Vorbereitung zum Stuttgart-Lauf 2015 mit BW-extend Experteninterview März 2015: Isabell Heßmann Kurz vor dem Lauf lockt das Pasta-Buffet Am 27. und 28. Juni findet der 22. Stuttgart-Lauf statt. Wer sich auf den Halbmarathon am 28. Juni vorbereitet, muss auch auf seine Ernährung achten. Food-Expertin Isabell Heßmann weiß, wie man sich für das Ereignis fit macht. Frau Heßmann, wenn ich am 28. Juni den Halbmarathon des Stuttgart-Laufs absolvieren will und deshalb ein Lauf- und Krafttraining begonnen habe – wie sehr kommt es darauf an, wie ich mich in den kommenden Monaten ernähre? Die richtige Ernährung ist sehr wichtig, um Ihren Körper für solch eine Ausdauerleistung zu wappnen. Sie macht Sie schneller, Sie laufen leichter und Sie regenerieren schneller. Ohne Brennstoff macht selbst der leistungsstärkste Motor irgendwann schlapp. Grundsätzlich gilt, dass Ihre Ernährung ausgewogen, vollwertig und abwechslungsreich sein sollte. Einseitige Spezialdiäten sind nicht notwendig. Allerdings sollten Sie stark verarbeitete Lebensmittel und Alkohol möglichst komplett meiden. Wie würde idealerweise meine Ernährung während des Trainings aussehen? Jahrzehntelang galten Kohlenhydrate im Ausdauersport als Nonplusultra. In den letzten Jahren zeichnete sich aber eine kleine Revolution ab: das „Train low – Compete high“-Prinzip. Das bedeutet, dass Läufer das normale Training kohlenhydratarm gestalten sollten. Also vor dem Training nicht extra Müsli, Brot oder Nudeln zu sich nehmen, sondern lieber eine Portion Quark oder einen Eiweißshake ohne Kohlenhydrate. Nur fürs Tempotraining macht es Sinn, zum Beispiel einen Haferflockenriegel zu essen, um die harte Einheit durchzustehen. Der gewünschte Vorteil dieser Methode: Der Fettstoffwechsel soll trainiert werden. Durch die reduzierte Kohlenhydrataufnahme greift der Körper mehr auf Fette als Energielieferanten zurück. Außerdem steigt so die Zahl der Mitochondrien. In diesen Kraftwerken der Zellen findet die Fettverbrennung statt. Sind also viele Mitochondrien vorhanden, kann die Fettverbrennung auf Hochtouren laufen. Das entlastet beim Wettkampf die Glykogenspeicher. Glykogen ist nämlich immer die wichtigste, gleichzeitig aber auch knappste Ressource bei einer Ausdauerbelastung. Zudem kann Ihnen eine kohlenhydratreduzierte und dafür eiweiß- und fettbetonte Kost helfen, das eine oder andere Kilo zu verlieren – durchaus auch ein Faktor bei einem langen Lauf. Ich empfehle, dass Sie beide Varianten für sich testen und dann entscheiden, ob Sie sich mit der kohlenhydratbetonten Ernährung oder mit der kohlenhydratreduzierten Kost leistungsstärker fühlen. Geben Sie Ihrem Körper aber Zeit für die Umstellung. Kohlenhydrate zu reduzieren, fällt den meisten in den ersten Wochen sehr schwer. In den drei bis fünf Tagen vor dem Wettkampf sollten Sie aber in jeden Fall reichlich Kohlenhydrate konsumieren, um die Glykogenspeicher in den Muskeln aufzuladen und zu vergrößern. Tipp: Zu den letzten Mahlzeiten vor dem Lauf jeweils ein Glas Wasser mit einem Schuss Essig trinken. Oder eine Kapsel Apfelessig-Konzentrat schlucken. Die Essigsäure erhöht zusammen mit den Kohlenhydraten die Glykogen-Speichermenge. Und was kann ich tun, wenn ich tagsüber wenig Zeit habe, weil ich arbeite und etwa auf die Kantine oder den Mittagstisch umliegender Restaurants angewiesen bin? Kein Problem: Wenn Sie eine kohlenhydratarme Ernährung bevorzugen, wählen Sie zum Beispiel Fleisch in Kombination mit Gemüse oder Salat mit Essig-Öl-Vinaigrette. Eierspeisen wie Omelett sind ebenfalls ideal. Auch Bohnen, Linsen und Sojaprodukte liefern viel wertvolles Eiweiß. Haben Sie schon mal Pseudogetreide wie Amaranth, Buchweizen oder Quinoa probiert? Es enthält verhältnismäßig deutlich mehr Eiweiß als klassische Getreidesorten wie Weizen. Vielleicht entdecken Sie solche Produkte mal auf der Speisekarte Ihrer Kantine oder Ihres Lieblingsmittagslokals. Eine Handvoll Nüsse aus der Schreibtischschublade kann als Snack für zwischendurch den Griff zum Schokoriegel vermeiden. Wer kohlenhydratbetont essen möchte oder kurz vor dem Wettkampf steht, stellt sich am besten beim Pasta-Buffet an. Wenn Sie unterwegs sind und Sorge haben, keine passende Mahlzeit zu bekommen, backen Sie einfach zu Hause ein Blech Powerriegel zum Beispiel mit Kokosraspeln oder Sesam und nehmen sich davon einige mit. Auch ein grüner Smoothie ist immer eine gute Wahl. Kann man die ideale Trainingsernährung auf eine einfache Formel bringen? Etwa morgens viel hiervon, mittags viel von jenem und abends viel davon? Wichtig ist vor allem, dass Sie über den Tag auf Ihre Ration Eiweiß kommen. Es fördert das Muskelwachstum, beschleunigt die Regeneration und stärkt die Immunabwehr. Während des Trainings sollten es zwischen 1,0 und 1,6 Gramm Protein je Kilogramm Körpergewicht sein. Eine 80 Kilogramm schwere Person braucht also bis zu 128 Gramm Protein am Tag. Die einfache Formel für die Ernährung lautet also: Bauen Sie in alle Mahlzeiten hochwertige Eiweißkomponenten ein, zum Beispiel morgens Magerquark mit Erdbeeren und Haferflocken, Mittags eine Portion Fisch mit Bulgur und Ofengemüse, nachmittags eine ein paar Nüsse und abends nach dem Training einen Eiweißshake ohne Kohlenhydrate. Was sollte ich daheim immer im Kühlschrank haben, um mein Training möglichst effektiv zu unterstützen? Mageres Fleisch wie Hähnchen oder Schweinefilet versorgen Sie mit hochwertigem Eiweiß. Aus Eiern lassen sich besonders rasch und leicht diverse proteinhaltige Speisen zubereiten. Ebenso empfehlenswert: Milchprodukte wie Quark, Joghurt, Molke und Hüttenkäse. Sojaprodukte können ebenso wie Reis-, Mandeloder Nussdrinks für weitere Abwechslung sorgen. Auch Obst – vor allem zuckerarmes Beerenobst–, Gemüse und Salate gehören natürlich in jeden Sportler-Kühlschrank. Und, ja, auch die Banane gehört mit ihrem tollen Mix aus Kohlenhydraten, Vitaminen und Mineralien als absolutes „Kultfutter“ zu den besten Läufer-Lebensmitteln. Wenngleich sie nicht im Kühlschrank aufbewahrt werden sollte, weil sie kälteempfindlich ist und dann rasch schwarz wird. Wie steht es mit Energieriegeln, Eiweißpulver und anderen Nahrungsergänzungsmitteln – brauche ich die? Energieriegel machen vor harten Trainingseinheiten absolut Sinn. Sie werden aber nicht jeden Tag benötigt. Ob man während des Wettkampfs Energieriegel essen möchte, ist Geschmackssache. Häufig sind die Riegel recht hart und trocken, das macht den Verzehr nicht einfach. Leichter konsumierbar und nicht störend für den Atemrhythmus sind Powergele oder Hydro-Powergele, die noch etwas flüssiger sind und neben der Kohlenhydrat- und Elektrolyt-Versorgung auch als kleiner Durstlöscher taugen. Natürlich ersetzen sie während des Wettkampfs aber nicht das regelmäßige Trinken. Wie schon erwähnt brauchen auch Ausdauersportler Eiweiß – und zwar nicht zu knapp. Von den 22 Aminosäuren, die es gibt, sind acht essenziell – diese kann der Körper nicht selbst herstellen; sie müssen also aufgenommen werden. Dies kann mithilfe von eiweißreichen Lebensmitteln erreicht werden oder gezielt mit Eiweißpulvern. Ob Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamine oder Mineralstoffe supplementiert werden müssen, sollten Sie mit Ihrem Arzt besprechen. Eine Blutanalyse gibt genauen Aufschluss über Ihren Status. Es gibt bestimmte Mineralien und Spurenelemente, die für Ausdauer-Läufer ganz besonders wichtig sind: Chrom zum Beispiel. Es steigert die Glykogenbildung in Leber und Muskulatur und spart im Rennen Glykogen. Chrom ist in Käse, Fleisch und Nüssen enthalten. Auch Kalium, etwa in Tomaten und Paprika, und Natrium sind von großer Bedeutung, salzen Sie Ihr Essen also durchaus, wenn auch moderat. Auf Verdacht die ganze Palette an Pillen zu schlucken ist aber überflüssig, teuer und mitunter sogar gefährlich. Zur Person: Isabell Heßmann ist Diplom-Ökotrophologin und Expertin für Sporternährung aus Düsseldorf. Sie weiß genau, wie man mit den richtigen Nahrungsmitteln und der idealen Kombination dieser Produkte den optimalen Trainingseffekt erzielen kann. Sie veröffentlicht regelmäßig Fachartikel in Fitnessmagazinen und Büchern und erstellt sowohl für Ausdauer- und Kraftsportler als auch für Personen, die abnehmen möchten, maßgeschneiderte Ernährungspläne.