Effektiver Einsatz neuer DNASequenzierungsmethoden bei Erbfehlern Cord Drögemüller Professur für Tiergenetik Institut für Genetik Vetsuisse-Fakultät Universität Bern 1912: Mutation? - a vague concept in those days While studying achondroplasia (dominantly inherited, short-limbed dwarfism), Weinberg noticed that sporadic cases were most often found among the last-born children of a sib-ship and inferred a possible mutational origin. Forty years later Penrose showed that paternal age was the main, if not the sole, cause of Weinberg’s observation, because there are many more germ-cell divisions in the life history of a sperm relative to that of an egg. Wilhelm Weinberg (Stuttgart, Dec 25, 1862 – Tübingen, Nov 27, 1937) 1928: recessive lethal “factor” causes an outbreak of amputated calves Wriedt C & Mohr OL (1928) Journal of Genetics 20: 187-215. 1928: recessive lethal “factor” causes an outbreak of amputated calves Wriedt C & Mohr OL (1928) Journal of Genetics 20: 187-215. 2016: Erbfehler folgen natürlich auftretenden DNA-Mutationen Dominante Mutationen werden häufig unmittelbar bedeutend Problematisch: stark frequentierte KB-Vererber Stiere ohne umfangreichen Prüfeinsatz (genomische Selektion?) Rezessive Mutationen brauchen mehrere Generationen bis zum Ausbruch Problematisch: Inzuchtverpaarungen insbesondere bei geringer effektiver Populationsgrösse (“kleine” Rassen) wenige Stierenväter (genomische Selektion) und Stierenmütter stark frequentierte KB-Vererber Ein revolutionäres Jahrhundert… Cattle genome project starts … ein revolutionäres Jahrzehnt 1989/1990 „wind of change“ Gentests werden erstmals verfügbar Georges & Andersson (1996) Genome Res 6: 907-21 25 Jahre später: Zahl der Gentests steigt mit den Möglichkeiten Anim Genet. 2014 Apr; 45(2): 157–170. 2014: Genomsequenzierungskosten im freien Fall Nature (2014) 507, 294-5. 2014: www.1000bullgenomes.com 2016: http://omia.angis.org.au Mutationen treten immer wieder neu auf… 2016: Erbfehler sind (und bleiben) Thema Energy P Dominante Keimbahnmutation verusacht Bulldogkälber © Hubert Pausch, TU München 2016: Erbfehler müssen als solche erst einmal erkannt werden Erfassung und Meldung oftmals suboptimal insbesondere für “problematische” Phänotypen: embryonal lethal mild/subtil (schwierig als solche zu erkennen) später im Leben auftretend Kardiomyopathie Thrombopathie 2016: Erbfehler müssen als solche erst einmal erkannt werden Erfassung und Meldung oftmals suboptimal insbesondere für “problematische” Phänotypen: embryonal lethal mild/subtil (schwierig als solche zu erkennen) später im Leben auftretend Systematische Erfassung von “Besonderheiten” wünschenswert Beispiele: DK: Danish Bovine Genetic Disease Programme CH: TierVerkehrsDatenbank D: Integrative Genomik in der Rinderzucht ab ca. 2010: Neue Möglichkeiten der DNA-Sequenzierung Spinnengliedrigkeit beim Braunvieh • angeboren • verlängerte, brüchige Beinknochen • weltweit verbreitet • Gründertier: Lilason (*1957 in USA) • rezessiver Erbgang • 15 betroffene Kälber für Kopplungsanalyse indirekter Gentest (2008) 2010: Gentest für Spinnengliedrigkeit beim Braunvieh • erstmaliger Einsatz von next-generation sequencing zur Mutationsanalyse beim Rind • Kuh aus Inzuchtverpaarung war essentiell Das Schicksal “kleiner” Rassen: Grauvieh als Beispiel 2009: Neuropathie beim Grauvieh • • • ab ca. 4 bis 6 Wochen alt fortschreitend gestörte Bewegungskoordination • rezessiver Erbgang • gesunde Eltern sind Anlageträger (NPC) seit 2003 über 50 bekannte Fälle (4 in der Schweiz) am häufigsten in Tirol (AT) beobachtet • dort bekannt als “Demetz Syndrom” Gründertier: Stier Astor (*1961 in AT) 7% NPC in der Schweiz (AT 13%, IT 5%) Neuropathie beim Grauvieh gemeinsamer Ahne aller erkrankten Kälber: Stier Astor (*1961) Astor Brave Atlas Nero Kluge Astor Kella Nautilus Entführer Diktator Gusti Dogan Detlev Deneus Elefant Gulla Hansi Artus Carolus Arter Afra Dedi Arosa Nalus Faktum Heimat 2 Diecho Dirio Hanni Holla Diorino Dio Diober Diebus Difant Dinat Dinmark Artano Dinenz Dinex Artoll Artexo Arteno Artho I Arti Arteus Artodo Nua Nomon Danmaro Semmian Sego Ferro Nubus 2013: Zwergwuchs beim Grauvieh 2013: Zwergwuchs beim Grauvieh • angeboren • stark verkürzte Beine • seit 2010 über 10 bekannte Fälle • ausschliesslich in Südtirol (IT) • rezessiver Erbgang • gesunde Eltern sind Anlageträger • kommt in der Schweiz (und AT) nicht vor (IT 19% Anlageträger) Zwergwuchs beim Grauvieh gemeinsamer Ahne aller erkrankten Kälber: Kuh Anka (*1982) 2009 / 2016: Renale Dysplasie (Nierendefekt) beim Grauvieh 2009 / 2016: Renale Dysplasie (Nierendefekt) beim Grauvieh • unauffällig bei Geburt, rasch sichtbar schlechte Entwicklung (Kümmerer) • rezessiver Erbgang • knapp 80kg schwer nach 8 Monaten • gesunde Eltern sind Anlageträger (RDC) • starkes Klauenwachstum ab 2 Monaten • Nierendefekt • RDC selten auch in der Schweiz (AT 1%, IT 8%) • seit 2009 nur 2 bekannte Fälle (Zwillinge in Südtirol) Selten ist manchmal gar nicht so selten… Dystrophic epidermolysis bullosa (DEB) beim Roten Höhenvieh 2010: 6 Fälle mit Hautdefekt infolge COL7A1 Mutation Sehr ähnlicher DEB Phänotyp beim Vorderwälder 2015: 2 Fälle infolge der identischen Mutation © Hubert Pausch, TU München Auch “grosse” Rassen haben diese Probleme… 2015: Ein neuer Erbfehler bei Holstein Rindern? 20.07.2015 • seit Herbst 2015: indirekter Haplotypentest verfügbar • Problem: geringe Genauigkeit (ca. 80%) Herbst 2015: SNP-Analyse mit nur 3 Tieren gab Orientierung Herbst 2015: Genomsequenzierung von 2 Tieren (1 erkranktes Kalb + 1 ingezüchteter Anlageträger) zeigte die Mutation Grenzen der indirekten Diagnostik: Der assoziierte Haplotyp kommt MIT und OHNE Mutation vor Dezember 2015: Direkter Gentest erstmals verfügbar • seit Herbst 2015: 38 homozygot erkrankte Kälber (CDS) • 2 weitere Fälle mit typischen Anzeichen als heterozygot (CDC) getestet 261 Holstein Stiere (nicht repräsentative Stichprobe) Haplotypentest Gentest 36x CD1 45x CDC 225x CDF 216x CDF Experimentell bestätigt: Maughlin Storm ist Anlageträger (CDC) Im Zweifel genügt ein Tier… 2012: Charolais Kalb mit Hautdefekt … um mit Hilfe der Genomsequenzierung die Ursache aufzuspüren Optimalerweise Trioproben… Effektive Mutationsanalyse erfordert Material vom betroffenen Tier sowie von beiden Eltern (Haarwurzeln, Ohrgewebe, EDTA-Blut und/oder Spermadose) Bestmögliche Dokumentation der Besonderheiten (Fotos und Videos) … um aufzuzeigen zu können ob eine spontane Neumutation auftrat Unsere Bitte: Halten Sie die Augen offen! Besten Dank für die Unterstützung!