Autosomal-rezessiver Erbgang

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Autosomal-rezessiver
Erbgang
Bearbeitetes Informationsblatt herausgegeben vom Guy’s and St. Thomas’
Hospital, London und dem London IDEAS Genetic Knowledge Park,
entsprechend deren Qualitätsstandards.
Januar 2008
Dieser Text wurde mit Unterstützung von EuroGentest angefertigt, ein vom
EU-FP6 gefördertes Network of Excellence, Kontrakt Nr: E 512148
Übersetzung: Prof. Dr. R. Peter Nippert
Illustrationen: Rebecca J Kent
www.rebeccajkent.com
[email protected]
Informationen für Patienten und ihre Familien
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Autosomal-rezessiver Erbgang
Im Folgenden werden Ihnen einige Informationen darüber
gegeben, was “autosomal-rezessiver Erbgang“ bedeutet und
wie autosomal-rezessive genetisch bedingte Störungen und
Erkrankungen vererbt werden. Um den autosomal-rezessiven
Erbgang zu verstehen, ist es hilfreich, zunächst etwas über
Gene und Chromosomen zu erfahren.
Gene und Chromosomen
Unser Körper besteht aus Millionen von Zellen. Die meisten
Zellen enthalten den vollständigen Satz unserer Gene, das
gesamte menschliche Genom. Wir haben Tausende von Genen.
Gene geben die Anweisungen, die unser Wachstum und unsere
Körperfunktionen regulieren. Sie sind für viele unserer
Eigenschaften, wie z.B. die Augenfarbe, Blutgruppe oder die
Größe verantwortlich.
Die Gene befinden sich als festverdrillte Strukturen, die als
Chromosomen bezeichnet werden, im Innern des Zellkerns. In
der Regel haben wir in den meisten Zellen 46 Chromosomen.
Wir erben die Chromosomen von unseren Eltern, jeweils 23 von
unserer Mutter und unserem Vater, sodass wir zwei Sätze von je
23 Chromosomen oder 23 Chromosomenpaare haben. Weil die
Chromosomen aus Genen bestehen, erhalten wir zur Sicherheit
zwei Kopien von den meisten Genen, je eine Kopie von jedem
Elternteil. Das ist der Grund weshalb wir oft ähnliche
Eigenschaften wie unsere Eltern haben. Die Chromosomen und
Gene bestehen aus einer chemischen Substanz, der DNA (DNA
ist die englische Bezeichnung für Desoxyribonukleinsäure).
Manchmal kommt es vor, dass eine Veränderung (Mutation) in
einer der Kopien eines Gens auftritt, wodurch seine Funktion
beeinträchtigt ist. Eine solche Veränderung kann die Ursache
einer genetischen Störung oder Erkrankung sein, weil das Gen
nicht mehr die korrekte Information an den Körper gibt.
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EuroGentest
Frei zugängliche Webseite, die Informationen über genetische
Testverfahren enthält und links zu Patientengruppen in ganz
Europa bereitstellt.
Web: www.eurogentest.org
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Abb.: 1 Gene, Chromosomen und DNA
oder bei einem Humangenetischen Universitätsinstitut bzw.
bei der dortigen Genetischen Beratungsstelle:
http://www.gfhev.de/de/hochschulinformationen/
humangenetische_einrichtungen.php
www.gfhev.de/de/beratungsstellen/beratungsstellen.php
Was bedeutet “autosomal-rezessiver Erbgang”?
Einige genetisch bedingte Störungen oder Erkrankungen werden
rezessiv vererbt. Das bedeutet, man muss zwei veränderte
Kopien desselben Gens erben (jeweils eine veränderte Kopie
von jedem Elternteil), um dadurch eine bestimmte genetisch
bedingte Störung oder Erkrankung zu bekommen. Falls jemand
sowohl eine veränderte Kopie eines Gens als auch eine
unveränderte Kopie erbt, dann ist er oder sie in den meisten
Fällen ein unbetroffener Anlageträger bzw eine unbetroffene.
Anlageträgerin, weil die unveränderte Kopie die veränderte
Kopie ersetzt. Anlageträger/in zu sein bedeutet, dass die
Betreffenden nicht von der Störung oder Erkrankung betroffen
sind, sie besitzen jedoch eine veränderte Kopie eines Gens in
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einem Genpaar. Beispiele für autosomal-rezessiv vererbte
Störungen oder Erkrankungen sind die Mukoviszidose - auch
Zystische Fibrose oder kurz CF genannt - und die
Sichelzellanämie.
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Wie werden autosomal-rezessive Störungen oder
Erkrankungen vererbt?
Abb.: 2 Vererbung rezessiver Gene von den Eltern auf die
Kinder
Anlageträger/in
Anlageträger/in
Dies ist nur eine kurze Einführung in den autosomalrezessiven Erbgang. Sie erhalten weitere Informationen von:
Das Kindernetzwerk
Web: www. kindernetzwerk.de
Service-Telefon: (0 60 21) 1 20 30
unverändertes
Gen
Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen
Web: www.achse-online.de
E-Mail: [email protected]
Service-Telefon: 0180-5-ACHSE-5 oder 0180-5-22473-5
verändertes
Gen
Deutsche Gesellschaft für Humangenetik e.V.:
Web: www.gfhev.de
Orphanet
Frei zugängliche Webseite; dort finden Sie Informationen zu
seltenen Erkrankungen, klinischen Studien, Medikamenten und
links zu Patientengruppen in ganz Europa.
Web: www.orphanet.de
Nicht
betroffen
Anlageträger/in Anlageträger/in Betroffen
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jemand nur ein verändertes Gen erbt, dann ist er oder sie
Anlageträger/in (Risiko von 50%). Das entsprechende
Ergebnis kommt ausschließlich zufallsgesteuert zustande.
Die Risikoverhältnisse sind in jeder Schwangerschaft die
gleichen; sie sind auch für Jungen und Mädchen gleich.

Ein verändertes Gen lässt sich nicht reparieren – es bleibt
lebenslang erhalten.

Ein verändertes Gen ist nicht ansteckend. Man kann
deshalb trotzdem beispielsweise Blut spenden.

Manche Menschen entwickeln Schuldgefühle wegen einer
genetisch bedingten Störung oder Erkrankung, die in ihrer
Familie auftritt. Denken Sie stets daran: Das Auftreten der
Störung hat niemand verschuldet oder durch sein Verhalten
verursacht.
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Wenn beide Partner Träger desselben veränderten Gens sind,
können sie entweder das unveränderte Gen oder das veränderte
Gen an ihr Kind weitergeben. Das ist ein rein zufallsgesteuerter
Vorgang.
Jedes Kind von Eltern, die beide dasselbe veränderte Gen
tragen, hat daher ein 25%iges Risiko (1:4) das veränderte Gen
von beiden Elternteilen zu erben und somit von der Störung bzw.
Erkrankung betroffen zu sein. Das heißt aber auch, dass jedes
Kind eine 75%ige Chance hat, nicht von der Störung oder
Erkrankung betroffen zu sein. Diese Risikobedingungen bleiben
für jede Schwangerschaft die gleichen und sind auch für Jungen
und Mädchen gleich.
Das Risiko, nur eine veränderte Kopie des Gens von einem
Elternteil zu erben, beträgt für ein Kind 50% (2:4). Wenn das
eintritt, ist das Kind ein/e gesunde/r Anlageträger/in, so wie seine
Eltern.
Schließlich ist die Chance, dass das Kind beide unveränderten
Kopien des Gens erbt ebenfalls 25% (1:4). In diesem Fall wird es
weder von der Störung oder Erkrankung betroffen sein, noch
Anlageträger sein.
Diese möglichen Ergebnisse kommen rein zufällig
(randomisiert) zustande. Die Wahrscheinlichkeit für das
jeweilige Eintreten bleibt für jede Schwangerschaft gleich.
Sie ist auch für Jungen wie für Mädchen gleich.
Wie kann es kommen, dass ein Kind der erste Fall
in einer Familie ist, bei dem die genetisch bedingte
Störung oder Erkrankung auftritt?
Es kann vorkommen, dass ein Kind der erste Fall in einer
Familie ist, der mit einer autosomal-rezessiven genetisch
bedingten Störung oder Erkrankung geboren wird. Auch wenn
während mehrerer Generationen viele Familienmitglieder bereits
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Träger gewesen sind, kann ein Kind immer nur dann von der
Störung oder Erkrankung betroffen sein, wenn beide Eltern
Träger sind, und das Kind das veränderte Gen sowohl von der
Mutter als auch vom Vater erbt.
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Untersuchungen
auf
Anlageträgerschaft
und
Untersuchungen während
der Schwangerschaft
Für Menschen, in deren Familien
autosomal-rezessiv genetische
Störungen oder Erkrankungen
aufgetreten sind, gibt es eine Reihe
von Handlungsmöglichkeiten. Es
können Untersuchungen
auf
Anlageträgerschaft durchgeführt
werden, um zu sehen, ob beide
Partner Träger des veränderten
Gens sind. Diese Information kann von Nutzen sein, wenn das
Paar Kinder haben möchte. Für einige autosomal-rezessiv
genetische bedingte Störungen oder Erkrankungen existieren
genetische Testverfahren, die während der Schwangerschaft
durchgeführt werden können, um zu sehen ob das Kind die
Störung bzw. Erkrankung geerbt hat (weitere Informationen
finden Sie in den Informationsblättern zur Chorionzottenbiopsie
und Amniozentese). Über diese Untersuchungsmöglichkeiten
sollten Sie sich von Ihrer Ärztin bzw. Ihrem Arzt beraten lassen.
Verhalten gegenüber
anderen Verwandten
Familienmitgliedern
und
Falls jemand in Ihrer Familie eine autosomal-rezessive genetisch
bedingte Störung bzw. Erkrankung hat oder Anlageträger/in ist,
sollten Sie Ihre Verwandten davon informieren. Dadurch hätten
diese die Möglichkeit, sich zu entscheiden, ob sie eine
Blutuntersuchung vornehmen lassen, um zu erfahren, ob auch
sie Anlageträger/innen sind. Eine solche Information wäre auch
hilfreich, um weitere Familienmitglieder zu diagnostizieren. Das
wäre wiederum besonders wichtig für die Mitglieder Ihrer
Familie, die bereits Kinder haben, oder die zukünftig Kinder
haben wollen.
Manchen Menschen fällt es schwer, Verwandte über ihre
genetisch bedingte Störung oder Erkrankung zu informieren. (Sie
möchten vielleicht keine Ängste in der Familie wecken. In wieder
anderen Familien gibt es kaum Kontakt zwischen den
Verwandten, wodurch die Kontaktaufnahme als schwierig
empfunden wird. Fachärzte für Humangenetik haben meist
große Erfahrung mit Familien, in solchen Situationen und können
Sie dabei unterstützen, diese Probleme mit den
Familienangehörigen und Verwandten zu besprechen.)
Woran Sie sich stets erinnern sollten!

Bei autosomal-rezessiven Störungen oder Erkrankungen
muss man zwei Kopien eines veränderten Gens erben,
jeweils eine von jedem Elternteil, um von der Störung oder
Erkrankung betroffen zu sein (Risiko von 25%). Wenn
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