Anstieg der H2-Exhalation
auch als klinisch relevant angesehen werden.
18
In der Therapie spielt die Aufklärung eine zentrale Rolle, insbesondere in der
hausärztlichen Praxis. Zwar erfordert dieses „explain and re-assure“ Zeit und ein
gewisses Engagement des Arztes für diese Gruppe von Kranken, aber dieser Ansatz
führt zu einem geringeren sonstigen Ressourcen-Verbrauch inkl. Schonung des
Arzneimittelbudgets. Es ist wichtig, dem Patienten eine positiv formulierte Diagnose
zu vermitteln (z. B. „Sie haben ein Reizdarm-Syndrom“) und nicht die negativen
Untersuchungsbefunde zu thematisieren („Sie haben nichts...“), weil der Patient den
Nachsatz „... am Kolon/Darm, sondern es handelt sich um eine funktionelle Störung“
schon nicht mehr wahrnimmt; im Übrigen kann der Normalbürger allenfalls nach
eingehender Erörterung mit dem Begriff „funktionelle Störung“ etwas anfangen.
In der medikamentösen Behandlung kommt dem Plazebo-Effekt eine bedeutende
Rolle zu; dieser darf ohne Vorbehalte auch sinnvoll in der Therapie von ReizdarmPatienten einbezogen werden, ohne als unethisch abgekanzelt zu werden.
Diätetische Empfehlungen werden zwar häufig ausgesprochen, ihre Wirksamkeit ist
aber begrenzt.
Patienten haben meist große Erwartungen an eine medikamentöse Therapie, die so
nicht erfüllt werden können, denn viele häufig eingesetzte Pharmaka halten
bezüglich ihrer Wirksamkeit einer Beurteilung nach Kriterien der „evidence-based
medicine“ nicht stand. Andererseits werden Substanzen wie Antidepressiva
vermutlich zu selten eingesetzt. Dies beruht nicht zuletzt auf Vorbehalten der
Patienten, denen gezielt begegnet werden muss: Ihre Wirksamkeit ist belegt, und sie
sollten den Patienten nicht als Mittel gegen eine Depression, sondern als „pain
modifier“ vermittelt werden. Je nach dominierenden Symptomen kommen trizyklische
Antidepressiva (häufig in niedriger Dosierung; vor allem bei Diarrhö-dominanten
Krankheitsbildern) als auch SSRI infrage. Wichtig erscheint, den hohen Erwartungsdruck auf die Wirksamkeit der Medikamente zu dämpfen.
In der Wahl möglicher Pharmaka sollte stets das Verhältnis von Wirksamkeit und
Nebenwirkungen im Auge behalten werden. Substanzen wie indischer Flohsamen,
aber auch Loperamid (bei Diarrhöen) bzw. Macrogol-haltige Substanzen (bei
Obstipation) haben gerade in dieser Hinsicht ein außerordentlich günstiges Profil.
19
Schwere Fälle, die sich vor allem in tertiären Zentren konzentrieren, stellen eine
besondere therapeutische Herausforderung dar. In diesem Kollektiv ist nicht selten
eine begleitende Psychotherapie unerlässlich.
Wichtig für den langfristigen Umgang mit Patienten mit funktionellen Beschwerden
ist, sich bei Zweifeln der Patienten an der Diagnose nicht wieder in diagnostische
Exzesse zu flüchten, weil dieses Vorgehen die Zweifel nur noch weiter steigert, der
Behandler glaube seiner Diagnose nicht. Andererseits ist sorgfältig darauf zu achten,
dass bei Symptomwandel (insbesondere bei Patienten jenseits eines Alters von
50 Jahren) dann notwendige Diagnostik unnötig hinausgeschoben wird.
20
Pathogenese chronisch entzündlicher Darmerkrankungen
S. Brand
Medizinische Klinik II, Klinikum der Universität München-Großhadern, München
Die Pathogenese chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED) ist trotz
intensiver Forschung immer noch nicht völlig geklärt. Es wird angenommen, dass bei
genetisch prädisponierten Personen sowohl exogene Faktoren (z. B. Bakterien) als
auch endogene Faktoren (z. B. eine gestörte intestinale Barrierefunktion) eine
chronische Dysregulation der mukosalen Immunantwort verursachen, die durch
zusätzliche Umweltfaktoren weiter verstärkt werden kann. Als Ursache für CED wird
gegenwärtig insbesondere eine inadäquate Immunantwort auf die endogene
mikrobielle Darmflora angesehen. Die Immunantwort beim Morbus Crohn ist vor
allem durch eine verstärkte Bildung von proinflammatorischen Th1- und Th17-Zytokinen wie IFN-Ȗ, TNF-Į, IL-17A und IL-22 gekennzeichnet, während bei der Colitis
ulcerosa verstärkt Th2-Zytokine wie IL-4 und IL-13 gebildet werden.
Große Fortschritte wurden in den letzten Jahren bei der Aufklärung von CED-Suszeptibilitätsgenen, insbesondere durch genomweite Assoziationsstudien, gemacht.
So wurden u. a. NOD2/CARD15, IL23R, ATG16L1, IRGM und SNPs in der
Chromosom-5p13.1-Region als genetische Risikomarker für den M. Crohn identifiziert. Die bisher umfangreichsten Studien liegen zu dem 2001 identifizierten
M. Crohn-assoziierten Suszeptibilitätsgen NOD2/CARD15 in der Kopplungsregion
IBD1 auf Chromosom 16q12 vor. NOD2 ist an der Erkennung des bakteriellen
Peptidoglykans Muramyldipeptid (MDP) beteiligt, wodurch die Sekretion antimikrobieller Peptide wie z. B. Defensinen stimuliert wird. Durch die mit M. Crohnassoziierten NOD2-Mutationen kommt es zu einer verminderten MDP-induzierten,
normalerweise protektiv wirkenden Chemokin- und Defensinsekretion und damit zur
verminderten Epithelbarrierefunktion mit verstärkter bakterieller Exposition des
intestinalen Epithels. 3 Varianten des NOD2-Gens sind mit M. Crohn aber nicht mit
Colitis ulcerosa assoziiert. Neben einer Insertionsmutation (1007insC in Exon 11)
wurden Varianten in Exon 4 (R702W) und Exon 8 (G908R) gefunden. Insbesondere
homozygote Merkmalsträger der 1007fs-Mutation als auch heterozygote Merkmalsträger für 1007fs und eine der anderen Mutationen (R702W oder G908R,
sogenannte „Compound“-Heterozygote) haben ein ca. 30–40-fach erhöhtes Risiko,
an einem M. Crohn zu erkranken. Allerdings sind nur etwa 4% der M. Crohn21
Patienten homozygote Merkmalsträger für die 1007fs-Mutation. In der weltweit bisher
größten durchgeführten Genotyp-Phänotyp-Analyse von homozygoten Merkmalsträgern für die 1007fs-Mutation konnten wir nachweisen, dass diese Patienten
signifikant häufiger einen ilealen Befall mit Stenosen und einen frühzeitigeren Krankheitsbeginn als Patienten mit Wildtyp-Allel haben.
Untersuchungen zum T280M-Polymorphismus für CX3CR1, dem Rezeptor für das
Chemokin Fractalkin, zeigten bei M. Crohn-Patienten, dass alle homozygoten Merkmalsträger ebenfalls einen ilealen Befall und Stenosen aufwiesen. Damit übereinstimmend konnten wir im Tierexperiment nachweisen, dass CX3CR1 essenziell
für die Aufnahme luminaler, bakterieller Antigene durch CX3CR1+ dendritische
Zellen im Ileum ist. Im Gegensatz dazu modulieren Mutationen im IL23R-Gen die
Expression des proinflammatorischen Th17-Zytokins IL-22, was deren Einfluss auf
die Krankheitssuszeptibilität des M. Crohn erklären könnte.
Zusammenfassend haben die genannten genetischen Marker, insbesondere das
Vorliegen einer Homozygosität für die 1007fs-NOD2/CARD15-Mutation, eine
wichtige Bedeutung für die diagnostische und prognostische Beurteilung von
Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, woraus sich auch
Implikationen für das therapeutische Management dieser Patienten ergeben.
Zusammenfassung: CED-Pathogenese
(1) Genetische Faktoren (z. B. CARD15/NOD2, IL23R, ATG16L1)
(2) Bakterien
(3)
(1) Genetische Prädisposition
(4)
(5)
(2) Bakterien
(3) Phagozytose von Bakterien
(4) Abwehr: Defensin
(6)
(5) Epithelbarriere
(7)
(6) Bakterielle Translokation
IL-12
EBI3
(7) APC-Aktivierung
IL-23
Th1/Th17: Morbus Crohn
IL-27
Th2-like: Colitis ulcerosa
IL-18
(8) Proentzündliche Zytokine
(8)
(9) Antientzündliche Zytokine
Th2
Th1 Th17
(10) Entzündung und ToleranzIL-5
IFN-γ IL-17A
verlust gegen kommensale
IL-13
IL-1β IL-17F
Bakterien
TNF-α IL-22
(9)
TNF-α
Treg
IL-26
IL-10
Morbus Crohn
Colitis ulcerosa
TGF-β
22
Histopathologische Diagnostik und Differenzialdiagnostik der
chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
G. Seitz
Institut für Pathologie, Klinikum am Bruderwald der Sozialstiftung Bamberg
Durch den zunehmenden Einsatz der Endoskopie wurde – wie für Tumore des
Gastrointestinaltrakts – auch die Diagnostik bei entzündlichen und insbesondere bei
chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) in frühere Krankheitsphasen
verlegt. Für die tägliche Diagnostik bedeutet dies, dass sowohl die Bilder in der
Endoskopie als auch in der Histologie nicht bzw. noch nicht typisch für eine CED
sind, und zudem anamnestische Angaben wenig hilfreich sind. Somit ist in frühen
Phasen einer CED die Abgrenzung von einer protrahiert abklingenden infektiösen
Kolitis bzw. Enterokolitis nicht zuverlässig möglich.
Erklärt werden kann dieses diagnostische Problem durch das ätiopathogenetische
Konzept „der gestörten Barriere“, das in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnt. Demnach liegt den CED eher eine defiziente Immunantwort, denn ein
überschießendes Immunsystem zugrunde.
Hilfreich für die Differenzialdiagnostik dieser Fälle kann sein, dass beim Morbus
Crohn in über 60% der Fälle eine Beteiligung des oberen GI-Trakts auch bei
endoskopischem „Normalbefund“ nachzuweisen ist. Durch die Fortschritte in der
Gastritisdiagnostik (infolge des Helicobacter-Nachweises) ist es möglich, die Beteiligung von Magen- und Duodenalschleimhaut im Rahmen eines M. Crohn auch ohne
Nachweis von Riesenzellen und Epitheloidzellgranulomen sicher von anderen entzündlichen Veränderungen abzugrenzen.
Da die Crohn-Gastritis nicht in das übliche „ABC der Gastritis“ passt, kann durch den
Nachweis einer diskontinuierlichen Entzündung in der Magenschleimhaut eine
Abgrenzung zum einen gegenüber der Colitis ulcerosa und zum anderen gegenüber
einem Infekt durchgeführt werden.
In einem Teil der Fälle ist die diskontinuierliche Gastritis auch der erste histologische
Hinweis auf das Vorliegen eines M. Crohn, bisweilen können diese Veränderungen
im oberen GI-Trakt der Manifestation eines M. Crohn im unteren GI-Trakt um
mehrere Jahre vorauseilen.
23
Durch den breit gestreuten und frühen Einsatz der Endoskopie mit Biopsieentnahme,
haben die Pathologen inzwischen große Erfahrung in den differenzialdiagnostisch zu
erwägenden Kolitiden und können am Biopsiematerial die ischämische Kolitis, die
pseudomembranöse Kolitis, die NSAR-induzierte Kolopathie, etc. zuverlässig von
einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung abgrenzen.
Oftmals eine große diagnostische Herausforderung stellt auch die Unterscheidung
zwischen zufälligem Zusammentreffen von sporadischem Adenom und CED auf der
einen Seite und CED mit Kolitis-assoziierter intraepithelialer Neoplasie (sog. DALM)
dar. Die Unterscheidung ist essenziell, da die therapeutische Konsequenz sehr
unterschiedlich ist. Der Nachweis einer Kolitis-assoziierten Neoplasie kann die
Indikation zur totalen Proktokolektomie darstellen, während bei einem zufälligen
Zusammentreffen von Colitis ulcerosa und sporadischem Adenom eine Polypektomie
als therapeutische Maßnahme reicht.
Anfang der 90er-Jahre wurden von Stolte und Mitarbeitern Kriterien für die Diagnose
zwischen Adenom und Kolitis-assoziierter Neoplasie erarbeitet: Patienten mit Kolitisassoziierter Neoplasie sind signifikant jünger als Patienten mit Adenomen, zudem
liegen gehäuft multifokale Läsionen vor. Hilfreich in der Differenzialdiagnose ist
neben dem Patientenalter auch die Dauer der Kolitis, zudem sollte darauf geachtet
werden, dass die Untersuchung in der Remissionsphase erfolgt, um die Differenzialdiagnose gegenüber reaktiven Kernveränderungen zu erleichtern.
24
Aktuelle konservative Therapie von chronisch entzündlichen
Darmerkrankungen
M. Raithel
Funktionelle Gewebediagnostik, Gastroenterologie, Universitätsklinikum ErlangenNürnberg
Beim Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa gelten in den Leitlinien für die
Standardtherapie beim leichten bis mäßig schweren Schub 5-Aminosalicylate, beim
mäßig schweren bis hochaktiven Schub Kortikosteroide als die primär anzuwendenden Basistherapeutika. Während die Rolle der 5-Aminosalicylsäure (5-ASA) bei
der Colitis ulcerosa sowohl bei der Akut- als auch bei der Erhaltungstherapie gut
etabliert ist, liegen beim M. Crohn bezüglich der notwendigen Dosierung, der
verschiedenen galenischen 5-ASA-Verbindungen und ihrer Effektivität widersprüchliche Daten vor. Es finden sich allerdings zunehmend Hinweise, dass die
antientzündlich wirkende 5-ASA ausreichend hoch (mindestens 3–4,5 g/Tag) dosiert
werden muss, um tatsächlich beim akuten Schub des M. Crohn eine klinische
Effektivität zu entwickeln (mittlere Remissionsraten 35–45%). Die Remissionsraten
einer 5-ASA-Behandlung können bei bestimmten Patientengruppen mit M. Crohn
durch die orale Anwendung von hypoallergenen Flüssigkostpräparaten (enterale
Ernährung mit Aminosäuren-, Oligopeptid- oder Polymerdiät) weiter gesteigert
werden. Die Kombination von 5-ASA und Ernährungstherapie bietet somit beim
mäßig aktiven Schub eine gute Alternative für systemisch wirksame Steroide.
Im Vergleich zu dem topisch wirksamen Steroid Budesonid erreicht die 5-ASA beim
M. Crohn eine geringere Remissionsrate (ca. 62% vs. 40%). Budesonid ist klinisch
jedoch nicht stärker als das klassische Standardsteroid Prednisolon (Remissionsraten ca. 65–75%). Budesonid, das topisch wirksam ist, eignet sich aufgrund seiner
pharmakokinetischen Eigenschaften primär nur zur Behandlung der intestinalen
Befallsmanifestationen eines M. Crohn (hauptsächlich ileozökaler Befall oder
Lokaltherapie von Sigma und Rektum mit Klysmen). Beim Vorliegen von
extraintestinalen Krankheitserscheinungen sollten entweder systemisch wirksame
Steroide verabreicht oder – bei Steroidabhängigkeit – die klassischen Immunsuppressiva eingesetzt werden. Beim M. Crohn sind im chronisch aktiven Stadium,
refraktär auf Steroide und 5-ASA, Azathioprin und 6-Mercaptopurin angezeigt, bei
der Colitis ulcerosa Ciclosporin oder Tacrolimus.
25
Beim derzeitigen Stand der Therapiestudien stellen Probiotika nur eine Therapiemöglichkeit für die Erhaltungstherapie bei der Colitis ulcerosa mit dem E. coli-NisslePräparat dar. Inwieweit andere Bakterienstämme und Prebiotika (z. B. Inulin,
Oligosaccharide) hier in Zukunft eine bedeutende Rolle erhalten werden, lässt sich
derzeit weder für den M. Crohn noch für die Colitis ulcerosa abschließend exakt
beurteilen.
Wenn die oben aufgeführten primären Therapiestrategien nicht erfolgreich sind,
können zusätzlich Antibiotika wie Metronidazol oder Ciprofloxacin als weitere
Therapeutika für den akuten, primär therapierefraktären Schub oder das chronische
anhaltende Fistelleiden herangezogen werden. Weitere konservative Therapiealternativen stellen bei der Therapieeskalation (Step-up-Prinzip) Methotrexat und
anti-TNF-Antikörper dar, die allerdings erst bei Unwirksamkeit der oben geschilderten
Standardtherapeutika aufgrund ihres höheren Nebenwirkungsspektrums zum Einsatz
kommen sollten.
Sofern bei einer deutlich erhöhten Krankheitsaktivität kein chirurgisches Vorgehen
geplant ist, empfiehlt sich als Reservetherapie in Zukunft die Anwendung von
verschiedenen anti-TNF-Antikörpern, alleine oder in Kombination mit Methotrexat,
Azathioprin oder 6-Mercaptopurin. Dies betrifft insbesondere die Therapie mit
Infliximab (monoklonaler chimärer IgG1-Ak), Adalimumab (humaner monoklonaler
IgG1-Ak) und möglicherweise bald auch Certolizumab (pegyliertes Fab-AkFragment). Während Infliximab (Zulassung für M. Crohn und Colitis ulcerosa sowie
für Kinder) eine rasche Wirksamkeit besitzt, diese aber aufgrund von Antikörperbildungen gegen Infliximab mittel- bis langfristig verlieren kann (humane anti-chimäre
Antikörper HACA) und damit auch Nebenwirkungen/Unverträglichkeiten assoziiert
sind, versprechen zukünftige anti-TNF-Ak (Adalimumab, Certolizumab) eine bessere
Verträglichkeit. Da sie subkutan applizierbar sind, wird damit auch mehr Freiheit für
die Anwendung durch den Patienten erreicht. Die Wirksamkeit aller 3 genannten
Anti-TNF-Antikörper, geprüft in einem an die ACCENT-II-Studie angelehnten
Studiendesign, liegt bei ca. 1-jähriger Beobachtungsdauer im Bereich von ca.
35–45% anhaltender Remission. Die hohen Kosten der Therapie mit anti-TNFAntikörpern und die fehlenden Kenntnisse über die möglichen Langzeitwirkungen
dieser Therapie (z. B. Autoimmunphänomene, Infektion, Immunsuppression etc.)
sollten bislang immer noch Anlass dazu sein, oben gezeigte primäre Therapiestandards konsequent und hoch dosiert zu durchlaufen, ehe bei solchen therapierefraktären Patienten die verschiedenen anti-TNF-Prinzipien zur Anwendung kommen.
26
Ein primärer Beginn der Behandlung der chronisch entzündlichen Darmerkrankung
mit anti-TNF-Antikörpern (Top-down-Strategie) wird in Europa abgelehnt. Der
Vergleich zwischen der Step-up- und der Top-down-Strategie zeigte, dass nach
längerer Beobachtungsphase beide Therapieprinzipien für den Patienten ähnliche,
mäßig
gute
Ergebnisse
erbrachten,
sodass
unter
Berücksichtigung
der
Nebenwirkungsraten der frühzeitige Einsatz von anti-TNF-Antikörpern zurückhaltend
beurteilt werden sollte.
Weitere Therapiealternativen für die Zukunft könnten die Apherese, Interleukin-12Antikörper, Mycophenolat-Mofetil oder Cyclophosphamid darstellen. Diese sind
derzeit nicht für die Routine zugänglich und sollten nur für kontrollierte Studien in
Zentren verwandt werden.
27
Diagnostik von Fisteln
C. Pehl
Medizinische Klinik, Krankenhaus Vilsbiburg
Etwa jeder fünfte Patient mit Morbus Crohn erleidet im Krankheitsverlauf eine Fistel.
Bezüglich der Diagnostik ist zwischen enteralen Fisteln und den weitaus häufigeren
perianalen Fisteln zu unterscheiden. Die Entwicklung von enteralen Fisteln wird
begünstigt durch eine Stenosierung in Kombination mit einer – zumeist oral der
Stenose gelegenen – transmuralen Entzündung. Das Risiko für das Auftreten einer
perianalen Fistel steigt bei einem Crohn-Befall des Kolons und ist besonders hoch
bei einer Crohn-Proktitis.
Hinweise auf das Vorliegen einer enteralen Fistel können bereits Anamnese und
klinischen Untersuchung liefern. Luft und Stuhlabgang mit dem Urin sprechen für
eine enterovesikale Fistel. Differenzialdiagnostisch ist bei einer Frau an eine
rektovaginale Fistel zu denken. Eine enterokutane Fistel zeigt sich durch den Hautporus mit Sekretion von Darminhalt.
Die Diagnostik enteroenteraler Fisteln erfolgt mittels radiologischer Verfahren, aber
auch die Endoskopie und Sonografie können diagnostisch hilfreich sein. Endoskopisch sichtbare Fistelöffnungen sind selten so groß, dass eine Passage möglich
ist. Es kann jedoch versucht werden, den Porus mit einem ERCP-Katheter zu
sondieren und durch Kontrastmittel (KM)-Gabe die Fistel sowie die verbundenen
Darmregionen darzustellen. Bei den häufig schlanken Crohn-Patienten können
Fistelverläufe, insbesondere bei enterokutanen Fisteln, durchaus auch einmal
sonografisch exakt darstellbar sein.
Bei den radiologischen Verfahren sind die klassischen KM-Darstellungen (Enteroklysma, Kolon-Kontrasteinlauf, Fistelfüllung) in der Crohn-Diagnostik weitgehend
zugunsten des Mehrzeilen-CT und des Kernspin (z. B. MR-Enteroklysmas) verlassen
worden. Die Differenzialindikation hängt weitgehend von den vorhandenen Geräten
und der radiologischen Expertise ab. Aufgrund des häufig jungen Alters der
betroffenen Patienten ist allerdings das Kernspin als Primärdiagnostikum zu
bevorzugen.
28
Eine suffiziente Diagnostik perianaler Crohn-Fisteln ist nur möglich bei profunden
Kenntnissen der komplexen Anatomie im Bereich des Analkanals. Dabei sind die
anatomischen Unterschiede zwischen Mann und Frau zu beachten. Während die
Nicht-Crohn-Fisteln der Perianalregion nahezu immer von den Analkrypten
ausgehen, können die Crohn-Fisteln ihren Ursprung auch etwas „höher“ von einer
ulzerierenden Entzündung am anorektalen Übergang nehmen. Dadurch ist der
gesamte Fistelverlauf länger, und größere Bereiche des Sphinkterapparats werden in
Mitleidenschaft gezogen. Entsprechend wird bei den perianalen Crohn-Fisteln
vielfach zwischen „einfachen“ Fisteln und „komplexen“ Fisteln unterschieden. Die
einfachen Fisteln entwickeln sich kryptoglandulär, involvieren maximal die unteren
zwei Drittel des Sphinkterapparats und verlaufen als intersphinktäre oder transsphinktäre Fisteln. Eine weitere Subklassifikation dieser Fisteln kann entsprechend
z. B. der Parks-Klassifikation von kryptoglandulären Fisteln erfolgen. Als komplex
bezeichnet man Crohn-Fisteln, die ihren Ursprung von einer ulzerösen Proktitis
nehmen, die Verzweigungen im Fistelverlauf (Sekundärgänge bis hin zu einem
Fuchsbaussystem der Gänge) aufweisen, die einen hufeisenförmigen Verlauf um
den Analkanal nehmen sowie Fisteln, die hohe Abschnitte der Analsphinkteren oder
den M. puborectalis durchbrechen.
An die Diagnostik der perianalen Crohn-Fisteln werden hohe Erwartungen gestellt.
Es sollen die innere Fistelöffnung, der exakte Fistelverlauf inklusive aller Sekundärgänge, mögliche Komplikationen wie Abszesse sowie die äußere Fistelöffnung
dargestellt werden. Zu Beginn der Diagnostik stehen die Inspektion (äußere Fistelöffnung? Abszess?), die rektale Untersuchung (tastbarer Fistelgang?) und die
Proktoskopie (innere Fistelöffnung? Crohn-Proktitis). Diese Untersuchungen müssen
bei einer perianalen Crohn-Fistel durch ein bildgebendes Verfahren ergänzt werden.
Hierzu sind, je nach lokaler Expertise, die Endosonografie und die Kernspinuntersuchung geeignet. Vorteil der Endosonografie ist die rasche Verfügbarkeit, auch
im Operationssaal, und der Kostenvorteil. Vorteil des Kernspins ist die bessere
Auflösung im Fernbereich (Abszessdarstellung, extrasphinktäre Fisteln). Die Endosonografie sollte bei Vorliegen einer äußeren Fistelöffnung als kontrastverstärkte
EUS durchgeführt werden. Hierbei wird über die äußere Fistelöffnung Wasserstoffperoxid (alternativ auch Echo-Kontrastmittel oder „aufgeschüttelte“ NaCl-Lösung)
instilliert. Dies führt zu einem starken Echosignal im Bereich der Fistelgänge und
erleichtert
die
Darstellung
des
Verlaufs,
insbesondere
das
Vorliegen
von
Sekundärgängen. Diese müssen, falls operative Maßnahmen in Betracht kommen,
29
erkannt und operativ mitbehandelt werden, da es sonst zwanghaft zum Rezidiv
kommt.
Falls ein operatives bzw. kombiniert medikamentös-operatives Konzept in der
Therapie perianaler Crohn-Fisteln interdisziplinär geplant wurde, weist die Kombination eines bildgebenden Verfahrens (EUS und/oder MR) mit einer NarkoseProktoskopie durch einen erfahrenen proktologischen Chirurgen die höchste
Sensitivität in der Diagnostik auf. Dabei kann sich der Operateur auf die Spezifität
der EUS-/MR-Befunde verlassen bzw. muss die aufgezeigten Gänge alle aufsuchen
– auch wenn primär nicht tast- oder sondierbar – um ein Rezidiv zu vermeiden.
30
Therapie der Fisteln bei Morbus Crohn
T. Ochsenkühn
CED-Zentrum, Medizinische Klinik II, Klinikum der Universität München-Großhadern,
München
Bisher wurden Fisteln beim Morbus Crohn als eigenständige extraintestinale
Komplikation betrachtet und entsprechend isoliert therapiert, da kausale Zusammenhänge mit Veränderungen im Darm nicht wahrgenommen wurden. Zum einen wurde
uns in den letzten Jahren jedoch bewusst, dass eine langfristige Sanierung der
Fisteln einer profunden und dauerhaften antientzündlichen Therapie bedarf und oft
mit chirurgischen Resektionen kombiniert werden muss. Zum anderen konnte vor
Kurzem gezeigt werden, dass Fisteln meist mit dem Auftreten von entzündlichen
oder fibrotischen Engstellen im Darm einhergehen, auch wenn keine offensichtlichen
Fistelverbindungen von der Enge zur Fistel vorzuliegen scheinen. Als Konsequenz
daraus wird eine Fisteltherapie daher in erster Linie aus einer Therapie des
luminalen M. Crohn bestehen, d. h., ist der luminale Befall saniert, sind in den
meisten Fällen auch die Fisteln saniert.
Vor der Behandlung von Fisteln sollte zunächst eine abdominale Schichtbildgebung
zur Abschätzung des Entzündungsumfangs im und um den Darm sowie im Fistelbereich durchgeführt werden. Abszesse, die sich hierbei häufig darstellen, müssen
punktiert und drainiert werden. Liegt eine schwere Entzündung vor, lohnt es sich
zunächst, eine voll parenterale Ernährung unter Antibiose einzuleiten, und damit eine
Entspannung der akut entzündlichen Situation herbeizuführen. Steroide, die mit einer
erhöhten perioperativen Morbidität und Komplikationsrate verbunden sind, sollten
hier nicht eingesetzt werden.
Im weiteren Verlauf kann dann die Diagnostik vervollständigt werden. Der Einsatz
der MRT-Enteroklysistechnik ist hierbei oft weiterführend, oft finden sich hier die
entzündlichen oder entzündlich-fibrotischen Darmsegmente. Wenn die Entzündung
im Vordergrund steht, lohnt sich der Einsatz von Infliximab. Wenn es auch hierunter
nicht zur Remission kommt, sollte eine operative Sanierung der Darmsegmente
überprüft werden. Kann hingegen die Remission erreicht werden, ist die Fortsetzung
der Infliximab-Therapie sinnvoll. Wenn der Patient vorher noch kein Azathioprin
erhalten hatte, kann dies dann rasch begonnen und ggf. nach 3 Monaten als
Monotherapie weitergeführt werden.
31
Moderne chirurgische Therapie bei CED und Karzinom
G.A. Pistorius
Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie, Klinikum am Bruderwald der
Sozialstiftung Bamberg
Galt noch vor Jahren die primäre Ileozökalresektion als Therapie der Wahl bei der
Ileitis terminalis und die frühe Kolektomie als Standardtherapie bei der Colitis
ulcerosa, so hat sich durch zunehmende konservative Therapiemöglichkeiten das
OP-Spektrum bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen deutlich verändert.
So spielen auch in der primären Komplikationsbeherrschung die medikamentöse
Therapie und interventionelle Maßnahmen eine immer größere Rolle mit dem Ziel,
die Patienten frühelektiven Operationen zuführen zu können. Daher werden
zunehmend die Patienten erst später nach Versagen der konservativen Therapie
oder notfallmäßig bei nicht beherrschbaren Komplikationen zur Chirurgie vorgestellt.
Im Rahmen elektiver Eingriffe hat der Stellenwert der laparoskopischen und primär
kontinenzerhaltenden Operationen in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen.
So stellen die laparoskopische Dünndarmsegmentresektion, die laparoskopische
Ileozökalresektion oder aber auch die Kolektomie mit laparoskopisch assistiertem
ileoanalem Pouch heute etablierte Verfahren dar. Viele Daten sprechen für die
primäre Anlage eines ileoanalen Pouches bereits im Rahmen des Primäreingriffs bei
der Colitis ulcerosa. In der Notfallsituation und nach langfristiger konservativer
Therapie, insbesondere mit Infliximab, ist die perioperative Komplikationsrate erhöht,
die laparoskopischen oder primär kontinenzerhaltenden Operationen kommen daher
nur in Ausnahmen zur Anwendung.
Insbesondere bei diesen Patienten ist eine enge interdisziplinäre Abstimmung der
Therapie notwendig.
Kontrovers diskutiert wird bei der Colitis Crohn der Stellenwert der segmentalen
Kolonresektion versus der totalen Kolektomie in Bezug auf Rezidiv- und Reoperationsrate. Hier gibt es aufgrund der vorliegenden Publikationen eine widersprüchliche
Datenlage.
Das Resektionsausmaß und prinzipielle chirurgische Vorgehen ist in der Therapie
kolorektaler Karzinome seit Jahren unstrittig. Die Kontroverse über den Stellenwert
der laparoskopischen Resektion beim Karzinom ist noch nicht beigelegt. Unstrittig ist,
32
dass prinzipiell unter onkologischen Gesichtspunkten bei entsprechender Erfahrung
des Operateurs die laparoskopische Resektion der konventionellen gleichwertig sein
kann. Die Vorteile innerhalb der ersten postoperativen Phase sind deutlich
unbedeutender und geringer geworden, seit mit Einführung des Fast-track-Konzepts
eine intensivere Auseinandersetzung mit der präoperativen Vorbereitung, der
postoperativen Schmerztherapie, Mobilisation und Kostaufbau stattgefunden hat.
Anhaltend ist die Diskussion um das optimale Vorgehen bei synchronen Lebermetastasen in vollem Gange. Das Spektrum reicht von der primären Leberresektion
im Rahmen der Kolon/Rektumresektion über Lokalablation und Resektion im Intervall
bis zur Chemotherapie als „Test-of-time“ und zweizeitige Resektion. Aktuell wird aber
auch die Leberresektion als Primäreingriff bei kleinem Primarius und die Kolon/
Rektumresektion im Intervall diskutiert.
Da
auch
durch
die
etablierte
neoadjuvante
Radiochemotherapie
beim
Rektumkarzinom die kontinenzerhaltenden Resektionen zugenommen haben, kommt
der postoperativen Funktion (Kontinenz) besondere Bedeutung zu. Hier haben sich
als Ergänzung zur direkten kolorektalen Anastomose verschiedene Pouchkonstruktionen etabliert. Bei kleinen Karzinomen kommen lokalen Therapien wie der
Vollwandexzision oder der transanal-endoskopischen Resektion (= transanal
endoskopisch mikrochirurgische Abtragung, TEM) zunehmend Bedeutung zu. Auch
die alleinige Radiochemotherapie wird von einigen Autoren diskutiert. Bei ausgewählten Patienten, insbesondere mit hohem Alter und hoher Komorbidität stellt auch
die lokale supraanale Tumordestruktion eine Palliativmaßnahme dar, die auf längere
Sicht einen Anus praeter vermeiden hilft.
33
Aktuelle Chemotherapie beim kolorektalen Karzinom
R.-M. Zippel
Medizinische Klinik II, Zentrum Innere Medizin, Klinikum am Bruderwald der
Sozialstiftung Bamberg
Darmkrebs ist nach Angaben der Gesellschaft für epidemiologische Krebsregister in
Deutschland e.V. heute die zweithäufigste Krebserkrankung für Männer und Frauen.
Die jährliche Rate an Neuerkrankungen beträgt über 70.000, die relative 5-JahresÜberlebenszeit liegt bei 56%.
Die Chemotherapie beim kolorektalen Karzinom hat ihren Standort im interdisziplinären Behandlungskonzept. Für die systemische Behandlung stehen zum einen
Zytostatika wie 5-Fluorouracil, Mitomycin C, orale Fluoropyrimidine wie Capecitabin
und Uracil plus Tegafur, Irinotecan und Oxaliplatin zur Verfügung. Zum anderen sind
in den letzten 5 Jahren 3 monoklonale Antikörper für die Behandlung des Darmkrebses zugelassen worden: Cetuximab und Panitumumab gegen den epidermalen
Wachstumsfaktor von Darmkrebszellen (EGFR) sowie Bevacizumab gegen den
vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF), der die Gefäßneubildung von
Tumoren und die Metastasierung fördert.
Mit den genannten Substanzen lassen sich die Remissionsraten (ORR), das
progressionsfreie Überleben (PFS) und das Gesamtüberleben (OS) bei metastasiertem Darmkrebs verbessern.
Bei der aktuellen Chemotherapie kolorektaler Karzinome stellen sich heute folgende
Fragen:
Ist es sinnvoll, mehrere Substanzen zu kombinieren? Für die adjuvante
Chemotherapie des Kolonkarzinoms im Stadium III nach UICC hat die MOSAICStudie diese Frage insofern beantwortet, als die Kombination von 5-Fluorouracil und
Oxaliplatin einen signifikanten Vorteil im krankheitsfreien Überleben (DFS) und
Gesamtüberleben (OS) gegenüber der Monotherapie mit 5-Fluorouracil zeigen
konnte.
Wie ist die optimale Therapiesequenz? Die CAIRO-Studie zeigte zwar einen
signifikanten Vorteil des Ansprechens bei der primären Kombinationstherapie im
Vergleich zur sequenziellen Gabe der Einzelsubstanzen, der Unterschied im
Gesamtüberleben des metastasierten kolorektalen Karzinoms, der primäre Endpunkt
der Studie, ließ jedoch keine Signifikanz erkennen. Für die Therapieabfolge der
34
Schemata FOLFOX ĺ FOLFIRI gegenüber FOLFIRI ĺ FOLFOX zeigt sich ebenfalls
kein Unterschied.
In der Ära der verfügbaren monoklonalen Antikörper hat die EORTC (European
Organisation of Research and Treatment of Cancer) eine Leitlinie für die sequenzielle Chemotherapie herausgegeben, die u. a. eine Nicht-Unterlegenheit von
verschiedenen Kombinationstherapien bei Darmkrebs aufzeigt.
Wie ist die optimale Therapiedauer beim kolorektalen Karzinom? Für die adjuvante
Chemotherapie gelten derzeit 6 Monate als Standard. In der metastasierten Situation
konnte z. B. die OPTIMOX-Studie in der Deeskalation (Pause von Oxaliplatin)
zumindest keinen Nachteil gegenüber einer gleichbleibenden Dauertherapie mit
Oxaliplatin beweisen.
Wie lauten die Therapieziele bei Darmkrebs? Die Überlebensvorteile der adjuvanten
Chemotherapie beim Kolonkarzinom Stadium III UICC gegenüber der Beobachtung
nach Operation sind aufgrund der Datenlage mehrerer Studien abgesichert. Für das
fortgeschrittene Rektumkarzinom konnte die neoadjuvante Radiochemotherapie eine
Reduktion der Lokalrezidivrate gegenüber der alleinigen Beobachtung nach
Operation von 35% auf 6% erzielen, gegenüber der adjuvanten Radiochemotherapie
von 11% auf 6%.
Aggressive
Kombination
Chemotherapiekombinationen
von
FOLFIRI
mit
wie
Cetuximab
z. B.
FOLFIRINOX
(CRYSTAL-Studie)
oder
eine
können
die
R0-Resektionsrate primär irresektabler Lebermetastasen erhöhen.
Zusammenfassend müssen die verfügbaren Medikamente in der aktuellen Chemotherapie beim kolorektalen Karzinom sinnvoll eingesetzt werden, laufende Studien
sollen weitere Verbesserungen erzielen. Selbstverständlich ist ein interdisziplinäres
Konzept in der Behandlung des Darmkrebses zu fordern, wie es z. B. in der
regelmäßig stattfindenden Tumorkonferenz mit Gastroenterologen, Onkologen,
Chirurgen, Strahlentherapeuten, Radiologen und Pathologen realisiert werden kann.
Dennoch bleibt letztlich die jeweilige Therapieentscheidung in Anlehnung an
Leitlinien für den Patienten individuell, sie muss sich auch nach Kriterien wie
biologisches Alter, Komorbidität, psychosozialer Status und der Lebensplanung des
Krebspatienten richten.
35
Interdisziplinäre Darmkrebszentren: Fortschritt oder notwendiges Übel
C. Pox
Medizinische Universitätsklinik, Knappschaftskrankenhaus, Bochum
Jährlich erkranken in Deutschland über 70.000 Patienten an Darmkrebs, etwa 27.000
versterben an den Folgen der Erkrankung. Durch den Einsatz neoadjuvanter und
adjuvanter Verfahren sowie optimaler chirurgischer Techniken ist eine Verbesserung
des krankheitsfreien Überlebens möglich. Des Weiteren existiert eine S3-Leitlinie der
AWMF, in der klare Empfehlungen zu Diagnostik und Therapie des kolorektalen
Karzinoms gegeben werden. Daten legen jedoch nahe, dass einem nicht unerheblichen Anteil der Patienten eine leitliniengerechte Therapie vorenthalten wird.
Die
Etablierung
von
zertifizierten
Darmkrebszentren
durch
die
Deutsche
Krebsgesellschaft (DKG) wurde als eine Möglichkeit gesehen, die in der S3-Leitlinie
zum kolorektalen Karzinom formulierten Empfehlungen umzusetzen. Hierdurch soll
die Versorgungsqualität der Darmkrebspatienten nachhaltig verbessert werden. Der
Begriff Darmkrebszentrum ist nicht geschützt und daher keine Garantie für eine
optimale Behandlung. Eine externe Zertifizierung nach festgelegten Kriterien durch
speziell ausgebildete Fachexperten soll im Unterschied hierzu eine objektive
Beurteilung der Behandlungsqualität gewährleisten.
Ein Darmkrebszentrum ist interdisziplinär aufgebaut und umfasst klinische und
ambulante Kernleistungserbringer: Gastroenterologen, Viszeralchirurgen, Onkologen, Strahlentherapeuten, Pathologen und Radiologen. Es kann sich auf einen,
aber auch auf mehrere Standorte verteilen. Eine facharztkompetente Vertretung
muss gewährleistet sein, sodass an jedem Standort jeweils 2 Kernleistungserbringer
erforderlich sind. Hinzu kommen wichtige Supportbereiche wie Psychoonkologen,
Palliativtherapeuten, Sozialarbeiter und Selbsthilfegruppen. Für die einzelnen
Bereiche eines Darmzentrums wurden in einem Anforderungskatalog der DKG
(abrufbar unter www.onkozert.de) Voraussetzungen als Qualitätsmerkmale definiert.
So
müssen
pro
Zentrum
und
Jahr
mindestens
400
Koloskopien
und
100 Polypektomien nachgewiesen werden. Pro operativem Standort wurden
50 kolorektale Karzinomoperationen inkl. 20 Operationen von Rektumkarzinomen
definiert. Pro Operateur müssen pro Jahr 25 kolorektale Karzinomoperationen und
10
36
Rektumkarzinomoperationen
durchgeführt
werden.
Onkologisch
müssen
wenigstens 50 Patienten chemotherapeutisch in adjuvanter, neoadjuvanter oder
palliativer Intention versorgt werden. Darüber hinaus sind erforderlich: ein QM-System mit schriftlicher Hinterlegung von Abläufen und Verfahrensanweisungen (in der
Regel in Form eines Qualitätshandbuchs), eine einheitliche Dokumentation, ein
Tumordokumentationssystem sowie ein QM-Beauftragter an jedem Standort eines
Zentrums.
Die Zertifizierung der Darmkrebszentren erfolgt durch „Onkozert“, die offizielle
Zertifizierungseinrichtung der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG). Für die Zertifizierung wurde von der DKG ein „Erhebungsbogen für Darmkrebszentren“
veröffentlicht, der über die Homepage von der DKG und Onkozert abgerufen werden
kann und Grundlage für die Zertifizierung darstellt. Die im Rahmen der Zertifizierung
erforderliche Begehung (Auditierung) vor Ort erfolgt durch speziell ausgebildete und
geprüfte Fachexperten, die von der DKG ernannt werden. Voraussetzung für eine
Zertifizierung durch die DKG ist neben der Erfüllung aller im Erhebungsbogen
genannten Kriterien eine QM-Zertifizierung der beteiligten Bereiche z. B. nach DIN
ISO oder KTQ. Sofern diese noch nicht vorhanden ist, erfolgt zeitgleich zur
Überprüfung der fachlichen Anforderungen eine Begehung durch einen Auditor einer
QM-Zertifizierungsstelle.
Das Konzept der Darmkrebszentren hat mittlerweile eine erfreuliche Akzeptanz
erreicht. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind im Auftrag der DKG 52 Zentren
zertifiziert worden, wodurch etwa 10% aller Patienten mit der Erstdiagnose Dickdarmkrebs in einem Darmzentrum operiert werden. Eine Umfrage der zertifizierten
Zentren hat ergeben, dass diese mit dem Zertifizierungsprozess zufrieden sind. Als
wesentliche Bereicherung wird die klar strukturierte interdisziplinäre Zusammenarbeit
gesehen. Inwieweit durch die Strukturen und Abläufe in einem Darmzentrum die zu
erwartende verbesserte Ergebnisqualität erreicht wird, werden die Ergebnisse der
jährlich stattfindenden Überwachungsaudits zeigen. Für eine flächendeckende
Versorgung werden jedoch mindestens 250 Zentren erforderlich sein.
Korrespondenzadresse:
Dr. Christian Pox
Medizinische Klinik
Ruhr-Universität Bochum
Knappschaftskrankenhaus
In der Schornau 23–25
44892 Bochum
[email protected]
37
Anschriften der Referenten und Vorsitzenden
PD Dr. S. Brand
Medizinische Klinik II
Klinikum der Universität
München-Großhadern
Marchioninistr. 15
81377 München
Dr. M. Götz
I. Medizinische Klinik
Johannes-Gutenberg-Universität
Langenbeckstr. 1
55131 Mainz
Prof. Dr. H. Koop
Klinik für Innere Medizin II
Gastroenterologie
HELIOS Klinikum Berlin-Buch
Schwanebecker Chaussee 50
13125 Berlin
Prof. Dr. B. Lembcke
Medizinische Klinik
St. Barbara Hospital
Katholische Kliniken
Emscher Lippe
Barbarastr. 1
45964 Gladbeck
PD Dr. A. May
Innere Medizin II
HSK Dr. Horst Schmidt Klinik
Ludwig-Erhard-Str. 100
65199 Wiesbaden
PD Dr. T. Ochsenkühn
CED-Zentrum
Medizinische Klinik II
Klinikum der Universität
München-Großhadern
Marchioninistr. 15
81377 München
PD Dr. C. Pehl
Medizinische Klinik
Kreiskrankenhaus Vilsbiburg
Krankenhausstr. 2
84137 Vilsbiburg
Prof. Dr. G.A. Pistorius
Klinik für Allgemein-, Viszeral- und
Thoraxchirurgie
Klinikum am Bruderwald
der Sozialstiftung Bamberg
Buger Str. 80
96049 Bamberg
Dr. C. Pox
Medizinische Klinik
Ruhr-Universität Bochum
Knappschaftskrankenhaus
In der Schornau 23–25
44892 Bochum
Prof. Dr. M. Raithel
Funktionelle Gewebediagnostik,
Gastroenterologie
Medizinische Klinik I mit Poliklinik
Universitätsklinikum
Ulmenweg 18
91054 Erlangen
Prof. Dr. M. Sackmann
Medizinische Klinik II
Zentrum Innere Medizin
Klinikum am Bruderwald
der Sozialstiftung Bamberg
Buger Str. 80
96049 Bamberg
Dr. K.D. Schmidt
Medizinische Klinik II
Zentrum Innere Medizin
Klinikum am Bruderwald
der Sozialstiftung Bamberg
Buger Str. 80
96049 Bamberg
Prof. Dr. G. Seitz
Institut für Pathologie
Klinikum am Bruderwald
der Sozialstiftung Bamberg
Buger Str. 80
96049 Bamberg
Prof. Dr. H. Weis
Bamberger Str. 20a
96049 Bamberg
39
Dr. R.-M. Zippel
Medizinische Klinik II
Zentrum Innere Medizin
Klinikum am Bruderwald
der Sozialstiftung Bamberg
Buger Str. 80
96049 Bamberg
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