Schilddrüse und Ernährung Prof. Dr. med. Hans-Georg Krengel Klinik für Innere Medizin Kath. Kliniken Essen-Nord-West gGmbH 27. Oktober 2016 Schilddrüsenerkrankungen beeinflussen unser Leben • „Es gibt nichts Unnützeres als einen Kropf, nur jeder zweiter hat einen.“ • Kropf (Struma) = Schilddrüsenvergrößerung, jedoch auch bei normal großer Schilddrüse, wenn Knoten oder Zysten vorhanden sind Epidemiologie • Etwa 2% aller Frauen und 0,2% der Männer leiden an einer Überfunktion der Schilddrüse, insgesamt 3 Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer Schilddrüsenerkrankung. Dies sind allerdings die offiziellen Zahlen. Laut FOCUS 5/2004 belaufen sich 7,1 % aller ärztlichen Diagnosen auf Kropf und 18,6 % auf Stoffwechselstörungen. Man schätzt, dass inzwischen 30 % aller Deutschen Probleme mit der Schilddrüse haben Klinik • Bedingt durch die große Spannbreite der durch eine Schilddrüsenerkrankung ausgelösten Beschwerden reicht dies von Magen-Darm-Erkrankungen über Chronische-Erschöpfungs-Syndrome, Schlafstörungen, Migräne, Herzbeschwerden bis zu Haut- und psychischen Erkrankungen. Schilddrüsenhormone NH2 C C COOH H2 H HO Einfluss auf Wachstum und Reifung L-Tyrosin I Regulativer Eingriff in den Energiestoffwechsel NH2 C C COOH H2 H HO Monoiodtyrosin (MIT) Für die Synthese benötigt der Körper Jod I NH2 C C COOH H2 H HO I Diiodtyrosin (DIT) Der Jodvorrat des Körpers und der tägliche Bedarf betragen durchschnittlich 7 mg und 70 µg (1%). I I HO NH2 C C COOH H2 H O I Das tägliche Jodangebot beträgt je nach Region 10-500 µg in Nahrung und Trinkwasser Liothyronin (T3) I I HO C C COOH H2 H O I NH2 I Levothyroxin (T4) Biosynthese der Schilddrüsenhormone Blut Kolloid Follikelzelle I- - TG I +I TG = Thyreoglobulin TG DIT MIT TG Deiodase DIT Peroxidase MIT Proteinsynthese MIT TG T3 DIT MIT TG T3 MIT, DIT T3, T4 T3 T4 basale T3 : T4 1 : 10 Membran DIT MIT MIT T4 DIT TG T3 T4 T4 T3 TG T3 : T4 1 : 10 apikale Membran Hypothalamus Thyreotropin Releasing Hormon TRH Hypophyse Thyroidea Stimulierendes Hormon = Thyreotropin TSH TRH-Empfindlichkeit wird herabgesetzt Schilddrüse 90 µg/Tag Thyroxin = T4 r-T3 ist inaktiv I- 9 µg/Tag I- Deiodase Reverses T3 (60 µg/d) T3 ist 10 mal aktiver als T4 Thyronin = T3 25 µg/Tag Es entsteht mehr T3 durch periphere Konversion I I HO I Deiodase NH2 I C C COOH H2 H O T3 T4 I- I HO C C COOH H2 H O I I NH2 I NH2 HO I- C C COOH H2 H O I r -T3 I Weitere Deiodierung Enterohepatischer Kreislauf Desaminierung HO Glukuronidierung >> Sulfatierung I I C C COOH H2 H O I NH2 Tetra- und Triiodthyroessigsäure besitzen noch Teilaktivität I Decarboxylierung bes. in der Niere Pharmakokinetik T4 Resorption * T3 75 - 85% 90 - 100% Wirkungseintritt 3 - 5 Tage Wirkungsdauer 7 - 10 Tage Biol. Halbwertszeit 12 - 48 Stunden 3 - 5 Tage 7 Tage 14 - 48 Stunden T3, 2. Tag T4, 9. Tag Wirkung * reduziert bis auf 35% bei gleichzeitiger Nahrungsaufnahme Hohe Proteinbindung: nur 0,05% T4 und 0,5% T3 sind nicht gebunden ! 0 10 20 30 40 Tage Struma Stadium II Jodmangelstruma: Therapie mit Thyroxin, T4 Hypophyse Hypophyse Hypophyse TSH TSH TSH I- I T3,T4 normal T4 I- T3,T4 euthyreote Struma T4,T3 Rückbildung durch exogene T4-Zufuhr Jodmangelstruma: Therapie mit Jod Hypophyse Hypophyse Hypophyse TSH TSH TSH I I T4,T3 I- autonomes Gewebe T4,T3 normal euthyreote Struma T4,T3 Hyperthyreose durch Jod-Zufuhr Schilddrüsenautonomie, autonome Knoten • Die Schilddrüsenautonomie wurde bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts vom Morbus Basedow abgegrenzt. Unter Autonomie versteht man Eigengesetzlichkeit bzw. eine Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen. Im Falle der Schilddrüsenautonomie bedeutet dies die Abkopplung der bedarfsgerechten Hormonproduktion von der Kontrolle durch die übergeordneten Zentren im Hypothalamus und in der Hypophyse. • Bei vielen älteren Menschen haben sich durch die enorm schlechten Ernährungsverhältnisse in der Kriegs- und Nachkriegszeit und der dadurch gegebenen "Jodknappheit" einige der in jeder Schilddrüse vorhandenen autonomen Areale weiter ausgebildet. Hyperthyreose Überdosierung von T4/T3; Morbus Basedow, in der Frühphase einer Hashimoto-Thyreoiditis erhöhter Grundumsatz, erhöhte Temperatur • Schlaflosigkeit, Tremor, pos. chrono- und inotrop, Extrasystolen, Kammerflimmern, latente Übelkeit • gesteigerte Wirksamkeit der Katecholamine Basedowkrise: Fieber, Tachykardie und • Rhythmusstörungen, Dehydratation, Erbrechen, Durchfall, extreme Unruhe, Myopathie Therapie Thioharnstoffpräparate: • Cave: Agranulozytose (regelmäßige Kontrolle des Blutbilds !), Hautausschläge, Exophthalmus verstärkt Perchlorat: • strumigen (kleine Dosen T3 zusätzlich) • Reizung der Magenschleimhaut ß-Blocker Morbus Basedow = Glotzaugenkrankheit Stimulation der Schilddrüse beim Morbus Basedow Hypophyse TSH I Hypophyse Y Merseburger Trias: 1) Kropf 2) Exophthalmus 3) Tachykardie TSH-artige Antikörper T3,T4 normal T3,T4 Struma mit Hyperthyreose Hashimoto-Thyreoiditis (lymphoidzellige SD-Infiltrate) • 1. Häufigste Autoimmunerkrankung der Schilddrüse • 2. mit einer Hyperthyreose beginnend, danach lange Phase der Euthyreose, später atrophische Thyreoiditis mit Hypothyreose • 3. keine kausale Therapie möglich, im Stadium der Hypothyreose T4-Ersatz Wirkungen von Schilddrüsenhormonen Förderung von Wachstum und Reifung Regelung des Energiestoffwechsels erhöhter O2-Verbrauch gesteigerte Wärmeproduktion Grundumsatz gesteigert je nach Ausgangssituation und Gewebe: Steigerung oder Hemmung des Glucose-, Lipid- und Proteinstoffwechsels Steigerung der Erregbarkeit (ZNS) Steigerung der Herztätigkeit inotrop + chronotrop: erhöhter O2-Verbrauch Adenylatcyclase Phosphodiesterase (Katecholaminwirkung) Adrenozeptorendichte Aktivierung von Osteoklasten und –blasten erhöhte Ausscheidung von Ca++ und Phosphat im Urin Muskelkontraktion verlangsamt mehr Energie für gleiche Arbeit Hypothyreose 3-Jährige: gesund (96 cm) krank (74 cm) 10-jähriges unbehandeltes Mädchen Hypothyreose Kretinismus Myxödem "Schleim" in Leder- und Unterhaut, trockene, raue Haut, brüchige Nägel, schütteres Haar Myxödematische Krise Koma, Ödeme, erniedrigte Temperatur, Herztätigkeit, Puls, Atmung Auslösung durch Infekt, Trauma etc. Therapie T4, bei euthyreoter Struma auch nur Jod Cave: Herzinsuffizienz, Tachykardie, Infarkt Bei myxödematischer Krise: T3, weil schneller wirksam Temperatursenkung ???? Myxödem bei Hypothyreose "Jodfalle": kompetitive Hemmung des Jodidtransports durch Blut Perchlorat, Thiocyanat Follikelzelle - TG I +I MIT Proteinsynthese TG DIT MIT TG Deiodase DIT Peroxidase I- Kolloid Hemmung durch Thioharnstoffe MIT TG T3 DIT MIT TG T3 T3 T4 MIT, DIT T3, T4 basale Membran DIT MIT MIT T4 DIT TG T3 T4 Hohe Dosis Jodid (Op-Vorbereitung) T4 apikale Membran T3 TG Thioamid-Thyreostatika H 2N S HN SH C C NH 2 NH 2 Thioharnstoff CH3 N H3C CH2 CH2 N SH SH NH N O Thiamazol (Methimazid) Umwandlung CH3 N N Propylthiouracil (PTU) Initialdosis Erhaltungsdosis (g/Tag) SH CO O CH2 CH3 Carbimazol PTU 0,15-0,4 0,025-0,15 Thiamazol 0,01-0,04 0,0025-0,01 Carbimazol 0,015-0,06 0,005-0,01 Neben Jod gibt es noch eine Reihe anderer Umweltgifte, die eine Störung der Schilddrüse bewirken können: • Pilz-, Insekten-, Unkrautvertilgungsmittel, die berüchtigten polychlorierten Biphenyle (PCB), Weichmacher, Dioxin, Blei und aromatische Kohlenwasserstoffe, oder das als MTBE bekannte Methyltertiärbutyl, ein mit Sauerstoff angereicherter Stoff, der dem Benzin zugesetzt wird sowie andere Chemikalien, die als "endokrine Störfaktoren" agieren. Auch Aspartam (ein in Light-Produkten verwendeter Süßstoff), Aspirin (behindert den SD-Stoffwechsel), Rheuma- und Schmerzmittel, Tumortherapien, Antidepressiva sowie Fluor können die Schilddrüse schädigen Schilddrüsen-Überfunktion (Hyperthyreose) Welche Beschwerden können auftreten? • Herzklopfen, Herzrasen hoher Blutdruck Nervosität, Reizbarkeit, Rastlosigkeit Muskelschwäche, Muskelschmerzen Zittern der Hände Schlafstörungen Schwitzen, feuchtwarme Haut Heißhunger und Durst Gewichtsverlust trotz großer Essensmengen Kopfschmerzen Durchfall Störungen im Menstruationszyklus (unregelmäßige oder verstärkte Blutungen, Ausbleiben der Regelblutung) Zunahme des sexuellen Bedürfnisses ( auch Abnahme möglich, wenn auch seltener) Schilddrüsen-Unterfunktion Welche Beschwerden können auftreten? • Müdigkeit Konzentrationsschwäche, Gedächtnisschwäche, hoher Blutdruck ( seltener niedriger Blutdruck ) mit Puls<70, depressive Stimmung, Depression, trockene, struppige, stumpfe, und glanzlose Haare, Verstopfung Myxödem, teigige trockene Haut, Kälteintoleranz, Gewichtszunahme, Zyklusstörung der Frau, Abnahme des sexuellen Verlangens, nächtliches Kribbeln und Einschlafen von Händen und Unterarmen (Karpaltunnelsyndrom) Symptome der Hormonvergiftung (Thyreotoxische Krise) • alle Symptome der Überfunktion in stärkerer Ausprägung Puls über 150 Schläge pro Minute, Herzrhythmusstörungen, Unruhe und gesteigerte Bewegungen, Bewusstseinstörungen bis zum Koma, psychotische Zeichen, Verwirrtheit • Die Sterblichkeit in der thyreotoxischen Krise ist hoch. Sie beträgt bis zu 50%! Symptome der Morbus-Basedow-Immunerkrankung Welche Beschwerden können auftreten? • Augenerkrankung (endokrine Orbitopathie), Gelenkschmerzen und Schwellungsgefühl in den Gelenken (eventuell auch hormonell ausgelöst), Rückenschmerzen ohne sicheren organischen Befund Muskelschmerzen (eventuell auch hormonell ausgelöst), Verhärtung von Sehnen und Muskeln, unterschiedliche Hautveränderungen, Haarausfall, Knochenneubildung an den Fingerendgliedern (Akropachie), derbe Hautveränderungen an den Streckseiten der Unterschenkel (prätibiales Myxödem), Stimmungslabilität (sowohl durch Immunkrankheit ausgelöst, als auch durch hormonelle Veränderungen), Übelkeit und MagenDarmprobleme (eventuell auch hormonell ausgelöst), allgemeine Schwäche, grippeähnliche Symptome, Vergesslichkeit und Konzentrationsstörungen (Trigeminusneuralgie) Schilddrüsenentzündung (Hashimoto Thyreoiditis) Welche Beschwerden können auftreten? Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen (eventuell auch hormonell ausgelöst) Verhärtung von Sehnen und Muskeln, unterschiedliche Hautveränderungen, (z.B.Urticaria, Rosazea), Trockenheit der Schleimhäute (Sicca Syndrom) Stimmungslabilität (sowohl durch Immunkrankheit ausgelöst, als auch durch hormonelle Veränderungen),Vergesslichkeit und Konzentrationsstörungen neurologische Symptome (Neuritiden), Schwindel,extrem selten epileptische Anfälle, Halluzinationen, psychiatrische Symptome (Hashimoto Encephalopathie) allgemeine Schwäche, Blutarmut (perniziöse Anämie), Übelkeit und MagenDarmprobleme, Verdauungsprobleme (Zoeliakie),Augenerkrankung (endokrine Orbitopathie), grippeähnliche Symptome, Lymphknotenschwellung Fieber (selten), erhöhte Leberwerte, Schwellungen an Armen, Beinen, Bauch und im Gesicht . Schilddrüsenoperation • erforderlich bei 1. akuter Hyperthyreose 2. keine medikamentöse Therapie möglich 3. Tumorverdacht 4. Atemnot durch Kropf 5. untherapierbarer Exophthalmus bei Morbus Basedow • gefährlich wegen 1. Verletzungen im Halsbereich 2. Tetanie durch Beseitigung der Epithelkörperchen (NSD) Schilddrüsenoperation • Jede Operation birgt ein Risiko in sich. Die Schilddrüsenoperation ist besonders risikoreich, da diese Drüse stark durchblutet ist (Nachblutungsgefahr) und sich die Stimmbandnerven und Nebenschilddrüsen in unmittelbarer Nachbarschaft befinden. So kommt es in 1-2% der Fälle zur dauerhaften Recurrensparese (Stimmbandlähmung), die Rate des vorübergehenden Ausfalls der Stimme (bis zu ½ Jahr) liegt noch höher. Die ungewollte vollständige Entfernung der Nebenschilddrüsen ist durch den Fortschritt der Operationstechnik heute selten, sie führt zum Ausfall der Parathormonproduktion mit schweren Störungen im Calciumstoffwechsel und Muskelkrämpfen (Tetanie). Schließlich sind die Patienten nach der Schilddrüsenentfernung in den meisten Fällen (abhängig davon, ob und wie viel Restgewebe belassen wurde) ihr Leben lang auf die Einnahme von Schilddrüsenhormonen angewiesen. Die richtige Einstellung ist in manchen Fällen schwierig, da die natürliche Regelung der bedarfsgerechten Produktion von T3 und T4 in der Schilddrüse nicht mehr gegeben ist. Radiojodtherapie I • Dass auch die Radioiodtherapie nicht frei von Nebenwirkungen ist, belegt die Fachliteratur. Durch die zum Teil großflächige Zerstörung des Schilddrüsengewebes besteht die bekannte und einkalkulierte Gefahr der Entstehung einer Späthypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) noch viele Jahre nach der Behandlung (man rechnet mit 3% pro Jahr, sodass nach 24 Jahren 72% der Patienten betroffen sind), die bei Nichtbehandlung mit Schilddrüsenhormonen zu einem langsamen Erlöschen der Lebensfunktionen und zum Tod führen kann. Auch über eine abnorme Empfindlichkeit, die in eine schwere Hypothyreose mündet, gegenüber selbst kleinen Mengen Iod wird berichtet. Eine strahlenbedingte Entzündung der Schilddrüse kann entstehen. Sie ist vorübergehend, kann jedoch bei großen Strumarezidiven (wenn eine Struma sich trotz vorangegangener Operation wieder vergrößert und dann radioaktiv behandelt wird) zu Schwellungen und akuter Atemnot (Asphyxie) führen. Die Strahlenbehandlung einer akut hyperthyreoten Schilddrüse ist mit einer Freisetzung von T3 und T4 durch die Gewebezerstörung verbunden, was die Hyperthyreose noch verstärken und in Einzelfällen eine thyreotoxische Krise mit Todesfolge einleiten kann. Radiojodtherapie II • Die Sterblichkeitsrate nach Radioiodbehandlung einer hyperthyreoten Schilddrüse ist speziell innerhalb des ersten Jahres nach Behandlung erhöht. Die Speicheldrüsen, die ebenfalls Iod akkumulieren, können angegriffen werden, was zu Schwellungen, Mundtrockenheit, Karies und Beeinträchtigung der Verdauung führen kann. Das Lutschen saurer Bonbons während der Wirkungsphase der Radionuklide fördert die Sezernierung von Speichel und Ausleitung von 131I, womit das Risiko vermindert werden kann. Das Blutbild wird langfristig verändert: Selbst 65 Monate nach der Radioiodbehandlung zeigten 4,4-35% der Patienten eine Abnahme der Thrombozyten, Erythrozyten, Leukozyten oder aller Lymphozyten. Kinder unter 10 Jahre (frühere Grenze: 40 Jahre) sollten wegen der Gefahr des Schilddrüsenkrebses nicht mit radioaktiven Iodisotopen behandelt werden, das legen die Erkenntnisse nach Tschernobyl nahe. In den USA ist dies trotzdem durchaus gängige Praxis. ALLGEMEIN • Jod wird hauptsächlich im Dünndarm aufgenommen. Wird das Jod bereits im Magen freigesetzt - wie etwa bei Tabletten, Salz u.a. - geht (normalerweise) der größte Teil davon verloren. Aus diesem Grund ist das Jod im Jodsalz recht hoch dosiert. Beim Kochen von Speisen verdampfen bis zu 50 % des darin enthaltenen Jodes, beim Braten, Backen und Schmoren sind es ca. 25 %. So können Dämpfe, die z.B. in Restaurants oder Kantinen von den jodierten Speisen aufsteigen, Jodallergikern durchaus Probleme bereiten. • Brot verliert nach 3 Tagen Lagerzeit 6,5 %, nach 7 Tagen 34 % des Jodgehaltes, Kartoffeln und Bohnen verlieren beim Kochen 15 %. Es ist anzunehmen, dass sich das flüchtige Jod als molekulares Jod in der Raumluft wiederfindet oder mit anderen Lebensmitteln verbindet. Geregelte Jod-Ernährung Am 30.5.1988 wurde die Jodierung des Speisesalzes aus der Diätverordnung in die Lebensmittelzusatzstoffverordnung überführt (BGB Teil I, 1988, 77-83). Nunmehr wurde der Einsatz in Großküchen und bei gewerblicher Herstellung von Lebensmitteln und Fertigstoffen möglich. Jodzusätze müssen seitdem bei unverpackten Lebensmitteln nicht mehr angezeigt werden. Bei verpackten muss nach der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (LMKV) eine Angabe innerhalb der Deklaration der lnhaltstoffe erfolgen. Wenn dort "Salz" oder genauer "Speisesalz" steht, dürfen diese Lebensmittel kein Jodsalz enthalten. Alle Produkte, in denen deutsche Milch, Fleisch oder Eier verarbeitet sind, sind seit der Tierfutterjodierung hoch jodhaltig !! Jodgehalte frischer Vollmilch µg/l (Stiftung Warentest November 2007) • • • • • • • • Kaufland K Classic Aldi Nord Milsani Hansano Gropper Edeka Gut & Günstig Tip Ravensberger Berchtesgadener Land (Demeter) • Alnatura (Bioland) • Aldi Süd Milfina 167 139 115 105 104 96 77 77 77 75 • • • • • • • • • Tuffi Weihenstephan Lidl (Bioness) Markant frischgold Dennree (Naturland) Landliebe Söbbeke (Bioland) Rewe (Füllhorn) Heirler (Neuform) 67 61 58 57 57 56 56 40 29 Jodgehalte H-Vollmilch µg/l (Stiftung Warentest November 2007) • • • • • • • • • Lidl Milbona Domo lang lecker Aldi Nord Milsani Kaiser's A&P Plus Alpa Normo Norasan Penny Campus Rewe ja Netto Gutes Land 178 160 151 147 117 106 103 103 103 • • • • • • • • Schwälbchen 97 Aldi Süd Milfina 96 Berchtesgadener Land 83 Marktkauf Gut&Billig 65 Milram 63 Frischli 57 MUH 54 Minus L lactosefreie Vollmich 135 Jodhaltige Mineralwässer--Jodarme Mineralwässer • • • • • • • • • • • • • • Sicheldorfer 960-1048 µg/L Ausseer Heilquelle 394 Konstatinquelle 302 Sixtina 231 Radenska 217-428 Peterquelle 206 Martinsquelle 143 Johannisbrunnen 121 Rogaska Donatquelle 93-118 Astoria > 200 Long Life > 200 Radenska > 200 Aqua Sola (St. Leonhards) > 500 Juvina Aktiv > 200 Alpquell 0 µg/L Römerquelle 0 Vöslauer 0 Waldquell 0 Volvic 0 Gasteiner 11 Preblauer 11 Güssinger mild 16 Severinquelle 18 Michlquelle 19 Römerquelle < 20 Heppinger < 20 Aqua vital 20 Rosenbergquelle 21 Longlife 37 Sulzegger 40 Thalheimer 45 Allgemeines zum Wasser • Für den Jodgehalt im Trinkwasser der Regionen schwanken die Werte zwischen 0,2 und 15,5 µg/l. Der Median liegt bei 2,6 µg/l. In 75% der Trinkwasserproben wird ein Jodgehalt unter 5,5 µg/l gemessen. Die höchsten Jodwerte des Trinkwassers werden im Norden, die niedrigsten im Süden gemessen. • Wer auf Nummer Sicher gehen will, sollte gefiltertes Leitungswasser verwenden. • Chlor begünstigt die Freisetzung von Jod aus Kaliumjodiden, die heute dem Tierfutter künstlich zugesetzt werden. Trinken Sie also z.B. kein stark gechlortes Wasser. • Die über ganz Deutschland verteilten Mineral- und Heilquellen sind stark jodhaltig, z.B. Bad Aachen, Bad Abbach, Bad Birnbach, ... Selters an der Lahn. FRUCHTSÄFTE • Neben dem Umstand, dass die meisten Säfte aus Konzentrat unter Hinzufügung von Wasser unbestimmter Herkunft und Qualität hergestellt werden, können Fruchsäfte einen hohen natürlichen Jodgehalt aufweisen. • Rauch Johannisbeersaft 2750 µg/l, • Trink Vit 1092 µg/l • Sonnenfrucht Apfelsaft 1020 µg/l • Goldland Orangensaft 680 µg/l • Lipton Zitrone 504 µg/l • Auch Bier hat es in sich. • Clausthaler Herbfrisch 920 µg/l FISCH und ALGEN - Bindemittel • Meeresfische sind i.d.R. hoch jodhaltig. Süßwasserfische enthalten von Natur aus weniger Jod. Achtung ! Manche Züchter verwenden inzwischen jedoch jodhaltiges Futter, so dass ihr Süsswasserfisch dem Meeresfisch um nichts nachsteht ! Algen und Seefische speichern Jod in natürlicher, biologischer Form, nicht als Jodid oder Jodat (Salz der Jodsäure HJO3), wie es dem Jodsalz zugesetzt wird. Jod in natürlicher Form wird zwar besser aufgenommen als künstlich in Form von Jodsalz zugesetztes, kann jedoch ebenfalls zu Beschwerden führen. Dies gilt insbesondere für Meersalz. Die Zusätze Carrageen, Agar, Algin, Alginsäuren (E400-E407) sind ebenfalls hoch jodhaltig. Carrageen wird als Bindemittel (z.B. in Sahne) verwendet. Muttermilch, Säuglingsnahrung und Beikost • Die DGE empfiehlt für Säuglinge von 0-4 Monate 40 µg Iod/Tag, für 4-12 Monate 80 µg Iod/Tag. Industriell hergestellte MuttermilchErsatznahrung, so genannte Säuglingsanfangsnahrung ("Pre" und "1"), liefert bei einer angenommenen Trinkmenge von 750 ml/d eine Iodmenge von 70-78 µg/d. Der Jodzusatz ist gesetzlich vorgeschrieben (tatsächliche Spanne: 3,5-15 µg/100ml). Industriell hergestellte Beikost liefert durchschnittlich 113 µg/Tag, wenn man sich an die empfohlenen Mengen des "Ernährungsfahrplans" des Forschungsinstituts für Kinderernährung (FKE) hält. Die Jodanreicherung der Beikost ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, wird aber in der Breite praktiziert. Somit werden die von der DGE empfohlenen Mengen um fast 50-100% übertroffen. Der Jodzusatz in bilanzierten Diäten ist ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben. Prof. Anke und Mitarbeiter fanden bei Untersuchungen in Thüringen, dass sich der Jodgehalt der Muttermilch von 1982-1992 verdoppelte und von 1992-1997 noch einmal verdreifachte. NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL, ZUSATZSTOFFE • Meiden Sie rote, orangefarbene und braune Lebensmittel, Pillen und Kapseln. Viele der Produkte in diesen Farben enthalten Jod. Der rote Lebensmittelfarbstoff Erythrosin (E127) besteht zu 50 % aus Jod. Er wird in folgenden Produkten verwendet: Bigarreaukirschen (Kaiserkirschen), Obstcoktails, Coktailkirschen, kandierte Kirschen (Amarenakirschen). Die vorgeschriebenen Höchstmengen für Erythrosin liegen zwischen 150 mg/kg und 200 mg/kg ! • Viele Multivitaminpräparate enthalten Jod. MEERSALZ / STEINSALZ VEGETARISCHE KOST • Meersalz genau wie Steinsalz hat einen von Natur aus hohen Jodgehalt . Viele Jodallergiker und empfindliche Personen reagieren inzwischen auch auf natürliche Jodgehalte und sollten daher mit Meer- oder Steinsalz zubereitete Speisen meiden. Beachten Sie, dass auch die beliebten Salzkristalllampen aus Steinsalz hergestellt werden und somit die Atemluft in Ihrer Wohnung mit Jod belasten können • Soja (Tofu, Sojamilch) beschleunigt die Ausscheidung von Schilddrüsenhormonen. Die in Vollkornprodukten (Getreide, Samen) sowie die in Ölpflanzen und Hülsenfrüchte enthaltenen Phytine binden Zink und Magnesium im Körper. Dadurch wird die Bildung von Schilddrüsenhormonen reduziert. Vegetarische Produkte werden sehr häufig mit Meersalz gewürzt. Auch Produkten wie Sojasauce, Tofu und Sojamilch wird inzwischen Jodsalz zugesetzt. Kaufen Sie also nicht unbesehen. Der Jodgehalt von Speise- und Meersalzen in mg (= Tausendstel Gramm) pro kg • • • • • • • • • • • • Sel Siedesalz Schneekoppe (Meersalz) Südsalz (Meersalz) Lima (Meersalz) Danca (Meersalz) Vita (Meersalz) Steinsalz (das "Urmeersalz") Bad Reichenhaller Salzina Westend Jodsalz (*) 0,160 0,099 0,261 0,166 0,237 0,194 2,301 2,000 0,188 0,089 0,288 20-35 BIO-Kost • Der Begriff 'BIO' ist nicht geschützt und kann daher von jedem verwendet werden. Es gibt Anbauverbände wie z.B. DEMETER oder BIOLAND, die Erzeuger- und Verarbeitungsrichtlinien für die ihrem Verband angehörenden Mitglieder aufgestellt haben. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW e.V.), der auch DEMETER und BIOLAND angehören, ist ein Spitzenverband der ökologischen Lebensmittelwirtschaft und repräsentiert den privat- rechtlich organisierten Ökologischen Landbau in Deutschland. Ihm gehören Verbände und Unternehmen der gesamten Wertschöpfungskette ökologischer Lebensmittel an, von der Erzeugung über die Verarbeitung bis zum Handel. Die Qualitätsrichtlinien für Erzeugung und Verarbeitung sind dort aber z.T. deutlich weniger eng gefasst als z.B. bei DEMETER oder BIOLAND. Das krebserregende Nitritpökelsalz etwa ist für Demeter-Fleisch und Wurstwaren ausgeschlossen, auch wenn die BÖLW den Einsatz inzwischen zulässt. Die BIOLAND-Verarbeitungsrichtlinien schließen zwar die Verwendung von Nitritpökelsalz aus, lassen aber die Verwendung von Jodsalz ausdrücklich zu. Nach Auskunft von DEMETER ist bei der Verarbeitung von DemeterProdukten der Zusatz von Jod ausgeschlossen. D. h. eine künstliche Anreicherung mit Jod im Laufe der Verarbeitung findet nicht statt. Bei der Tierfütterung ist allerdings die Gabe von Jod möglich. Meeresfische: Iodidgehalt in µg/100g essbarem Anteil • • • • • • • • • • • • Alaska Seelachs Garnele/Krabbe (Nordsee) Heringsöl Hummer Kabeljau (Dorsch) Kaviar-Ersatz Steinköhler (Seelachs) Meeräsche Miesmuschel Schellfisch Schillerlocken Thunfisch (in Öl) 103,00 130,00 120,00 100,00 170,00 117,00 200,00 330,00 105,00 243,00 122,00 149,00 Der Jodgehalt einzelner Lebensmittel in µg pro 100 g • • • • • • • • • • • • • • • • • Aal Apfel Apfelsaft Apfelsine Apfelsinensaft frisch gepreßt Aprikose Algen Aprikose getrocknet Aubergine Auster Banane Barsch (Flußbarsch) Bierhefe getrocknet Birne Blumenkohl Brathering Brokkoli 4,0 1,6 1,0 2,1 1,0 0,5 120 2,7 0,8 58,0 2,8 4,0 4,0 1,5 0,1 130 15,0 Der Jodgehalt einzelner Lebensmittel in µg pro 100 g • Buttermilch 1988 Heute (siehe unter Butter) • Cashewnuß • Champignons (Zucht) • Datteln getrocknet • Ei • Endivie • Erbsen grün • Erbsen grün (Dosenware) • Erbsen reif geschält • Erdbeeren • Erdnuß • Feige • Feige getrocknet • Flunder • Forelle 2,0 bis zu 60 (*) 10,0 18,0 1,0 64 6,4 4,2 3,9 14,0 1,0 13,0 1,5 4,0 29,0 3,2 Der Jodgehalt einzelner Lebensmittel in µg pro 100 g • • • • • • • • • • • • • • • • • Gans Garnele Geflügel Gerste, ganzes Korn Grapefruit Grünkohl Gurke Hafer, ganzes Korn Haferflocken Hammelfleisch Haselnuß Heilbutt Hering Hirse Hühnerei Hühnereiweiß Hummer 4,0 130 bis zu 86 7,0 1,3 12,0 2,5 6,0 4-6 2,7 1,5 52,0 39,0 2,5 9,7 6,8 100 Der Jodgehalt einzelner Lebensmittel in µg pro 100 g • • • • • • • • • • • • • • • Joghurt 1988 3,5 Heute (siehe unter Butter) bis zu 105 (*) Johannisbeeren, rot, schwarz 1,0 Kabeljau 170 Kaffee, geröstet 8,0 Kalbfleisch 1988 2,8 Karpfen 1,7 Kartoffeln 1-4 Kirsche 1,0 Kiwi (einzelne Frucht) 80 Knoblauch 2,7 Knollensellerie 2,8 Kohlrabi 1,4 Kokosnuß 1,2 Kondensmilch 1988 7,5 Heute (siehe unter Butter) bis zu 225 (*) Der Jodgehalt einzelner Lebensmittel in µg pro 100 g • • • • • • • • • • • • Kopfsalat Kürbis Lachs Lachs in Öl Mais Makrele Mandarine Mandel Mango Meeräsche Meerwasser Miesmuschel 3,3 1,4 34 58 2,6 74 0,8 2,0 1,6 330 4 130 Der Jodgehalt einzelner Lebensmittel in µg pro 100 g • Möhren • Molkenpulver 1988 Heute • Muttermilch • Olivenöl • Ölsardine • Paprikaschoten • Pastinake • Pfirsich • Pflaume • Preiselbeeren • Radieschen • Reis • Rettich • Rhabarber • Rinderherz 15 680 bis zu 2040 (d.h. 2 Milligramm!) 6,3 5,0 24 2,3 3,6 1,0 1,0 5,0 8,0 2,2 8,0 1,0 30 Der Jodgehalt einzelner Lebensmittel in µg pro 100 g • • • • • • • • • • • • • • • Rinderleber Rindfleisch Roggen Roggenbrot ohne Jodsalz hergestellt Rosenkohl Rotbarsch Rotbarsch, geräuchert Rotkohl Sahne 10% Fett Sardine Schellfisch Schokolade Scholle Schweinefleisch Schweineschmalz 14 3,0 heute bis zu 199 7,2 8,5 0,7 99 20 5,2 9,6 heute bis zu 288 32 243 5,5 53 7,6 heute bis zu 86 9,7 heute bis zu 48 Der Jodgehalt einzelner Lebensmittel in µg pro 100 g • • • • • • • • • • • • • • • • Seelachs Seezunge Sojabohne Sojamehl Spargel Spinat Tee, schwarz Thunfisch Tomate Trockenvollmilchpulver Vollbier hell Walnuß Wassermelone Weißkohl Ziegenmilch Zwiebel 200 17 6,3 0,8 7,0 12 8 - 11 50 1,7 32 heute bis zu 960 0,7 3,0 1,0 5,2 4,1 2,0 DIÄTEN • Es werden viele Produkte zur Gewichtsabnahnme angeboten, deren Wirkung in erster Linie auf deren hohem Jodgehalt basiert (Spirulina, Kurmolke, etc.). Abgesehen davon, dass diese Diäten i.d.R. sowieso nichts bringen, sollten Sie die Finger von diesen Produkten lassen. Wenn Sie wirklich ernsthaft Probleme mit Übergewicht haben, sollten Sie die Möglichkeit einer Schilddrüsenunterfunktion in's Auge fassen. Bei einer eventuellen Gewichtsabnahme müssen Sie beachten, dass Ihr eigener Körper u.U. hoch mit Jod "belastet" ist. Dieses Jod wird dann frei, und führt zu entsprechenden Beschwerden. Beachten Sie, dass auch eine Umstellung auf vegetarische Ernährung (für viele Betroffene leider die einzige Möglichkeit, dem Jodwahn zu entkommen) häufig zunächst mit einer Gewichtsabnahme verbunden ist. URLAUB • Vorsicht bei Restaurantbesuchen! Die an sich unbelasteten Nahrungsmittel können bei der Zubereitung mit Jodsalz aus der Restaurantküche versetzt worden sein. Nachfragen ! Nur in England, Irland, Schottland und Portugal ist dies nicht zu befürchten. In diesen Ländern wird kein Jodsalz verwendet. In Frankreich kann auch das Brot jodiert sein. Nachfragen ! Jodsalz heisst auf französisch: Sel de jodi. Ebenso besteht immer die Gefahr, dass importierte Milch verwendet wird. In Schweden, Italien, Österreich und der Schweiz ist das für die Verwendung im Haushalt gedachte Salz jodiert. • In Amerika werden extrem jodhaltige Mehlbleichmittel verwendet, so dass auf diesem Wege viele Weißmehlprodukte mit Jod belastet sind. • Beachten Sie, dass Meeresluft und mehr noch Meerwasser jodhaltig ist. Wenn Sie empfindlich sind, sollten Sie einen längeren Aufenthalt am Meer vermeiden. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass jenes aus dem Meer mit dem Wasserdampf "aufsteigende" Jod auf Grund seiner Schwere wieder absinkt, sodass es höhere Bergketten z.B. hinter Neapel oder auch in Sizilien nicht überwinden kann Schilddrüse und Ernährung Vielen Dank für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit Prof. Dr. med. Hans-Georg Krengel Klinik für Innere Medizin Kath. Klinikum Essen GmbH 27. Oktober 2016