Einführung in die psychosomatische Medizin und Psychotherapie

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Einführung in die
psychosomatische Medizin
und Psychotherapie
Priv.-Doz. Dr. med. Dipl.-Psych. Grabhorn
Psychosomatik
•  test
Man sollte nicht versuchen,
„den Kopf (zu heilen) ohne den ganzen
Leib, so auch nicht den Leib („soma“)
ohne die Seele („psyche“);
„dieses eben wäre auch die Ursache,
weshalb ... die Ärzte den meisten
Krankheiten noch nicht gewachsen
wären, weil sie nämlich das Ganze
verkennten...“
Sokrates in Plato (428-348 v. Cgr.): Chamides
Wechselwirkungen
Psychosomatische Störungen & Prävalenz
•  Somatopsychische Erkrankungen
–  Schwere körperliche Erkrankungen, deren Entstehung oder
Verlauf durch psychische Faktoren beeinflusst werden, z.B.
Colitis oder Asthma.
–  Schwere körperliche Erkrankungen, in deren Folge es zu einer
psychischen Störung kommen kann, z.B. Tumorerkrankungen.
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Essstörungen (Anorexie und Bulimie): 3 %
Depressionen: 12,7 %
Somatoforme Störung (z.B. Schmerzstörungen): 11 %
Angst- und Panikstörungen: 14,9 %
Posttraumatische Belastungsstörung 8 %
Persönlichkeitsstörung: 3-10 %
Das therapeutische Konzept der stationären
Psychosomatik
•  Das wesentliches Charakteristikum ist die Integration
somatischer und psychischer Behandlungsebenen sowie die
Behandlung in einem integrativen Therapiemodell, das auf
psychoanalytischer Grundlage verschiedene spezifische
Therapieverfahren bereitstellt.
•  Dies beinhaltet, dass die Arbeit an den Beziehungen bzw.
Beziehungsmustern der PatientInnen im Mittelpunkt steht.
•  Hier ist die Schaffung einer haltgebenden Stationsatmosphäre
Voraussetzung, um gerade PatientInnen mit körperlichen und
somatisierten Leiden sowie strukturellen Einschränkungen
und Persönlichkeitsstörungen einen Raum für psychische
Entwicklung und Veränderung zu geben.
Bereich Psychosomatik
Krankenversorgung
Lehre
Forschung
Kooperation
Sigmund Freud
Institut
Ambulanz
Ausbildung
Ärzte/innen
Essstörungen
Konsil-/
Liaisondienst
Weiterbildung
Fachärzt/innen
Neurobiologie
Tagesklinik 93-6
Station 93-7
Station 93-8
Fortbildung
Wissenschaftliche
Kolloquien
Depressionen
Psychotherapie
-forschung
TraumafolgeKrankheitsstörungen
verarbeitung
Zentrum für
Psychotraumatologie
Zentrum für
Essstörungen
Psychokardiologie
Kerckhoff
Psychosomatische
Ambulanz
Konsil- und
Liaisondienst
Niedergelassene
Kooperierende
Ambulanzen
Ambulanzkonferenz
Zuweisung nach
Schwerpunktbereichen
93-6 (15 Betten)
Tagesklinik
93-7 (16 Betten)
Schwerpunkt:
Traumafolgestörungen
Persönlichkeitsstörungen,
Depressionen
93-8 (16 Betten)
Schwerpunkt:
Essstörungen,
Depressionen, Angstund Zwangsstörungen,
Somatopsychische
Erkrankungen
Behandlungsziele bzw. Therapieschwerpunkte
Bereich Psychosomatik
Psychodynamische
Einzel- und
Gruppentherapie
Verhaltenstherapie
Körpertherapie
Musik-, Gestaltungsund Schreibtherapie
Achtsamkeit
Progressive Muskelrelaxation
Sport
Skills
Stabilisierung
Esstherapie
Therapieevaluation Psychosomatik
Behandlungsziele bzw. Therapieschwerpunkte
Eigene Studien z.B. zu
Stationäre therapeutische
Beziehung und Widerstand
(2005)
Eingangstestung
Supervision
Fallkonferenz
Teamkonferenz
Patientenzufriedenheit
Ausgangstestung
Gegenübertragung/
Übertragung im stationären
Bereich (2011)
Stationäre Gruppentherapie
und Therapieerfolg (2000,
2002)
Bedeutung von
Traumatisierungen
stationärer Patientinnen
(2008)
Scham und Therapieerfolg
bei Essstörungen im
stationären Setting (2006)
u.a.
Sigmund Freud
und die
„Entdeckung“
des Unbewussten
Von der Neuropathologie zur Psycho-/
Neurosenpathologie
•  1885/86 Forschungsaufenthalt bei
Charcot an der Salpêtrière, Paris
•  Berührung mit Hysterie & Hypnose:
Anfälle, Körpersymptome,
Erinnerungsausfälle, somnambule
und posthypnotische Erscheinungen,
irrational unverständliche Träume
•  Die Existenz unbewusster seelischer
Vorgänge wurde im Hypnotismus
„zuerst leibhaft, handgreiflich und
Gegenstand des Experiments“
(GW XIII, S. 407)
Dokumentation hysterischer Symptome unter
Hypnose
Anna O.
•  Diverse Lähmungen und Zustände
psychischer Verworrenheit während der
Pflege ihres Vaters.
•  Im Wachbewusstsein konnte Anna O. nichts
über die Entstehung der Symptome sagen, in
Hypnose konnte sie diese Situationen
erinnern.
•  Konnte sie den in der Situation des ersten
Auftretens unterdrückten Affekt abreagieren,
verschwanden die Symptome.
•  „Kathartisches Verfahren“: Bewusstmachung
scheinbar vergessener Erlebnisse und
Ausagierung unterdrückter Affekte unter
Hypnose.
Das dynamisch Unbewusste:
Abwehrkonzept
•  Verdrängung: Der Mensch sträube sich dagegen, sich offen mit den
unverträglichen Vorstellungen zu konfrontieren.
•  Die Konversion seelischer Schmerzen in körperliche diene der Befreiung aus
dem quälenden Konflikt zwischen Wunsch und moralischer Verpflichtung,
dazu sich eines unerträglichen psychischen Zustands zu entziehen.
•  Widerstand: Um es sich bewusst zu machen, musste der Arzt „eigene
Anstrengung“ aufwenden, „der Kraftaufwand des Arztes war offenbar das
Maß für einen Widerstand des Kranken“ (GW XVI, S. 54)
Zur Aktualität Freuds
•  Das Verstehen unbewusster
Motive bleibt Kern des
psychoanalytischen Arbeitens
•  Das Setting bleibt die Matrix
psychoanalytischer
Erkenntnis
•  Biographisches Verstehen
und Entwicklungskonzepte
bleiben klinisch
bedeutungsvoll
(vgl. Habermas, T., 2006)
Adverse Childhood Experience Study (ACE)
Felitti et al. 2002 (USA, N=18.000)
• ACE-Prävalenz:
- Seelische Mißhandlung 11%
- Körperliche Mißhandlung 11%
- Sexueller Mißbrauch 22%
- Substanzabusus d. Eltern 26%
- Psych. Kh. der Eltern/Suizid 19%
- Gewalt durch Mutter 13%
- Inhaftierung Eltern 3%
• Je höher ACE-Score desto höher Risiko für:
Depressionen, fam. Gewalt, Drogen, Arbeitslosigkeit etc. aber
auch Adipositas, Rauchen (COLD)
Psychosomatik
Querschnittsfach + Spezialdisziplin
Innere Medizin
Psychiatrie
Psychosomatik
&
Psychotherapie
Facharzt für Psychosomatik und
Psychotherapie
Spezialgebiet mit besonderer Expertise in der
Erkennung und (insbes. psychotherapeutischen)
Behandlung von krankheitswertigen Störungen leib –und
seelischer Vorgänge
Weiterbildung: 5 J.
• 1 Jahr Innere Medizin
• 3 Jahre Psychosomatik
• 1 Jahr Psychiatrie
Ergebnisse von Psychotherapie
•  Insgesamt sind Psychotherapien außerordentlich wirksam
Mittlere Effektgrößen aus Metaanalysen (Lipsey, Wilson
1993):
•  Psychotherapie (allgemein)
0.85
Psychotherapie mit Erwachsenen
0.93
Einzelpsychotherapie
1.36
Gruppentherapie
1.19
•  Demgegenüber:
AZT für AIDS
0.47
Bypass (Effekt auf Angina)
0.80
Cyclosporin (Organabstoßung)
0.39
Antikoagulation (Thromboserisiko)
0.30
Psychotherapie Indikation
• Etwa 25% der Bevölkerung leiden unter einer psychischen
Störung von Krankheitswert (Punkt-Prävalenz).
• Etwa 40% der Bevölkerung sind lebenslänglich gesund,
d.h. die Lebenszeit-Prävalenz für psychische Störungen
liegt bei etwa 60%.
• Psychotherapie ist bei fast allen psychischen Störungen
indiziert.
Epidemiologische Untersuchung von Schepank (1994)
„Psychotherapie ist ...
Strotzka (1975)
•  ein bewusster und geplanter interaktioneller Prozess,
• zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen und
Leidenszuständen, die behandlungsbedürftig sind (Konsens),
• mit psychologischen Mitteln (Kommunikation, verbal/averbal),
• in Richtung auf ein definiertes, gemeinsam erarbeitetes Ziel
(Symptomminimierung/Änderung derStruktur),
• mittels lehrbarer Techniken,
• auf der Basis einer Theorie von normalem/pathologischen
Verhalten.
• In der Regel ist dazu eine tragfähige emotionale Bindung
notwendig.
Stationäre Psychotherapie
Indikationen - Störungsmerkmale
•  unzureichende Motivation u./o. fehlende Möglichkeit für ambulante
Behandlung ( regionale Indikation)
•  Symptomeinschränkungen verhindern ambulante Therapie
(z.B. Agoraphobie; somatoforme Schmerzstörung)
•  Ich-strukturelle Schwäche mit reduzierter Fähigkeit zu kontinuierlicher
ambulanter therapeutischer Beziehung
•  Milieugründe (Partnerschaftskrisen; familiäre Verstrickung etc.)
•  Herauslösung aus pathogenem Umfeld
•  z.B. bei somatoformen Störungen zur Erarbeitung einer Therapiemotivation
•  zu diagnostischen Zwecken bei noch unklarer Einordnung des
Beschwerdebilds
•  bei indizierter komplexer bzw. multimodaler Behandlungsform
(z.B. Ess-Störungen)
•  Krisenintervention
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