Näherungsmethoden Tutoren: Jinming Lu, Konrad Schönleber 19.02.09 Nur wenige quantenmechanische Probleme (z.B. der harmonische Oszillator dieser ist jedoch oft selbst eine Näherung) lassen sich exakt lösen, es ist somit nötig verschiedene Näherungsmethoden zu verwenden. In dieser Vorlesung werden wir drei Näherungsmethoden betrachten, die verschiedene Problemstellungen abdecken. Mit der Störungstheorie kann man Probleme behandeln, bei denen sich der Hamiltonoperator nur um einen kleinen Zusatzterm von einem exakt lösbaren Hamiltonoperator unterscheidet. Die Variationsmethode kann verwendet werden, wenn das Aussehen der Wellenfunktion bereits ungefähr bekannt ist. Man variiert dann einen Parameter und optimiert damit das Ergebnis. Man verwendet die Variationsmethode meist zur Bestimmung der Grundzustandsenergie. Die WKB-Näherung schließlich ist eine sogenannte semi-klassische Näherungsmethode und kann in (1d-)Systemen verwendet werden in denen die kinetische Energie viel größer als die potentielle Energie ist. 1 Störungstheorie In der Störungstheorie sind zwei grundsätzlich verschiedene Fälle zu unterscheiden. Die zeitunabhängige Störungstheorie beschäftigt sich mit der Veränderung der bekannten Eigenzustände und der entsprechenden Energien. Im Gegensatz dazu macht man mit Hilfe der zeitabhängigen Störungstheorie Aussagen über die Übergangswahrscheinlichkeiten zwischen den ungestörten Zuständen unter Einfluss der Störung. 1.1 Zeitunabhängige Störungstheorie Wir nehmen folgenden Hamiltonoperator an: b =H b 0 + λH b1 H b 0 ein exakt lösbarer Hamiltonoperator mit H|n b 0 i = En0 |n0 i und λH b1 wobei H ein kleiner Störterm sind. Wir betrachten zunächst den Fall energetisch nicht entarteter Zustände, d.h. zu jedem En0 gibt es nur genau einen Eigenzustand |n0 i. b1 Weiterhin nehmen wir hier an, dass λ klein ist und die Erwartungswerte von H b 0 liegen. höchstens in der selben Größenordnung wie die von H 1 Die grundlegende Annahme ist nun, dass jeder ungestörten Eigenzustand |n0 i durch die Störung in einen Zustand des gestörten Systems |ni überführt wird. Es gilt also: limλ→0 |ni = |n0 i Wir entwickeln nun den gesuchten Eigenzustand des gestörten Systems |ni in Eigenzustände des ungestörten Systems: X dm0 |m0 i |ni = cn0 |n0 i + m0 6=n0 Wir sehen: hn|ni = 1 ⇒ |cn0 |2 + X |dm0 |2 = 1 m0 6=n0 Da die Eigenzustände des ungestörten Systems eine Orthonormalbasis bilden, gilt näherungsweise (linear in λ) wegen limλ→0 |ni = |n0 i: cn0 = 1 und dm0 = O(λ) Nun betrachten wir mit einem beliebigen ungestörten Eigenzustand |l0 i = 6 ||n0 i: b − En )|ni = 0 (H b − En )|ni = dl (El − En ) + λhl0 |H b 1 |n0 i + λ ⇒ hl0 |(H 0 0 X b 1 |m0 i = 0 dm0 hl0 |H m0 6=n0 2 Der dritte Term ist ∝ λ und kann daher in linearer Näherung vernachlässigt werden. Wir erhalten also Näherung: d l0 = λ b 1 |n0 i hl0 |H + O(λ2 ) En − E l0 Damit können wir nun den Zustand |ni aufschreiben: |ni = |n0 i + λ X hm0 |H b 1 |n0 i |m0 i + O(λ2 ) En − Em0 m0 6=n0 Die Eigenenergien erhalten wir über: b − En )|ni = (En − En ) + λhn0 |H b 1 |n0 i + λ hn0 |(H 0 X b 1 |m0 i = 0 dm0 hn0 |H m0 6=n0 b 1 |n0 i + λ2 ⇒ En = En0 + λhn0 |H X |hn0 |H b 1 |m0 i|2 + O(λ3 ) En0 − Em0 m0 6=n0 Wir erkennen sofort die Energiekorrekturen 1. und 2.Ordnung. 2 Wir wollen nun noch die mögliche energetische Entartung der ungestörten Zustände berücksichtigen (z.B. Wasserstoffatom). Es folgt hier nun keine lange Herleitung, sondern nur ein plausibles Ergebnis. Es gelte: b 0 |ni i = En H 0 0 Wir schreiben nun: |ni = X αi |ni0 i + λ X hm0 |H b 1 |n0 i X βi |mi0 i + O(λ2 ) En0 − Em0 i m0 6=n0 i Wir betrachten Energiekorrekturen nun nur noch linear in λ und können den letzten Term vernachlässigen: X |αi |2 = 1 ⇒ i b hn|H|ni = X |αi |2 En0 +λ i i | XX {z =En0 b 1 |ni0 i a∗j ai hnj0 |H j } Damit gilt für die Energiekorrektur 1.Ordnung in λ: X b b 1 |ni0 i αj (hn|H|ni − En0 ) = λ αi hnj0 |H i Mit dieser Formel kann man die Energiekorrekturen 1.Ordnung in λ berechnen. 1.2 Zeitabhängige Störungstheorie Nun gehen wir davon aus, dass wir zu einem ungestörten System mit zeitunb 0 zur Zeit t = t0 eine Störung V (t) hinzuschalabhängigem Hamiltonoperator H ten. ih̄∂t |Ψ(t)i = (H0 + Θ(t − t0 )V (t))|Ψ(t)i Mit der Anfangbedingung: |Ψ(t)i = |Ψ0 (t)i falls t ≤ t0 Wir wechseln in das sog. Wechselwirkungsbild (Dirac-Bild), um die Zeitentwicklung verursacht durch den Operator H0 loszuwerden und nur noch die durch das hinzugeschaltete Potential verursachte Zeitentwicklung zu berücksichtigen. Wir definieren dazu: |Ψ(t)iI = eiH0 t/h̄ |Ψ(t)i Wir leiten dies nach der Zeit ab und setzen die Schrödingergleichung ein: ih̄∂t |Ψ(t)iI = −H0 |Ψ(t)iI + eiH0 t/h̄ (H0 + V (t))|Ψ(t)i ⇒ ih̄∂t |Ψ(t)iI = eiH0 t/h̄ V (t)e−iH0 t/h̄ |Ψ(t)iI | {z } :=VI (t) Wir schreiben nun diese Gleichung in der Integraldarstellung: Z 1 t |Ψ(t)iI = |Ψ(t0 )iI + VI (t0 )|Ψ(t0 )iI dt0 ih̄ t0 3 Wir führen nun Picard Iteration bis zur ersten Ordnung (Übergänge erster Ordnung) aus und erhalten: Z 1 t VI (t0 )|Ψ(t0 )iI dt0 |Ψ(t)iI = |Ψ(t0 )iI + ih̄ t0 Nun nehmen wir an, der ungestörte Hamiltonoperator H0 habe die Energieeigenzustände |n(t)i =: e−iH0 t/h̄ |ni mit den Energieeigenwerte En . Wir wollen nun die Übergangswahrscheinlichkeit 1.Ordnung vom Zustand |ni in den Zustand |mi berechnen. Die Übergangsamplitude ist: hm(t)|Ψ(t)i = hm|eiH0 th̄ |Ψ(t)i = hm|Ψ(t)iI Der Anfangszustand ist wenig überraschend: |Ψ0 (t0 )iI = |Ψ(t0 )iI = eiH0 t/h̄ |n(t)i = |ni Wir erhalten also: |Ψ(t)iI = |ni + 1 ih̄ Z t VI (t0 )|nidt0 t0 Damit ergibt sich die Übergangsamplitude zu: 1 hm(t)|Ψ(t)i = hm|Ψ(t)iI = hm|ni + | {z } ih̄ Z t hm|VI (t0 )|nidt0 = t0 =δmn = δmn + 1 ih̄ Z t 0 ei(Em −En )t /h̄ hm|V (t0 )|nidt0 t0 Die Übergangswahrscheinlichkeit zwischen verschiedenen Zuständen ist also: 2 Z 1 t i(Em −En )t0 /h̄ e hm|V (t0 )|nidt0 Pnm (t) = |hm(t)|Ψ(t)i|2 = 2 h̄ t0 1.2.1 Fermis Goldene Regel Wir betrachten nun den Fall einer eingeschalteten, konstanten Störung. V (t) = Θ(t)V0 Wir werden sehen, dass Übergänge 1.Ordnung hier nur in einem Kontinuum von Zuständen möglich sind. Es gilt nämlich: Z 2 1 t i(Em −En )t0 /h̄ 0 Pnm (t) = 2 e hm|V |nidt h̄ 0 Es folgt mit ωmn := Pnm (t) = 1 h̄2 Em −En : h̄ iω t 2 e mn − 1 = 1 sin(ωmn t/2) |hm|V |ni|2 hm|V |ni ωmn ωmn /2 h̄2 4 mn t/2) = 2πtδ(ωmn ) Für ausreichend große Zeiten gilt: sin(ω ωmn /2 Damit folgt: 2πt Pnm = δ(Em − En )|hm|V |ni|2 h̄ Für die Übergangswahrscheinlichkeit pro Zeit gilt demnach: Γnm = 2π δ(Em − En )|hm|V |ni|2 h̄ In einem Kontinuum von Zuständen sind somit Übergänge möglich, dort gilt mit der Zustandsdichte ρ(Em ): Z X 2π Γnm = ρ(Em )Γnm dEm = ρ(Em ) |hm|V |ni|2 h̄ n 2 Variationsmethode Die Variationsmethode ist gut geeignet die Energie des Grundzustandes eines komplizierten Systems zu finden. Seien |ni die Eigenzustände des Hamiltonoperators H, dann folgt für einen beliebigen |Ψi: X X X hΨ|H|Ψi = hn|Ψihn|H|Ψi = En |hn|Ψi|2 ≥ E0 |hn|Ψi|2 = E0 hΨ|Ψi n n ⇒ E0 ≤ n hΨ|H|Ψi hΨ|Ψi Wir müssen also zu einem gegebenen Problem zunächst eine sinnvolle, von einem Parameter abhängige Wellenfunktion finden und diese dann minimieren. Die Energie wird dabei sehr genau bestimmt. Um dies einzusehen betrachten wir einen Zustand, der vom exakten Zustand minimal abweicht: |Ψi = |Ψ0 i + |i p mit h|i klein. Dann folgt: hΨ|H|Ψi En + h|H|i = = En + O(h|i) hΨ|Ψi hn|ni + h|i 3 WKB-Näherung Die WKB-Näherung kann besonders gut für 1d-Probleme mit hoher kinetischer Energie verwendet weren, also z.B. bei der Streuung hochenergetischer Teilchen an einem Target. Wir gehen hierbei davon aus, dass die de-Broglie-Wellenlänge λ = 2πh̄ nur h̄ langsam im Bereich des Potentials variiert. Die Methode ist halbklassisch, d.h. wir gehen zwar von der Schrödingergleichung aus, setzen aber einen klassischen Impuls ein: p p(x) := 2m(E − V (x)) 5 Die Schrödingergleichung erhält damit die Form: ∂x2 Ψ(x) + p2 (x) Ψ(x) = 0 h̄2 Die Änderung des klassischen Impulses ist nur schwach im betrachteten Bereich: h̄|∂x p(x)| << |p(x)|2 Wir setzen nun für Ψ(x) mit einer einfachen Exponetialfunktion an: i Ψ(x) = e h̄ S(x) S hat diesselbe Dimension wie h̄, nämlich die einer Wirkung. Wir entwickeln nun S in eine Reihe über h̄: S(x) = W (x) + h̄ W1 (x) + O(h̄2 ) i Aus der Schrödingergleichung folgt nun: 2 ih̄S 00 (x)Ψ(x) − S 0 (x)Ψ(x) = −p2 (x)Ψ(x) ⇒ (W 0 )2 − ih̄(W 00 + 2W10 W 0 ) + O(h̄2 ) = p2 Aufgrund der Forderung h̄|∂x p(x)| << |p(x)|2 vernachlässigen wir die O(h̄2 ) Term und es gilt näherungsweise: W 00 + 2W10 W 0 = 0 1 d ln(W 0 )− 2 dx Weiterhin folgt aus dem Wegfall der O(h̄) Terme: Z W (x) = ± p(x0 )dx0 ⇒ W10 = x Wir fassen nun also zusammen: 1 W1 (x) = ln(W 0 (x))− 2 ⇒ eW1 (x) = p 1 p(x) Z 1 1 ⇒ Ψ(x) = p exp ± p(x0 )dx0 =: p e±iw(x) 2 p (x) p2 (x) x Im klassisch erlaubten Bereich E ≥ V (x) liefert dies oszillierende und im klassisch verbotenen Bereich exponentiell fallende Lösungen. 6