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Aus der Neurochirurgischen Universitätsklinik
der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br.
Ausdehnung, Lage und Form des
menschlichen Nucleus cochlearis
INAUGURAL – DISSERTATION
zur
Erlangung des Medizinischen Doktorgrades
der Medizinischen Fakultät
der Albert-Ludwigs-Universität
Freiburg i.Br.
vorgelegt
2008
von
Sybille Rosahl
geboren in Dessau
Dekan: Prof. Dr. Christoph Peters
1. Gutachter: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Roland Laszig
2. Gutachter: Professor Dr. med. Dr. h.c. Bodo Christ
Jahr der Promotion: 2008
2
Ausdehnung, Lage und Form des menschlichen Nucleus cochlearis
Inhalt:
1.
Einleitung................................................................................................. 5
2.
Stand der Forschung ................................................................................ 7
2.1. Lokalisation und Aufbau des Nucleus cochlearis ....................................................... 7
2.1.1. Interspezies-Vergleich ........................................................................................................ 7
2.1.2. Daten zu Lage und Ausdehnung des menschlichen Hörkerns .......................................... 7
2.1.3. Ventrales und dorsales Kerngebiet .................................................................................. 10
2.1.4. Zytoarchitektur .................................................................................................................. 10
2.2. Funktionelle Charakteristika der Nuclei cochleares.................................................. 12
2.2.1. Einbindung in die Hörbahn ............................................................................................... 12
2.2.2. Innere funktionelle Organisation und Tonotopie............................................................... 14
2.2.3. Degenerative Veränderungen im Bereich des Nucleus cochlearis .................................. 19
2.3. Auditorische Hirnstammimplantate - ABI und PABI.................................................. 20
2.3.1. Historische Entwicklung der elektrischen Stimulation der Hörbahn ................................. 20
2.3.2. Auditorische Hirnstammimplantate ................................................................................... 21
2.3.3. Penetrierende ABI-Elektroden .......................................................................................... 25
3.
Ziele und Fragestellung.......................................................................... 30
4.
Material und Methoden .......................................................................... 31
4.1. Hirnstämme ............................................................................................................. 31
4.2. Histomorphometrie des menschlichen Hirnstamms ................................................. 32
4.2.1. Präparate .......................................................................................................................... 32
4.2.2. Histologische Fixierungen und Färbungen ....................................................................... 32
4.2.3. Variablen und Messwerte ................................................................................................. 33
4.2.4. Schrumpfungskorrektur .................................................................................................... 37
4.3. Statistik.................................................................................................................... 38
4.4. Modellierung des Nucleus cochlearis....................................................................... 40
5.
Ergebnisse ............................................................................................. 40
5.1. Abgrenzbarkeit des Kerns und seiner Teilgebiete.................................................... 40
3
5.2. Form und räumliche Orientierung ............................................................................ 41
5.3. Ausdehnung des Kernkomplexes ............................................................................ 45
5.3.1. Mittlere Länge und Breite.................................................................................................. 46
5.3.2. Mittlere Höhe .................................................................................................................... 48
5.3.3. Extremwerte bezüglich der dreidimensionalen Ausdehnung ........................................... 48
5.4. Lagebeziehungen zu äußeren Bezugspunkten und zum N. facialis ......................... 50
5.4.1. Bezug zur Hirnstammoberfläche ...................................................................................... 50
5.4.2. Bezug zum Nervus facialis ............................................................................................... 51
5.4.3. Bezug zur Mittellinie des Hirnstamms .............................................................................. 52
5.4.4. Abstand des Mittelpunktes der Nuclei zum lateralen Scheitelpunkt des Hirnstamms ..... 53
5.5. Korrelationen der Maße untereinander und zu anderen Variablen........................... 55
5.5.1. Alter................................................................................................................................... 55
5.5.2. Geschlecht ........................................................................................................................ 55
5.5.3. Hirngewicht ....................................................................................................................... 55
5.5.4. Seitenvergleich ................................................................................................................. 56
5.5.5. Korrelationen zwischen den Messwerten ......................................................................... 56
5.6. Maße in Bezug zu derzeit gebräuchlichen Hirnstammimplantaten........................... 56
6.
Diskussion der Ergebnisse ..................................................................... 59
6.1. Ausdehnung, Form, räumliche Lage und Rotation der Nuclei cochleares ................ 59
6.2. Relevanz der Anatomie des Nucleus cochlearis für auditorische Neuroprothesen... 66
7.
Schlussfolgerungen für das Design von ABI- und PABI-Elektroden ....... 72
8.
Zusammenfassung ................................................................................. 75
9.
Danksagung ........................................................................................... 76
10.
Literaturverzeichnis ............................................................................... 77
4
1.
Einleitung
Der Nucleus cochlearis ist die zweite Schaltstelle der sogenannten „Hörbahn“ – einem neuronalen
System welches sich von der Hörschnecke (Cochlea) im Innenohr bis zum auditorischen Kortex
ausdehnt. Besonders in seinem ventralen Anteil finden sich Neurone, deren afferente Zuflüsse direkt
über die Fasern des Hörnerven (Nervus cochlearis) aus dem Ganglion spirale der Cochlea eintreffen.
Durch Quervernetzung der Neurone erfolgt hier eine erste Signalverarbeitung. Das Kerngebiet hat in
den letzten Jahren klinische Bedeutung bei der Rehabilitation ertaubter Patienten erlangt.
Solche Patienten, bei denen die Cochlea und/oder der Hörnerv beidseits zerstört wurden, verlieren
das Hören als Sinnesempfindung vollständig. Mit elektronischen Geräten, den so genannten
auditorischen Hirnstammimplantaten (engl.: Auditory Brainstem Implant, ABI), die erstmals 1979 in
Los Angeles eingesetzt wurden, können diese Patienten wieder Geräusche aus ihrer Umgebung
wahrnehmen. Damit gelingt oft eine bessere soziale Reintegration, weil das Lippenablesen und die
Orientierung im Alltag verbessert werden [Edgerton et al. 1982; Laszig et al. 1991; Brackmann et al.
1993; Shannon et al. 1993; Laszig et al. 1995a; Matthies et al. 2000; Rosahl et al. 2004; Shepherd
und McCreery 2006]. Mit den Implantaten werden akustische Reize aus der Umwelt über ein
Mikrophon in einen programmierbaren Stimulator eingespeist, der daraus eine elektrische Impulsfolge
erzeugt, welche über Elektroden direkt auf den Hirnstamm im Bereich des Hörkerns übertragen wird.
Das damit zu erreichende Sprachverständnis ist allerdings noch unbefriedigend. Im Gegensatz zum
Cochlear Implant können mit dem ABI z.B. nur weniger als 10% der Patienten einzelne kurze Sätze
über Telefon verstehen.
Die Ursachen dafür sind vielfältig. Vier funktionell-anatomisch Faktoren spielen dabei mit Sicherheit
eine Rolle:
Erstens erfolgt die elektrische Stimulation im Gegensatz zu den bezüglich des erreichbaren
Höreindrucks erfolgreicheren Cochlea-Implantaten [Clark et al. 1981; Parkin et al. 1985; Blamey et al.
1992; Fishman et al. 1997; Illg et al. 1999; Laszig und Aschendorff 1999; Shepherd und McCreery
2006] nicht auf Rezeptorebene mit einer annähernden Punkt-zu-Punkt-Anordnung der einzelnen
Frequenzbänder. Die elektrische Stimulation am Nucleus cochlearis trifft im Gegenteil auf eine
Region, in der bereits eine umfassende parallele und serielle Signalverarbeitung stattfindet.
Zweitens werden mit den derzeit eingesetzten Oberflächenimplantaten wahrscheinlich nur bestimmte
Anteile des ventralen und auch des dorsalen Nucleus cochlearis stimuliert. Welche das sind, hängt
von der Lage der Elektroden bei dem individuellen Patienten und damit von der chirurgischen
Implantation, aber auch von der Lage der Nuclei cochleares im Hirnstamm ab. Es ist schon bekannt,
dass der dorsale Kernanteil im Recessus lateralis des vierten Hirnventrikels am dichtesten unter der
ependymalen Oberfläche des Hirnstamms gelegen ist. Die primären synaptischen Verbindungen der
Axone des Hörnervs liegen beim Menschen jedoch überwiegend im ventralen Hörkern [Moore 1986].
Drittens breiten sich die Stimulationsströme longitudinal über die kapazitiven Schichten der Pia mater
entlang des Hirnstamms aus [Ranck, Jr. 1975]. Dadurch kann es zu Ladungsverlusten und einem
sogenannten „Übersprechen“, einer Vermischung der Reizströme zwischen einzelnen Kanälen des
Implantates kommen.
5
Viertens ist es mit Oberflächenelektroden allenfalls durch eine Variation der Stärke und Dauer der
Reizströme möglich, die innerhalb des Nucleus cochlearis des Menschen vorhandene perpendikuläre
Tonotopie in längs zur Oberfläche des Hirnstamms verlaufenden frequenzspezifischen (tonotopen)
Zellbändern [Bourk et al. 1981; Wickesberg und Oertel 1988; Kelly 1991; McCreery et al. 1998] zu
aktivieren. Eine gezielte, selektive Stimulation ist auf diese Art und Weise aber nicht denkbar, da die
elektrischen Felder unter einem Elektrodenkontakt immer alle im Radius der Reizschwelle
aktivierbaren Neurone erreichen.
Dies waren auch im Wesentlichen die Gründe, warum man nadelförmige Elektroden entwickelt hat,
welche direkt in den Hirnstamm implantiert werden können [McCreery et al. 1992; Rosahl et al. 2001;
Fayad et al. 2006]. Seit 2004 befinden sich solche Implantate in klinischen Tests. Sie werden jedoch
weiterhin mit Oberflächenelektroden kombiniert, vor allem deshalb, weil man Lage, Größe und
Orientierung der Nuclei cochlearis weder generell noch individuell exakt ermitteln kann. Für das
Einstechen der Elektroden ist man daher auf äußere Landmarken angewiesen, welche zwar eine
relative Zuordnung des Eintrittspunktes, aber kaum eine genaue Trajektorie oder sichere
Tiefenzuordnung der Elektroden zulassen. Das ist schon deshalb unmöglich, weil es für die
anatomische Ausdehnung der Nuclei cochleares bisher weder Normwerte noch überhaupt
systematische histomorphometrische Messungen gibt. Auch die interindividuelle Variabilität der Lage
und Größe des Hörkernkomplexes ist weitgehend unbekannt, ebenso wie seine räumlichen
Beziehungen zu Nachbarstrukturen und zur Oberfläche des Hirnstamms. Damit fehlen letztlich
wichtige prognostische Kriterien für die Effektivität und für das mögliche Risiko von Fehlstimulationen
und damit verbundenen Nebenwirkungen einer Stimulation mit Tiefenelektroden.
Die in der Literatur bisher verfügbaren Daten zur Lage, Form und Ausdehnung des Hörkernkomplexes
stammen entweder aus Einzelfalluntersuchungen oder sie beziehen sich auf Gesamtvolumen und
Querschnitt einzelner Bereiche des Nucleus cochlearis [Konigsmark und Murphy 1972; Gandolfi et al.
1981; Seldon und Clark 1991; Nara et al. 1993; Wagenaar et al. 1999; Chao et al. 2002; Demanez
und Demanez 2003; Abe und Rhoton, Jr. 2006] bzw. auf Messungen, die an der Oberfläche des
Hirnstamms durchgeführt wurden [Luxon 1981; Terr et al. 1987; Sinha et al. 1987; Terr et al. 1990;
Quester und Schroder 1999; Klose und Sollmann 2000; Abe und Rhoton, Jr. 2006].
Die Studienlage in Bezug auf die exakte histologische Lokalisation, Tiefe, Dimension und Orientierung
des Hörkerns innerhalb des menschlichen Hirnstamms erscheint also äußerst unbefriedigend.
Die vorliegende Studie wurde konzipiert, um diesen Fragen in einer morphometrischen Analyse auf
der Basis histologischer Untersuchungen systematisch nachzugehen.
6
2.
Stand der Forschung
2.1. Lokalisation und Aufbau des Nucleus cochlearis
Am besten untersucht bei Säugetieren ist der Nucleus cochlearis der Katze. Leider lassen sich die
Untersuchungen in Bezug auf die morphometrischen Fragestellungen der vorliegenden Arbeit nur
sehr bedingt auf den Menschen übertragen.
Dennoch gibt es einige Parallelen, die an dieser Stelle erwähnt werden sollen.
2.1.1. Interspezies-Vergleich
Auch bei der Katze kann der Nucleus cochlearis im Wesentlichen in ein ventrales und ein dorsales
Gebiet unterteilt werden [Osen 1969a; Osen 1969b; Moore 1987b; McCreery et al. 1998].
Insbesondere im Nucleus cochlearis ventralis finden sich ähnliche Zellklassen wie beim Menschen, an
denen die primären Afferenzen von der Cochlea terminieren [Osen 1969a]. Neurone und deren Axone
sind im Nucleus cochlearis dorsalis der Katze noch schichtförmig (laminar) angeordnet, während sie
sich beim Menschen in einem annähernd homogenen Plexus verteilen [Moore 1987b].
Die wesentlichsten Unterschiede zwischen den Hörkernen der beiden Spezies bestehen aber in der
Lage, der Form und der Dimension dieser anatomischen Struktur.
Der dorsale Kern verdeckt bei der Katze seitlich den ventralen Kern zum größten Teil - beim
Menschen überlappt er nur einen Teil des hinteren Pols des NCV - und wird nicht wie beim Menschen
noch von Fasern des Hörnervs durchzogen. Gleichzeitig liegt der ventrale Kern der Katze relativ frei
zugänglich unter der ventralen Oberfläche des Hirnstamms, während er beim Menschen zu einem
größeren Teil in der Tiefe verborgen ist.
Während das gesamte Kerngebiet beim Menschen lang gestreckt um den Pedunculus cerebelli
inferior verläuft, ist es bei der Katze kompakter, obwohl auch hier die Längsachse etwas größer ist als
die Querachse.
Wenn man also davon ausgeht, dass Breite und Höhe des gesamten Kernkomplexes bei Katze und
Mensch etwa vergleichbar sind, dann wäre die Längsausdehnung beim Menschen etwa doppelt so
lang wie bei der Katze [Moore 1987b].
2.1.2. Daten zu Lage und Ausdehnung des menschlichen Hörkerns
Der menschliche Hörkernkomplex befindet sich in der Rautengrube genau im Bereich des
pontomedullären Überganges [Moore und Osen 1979; Voss und Herrlinger 1981]. Seine Form ist
bislang nicht eindeutig definiert, aber die Literatur geht davon aus, dass seine Längsachse nach
lateral rotiert ist, so dass zur rostro-kaudalen Achse des Hirnstamms ein Winkel von etwa 75° entsteht
[Moore 1987a; Moore 1987b]. Damit liegt der hintere Anteil nahezu parallel zur dorsalen
Hirnstammoberfläche im Boden des 4. Ventrikels, während der vordere Anteil erst in der Tiefe des
Hirnstammes
liegt
und
sich
dann
mit
weiterer
Ausdehnung
nach
kaudal
der
lateralen
Hirnstammoberfläche nähert (Abb. 2.1, 2.2).
Obwohl exakte Varianz-Studien bislang fehlten, geht man nach den vorliegenden Daten der Literatur
davon aus, dass das gesamte Kerngebiet beim Menschen etwa einen Bereich von 10 x 8 x 3 mm
7
(Länge x Höhe x Breite) einnimmt [Terr und Edgerton 1985b; Moore 1987b; Jacob et al. 1991; Seldon
und Clark 1991; Quester und Schroder 1999; Rosahl et al. 2000]. Nach einer 1972 von Konigsmark
und Murphy veröffentlichten Studie an 23 neurologisch unauffälligen Patienten scheint es, dass das
Volumen des Nucleus cochlearis von der Geburt (4,8 mm³) etwa bis zum fünfzigsten Lebensjahr (12,1
mm³) zu- und danach wieder abnimmt (8,2 mm³ bei einem 90-Jährigen) [Konigsmark und Murphy
1972]. Interessanterweise fanden Seldon und Clark 1991 bei 11 Autopsien ein im Mittel signifikant
größeres Volumen sowohl der Somata der Neurone als auch des gesamten Nucleus cochlearis der
rechten Seite gegenüber der linken [Seldon und Clark 1991]. Sie führten diesen Befund auf eine zuvor
von mehreren Autoren postulierte Bevorzugung des rechten Ohres bei Rechtshändern zurück [Kimura
1967; Geffen 1978; Sidtis 1982]. Die Tatsache, dass die Neurone im Hörkortex der linken, dominanten
Hemisphäre ebenfalls größer sind als die der rechten wäre aufgrund der Kreuzung des
überwiegenden Teils der Hörbahn mit diesem Befund gut vereinbar [Seldon 1985].
Von der Hirnstammoberfläche betrachtet, bedeckt der Nucleus cochlearis seitlich und dorsal den
Pedunculus cerebelli inferior, die rostrale Verlängerung des Hinterstranges der Medulla oblongata. Die
dadurch auf der Oberfläche sich abzeichnende, graue Vorwölbung wurde durch Schwalbe (1881) als
„Tuberculum
acusticum“
bezeichnet
[Schwalbe
1881].
Noch
ältere
Bezeichnungen
dieser
Oberflächenstruktur, die von den nicht zum auditorischen System gehörenden Striae medullares
überzogen wird, sind die in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch Henle und die Gebrüder Wenzel
geprägten Termini „Taeniola cinerea“ und „Colliculus cinereus“ [Ziehen 1913].
Abb. 2.1
Schema der menschlichen Hirnstamm - Kleinhirnregion. Die dreidimensional komplex ineinander verdrehten
Kleinhirnschenkel stehen in unmittelbarer Lagebeziehung zu den Nuclei cochleares. (modifiziert nach [Oberson
www.cid.ch] 2001)
Beim Menschen liegt, im Gegensatz zur Katze, nur ein kleiner Teil des Nucleus cochlearis ventralis
(NCV) oberflächlich. Der Pedunculus cerebellaris medius, der wegen seiner starken Verbindungen
8
zum Pons so genannte „Brückenarm“ [Voss und Herrlinger 1981] grenzt seitlich an den am weitesten
ventral gelegenen Teil des Hörkerns und bedeckt diesen zum Teil [Moore und Osen 1979; Moore
1987b]. Lateral steht der NCV in Lagebeziehung zum Pedunculus floccularis. Schwach myelinisierte
Fasern vom Corpus pontobulbare, einer Relaisstelle am kaudalen Pol der grauen Substanz des Pons
mit efferenten Verbindungen zu den visuellen und auditorischen Regionen des Zerebellum und
Afferenzen von Rückenmark, Nucleus ruber, der Gesichtsregion des sensorimotorischen Kortex und
des Zerebellum [Martin et al. 1977; Moore und Osen 1979; Terr et al. 1987; Terr und Sinha 1987; Terr
und House 1988], welches sich von kaudal dem NCD und medioventral dem NCV unmittelbar anlegt,
ziehen sich über die ventrolaterale Oberfläche des vorderen Kernanteils und über Teile der lateralen
Oberfläche des NCD. Sie bilden mit versprengten Zellclustern im Wesentlichen die sogenannte
„periphere astrozytäre Grenzzone“ (peripheral astrocytic border, glial zone) [Moore und Osen 1979].
Abb. 2.2
Topographisch-anatomische Lokalisation der Nuclei cochlearis in einer axialen Schnittebene in Höhe der
Eintrittszone des Nervus vestibulocochlearis (Einsatz rechts unten).
Legende:
Tp
Tractus pyramidalis
ncd
Nucleus cochlearis dorsalis
Cpp
Corpus pontobulbare
ol
Olive
Tr. Trig.
Tractus trigeminalis
lm
Lemniscus medialis
ncl.vest.
Nucleus cochlearis ventralis
N.VIII
Nervus cochlearis
Ventr. IV
IV. Ventrikel
pci
Pedunculus cerebelli inferior
9
2.1.3. Ventrales und dorsales Kerngebiet
Aufgrund histomorphologischer Kriterien unterschied der Cajal-Schüler und spanisch-amerikanische
Neurowissenschaftler
Lorente
de
No
bereits
lange
vor
der
späteren
exakten
zellulären
Subklassifizierung einen kompakten, ventralen Kern von einem länglich ausgezogenen dorsalen Kern
[Lorente de No 1933]. Untersuchungen zur Zytoarchitektur haben diese Unterteilung erhärtet [Bacsik
und Strominger 1973; Brawer et al. 1974; Kane 1974; Moore und Osen 1979; Gandolfi et al. 1981;
Luxon 1981; Moore 1986; Moore 1987b; Mobley et al. 1995].
Der Nervus cochlearis, dessen vom ersten Neuron der Hörbahn (Ganglion spirale) am Hirnstamm
eintreffende Pars cochlearis zwischen 32 – 41.000 fast ausschließlich myelinisierte Fasern mit einem
Axon-Durchmesser von 2-3 µm enthält [Spoendlin und Schrott 1989], erreicht den ventralen Hörkern
an seiner ventromedialen Oberfläche. Innerhalb der Nervenwurzel im Hirnstamm teilt sich jedes Axon
in eine aszendierende und eine deszendierende Faser [Moore 1986]. Die aszendierenden Fasern
ziehen nach dorsolateral in den Nucleus cochlearis ventralis. Die deszendierenden Fasern verlaufen
relativ gerade durch den Nucleus cochlearis ventralis nach kaudal und dorsal. An der hinteren
Begrenzung des NCV divergieren diese Fasern und die meisten – bei der Katze ca. 85% [Fekete et al.
1984] - ziehen weiter zum Nucleus cochlearis dorsalis. Im Gegensatz zu anderen Säugern wird der
Nucleus cochlearis dorsalis des Menschen nicht nur bis zur Mitte, sondern vollständig rostrokaudal
von deszendierenden Axonen des Hörnerven durchzogen [Moore 1986]. Die Fasern formen einen
relativ homogenen Plexus, in den sich die Neurone einordnen. Der NCD hat daher beim Menschen,
im Gegensatz zur Katze keinen schichtförmigen (laminaren) Aufbau [Moore 1987b].
Der intramedulläre Anteil des N. vestibulocochlearis durchzieht das ventrale Kerngebiet, woraus die
anatomisch-deskriptive Unterteilung in Nucleus cochlearis ventralis superior (NCVS) et inferior (NCVI)
resultiert [Lorente de No 1981; Dublin 1982; Terr und Edgerton 1985b; Terr et al. 1987].
Hier ist eine Nomenklaturfrage von Bedeutung: Bei Untersuchungen am Tier werden, resultierend aus
der mehr horizontalen räumlichen Orientierung des Hirnstamms, an Stelle der Begriffe „superior“ und
„inferior“ die Termini „anterior“ und „posterior“ verwendet.
Die in histologischen Studien aufgrund des zellulären Besatzes und des Innervationsmusters
(aszendierende versus deszendierende Fasern) bei Säugetieren deutliche Untergliederung in eine
„Pars anteroventralis“ und „Pars posteroventralis“ ist beim Menschen durch den gekrümmten Verlauf
der Axone des Nervus cochlearis im Hirnstamm schwer zu erkennen, so dass eine weitere
histomorphologische Unterteilung des ventralen Hörkerns hier meist nicht erfolgt [Moore und Osen
1979].
2.1.4. Zytoarchitektur
Der gesamte Nucleus cochlearis des Menschen enthält weniger als 100.000 Zellen. Bezüglich des
NCV sind die Angaben dazu weitgehend einheitlich (63.200 - 70.000 Zellen), während für den NCD in
zwei wesentlichen Studien erstaunlich differente Zahlen angegeben werden (7370 – 26 000 Zellen)
[Hall 1965; Konigsmark und Murphy 1972]. Die Ursache dafür dürfte in der schwierigen histologischen
Abgrenzbarkeit der beiden Kernanteile liegen.
10
Die Korrelation zwischen Volumen und Zellzahl ist offenbar nicht signifikant [Hall 1965; Konigsmark
und Murphy 1972], weil das für das Gesamtvolumen des Kerngebietes entscheidende Zellvolumen
individuell erheblich schwankt [Hall 1965; Seldon und Clark 1991].
Die Literaturbefunde zur Zytoarchitektur sind umfangreich, aber ebenfalls nicht einheitlich. Detaillierte
Subklassifizierungen verwenden zum Teil unterschiedliche Nomenklaturen für gleiche Zelltypen
[Olszewski und Baxter 1954; Konigsmark und Murphy 1972; Bacsik und Strominger 1973; Dublin
1974; Moore und Osen 1979; Dublin 1982; Terr und Edgerton 1985a; Adams 1986; Moore 1987a;
Terr et al. 1990]. Das hat dazu geführt, dass solche Subklassifizierungen auch von renommierten
Autoren angezweifelt wurden [Seldon und Clark 1991]. Eine Erklärung für die unterschiedliche
Benennung liegt möglicherweise darin, dass die verschiedenen Zelltypen in Form und Größe sehr
heterogen auftreten können [Tolbert und Morest 1982]. Bei den zumeist angewendeten NisslFärbungen entsteht daher ein relativ großer, subjektiver Spielraum bei der Klassifizierung.
Im Nucleus cochlearis dorsalis finden sich ganz überwiegend bipolare und trianguläre Zellen mit
einem Durchmesser von 15-30µm [Moore 1987b]. Eine derart große Variabilität der Zellgröße ist in
keinem anderen Bereich des Nucleus cochlearis zu beobachten [Moore und Osen 1979]. Drei weitere
Zelltypen (kleine Sternzellen, Riesenzellen und Körnerzellen) spielen eine untergeordnete Rolle und
finden sich auch im NCV.
Nach dem Zellbild lässt sich im Bereich des Nucleus cochlearis ventralis ein unterer, großzelliger
Anteil von einem oberen kleinzelligen Gebiet differenzieren. Eine auffällige Zellgruppe im unterhalb
der Eintrittszone des Hörnerven gelegenen Bereich sind die so genannten „Oktopus-Zellen“
mit
einem Durchmesser von ca. 30µm. Oberhalb und ventral dieser Region dominieren multipolare
Sternzellen mit einem Durchmesser von ca. 30-35µm und ovaläre Zellen, die den in Golgi-Färbungen
sicher zu klassifizierenden globulären Zellen entsprechen [Bacsik und Strominger 1973; Moore und
Osen 1979; Adams 1986; Moore 1987b].
In dem oberen, kleinzelligen Gebiet finden sich ebenfalls vorwiegend multipolare Sternzellen, hier
allerdings mit einem geringeren Zelldurchmesser (ca. 25µm). Weiterhin sind hier sphärische oder
Rundzellen angeordnet, die beim Menschen häufig auch ovaläre Form annehmen können und bei
sensorineuralem Hörverlust ein charakteristische Degenerationsmuster aufweisen [Dublin 1976]. In
der lateralen Flanke des VCN liegen die sogenannten „cap cells“, eine flache Schicht einheitlich
kleiner, spindelförmiger Zellen [Moore und Osen 1979; Moore 1987b].
Offenbar nimmt die Größe der Neurone im Nucleus cochlearis generell von kaudal nach rostral ab
[Seldon und Clark 1991].
Im Rahmen dieser Arbeit erscheinen die exakte Subklassifizierung der Zellen und ihr Besatz mit
Neurotransmittern von untergeordneter Bedeutung, so dass hier nicht weiter darauf eingegangen
werden soll.
11
2.2.
Funktionelle Charakteristika der Nuclei cochleares
2.2.1. Einbindung in die Hörbahn
Das Kerngebiet des Nucleus cochlearis enthält die zweiten Neurone der Hörbahn, die gleichzeitig die
der ersten Umschaltstelle im Bereich des Hirnstammes repräsentieren.
Abb. 2.3
Vereinfachtes Schema der Hörbahn zur Veranschaulichung der Kreuzung der wesentlichen Afferenzen im
auditorischen System des Hirnstamms auf die Gegenseite. Im Bereich der hier nicht berücksichtigen Olive erfolgt
parallel auch eine ipsilaterale Aufschaltung (s. unter 2.1.3.).
Deutlich wird in der Abbildung auch das Prinzip der tonotopen Frequenz-abbildung: Im Bereich der Cochlea ist
jeder Frequenz ein relativ präziser Punkt zugeordnet. Diese Präzision dieser Zuordnung nimmt im Verlauf der
Hörbahn nach zentral ab.
(modifiziert nach Oberson, 2001)[Oberson www.cid.ch]
Seine afferente Innervation erhält das Kerngebiet durch die Pars cochlearis des Nervus
vestibulocochlearis, die ihren Ursprung von den Ganglienzellen des Ganglion spirale hat (s. Abb.2.3).
Nur 2-4 % der Fasern des Hörnervs sind nicht myelinisiert. Abzüglich der Myelinscheide beträgt der
mittlere Durchmesser der etwa 30.000 Fasern weniger als einen Mikrometer [Spoendlin und Schrott
1989]. Im Bereich der Nervenwurzel teilen sich die Fasern, woraus ihre anatomisch deskriptive
Unterscheidung in aufsteigende und absteigende Fasern resultiert (s.a. 2.1.3.) [Voss und Herrlinger
1981].
12
Afferenzen vom ventralen Hörkern verlaufen in der Medulla oblongata zur Olive, wo durch komplexe
Verschaltung bereits eine Raumorientierung unter anderem durch reflektorische Blickwendungen
realisiert werden kann. Hier erfolgt auch eine Verteilung auf ipsi- und kontralaterale Bahnsysteme
[Irvine 1986; Schmidt und Thews 1996]. Der weit überwiegende Anteil der Fasern kreuzt auf die
Gegenseite und durchzieht dabei in der Mittelinie von Pons und Medulla das Corpus trapezoideum.
Von dort verlaufen die Fasern im Lemniscus lateralis zum Colliculus inferior.
Afferenzen vom dorsalen Kern verlaufen als Striae acustici (Monakov) zur Mittellinie, kreuzen
ebenfalls und verlaufen im Lemniscus lateralis der Gegenseite zum Colliculus inferior.
Über das Corpus geniculatum laterale werden bereits, ohne nochmalige Kreuzung der Bahnsysteme,
die primären auditorischen Hörfelder im Temporallappen („Heschl’scher Cortex“) innerviert. Die
meisten corticalen Neurone werden daher vom kontralateralen Ohr aktiviert [Irvine 1986; Schmidt und
Thews 1996].
Bei einer zentralen, unilateralen Läsion der Hörbahn leidet der Betroffene folglich unter
Schwierigkeiten bei der Lokalisation von Schallquellen sowie beim Erkennen zeitlicher Muster des
Schallreizes und daraus resultierenden Störungen des Sprachverständnisses, unter Umständen auch
bei Schädigung im Bereich der nicht dominanten Hemisphäre.
Die Neurone des ventralen Nucleus cochlearis verhalten sich funktionell noch ähnlich wie die Fasern
des Hörnervs. Reine Töne führen dort, falls sie überschwellig sind, fast immer zu einer Aktivierung.
Die Tuningkurven (d.h. der Frequenzbereich, innerhalb derer sich ein auditorisches Neuron aktivieren
lässt) sind scharf, die Latenzen sind kurz [Evans 1975; Webster und Aitkin 1975; Irvine 1986].
Im dorsalen Nucleus cochlearis ergibt sich ein grundlegend anderes Bild. Obwohl auch hier die
Neurone meist noch durch die Präsentation reiner Töne über das Ohr erregbar sind, ist das
Antwortmuster auf diese Stimulation jedoch sehr unterschiedlich. Einige Neurone des dorsalen Kerns
können durch Beschallung generell gehemmt werden, andere wieder werden durch bestimmte
Frequenzen erregt, durch Nachbarfrequenzen aber gehemmt. Wiederum andere Neurone lassen sich
besonders leicht durch Töne erregen, deren Frequenz sich ändert (so genannte frequenzmodulierte
Töne [Whitfield 1967; Evans 1975; Goldberg 1975; Britt und Starr 1976; Manis und Brownell 1983;
Moore 1987a].
Die anatomische Grundlage für dieses Verhalten bilden kollaterale Verschaltungen, die teils
exzitatorisch, teils inhibitorisch wirken. Die funktionelle Bedeutung liegt offenbar darin, dass die
Neurone auf bestimmte Eigenschaften des Schallreizes besonders reagieren, d.h. bereits hier
Beiträge zur Mustererkennung geliefert werden. Dieses Verhalten wird in zentraleren Anteilen der
Hörbahn immer deutlicher.
Je weiter zentral sich ein Neuron in der Hörbahn befindet, desto komplexere Schallmuster muss man
verwenden, um die Neurone aktivieren zu können [Pickles 1988]. Viele cochlea-fern gelegene Zellen
reagieren überhaupt nicht mehr auf reine Töne. Zum Beispiel gibt es im Colliculus inferior Zellen, die
nur durch frequenzmodulierte Töne erregbar sind, wobei häufig Richtung und Grad der Modulation
von Bedeutung sind. Andere Zellen in diesem Gebiet reagieren zwar auf einen reinen Ton, aber nur,
wenn er amplitudenmoduliert ist.
13
Betrachtet man die mit Cochlea-Implantaten erreichbaren Hörergebnisse, dann erscheint es sicher
erstrebenswert, die Elektroden auditorischer Hirnstammimplantate ebenso tonotop anzuordnen wie
das in der Cochlea möglich ist. Aufgrund der nach zentral zunehmenden Komplexität der Verschaltung
im Bereich der Hörbahn muss man annehmen, dass die primäre Schaltstelle im Hirnstamm, der
Nucleus cochlearis ventralis, dafür ein sehr geeigneter Zielort wäre. Würde man seine Größe und
Lage kennen und könnte diese auch während der Implantation zuordnen, dann sollte ein tonotopes
„Andocken“ mit einem Hirnstammimplantat prinzipiell möglich sein, solange der funktionelle Aufbau
des Kerngebietes berücksichtigt wird. Diese funktionelle Organisation soll im Folgenden daher noch
näher betrachtet werden.
2.2.2. Innere funktionelle Organisation und Tonotopie
Bereits im Bereich der Nuclei cochleares werden einzelne frequenzspezifische Kanäle in ein
vielkanaliges sensorisches System integriert [Moore 1986]. Phylogenetisch zeigt sich allerdings mit
zunehmender Enzephalisation des auditorischen Systems ein Trend zur Abnahme der Integration im
Bereich dieses Kerngebietes im Hirnstamm, was zum Beispiel im Abbau der externen
Granularzellschicht (Interneurone) im Verlauf der postnatalen Entwicklung, in der relativen
Verkleinerung des Nucleus cochlearis dorsalis bei Primaten, in der vollständigen Durchsetzung auch
dieses hinteren Kernanteils mit Fasern aus dem Nervus cochlearis, in reduzierten Populationen von
Riesenzellen sowie im Verlust perpendikulären Anordnung der Pyramidenzellen im NCD beim
Menschen im Vergleich zur Katze zum Ausdruck kommt [Moore und Osen 1979; Heiman-Patterson
und Strominger 1985; Pickles 1988]. Damit ist die funktionelle Organisation des Nucleus cochlearis
beim Menschen eigentlich eher klarer und weniger komplex als bei niederen Säugetieren.
Nach seiner Teilung im Bereich der Wurzeleintrittszone kontaktiert jedes der etwa 30.000 primären
Axone des Hörnervs über synaptische Verbindungen jeweils einige Hundert Neurone im
Hörkernkomplex [Lorente de No 1933; Whitfield 1967; Luxon 1981; Quester und Schroder 1997]. An
den Neuronen des ventralen Kerns bilden die Fasern große und komplexe neurochemische
Strukturen, die sogenannten Held’schen Endkolben [Lorente de No 1981].
Wie unter 2.2.1. beschrieben sind es die Neurone des ventralen Nucleus, welche funktionelle
Charakteristika aufweisen, die denen der Fasern des Hörnerven ähneln. Die Zellen des Nucleus
cochlearis dorsalis zeigen ein wesentlich komplexeres Verhalten. Etwa die Hälfte der im NCD der
Katze gelegenen Zellen sind Interneurone und werden nicht direkt durch Fasern des Hörnerven
innerviert [Whitfield 1967; Moore 1986]. Die Axone der Neurone des Nucleus cochlearis dorsalis
ziehen zudem an der nächsten Schaltstelle der Hörbahn, der oberen Olive, nur vorbei ohne dort
umgeschaltet zu werden und kreuzen vollständig zum lateralen Lemniscus der Gegenseite [Whitfield
1967; Pickles 1988]. Die Spontanaktivität der Neurone des NCD der Katze wird kaum durch cochleäre
Afferenzen direkt beeinflusst, so dass man annehmen kann, dass hier andere Zuflüsse dominieren
[Koerber et al. 1966].
14
Das für die Entwicklung von Tiefenelektroden für die elektrische Stimulation interessanteste Prinzip in
der funktionellen Topographie des Hörkerngebietes ist die tonotope Organisation seiner Zellen und
Fasersysteme, das heißt die Ausrichtung der anatomischen Strukturen nach funktionellen Prinzipien
der Frequenzzuordnung. Primäre auditorische Axone von der Basis der Cochlea (hohe Frequenzen)
penetrieren tief in den Nucleus hinein, bevor sie in seinen Unterabschnitten terminieren. Primäre
Axone vom Apex der Cochlea (tiefe Frequenzen) terminieren in oberflächlicheren Schichten und
Fasern aus den mittleren Regionen erreichen Schichten, die zwischen diesen beiden Extremen
angeordnet sind [Moore und Osen 1979; Dublin 1982; Moore 1986; Kelly 1991]. Im Bereich des
Nucleus cochlearis dorsalis zeigt sich neben der im Gegensatz zu anderen Spezies vollständigen
Penetration durch deszendierende Axone des Hörnerven [Moore 1986] noch eine weitere, wichtige
Besonderheit: Die cochleotope Sequenz ist hier im Gegensatz zu Katze und Meerschwein so
angelegt, dass basale Fasern rostral und apikale Fasern kaudal in den hinteren Teil des Hörkerns
einstrahlen [Moore und Osen 1979; Moore 1986].
Abb. 2.4
Abbildung aus der ersten Originalpublikation über Messungen zur tonotopen Abbildung der Frequenzen im
anterioren NCV nach akustischer Stimulation. Entlang des Penetrationskanals einer Mikroelektrode durch den
Hirnstamm der Katze wurden Summenpotenziale als Antwort auf akustische Stimulation mit unterschiedlichen
Tonhöhen abgeleitet. Interessanterweise zeigt sich in den drei Kerngebieten des Hörkerns der Katze jeweils eine
eigenständige Tonotopie. (nach [Rose et al. 1959])
15
Erwartungsgemäß finden diese anatomischen Beobachtungen ihre funktionelle Widerspiegelung in
einer tonotopen Tiefenanordnung charakteristischer Frequenzen (Abb.2.4) [Rose et al. 1959; Whitfield
1967; Osen 1970; Evans 1975; Lorente de No 1981; Luxon 1981; Irvine 1986; Pickles 1988; Kahle
1991].
Eine schichtförmige, oberflächenparallele Frequenz-Anordnung gibt es bei der Katze nur im anterioren
NCV. Hier besteht eine klare Punkt-zu-Schicht (oder Punkt-zu-Ebene) Zuordnung charakteristischer
cochleärer Frequenzen bzw. Frequenzbänder. Diese Schichten konstanter charakteristischer
Frequenzen (Isofrequenzschichten) sind annähernd planar, parallel und von lateral nach medial sowie
von rostral nach kaudal jeweils ca. 45° geneigt [Bourk et al. 1981; Irvine 1986]. Eine solche Punkt-zuSchicht-Repräsentation
somatosensorischen
erfordert
System
Transformationen
[Merzenich
et
al.
höherer
1977;
Ordnung
Bourk
als
et
al.
im
visuellen
1981].
und
Welche
Stimuluseigenschaften an welchen Punkten der Isofrequenzschichten repräsentiert werden ist noch
ungeklärt.
Die schichtförmige Frequenz-Zuordnung im anterioren Nucleus cochlearis ventralis der Katze gilt nicht
mehr im posterioren NCV, wo es mehrere tonotope Gradienten gibt und Neurone mit sehr
unterschiedlichen charakteristischen Frequenzen einander benachbart sein können [Bourk et al.
1981].
Gleichzeitig lässt sich bei Änderung der Penetrationsrichtung der Messelektroden im Nucleus
cochlearis ventralis der Katze auch eine von dorsal nach ventral gerichtete Abnahme der
charakteristischen Frequenz nachweisen [Rose et al. 1960; Evans und Nelson 1973; Goldberg 1975;
Luxon 1981].
Das Neuropil der Zentralregion des NCD setzt sich offenbar zu einem großen Teil aus nicht primären
Axonen und Synapsen zusammen [Osen 1969a; Osen 1969b; Osen 1970; Moore und Osen 1979;
Moore 1987b]. Degenerationsstudien stützen diese Befunde (s. unter 2.1.5). Eine tonotope Anordnung
findet sich aber auch im hinteren Hörkern [Rose et al. 1959; Rose et al. 1960; Irvine 1986]. Offenbar
ist dort jedoch die Tiefenanordnung komplexer, so dass lineare Tonotopie-Modelle für dieses
Kerngebiet bei der Katze bisher nicht bestätigt werden konnten [Irvine 1986]. Im Tierexperiment
lassen sich intranukleäre Verbindungen zwischen korrespondierenden, tonotopen Regionen des NCV
und NCD nachweisen [Snyder und Leake 1988; Wickesberg und Oertel 1988]. Aufgrund der
beschriebenen, plexusartigen Aufzweigung der Afferenzen im dorsalen Hörkern des Menschen dürfte
eine systematische Frequenzzuordnung hier noch weniger gelingen.
McCreery et al. nutzten in einer 1998 veröffentlichten Studie den bekannten tonotopen, dorsolateralnach-ventromedialen Aufbau des Nucleus centralis des Colliculus inferior bei Katzen um
nachzuweisen, dass man mit Stromstärken, die in früheren Experimenten bei chronischer Stimulation
als unschädlich befunden wurden [McCreery et al. 1992; McCreery et al. 1994; McCreery et al. 1997],
die Isofrequenzschichten des Nucleus cochlearis ventralis mit penetrierenden Tiefenelektroden
separat stimulieren kann [McCreery et al. 1998].
Durch die gleichzeitige Implantation von Elektroden im Colliculus inferior konnte die räumliche
Verteilung evozierter Feldpotenziale (multi unit activity) nach Reizung an verschiedenen Punkten auf
16
einer dorso-ventral durch den Nucleus cochlearis ventralis liegenden Achse ermittelt werden. Es
zeigten sich gegeneinander abgrenzbare Regionen im Colliculus inferior, die offenbar die
charakteristischen Frequenzen im NCV repräsentieren (Abb. 2.5). In gewisser Weise waren diese
Untersuchungen die unmittelbare Fortsetzung der Studien von Rose und Galambos zur
Tiefentonotopie des Nucleus cochlearis [Rose et al. 1959; Rose et al. 1960] und der tierexperimentelle
Beweis, dass eine Ausnutzung der tonotopen Gradienten des Kerngebietes durch penetrierende
Hirnstammimplantate auch durch elektrische Stimulation praktisch realisierbar ist.
Abb. 2.5
Links: Summenfeldpotenziale im Colliculus inferior nach Stimulation mit einer Stromstärke von 24µA über
Mikroelektroden in der Tiefe des Nucleus cochlearis ventralis der Katze.
Rechts: Mittlere Anzahl von neuronalen Summenpotenzialen, welche eine definierte Schwelle überschritten, als
Funktion der Tiefe der Ableitelektroden im Colliculus inferior und der Position der Stimulationselektroden im NCV.
Es wird deutlich, dass die Stimulation in unterschiedlicher Tiefe entlang der dorso-ventralen Achse des Kerns
maximale Antworten an unterschiedlichen Orten der tonotopen Karte des CI auslöst. Daraus lässt sich schließen,
dass eine frequenzspezifische Reizung im Nucleus cochlearis ventralis mit dauerhaft tolerablen Amplituden bei
der Katze möglich ist. (aus [McCreery et al. 1998])
Eine
direkte
Kartierung
der
Repräsentation
akustischer
Reizfrequenzen
im
auditorischen
Hirnstammsystem des Menschen ist noch nicht möglich. Dublins’s Versuch eines „kochleären
Nukleogramms“ [Dublin 1974; Dublin 1976; Dublin 1982] ist bisher die einzige brauchbare Methode,
die Tiefentonotopie abzuschätzen. Wie zuvor schon aus dem histologischen Zustand der Haarzellen,
der Stria vascularis und der Spiralganglionneurone ein „Audiohistogramm“ erstellt wurde, bestimmte
Dublin aus dem Verlust der sphärischer Zellen im Nucleus cochlearis, dem zu erwartenden
Audiogramm bei sensorineuralem Hörverlust und dem Untergang von Spiralganglienzellen eine
näherungsweise („best fit“) Frequenzkarte. Er ermittelte dabei einen Gradienten, innerhalb dessen
tiefe Frequenzen ventral und hohe Frequenzen dorsal repräsentiert werden (Abb. 2.6). Diese Befunde
stehen mit den oben zitierten histologischen Untersuchungen im Einklang [Moore und Osen 1979;
Moore 1986].
17
Abb. 2.6 Abbildung niedriger und
hoher Frequenzen im Bereich der
unteren
Hörbahn
(Cochlea,
Nucleus cochlearis, Colliculus
inferior). Die Abbildung hoher
Frequenzen soll auch beim
Menschen
primär
und
überwiegend im NCV erfolgen
[McCreery et al. 2005].
Eine
Form
Kartierung ist, allerdings nur über den Umweg einer elektrischen Stimulation
der
Tonotopie-
und Abfrage der
Tonhöhen-Wahrnehmung, auch bei Patienten mit mehrkanaligen auditorischen Hirnstammimplantaten
durch ein so genanntes „pitch ranking“ möglich [Moore und Osen 1979; Moore 1986; Laszig et al.
1995b; Laszig 1997; Sollmann et al. 1998; Marangos et al. 2000]. Auch hier zeichnet sich eine
ähnliche Tendenz ab: niedrige Frequenzen werden medial (tiefer im Recessus lateralis) und kaudal,
höhere Frequenzen lateral und kranial abgebildet [Marangos et al. 2000]. Da die lateralen Elektroden
die Grenze zwischen dorsalem und ventralem Nucleus überschreiten und die Elektrodenlage
individuell variiert ist die Aussagekraft dieser Untersuchungen allerdings eingeschränkt.
Darüber hinaus muss man berücksichtigen, dass bei Oberflächenimplantaten in vivo die
Feldverteilung unter den Elektroden uneinheitlich ist und man in der klinischen Praxis bisher nicht
vorhersagen kann, in welcher Tiefe Neurone unter einer bestimmten Elektrode gerade noch erreicht
werden. Die durch Stimulation an einem bestimmten Elektrodenkontakt durch den Patienten
empfundene Tonhöhe kann daher durchaus auch eine Funktion der erreichten Eindringtiefe des
elektrischen Feldes an dieser Stelle sein [Klinke et al. 1996]. An einem physikalisch-mathematischen
Modell, mit dem die Stromverteilung in Gewebe und Flüssigkeit vorhergesagt werden kann, wird
derzeit an der University of Michigan gearbeitet [McCreery et al. 2005]. Damit soll es möglich werden,
den Abstand zwischen Elektroden und (auditorischen) Neuronen abzuschätzen.
Als neurophysiologische Basis für die elektrische Stimulation zum Hörersatz kann man nach den
vorliegenden Befunden auch beim Menschen dreidimensionale Tonotopie-Gradienten in den Nuclei
cochleares annehmen, deren Ausnutzung durch Oberflächenelektroden derzeit nur ansatzweise
möglich ist.
Nach einer Hypothese von Young (1984) [Young 1984] bilden die in den Nuclei cochleares zum Teil
abgrenzbaren Gruppen unterschiedlicher Zellformen separate, parallele Systeme zur Weitergabe der
auditorischen Information. Ein Teil des Qualitätsverlustes des ABI gegenüber dem Cochlear-Implant
resultiert also möglicherweise daraus, dass aufgrund der Entfernung der Elektroden zu den primären
auditorischen Neuronen nur sekundäre funktionelle Subsysteme angeregt werden können und dies
nicht komplex und konzertiert genug [Liu et al. 1998]. Auch hier wäre eine bessere Kontaktierung
(Interfacing) primärer auditorischer Afferenzen mit Tiefenelektroden ein möglicher Lösungsansatz.
18
2.2.3. Degenerative Veränderungen im Bereich des Nucleus cochlearis
Entscheidend für die dauerhafte Funktionsfähigkeit von Implantaten, welche die primären
auditorischen Zentren des Hirnstamms elektrisch stimulieren, ist die Überlebensfähigkeit der
Nervenzellen im Nucleus cochlearis. Auch bei vollständig biokompatibler, elektrischer Dauerreizung
ohne unmittelbar zellschädigende Effekte würde eine teilweise und fortschreitende Degeneration der
Neurone einen schleichenden Funktionsverlust der Implantate mit sich bringen. Das ist auch für die
vorliegende Untersuchung bezüglich der Altersverteilung von Bedeutung. Außerdem ist ungeklärt, ob
sich durch Degeneration die anatomischen Dimensionen des Nucleus cochlearis verändern.
Degenerationsstudien nach Zerstörung der Cochlea oder des Hörnerven erlauben prinzipiell
Rückschlüsse nicht nur auf das Ausmaß des Zellverlustes im Bereich des 2. Neurons der Hörbahn.
Aufgrund der trophischen Funktion der afferenten Axone des Nervus cochlearis lassen diese
Untersuchungen darüber hinaus Aussagen über das Innervationsmuster und Rückschlüsse auf die
Tonotopie der Nuclei cochleares zu.
Es ist zu erwarten, dass Neurone, die ihren afferenten Zustrom unmittelbar über
Axone des
Hörnerven, also vom Ganglion spirale und nicht von Zwischenneuronen erhalten, nach
sensorineuraler Destruktion am deutlichsten degenerieren.
Aus der nur geringgradigen Degeneration des Neuropils des Nucleus cochlearis dorsalis nach
kompletter cochleärer Destruktion kann geschlossen werden, dass in diesem Teil des Hörkerns Axone
und Synapsen überwiegen, die nicht primär aus dem Hörnerven gespeist werden [Moore 1986;
Seldon und Clark 1991]. Der NCD ist also bezüglich Dichte und Ausmaß der Innervation weit weniger
durch den Hörnerv dominiert als der Nucleus cochlearis ventralis.
Tatsächlich tritt eine Degeneration nach Cochlealäsionen offenbar überwiegend im Bereich des
Nucleus cochlearis ventralis ein [Dublin 1976; Moore und Osen 1979; Dublin 1982; Moore 1986;
Moore 1987a]. Dabei kommt es kaum zu Zellverlusten, sondern vor allem zu einer Verringerung von
Zellgröße und –volumen.
Seldon and Clark (1991) [Seldon und Clark 1991] fanden bei 11 postlingual ertaubten Patienten eine
Verringerung der Zellgröße und des Volumens des Nucleus cochlearis im Vergleich zu einer
Kontrollgruppe. Beide Veränderungen erwiesen sich jedoch, trotz der großen Gesamtzahl von 81.007
gezählten Neuronen, als nicht statistisch signifikant. Selbst 40 Jahre nach Ertaubung hatte die
Zellgröße in einem Fall dieser Studie nur minimal abgenommen. Erfahrungen mit Patienten, die gute
Sprachdiskrimination erlangten, obwohl ihnen erst mehr als 30 Jahre nach Ertaubung ein Cochlea
Implantat eingesetzt wurde, werden damit interpretierbar [Blamey et al. 1992].
Jean Moore et al. fanden in einer Untersuchung an 7 sensorineural ertaubten Patienten 1997 eine
Verringerung der Zellgröße in der Größenordnung von 20-30% im vorderen Anteil des Nucleus
cochlearis [Moore et al. 1997]. Interessanterweise wiesen die Autoren diese Schrumpfung in ähnlicher
Ausprägung auch in übergeordneten Zentren der Hörbahn nach, nämlich in der Olive und im
Colliculus inferior. Die gleiche Größenabnahme fand sich auch bei einem Patienten mit Cochlea
Implantat, woraus sich schlussfolgern lässt, dass die elektrische Stimulation des Hörnerven allein den
offenbar durch transmitter-assoziierte Substanzen vermittelten trophischen Effekt nicht ersetzen kann.
19
Bei einem Patientin mit Neurofibromatose Typ II in der gleichen Studie zeigten auch 10 Jahre nach
unilateraler
und
6
Jahre
nach
bilateraler
Ertaubung
mehr
als
70%
der
Zellen
keine
Degenerationszeichen. Selbst im Nucleus cochlearis eines seit fast 30 Jahren ertaubten Patienten war
die Mehrzahl der Neurone morphologisch unverändert im Vergleich zur Norm.
Das beschriebene Degenerationsmuster mit Volumenreduktion bei gleichbleibender Zellzahl tritt
offenbar bei Mensch und Katze in durchaus vergleichbarer Weise ein [Shepherd und Hardie 2001].
Hardie und Shephard berichteten 1999 über eine an 13 kochleär vertaubten Katzen durchgeführte
Untersuchung mit Implantation bipolarer Elektroden in der Scala tympani. 12 der Tiere waren seit
weniger als 2½ Jahren taub. Die Spiralgangliendichte hatte im Mittel auf 17% abgenommen. Das
Volumen des Nucleus cochlearis war um 46% vermindert, die Neuronendichte um 37% gegenüber der
Norm erhöht. Bei einem längerfristig (8 Jahre) ertaubten Tier trat die Schrumpfungsdegeneration in
deutlich stärkerem Maße ein (60% Volumenminderung, 44% erhöhte Neuronendichte). Wiederum war
die absolute Zahl der Zellen nicht wesentlich reduziert.
Dennoch ist die Volumenverringerung des gesamten Kerngebietes nach Deafferenzierung im Rahmen
der Versorgung von längerfristig ertaubten Patienten mit Implantaten aufgrund der möglichen,
topographisch-anatomischen
Veränderungen
ein
nicht
zu
unterschätzender
Faktor.
Histomorphometrische Messungen, die an Hirnstämmen nicht ertaubter Menschen durchgeführt
werden, müssten demnach in der Tendenz Überschätzung der Ausdehnung des Nucleus cochlearis
befunden werden. Darauf soll in der Diskussion der Ergebnisse der vorliegenden Arbeit
zurückgekommen werden.
2.3. Auditorische Hirnstammimplantate - ABI und PABI
2.3.1. Historische Entwicklung der elektrischen Stimulation der Hörbahn
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bemerkte Alessandro Volta bei elektrischer Stimulation mit der ersten
Batterie, der berühmten Volta’schen Säule, an seinen mit leitfähiger Kochsalzlösung gefüllten äußeren
Gehörgängen
Höreindrücke
[Volta
1800].
1925
wurde
der
Effekt
durch
amerikanische
Radioingenieure als „elektrophones Hören“ quasi wiederentdeckt, indem sie Stimulationselektroden in
der Nähe des Ohres platzierten [Steven und Jones 1939]. Wever und Bray entdeckten 1930 per Zufall
mit auf dem Hörnerv von Katzen platzierten Elektroden Potenziale, die den Eigenschaften des
Schallreizes nahezu analog folgten [Wever und Bray 1930]. Die erste wissenschaftliche Publikation
über eine elektrische Stimulation des Hörnervs mit dem Ziel der Wiederherstellung des Hörvermögens
entstand 1957. Der Otologe Djourno und der Physiker Eyries hatten in Paris bei einem Patienten über
eine retrocochleär am Hörnerv gelegene Elektrode auditorische Sensationen auslösen können
[Djourno und Eyries 1957]. Durch die elektrische Stimulation über einen primitiven Sprachstimulator
konnten die französischen Forscher auditorische Sensationen auslösen, welche der Patient als
Geräusche beschrieb, wie sie beim Drehen eines Roulettes entstehen. Nach einer Übungsphase
verstand er sogar einzelne Wörter. Interessant ist, dass er das mit einem perkutanen Stecker
20
versehene und in situ belassene Implantat über mehr als ein Jahr benutzte und das Ausschalten als
„Rückfall in unerträgliche Stille“ beschrieb [Lehnhardt 1998].
Die Arbeit von Djourno und Eyries griffen die US-Amerikaner James Doyle und sein Schüler William
House auf. 1961 entwickelten die HNO-Spezialisten die ersten klinisch eingesetzten EinkanalImplantate zur elektrischen Stimulation der Cochlea [Doyle et al. 1964]. Die implantierten Patienten
konnten Umgebungsgeräusche hören und den Rhythmus von Musik und Sprache erkennen. In
Europa wurde durch den Otologen Fritz Zöllner in Freiburg und den Physiologen Wolf Dieter Keidel
Pionierarbeit geleistet. Während Djourno’s Gruppe in Frankreich weiterhin eine Platzierung der
Elektroden auf dem Hörnervstumpf favorisierte, implantierten die Deutschen, wie William House in Los
Angeles, über das runde Fenster direkt in die Scala tympani. Zöllner und Keidel entwarfen bereits
1963 ein mehrkanaliges Cochlea-Implantat [Zöllner und Keidel 1963].
1964 stimulierte F. Blair Simmons nach der Entfernung eines rezidivierten Kleinhirntumors den
Hörnerv elektrisch intraoperativ. Am Tag zuvor hatte er dem Patienten Tonfolgen vorgespielt, die
während der Wachoperation am nächsten Tag in ähnlicher Form als elektrische Reizfolgen appliziert
wurden. Der Patient berichtete während der elektrischen Stimulation bei der Operation, dass er
tatsächlich ähnliche Geräusche wahrnähme wie tags zuvor beim akustischen Training [Simmons et al.
1964].
1966 implantierte die gleiche Arbeitsgruppe an der Stanford Universität eine Elektrode in den
Modiolus der Cochlea eines kongenital tauben Patienten [Simmons 1966]. 1981 berichteten sowohl
Michelson und Schindler als auch Clark et al. (Melbourne) unabhängig voneinander zum ersten Mal
über Patienten, die durch cochleäre Implantate ein Sprachverständnis erlangt hatten [Clark et al.
1981; Michelson und Schindler 1981].
2.3.2. Auditorische Hirnstammimplantate
Ermutigt durch die Erfolge bei ertaubten Patienten, deren Hörnerv noch intakt war und ausgehend von
der Überlegung, dass es auch möglich sein müsste, durch elektrische Stimulation an anderen Stellen
der Hörbahn akustische Wahrnehmungen auszulösen, implantierten der HNO-Chirurg William House
und der Neurochirurg William Hitselberger am 24. Mai 1979 zwei kugelförmige Platin-Elektroden
(Durchmesser 0,5 mm, Elektrodenabstand 1,5 mm, Abb. 2.7 ) in den Hirnstamm einer Patientin, bei
der durch Typ-II-Neurofibromatose beide Hörnerven durch Akustikusneurinome zerstört waren
[Edgerton et al. 1982].
21
Abb. 2.7 Historische ABI-Elektroden [Brackmann et al. 1993]
Ganz oben: erstes (penetrierendes) Einkanal-ABI 1979
Darunter: mehrere Generationen Oberflächen-ABI
Rechts: Beispiel des implantierten Anteils eines aktuellen ABI mit 21 aktiven Elektroden und einer kugelförmigen
Referenzelektrode (Nucleus24, Abb. Press Kit der Fa. Cochlear Ltd.)
Damit war das erste auditorische Hirnstammimplantat (ABI … Auditory Brainstem Implant) geschaffen
– kurioserweise als penetrierendes Implantat (PABI … Penetrating Auditory Brainstem Implant). Zwei
Jahre später wurden diese penetrierenden Elektroden gegen eine Oberflächenelektrode (Dakronnetz
mit zwei Platin-Kontakten) ersetzt. Penetrierende Implantate wurden erst 2004, also 25 Jahre nach
dem ersten ABI erneut eingesetzt.
Bis 1989 waren 16 Oberflächen-ABI implantiert worden. Der Recessus lateralis des 4.Ventrikels
erwies sich für Oberflächenelektroden als der am besten geeignete Implantationsort (Abb. 2.8).
22
Abb. 2.8 Cochlea Implant (CI) rechts und zwei Typen von Elektroden eines auditorischen Hirnstammimplantates
(ABI). Die eine Elektrode liegt als Oberflächenelektrode im rechten Recessus lateralis des vierten Ventrikels dem
Nucleus cohlearis an. Die auf dem zweiten ABI-Elektrodenträger montierten Nadelelektroden penetrieren der
NCV (PABI) (Quelle: PABI Press Kit; House Ear Institute, Los Angeles, Zeichnung von Cochlear Corporation/
Cochlear Limited, http://www.hei.org/news/presskits/pabi/pabiimages.htm)
Durch die Einführung einer intraoperativen, elektrophysiologischen Ableittechnik für elektrisch
evozierte Potenziale des Hirnstamms (Potenziale mit einer Latenz von weniger als 4ms, so genannte
„Electrically Evoked Auditory Brainstem Response“, EABR) durch Michael Waring am HEI in Los
Angeles 1992 [Waring 1995a; Waring 1995b] wurde eine exaktere Platzierung der Elektrode über dem
Nucleus cochlearis möglich, die Implantate blieben aber zunächst einkanalig.
Erst nachdem Luetje et al. (Kansas City, Missouri) im Februar 1990 bei einer ertaubten Patientin nach
Entfernung eines Vestibularisschwannoms die Elektrode eines der zu diesem Zeitpunkt kommerziell
verfügbaren mehrkanaligen Cochlea-Implantate über das Foramen Luschkae in den Recessus
lateralis eingesetzt hatten und mit vier Elektroden davon bereits am sechsten postoperativen Tag das
auditorische System aktivieren konnten [Luetje et al. 1992], begann die systematische klinische
Erprobung von Mehrkanalimplantaten auch für den Nucleus cochlearis. 1991 wurden am HEI in Los
Angeles erstmals 3-Kanal- Implantate – damals noch mit rechteckigem Elektrodenquerschnitt – bei
fünf Patienten eingesetzt. Das erste klinisch eingesetzte Multikanalimplantat wurde durch den HNOChirurgen Roland Laszig und den Neurochirurgen Wolf Peter Sollmann in Hannover konzipiert und
durch die australische Firma Nucleus technisch umgesetzt [Laszig et al. 1991]. 1992 wurden die
ersten Patienten in Hannover und in Los Angeles über einen translabyrinthären Zugang mit
23
Multikanal-Arrays versorgt [Laszig et al. 1995a; Otto et al. 1997]. Neben der Weiterentwicklung der
Sprachprozessortechnik, die Impulse durch den weltweiten Erfolg des Cochlear-Implantats erhielt,
wurde die Elektrodenentwicklung vorangetrieben. Das europäische Konzept hatte von Beginn an
gezielt auf die Verwendung von Multikanal-Arrays gesetzt, um die vorhandene Prozessortechnologie
und gegebenenfalls auch die mögliche Tonotopie entlang der Oberfläche des Nucleus cochlearis
auszunutzen [Laszig 1997; Laszig et al. 1997; Sollmann et al. 1998; Sollmann et al. 2000; Lenarz et
al. 2001]. In der Praxis konnte dann auch tatsächlich ein Tonhöhenabfall von medial nach lateral an
den in den Recessus lateralis eingebrachten Elektroden beobachtet werden [Laszig et al. 1995b].
Obwohl die Qualität des Sprachverständnisses theoretisch bei mehr als acht frequenzspezifischen
Kanälen nur noch geringfügig ansteigt [Shannon et al. 1995; Fishman et al. 1997; Dorman et al. 1997]
hat sich in der Praxis letztlich das deutsche, beziehungsweise europäische Konzept eines mit 21
aktiven Kanälen bestückten Implantates gegenüber dem 8-Kanal Konkurrenten aus Los Angeles (HEI)
durchgesetzt.
Inzwischen wurden weltweit mehr als 600 Patienten mit ähnlichen Implantaten versorgt
[http://www.cdc.gov/ncbddd/ehdi/documents/ABI_Biernath%2007-2007%20(2).pdf].
Nachdem anfangs nur der translabyrinthäre Zugang zur Implantation genutzt wurde, werden ABI seit
längerem auch über einen lateral subokzipitalen Zugang eingesetzt [Matthies et al. 2000; Sollmann et
al. 2000]. Obwohl zeitliche Reizauflösung, Dynamik und Lautstärkecharakteristik dem CochleaImplantat sehr ähnlich sind [Shannon 1989; Shannon und Otto 1990], blieben die klinischen
Ergebnisse mit dem ABI trotz ausgefeilter Sprachprozessortechnik und Einbindung multipler
Elektroden in die Implantate hinter den Erwartungen und insbesondere hinter den Erfolgen mit den CI
zurück [Shannon et al. 1993; Shannon 1993; Laszig et al. 1995a; Laszig et al. 1995b; Briggs et al.
2000; Ebinger et al. 2000; Matthies et al. 2000; Marangos et al. 2000; Sollmann et al. 2000; Lenarz et
al. 2001]. Charakteristisch ist die hohe individuelle Varianz bezüglich der Effektivität der elektrischen
Implantate. Wie beim Cochlea Implantat müssen Elektrodenkonfiguration und Reizparameter jeweils
individuell postoperativ angepasst werden. Die Prozessorstrategie, also die Art der Umsetzung von
akustischen Signalen in elektrische Reizfolgen und das Muster der Ansteuerung der einzelnen
Elektroden ist dabei ebenfalls bedeutungsvoll. Die Ergebnisse der einzelnen Arbeitsgruppen, die zum
Teil sehr unterschiedliche Sprachprozessorstrategien einsetzen, sind daher auch nur bedingt
vergleichbar. Im Durchschnitt entspricht die Qualität des durch ein ABI erreichbaren Höreindrucks mit
wenigen Ausnahmen [Colletti und Shannon 2005] derzeit noch immer nur dem eines einkanaligen
Cochlea Implantates [Laszig und Aschendorff 1999; Rauschecker und Shannon 2002]. Das
Lippenlesen wird für mehr als die Hälfte der ABI-Patienten bereits in den ersten Wochen nach
Implantation deutlich leichter. Dieser Effekt nimmt später noch weiter zu, sodass die meisten
Patienten ihr Implantat permanent einsetzen. Umgebungsgeräusche (z.B. Klingel, Autohupen) können
gehört, von Sprache unterschieden und oft richtig eingeordnet werden. Männer-, Frauen und
Kinderstimmen können ebenso differenziert werden und manche Patienten können weiter in ihrem
Beruf arbeiten [Lenarz et al. 2002; Nevison et al. 2002]. Zur Wahrnehmung eindeutiger Höreindrücke
ist für Patienten mit den heutigen ABI eine geräuscharme Umgebung Voraussetzung. Längere Worte
können aufgrund von Nachhall- und Echo-Effekten meist nicht verstanden werden. Ein echtes
Sprachverständnis („open set speech recognition“) erhalten nur wenige Patienten allein durch die
24
elektro-auditorische Stimulation mit dem ABI [Lesinski-Schiedat et al. 2000; Jackson et al. 2002]. Zu
den Nebenwirkungen zählen Schwindel und Dysästhesien im Bereich der Zunge, des Kopfes und des
Beines. Die sensorische Fehlstimulation betrifft oft auch das 2. Neuron der somatosensiblen Bahnen
(Druckempfindung, Vibrationsempfinden, Raumsinnempfindung, Berührungssensibilität). [Lenarz et al.
2001] Seltener wird der Nervus facialis mitgereizt [Brackmann et al. 1993; Shannon et al. 1993], was
sich aus dem Verlauf des Nerven im Hirnstamm und seiner Nachbarschaft zum Nucleus cochlearis
erklärt. Auch Nebenwirkungen durch Reizung der caudalen Hirnnerven (Nervi glossopharyngeus,
vagus, accessorius), deren Kerngebiete in der mittleren Medulla oblongata unweit des darüber
liegenden Zielgebietes der ABI-Elektroden lokalisiert sind. Motorische Fehlstimulation der unteren
Extremitäten durch Elektrodenmigration wurden episodisch beschrieben [Edgerton et al. 1982]. Bei
Fehlstimulation und Elektrodenverlagerung ist eine Replatzierung des Implantates möglich; auch
tierexperimentell zeigten sich durch das Oberflächenimplantat selbst keine Schädigungen des
Hörkerns [Liu et al. 1997; Manrique et al. 2000; Rosahl et al. 2001; Manrique et al. 2008]. Wie oben
beschrieben (s. Kapitel 2.1.3) liegt auch der oberflächliche dorsale Kern noch geschützt unter der Pia
und einzelnen Nervenfaserzügen.
2.3.3. Penetrierende ABI-Elektroden
Weil nur wenige ABI-Träger ein offenes Sprachverständnis wiedererlangen und weil durch die
erfolgreicheren Cochlea Implantate bekannt ist, dass ein Sprachverständnis davon abhängt, die
Wahrnehmung möglichst vieler unterschiedliche Tonhöhen durch elektrische Stimulation an
unterschiedlichen Orten auslösen zu können, vermutet man, dass die Oberflächenelektroden des ABI,
im Gegensatz zu den annähernd tonotop platzierten Elektroden des Cochlea Implantates, zu wenig
direkte räumliche Beziehung zu tonhöhenspezifischen Arealen des Hörkerns haben. Man vermutet
weiterhin, dass dieser Nachteil durch penetrierende Elektroden (PABI, Abb. 2.9) teilweise
ausgeglichen werden kann, so dass ein Sprachverständnis resultiert, welches dem durch MultikanalCochlear-Implantate näher kommt (http://www.hei.org/news/facts/pabifact.htm).
25
A
B
C
Abb. 2.9
Im Katzenexeperiment am Huntington Research Institute in Pasadena eingesetzten PABI-Elektroden. In jeden
der in A und B dargestellten 4 Silikonschäfte waren mehrere Elektrodenkontakte integriert. Der EpoxyTrägersockel (C) hatte einen Durchmesser von 2,4 mm und war damit genau so dimensioniert, wie der
Elektrodenträger für die erste Generation penetrierender Elektroden im Patienteneinsatz. Dabei kamen allerdings
Einzelelektroden unterschiedlicher Länge aus Iridium zum Einsatz [McCreery et al. 2005]. Die Elektroden wurden
während der Operation mit einem speziellen pneumatischen Insertions-Werkzeug implantiert.
Die in der Cochlea longitudinal angeordneten, charakteristischen Frequenzen sind im Nucleus
cochlearis zum Teil vertikal zur Hirnstammoberfläche repräsentiert (dreidimensionale Tonotopie,
Tiefentonotopie, s. Kapitel 2.2.2) [Rose et al. 1959; Moore und Osen 1979; Moore 1986; McCreery et
al. 2000]. Große Anteile des Nucleus cochlearis ventralis werden durch Oberflächenimplantate nicht
erreicht. Dieser Teil des Kerngebietes erhält aber den weitaus größeren Anteil der primären
auditorischen Afferenzen. Seine Neurone weisen ähnliche Antwortcharakteristiken wie die primären
sensorischen Neurone des Ganglion spirale auf. Sie exprimieren überwiegend exzitatorische
Transmitter. Der Grad ihrer Vernetzung untereinander ist noch nicht so komplex wie im Nucleus
cochlearis dorsalis. Die Zahl der in Richtung des Colliculus inferior abgehenden Fasern aus dem
Nucleus cochlearis ventralis ist etwa um den Faktor 10 größer als im Nucleus cochlearis dorsalis
[Evans 1975]. Die Stimulation des vorderen Kernanteils führt simultan zu einer Aktivierung
zugehöriger tonotoper Areale im Nucleus cochlearis dorsalis [Moore 1987b].
26
Mit penetrierenden Elektroden lassen sich außerdem experimentell, offenbar aufgrund einer besseren
Ankopplung der Stimulation an auditorische Neurone zweiter Ordnung, niedrigere elektrische
Reizschwellen erzielen [Evans 1975; Niparko et al. 1989; Shore et al. 1990; El-Kashlan et al. 1991;
McCreery et al. 1992; Liu et al. 1997; McCreery et al. 1998; McCreery et al. 2000; Rosahl et al. 2001].
Penetrierende Elektroden haben im Experiment kaum neuronale Schäden im Bereich der
Implantationsstelle hervorgerufen (Abb. 2.10) [McCreery et al. 1992; Liu et al. 1997; McCreery et al.
2000; Rosahl et al. 2001].
Abb. 2.10 Längsschnitt des Stichkanals einer Insertionselektrode mit quadratischem Querschnitt und einer
Kantenlänge von 180
Man sieht eine glatte Penetration des Gewebes und
eine Verdichtung von Glia vor allem um die meisselförmige Spitze der Elektrode, aber keine signifikanten
Veränderungen der Zahl oder Form der Neuroneum Schaft und Spitze. (Trichrom-Färbung [Rosahl et al. 2004]).
Theoretisch
sind
durch
penetrierende
Elektroden
in
Kombination
mit
konventionellen
Oberflächenelektroden (s. Abb. 2.11) also signifikante Vorteile bezüglich der Qualität der
auditorischen Wahrnehmung zu erwarten.
27
Abb. 2.11
Schematische Darstellung der Komponenten eines ABI mit einer Kombination von Oberflächen- und
Tiefenelektroden für die elektrische Stimulation des Nucleus cochlearis zur partiellen Wiederherstellung des
Hörvermögens nach beidseitigem Funktionsverlust der Hörnerven (grün: PABI-Träger, blau: Träger für
Oberflächenelektroden; modifizert nach [Rauschecker und Shannon 2002]).
In praxi haben sich diese Erwartungen in ersten klinischen Fallstudien, die seit 2003 am HEI in Los
Angeles mit nach anatomischen Untersuchungen am menschlichen Nucleus cochlearis von Jean
Moore [Moore und Osen 1979; Moore 1986] konzipierten kombinierten Elektrodenarrays (anfangs 14
Oberflächen- und 8 Tiefenelektroden, derzeit 11 Oberflächen- und 10 Tiefenelektroden) durchgeführt
wurden, bisher offenbar nicht erfüllt [McCreery et al. 2005; Fayad et al. 2006]. Nachdem fünf
Neurofibromatose-Patienten mit einem kombinierten PABI der Fa. Cochlear Ltd./Cochlear Corporation
versorgt waren (sie konnten jeweils drei verschiedene Sprachprozessoren, einen für die
ausschließliche Nutzung der 14 Oberflächenelektroden, einen für die ausschließliche Nutzung der 8
penetrierenden Mikroelektroden und einen für die Kombination beider Elektrodentypen einsetzen),
ergaben sich folgende Ergebnisse:
28
Ein Patient (#3) hatte kontralateral bei der Routine-Nachuntersuchung im zweiten Quartal 2005 noch
normales Hören, obwohl auf dieser Seite ein Akustikusneurinom mit einem Durchmesser von 2cm
gewachsen war. An vier der penetrierenden Elektroden dieses Patienten konnten auditorische
Sensationen ausgelöst werden, die maximale Komfortlautstärke (MCL) wurde aber bis zum
Ladungslimit von 3nC an keiner dieser Elektroden erreicht. Der Patient nutzte das PABI zu diesem
Zeitpunkt nur für kurze Phasen am Tag, zu denen er den Audio-Ausgang des Fernsehers direkt mit
dem Sprachprozessor verband und den Ton des Fernsehers ausstellt.
Nur drei Patienten empfanden überhaupt nach Stimulation an penetrierenden Elektroden
Höreindrücke. Alle drei setzten am meisten den kombinierten Sprachprozessor ein. PABI-Patientin #2
hatte die besten Sprachdiskriminations-Scores, zwischen den anderen 4 Patienten gab es bezüglich
der Spracherkennung keine Unterschiede. Patientin #2 konnte Phoneme mit dem kombinierten
Prozessor und dem Prozessor für das Oberflächenimplantat gleich gut wahrnehmen, Sätze aber
deutlich besser mit dem Kombinationsprozessor diskriminieren (Abb. 2.12).
Abb. 2.12 Ergebnisse der Spracherkennung der fünf am House Ear Institute mit einem kombinierten PABI
implantierten Patienten. Auf der Abszisse sind die Monate seit Beginn der Tests aufgetragen [McCreery et al.
2005].
Zusammenfassend zeigten alle PABI-Patienten auch ein Jahr nach Implantation ein enttäuschend
geringes offenes Satzverständnis (open set sentence recognition) von unter 20%.
Eine der Ursachen sahen die kalifornischen Wissenschaftler in dem geringen von der FDA
genehmigten Ladungslimit pro Stimulation und Elektrode (3nC). Von den Patienten, die überhaupt
über penetrierende Elektroden etwas hören konnten, hörte keiner wirklich ausreichend laute
Geräusche bei Stimulation dieser Elektroden, so dass die penetrierenden Elektroden in dieser Form
funktionell ohne Bedeutung waren.
Die multidisziplinäre Arbeitsgruppe am HEI in Los Angeles, am Huntington Research Institute in
Pasadena und an der University of Michigan hat daher bereits 2005 bei der FDA eine weitere klinische
29
Studie mit 10 Patienten zum Einsatz einer zweiten PABI-Generation beantragt. In dem neuen
Implantat wurden zwei weitere penetrierende Elektrodenkontakte untergebracht. Dafür reduzierte man
die Anzahl der Oberflächenelektroden auf 11. Die Oberfläche der penetrierenden Mikroelektroden
sollte vergrößert, das Ladungslimit von 3 auf 8 nC erhöht werden. Die Ergebnisse dieser neuen
Untersuchungen sind zum jetzigen Zeitpunkt noch unveröffentlicht.
Die vorliegende Studie soll auch dazu beitragen, mögliche Ursachen für die bisher unbefriedigende
Situation bezüglich der Qualität der Sprachwahrnehmung mit dem PABI zu finden.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass inzwischen auch andere Stationen der Hörbahn klinisch mit
entsprechend angepassten Elektroden stimuliert werden, um ertaubten Patienten mit zerstörten
Hörnerven wieder einen Höreindruck zu vermitteln. Der Colliculus inferior bietet sich dafür durch seine
klare Tonotopie und seine nicht durch Tumore (Akustikusneurinome) veränderte Anatomie an [Lenarz
et al. 2006a; Lenarz et al. 2006b; Lim et al. 2007; Lenarz et al. 2007; Lim und Anderson 2007]. Die
ersten mit Implantaten im Mittelhirn (Lemniscus lateralis, Colliculus inferior) versorgten Patienten
gaben gute Hörwahrnehmungen an, zum Teil vergleichbar denen, die mit den besten Oberflächen-ABI
erreicht werden. Allerdings werden dabei starke Schwankungen der Lautstärkeadaptation sowie
geringere Lautstärkesummationseffekte für höherfrequente Stimulation und stärkere Stromverluste bei
Stimuli längerer Phasendauer als bei kochleären Neuronen berichtet [Schwartz et al. 2008; Lim et al.
2008a; Lim et al. 2008b].
3.
Ziele und Fragestellung
Die in 2.3.3. skizzierten klinischen Studien zur Implantation von Tiefenelektroden in den Nucleus
cochlearis zur Restitution des Hörvermögens bei durch Neurofibromatose gehörlos gewordenen
Patienten haben diese Arbeit inspiriert.
Es sollte eine möglichst exakte Beschreibung der durchschnittlichen Größe, Tiefe und räumlichen
Orientierung des Hörkernkomplexes (NCK) im normalen menschlichen Hirnstamm versucht werden.
Darüber hinaus sollte die interindividuelle Variabilität dieser Maße berechnet werden. Schließlich
sollten Lagebeziehungen des Nucleus zu Nachbarstrukturen (wie dem Hirnstammeintritt des N.
facialis) und zu äußeren Bezugspunkten (Scheitelpunkt des Hirnstamms, Oberfläche des Hirnstamms,
Mitte des Hirnstamms) systematisch untersucht werden.
Daraus ergaben sich zwei wesentliche Fragekomplexe – mit anatomischer und klinischneuroprothetischer Orientierung:
Welche Form, welche Orientierung, welche Ausdehnung, welche Tiefe und welchen Abstand
zum Nervus facialis, zur Medianebene und zum seitlichen Scheitelpunkt des Hirnstamms
haben die beiden Anteile des Nucleus cochlearis?
30
Welche Dimensionen müsste ein Elektrodenarray aufweisen, welches alle Teile des Nucleus
cochlearis direkt kontaktieren soll und welches ist bezüglich der Hirnstammoberfläche und des
Austritts des Nervus facialis der am besten geeignete Implantationsort für ein penetrierendes
Elektrodenarray?
4.
Material und Methoden
4.1. Hirnstämme
In dieser Arbeit wurden 20 menschliche Hirnstämme und daran 33 Nuclei cochleares untersucht. Die
Hirnstämme wurden im Rahmen von Routine-Obduktionen bei 11 Männern und 9 Frauen entnommen.
Dabei vergingen zwischen Eintritt des Todes und Fixierung in 4%iger TRISgepufferter Formalinlösung
durchschnittlich 49,6 Stunden. Minimal betrug die Zeit 8 Stunden und maximal 168 Stunden. Bei
keinem der in die Untersuchung einbezogenen Patienten wurde eine Schwerhörigkeit angegeben.
25% der Patienten waren auf Grund allgemeiner kardiorespiratorischer Erkrankungen verstorben,
40% kamen durch Linksherzversagen ad exitum, bei 10% war Rechtsherzversagen die pathologisch
gesicherte Todesursache, 20% erlagen einem
toxischen und 5% einem respiratorischen
Kreislaufversagen.
Tab. 4.1.
Geschlechtsverteilung, Alter, Gehirngewicht und Dauer der Formalinfixierung der verwendeten Präparate
Fallnr.
Geschlecht
Alter
Gehirngewicht
Zeit in Formalin
[Jahre]
[g]
[Tage]
I
W
48
1330
42
X
M
60
1470
76
XII
W
75
1300
142
XIV
W
53
1250
144
XVI
M
50
1330
85
XVII
M
44
1530
76
XX
M
60
1400
190
XXI
W
83
1400
189
XXIII
W
69
1100
239
XXIV
W
45
1450
183
XXVI
W
64
1260
152
XXXI
M
61
1320
164
XXXII
M
41
1600
91
XXXIII
W
50
1200
135
XXXIV
M
83
1330
457
31
XXXV
M
37
1450
79
XXXVI
M
32
1360
556
XXXVII
W
81
1260
574
XXXVIII
M
62
1590
572
XXXIX
M
52
1320
588
Das durchschnittliche Alter der Verstorbenen lag bei 57,5 (48-83) Jahren (Tab. 4.1). Das
Gehirnfrischgewicht lag zwischen 1100g und 1600g (Mittelwert 1362,4).
Die histologischen Hirnpräparate zeigten keine pathologischen Veränderungen oder Autolysezeichen.
Die durchschnittliche Zeit der Formalinfixierung betrug 236,7 (42 - 588) Tage.
4.2. Histomorphometrie des menschlichen Hirnstamms
4.2.1. Präparate
Die ausgewählten Hirnstämme wurden zunächst orthogonal zur Längsachse so in Blöcken
zugeschnitten, dass der Komplex des Hörkerns beidseits eingeschlossen war. Als äußere
Landmarken dienten die Hirnnerven V und IX/X.
Die Präparate wurden danach für mindestens 6 Wochen in 4%iger Formalinlösung belassen, da erst
nach diesem Zeitpunkt die Vorgänge der Schwellung und Schrumpfung annähernd konstant sind
[Treff und Kraus 1960b; Fischer et al. 1973; Kuroki und Moller 1995].
4.2.2. Histologische Fixierungen und Färbungen
In einer aufsteigenden Alkoholreihe erfolgte anschließend die Entwässerung der Präparate über drei
Tage bis zur Einbettung in Paraffin.
Mit dem Mikrotom wurden aus den Paraffinblöcken anschließend axiale Schnitte mit einer
Schichtdicke von 8µm hergestellt.
Jeder zweite Schnitt wurde auf Objektträger aufgezogen, die mit Poly-L-Lysin beschichtet waren. Vor
der Färbung lagerten die Schnitte im Trockenschrank.
Gefärbt wurde jeder 20. Schnitt, so dass der Abstand zwischen zwei ausgewerteten Schnitten 320µm
betrug. War ein gefärbter Schnitt zerrissen oder umgeschlagen, dann wurde der nächste, 16µm weiter
kaudal oder rostral gelegene Schnitt nachgefärbt.
Die Kolorierung der getrockneten Schnitte erfolgte durch eine Trichromfärbung (Masson).
Dazu wurde zunächst mit Xylol für 10min, anschließend mit Xylol und 100% Methylhydroxid (1:1)
entparaffiniert. Danach wurden die Schnitte noch einmal mit 90% Methylhydroxid und zweimal mit
70% Methylhydroxid behandelt.
32
Anschließend erfolgte die Anwendung einer Eisen-Hämatoxylin-Färbung nach Weigert. Die erste
Stammlösung wurde aus 10g kristallinem Hämatoxil auf 1000ml 96%igem Ethanol hergestellt, um
anschließend vier Wochen zu reifen. Die zweite Stammlösung bestand aus 11,6g Eisen-(III)chloridhexahydrat auf 980ml Aqua bidest unter Zugabe von 10 ml 25%iger Salzsäure. Beide
Stammlösungen wurden im Verhältnis 1:1 gemischt und filtriert.
Mit diesen Lösungen erfolgte das Bläuen der Schnitte in warmem Wasser für zwei Mal 5 Minuten, mit
einer Zwischeneinlage in 0,5%iger Essigsäure für eine Minute.
Es schloss sich eine Fuchsinfärbung (Stammlösung A, 50ml : 10g Säurefuchsin + 5ml Eisessig +
1000ml Aqua bidest; Stammlösung B, 150 ml: 10g Panceau de Xylidine + 10ml Eisessig + 1000ml
Aqua bidest) über einen Zeitraum von 5 Minuten an. Anschließend wurden die Schnitte für zwei
Sekunden durch destilliertes Wasser gezogen, danach für 10 Minuten in 1%iger Wolframsäure
eingelegt. Nach erneutem kurzem Spülen in 0,5%iger Essigsäure erfolgte eine Anilinblaufärbung (5,5g
Anilinblaulösung + 5,5ml Eisessig auf 250ml Aqua bidest) für eine Minute.
Nach weiteren 10 Minuten in Essigsäure wurden die Schnitte kurz in Wasser gespült und
anschließend in einer aufsteigenden Alkoholreihe endfixiert.
Das Eindecken der fertig gefärbten Präparate erfolgte mit Corbit.
4.2.3. Variablen und Messwerte
Als natürlicher Bezugspunkt (Landmarke) für die Lagebestimmung und Ausdehnung des
Hörkernkomplexes wurde, neben der äußeren Begrenzung (Oberfläche) des Hirnstamms, die
Eintrittsstelle des Nervus facialis in den Hirnstamm gewählt. Diese ist für den Chirurgen auch nach
Entfernung von Tumoren aus dem Bereich des Hirnstamms meistens abgrenzbar und muss ohnehin
dargestellt werden, um Irritationen durch zu implantierende Elekroden zu vermeiden. Zur exakten
Einstufung der rostrokaudalen Höhe wurde der rostralste (kranialste) Anschnitt des Eintritts des
Nervus facialis (Schicht 0) gewählt.
Für die Untersuchungen sicher und vollständig auswertbar waren 17 rechtsseitige und 16 linksseitige
Nuclei cochleares.
Die Bestimmung der Dimensionen und Distanzen erfolgte unter dem Mikroskop (Leica) bei 2,5facher
Vergrößerung mit Hilfe eines Messokulars, welches mit einer Zählkammer nach Neubauer
(Kammertiefe
0,1mm)
geeicht
war.
Die
kleinste
Unterteilung
der
Skala
(Auflösung
und
Messgenauigkeit) lag bei 4µm.
Die Messungen bezogen sich vor allem auf die Tiefe des Kerngebietes unter der Oberfläche des
Hirnstamms, die dreidimensionale Ausdehnung der beiden Nuclei cochleares und deren Lage in
Bezug auf die Eintrittsstelle des Nervus facialis in den Hirnstamm.
Tabelle 4.2 und Abbildung 4.1 geben eine Übersicht über die Variablen, die jeweils für den Nucleus
cochlearis ventralis und den Nucleus cochlearis dorsalis sowie für jede Seite getrennt gemessen
wurden.
Aufgrund der komplexen räumlichen Lage der Nuclei cochleares ist es nicht sinnvoll, die Messungen
auf das einfache Koordinatensystem mit den Dimensionen medial, lateral, rostral , kaudal, dorsal und
ventral beziehen. Die Messwerte müssen sich vielmehr direkt an der vermessenen Struktur orientieren
33
(Länge x Breite x Höhe). Für den Nucleus cochlearis dorsalis bedeutet „Länge“ die Ausdehnung in
mediolateraler Richtung, für den Nucleus cochlearis ventralis aber die Ausdehnung in ventrodorsaler
Richtung. Mit „Breite“ wird bei beiden Kerngebieten die Ausdehnung in die Tiefe des Hirnstamms
bezeichnet. Die „Höhe“ ist die rostrokaudale Ausdehnung gemeint.
Tab. 4.2
Zur Charakterisierung der Nuclei cochleares bestimmte Variablen (s.a. die folgenden Abbildungen)
BEZEICHNUNG
VARIABLE
größte Länge
K
geringste Tiefe
D
Tiefe am ventralen Pol
G
Tiefe im ventralen Drittel
i1
Tiefe in der Mitte des Kerns
E
Tiefe im dorsalen Drittel
h1
Tiefe am dorsalen Pol
B
größte Breite
->gesamter Kern
N
->ventrales Drittel
I
->im Mittelpunkt des Kerns
F
->dorsales Drittel
H
Abstand von der Mittellinie (Sulcus medianus) des Hirnstamms
A
auf der Hirnstammoberfläche
Abstand des Mittelpunktes zum seitlichen Scheitelpunkt des
O
Hirnstamms
Abstand NCV – NCD
M (m_000s)
Abstand NCV – Mitte N. facialis
P
Höhe über rostralstem Anschnitt des Fazialis
vvü
Gesamthöhe des dorsalen Kerns
vd
Gesamthöhe des ventralen Kerns
vv
Gesamthöhe NCV + NCD
vg
Alle Variablen wurden in jedem gefärbten Schnitt, d.h. in einem Abstand von jeweils 320µm Schicht
für Schicht sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite bestimmt und individuell vermessen.
34
N. cochlearis
Flocculus
NCV
k(v)
o
pci
IV. Ventrikel
k(d)
a
Abb. 4.1 Skizzen zur Bestimmung der Variablen aus Tab. 4.2.
[a]
Transversalschnitt des Hirnstamms in Höhe der Eintrittszone des Nervus vestibulocochlearis (pci…Pedunculus
cerebelli inferior, NCV…Nucleus cochlearis ventralis)
35
n
e
(i, f, h)
(d,g, i1,h1,b)
h1, b)
k
m
NCD
[b]
Vergrößerte Darstellung der beiden Teilgebiete des Hörkerns, die sich seitlich dem Pedunculus cerebelli inferior
anlegen (NCD…Nucleus cochlearis dorsalis)
36
vvu
vv
vg
vd
[c]
Koronarer Schnitt durch den Hirnstamm in Höhe der Nuclei cochlearis zur Illustration der vorgenommenen
Höhenbestimmungen und Maße aus Tabelle 4.2
4.2.4. Schrumpfungskorrektur
Die aufgrund der Fixierung, Dehydratation und Paraffineinbettung eintretende Schrumpfung des
Hirnstammgewebes wurde, unter Berücksichtigung der wesentlichen Literaturbefunde [Konigsmark
und Murphy 1972; Moore 1987a; Quester und Schroder 1997] mit 12% in transversaler und 17% in
longitudinaler Richtung (Umrechnungsfaktoren 1,13 und 1,21; Tab. 4.3) angenommen.
Die aus den mikroskopischen Messungen ermittelten, linearen Dimensionen wurden daher mit dem
Faktor 1,13 für transversale Messungen und mit dem Faktor 1,21 für longitudinale Maße multipliziert,
um die Verhältnisse in vivo zu approximieren und die Ergebnisse mit denen von Quester und
Schröder (1997) durch äußere Messungen am menschlichen Hirnstamm gewonnenen vergleichen zu
können, obwohl sich in der Literatur für den longitudinalen Faktor auch geringere Werte finden
[Konigsmark und Murphy 1972; Schaltenbrand und Wahren 1977; Moore 1987a].
Tab. 4.3
Schrumpfung des Hirnstammgewebes im Bereich der Medulla oblongata (n=33) durch verschiedene histologische
Bearbeitungsschritte nach Quester und Schröder (1997)[Quester und Schroder 1997]
Formalinfixierung (4%)
Dehydratation
+
transversal
longitudinal
transversal
longitudinal
Formalinfixierung
+
Dehydratation
+
Paraffineinbettung
transversal
longitudinal
0
8,3
12
17
13
Paraffineinbettung
%
17
37
Für die hier ausgemessenen histologischen Schichten von 288 µm kranial bis 448 µm kaudal des
rostralsten Fazialisanschnitts ergeben sich nach Schrumpfungskorrektur (Faktor 1,21) die in Tabelle
4.4 angegebenen Werte.
Tab. 4.4
Lage der histologischen Schnitte in Bezug auf den rostralsten Anschnitt des Nervus facialis
Ausgangswert (Schnitttiefe)
Nach Schrumpfungskorrektur
[µm]
(x 1,21) [µm]
-2880
-3480
-2560
-3100
-2240
-2710
-1920
-2320
-1600
-1940
-1280
-1550
-960
-1160
-640
-770
-320
-390
±0
±0
+320
+390
+640
+770
+960
+1160
+1280
+1550
+1600
+1940
+1920
+2320
+2240
+2710
+2560
+3100
+2880
+3480
+3200
+3870
+3520
+4260
+3840
+4650
+4160
+5030
+4480
+5420
4.3. Statistik
Die Messergebnisse wurden mit dem Statistikprogramm SPSS PC+ bearbeitet. Die Eingabe und
Analyse erfolgten sowohl seitengetrennt als auch kombiniert. Zur Anwendung kamen im Wesentlichen
deskriptive Statistiken zur Bestimmung des Mittelwertes, der Varianz, der Standardabweichung und
des Standardfehlers.
38
Bezüglich der Messung der Längen- und Breitenausdehnung des Kerngebietes muss man sich
darüber im Klaren sein, dass minimale und maximale Ausdehnung in den verschiedenen Ebenen nicht
für jedes Kerngebiet an der gleichen Stelle bzw. im gleichen histologischen Schnitt auftreten.
Außerdem war nicht damit zu rechnen, dass ein Kerngebiet in allen Dimensionen das kleinste oder
das größte sein würde.
Um einerseits eine Vorstellung von der Schwankungsbreite der Werte zu vermitteln, andererseits eine
gute Einschätzung der mittleren Ausdehnung der Anteile des Kernkomplexes zu erhalten, werden hier
drei verschiedene Werte je Seite und Kerngebiet angegeben:
a) Mittelwerte für Länge und Breite in dem histologischen Schnitt, in dem der Kern im Mittel am
breitesten bzw. am längsten war
b) Mittelwerte für Länge und Breite in dem Fall, in dem im Mittel die kleinste Breite und kürzeste Länge
des Kerns gemessen wurde
c) Mittelwerte für Länge und Breite in dem Fall, in dem im Mittel die kleinste Breite und kürzeste Länge
des Kerns gemessen wurde
Damit stellt a) eine Mittelwertbildung über alle Fälle in einem histologischen Schnitt dar (listenweise
Auswertung), während die Mittelwerte in b) und c) über alle histologischen Schnitte in einem Fall
ermittelt wurden (fallweise Auswertung nach Flip-Kommando zum Tausch von Variablen und Fällen in
der SPSS-Datenbank).
Während a) also einen guten Wert für die mittlere Ausdehnung des Kerngebietes liefert, sind b) und c)
als Extremwerte zu betrachten, bei denen Breite und Länge nicht von ein und demselben Kerngebiet
stammen müssen. Daher werden die so erhaltenen Extremwerte im Folgenden auch als „virtuell“
kleinste und „virtuell“ größte Ausdehnung bezeichnet, die aber gerade beim Einsatz von
Tiefenelektroden
entscheidende
Anhaltspunkte
liefern,
weil
man
sich
hier
schon
aus
Sicherheitsgründen auf Extremwerte einstellen muß.
Die gemessenen Höhen (rostro-kaudale Ausdehnung der einzelnen Kerngebiete in der Sagittalebene)
wurden durch die Anzahl der histologischen Schnitte bestimmt, in denen der jeweilige Kern noch
nachweisbar war. Sie beinhalten daher methodisch bedingt einen systematischen Fehler von maximal
±320µm.
Ein Seitenvergleich der Mittelwerte wurde zur Prüfung der Signifikanz einer univariaten
Varianzanalyse (ANOVA) unterzogen. Für einige Messwertpaare (z.B. Längsdurchmesser verglichen
mit Querdurchmesser der Nuclei) wurden Korrelationskoeffizienten nach Pearson und deren
Signifikanzniveau bestimmt.
Der angewendete Chi-Quadrat-Test bei großer Anzahl der Werte und der Kolmogorov-Smirnov-Test
für eine kleine Anzahl von Werten zeigten keine signifikanten Abweichungen der Messwerte von einer
Normalverteilung.
39
4.4. Modellierung des Nucleus cochlearis
Zur Veranschaulichung der komplexen Form des Kerngebietes wurde nach den Messwerten ein
Modell aus Knetmasse hergestellt. Berücksichtigt wurden die Größenverhältnisse der beiden
Kerngebiete untereinander, deren Überlappung und die Achsenkrümmungen des gesamten
Kernkomplexes. Fotos dieses Modells in verschiedenen Ansichten wurden mit einem Grafikprogramm
so bearbeitet, dass die Oberflächen glatt erschienen. Für die Abbildungen in dieser Arbeit wurden
diese Ansichten noch zum Teil räumlich rotiert.
5.
Ergebnisse
Aus den vorliegenden Ergebnissen wird deutlich, dass räumliche Orientierung, Tiefe und Ausdehnung
des Komplexes der Hörnervenkerne interindividuell u.a. in Abhängigkeit vom gesamten Hirngewicht
beträchtlich variieren, im Seitenvergleich individuell aber eher konstant sind. Außerdem ließ sich
erstmals eine Form dieses Hirnnervengebietes abstrahieren, welche für alle ausgemessenen
Präparate ähnlich war.
5.1. Abgrenzbarkeit des Kerns und seiner Teilgebiete
Die Außengrenzen des gesamten Nucleus-cochlearis-Gebietes, d.h. die Grenzen zu den anliegenden
Bahnsystemen, Hirnnerven und Kerngebieten (Nucleus vestibularis, Pedunculus cerebelli inferior,
Pedunculus floccularis, Zerebellum, Nervus facialis, Nervus vestibulocochlearis, Corpus pontobulbare,
Nervus glossopharyngeus, Tractus rubrospinalis, Tractus Tectospinalis, Tractus bulbothalamicus)
ließen sich lichtmikroskopisch gut differenzieren (Abb. 5.1). Die Beziehung zu den äußeren
Landmarken und zu am Hirnstamm von außen her sichtbaren Strukturen war nicht immer eindeutig.
Abb. 5.1. zeigt in einem repräsentativen Axialschnitt neben den Grenzen des Hörkerngebietes auch
die mediale Begrenzung des zuvor markierten „Tuberculum auditivum“, welches als äußere
Landmarke zur Vermessung und Lokalisierung des Kerngebietes gilt. Man sieht hier bereits trotz der
in diesem Fall relativ guten räumlichen Kongruenz eine Differenz zwischen der Messung anhand
äußerer Merkmale und der Messung in histologischen Schnitten (intrinsische Messung). Die
intrinsische Messung ergibt in diesem Fall schon am medialen Rand eine um fast 200µm geringere
Ausdehnung des NCD.
Die sichere Abgrenzung des ventralen vom dorsalen Kerngebiet aufgrund klassisch-histologischer
Kriterien ist weniger eindeutig. Sie gelang in der vorliegenden Studie oft nur durch Hinzuziehen
zytoarchitektonischer Kriterien unter stärkerer Vergrößerung. So konnten bipolare und trianguläre
40
Zellen im hinteren, länglich ausgezogenen Kerngebiet von ovalären und sphäroiden Zellen im
vorderen, kompakteren Teil differenziert werden.
Abb. 5.1
Histologische Schnitte auf der Ebene der Eintrittszone des Nervus vestibulocochlearis (links), des Recessus
lateralis (Mitte) und des Nervus facialis (rechts).
Die Definition der zum Teil überlappenden Grenzzone zwischen dem Nucleus cochlearis ventralis (NCV) und dem
Nucleus cochlearis dorsalis (NCD) gelingt oft nur mit Hilfe zytoarchitektonischer Merkmale.
Die Markierung mit grüner Tinte bezieht sich auf die makroskopische Begrenzung des sogenannten „Tuberculum
auditivum“.
ICP … Pedunculus cerebelli inferior, IVth v. … 4. Ventrikel, cb … cerebellum, fp … Pedunculus floccularis,
gr.p. … Griseum pontis
Dennoch zeigte sich, dass die histologische Abgrenzung zwischen ventralem und dorsalem
Kerngebiet nicht immer und nicht in allen Schnitten eindeutig war. Darüber hinaus fiel eine bisher nicht
explizit beschriebene Überlappung der beiden Nuclei in der Sagittalebene auf.
5.2. Form und räumliche Orientierung
Die Form des Kerngebietes der Nuclei cochleares ist relativ komplex. Sie ähnelt in der Sagittalebene
einem deformierten „X“, dreidimensional einem vorn (d.h. am medialen gelegenen Teil des DCN) spitz
zulaufenden Stiefel mit kurzem, breitem Schaft. Zur besseren Einordnung und zum leichteren
Verständnis der weiteren Ergebnisse ist in Abb. 5.3 ein schematisches 3D-Modell des Kernkomplexes
wiedergegeben. Abb. 5.4 zeigt dieses Modell eingepasst in eine schematische Abbildung des
menschlichen Hirnstamms. In Abb. 5.5 ist der gesamte Kernkomplex in verschiedenen Ansichten
dargestellt.
41
Für die Beschreibung der Form und räumlichen Orientierung betrachten wir zunächst den ventralen
und dorsalen Anteil separat.
Der Nucleus cochlearis ventralis ist in seinem rostralen Anteil kompakt mit einem stumpfen Ende. Er
verändert seine Ausdehnung allmählich von rostral nach kaudal und läuft schmal abgerundet aus.
Dabei nähert er sich aus der Tiefe des Hirnstammes kommend der lateralen Hirnstammoberfläche an
(Abb. 5.2).
mm
88
77
66
55
44
33
22
11
00
- 1160
0 390
1550
3480 µm
Abb. 5.2
Tiefe des NCV bezogen auf die laterale Grenze des Hirnstamms in axialen Schichten bezogen auf den rostralsten
Anschnitt des Nervus facialis (Schicht 0). Etwa einen Millimeter rostral dieser Schicht liegt der NCV mehr als 7mm
tief, während er 3 mm weiter kaudal fast ebenso oberflächlich wie der dorsale Kern nur etwa 0,5 mm von der
Oberfläche des Hirnstamms entfernt ist.
42
NCV
rostral
lateral
caudal
NCD
Abb. 5.3 Schema der räumlichen Anordnung der beiden Anteile des rechtsseitigen Nucleus cochlearis von dorsal
gesehen.
NCV … Nucleus cochlearis ventralis
NCD … Nucleus cochlearis dorsalis
Der Nucleus cochlearis dorsalis überlappt den dorsokaudalen Anteil des NCV zum Teil. Er ist graziler,
liegt parallel zur Hirnstammoberfläche und ist daher nach außen konvex gekrümmt.
43
Abb. 5.4 Lagebeziehungen des Kerngebietes der Nuclei cochleares (NCV = gelb, NCD = rot) in den Hirnstamm
kaudal des Pedunculus cerebelli inferior und rostroventral des Recessus lateralis auf der rechten Seite. Auch hier
sieht man die „Einwärtsrotation“ des NCV, welche durch die Zunahme der Tiefe bezogen auf die
Hirnstammoberfläche charakterisiert ist (s. Tab. 5.1).
2,32 mm kaudal vom rostralsten Fazialisanschnitt erreichte der dorsale Kern seinen größten
Querdurchmesser (Breite) von durchschnittlich 0,68 mm (0,45 – 1,08 mm, SD = 0,20) und auch seine
größte Länge von 3,42 mm (0,90-5,42 mm, SD = 1,21).
Die größte Breite des VCN fand sich 0,39 mm kaudal des rostralsten Fazialisanschnittes mit 1,53 mm
(0,68 – 2,71 mm, SD = 0,64), während die größte Länge 1,94 mm kaudal dieser histologischen
Landmarke mit 4,59 mm (3,34 - 6,78 mm, SD = 0,98) gemessen wurde.
44
[a] von ventral
[b] von kranial
[c] von dorsal
[d] von kaudal
[e] von lateral
[f] von medial
Abb. 5.5 Ansichten eines 3D-Modells des Nucleus cochlearis dexter aus verschiedenen Betrachtungswinkeln
5.3. Ausdehnung des Kernkomplexes
Im Folgenden werden die in den histologischen Schnitten im Schichtabstand von 320µm gemessenen
Längen und Breiten, korrigiert mit den in Kapitel 4.2.4. beschriebenen Schrumpfungsfaktoren gruppiert
nach den methodischen Überlegungen in Kapitel 4.2.5. wiedergegeben. Die Werte für die
rostrokaudale Ausdehnung (Höhe) wurden durch die Anzahl der Schnitte bestimmt, in welchen
45
Anschnitte der Nuclei noch sichtbar waren (s. Kapitel 4.2.5). Die Gesamthöhen sind wegen der
Überlappung der Kernanteile nicht identisch mit den additiven Werten von NCV und NCD.
5.3.1. Mittlere Länge und Breite
Für die Betrachtung der Gesamtlänge des Kerngebietes (NCV + NCD) ist es wichtig zu vermerken,
dass NCV und NCD natürlich nicht in allen histologischen Schichten direkt aneinander grenzten.
Allerdings ist der gemessene Abstand der beiden Kerne in den mittleren, für die Bestimmung der
maximalen Länge entscheidenden Schichten zu vernachlässigen gewesen. In den weiter kaudal
gelegenen Ebenen driften der dorsale und der ventrale Kern auseinander, so dass der Abstand
zwischen beiden u.U. mehr als 5mm betragen kann.
Der gesamte Kernkomplex hatte eine mittlere maximale Ausdehnung von 8,15 ± 1,92 x 1,53 ± 0,64
mm (Mittelwert MW + Standardabweichung SD; Länge x Breite oder anteroposteriore x mediolaterale
Ausdehnung).
Der NCD war im Mittel rechts 2,80 mm lang und 0,67 mm breit und links 4,14 mm lang und 0,68 mm
breit. Der NCV war dagegen rechts 4,50 mm lang und 1,48 mm breit und links 4,70 mm lang und 1,57
mm breit. Die Werte für Länge und Breite des dorsalen Kerns wurden in Schicht 192, d.h. nach
Schrumpfungskorrektur 2,32 mm unterhalb des kranialsten Fazialisanschnittes bestimmt. Die
angegebene mittlere Länge des ventralen Kerns bezieht sich auf Schicht 160, die Breite auf Schicht
32, d.h. die Messung erfolgte hier 1,93 mm bzw. 0,39 mm unterhalb des Fazialis-Bezugspunktes.
Tabelle 5.1 zeigt die Mittelwerte von maximaler Länge und Breite (= maximaler Durchmesser) beider
Kernanteile zusätzlich im Seitenvergleich.
Die Rechts-Links-Unterschiede der Mittelwerte zeigten sich, abgesehen von der Länge des DCN
(ANOVA, F=5,525; df=11; p=0,38) statistisch nicht signifikant (p>0.05).
Tabelle 5.1 Mittelwerte und Standardabweichung von Länge und Breite der Kernanteile und des gesamten
Kerngebietes (Nucleus-Cochlearis-Komplex = NCK) im Seitenvergleich. Weil der NCV der breitere Kernanteil ist,
entspricht die Gesamtbreite des NCK der des NCV.
NCD
NCV
NCK
Länge
Breite
anteroposterior
mediolateral
links
4,14±0,92
0,68±0,16
rechts
2,80±1,12
0,67±0,25
links
4,70±1,31
1,57±0,63
rechts
4,50±0,71
1,48±0,66
links
9,38±1,68
1,57±0,63
rechts
7,27±1,65
1,48±0,66
46
Für den NCD waren die Mittelwerte für Breite und Länge in der gleichen Schicht maximal, nämlich 232
µm kaudal des Fazialisanschnitts. Der NCV war im Mittel weiter kaudal (194 µm kaudal
Fazialisanschnitt) länger, aber weiter rostral (39 µm kaudal Fazialisanschnitt) breiter.
Abb. 5.6 zeigt die Änderungen der maximalen Durchmesser (Breite) der beiden Kernanteile in
rostrokaudaler Richtung. Man erkennt leicht, dass der NCV im Bereich um den rostralsten
Fazialisanschnitt und damit im Bereich seiner größten Tiefe (Abb. 5.2, Kapitel 5.2) am breitesten ist
und dass die Breite des NCD nur wenig über seine gesamte rostrokaudale Ausdehnung variiert.
Außerdem sieht man, wie das ventrale Kerngebiet sich über das dorsale nach rostral ausdehnt.
Breite
mm
1,75
1,50
1,25
1,00
0,75
0,50
0,25
-1550
- 770
0
770
1550
2320
3100
3870
3650
µm
Schichttiefe
Abb. 5.6 Änderungen der maximalen Durchmesser (Breite) der beiden Kernanteile in rostrokaudaler Richtung
(Mittelwerte ± Standardfehler, gleitende [Spline-]Interpolation)
Die interindividuelle Variabilität in den Daten war relativ groß und illustriert sich am besten in den in
Kapitel 5.3.3. angegeben Extremwerten, die einen Faktor von 3 zwischen Minima und Maxima
ausweisen.
47
5.3.2. Mittlere Höhe
Die mittlere Gesamthöhe (rostrokaudale Ausdehnung) des Kerngebietes betrug 3,76±0,89 mm
(MW+SD). Die Rechts-Links-Differenzen für das Gesamtkerngebiet und die beiden Anteile (NCV,
NCD) sind in Tabelle 5.2 dargestellt. Statistisch relevante Seitendifferenzen ergaben sich aus den
vorliegenden Daten nicht. Noch einmal sei auf die kraniokaudale Überlappung der Kerngebiete und
die daraus resultierende geringere Gesamthöhe hingewiesen.
Tabelle 5.2 Mittelwerte und Standardabweichung der Höhe der Kernanteile und des gesamten Kerngebietes
(Nucleus-Cochlearis-Komplex = NCK) im Seitenvergleich
Höhe
rostrokaudal
NCD
NCV
NCK
links
1,59±0,59
rechts
2,21±060
links
3,06±0,81
rechts
3,30±0,60
links
3,48±0,88
rechts
4,05±0,87
5.3.3. Extremwerte bezüglich der dreidimensionalen Ausdehnung
Zwischen den Dimensionen des „virtuell“ kleinsten und „virtuell“ größten Kerngebietes (s. Methodik
Kapitel 4.2.5.) ergaben sich Größenunterschiede im Bereich des Faktors 2-3.
Tabelle 5.3 zeigt die exakten Werte für die ermittelten Extremfälle. Die Höhenangaben beinhalten
jeweils pro Fall nur einen Wert (ermittelt aus der Anzahl der Schichten, s. Kapitel 5.2.5.), daher
können hier keine Varianzbreiten angegeben werden.
Tabelle 5.3 Extremwerte für die Ausdehnung des Nucleus cochlearis (Mittelwerte und Standardabweichungen)
a. dorsales Kerngebiet
NCD
Länge
Breite
Höhe
(ventrodorsal)
(mediolateral)
(rostrocaudal)
kleinster
1,46 ± 1,00
0.29 ± 0,19
0,77
größter
4,24 ± 1,67
0.81 ± 0,19
3,10
48
b. ventrales Kerngebiet
NCV
Länge
Breite
Höhe
(ventrodorsal)
(mediolateral)
(rostrocaudal)
kleinster
1,92 ± 1,11
0.78 ± 0,31
2,32
größter
5,42 ± 1,75
2.10 ± 0,91
4,26
Breite
Höhe
(ventrodorsal)
(mediolateral)
(rostrocaudal)
kleinster
3,38 ± 1,05
1,07 ± 0,50
2,32
größter
9,66 ± 3,42
2.91 ± 0,55
7,36
c. gesamter Kernkomplex
NCK
Länge
Minimal wurden für den gesamten Kernkomplex 3,38 x 1,07 x 2,32 mm (ventrodorsal x mediolateral x
rostrokaudal), maximal 9,66 x 2,91 x 7,36 mm gemessen.
In Tabelle 5.4 sind die Extremwerte für die Kernanteile seitengetrennt angegeben.
Tabelle 5.4 Extremwerte für die „virtuell“ kleinsten und größten Kerngebiete im Seitenvergleich
a. Virtuell kleinster und größter NCD (Mittelwerte ± Standardabweichungen)
NCD
links
rechts
Länge
Breite
Höhe
kds ± SD(Fallnr.)
nds ± SD (Fallnr.)
vds (Fallnr.)
kleinster
2.04 ± 0.37 (12)
0.29 ± 0.19 (26)
0.77 (12)
größter
4.24 ± 1.67 (32)
0.78 ± 0.40 (21)
2.32 (24)
kleinster
1.46 ± 1.00 (16)
0.41 ± 0.12 (17)
1.55 (14)
größter
3.73 ± 1.12 (23)
0.81 ± 0.19 (23)
3.10 (33)
b. Virtuell kleinster und größter NCV (Mittelwerte ± Standardabweichungen)
NCV
links
rechts
Länge
Breite
Höhe
kvs ± SD(Fallnr.)
nvs ± SD (Fallnr.)
vvs (Fallnr.)
kleinster
1.92 ± 1.11 (26)
0.78 ± 0.31 (21)
2.32 (12)
größter
5.42 ± 1.75 (1)
2.10 ± 0.91 (1)
4.26 (16)
kleinster
2.88 ± 0.73 (31)
0.95 ± 0.66 (39)
2.71 (14)
größter
4.94 ± 1.46 (37)
1.92 ± 0.35 (38)
4.26 (24)
Während generell die Seitendifferenzen gering ausgeprägt waren, zeigte sich eine deutliche
interindividuelle Variabilität bezüglich der Dimensionen sowohl der ventralen als auch der dorsalen
Kerngebiete (s.a. Abb. 5.6).
49
5.4. Lagebeziehungen zu äußeren Bezugspunkten und zum N. facialis
5.4.1. Bezug zur Hirnstammoberfläche
Die geringste Tiefe, d.h. den kleinsten Abstand von der seitlichen Oberfläche des Hirnstamms
erreichte der ventrale Kern im Mittel etwa 0,3 mm ab der Schnittebene 2710 µm kaudal des rostralsten
Fazialisanschnittes. Wie in Abb. 5.1 gezeigt, neigt sich die Achse des ventralen Kerns dann gegen die
Hirnstammachse in die Tiefe, so dass die Außenfläche des Kerns 1160 µm kranial des ersten
Fazialisanschnittes im Mittel 7,02 (SD±1,63) mm tief liegt.
Der NCD ist nicht so stark gegen die Hirnstammoberfläche geneigt gelegen. Seine Außenfläche
erreicht 3870 µm kaudal des Fazialisanschnittes 0,2 mm und 370 µm kranial dieser Landmarke 0,94
(SD±1,71) mm Tiefe (Abb. 5.7).
8
mm
77
66
55
44
33
22
11
00
0 390
1550
3480
4650
µm
Abb. 5.7 Abstand der Außenfläche des NCD zur Hirnstammoberfläche (mittlere minimale Tiefe ± Standardfehler)
Bestimmt man den mittleren minimalen Abstand (minimale Tiefe) jeweils über alle histologischen
Schnitte der einzelnen Fälle, dann erhält man die in Tabellen 5.5 gezeigten Extrema für die beiden
50
Kerngebiete. Man sieht wieder, dass der ventrale Kernanteil sehr tief in den Hirnstamm abtaucht,
während der dorsale Anteil auch im Extremfall nicht wesentlich tiefer als 2 mm unter der Oberfläche
liegt.
Tabelle 5.5 Extrema der minimalen Tiefe (Abstand der Außenflächen der Nuclei gegenüber der lateralen
Hirnstammoberfläche) im Seitenvergleich
a. Minimale Tiefe des Nucleus cochlearis dorsalis
NCD
Minimale Tiefe
MW± SD (Fallnr.)
links
geringste
0.09 ± 0.03 (24)
größte
1.94 ± 2.49 (35)
geringste
0.09 ± 0.00 (12)
größte
1.35 ± 1.74 (17)
rechts
a. Minimale Tiefe des Nucleus cochlearis ventralis
NCV
Minimale Tiefe
MW± SD (Fallnr.)
links
geringste
0.62 ± 0.96 (21)
größte
6.85 ± 2.32 (23)
geringste
0.97 ± 1.66 (17)
größte
6.67 ± 2.08 (38)
rechts
Von der Hirnstammoberfläche waren beide Kerne stets durch eine feine Schicht myelinisierter Fasern
getrennt.
5.4.2. Bezug zum Nervus facialis
Mit dem ersten histologischen Anschnitt des Nucleus cochlearis ventralis war nach vorliegenden
äußeren Messungen am Hirnstamm [Jacob et al. 1991; Quester und Schroder 1999] auf beiden
Seiten schon 1,55 mm über dem rostralsten Anschnitt des Nervus facialis zu rechnen. Deshalb
wurden die histologischen Schnitte auch bis zu diesen Grenzen hin analysiert. Durchschnittlich fand
sich der erste Anschnitt der ventralen Kernanteile rechts jedoch erst 0,7 mm rostral des Nerven. Der
kaudalste Anschnitt war in den meisten Fällen 2,6 mm unter dem ersten Fazialisanschnitt zu finden.
Hier zeigte sich wiederum eine große interindividuelle Varianz: der rechte NCV endete z.T. erst 4,1
mm kaudal des ersten Facialisanschnittes.
Der linke NCV dehnte sich von durchschnittlich 0,6 mm über dem Nerven bis in die 2,4 mm unter dem
ersten Fazialisanschnitt erhaltene Schicht aus. Manche Kerne endeten hier jedoch erst 3,5 mm unter
dem ersten Nervenanschnitt. Wie in Kapitel 5.3.2. beschrieben, erreichte der ventrale Kernanteil
rechts im Mittel eine größere Höhenausdehnung als links (3,3 mm vs. 3,05 mm; n.s.)
51
Der dorsale Nucleus cochlearis wurde auf Höhe des ersten Facialisanschnittes nur sehr selten
angeschnitten. Er begann rechts im Mittel erst 1,07 mm kaudal des ersten Fazialisanschnittes und
dehnte sich bis durchschnittlich 3,3 mm kaudal des Fazialisanschnittes aus. Der NCD rechts ließ sich
allerdings von 0,79 mm rostral bis 5,65 mm kaudal des N.facialis finden. Damit hatte auch der NCD
rechts eine etwas größere Höhenvarianz als links: links begann der NCD im Mittel erst 1,06 mm unter
dem Nervenanschnitt und dehnte sich bis in Schichten 2,7 mm unterhalb dieser Landmarke aus.
Maximal erreichte er Ausdehnungen von 0,39 mm rostral bis 3,87 mm kaudal des Nervenanschnittes.
Der Nucleus cochlearis wölbte sich nach lateral über den Eintritt des Nervus facialis vor. Von dessen
Mittellinie war der NC rechts in der Eintrittsebene durchschnittlich 3,04 mm entfernt (Minimum: 1,13
mm; Maximum: 5,42 mm). Auf der linken Seite waren diese Werte wenig höher: Mittelwert 3,97 mm
(Minimum: 1,81 mm; Maximum: 5,70 mm). Die Seitendifferenz war statistisch nicht signifikant.
Die Pars cochlearis des Nervus vestibulocochlearis trat – soweit in den histologischen Präparaten
nachweisbar – regelmäßig in den mittleren Anteil des NCV von ventral her ein.
5.4.3. Bezug zur Mittellinie des Hirnstamms
Um eine Orientierung von dorsal zu ermöglichen, wurden die Abstände des dorsalen Pols zur
Mittellinie des Hirnstammes auf der Oberfläche ausgemessen (Tab.5.6).
Tabelle 5.6 Mittlerer Abstand der medialen Kernoberfläche von der Mittellinie des Hirnstamms
a. Nucleus cochlearis ventralis
Schnittebene in Bezug auf
den rostralsten
Fazialisanschnitt [µm]
Abstand von der Mittellinie
des Hirnstamms [mm]
Standardabweichung
-1550
15,71
3,36
-1160
14,70
1,69
-770
14,98
1,47
-390
15,14
1,27
±0
15,27
1,35
+390
14,80
1,64
+770
14,83
1,60
+1160
14,96
1,20
+1550
14,76
1,46
+1940
14,74
2,27
+2320
14,02
1,17
+2710
13,63
1,89
+3100
14,51
1,67
+3480
14,99
0,67
+3870
14,06
0,25
52
b. Nucleus cochlearis dorsalis
Schnittebene in Bezug auf
den rostralsten
Fazialisanschnitt [µm]
Abstand von der Mittellinie
des Hirnstamms [mm]
Standardabweichung
-390
8,16
2,27
±0
10,19
2,09
+390
9,90
1,86
+770
9,25
0,84
+1160
10,82
1,79
+1550
10,97
1,72
+1940
9,69
2,57
+2320
10,30
1,82
+2710
10,10
2,37
+3100
10,93
1,58
+3480
10,57
2,23
+3870
10,68
2,87
+4260
10,24
1,75
+4650
11,13
1,68
+5030
10,70
0,26
In den rostralen Ebenen, in denen der Hirnstamm in den Pedunculus cerebelli inferior übergeht und
der Recessus lateralis nicht mehr ausgeformt ist, konnten diese Messungen nicht durchgeführt
werden. In der Ebene des Fazialis-Eintritts war der hintere Pol des NCV sowohl rechts als auch links
durchschnittlich etwa 15 mm von der Hirnstammmittellinie entfernt. Es zeigte sich eine geringe
Schwankungsbreite dieses Wertes über alle Schnittebenen (Tab. 5.6 a.). In verschiedenen Höhen des
NCV fielen sie relativ gering aus. Die individuellen Unterschiede waren wiederum nicht unerheblich.
So konnten die minimalen Werte zwischen den einzelnen ventralen Nuclei in der gleichen Ebene
zwischen 9.72 mm und 17,94 mm schwanken.
Der mediale Pol des NCD reichte generell näher an die Mittellinie des Hirnstamms heran.
Die mittleren Werte bewegten sich um 10 mm (Tab. 5.6 b.), in einzelnen Schichten konnten minimal
5,42 mm und maximal 16,77 mm gemessen werden. Signifikante Seitendifferenzen zeigten sich nicht.
5.4.4. Abstand des Mittelpunktes der Nuclei zum lateralen Scheitelpunkt des Hirnstamms
Die Erhebung dieses Messwertes (s. Abb. 4.1, Tab. 4.2 in Kapitel 4.3.2.) war erst kaudal des ersten
Facialisanschnittes möglich, da in den weiter rostral gelegenen Ebenen der Hirnstamm in den
Pedunculus cerebelli nach lateral übergeht und damit keine direkte Beziehung zum seitlichen
Hirnstamm mehr gegeben war.
53
Bei der Auswertung des Abstandes der Kerne zum lateralen Scheitelpunkt des Hirnstammes zeigte
sich eine interindividuelle Varianz der Lage: so lag der Mittelpunkt des NCV in der gleichen
Schnittebene in einem Fall 2,31mm dorsal des lateralen Scheitelpunktes, in einem anderen 0,05mm
links ventral des lateralen Scheitelpunktes.
Generell pendelte der Mittelpunkt des ventralen Kerns aber ziemlich genau um den lateralen
Scheitelpunkt es Hirnstamms (Abb. 5.8).
Abstand
[mm] 4
NCV
2
o
pci
0
-2
µm
-4
390
1550
2710
3870
Schichttiefe [µm]
Abb. 5.8 Abstand des Mittelpunktes des VCN vom lateralen Scheitelpunkt des Hirnstamms (Variable o,
Mittelwerte und Standardfehler)
Der Mittelpunkt des NCD lag im Durchschnitt 3mm entfernt vom lateralen Scheitelpunkt des
Hirnstamms (Tab. 5.7). Die interindividuelle Varianz war auch bei dieser Variable deutlich, allerdings
lag der Mittelpunkt des Kerns nie vor dem Scheitelpunkt des Hirnstamms und damit auch regelmäßig
dorsal des Mittelpunktes des NCV.
54
Tabelle 5.7 Mittlerer Abstand des Mittelpunktes des NCD vom lateralen Scheitelpunkt des Hirnstamms
Schnittebene in Bezug auf
den rostralsten
Fazialisanschnitt [µm]
Abstand des
Kernmittelpunktes vom
lateralen Scheitelpunkt des
Hirnstamms [mm]
Standardabweichung
+390
3,05
0,23
+770
2,77
0,64
+1160
2,71
1,99
+1550
2,81
1,81
+1940
3,34
0,92
+2320
3,27
1,09
+2710
3,20
1,53
+3100
1,90
1,19
+3480
2,36
1,34
+3870
2,52
0,46
+4260
3,09
1,04
+4650
1,54
0,91
+5030
2,08
0,63
5.5. Korrelationen der Maße untereinander und zu anderen Variablen
5.5.1. Alter
Die Gesamthöhe korrelierte signifikant reziprok mit dem Alter (r= -0,54, p<0,05), d.h. je älter der
Verstorbene war, desto geringer war die Höhe des Kerngebietes in der Sagittalebene. Weder zu den
Höhen des NCV und NCD noch zu Breite und Länge der Kernanteile oder des Gesamtkomplexes
ergaben sich weitere signifikante Korrelationen. Auch zwischen Hirngewicht und Alter gab es in dieser
Studie keinen signifikanten Zusammenhang.
5.5.2. Geschlecht
Außer einer hochsignifikanten Korrelation von Hirngewicht zu Geschlecht (0,60; p<0,01) – das
Hirngewicht war bei Frauen in dieser Studie deutlich geringer (Männer 1437 ± 110,4 g; Frauen: 1283 ±
101 g) – ergaben sich keine statistisch signifikanten Zusammenhänge zu weiteren der untersuchten
Variablen.
5.5.3. Hirngewicht
Zwischen Hirngewicht und Höhe des ventralen Nucleus cochlearis gab es eine schwache positive
Korrelation (r = 0,55, P<0,05). Außerdem gab es eine inverse Korrelation von Hirngewicht zu Tiefe
des NCV an seiner flachsten Stelle: 2710 µm kaudal des Fazialisanschnittes (r=-0,60, p<0,05), d.h. je
niedriger das Hirngewicht desto tiefer lag die Oberfläche des NCV unter der Hirnstammoberfläche.
55
Weitere statistisch signifikante Zusammenhänge mit dem Hirngewicht konnten, abgesehen von der
oben erwähnten Geschlechtsspezifität, mit keiner der untersuchten Variablen gefunden werden.
5.5.4. Seitenvergleich
Einzig die mittlere maximale Länge des NCD zeigte im Seitenvergleich einen stärkeren Unterschied
(links: 4,14 vs. rechts: 2,80; s. Kapitel 5.3.1.). Dadurch zeigte sich für diese Variable auch eine
reziproke Korrelation zur Hirnstammseite (r = -0,58, p<0,05).
Ansonsten gab es keine signifikanten Korrelationen zu den anderen gemessenen Werten.
5.5.5. Korrelationen zwischen den Messwerten
Etliche der schrumpfungskorrigierten Messwerte korrelierten wie erwartet positiv miteinander – auch
zwischen den beiden Kernanteilen (Tab. 5.8).
Allerdings gab es auch drei inverse Korrelationen, nämlich zwischen der (mittleren maximalen) Breite
des NCD und der Gesamthöhe des Nucleus-cochlearis-Komplexes (r=-0,685; p<0,05), zwischen der
Länge des NCV und der Höhe des NCD (r=-0,82; p<0,01) und zwischen Höhe des NCD und
Gesamtlänge des Kerngebietes (r=-0,79; p<0,01), also immer zwischen Höhenmaßen und
Messwerten zur Beschreibung der axialen Ausdehnung.
Signifikante Korrelationen zwischen Tiefe in Bezug zur Hirnstammoberfläche und dreidimensionaler
Ausdehnung der Kerngebiete fanden sich nicht.
Tabelle 5.8 Positive Korrelationen zwischen schrumpfungskorrigierten Werten
Variable 1
Variable 2
Pearson-Koeffizient r
Signifikanz p von r
Länge NCV
Gesamtlänge NCK
0,79
0,01
Länge NCD
Gesamtlänge NCK
0,84
0,01
Länge NCV
Gesamtlänge NCK
0,79
0,01
Höhe NCD
Gesamthöhe NCK
0,59
0,05
Höhe VCN
Gesamthöhe NCK
0,78
0,01
Höhe NCV
Höhe NCD
0,79
0,01
5.6. Maße in Bezug zu derzeit gebräuchlichen Hirnstammimplantaten
Die Implantation von Oberflächenelektroden orientiert sich am Recessus lateralis des 4. Hirnventrikels
(Abb. 5.9.). Eine Leitschiene zum Aufsuchen des Eingangs des Recessus ist der Nervus
glossopharyngeus.
56
Abb. 5.9 Ansicht des rechten NCK von dorsolateral Das Kerngebiet des Nucleus cochlearis so gedreht, dass es in
Implantationsrichtung für Oberflächenelektroden für den Recessus lateralis ausgerichtet ist.
®
Das derzeit gebräuchlichste ABI, Nucleus 24 der Firma Cochlear Ltd., ist ein Array mit 21 aktiven
Elektroden, montiert auf einem Silikonträger mit den Maßen 8 x 3,5 mm. Abb. 5.10 kombiniert ein
Schema dieses Elektrodenträgers mit den in den Kapiteln 5.3.1. und 5.3.2. angegeben Messwerten.
Länge und Höhe des Trägers entsprechen sehr gut den mittleren Werten für die anteroposteriore
(8,15 mm) und die rostrokaudale (3,76 mm; s. Kapitel 5.3.1 und 5.3.2) Ausdehnung. Wenn man die
Krümmung der Oberfläche der Medulla oblongata in diesem Bereich vernachlässigt und einmal
annimmt, das Implantat würde exakt bis zum medialen Rand des NCK in den Recessus eingeschoben
sein
und
auch
kranial
mit
der
oberen
Kernbegrenzung
abschließen,
dann
würden
Oberflächenelektroden und Kerngebiet sich in einer Aufsicht nahezu vollständig übereinander
darstellen.
Abbildung 5.10 b berücksichtigt in der Ansicht von kranial die Rotation des NCV um die beiden
Längsachse und vor allem die anteroposteriore Querachse des Hirnstamms und zeigt, dass trotz der
passenden Größenrelationen das Interfacing der Neuroprothese nicht optimal ist. Schon die
(rostrokaudale) Mitte des NCV liegt dadurch in einer mittleren Tiefe von 2 mm und sein rostralster
Anteil ist 7 mm von der Oberfläche des Hirnstamms entfernt (s.a. Abb. 5.2, Kapitel 5.2).
57
a
b
Abb. 5.10 Interfacing des Hörkerngebietes mit Oberflächenelektroden (hier Typ Nucleus 24, Fa. Cochlear Ltd.,
Sydney, Australien)
[a] Ansicht des rechten Kerngebietes von dorsolateral in der intrinischen Längsebene
Hier zeigt sich eine scheinbar gute Kontaktierung der Außenfläche des NKC durch die Nucleus 24 Elektrode
NKC:
8,15 x 3,76 mm
Elektrodenträger:
8,00 x 3,50 mm
[b] Ansicht der kranialen Kernanteile von kranial
Durch das Abdrehen des NCV (Rotation gleichzeitig über die a.p.-Querachse und die Längsachse der Medualla
oblongata) in die Tiefe des Hirnstamms vergrößert sich der Abstand zwischen Elektrode und NCV bis auf im
Mittel 7mm im rostralsten Kernanteil.
Die Implantation von Patienten mit penetrierenden Elektroden am House Ear Institute erfolgte mit dem
Ziel, die kranialen Anteile des NCV zu kontaktieren. In der Literatur gibt es bisher keine genauen
Angaben, in welcher anatomischen Region die bisher implantierten Tiefenelektroden des PABI liegen.
Auch die exakte Dimensionierung der beiden Generationen des Tiefenarrays wurde bisher nicht
veröffentlicht, das Array wird auch noch nicht frei vertrieben. Eine exakte Korrelation zu den hier
dargestellten histomorphometrischen Ergebnissen ist daher nicht möglich (zu Details der möglichen
Interaktion PABI-NCK s. Kapitel 2.3.3 und Diskussion).
58
6.
Diskussion der Ergebnisse
Die folgende Diskussion wird sich an den beiden wesentlichen Zielstellungen der Arbeit orientieren
und ist daher auch zweiteilig strukturiert.
6.1. Ausdehnung, Form, räumliche Lage und Rotation der Nuclei cochleares
Sieht
man
von
den
nicht
signifikanten
Seitendifferenzen
einmal
ab,
dann
betrug
die
Gesamtausdehnung des NCK in der vorliegenden Untersuchung 8,15 x 1,53 x 3,76mm, wobei der
NCV mit 4,60 x 1,52 x 3,18 mm gegenüber dem NCD mit 3,74 x 0,67 x 1,9mm den größeren Anteil
einnahm.
In der Literatur findet sich bisher keine einzige andere Studie, die sich mit der systematischen
3
histomorphometrischen Vermessung der Ausdehnung des vom Volumen her nur etwa 10mm großen
Kerngebietes [Konigsmark und Murphy 1972; Seldon und Clark 1991; Mobley et al. 1995;
Glendenning und Masterton 1998] des Nucleus cochlearis im menschlichen Hirnstamm beschäftigt.
Lediglich Jacob et al. haben 1991 an 7 Nissl-gefärbten Schnittserien ähnliche Messungen wie in die
vorliegende Studie durchgeführt und die Größe des ventralen Kerns (Länge x Breite x Höhe) mit 4,5 x
2,4 x 3,8 mm, die des dorsalen Kerns mit 4,5 x 0,7 x 2,8 mm angegeben, allerdings ohne auf
Schrumpfung zu korrigieren und ohne ein Streuungsmaße zu erwähnen [Jacob et al. 1991]. Die Tiefe
des unteren NCV in Bezug auf die Hirnstammoberfläche beschrieben die Autoren mit 0,3 – 0,6 mm,
die des oberen NCV mit 1,4 – 3,2 mm. Die Oberfläche des DCN sei von einer Zellschicht bedeckt
gewesen, die als „pontobulbar body“ bezeichnet würde [Moore und Osen 1979], zu den
„pontozerebellären Bahnen“ gehöre und etwa 0,5 mm dick gewesen sei. Ausgehend von den
Befunden von Terr und Edgerton (1985) [Terr und Edgerton 1985b; Terr und Edgerton 1985c] und
McElveen et al. (1987) [McElveen, Jr. et al. 1987], dass NCD und NCV einen Teil der medialen Wand
des Recessus lateralis des 4. Ventrikels bilden und v.a. die Rückfläche des Nucleus cochlearis
dorsalis fast vollständig im Recessus lateralis liegt (mit Ausnahme eines sehr kleinen, kaudal des
Recessus liegenden Anteils), vermaßen die Jacob et al. die im Recessus lateralis zugängliche Fläche
des NCK mit 7,5 x 2,5 mm.
McElveen et al. schreiben in der Diskussion ihrer histopathologischen Studie über die chirurgische
Zugänglichkeit des Nucleus cochlearis, dass in den von Ihnen untersuchten 10 Hirnstämmen 8 x 3
mm der (im Recessus lateralis) freiliegenden Oberfläche des Kernkomplexes ohne Destruktion
neuraler oder vaskulärer Strukturen erreicht werden konnten, ohne diese Maßangabe in den
Ergebnissen überhaupt zu erwähnen [McElveen, Jr. et al. 1987].
Am House Ear Institute (HEI) Los Angeles haben Terr und Edgerton 1985 versucht, den Kernkomplex
des gesamten Nucleus cochlearis zwei- und dreidimensional zu analysieren und mit auf fotografierten
histologischen Schnitten basierenden Acrylschichtmodellen zu rekonstruieren [Terr und Edgerton
1985b; Terr und Edgerton 1985c]. Die Autoren fotografierten von einem einzigen Hirnstamm im
Bereich des Nucleus cochlearis jede 6. histologische Schicht und vergrößerten die Fotos mit einer
Vergrößerung von 8,4, bevor sie diese Fotos auf Acrylplatten mit einer Dicke von 1,4mm übertrugen
59
(28µm x 6 x 8,4 = 1,4 mm). Nachdem man die relevanten anatomischen Strukturen (Hirnstamm, NCK,
Nervus vestibulocochlearis) ausgeschnitten hatte, wurden diese Acrylplättchen dann verklebt und
dienten als Modell zur Anfertigung von Gussschalen, die mit Polyesterharz gefüllt wurden. Die
resultierenden Polyestermodelle hat man poliert und nachträglich die Anhaftungsstelle des unteren
Velum medullare angezeichnet (Abb. 6.1).
Abb. 6.1
Laterale Ansicht eines 3D-Modells des Hirnstamms in Höhe des Nucleus cochlearis von Terr und
Edgerton [Terr und Edgerton 1985b]. Die weisse, mit Pfeilen markierte Linie zeigt die Anheftungsstelle des Velum
medullare inferior am Hirnstamm. DCN…Nucleus cochlearis dorsalis, VCN…Nucleus cochlearis ventralis,
ol…Oliva
Streuungsmasse sind natürlich bei einer solchen Fallstudie nicht zu erhalten, wahrscheinlich haben
die Autoren deshalb auch bewusst darauf verzichtet, genaue Maße für die Dimensionen des Nucleus
cochlearis anzugeben. Darüber hinaus sind die Grenzen des NCK in der Tiefe des Hirnstamms so
nicht darstellbar. Dennoch dürften diese Modelle für die Dimensionierung der Oberflächenimplantate
Pate gestanden haben. Auf Anfrage teilte Prof. Michael Waring aus dem House Ear Institute in Los
Angeles mit, dass diese Modelle kommerziell nicht erhältlich sind, sonst hätte eine farbige
Originalansicht diese Diskussion bereichert.
Quester und Schröder [Quester und Schroder 1999]) haben die auf der Oberfläche des Hirnstamms
durch den Nucleus cochlearis gebildeten Aufwölbungen, den „Torus“ („nuclear torus“), welcher zu der
gesamten Ausdehnung der lateralen Begrenzung des NCK von der medialen Grenze im Recessus
lateralis bis zur Wurzeleintrittszone des Nervus cochlearis korrelieren soll, und das so genannte
„Tuberculum auditivum“ („auditory tubercle“), einer im Recessus lateralis gelegenen Erhebung über
dem lateralen Anteil des Nucleus vestibularis, dem Nucleus cochlearis dorsalis und der Pars
60
cochlearis des Nervus vestibulocochlearis [Martinez et al. 2000; Abe und Rhoton, Jr. 2006],
makroskopisch mit einem Messschieber bzw. einer Fadenmethode beidseits vermessen. Insgesamt
hatten die Autoren 28 formalin-fixierte Präparate und ein Frischpräparat untersucht. Die Messwerte
wurden mit einem Schrumpfungsfaktor von 1,02 für longitudinale Maße korrigiert.
Gemessen wurden in dieser Studie unter anderem:
1. Die Distanz von der medialen Grenze des Tuberculum auditivum zum Sulcus medianus des
Hirnstamms mit 0,65 cm rechts und 0,69 cm links (jeweils n=12).
2. Die mittlere maximale Länge des Tuberculum auditivum (diagonale Distanz zwischen medialer und
lateraler Grenze des Tuberculum) mit 0,6 cm (0,35 – 0,9) rechts (n=17) und 0,62 cm (0,31-0,86) links
(n=16).
3. Die rostrokaudale Ausdehnung (Höhe) des Tuberculum auditivum mit 0,21 cm (0,12-0,29) rechts
und mit 0,22 cm (0,15-0,3) links (jeweils n=10)
4. Die mittlere Gesamtlänge des „Torus“, d.h. die um die Hirnstammkrümmung mit der Fadenmethode
gemessene Distanz zwischen medialer Grenze des Tuberculum auditivum und der Eintrittszone des
Hörnerven mit 1,28 cm (rechts: 1,37 cm, links: 1,2 cm).
5. An 6 Präparaten wurde in histologischen Schnitten die Höhe des Foramen Luschkae mit 0,2 bis
0,25 cm vermessen. Die Autoren selbst vermuten aber, dass die Weite des Foramens noch größer
sein müsse, da für diese Maße keine Schrumpfungskorrektur vorgenommen wurde.
Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung, nämlich dass die mediale Grenze des Tuberculum auditivum
nur wenig lateral der Mitte zwischen Foramen Luschkae und Sulcus medianus des Hirnstamms liegt,
führte zu der wesentlichen Schlussfolgerung der Autoren, dass eine Platzierung von Elektroden für
auditorische Hirnstammimplantate besser von medial über den 4. Ventrikels als von lateral über den
Recessus lateralis möglich sein müsse, da man hier auf reguläre, nicht durch Tumore alterierte
Anatomie träfe.
Obwohl diese Untersuchung im Gegensatz zu allen anderen Studien zur Ausdehnung des Hörkerns
erstmals die interindividuelle Variabilität des NCK berücksichtigt und Streumaße (Varianz, teilweise
Standardabweichung) einführt, gibt es methodisch zumindest drei Kritikpunkte:
Erstens entspricht das Tuberculum als Oberflächenerhebung histologisch nicht dem NCD und
wahrscheinlich auch nicht dem NCD plus des Anteils des NCV im Recessus lateralis. Zweitens grenzt
gerade in den lateralen, der Hirnstammoberfläche nahen Anteilen der NCD nicht direkt an den NCV,
so dass an der Oberfläche keine Struktur bestehen kann, die man als seitliche Gesamtausdehnung
des NCK zu Messungen heranziehen könnte. Drittens tritt der Nervus cochlearis nicht am ventralen
Rand sondern in der Mitte des NCV in diesen ein. Er kann daher nicht die Begrenzung des
Kerngebietes nach ventral markieren. Darüber hinaus ist der Hörnerv selbst mehr als 3 mm breit [Lang
1995]. So erklärt sich die Differenz zu den Maßen in der vorliegenden Untersuchung. Die
Längendifferenz (8,15mm versus 12,8mm bei Quester und Schröder) ist dabei die augenfälligste
Abweichung.
Die weiteren, in der Literatur angegebenen Messwerte stammen sämtlich aus histologischen Studien,
bei denen weder eine Schrumpfungskorrektur durchgeführt wurde noch eine statistische Auswertung
61
erfolgte. Sehr oft stammen die Maße aus Messungen an einzelnen Hirnstämmen. Bacsik und
Strominger ermittelten 1973 für die rostrokaudale Ausdehnung (Höhe) des anteroventralen Nucleus
cochlearis 2,3mm [Bacsik und Strominger 1973]. Die Messungen erfolgten an 4 Gefrierschnitten und 2
in Zelloidin eingebetteten Präparaten. Dublin gab diesen Wert für den unteren und oberen Anteil des
NCV mit 4 – 4,5mm, für den DCN mit 2,5 – 3mm bei insgesamt neun, teils parasagittal teils
transversal geschnittenen Hirnstämmen an [Dublin 1982]. Bei einem Einzelfall bestimmten Mobley et
al. diese Höhe mit 3,3mm [Mobley et al. 1995]. Auch Seldon und Clark gaben 1991 die Höhe der
beiden Anteile des NCK an, den ventralen mit 3-4,5mm und den dorsalen mit 2-3mm. Die
Höhenmasse fielen auch in dieser Studie sozusagen als „Nebenprodukt“ an, weil man durch das
Produkt von Anzahl der untersuchten histologischen Schnitte und Schichtdicke leicht darauf Zugriff
hatte. Systematische statistische Angaben finden sich aber auch in dieser Untersuchung nicht. In
einem „Atlas of the human brainstem“ mit aus einem Einzelfall gewonnenen Daten geben Paxinos und
Huang die Ausdehnung des VCN mit 6,0 x 2,3 x 3,0mm (Länge x Breite x Höhe) an [Paxinos und
Huang 1995]. Der DCN ist in diesem Atlas mit 4,3 x 0,9mm (ohne Höhenangabe) abgebildet. Die Lage
des NCK in diesem Atlas korreliert sehr gut mit der in der vorliegenden Untersuchung gefundenen,
abgesehen von der Atlas-Abbildung 27, in der die Autoren einen großen NCD bezeichnen, obwohl an
gleicher Stelle in Abbildung 26 noch der „Pontobulbar Nucleus“ beschriftet wird.
In einer kernspintomographischen Studie (175 Patienten, bilaterale Darstellung der Kerngebiete)
vermaßen Gebarski et al. die Länge des NCK in der Kanthomeatalebene mit 8mm, die Breite mit
3mm. Monsell et al. geben als Längenausdehnung des NCK 7mm an [Monsell et al. 1987].
Klose und Sollmann untersuchten und dissezierten 100 Kleinhirnbrückenwinkel-Präparate unter einem
Operationsmikroskop [Klose und Sollmann 2000]. Sie beschrieben die „sichtbare Fläche des Nucleus
cochlearis“ am Hirnstamm mit einer Ausdehnung von 11,7 ± 2,7 x 3,1 ± 0,7 mm. Einige weitere
Befunde aus dieser Arbeit sind hier bemerkenswert. Die Autoren fanden in 68% der Fälle einen Ast
der Vena pontis lateralis vor dem Recessus lateralis. Die Taenia des Plexus choroideus verlegte das
Foramen in 92% und musste in 53% durchtrennt werden, um Zugang zum Recessus zu erhalten. Das
Foramen Luschkae wird von den Autoren mit einer Weite von 3,5 x 2mm angegeben, also etwa mit
ähnlichen Werten wie bei Quester und Schröder (auch hier ohne Schrumpfungskorrektur). Das
Foramen selbst sei in 24% der Fälle ohne weiteres offen gewesen, in 53% habe man die Arachnoidea
inzidiert, um es zu öffnen. In 18% ließ es sich nur mit „exzessiver Dissektion“ öffnen und in 5% war es
gänzlich anatomisch verschlossen. Diese Befunde sind natürlich vor allem im Hinblick auf die
Versuche einer Abgrenzung des Nucleus cochlearis über äußere Landmarken aufschlussreich.
Eine sehr umfassende Arbeit zur Anatomie des menschlichen Nucleus cochlearis haben Jean Moore
und Kirsten Osen beigetragen [Moore und Osen 1979]. Die Autoren untersuchten insgesamt 11 mit
unterschiedlichen Fixierungen und in unterschiedliche Einbettungen gefasste NCK-Blöcke. Auch die
histologische Schnittführung variierte (teils horizontal, teils frontal, teils sagittal). Dadurch konnten
Moore und Osen sehr gute Rückschlüsse auf die räumliche Rotation des Kernkomplexes ziehen. So
beschrieben sie einen Winkel von 30-35% zwischen der rostrokaudalen Achse des NCK und der
Neuraxis. Das aus ihren Untersuchungen abgeleitete Diagramm des Kernkomplexes mit der
62
Eintrittsstelle des Nervus cochlearis (Abbildung 7 der Originalarbeit, s.a. Abb. 6.2) beschreibt recht gut
die äußere Form des NCK und wurde später in mehreren Arbeiten übernommen [Rauschecker und
Shannon 2002; Rosahl et al. 2004; Nevison 2006]. Die Abbildung ist dennoch leicht trügerisch (s.
Kapitel 6.2 und Abb. 6.3), insbesondere weil sie suggeriert, dass die gesamte laterale Wand des NCV
dem Hirnstamm anliegt und damit die Einwärtsrotation der kraniokaudalen Achse des NCK und die
daraus resultierende tiefe Lage des oberen NCV in der Medulla oblongata, die schon Leonid Terr
beschrieb [Terr und Edgerton 1985c] vernachlässigt.
Bezüglich einer systematischen quantitativen Beschreibung der Ausdehnung des NCK ist die Arbeit
ebenfalls problematisch: Maße lassen sich nur aus Abbildungen eines einzigen Falles, dem eines 4
½-jährigen Kindes rekonstruieren. Eine Schrumpfungskorrektur wurde auch hier nicht vorgenommen.
In dem besagten Fall hat der VCN eine maximale Ausdehnung von 4,4 x 2,5 x 3,1mm, der DCN misst
4,9 x 1,2 x 2,0mm. Diese Werte korrelieren recht gut mit den Messergebnissen der vorliegenden
Studie.
Es wurde mehrfach erwähnt, dass in den meisten Arbeiten keine Schrumpfungskorrektur von
Messwerten in histologischen Schnitten erfolgte. Dieser methodisch wichtige Aspekt muss hier
unbedingt
erläutert
und
diskutiert
werden.
Wie
in
Kapitel
4.2.4
erläutert,
wurde
die
präparationsbedingte Schrumpfung des Hirnstammgewebes rechnerisch ausgeglichen, indem die
Werte für longitudinale Messungen mit einem Faktor von 1,21 und für transversale Messungen mit
einem Faktor von 1,13 multipliziert wurden. Die unter dem Mikroskop bestimmten Messwerte für die
Ausdehnung, Tiefe und Variabilität des Nucleus cochlearis wurden an fixierten, paraffinierten und
gefärbten Hirnstammpräparaten gewonnen. Damit sind sie einem systematischen Fehler infolge von
Schrumpfung- und Schwellungsvorgängen im Gewebe durch die histologische Aufarbeitung
unterworfen [Berg 1907; Treff und Kraus 1960a]. Einzelne Teilschritte führen dabei zu
unterschiedlichen Veränderungen, die später in den globalen Korrekturfaktor einfließen. Um
methodisch bedingte Volumendifferenzen zwischen den einzelnen Präparaten einzuschränken,
wurden die verwendeten Präparate zunächst für mindestens 6 Wochen in 4%igem Formaldehyd
fixiert. Erst nach drei bis vier Wochen bleiben nämlich Gewicht und Volumen der Gehirne konstant,
nachdem zuvor eine Phase der Schwellung (umgekehrt proportional zur Formalinkonzentration) und
der Schrumpfung durchlaufen wurden [Lagerlöf und Torgersruud 1934; Treff und Kraus 1960a;
Fischer et al. 1973]. Mouritzen Dam berichtete 1979, dass bei Fixierung in 4% phosphat-gepufferter
Formalinlösung („Lillie’s fluid“) die initiale, lineare Schwellung und die darauf folgende Schrumpfung im
Bereich des cerebralen Cortex in manchen Präparaten sich gegenseitig nahezu vollständig aufheben
[Mouritzen Dam 1978].
Die meisten Studien zur Änderung von Gewicht, Volumen und Dimensionen des Gehirns durch die
Vorgänge
der
Fixation,
Dehydratation
und
Paraffineinbettung
wurden
an
Groß-
und
Kleinhirnpräparaten gewonnen. Neben starken individuellen Differenzen fand man deutliche
63
Unterschiede auch für Volumenveränderungen zwischen grauer (51%) und weißer Substanz (42%)
[Kretschmann et al. 1982] sowie für unterschiedliche Hirnregionen (Thalamus: 41%)1.
Vergleichbare Untersuchungen am Hirnstamm gibt es wenige. Jean Moore gab 1987 eine
Schrumpfung der mediolateralen und dorsoventralen Dimensionen von 12% bei dehydratisierten,
paraffineingebetteten und gefärbten transversalen Schnitten im Vergleich zu dem gleichen Gewebe
nach reiner Formalinfixierung an. Die Veränderungen in longitudinaler Richtung wurden in dieser
Studie offenbar nicht systematisch untersucht. Die Autorin bemerkte dazu, dass die Ergebnisse nicht
als exakte Messungen sondern eher als annähernd korrekte Schätzungen verstanden werden sollten
[Moore 1987b].
Quester und Schröder (1997) argumentieren in diesem Punkt ähnlich, indem sie auf die große
individuelle und topographische Variabilität solcher Messungen hinweisen [Quester und Schroder
1997]. Die am Hirnstamm aufgrund der 4%igen Formalinfixierung eintretende Änderung der linearen
Dimensionen ist nach ihren Befunden nach mehr als 4 Wochen in den transversalen Messungen
(Breite der Olive) vernachlässigbar klein. Für longitudinale Maße im Bereich des Hirnstamms ergab
sich eher eine Schrumpfung, die in den zitierten Befunden an 14 Hirnstämmen 8,3% betrug. Auch der
histologische Bearbeitungsvorgang des Hirnstamms insgesamt (Formalinfixierung + Dehydratation +
Einbettung) führte offenbar in den Untersuchungen dieser Autoren zu einer deutlicheren Schrumpfung
in longitudinaler Richtung (17%, Korrekturfaktor 1,21; n=3) als in transversaler (13%, Korrekturfaktor
1,15; n=9). Wegen der großen interindividuellen Variabilität insbesondere bei den Längenmessungen
in kraniokaudaler Richtung, die auf die Hauptfaserorientierung im Hirnstamm zurückgeführt wurden,
konnten die Autoren eine statistische Signifikanz dieser Unterschiede jedoch nicht sichern. In dieser
Untersuchung ergab sich auch keine Korrelation des Ausmaßes der Schrumpfung zu Alter,
Hirngewicht sowie dem zeitlichen Abstand zwischen Tod und Autopsie.
Konigsmark und Murphy (1972) fanden dagegen in einer größeren Studie (n=143) nach
Paraffineinbettung eine stärkere lineare Schrumpfung des Hirnstamms im Bereich des Nucleus
cochlearis in der Alterskohorte von 0-20 Jahren [Konigsmark und Murphy 1972]. Etwas über dem
Durchschnitt lagen die Werte auch ab einem Alter von 65 Jahren. Zwischen diesen beiden Gruppen
wurden fast durchgängig Korrekturfaktoren um 1,12 bestimmt, was einer linearen Schrumpfung von
etwa 12% entsprach. Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen Schaltenbrand und Wahren, die für den
Hirnstamms nach Paraffineinbettung etwa 10-15%, im Mittel aber 12% (n=111) Schrumpfung fanden
(Großhirnhemisphäre circa 30%) [Schaltenbrand und Wahren 1977]. Aus diesen Angaben wurden die
für die vorliegende Untersuchung als optimal anzunehmende Korrekturfaktoren ausgewählt.
Ein weiterer Diskussionspunkt bei der exakten Bestimmung linearer Maße in histologischen Schnitten
sind Distanzverkürzungen durch den Schneidevorgang. Diese treten offenbar bei Schichtstärken unter
1
Anm.: Eine 50%igen Volumenschrumpfung übersetzt sich in eine etwa 20%ige Verringerung in den linearer
Längen- und Distanzmessungen. Umgekehrt entspricht eine Verkürzung der linearen Dimensionen um 12%
einer Volumenreduktion von 33%.(Moore, 1987)
64
10µm nicht mehr auf [Quester und Schroder 1997], so dass bei den hier angefertigten 8µmPräparaten diese mögliche Fehlerquelle vernachlässigt werden kann.
Zusammenfassend unterscheidet sich die vorliegende Untersuchung mit ihrem
quantitativ
histomorphometrischem Ansatz methodisch grundlegend von den bisher in der Literatur verfügbaren
Studien, bei denen entweder die chirurgische Zugänglichkeit des NCK (meist ohne histologische
Schnitte anhand äußerer Landmarken), Untersuchungen zur Zytoarchitektur und funktionellen
Organisation des NCK oder ontogenetische und degenerative Aspekte im Vordergrund standen. Im
Gegensatz zu anatomischen Atlanten und anderen Untersuchungen an Einzelfällen erfolgten hier eine
Mittelwertbildung und die Abschätzung der Variabilität der Messwerte durch Streuungsmaße. Zudem
wurde
Veränderungen
berücksichtigt,
so
des
dass
Gewebes
eine
durch
annähernd
Schrumpfungsvorgänge
realistische
Abschätzung
bei
der
der
Präparation
Ausdehnung
des
Hörkerngebietes resultiert.
Eines der wesentlichen Ergebnisse dieser Arbeit ist die Beschreibung der Tiefenausdehnung des
ventralen Kernanteils (Kapitel 5.2). Die Tatsache, dass die Oberfläche des VCN teilweise erst in einer
Tiefe von bis zu 7mm unter der Hirnstammoberfläche zu erreichen ist, war so bisher nicht bekannt.
Zwar wusste man, dass Anteile des Kerngebietes in der Tiefe des Hirnstamms gelegen sind,
quantitative Angaben existierten aber nicht. Es wird dadurch jetzt klarer, dass das Kerngebiet nicht nur
eine komplexe Form (spitz zulaufender Stiefel mit kurzem, breiten Schaft, s. Kapitel 5.2) sondern auch
eine komplexe räumliche Abweichung seiner Hauptachsen zu den Achsen des Hirnstamms aufweist.
So zeigte sich eine Rotation nicht nur der Längsachse zur Neuraxis (ca. 30-36°, [Moore und Osen
1979]), sondern auch der rostrokaudalen Achse vor allem des NCV zur Sagittalebene. Ausgerechnet
an einer Stelle, wo die Oberfläche des VCN schon 3mm in der Tiefe liegt, ist dieser Kernanteil am
breitesten. Diese Stelle liegt nur 0,4 mm kaudal der Eintrittszone des Nervus facialis in den
Hirnstamm.
Aus
diesen
Fakten
ergeben
sich
Konsequenzen
für
die
Erreichbarkeit
mit
Tiefenelektroden, die unter 6.2. noch diskutiert werden.
Die Höhe des NCK, d.h. die Ausdehnung des Kerngebietes in der Sagittalebene nahm in der
vorliegenden Untersuchung mit zunehmendem Alter ab. Das könnte ein Hinweis auf Zusammenhänge
im Sinne des in der Literatur beschriebenen Degenerationsmusters mit Volumenreduktion bei
gleichbleibender Zellzahl sein [Shepherd und Hardie 2001]. Allerdings ergab sich keine Korrelation
zwischen Alter und Höhenmaßen für die beiden Kernanteile. Außerdem standen Hirngewicht und Alter
hier in keinem eindeutigen Zusammenhang und es fand sich sogar eine schwach positive Korrelation
der Höhe des NCV zum Hirngewicht.
Im Seitenvergleich zeigte sich, dass der NCD links deutlich länger war als rechts. Da sich sonst keine
weiteren Seitendifferenzen ergaben, soll man diesem Befund keine größere funktionelle Bedeutung
beimessen, zumal Seldon und Clark im Gegenteil ein größeres Volumen – korreliert zu größeren
Zellsomata - zumindest für den NCV auf der rechten Seite fanden. Der Längenunterschiede war auch
statistisch nicht so stark, dass er für einen Korrelationskoeffizienten über 0,6 gesorgt hätte. Hier
können nur entsprechend gezielte Untersuchungen weiterhelfen.
65
Eine interessante Frage ist, ob der relativ starke, reziproke Zusammenhang zwischen Höhe des NCD
und Länge des NCK bzw. NCV auf eine clusterförmige Variabilität der Form des Kernkomplexes
hindeutet. Die Literatur gibt hierzu keine Hinweise.
6.2. Relevanz der Anatomie des Nucleus cochlearis für auditorische Neuroprothesen
Der Nucleus cochlearis ist aufgrund seiner Lokalisation im Bereich des Hirnstamms eine geeignete
Zielstruktur für die elektrische Stimulation zur partiellen Wiederherstellung der Hörfunktion nach
vollständigem Funktionsverlust beider Hörnerven [Hitselberger et al. 1984; McElveen, Jr. et al. 1987;
Terr et al. 1989; Terr et al. 1990; Brackmann et al. 1993; Abe und Rhoton, Jr. 2006].
In einer aktuellen anatomischen Studie, die mit einem Operationsmikroskop durchgeführt wurde,
schrieben Abe et al. noch einmal, dass der an der Rückfläche des Pedunculus cerebellaris inferior
gelegene Nucleus cochlearis dorsalis am Boden des Recessus lateralis das Tuberculum auditivum
bildet und als solches bei der Platzierung einer ABI-Elektrode sichtbar ist [Abe und Rhoton, Jr. 2006].
Unter 6.1. wurde bereits dargelegt, dass der NCD sehr wahrscheinlich nur einen Teil des Tuberculum
auditivum, nämlich den lateralen Anteil, bildet. Daher ist diese „Landmarke“ auch bei intakter Anatomie
im
Recessus
lateralis
nicht
gleichzusetzen
mit
einer
genauen
Zielmarkierung
für
eine
Oberflächenelektrode. Problematisch für die Ausnutzung der oberflächlichen Struktur wirkt sich auch
aus, dass diese nicht immer ausgebildet ist [Quester und Schroder 1999] und zudem die Oberfläche
des Hirnstamms auch durch einen großen Tumor verändert sein kann. Wir haben daher in der
vorliegenden Studie einige Messungen in Bezug auf den Eintritt des Nervus fazialis vorgenommen, da
dieser in vielen Fällen auch bei Neurofibromatose-Patienten noch gut sichtbar ist.
Dass Tuberculum auditivum und NCD nicht gleichzusetzen sind, zeigt schon die Differenz der
Abstände zwischen den medialen Grenzen der beiden Strukturen zum Sulcus medianus. Für das
Tuberculum auditivum geben Quester und Schröder hier 6,5 mm rechts und 6,9 mm links an [Quester
und Schroder 1999]. Die vorliegende Studie fand aber für den NCD einen mittleren Abstand von etwa
10 mm, also 3-4 mm mehr (Tab 5.6 Kapitel 5.4.3.). Da medial des NCD der Nucleus vestibularis
gelegen ist, ist dieses Kerngebiet sehr wahrscheinlich an der Bildung des Tuberculum auditivum
beteilgt. Außerdem beteiligen sich daran myelinisierte Fasern pontozerebellärer Bahnen [Moore und
Osen 1979; Terr und Edgerton 1985b; Terr und Edgerton 1985c] und das Ependym des vierten
Ventrikels. Der von Quester und Schröder ausgemessene Wulst des Tuberculum auditivum ist also
länger und weiter medial gelegen als der DCN.
Damit liegt der NCD auch nicht, wie von Quester und Schröder vermutet, in der Mitte der Distanz
zwischen Sulcus medianus und lateraler Hirnstammoberfläche, sondern deutlich weiter lateral. Der
von den Autoren vorgeschlagene Zugang zum NCD von medial zur ABI-Elektrodenplatzierung
relativiert sich daher, zumal diese Untersuchung gezeigt hat, dass der Mittelpunkt des NCD nur 3mm
dorsomedial des lateralen Scheitelpunktes des Hirnstamms gelegen ist. Die Mitte des NCV liegt sogar
genau auf Höhe dieses lateralen Scheitelpunktes. Damit bietet sich auch aus anatomischen Gründen
weiterhin der auch bisher bevorzugte laterale Zugang über den Kleinhirnbrückenwinkel an.
66
Abe et al. bemerken außerdem korrekt, dass der NCV oft bis an den Vorderrand des Foramen
Luschkae heranreicht und am Hirnstamm eine wesentlich geringere Erhebung erzeugt. Betrachtet
man die Daten der vorliegenden Studie, dann wird klar, dass diese Erhebung allenfalls durch den
dorsalen Anteil des NCV bedingt sein kann, weil das Kerngebiet weiter ventral viel zu tief gelegen ist,
um noch ein Oberflächenrelief zu bilden. Es erscheint allerdings sehr fraglich, ob man an der
Oberfläche überhaupt eine Grenze zwischen DCN und VCN feststellen kann. Viel eher ist hier mit
einem fließenden Übergang zu rechnen, der selbst in histologischen Schnitten nicht immer einfach
abzugrenzen ist.
Die bisher bei Patienten eingesetzten Oberflächen-Elektroden erreichen den Nucleus cochlearis an
seinem kaudalen Rand im Recessus lateralis. Direkt stimuliert werden damit nach den vorliegenden
anatomischen Daten dieser Studie und nach den wesentlichen Litraturbefunden v.a. der Nucleus
cochlearis dorsalis und der untere Teil des Nucleus cochlearis ventralis (s.a. Abb. 6.3), deren dorsale
und laterale Begrenzungen nahezu vollständig in der ventralen und lateralen Wand des Recessus
lateralis des 4. Ventrikels liegen [Terr und Edgerton 1985a; Terr und Edgerton 1985b; McElveen, Jr. et
al. 1987].
Damit werden etwa ein bis zwei Drittel der auf den Hirnstamm projizierten lateralen Fläche des
gesamten Kernkomplexes von den derzeit gebräuchlichen Elektroden überlappt [Terr und Edgerton
1985b; McElveen, Jr. et al. 1987; Rosahl et al. 1998; Quester und Schroder 1999].
Nur für diese Anteile des Kerngebietes sind Oberflächenelektroden auch sinnvoll, da z.B. der im Mittel
nur 0,8mm dünne Kernanteil hier sehr gleichmäßig flach (etwa 0,5mm) unter der Hirnstammoberfläche
liegt. Lediglich die kapazitären Eigenschaften der Pia erweisen sich hier als Hindernis für eine
punktuelle, präzise Stimulation [Ranck, Jr. 1975].
Die primären auditorischen Afferenzen im tiefer gelegenen Nucleus cochlearis ventralis lassen sich
durch Elektrodenkontakte im Recessus lateralis nicht errreichen [Moore 1986; McCreery et al. 1998;
Rauschecker und Shannon 2002].
Während für Oberflächenelektroden z.B. mit dem Nervus glossopharyngeus und dem Recessus
lateralis klare Leitstrukturen etabliert sind, fehlen diese für penetrierende Elektroden. In Kapitel 2.3.3.
wurde bereits dargestellt, warum man überhaupt penetrierende ABI (PABI) in Betracht gezogen hat
und welche Vorteile man durch direkten Zugriff auf die Tonotopie v.a. des VCN erwartet. Hier soll
daher nur noch der Bezug zwischen den Daten der vorliegenden Untersuchung und der Tonotopie der
ersten Schaltstation der Hörbahn hergestellt werden.
Mit Oberflächenelektroden ist zwar ebenfalls durch Variation der Stärke, Dauer und Lokalisation der
Stimulation und damit des elektrischen Feldes eine eingeschränkte tonhöhenspezifische (tonotope)
Reizung des NCK möglich [Laszig 1997]. Man hat auch an der Oberfläche des Hirnstamms so eine
Tonotopie-Kartierung bei Patienten mit mehrkanaligen auditorischen Hirnstammimplantaten durch ein
so genanntes „pitch ranking“ durchgeführt [Laszig et al. 1995a; Sollmann et al. 1998; Marangos et al.
2000]. Niedrige Frequenzen wurden dabei medial (tiefer im Recessus lateralis) und kaudal, höhere
Frequenzen lateral und kranial abgebildet [Marangos et al. 2000]. Da die lateralen Elektroden die
67
Grenze zwischen dorsalem und ventralem Nucleus überschreiten und Elektrodenlage sowie
Reizparameter individuell variierten, bleibt eine reale Oberflächentonotopie aber fraglich. In jedem Fall
ist nicht erst seit dieser Untersuchung klar, dass der überwiegende Teil des Nucleus cochlearis
ventralis von Oberflächenelektroden aufgrund seiner Lage gar nicht erreicht werden kann ([Terr und
Edgerton 1985c], s. auch Kapitel 2.1.2.).
Für ein Sprachverständnis von der Qualität eines CI ist die mit Oberflächenelektroden im Recessus
lateralis erreichbare Frequenzspezifität nicht ausreichend.
Der Zugriff auf die Tiefentonotopie des ventralen Kerngebietes mit Insertionselektroden (s. Abb 6.2
und Kapitel 2.2.2.) wird als valide Alternative betrachtet [Liu et al. 1997; McCreery et al. 1998;
Rauschecker und Shannon 2002; Fayad et al. 2006], wirft aber gleichzeitig im Zusammenhang mit
den jetzt erhobenen Messdaten eine Reihe von Fragen auf.
Abb. 6.2
Schematische
Darstellung
der
Tonhöhenrepresentation
(Tonotopie)
im
Nucleus
cochlearis.
Oberflächenelektroden (rechts) können Tonhöhenunterschiede nur durch die variable Ausprägung des
elektrischen Feldes erzeugen. Mit Insertionselektroden (INSEL, links) können Regionen innerhalb des Nucleus
cochlearis, die unterschiedliche Frequenzen repräsentieren, direkt stimuliert werden. (modifiziert mit
Genehmigung nach Rauschecker & Shannon, 2002 [Rauschecker und Shannon 2002])
Diese beziehen sich vor allem auf:
- die Tiefe der kranialen Anteile des VCN,
- den schmalen Durchmesser und die sehr oberflächliche Lage des DCN,
- den Verlauf des Nervus fazialis in Bezug auf den NCV,
- die Variabilität der Ausdehnung und Lage des NCK, auch in Bezug zu Nachbarstrukturen.
Literaturbefunde zu quantitativen Messungen der Tiefe des Nucleus cochlearis ventralis im Hirnstamm
finden sich ausschließlich in der schon zitierten Studie von Jacob et al. (1991), die das obere ventrale
Kerngebiet in einer Tiefe von 1,4-3,2 mm und das untere ventrale Kerngebiet in 0,3-0,6 mm
lokalisierten. Korrigiert man diese Daten nachträglich mit dem Schrumpfungsfaktor 1,12, dann ergibt
68
sich von kranial nach kaudal eine von 3,58mm auf 0,34mm abnehmende Tiefe und damit ein deutlich
geringerer Gradient als in der vorliegenden Studie (7,02mm auf 0,28mm). Die Ursachen dürften,
abgesehen von der Variabilität des NCK (Streumaße wie Standardabweichung oder Standardfehler
wurden von Jacob et al. nicht angegeben) vor allem auf methodischem Gebiet zu suchen sein. So hat
die vorliegende Studie systematisch alle histologischen Schichten einbezogen, auf denen Anschnitte
des NCV sichtbar waren. Durch das „Abdrehen“ des NCV, eine Rotation gleichzeitig über die a.p.Querachse und die Längsachse der Medualla oblongata in die Tiefe des Hirnstamms vergrößert sich
der Abstand zwischen Elektrode und NCV bis auf im Mittel 7mm im rostralsten Kernanteil.
Das dürfte auch für Tiefenelektroden problematisch sein. Zum einen müssten diese sehr lang sein, um
diesen Kernanteil noch direkt stimulieren zu können. Zum anderen muss die Trajektorie zwischen
Eintrittspunkt und Zielpunkt exakt stimmen, weil mit zunehmender Tiefe auch bei geringer
Winkelabweichung ein Zielfehler von mehreren Millimetern möglich ist.
Der NCD und der kaudale Anteil des NCV andererseits liegen sehr flach unter der Oberfläche und
haben in diesem Bereich einen Durchmesser von etwa einem halben Millimeter. Penetrierende
Elektroden
für
diesen
Anteil
könnten
allenfalls
als
„Spikes“
geformt
sein,
um
den
Übergangswiderstand durch die kapazitiven Schichten des Ependyms zu verringern. Längere
Elektroden sind in dieser Region wenig sinnvoll, weil sie den NCD und Teile des NCV durchstoßen
würden und damit ein Trauma herbeiführen ohne einen Gewinn bezüglich der Tonotopie zu bringen.
Dem hat man auch bei den klinischen PABI-Untersuchungen in Los Angeles Rechnung getragen,
indem man die penetrierenden Elektroden immer mit Oberflächenelektroden kombiniert.
ABI-Oberflächenelektroden stimulieren den Nucleus cochlearis (überwiegend den dorsalen Kernteil
und kaudale Anteile des NCV) an seinem Unterrand im Recessus lateralis des IV. Ventrikels. Das ist
knapp oberhalb der Eintrittszone des Glossopharyngeus (CN9), der nach Lang (1995)[Lang 1995] im
Mittel 4,5mm (2,5-6,5mm), nach Klose und Sollmann (2000)[Klose und Sollmann 1998] 5,5mm (48mm) kaudal des N. fazialis liegt. Eine Insertionselektrode für den Nucleus cochlearis ventralis muss
daher kranial des Recessus an der Seite – etwa im Scheitelpunkt der lateralen Oberfläche - des
Hirnstamms penetrieren (s. a. Kapitel 7.). Sie dürfte aber nicht in Höhe der Eintrittsstelle des N. fazialis
ansetzen, um diesen Nerven nicht zu gefährden, obwohl darunter auch noch Anteile des NCV zu
finden sind. Die Verlaufsrichtung der PABI-Elektroden muss daher schräg von kaudal nach rostral
gewählt sein
Warum sind nun die mit dem PABI bisher publizierten Ergebnisse nicht signifikant besser als die mit
Oberflächenelektroden erreichten (Kapitel 2.3.3.)?
Wahrscheinlich gibt es dafür viele Gründe (s. Kapitel 1.). Hier sollen nur Erklärungsmöglichkeiten
aufgezeigt werden, die sich aus den Daten der vorliegenden Studie ergeben.
Der Nucleus cochlearis ist kein interindividuell konstantes Gebilde, sondern seine Form, Ausdehnung
und Lage variieren. Die Dimensionen für den kleinsten NCK waren 3,4 x 1,1 x 2,3 mm, der (virtuell, s.
5.3.3.) größte rangierte bei 9,7 x 2,9 x 7,4 mm. Das sind Größenunterschiede, die im Bereich der
Faktoren 2-3 liegen – ein erhebliches Problem für die Dimensionierung von Elektroden. Eine ähnliche
anatomische Variabilität wurde aber auch schon für Oberflächenstrukturen („Landmarks“) in dieser
69
Region dokumentiert [Quester und Schroder 1997]. Die Aufgabe, ein optimal angepasstes
Elektrodendesign zu entwerfen, wird dadurch nicht vereinfacht.
Intelligent wäre eine individuelle Anpassung, aber dazu müsste eine genaue kernspintomographische
Vermessung des Kerngebietes möglich sein. Gebarski et al. haben zwar bereits 1993 behauptet, dass
sich der NCK verlässlich mittel MRT abgrenzen liesse, aber trotz der weiteren Verbesserung der
Kernspintechnologie
wurde
diese
Aussage
bisher
nicht
bestätigt.
Weitere
systematische
Untersuchungen sind daher auf diesem Gebiet gefragt.
Zwei weitere Ursachen für die bisher nicht signifikant bessere Qualität der Sprachperzeption mit dem
PABI gegenüber dem Oberflächen-ABI könnten in einer abweichenden Antizipation von Form und
Lage bei der Entwicklung des Elektrodendesigns liegen. Wie bereits erwähnt, wurden die bisherigen
Modelle des Nucleus cochlearis aufgrund von Fallstudien erstellt [Dublin 1982; Terr und Edgerton
1985b; Terr und Edgerton 1985c]. Ebenso gab es keine systematischen Studien zur räumlichen
Orientierung des NCK außer fallweisen Beobachtungen [Moore und Osen 1979].
Das hat dazu geführt, dass man bisher annahm, der NCK wäre ein relativ kompaktes Gebilde,
welches zumindest in allen Anteilen dicht unter der Oberfläche des Hirnstamms beginnen würde. Man
dachte, dass der rostrale Anteil des NCV (AVCN, s. Abb. 6.3) lediglich deshalb soweit in die Tiefe des
Hirnstamms reichte, weil der kaudale Anteil zwischen jenem und der Hirnstammoberfläche lag.
Eine penetrierende Elektrode würde in einem solchen Modell in jedem Fall auf Anteile des ventralen
Nucleus treffen. Die Abbildung 6.3. illustriert diese Situation.
Die komplexe „Stiefel“-Form des Nucleus cochlearis ist auch in anderen Studien (wie hier bei Nevison
[Nevison 2006] schon sehr gut anerkannt worden. Nevison überschätzte aber die Breite des
Kerngebietes im Vergleich zu den Dimensionen des Elektrodenträgers und deutete die deutliche
Einwärtsrotation des NCV gegen die Medianebene des Hirnstamms nur durch Pfeile an. Der Eintritt
des Nervus cochlearis in den NCV ist in seiner Arbeit korrekt in der Mitte des Kernanteils
wiedergegeben. Insbesondere bei Katzen markiert diese Eintrittsstelle auch die Trennung von
anteroventralem
und
posteroventralem
Kerngebiet.
Beim
Menschen
ist
die
Unterteilung
zytoarchitektonisch weniger auffällig (s. Kapitel 2.1.1.).
Streckt man das Modell von Nevinsons auf die jetzt ermittelten Dimensionen, dann sieht man, wie gut
die Form dieses Modells mit den Ergebnissen dieser Studie harmoniert (Abb. 6.3B). Der räumliche
Abstand zwischen NCV und Hirnstammoberfläche ist jedoch im Mittel bedeutend größer als in
Nevinsons Zeichnung (Abb. 6.3C), so dass eine penetrierende Elektrode, die kürzer als 7mm ist, den
rostralsten Anteil des NCV gar nicht erreichen kann, selbst wenn die Penetrationsrichtung exakt ist.
VCN und DCN liegen außerdem, bedingt durch die Krümmung und Form des Kern-Komplexes, nicht
in jeder Tiefe (nicht in jeder histologischen Schicht) morphologisch aneinander an.
70
A
B
aus
Nevison, B.: A guide to the positioning of
brainstem implants using intraoperative
electrical auditory brainstem responses,
Adv.Otorhinolaryngol. 64 (2006): 154-166
C
VCN
DCN
Abb. 6.3 Vergleich der bisher angenommenen und der realen anatomischen Verhältnisse im Bereich des Nucleus
cochlearis zu Oberflächen-ABI-Elektroden (s.a. Abb. 5.5 & 5.10)
A Originale Abbildung aus [Nevison 2006]
B Dehnung und Stauchung der originalen Abbildung aus A, so dass die Länge des Elektrodenträgers mit dem in
C skizzierten übereinstimmt und gleichzeitig die Breite der Kerngebiete anhand der Daten der vorliegenden
Studie korrigiert wird.
C Schematische Respräsentation des Elektrodenträgers im Vergleich zu der durch die vorliegende Studie
ermittelten Ausdehnung und räumlichen Orientierung der kranialen Hälfte des Kerngebietes.
Eine „Freihand“-Implantation des PABI - mit oder ohne Platzierungshilfe – bleibt aus Sicht dieser
Untersuchung also problematisch. Oberflächenstrukturen sind schon bei normaler, nicht durch
Tumoren veränderter Anatomie ohne Formalinfixierung schwer zu identifizieren. Dazu kommen
tumorbedingte anatomische Veränderungen, unter Umständen sogar tumorbedingte Zerstörungen am
Nucleus cochlearis.
Pessimistisch betrachtet bliebe daher für das PABI als einziger Vorteil die Verringerung der
Reizschwelle durch das Durchbrechen der kapazitiven Schicht über dem NCK, wenn eine individuell
exakte Platzierung an den Zielstrukturen nicht doch möglich wird.
Ob Midbrain-Implantate als Alternative (s. Kapitel 2.3.3) die Sprachperzeption verbessern werden,
wird die Zukunft zeigen. Je weiter zentral sich ein Neuron in der Hörbahn befindet, desto komplexere
Schallmuster muss man verwenden, um die Neurone aktivieren zu können [Pickles 1988]. Viele
71
cochlea-fern gelegene Zellen reagieren überhaupt nicht mehr auf reine Töne. Zum Beispiel gibt es im
Colliculus inferior Zellen, die nur durch frequenzmodulierte Töne erregbar sind, wobei häufig Richtung
und Grad der Modulation von Bedeutung sind. Andere Zellen in diesem Gebiet reagieren zwar auf
einen reinen Ton, aber nur, wenn er amplitudenmoduliert ist. Dies ist jedoch abgelegen von der
Thematik der vorliegenden Untersuchung.
Schließlich soll noch eine weitere Problematik erwähnt werden, die eine Rolle bei der Implantation vor
allem von penetrierenden Elektroden spielen könnte. Obwohl diese Untersuchung keine signifikante
Korrelation zwischen Alter und Ausdehnung des NCK nachweisen konnte, bestand doch zumindest
ein Zusammenhang zwischen Hirngewicht und Höhe des Kernkomplexes. Außerdem lag der NCV bei
geringerem Hirngewicht tiefer unter der Oberfläche des Hirnstamms.
Degenerative Veränderungen im Bereich des Nucleus cochlearis nach Deafferenzierung wurden in
tierexperimentellen Untersuchungen beschrieben [Campos-Torres et al. 2005]. Beim Menschen tritt
eine Degeneration nach Cochlealäsionen überwiegend im Bereich des Nucleus cochlearis ventralis
ein [Dublin 1976; Moore und Osen 1979; Dublin 1982; Moore 1986; Moore et al. 1994]. Dabei kommt
es allerdings kaum zu Zellverlusten, sondern vor allem zu einer Verringerung von Zellgröße und
Zellvolumen.
Seldon and Clark (1991) fanden bei 11 postlinguistisch ertaubten Patienten eine Verringerung der
Zellgröße und des Volumens des Nucleus cochlearis im Vergleich zu einer Kontrollgruppe [Seldon und
Clark 1991]. Beide Veränderungen erwiesen sich jedoch, trotz der großen Anzahl von 81.007
gezählten Neuronen, als nicht statistisch signifikant. Selbst 40 Jahre nach Ertaubung hatte die
Zellgröße in einem Fall dieser Studie nur minimal abgenommen. Erfahrungen mit Patienten, die gute
Sprachdiskrimination erlangten, obwohl ihnen erst mehr als 30 Jahre nach Ertaubung ein Cochlea
Implantat eingesetzt wurde, werden damit interpretierbar [Blamey et al. 1992].
Hardie und Shephard berichteten 1999 über eine an 13 kochleär vertaubten Katzen durchgeführte
Untersuchung mit Implantation bipolarer Elektroden in der Scala tympani [Hardie und Shepherd 1999].
12 der Tiere waren seit weniger als 2 ½ Jahren taub. Die Spiralgangliendichte hatte im Mittel auf 17%
abgenommen. Das Volumen des Nucleus cochlearis war um 46% vermindert, die Neuronendichte um
37% gegenüber der Norm erhöht. Bei einem längerfristig (8 Jahre) ertaubten Tier trat die
Schrumpfungsdegeneration in deutlich stärkerem Maße ein (60% Volumenminderung, 44% erhöhte
Neuronendichte). Wiederum war die absolute Zahl der Zellen nicht wesentlich reduziert.
Dennoch erscheint die Volumenverringerung des gesamten Kerngebietes nach Deafferenzierung im
Rahmen der Versorgung von längerfristig ertaubten Patienten mit Implantaten aufgrund der
möglichen, topographisch-anatomischen Veränderungen ein nicht zu unterschätzender Faktor.
7.
Schlussfolgerungen für das Design von ABI- und PABI-Elektroden
Die vorliegenden anatomischen Ergebnisse bestätigen, dass der dorsale Hörkern trotz der Variabilität
seiner Ausdehnung immer flach genug unter der Hirnstammoberfläche im Bereich des Recessus
72
lateralis liegt, um direkt durch die Oberflächen-Elektroden der derzeit klinisch eingesetzten
auditorischen Hirnstammimplantate stimuliert zu werden. Die darüber liegenden, dünnen Ependymund Faserschichten können allerdings durch die Ausbreitung oberflächlicher Kriechströme zu höheren
Reizschwellen für Oberflächenimplantate führen [Ranck, Jr. 1975].
Auch der dorsokaudale Anteil (etwa 1/3 der Länge) des NCV, der hier in histologischen Schnitten
auch teilweise den NCD überlappt, ist durch Oberflächenelektroden stimulierbar. Da sich der an seiner
breitesten Stelle im Mittel nur maximal 1,5 mm starke, trapezoide ventrale Kern nach rostral hin weiter
von der Oberfläche der Hirnstamms entfernt, ist er hier sicher nicht mehr durch Oberflächenelektroden
mit den üblichen Stromstärken und Impulsbreiten zu aktivieren.
Geschätzt bleibt für die Oberflächenstimulation also eine maximal erreichbare Stimulationsfläche von
1
2
3,42 mm + ( /3 x 4,6 mm) x 3,76 mm = 4,95 mm x 3,76 mm.
Auf einer aktuellen (Nucleus24)-Elektrode verteilen sich über eine Fläche von ca. 7 x 3 mm 21
3
Kontakte (3 Reihen á 7 Kontakte) . Reizstärke, Impulsdauer und Verteilung des elektrischen Feldes
werden also über die zu erreichende Tonotopie (Frequenzverteilung) bestimmen, weniger die direkte
anatomische Lage und Zuordnung zum Nucleus cochlearis. Die Elektrode wird in den meisten Fällen
über den unter der Oberfläche stimulierbaren Anteil des NCK nach medial oder lateral hinaus ragen
und kann – schon wegen ihrer Positionierbarkeit im Recessus, welche eine größere Höhe nicht
erlaubt - nicht die gesamte Höhe des Kerngebietes erreichen.
Der obere und vordere Anteil des Nucleus cochlearis ventralis sind zwar aufgrund ihrer tiefen
Lokalisation im Hirnstamm für Oberflächenelektroden nicht zugänglich, ein Teil dieses funktionell
primären, d.h. noch stärker vom Hörnerv dominierten Kerngebietes mit seiner charakteristischen
Tiefentonotopie (Kapitel 2.2.2. und 6.2.) lässt sich aber mit Insertionselektroden erreichen. Die
Platzierung von Elektroden direkt in dem zu stimulierenden Zielgebiet führt theoretisch zu niedrigeren
Reizschwellen und weniger Nebenstimulation nicht auditorischer Zentren. Weil dafür sehr kleine
Elektrodenkontakte verwendet werden müssen, um eine stärkere Zerstörung des Gewebes zu
vermeiden, sind die Übergangswiderstände dennoch sehr hoch – offenbar ein weiterer Grund für die
bisher eingeschränkte Funktionalität des PABI [McCreery et al. 2005; Fayad et al. 2006].
Die folgenden Überlegungen zu einem optimal angepassten Array penetrierender Elektroden für den
Nucleus cochlearis basieren zwar auf exakten Messwerten, abstrahiert aber von der individuellen
Variabilität des Kernkomplexes. Wie unter 6.2. beschrieben ist die Effektivität des PABI außerdem von
anderen Faktoren abhängig, z.B. ob es gelingen kann, mit einer Positionierhilfe die exakte Trajektorie
für penetrierende Elektroden überhaupt einzuhalten. Unter diesen Einschränkungen wäre ein optimal
anatomisch angepasstes Tiefenimplantat so konfiguriert:
2
Länge des dorsalen Kerns [kd] + (1/3 x Länge des ventralen Kerns [kv]) x Gesamthöhe [vg] des Kernkomplexes
3
Der Silikonträger ist mit 8 x 3,5mm noch etwas größer.
73
Die Elektrodentiefe müsste von kaudal - in Höhe des Recessus lateralis bzw. des Foramen Luschkae
beginnend - nach kranial über eine Distanz von ca. 3 mm von 0,5 auf 7 mm zunehmen. Da der
ventrale Kernanteil in Höhe des Austritts des Nervus fazialis aus dem Hirnstamm am tiefsten gelegen
ist und dort gleichzeitig seine größte Breite aufweist, müssten die längsten Nadelelektroden des
Arrays kranial diesen Bereich erreichen, die kürzesten würden knapp oberhalb des Foramen
Luschkae des Recessus lateralis liegen.
Die einzelnen Mikronadeln würden auf dem Elektrodenträger so eng wie möglich aneinander gesetzt
werden und – bei maximaler effektiver Elektrodenkontaktfläche einen möglichst geringen
Durchmesser aufweisen. Praktisch vorstellbar wäre ein Array mit 1, 3, 5 und 7 mm langen Nadeln im
Abstand von je 0,75 mm, nach Möglichkeit mit multiplen Kontakten je Nadel. In ventrodorsaler
Richtung könnte das Array bei einer Länge von knapp 4mm mehr als 2/3 des „Norm“-NCV und damit
den nicht durch Oberflächenelektroden erreichbaren Anteil gut abdecken.
Da die Fazialis-Eintrittszone das Array wegen der Gefahr der Nebenstimulation und der
Fazialisverletzung nach kranial limitiert, kann der Abstand von der obersten bis zur untersten
Elektrode auch bei schrägem Eintritt der Nadeln in den Hirnstamm wohl nicht mehr als 2,5 mm
betragen (Gesamthöhe des Kerngebietes 3,7mm minus Kernanteil kranial des Fazialisaustritts minus
Kernanteil im Recessus lateralis).
Kraniokaudal
sollte
die
Platzierung
des
Arrays
also
zwischen
Recessus
lateralis
und
Fazialisaustrittszone erfolgen. In der zweiten Ebene (ventrodorsal) sollten der Mittelpunkt des Arrays
und der seitliche Scheitelpunkt des Hirnstammes in Höhe des pontomesencephalen Übergangs und
damit dem Mittelpunkt des Nucleus cochlearis ventralis übereinstimmen.
Aufgrund der auch in den histologischen Schnitten nachgewiesenen Lagebeziehungen sind
Fehlstimulationen dieser Kerngebiete und Fasersysteme durch Tiefenelektroden wie auch bei der
Oberflächenstimulation [Edgerton et al. 1982; Shannon et al. 1993; Matthies et al. 2000; Sollmann et
al. 2000] nicht sicher auszuschließen:
kranial:
Nervus facialis (Gesicht: Sekretion, Sensibilität, Sensorik, Mototik)
medial, ventral:
Tractus rubrospinalis und Tractus tectospinalis (unwillkürliche Motorik, Stellreflexe,
rhythmische Motorik, Gleichgewichtsregulation)
ventral, lateral:
Corpus pontobulbare (Efferenzen zu visuellen und auditorischen Regionen
des Zerebellum und Afferenzen von Rückenmark, Nucleus ruber, Gesichtsregion
des sensorimotorischen Kortex)
medial:
Tractus trigeminus (Kauen, Sensibilität, sympathische und parasympathische
Anteile)
medial
zweites
Neuron
der
langen,
somatosensiblen
Bahnen
(Druckempfindung,
Vibration, Raumsinn)
medial, kranial:
mittlerer und unterer Kleinhirnschenkel (z.B. Tiefensensibilität)
medial, dorsal
Nucleus vestibularis (Gleichgewicht)
kaudal
Nervus glossopharyngeus (Sensibilität Zunge, Gaumen, Motorik
Pharynxmuskulatur, Parasympathikus: Speicheldrüse)
74
8.
Zusammenfassung
Die vorliegende erste quantitative Untersuchung an 20 Hirnstämmen mit insgesamt 33 Hörkernen
bestätigt, dass sich der Nucleus cochlearis lichtmikroskopisch in einen ventralen und einen dorsalen
Kern differenzieren lässt. Die Form des gesamten Kerngebietes ist komplex und ähnelt einem flachen
Stiefel mit breitem Schaft. In der Sagittalebene ergibt sich eine annähernd X-förmige Silhouette, zur
Längsachse des Hirnstamms ist das Kerngebiet nach lateral rotiert. Erstmals konnte in einer
histologisch aufgearbeiten Serie von Hirnstammpräparaten gezeigt werden, dass der NCK auch zur
antero-posterioren Querachse kranial einwärts rotiert gelegen ist. Außerdem besteht eine medial
konvexe Krümmung, die in etwa der Kurvatur der lateralen Oberfläche der Medulla oblongata folgt.
Die an der Hirnstammoberfläche gebildete Erhebung des Tuberculum auditivum ist nach Lage und
Größe nicht mit dem Nucleus cochlearis deckungsgleich.
Der dorsale Kern ist mit einer mittleren maximalen Breite von 675 µm schmal und in allen
Dimensionen im Mittel etwa 1mm kleiner als der ventrale Kern. Er liegt flach - im Mittel 0,30mm tief und ziemlich parallel zur Hirnstammoberfläche im Bereich des Recessus lateralis. Daraus erklärt sich
seine gute Stimulierbarkeit mit Oberflächenelektroden.
Das gleiche trifft auch für das dorsokaudale Drittel des NCV zu, der hier in histologischen Schnitten
mit dem NCD überlappen kann. Da sich der an seiner breitesten Stelle im Mittel 1550 µm starke
ventrale Kern nach rostrokranial im Mittel bis auf 7mm von der Oberfläche der Hirnstamms entfernt, ist
er hier nicht mehr durch Oberflächenelektroden mit den üblichen Stromstärken und Impulsbreiten zu
aktivieren.
Die mittlere maximale Gesamtausdehnung des Nucleus-Cochlearis-Komplexes (Länge x Breite x
Höhe) betrug in der vorliegenden Studie 8,15 ± 1,92 x 1,53 ± 0,64 x 3,76 ± 0,89 mm (Mittelwert ±
Standardabweichung; NCV 4,60 x 1,52 x 3,18 mm; NCD mit 3,74 x 0,67 x 1,9mm). Zwischen den
ermittelten Extrema, d.h. den kleinsten und größten gemessenen Dimensionen individueller Kerne
liegt ein Faktor von 2-3.
Die interindividuelle Variabilität der Ausdehnung des Nucleus cochlearis und der Abstand der rostralen
Anteile des NCV von der Oberfläche des Hirnstamms erschweren die exakte Platzierung
penetrierender Elektrodenarrays.
Ein penetrierendes Elektrodenarray (ventrodorsal x rostrokaudal = 4 x 2,5mm) mit Mikronadellängen
von 1, 3, 5 und 7mm im rostrokaudalen Abstand von 0,75mm wäre bei korrekter Platzierung im
Nucleus cochlearis ventralis sicher geeignet, die Hörbahn zu aktivieren. Der Eintrittspunkt des mittig
über dem seitlichen Scheitel des Hirnstamms zu platzierenden penetrierenden Arrays sollte zwischen
dem Dach des Recessus lateralis und der Fazialisaustrittszone liegen.
75
9.
Danksagung
Der visionären Perspektive von Prof. Dr. med.Dr.h.c.mult.M.Samii (Präsident des INI Hannover)
verdankt auch diese Arbeit die Idee ihrer Entstehung.
Den Professoren Dr. med. C. Matthies (leitende Oberärztin der Klinik für Neurochirurgie der
Universität Würzburg), Dr. Dr.h.c. Laszig (Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Hals-, Nasenund Ohrenheilkunde Freiburg) und Dr. med. T. Lenarz (Direktor der Klinik für Hals-NasenOhrenheikunde der Medizinischen Hochschule Hannover) und ihren Arbeiten zur Implantation von
Hörprothesen verdanke ich wichtige Anregungen.
Für die große Unterstützung bei der Durchführung dieser Arbeit möchte ich mich beim Team des
damaligen Instituts für Neuropathologie der Medizinischen Hochschule Hannover bedanken. Herr
Prof. Dr.med. G. Walther hat dafür gesorgt, dass ich die Möglichkeiten seines Institutes effektiv für die
Präparation der Hirnstämme nutzen konnte. Frau Dr. A. Brandis hat mich mit viel Erfahrung bei der
Auswahl geeigneter Hirnstämme unterstützt. Insbesondere die MTA Ewa Sikorra, aber auch Natascha
Heidrich und Uwe Preis haben mir mit großer Ausdauer geholfen, die histologischen Präparate
herzustellen.
Ohne die stete sowohl wissenschaftliche wie auch moralische Unterstützung meines Mannes, Steffen
Rosahl, wäre es wohl nie zum Abschluss dieser Arbeit gekommen. Ich danke ihm für die immer wieder
neue Motivation, unendliche Geduld und unzählige fachliche Anregungen.
Mein Dank gilt ebenso meinen Eltern Ingeborg und Klaus Koch, die mir auf meinem Weg in die
Medizin Vorbilder waren und diesen dann auch intensiv begleitet haben.
Meine Kinder Sophie und Richard können jetzt (oder später) nachlesen, warum sie etliche Stunden
bei Großeltern und Tagesmüttern verbracht haben… Ich hoffe sie werden mich verstehen.
76
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