WIR SIND GANZ OHR Integrative Versorgung von Menschen mit Cochlea Implantaten Christina Leitinger Logopädin Krankenhaus der Elisabethinen Graz Das Menschlichste, was wir haben, ist doch die Sprache. Theodor Fontane 2 PROBLEMSTELLUNG Etwa jedes Tausendste Neugeborene ist gehörlos, Zahl der mittel- und hochgradigen Schwerhörigkeiten noch höher Ungehinderter Lautspracherwerb bei hochgradige Hörbeeinträchtigung bzw. Gehörlosigkeit nicht möglich Frühzeitige Versorgung mittels Cochlea Implantat (CI) notwendig um Lautspracherwerb zu ermöglichen Zur Potenzialausfaltung ist eine umfassende postoperative Nachbetreuung notwendig Interdisziplinarität Nichtversorgung stellt Probleme in vielen Bereichen dar 3 INHALT Vorstellung Krankenhaus der Elisabethinen Graz und Logopädie Überblick Hörstörungen Hörstörungen und Sprachentwicklung Überblick Cochlea Implantat (CI) PROJEKT: Prozess der CI-Versorgung 4 KRANKENHAUS DER ELISABETHINEN GRAZ Gemeinnütziges Akutkrankenhaus • Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde • Innere Medizin • Chirurgie • Anästhesie • Radiologie • Palliativmedizin • Schmerztherapie 197 Betten Rd. 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Betreuung von 37.000 Patientinnen und Patienten pro Jahr 5 LOGOPÄDIE Diagnostik, Therapie und Beratung • Sprachstörungen • Sprechstörungen • Hörstörungen • Stimmstörungen • Schluckstörungen • Störungen der orofazialen Funktion • Störungen des Schriftspracherwerbs • Lähmungen 6 STÖRUNGEN DES HÖRVERMÖGENS Angeborene Hörstörungen Erworbene Hörstörungen • hereditär (syndromal od. nicht syndromal) • hereditär (syndromal od. nicht syndromal) • Fehlbildungen • • kongenitale Infektionen (zB CMV, Toxoplasmose, Röteln) Kongenitale Infektionen mit progredienter Hörstörung • postnatale Infektionen (zB Meningitis) • Perinatal (zB Sauerstoffmangel, Infektionen) • Mittelohrentzündungen (akut / chronisch) • Traumen • Hörsturz • Neurologische Erkrankungen 7 PRÄVALENZEN 4 bis 6 % aller Neugeborenen sind Risikokinder angeborene Hörstörungen > 40 dB HV: 1,2 ‰ dreijährige Kinder: 2 ‰ (> 40 dB HV) unter 20-Jährige: 4 ‰ (> 40 dB HV) 60-Jährigen: 30 % 70-Jährigen: 60 % » (leichtgradige Hörstörungen miteingeschlossen) 8 VERSORGUNGSBEDARF 19 % zumindest leichtgradig hörbeeinträchtigt 0,3 % hochgradig hörbeeinträchtigt Ca. 700 Cochlea Implantationen jährlich österreichweit 14 Implantationskliniken 9 GRADE DER SCHWERHÖRIGKEIT Hörverlust im Hauptsprachbereich Klinische Bezeichnung / Diagnose bis 20 dB Normalhörigkeit 20 – 40 dB geringgradige Schwerhörigkeit 40 – 60 dB mittelgradige Schwerhörigkeit 60 – 90 dB hochgradige Schwerhörigkeit über 90 dB Resthörigkeit / an Taubheit grenzend 10 HÖRSTÖRUNGEN UND SPRACHENTWICKLUNG I Erwartungen an die Sprachentwicklung von Kindern mit Cochlea-Implantat sind sehr hoch Viele offene Fragen diesbezüglich seitens der Eltern Ziel: Ermöglichung des Lautspracherwerbs Hörbeeinträchtigte Kinder als Risikogruppe • Sprache auf allen linguistischen Ebenen • Erwerb der Schriftsprachkompetenzen • Kognitive Entwicklung • Sozial-emotionale Entwicklung 11 HÖRSTÖRUNGEN UND SPRACHENTWICKLUNG II Kinder mit Cochlea Implantat • vokalisieren mehr • weisen mehr phonologische Prozesse auf • ahmen mehr nach Unterschiede abhängig von • Qualität des präoperativen Hörens mit Hörgeräten • Implantationsalter • Sprachangebot der Eltern • Logopädisches Therapieangebot „Sensible Phase“ des Spracherwerbs zwischen eineinhalb und vier Jahren 12 ERWARTUNGEN AN DIE SPRACHENTWICKLUNG Ein Spracherwerb, welcher dem natürlichen gleicht, ist prinzipiell möglich Keine Garantie für eine regelrechte Sprachentwicklung Positive Auswirkungen durch • Präoperative Versorgung mittels Hörgeräten • Sprachförderliche Grundhaltung der Eltern • Logopädisches Therapieangebot 13 COCHLEA IMPLANTAT Elektronische Implantate, welche die Funktion der ausgefallenen Hörsinneszellen übernehmen Schallaufnahme über Mikrofon Umwandlung des Schalls mittels Sprachprozessor in elektronische Impulse Weiterleitung über die Elektrode in die Cochlea und Stimulation des noch intakten Hörnervs Verarbeitung der Signale im auditorischen Cortex (Hörzentrum) 14 15 ABLAUF I Logopädische Abklärung • Anamnesegespräch • Audiologische Untersuchungen (Verhaltensaudiometrie, Spielaudiometrie, Tonaudiometrie, Sprachaudiometrie) • Logopädische Untersuchungen Vorstellung in der Gehörlosenambulanz der Barmherzigen Brüder und psychologische Abklärung 16 ABLAUF II Medizinische Abklärung • HNO-Status • Pyramiden CT • Schädel MR • BERA • OAE • ggf. neuropädiatrische Abklärung • ggf. Gen-Screening 17 ABLAUF III Interdisziplinäre Fallbesprechung (Operateur, Logopädin, Patientengespräch Techniker, weitere Fachdisziplinen je nach Bedarf) • Präsentation des Implantates • Erwartungen abklären • Aufgeschlossenheit über postoperative Rehabilitation 18 ABLAUF IV Entscheidung hinsichtlich Implantation (CI, EAS, VSB, BB) Implantation Nachsorge durch die HNO-Abteilung (stationär, ambulant) Erstanpassung in der Logopädie 19 ABLAUF V Laufende techn. Einstellungen (CI-Fittings) durch Techniker Audiologische Kontrollen durch die Logopädie Logopädische Therapie (Hörtraining) 20 PROJEKTPARTNER Förderzentrum des Landes Steiermark für Hör- und Sprachbildung Gehörlosenambulanz der Barmherzigen Brüder Graz Motopädagogisches Familientherapiezentrum Steingruber Chance B Sozialbetriebs-GmbH Mosaik GmbH 21 ZIELSETZUNG I Gemeinsame Ziele • Transparente Settings • Evaluation für alle beteiligten Kooperationspartner im Sinne bestmöglicher Qualität für die Patientinnen und Patienten • Explizites, sensibles Krisen- und Datenmanagement in der institutionellen Zusammenarbeit Erwartete Verbesserungen für Patientinnen und Patienten • Umfassende medizinische und entwicklungsrelevante Versorgung und Begleitung der Patientinnen und Patienten samt erforderlichem sozialen Umfeld in Hinblick auf die besondere Sensibilität des Kleinkindalters 22 ZIELSETZUNG II Zu erwartende Vorteile für Leistungserbringer • Zu erwartende Vorteile für Kostenträger • Nutzung von Synergien von institutioneller und individueller Fachkompetenz Achtsamer Umgang mit Kostenaufwand trotz hohem Qualitätsanspruch aufgrund Synergiennutzung Zu erwartende volkswirtschaftliche Vorteile • Ermöglichung von Bildungswegen und Berufschancen • Dadurch Vermeidung sämtlicher Folgekosten im Rahmen der Behinderten- und Sozialhilfe 23 BETEILIGTE SEKTOREN UND VERSORGUNGSBEREICHE Stationäre Versorgung Ambulante Versorgung Rehabilitation ambulant Prävention Sozialwesen Ambulante und mobile Hörfrühförderung 24 GESUNDHEITSDIENSTEANBIETER, EXTERNE LEISTUNGSERBRINGER Krankenhaus / Sanatorium Fachärztinnen und -ärzte, praktische Ärztinnen und Ärzte Logopädinnen und Logopäden Technisches Fachpersonal (CI-Firmen) Psychologinnen und Psychologen Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten Mobile Dienste Soziale Einrichtungen 25 NOTWENDIGE AKTIVITÄTEN Sorgfältige Abklärung Umfassende Aufklärung Funktionierendes Prozessgeschehen Abstimmung der Leistungsarten 26 ERFOLGSKRITISCHE SCHNITTSTELLEN Hohe Effektivität in der Erfassungs- und Abklärungsphase durch intensive Zusammenarbeit von Krankenhaus und externen Projektpartnern Sicherstellung zeitgerechter Indikationsstellung und medizinische wie therapeutischer Maßnahmen Hohe Effektivität im gemeinsamen Prozessablauf und der Zielverfolgung durch explizites Krisenmanagement und interdisziplinäre Fallbesprechungen 27 EVALUIERUNG Prozessindikator • Interdisziplinärer/interinstitutioneller Therapieentscheid • Laufendes Monitoring Ergebnisindikator • Erfolgsrate hinsichtlich des Hör- und Spracherwerbs • Standardisierte Testverfahren der Logopädie zur Beurteilung der Sprach- und Sprechentwicklung • Akzeptanz des CIs, regelmäßiges Tragen des Prozessors • Zufriedenheit • Wundinfektionsrate und postoperative Komplikationen 28 ERFOLGSKRITISCHE ASPEKTE Rechtzeitige Diagnosestellung (Alterslimit bei Kindern) Sofortige Einleitung der Hörfrühförderung ab Beginn des Diagnoseprozesses Finanzmittel für die Implantate Kosten für die Nachbetreuung Gleiches Verständnis aller Beteiligten über das Nachbetreuungskonzept 29 LITERATUR UND QUELLEN APA (2012): „Hörstörungen: Isolationsabwehr durch Früherkennung“. Die Presse, 25.04.2012, o.S. Diller, G. (2009): „(Re)habilitation nach Versorgung mit einem Kochleaimplantat“. HNO 57 (7), S. 649-656. Friedrich, G.; Bigenzahn, W.; Zorowka, P. (2008): Phonatrie und Pädaudiologie. Bern: Verlag Hans Huber, Hogrefe AG. Leonhardt 2002 Otto, K.; Streicher, B. (2011): Cochlea Implantat (CI) bei Erwachsenen. Idstein: SchulzKirchner Verlag GmbH Szagun, G. (2006): Sprachentwicklung bei Kindern mit Cochlea-Implantat. Ständer, K. (2012): Statistische Angaben zur Hörschädigung in Deutschland von 2005 bis 2011. Deutscher Schwerhörigenverbund e.V., http://www.schwerhoerigennetz.de/RATGEBER/SCHWERHOERIGKEIT/STATISTIK/statistik2011.pdf (Zugriff am 24.01.2017). Zoll, B. (2014): „Genetische Grundlagen“. In: WENDLER, J.; SEIDNER, W.; EYSHOLDT, U. (Hg.): Lehrbuch der Phoniatrie und Pädaudiologie, Stuttgart, New York: Georg Thieme Verlag, S. 56-65. http://www.pro-audito.ch/hoersysteme/ohr-implantate/cochlea-implantate.html 30 VIELEN DANK